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Schatten der Vergangenheit

von

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Kapitel I - neues Leben

Hier würde sie von nun an wohnen. Unentschlossen betrachtete sie das Einfamilienhaus. Ein nettes Häuschen bestehend aus einem Erdgeschoss und Obergeschoss mit Flachdach. Auf jeden Fall größer als die Wohnung in der sie zuvor lebte. Ein Balkon im Obergeschoss führte ums Haus herum. Eine Brusthohe Hecke umfasste das Grundstück.

„Bis später!“

Ihre Augen wanderten zu dem Nachbarhaus. Die Häuser in dieser Siedlung waren hier absolut identisch. Dann fiel ihr Blick auf einen gutaussehenden Jungen, der in ihrem Alter war und nach einem Gruß ins Haus die Türe hinter sich zuzog.

In diesem Moment hob er den Blick und strahlend blauen Augen musterten sie.

Sie betrachtete den athletischen Körper, der in einem Shirt und einer Jeans steckte. Die braunen Haare standen wirr ab. Sie entdeckte ein umwerfendes Lächeln auf seinen Lippen und die blauen Augen blitzten ihr regelrecht entgegen. Mit großen Schritte folgte er dem Weg durch den Vorgarten und näherte sich schnell. Ihr war es unmöglich den Blick abzuwenden. Das sollte ihr Nachbar sein? Immer noch überwältigt starrte sie ihn an, musste dabei ihren Kopf etwas in den Nacken legen, denn der Junge überragte sie um fast einen ganzen Kopf.

„Hallo“, begrüßte er sie freundlich. „Wir kennen uns nicht, aber das könnten wir jetzt ändern.“ Er zwinkerte ihr schelmisch zu und hob seine Hand vor ihr Gesicht. Erstaunt beobachtete sie seine Bewegungen, wie er seine Hand zur Faust formte und wieder öffnete. Plötzlich hielt er eine rote Rose zwischen Daumen und Zeigefinger. „Ich bin Kaito Kuroba. Freut mich dich kennen zu lernen“, grinste er ihr entgegen und hielt ihr die Rose entgegen.

„Danke“, hauchte sie und nahm sie lächelnd. Wow, noch nie hatte ihr ein Junge Blumen geschenkt.

„Deine Augen verraten mir alles, nur deinen Namen nicht“, hakte er erneut charmant nach.

Überrascht blickte sie errötend auf. „Ran Mori“, stellte sie sich nun vor und lächelte ihn an. „Freut mich auch.“

Seine blauen Augen betrachteten sie unablässig, sein Lächeln war einfach umwerfend und Ran fühlte wie weich ihre Knie plötzlich wurden.

„Darf ich dich auf einen Kaffee einladen?“

Bevor Ran etwas erwidern konnte, mischte sich plötzlich ein Mädchen ein. „Nein, darfst du nicht“, fauchte dieses und trat auf den Gehweg.

„Wer hat dich schon nach deiner Meinung gefragt?“, erwiderte Kaito ebenso barsch. „Falls es dir entgangen ist, ich unterhalte mich gerade mit einer sehr bezaubernden Frau.“ Er grinste wieder provokant und fügte hinzu: „So ganz anders als du es bist, Ahoko!“

Erstaunt beobachtete Ran die Streiterei. Das Mädchen war in etwa gleichgroß wie sie selbst, baute sich dennoch stolz und angriffslustig vor dem Jungen auf. Die blauen Augen blitzten herausfordernd. Dass er sie um einen Kopf überragte schien sie überhaupt nicht zu stören. „Aoko“, versuchte Ran das Mädchen zu beruhigen, wurde aber gänzlich ignoriert.

„Egal was du vor hast, vergiss es! Ran ist ganz bestimmt keines dieser Mädchen“, zischte sie ihm bedrohlich zu.

„Das sollte Ran selbst entscheiden“, dabei zwinkerte Kaito wieder seinem Flirt zu. Doch im nächsten Moment taumelte er überrascht einige Schritte zurück, konnte sich jedoch schnell wieder fangen. Ein wütender Blick glitt zu Aoko.

Das Mädchen hatte all ihre Kraft eingesetzt um ihn weg zu schubsen, was nicht so ganz wie erhofft klappte. „Hör mit dem Scheiß auf, Kaito! Du wirst ihr nicht zu nahe kommen“, fauchte sie.

Ran staunte über diese Auseinandersetzung. Im nächsten Moment spürte sie eine warme Hand um ihre und wurde von dem Mädchen mit ins Haus gezogen. Einen letzten Blick warf Ran noch über ihre Schulter zurück. Kaito stand an Ort und Stelle und blickte den beiden mit ausdrucksloser Mimik nach. Dann schloss sie die Türe hinter sich.

„Tut mir leid, dass dieser Idiot dich belästigt hat“, entschuldigte sich Aoko sofort und zog sich ihre Hausschuhe an. „Aber an diesen Schleimbeutel wirst du dich nun gewöhnen müssen. Am besten du ignorierst ihn einfach. Dann lässt er dich auch bald in Ruhe.“

Ran folgte ihr überrumpelt und blickte sich um. Sie stand in einem schmalen Flur. Eine kleine Anrichte mit einer Garderobe war hier angebracht. Dann folgte sie Aoko in ein angrenzendes Zimmer. Die Küche, wie sie beim Betreten feststellte. Eine schöne Küche, modern mit Kochinsel in der Mitte des Raumes. Ein Esstisch, der sechs Personen Platz bot, stand ebenso im Raum. Ein Blick durchs Fenster ließ sie die Straße erkennen. Aoko verschwand hinter der Kühlschranktüre und kam mit einer Packung Saft wieder hervor. Sie holte aus einem weiteren Schrank zwei Gläser hervor und deutete Ran sich an den Tisch zu setzen.

„Er machte auf mich einen netten Eindruck“, gestand Ran zögernd.

Aoko brachte alles zum Tisch und setzte sich dazu. „Lass dich nicht täuschen“, warnte sie und schenkte in die Gläser Saft ein. „Er ist mehr Schein als Sein“, fügte sie noch kryptisch hinzu.

„Wie meinst du das?“, hakte Ran nach.

„Sei einfach vorsichtig.“

„Dicke Freunde seid ihr beide wohl nicht?“, grübelte Ran weiter, während sie versuchte durch Aokos Worte in Bezug auf Kaito durchzublicken.

Aoko zuckte nichtssagend mit den Schultern. „Warum bist du schon hier? Und wo sind Eri und Papa?“

Ran trank einen Schluck, auch wenn sie noch einige Fragen bezüglich des Nachbarjungen auf der Zunge liegen hatte. „Die Umzugsfirma ist fertig. Sie fahren gemeinsam hierher und müssten bald da sein. Ich habe mich vorhin mit Sonoko getroffen und bin dann direkt hierher gekommen. Ihr Freund wohnt hier in der Nähe.“

„Soll ich dir schon mal dein Zimmer zeigen? Papa hat es die Tage noch gestrichen. Ich bin mir sicher es wird dir gefallen“, sprang Aoko schon voll Tatendrang auf und führte Ran in das Obergeschoss.

Ran folgte dem Mädchen, lief an den ersten beiden Zimmertüren vorbei und blieb vor der letzten Türe auf der rechten Seite stehen. Aoko deutete auf die Türe hinter ihnen. „Hier ist das Badezimmer und das hier...“, sie deutete auf die verschlossene Türe. „...ist dein Reich.“ Schon drückte sie die Klinke und schob die Türe auf.

Ran trat in ein helles Zimmer ein, das in einem zarten Lila gestrichen war. Die Sonne schien durch die große Fensterfront herein.

„Du hast die Nachmittagssonne hier drinnen. Bei mir drüben ist die Morgensonne. Der Balkon“, sie deutete durch die große Glastüre. „geht ums Haus herum. Bei meinem Zimmer ist er zu Ende und er reicht noch bis vorne hin.“ Dabei deutete sie nach rechts. „Hier ist übrigens auch das Schlafzimmer unserer Eltern“, erklärte sie.

Ran nickte. Hier würde sie also von nun an leben.

„Wir sind zuhause“, rief Eri freudig ins Haus. „Mädchen, wo seid ihr?“

Aoko und Ran beeilten sich ins Erdgeschoss zu kommen und sahen durch die offenstehende Haustüre, wie die Umzugsfirma die Möbel aus einem Transporter auspackte und auf den Gehweg stellten. Wenig später wurden die einzelnen Möbelstücke hereingetragen und Eri kommandierte wohin was gehörte.

Aoko verschwand in ihr Zimmer und auch Ran ging in ihr neues Reich um die Möbelpacker anzuweisen, wo sie sich ihre Möbel vorstellte. Mit jedem weiteren Möbelstück wurde das Zimmer heimeliger und zum Schluss brachten die Männer der Umzugsfirma noch die Umzugskartons ins Haus. In den nächsten Tage würde sie alles ausgepackt haben.

Kapitel II - Zukunftsplanung

Abends saßen sie alle zusammen beim Abendessen. Eine ungewohnte Situation für alle Beteiligten. Eri und Ginzo saßen auf der einen Seite des Tisches nebeneinander und warfen sich verliebte Blicke zu während Ran und Aoko ihnen gegenüber Platz fanden. Die jungen Frauen wussten nicht so recht, wie sie das verliebte Turteln ihrer Elternteile einschätzen sollten. Somit aßen sie schweigend.

Dann plötzlich räusperte sich Ginzo und zog die stummen Blicke der drei Frauen auf sich. „Eri und Ran, dies ist ein ganz besonderer Tag in unserem Leben.“ Er hob sein Glas an. „Aoko und ich heißen euch in eurem neuen zuhause herzlich Willkommen und wir hoffen ihr lebt euch schnell hier ein.“

Eri und Ginzo stießen mit ihren Gläsern an, schwebten im siebten Himmel und turtelten erneut miteinander. „Das hast du schön gesagt“, hauchte Eri glücklich.

Aoko und Ran tranken irritiert einen Schluck Saft und stellten dann die Gläser wieder ab.

„Aber wir haben euch noch etwas wichtiges zu sagen“, sprach er plötzlich weiter, so unverhofft dass die beiden Mädchen verschreckt aufsahen. „Eri und ich, wir werden heiraten damit unser Familienglück perfekt wird.“

Heiraten?, dachte Ran überrascht.

„Heiraten?!“, sprach Aoko es entsetzt aus.

„Ja, wir sind uns sicher das es für die Ewigkeit halten wird“, antwortete Ginzo seiner Tochter und lächelte erneut Eri zu.

Ran schluckte, ließ diese Nachricht sacken. Ihre Mutter und Ginzo hatten sich vor einem dreiviertel Jahr kennengelernt. Sie haben sich lange Zeit genommen um zu sehen ob es was festes und dauerhaftes werden könnte und dann ihren Töchtern einzeln den neuen Partner in ihrem Leben vorgestellt. Erst vor wenigen Tagen erzählte Eri ihrer Tochter, dass sie zu Ginzo ziehen. Und damit Ran Aoko auch noch vor dem Einzug kennen lernte verabredeten sich zum Abendessen.

„Die Hochzeit ist im Oktober“, fügte Ginzo noch hinzu.

In zwei Monaten?!

Eris Augen leuchteten. „Die Einladungskarten sind bereits verschickt, die Feierlichkeiten sorgsam geplant und das Brautkleid habe ich auch schon bestellt. Es fehlen nur noch die Brautjungfern“, grinste sie die beiden Mädchen an.

Es wirkte alles so voreilig und unbedacht. Aber dieses Strahlen in den Augen ihrer Mutter hatte Ran in den letzten Jahren sehr vermisst. Und Ginzo brachte es zurück. Sie sah wie ihre Mutter aufblühte und darum freute sie sich. Und so wie es klang, würden sie wohl bald einkaufen gehen.

Aoko hingegen starrte stumm auf die Tischplatte. Dann stand sie auf. „Mir ist der Appetit vergangen.“ Schon verschwand sie zur Türe raus.

Betroffen starrte Eri Aoko nach, suchte nach Worten und blickte letztendlich Ginzo überfordert an.

„Gib ihr Zeit sich an den Gedanken zu gewöhnen. Es kam sehr überraschend für sie.“

„Du willst ihr nicht nachgehen?“

Ginzo schüttelte entschieden den Kopf. „Ich werde später mit ihr reden.“

Ran blieb auch sitzen aber nicht ohne Sorge um Aoko. Sie würde gleich nach dem Essen Aoko in ihrem Zimmer aufsuchen. Sie sah wie traurig ihre Mutter plötzlich wirkte, so hatte sich diese das bei weitem nicht ausgemalt. Wohl eher rechnete sie mit der Unterstützung beider Mädchen. Wenn Ran nun auch ging, würde ihre Mutter dies ebenso negativ aufnehmen.

Bedrücktes Schweigen überschattete das gemeinsame Abendessen.

Während Ginzo und Eri den Tisch abräumten und das Geschirr spülten, ging Ran hinauf ins Obergeschoss und klopfte an Aokos Zimmertüre.

Es gab vier gleichgroße Räume. Aokos Zimmer, daneben das Bad und gegenüber Rans Zimmer sowie das Elternschlafzimmer.

„Aoko? Ich bin es, Ran“, sagte sie noch, als keine Reaktion erfolgte. Erneut klopfte sie. „Aoko?“ Vorsichtig öffnete sie die Zimmertüre und blickte hinein. Das Zimmer war leer. Besorgt runzelte sie die Stirn trat weiter ein. Neugierig sah sie sich um. Ein großer Schrank mit Spiegeltüren fand sich zu ihrer linken Seite, rechts stand ein großes Bett und vor den Fenstern ein Schreibtisch.

Ihr Blick ging hinaus in die Abenddämmerung. Auf dem Nachbarbalkon stand jemand. Neugierig ging Ran zur Glastüre und öffnete diese. Dann trat sie in die warme Abendluft hinaus.

„Welch überraschender Anblick“, erklang eine melodische Stimme und sie blickte in die blauen Augen ihres neuen Nachbarn. „Ran, richtig? Ahokos Freundin“, stichelte er. „Hat dich unser Kampfhund allein gelassen?“

Ran runzelte die Stirn, verstand nicht warum er so beleidigend war. „Weißt du wo sie sein könnte? Sie ist verschwunden.“

Kaitos Gesichtsausdruck verfinsterte sich. „Keine Ahnung, du bist ihre Freundin.“

„Wenn es so einfach wäre“, entgegnete Ran und ließ den Kopf hängen. „Ich mach mir Sorgen um sie. Aber dann werde ich einfach hier auf sie warten.“ Sie blickte auf und wieder in diesen verschlossenen Gesichtsausdruck. Von seiner charmanten Art war nichts mehr zu sehen. Irritiert über seine wechselhafte Laune sah sie ihn kurz an. Schließlich verabschiedete sie sich. „Schönen Abend“, wünschte sie ihm und hob zaghaft ihre Hand um ihm kurz zu winken. Dann kehrte sie in das Zimmer ihrer Stiefschwester zurück und setzte sich auf den Stuhl. Eine ganze Weile saß sie hier und draußen wurde es dunkel, aber Aoko kehrte nicht zurück. So beschloss Ran in ihr eigenes Zimmer zu gehen und dort zu warten. Die Türe ließ sie offen stehen, damit sie hörte wenn Aoko zurück kam.
 

Aoko konnte nicht fassen, was sie da hörte. Es kam geballt zusammen und so schnell, dass sie keine Möglichkeit hatte die Ereignisse zu verarbeiten. Es war erst vor kurzem als ihr Vater von der neuen Frau in seinem Leben erzählte und sie zum Kennenlernen einlud und vor wenigen Tagen sprach er von seiner Idee Eri und ihre Tochter bei ihnen einziehen zu lassen. Dann nahm er sie mit zu Moris zum Abendessen, damit sie Ran kennenlernte. Zwar bat er Aoko noch um ihr Einverständnis, aber sie wusste es war schon längst beschlossene Sache. Ihr blieb überhaupt nichts anderes übrig als ihm zuzustimmen. Zum Glück war Ran nett und sie verstanden sich auf Anhieb. Das machte die Sache doch erträglicher. Aber sobald schon die Hochzeit? Das war zu viel für Aoko. Sie konnte sich nicht mehr zurückhalten, stand auf und ging in den Flur. Dort zog sie sich ihre Schuhe an, schnappte sich eine leichte Jacke und ihren Schlüssel und verschwand aus dem Haus. Wohin sie gehen sollte wusste sie nicht. Sie ging einfach – nicht weit weg, sondern in den Garten. Sie folgte keinem bestimmten Ziel, aber ganz automatisch trugen ihre Beine sie zu einem vergessenen Ort. Sie ging in den hinteren Bereich, der von vielen Büschen uneinsehbar war. Lange war sie nicht mehr hier. Wie verzaubert sah sie sich um und bis auf die ausufernden Büsche, hatte sich hier nichts verändert. Sie ging weiter und stand bald vor einer in die Jahre gekommenen Hollywoodschaukel. Ein zaghaftes Lächeln bildete sich auf ihren Lippen. Fast andächtig berührte sie den verwitterten Stoff mit ihren Fingern und ging um die Schaukel herum. Durch die Berührung schwankte diese sanft, aber nicht ohne ein fieses quietschendes Geräusch von sich zu geben. Das ganze Gestell müsste dringend mal geölt werden. Sie trat auf die Frontseite der Schaukel zu. Unbewusst hielt sie dabei den Atem an, erinnerte sich an die vielen nächtlichen Stunden in dieser Schaukel und betrachtete die Vorderseite. Ein paar Spinnweben hingen unter dem Dach, ansonsten sah sie immer noch so aus wie früher. Der in grau und rot gestreifte Stoff, der sich als Dach bis über die Sitzfläche hinab zog, war in den Jahren etwas verblasst. Die Sitzbank müsste auch mal wieder geschrubbt werden. Das anthrazitfarbene Gestell sah stabil aus.

Aoko suchte nach einem Stock und fand diesen auch. Dann machte sie sich daran die Spinnweben zu entfernen. Mit der Hand wischte sie dann noch über die Sitzfläche, warf den Stock weg und setzte sich auf die Bank. Sie versank in der Schaukel. Begleitet von einem erneuten kreischen des ungeölten Metalls unter ihrem Gewicht. Sie entschied sich stillzuhalten. Es reichte ihr auch einfach nur zu sitzen und ihre Gedanken zu ordnen. So wie früher. Sie kam immer hierher, wenn sie etwas bedrückte oder beschäftigte. Es war ihr Rückzugsort – ihr Geheimversteck.

Sie gönnte ihrem Vater ihr Glück. Niemand mehr hatte es verdient glücklich zu werden, aber warum musste er so voreilig sein? Eri und er kannten sich doch erst ein dreiviertel Jahr und wollten in zwei Monaten schon heiraten? Wie ihre Mama wohl reagiert hätte? Traurig blickte sie durch die dichten Blätter der großen Linde, welche unmittelbar neben der Hollywoodschaukel in den Himmel ragte.

Das dämmrige Licht bahnte sich einen Weg durch das dichte Geäst. Sicherlich hätte ihre Mama gewollt das Papa glücklich wird. Aber eine neue Mutter in ihrem Leben zu haben, mit diesem Gedanken hatte sie sich noch nie zuvor befasst.

Schritte näherten sich.

Sofort versteifte sich Aoko. Aufmerksam lauschte sie. Niemand kam sonst hierher. Warum ausgerechnet jetzt? Und wer war das bloß?

Eine große schlanke Gestalt trat aus den Büschen heraus und blickte sie überrascht an.

Aokos Augen wurden größer als sie erkannte wer vor ihr stand. Dann fasste sie sich wieder und funkelte den Jungen mit dem braunen Wuschelkopf wütend an. Sie wollte in Ruhe nachdenken und sich nicht mit diesem Idiot auseinander setzen. „Was willst du hier, Baka?!“, zischte sie ihn an.

„Das gleiche könnte ich dich fragen, Aho“, erwiderte er ungerührt und kam näher.

„Das geht dich nichts an. Verschwinde!“, fauchte sie, aber ihre Worte prallten an ihm ab.

Er blieb vor ihr stehen und betrachtete Gedankenverloren die Hollywoodschaukel. „Ich war lange nicht mehr hier“, stellte er fest.

Aoko schluckte überrascht. Sie nahm an, dass er diesen Ort regelmäßig nutzte. Immerhin war man hier ungestört und ungesehen. Gerade für ihn und seinen Lebensstil war es der passende Ort um die Mädchen reihenweise zu verführen. „Tatsächlich ja?!“, höhnte sie. Glauben konnte sie seinen Worten nicht. „Und jetzt verschwinde endlich. Ich möchte allein sein.“

Er blickte sie an und seine blauen Augen leuchteten wissend. „Du warst immer hier, wenn du aufgewühlt warst.“

Niemand kannte sie besser als er. Und dennoch war er nicht mehr Teil ihres Lebens. „Selbst wenn es so wäre, das geht dich nichts mehr an.“ Sie zog ihre Jacke hervor und schlüpfte hinein. Bockig verschränkte sie ihre Arme vor der Brust. „Ich hab dich nicht gebeten her zu kommen!“

Seine Augen verdunkelten sich, während er sie mit frostiger Miene ansah. Er schnalzte mit der Zunge und setzte an etwas zu sagen, als Aoko ihm dazwischen fuhr: „Wenn du solange nicht mehr hier warst, was machst du dann jetzt hier?!“

„Das geht dich nichts an“, bellte er zurück.

Sie stand auf. Ein ohrenbetäubendes Quietschen durchzog dabei die sonst so stille Umgebung.

Sie blickte zu ihm auf. Diesen körperlichen Vorteil, den er oft genug ihr gegenüber ausnutzte, würde sie wohl nie ausgleichen können. Dennoch würde sie ihm immer wieder die Stirn bieten. Ihre blauen Augen blitzten ihn an. „Auf Wiedersehen!“ Mit diesen Worten drehte sie sich um und folgte ihrem Weg zurück in den Garten und ließ den Jungen stehen.

Aufgebracht über diese zweite unfreiwillige Begegnung an diesem Tag, kehrte sie zum Haus zurück. Es war bereits dunkel und viel weiter war sie mit ihren Gedanken auch nicht gekommen. Dank diesem blöden Idiot, der so wie früher, einfach ungefragt auftauchte.

Kapitel III - Vater-Tochter-Gespräch

Aoko kehrte ins Haus zurück, zog ihre Schuhe aus und wollte sich soeben in ihr Zimmer verziehen, als Ginzo vor ihr erschien. „Wo warst du?“

„Spazieren“, wich sie aus. Dann nahm sie die erste Stufe in Angriff.

„Wir müssen reden.“

Das war keine Frage, sondern eine deutliche Aufforderung. Seufzend folgte sie ihrem Vater ins Wohnzimmer und setzte sich auf die Couch.

„Du weißt genau, dass du nicht bei Dunkelheit draußen herumlaufen sollst“, tadelte er seine Tochter. „Nachts ist es gefährlich.“

Aoko schnaubte trotzig. „Sagt der Polizist.“ Sie wollte ihm nicht von ihrem Geheimversteck erzählen und schon gar nicht wollte sie von ihrer Begegnung mit Kaito berichten.

„Sage ich als dein Vater“, erwiderte Ginzo streng und fügte dann hinzu: „Und als Polizist.“ Er krempelte sich die Ärmel hoch. „Letzte Woche ist wieder ein Mädchen überfallen worden. Ich sage das nicht aus Spaß, Aoko. Tagtäglich habe ich mit solchen Fällen zu tun. Ich trage nur nicht alles nach Hause.“

Ihre bockige Haltung löste sich. „Ich war nicht weit weg“, gestand sie. „Ich musste nur den Kopf frei kriegen.“

Nun zog sich eine Sorgenfalte über seine Stirn. „Ich weiß es kommt alles sehr plötzlich, es ist für mich auch noch so unwirklich.“ Er kratzte sich am Kopf. „Aber das mit Eri, das ist so ...“, Ginzo suchte nach passenden Worten. „... so unfassbar richtig.“

Aoko schluckte. „Es geht mir alles zu schnell. Du hast sie gerade erst kennengelernt und bist dir jetzt schon sicher das es für immer hält? Nichts hält ewig, das müsstest du doch am Besten wissen.“

Ginzo trat zu seiner Tochter und setzte sich zu ihr auf die Couch. Im nächsten Moment legte er den Arm um sie und zog sie an seine Brust. Dann vergrub er sein Gesicht an ihrem Haar. „Ich weiß wie es klingt. Ich habe dich überfordert und ich hätte Rücksicht auf deine Gefühle nehmen müssen. Es tut mir leid, Aoko.“

„Was ist mit Mama?“, fragte die Braunhaarige müde nach.

„Deine Mama lebt für immer in meinem Herzen weiter. Niemals werde ich meine erste große Liebe vergessen. Niemals werde ich die Frau vergessen, die mir dich schenkte. Aber seit langer Zeit habe ich keine Frau mehr so geliebt. Und das mit Eri ist mir ernst, sehr ernst, Aoko.“

Sie glaubte ihm alles. Seine Gefühle für Eri bildete er sich wirklich nicht ein. Jahrelang lebten sie nur zu zweit. Seit dem Ableben ihrer Mutter, hatte er sich für keine Frau mehr richtig interessiert. Und vor einem dreiviertel Jahr wandelte sich alles. Er war anders, glücklicher, ausgeglichener. Erst fragte sie sich was wohl vorgefallen war, aber als sie dann Eri kennenlernte wusste sie das die beiden füreinander bestimmt waren. Aoko schlang ihre Arme um ihren Vater und drückte sich fest an seine Brust. „Ich weiß Papa und es schön dich wieder so glücklich zu sehen.“

„Es wird alles gut werden. Wir sind jetzt eine Familie und wir werden alles gemeinsam in unserer Zukunft meistern. Zuallererst meistern wir Rans ersten Schultag an deiner Schule.“

Aoko drückte ihrem Vater noch einen Kuss auf die Wange. „Leider ist dieser schon morgen. Zu schade dass die Sommerferien schon zu Ende sind.“

„Ich muss morgen früh ins Revier. Soll ich euch mit zur Schule nehmen und dort raus lassen?“

Aoko nickte. „Das wäre super. Wir müssen noch ins Sekretariat.“

Ginzo lächelte. „Dann geh mal schlafen. Gute Nacht, mein Engelchen.“

„Gute Nacht, Paps.“

Aoko stand auf und ging in die obere Etage. Dann in ihr Zimmer. Sie schaltete das Licht an und ihre Augen glitten zum Fenster hinaus zum beleuchteten Zimmer des Nachbarhaus. Die Begegnung mit Kaito verwirrte sie. Aber Aoko wollte nicht an ihn denken und verdrängte jegliche Gedanken. Entschlossen zog sie ihre dunklen Vorhänge zu.

Es klopfte an der offenstehenden Türe.

Aoko drehte sich um und sah Ran. „Komm rein.“

„Alles klar bei dir?“

„Ja, bei dir auch?“

„Ja“, antwortete Ran und blieb unentschlossen in der Türe stehen. „Kam ziemlich überraschend.“

„Ja“, antwortete Aoko wieder.

„Wo bist du gewesen?“

„Spazieren.“

„Wenn du reden willst...“, begann Ran und zögerte. Dann lächelte sie: „... ich bin da.“

„Danke“, lächelte Aoko zurück. „Morgen bringt uns Paps zur Schule. Dann haben wir mehr Zeit alles zu organisieren.“

„Okay“, nickte Ran. „Gute Nacht.“

„Gute Nacht, Ran“, wünschte Aoko und ihre Stiefschwester in Spe schloss die Türe hinter sich.

Aoko ließ sich auf ihr Bett fallen und verschränkte die Arme hinter ihrem Kopf. Gedankenverloren starrte sie die Zimmerdecke an.

Kapitel IV - erster Schultag

Aufgeregt prüfte Ran ihre neue Schuluniform, alles saß wie angegossen. Ihre Haare trug sie offen, diese fielen ihr bis über die Schulterblätter. Tief atmete sie ein, dann fühlte sie sich bereit den Weg zur neuen Schule anzutreten.

Aoko wartete bereits am Frühstückstisch. Gemeinsam aßen sie eine Kleinigkeit.

Eri packte ihnen derweil ihre Brotzeit ein. Sie drückte jedem Mädchen die Brotzeitbox in die Hand und umarmte die beiden nacheinander. „Hab einen guten ersten Schultag“, wünschte sie ihrer Tochter.

Ginzo, gekleidet in einem dunkelgrünen Anzug, erschien im Türrahmen. „Seid ihr soweit?“

Die Mädchen nickten, verabschiedeten sich von Eri und sahen wie Ginzo und Eri in einen tiefen Kuss fielen. Ein erneuter Liebesbeweis, wie ernst es den beiden wirklich war. Ran schmunzelte, während Aoko sich diskret räusperte.

Errötet lösten sich die Erwachsenen voneinander und Ginzo drängte zum Aufbruch: „Los, sonst kommt ihr noch zu spät.“

Alle drei verließen das Haus und gingen zu einem geparkten Fahrzeug am Straßenrand. Aoko stieg auf den Beifahrersitz ein, Ran auf die Rückbank. Gerade als sie die Türe schloss, fiel ihr Blick zum Nachbarhaus.

Kaito trat heraus und er trug die Schuluniform ihrer Schule. Als würde er ihren Blick spüren, richtete er seine Augen auf sie und zwinkerte ihr zu.

Ran lächelte zurück und wandte wieder ihren Blick ab. Sie schnallte sich an, während Ginzo den Motor startete und fädelte sich wenig später im Berufsverkehr ein.
 

Vor der Schule hielt Ginzo an und ließ die Mädchen aussteigen. „Habt einen schönen Tag“, wünschte er noch und fuhr weiter, sobald die Türen geschlossen waren.

Gemeinsam standen die Mädchen vor dem Schultor.

„Bist du soweit?“

Ran holte tief Luft dann nickte sie.

Sie gingen über den Pausenhof, zwischen vielen Schülern hindurch und traten ins Schulgebäude. Aoko führte Ran zum Sekretariat indem sie sich anmeldete. Dort erhielt sie ihre Schulunterlagen. Es dauerte einige Minuten bis Ran mit einem Stapel Papiere wieder aus dem Sekretariat herauskam.

Gemeinsam gingen sie zu den Schließfächern und trafen auf ein Mädchen mit Brille. Sie trug ihre braunen Haare zu zwei Zöpfen gebunden und winkte den beiden fröhlich zu. „Guten Morgen!“

Aoko umarmte ihre Freundin und stellte Ran vor. „Das ist Ran. Meine Stiefschwester. Papa und Eri heiraten in zwei Monaten.“

„Ich bin Keiko, freut mich dich kennen zu lernen.“ Keiko schloss sich ihnen an und gemeinsam suchten sie nach Rans Schließfach.

Während Keiko und Aoko sich fröhlich unterhielten, sortierte Ran ihre Unterlagen in ihren Spind.

Ein Junge trat neben sie. Er öffnete seinen Schrank holte etwas heraus und schloss diesen wieder. Plötzlich drehte er sich ihr zu. „Ein neues Gesicht“, stellte er fest.

Überrascht sah Ran auf und blickte in ein umwerfendes blaues Augenpaar. Ein hübsches Gesicht gehörte dazu und ein freundliches Lächeln zierte die Lippen. Ihr Herz klopfte eine Spur schneller. Es hatte ihr die Sprache verschlagen.

Der Junge hielt ihr die Hand hin und stellte sich vor: „Ich bin Shinichi Kudo.“

Sie reichte ihm ihre Hand und drückte diese. „Ran Mori.“

„Freut mich, Ran.“ Er lächelte. „Wir sehen uns sicherlich öfter.“

„Bestimmt“, antwortete Ran ebenso freundlich lächelnd.

„Hey, Kudo“, riefen einige Jungs, die den Gang entlang geschlendert kamen.

Ran drehte sich den Stimmen zu und entdeckte Kaito unter einer kleinen Gruppe ihr unbekannten Jungs. Shinichi grüßte jeden mit einem speziellen Handschlag und schloss sich der Truppe an. Kaito schien sie nun auch gesehen zu haben, denn er schenkte ihr ein charmantes Lächeln. Der Trupp ging den Gang weiter und verwirrt blickte Ran diesem nach. „Wer sind die?“

Keiko erklärte: „Die beliebtesten Jungs der Schule und unsere Fußballhelden. Das wären Shinichi Kudo und Kaito Kuroba, Doppelsturmspitze unserer Mannschaft. Shiro Hinamata, der Torwart, sowie Makoto Kyogoku, der ist ein Abwehrspieler. Die Endrunde der Schulmeisterschaft steht an und wenn unsere Mannschaft gewinnen, haben sie den dritten Sieg in Folge geschafft.“

Ran schloss ihren Spind und gemeinsam gingen sie weiter. Nicht weit entfernt hörten sie Gekicher.

Die Jungs von eben standen mit ein paar Mädchen zusammen.

Automatisch suchten Rans Augen nach Shinichi, der sich im selben Moment abwandte und neben Makoto den Gang entlang ging. Eine blonde schlanke Oberschülerin mit kurzen Haaren folgte ihnen. Shiro legte einen Arm um eine Rothaarige und schlenderte mit ihr ebenso los. Blieb nur noch einer und dieser knutschte mit einer Schwarzhaarigen.

Keiko sprang wieder ein: „Das sind die beliebtesten Mädchen der Schule. Shiho Miyano ist die Blondine und die Ex von Shinichi. Hitomi Konzu ist Shiros Freundin und Akako Koizumi und Kaito siehst du grade in Aktion.“

Aoko imitierte Würgegeräusche und sprach so laut sie konnte: „Wenn er ihr die Zunge noch tiefer reinsteckt, kommt er aus ihrem Hintern wieder raus.“

Ran und Keiko unterdrückten ein Kichern.

Kaito löste sich schlagartig von seiner Freundin und fixierte Aoko. Ein spöttisches Grinsen legte sich auf seine Lippen: „Ahoko, höre ich da etwa Neid aus dir sprechen?“

Die Angesprochene funkelte ihn wütend an. „Neid? Auf dieses niedrige Niveau? Träum weiter!“ Dann ging sie erhobenen Hauptes an ihm vorbei und Ran wie auch Keiko folgten ihr schnell. Sie durchquerten mehrere Gänge und blieben vor einem Klassenzimmer stehen. Während Ran davor auf die Lehrerin wartete, gingen Aoko und Keiko schon hinein und setzten sich auf ihre Plätze.

Viele Klassenkameraden gingen an ihr vorbei, musterten sie neugierig. Ran fühlte sich unwohl.

Die Lehrerin kam als letztes und pünktlich mit dem Schulgong. Sie bat Ran sich noch kurz vorzustellen. Mit stark klopfendem Herz stand diese nun vor der Klasse und verbeugte sich. „Mein Name ist Ran Mori und ich bin neu hier.“

„Willkommen, Ran. Setz dich doch bitte neben Shinichi“, bat die Lehrerin und wies auf einen freien Platz im Zimmer.

Ran setzte sich, packte ihre Schulsachen aus und hörte leise neben sich: „So schnell sieht man sich wieder.“

Kapitel V - beliebte Schüler

„Ich kann dir in der Mittagspause die Schule zeigen“, flüsterte Shinichi ihr zu.

Ran, die eben von der Tafel abschrieb, strich sich verlegen eine Haarsträhne hinters Ohr und nickte. Sie warf ihm einen freundlichen, dennoch schüchternen Blick zu und lächelte.

Auch Shinichi lächelte, dann wandten sie sich voneinander ab und blickten zur Tafel.

Es klingelte zum Stundenwechsel und die Schüler wechselten zum Sportunterricht. Shinichi stand auf. „Wir sehen uns nach Sport.“

Ran packte ihre Sachen ebenso ein und folgte Aoko und Keiko zu den Schließfächern. „Ist das deren ernst? Montagvormittag Sport?“, bemerkte sie nach einem Blick auf ihren Stundenplan.

„Ja, wer auch immer sich das ausgedacht hat“, zuckte Keiko mit den Schultern. Gemeinsam gingen die Mädchen zur Turnhalle und suchten vorher noch die Umkleidekabine auf.

Der Großteil der Mädchen zog sich bereits um. Die gesamte Jahrgangsstufe hatte zusammen Sport. So fanden sich die Mädchen in der Turnhalle ein, während die Jungs draußen auf dem Sportplatz trainierten.

Die Sportkleidung war hier anders als an ihrer alten Schule. Statt lange Hosen und weite Shirts, trugen die Mädchen hier kurze Sporthosen. Nicht zu knapp bekleidet, aber auch nicht länger als bis zur Mitte der Oberschenkel. Die Shirts hingegen waren nicht Figurbetont.

Wenig später führten Aoko und Keiko Ran in die Turnhalle. Den Hallenboden zierten viele bunte Linien. Jede Farbe kennzeichnete das Feld für verschiedenen Sportarten. Basketball, Handball, Athletik, Geräteturnen aber auch Volleyball. Die Sportlehrerin baute eben das Netz auf und Ran stöhnte innerlich auf. Volleyball war nicht gerade ihre liebste Sportart.

Die Mädchen saßen bereits an der Seite auf den Bänken. Die Freundinnen setzten sich dazu und alle warteten auf die Anweisung der Lehrerin.

Diese drehte sich mit einem strahlend weißen Lächeln ihrer Schülerschaft zu: „Guten Morgen, Mädchen. Heute werden wir zwei Gruppen bilden. Die eine Hälfte wird die erste Stunde Volleyball spielen, die andere Hälfte in dieser Zeit Basketball. In der zweiten Stunde tauschen wir dann. Ich bitte euch selbstständig zu Gruppen zusammen zu suchen und euch aufzuteilen.“

Ran hielt sich an Keiko und Aoko und die drei entschieden sich zuerst Volleyball zu spielen. Überrascht stellte Ran fest, das nur ihr das Talent mit der Hand-Augen-Koordination zu fehlen schien. Sie schätzte die gegnerischen Bälle falsch ein und die Angabe von ihrer Seite funktionierte auch nicht. Sie war nur froh, als sie endlich zu Basketball wechseln konnte. Das war zwar auch ein Ballspiel, aber im Gegensatz zu Volleyball hielt sie diesen die gesamte Zeit in ihrer Körpernähe und versuchte Körbe zu erzielen.

Hier zeigte sich dann eher ihr Talent, wie sie mit dem Ball geschickt dribbelte, den Gegnern auswich und sie im guten Zusammenspiel mit ihren Teamkollegen im entscheidenden Moment den Ball im Korb versenkte.

Am Ende der Stunde war sie zumindest ausgepowert und sie würde erst einmal duschen gehen.

Beim Umziehen erklärte sie Aoko: „Shinichi möchte mir die Schule zeigen.“

Überrascht sah Aoko zu Keiko, dann wieder zu Ran. „Okay“, stimmte sie zu. „Dann sehen wir uns später. Ich warte am Schultor auf dich.“

Ran nickte. Die Nachmittagskurse hatten sie nicht zusammen, aber wenn sie die Schule gezeigt bekäme, so wüsste sie vielleicht auch gleich wo ihre Räume zu finden waren. Schnell zog sie sich an und verließ die Umkleide, vor denen Shinichi bereits mit nassen Haaren stand. „Hast du lange gewartet?“

„Nein, ich bin vor kurzem fertig geworden. Wie war deine erste Sportstunde?“

„Ganz gut“, antwortete sie. „Und wo hattet ihr Sport?“

„Draußen. Die Mannschaft darf während der Sportstunde trainieren, die anderen Jungs nutzen den Rest des Sportplatzes. Ich zeig dir gleich alles.“

Gemeinsam starteten sie ihren Rundgang durch die Schule. Sie kamen von der Sporthalle über den Haupteingang an der Mensa vorbei, gingen hinaus auf den Schulhof und Shinichi zeigte ihr den Sportplatz. Sie liefen eine Weile über den Fußballplatz hin zu einer kleineren Hütte.

„Das ist unser Clubhaus.“ Er öffnete die Türe und zeigte das Reich der Fußballmannschaft. Die Schließfächer waren an den Wänden befestigt, in der Mitte des Raumes stand eine lange und breite Bank. Die Fußbälle in einem Netz verstaut lagen links von der Türe. Es gab ein Fenster welches Tageslicht herein ließ, aber viel mehr Platz war dann auch nicht mehr.

„Nett ist es hier.“ Die Hütte wirkte gemütlich. Der starke Männergeruch, der mitunter von herben Deos kam, zog ihr in die Nase. „Mädchen sind hier wohl nur selten zu Gast“, stellte sie fest.

„Nun ja, im Grunde ist das hier Mädchenfreie Zone“, grinste er sie schelmisch an. „Aber du musst ja alles mal gesehen haben.“

„Vielen Dank für die Ausnahmegenehmigung“, grinste sie zurück. Dann verließen die beiden das Clubhaus wieder und gingen noch ein Stückchen weiter ums Schulgebäude herum.

Schon fand Ran sich vor einem großen Zaun wieder, hinter dem das Schwimmbecken der Schule lag. Rechts gab es eine steinerne Bank, in der Mitte das Schwimmbecken mit drei Bahnen. Ein schmaler Weg führte um das Becken herum.

„Wie du unschwer erkennen kannst gibt es hier auch Schwimmunterricht.“

Ein eigenes Schwimmbecken gab es an ihrer alten Schule nicht. Für den Schwimmunterricht besuchten sie das öffentliche Stadtschwimmbad, mit dem es eine Sondervereinbarung für den Schulsport gab. Da das große öffentliche Bad nahe der Schule lag, sparte sich diese die Kosten für eine aufwendige Instandhaltung, denn es kam günstiger Miete zu zahlen.

„Ich habe dir noch nicht alles gezeigt“, zog Shinichi ihre Aufmerksamkeit wieder auf sich und führte sie zurück ins Hauptgebäude und die breite Treppe hinauf. Er zeigte ihr die Schulbibliothek, die Cafeteria, eine Lounge mit Leseecke und führte sie dann weiter hinauf bis aufs Schuldach. „Jetzt hast du alles sehenswerte gesehen“, verkündete er und suchte nach einem freien Plätzchen, als er jemanden entdeckte. „Ich möchte dir ein paar Jungs vorstellen.“

Ran folgte ihm neugierig. Viele Schüler hatten sich für ihre Mittagspause hierher verzogen. Er führte sie an den kleinen Grüppchen vorbei, die gemeinsam aßen, die Pause nutzten um sich zu sonnen oder nochmals in ihren Unterlagen blätterten. Dann blieb er plötzlich vor einigen Jungs stehen. „Shinichi“, wurde er begrüßt.

Ran blieb neben ihm stehen und spürte die neugierigen Blicke auf ihre Person. „Stell uns doch mal deine Begleitung vor.“

„Das ist Ran Mori. Sie ist neu hier und ich habe ihr die Schule gezeigt.“ Shinichi zeigte auf die Oberschüler. „Makoto.“ Ein braungebrannter Schwarzhaariger lächelte freundlich. „Kaito“, zeigte er auf ihren Nachbarn.

„Ich weiß“, antwortete Ran und lächelte ihm zu.

„Und das ist Shiro“, deutete er auf den dritten Jungen in der Runde. Ein trainierter, muskulöser Junge, mit kurzen blond gefärbten Haaren und dunklen Augen musterte sie und lächelte dann freundlich. „Freut mich, Ran.“

Sie und Shinichi setzten sich dazu.

„Wo hast du vorher gewohnt?“

Ran sah in die neugierigen Gesichter und erklärte. „Auch in Tokio, aber in einem anderen Stadtteil. Wir sind gerade erst bei dem Lebensgefährten meiner Mutter eingezogen.“

„Und ihr kennt euch schon?“, hakte Shiro neugierig nach und sah von Kaito zu ihr.

„Wir sind Nachbarn“, erklärte Ran.

Kaito schien seinen eigenen Gedanken nach zu hängen, doch dann sprach er: „Sie wohnt bei Nakamoris.“

„Dass der Alte nochmal eine Frau findet, hätte ich ja nicht gedacht“, lästerte Shiro plötzlich.

Kaito blickte sauer auf. „Er hat viele Jahre um seine Frau getrauert. Es sei ihm vergönnt.“

„Scheint auf jeden Fall ernst zu sein“, mutmaßte Shinichi und Ran nickte. „In zwei Monaten heiraten sie.“

Drei Mädchen näherten sich und alle Blicke richteten sich auf diese. Auch Ran schaute auf. Die Schwarzhaarige war eine Schönheit. Die langen Haare fielen ihr fast bis zum Po und ihre Augen hatten einen violetten Stich. Diese setzte sich direkt neben Kaito. „Hast du mich vermisst?“, grinste sie keck und zog den Jungen sogleich in einen Kuss.

Die Blonde mit den Kinnlangen Haaren setzte sich zwischen Shinichi und Makoto und warf ein strahlendes Lächeln in die Runde.

Die dritte im Bunde war eine zierliche Rothaarige, die so gar nicht zu den anderen beiden Mädchen passte. Sie kniete sich zu Shiro, der sie sofort auf seinen Schoß zog und heiß und innig küsste.

Die Blonde richtete ihre Aufmerksamkeit auf Ran und reichte ihr freundlich die Hand. „Ich bin Shiho Miyano“, stellte sie sich vor und Ran tat das ebenso. „Ran Mori. Ich bin neu hier.“

„Und gefällt dir die Schule?“

„Es gibt hier einiges was es an meiner alten Schule nicht gab. Es ist ganz schön hier.“

Als würde es Shiho überhaupt nicht interessieren, nickte sie nur kurz und wandte sich an die anderen. „Was macht ihr nachher noch? Wollen wir in die Stadt?“

Makoto winkte ab. „Meine Freundin holt mich ab und dann gehen wir zu mir.“

Akako löste sich von Kaitos Lippen und drehte sich ihrer Freundin zu. „Ich hab Zeit“, dann sah sie wieder zu ihrem Freund. „Du kommst doch mit?“

„Sorry, ich muss noch was erledigen“, wich er aus und drückte ihr einen harmlosen, entschuldigenden Kuss auf die Wange.

Shiro und Hitomi lösten sich kurz: „Wir haben heute schon etwas vor, stimmt's Süße?“ Errötend nickte Hitomi und schon waren sie wieder mit sich selbst beschäftigt.

Ein hoffnungsvoller Blick von Shiho traf auf Shinichi, aber dieser lehnte auch ab. „Ich bin heut bei Kaito.“

Kaito zog überrascht seine Augenbrauen hoch, während Akako skeptisch nachhakte: „Aber er muss doch etwas erledigen.“

„Ja, da wollte ich ihm helfen. Wir wollten das zusammen machen.“

„Was macht ihr denn so wichtiges?“, bohrte auch Shiho nach.

Shinichi antwortete nicht sofort, dafür aber Kaito. „Wir haben in unserem Garten so eine uralte Hollywoodschaukel. Shinichi hilft mir sie wieder etwas aufzufrischen.“

Akako stutzte. „Warum hast du sie mir nie gezeigt?“

„Weil ich sie bis gestern ebenfalls vergessen hatte“, sagte er. „Meine Mutter will sie jetzt loswerden und damit sie diese zu einem guten Preis verkaufen kann, hübschen wir das alte Ding wieder auf.“

Shinichi nickte schnell. „Ja, genau. Bin schon gespannt was alles zu erledigen ist.“

Akako seufzte ergeben. „Dann werden wir heute wohl alleine losziehen.“

„Schade“, stimmte Shiho zu.

Ran blieb stumm, kam sich ausgeschlossen vor, wobei sie ja nicht einmal mit den Leuten hier befreundet war.

Zudem fühlte sie zunehmend unwohler. Seit geraumer Zeit schon spürte sie die neidischen Blicke ihrer Mitschüler in ihrem Rücken und als die Mädchen dazu kamen verstärkte sich dieses Gefühl erst recht.

Kaito, der neben ihr saß, beugte sich zu ihr. „Nicht jeder wird hier in der Runde aufgenommen“, erklärte er ihr, als könne er ihre Gedanken lesen. Er schmunzelte: „Sich einfach so dazu zu setzen wagt hier keiner.“

Ran sah ihn etwas überrascht an.

Akako kuschelte sich an ihren Freund und verfolgte das Gespräch aufmerksam.

„Nachdem wir jetzt Nachbarn sind und auch so etwas wie Freunde, können wir doch auch gemeinsam den Schulweg bestreiten“, bot er an.

Unsicher wegen Aokos Reaktion zögerte sie mit einer Zusage.

„Wo wohnst du denn?“ Akako ließ sie nicht aus den Augen.

Kaito antwortete: „Bei den Nakamoris.“

Ran stimmte zu. „Meine Mutter und ich sind am Wochenende eingezogen. Unsere Eltern heiraten in zwei Monaten.“

Akako blickte sie stumm an, dann murmelte sie: „Du kannst einem wahrlich leid tun.“

Wie Akako das meinte, blieb Ran ein Rätsel.

Die Schulglocke erklang und die gesamte Schülerschaft zog sich in die Klassenzimmer zurück.

Kapitel VI - kleine Welt

Nach dem Unterricht sammelte sich die Gruppe von der Mittagspause und ging gemeinsam zum Schultor.

Makoto lehnte sich an die Mauer.

Shiro und Hitomi verabschiedeten sich und verschwanden.

Akako küsste Kaito lang und innig, dann ging sie mit Shiho los.

Kaito und Shinichi wollten ebenso starten, als Ran sie zurück hielt. „Ich warte noch auf Aoko, aber ihr könnt natürlich schon gehen.“

Kaito wollte schon loslaufen, als Shinichi ihn zurück hielt. „Ach, so eilig haben wir es auch nicht. Die Hollywoodschaukel rennt uns schon nicht davon.“

Kaito stutzte und verharrte. Schon schob er seine Hände in die Hosentasche und wartete schweigend.

Ran sah lächelnd von Shinichi zu Kaito, der etwas genervt schien.

„Schatz“, rief plötzlich ein Mädchen.

Die Stimme kam Ran seltsam bekannt vor. Sie drehte sich in die Richtung, da stürmte eine kurzhaarige Brünette heran und fiel Makoto um den Hals. „Da bist du ja endlich“, stellte dieser fest und wurde schon in einen Kuss gezogen.

Das Mädchen löste sich. Erstaunt nahm Ran die Schuluniform ihrer alten Schule wahr und starrte das Mädchen an. „Sonoko?!“

Diese richtete ihre Aufmerksamkeit auf Ran und bekam große Augen. „Ich wusste ja, dass ihr auf die gleiche Schule geht, aber dass ihr euch auch schon kennt hatte ich nicht erwartet.“ Schon sprang Sonoko ihrer besten Freundin um den Hals. „Ich freue mich dich zu sehen.“ Sie löste sich und blickte Ran tief in die Augen. „Du fehlst mir so. Es ist so langweilig ohne dich. Aber du musst mich morgen treffen. Wir müssen dringend reden.“ Eine Andeutung zu Makoto und Ran wusste, dass es wohl um diesen Jungen gehen würde.

Neugierig wich Sonokos Blick zu den anderen beiden Jungs.

Makoto stellte nun seinen Kumpels das Mädchen in seinem Leben vor. „Das ist Sonoko Suzuki, wir sind seit einer Woche zusammen.“

„Freut mich, Kaito Kuroba“, stellte sich erst der eine, danach der andere vor: „Shinichi Kudo.“

Ran fügte hinzu: „Sonoko ist meine beste Freundin von klein auf und wir waren zusammen auf der Teitan Oberschule.“

„Klein ist die Welt“, stellte Shinichi fest.

Aoko kam angerannt und blieb vor Ran stehen. „Es tut mir leid“, entschuldigte sie sich und nahm erst jetzt wahr, in wessen Gesellschaft sie sich nun befand. Und bevor sie in irgendeiner Art und Weise reagieren konnte, schnappte sich Ran auch schon Aokos Arm und zog sie zu sich. „Sonoko, das ist Aoko.“

„Nett dich kennen zu lernen“, begrüßte Sonoko die Stiefschwester von Ran und erhielt einen Gruß zurück.

„Wir sollten langsam los“, drängte Makoto nun und Sonoko nickte. Dann sah sie zu Ran und wiederholte eindringlich beschwörend: „Morgen!“ Im nächsten Moment schnappte sie sich Makotos Hand und die beiden schlenderten davon.

Aoko blickte verwirrt zu den beiden übrig gebliebenen Jungs und sah fragend zu Ran. Eine seltsame Stimmung breitete sich aus.

Doch Ran durchbrach diese: „Wollen wir gehen?“

„Wir gehen? Zusammen?“, wiederholte Aoko irritiert.

„Hast du ein Problem mit deinen Ohren?“, stichelte Kaito.

„Nein, aber mit dir“, konterte sie bissig.

Kaito zog düster seine Augenbrauen zusammen. Bevor ein Streit eskalieren konnte, mischte Shinichi sich ein. „Wir sollten jetzt wirklich los.“

Die vier gingen gemeinsam, während Shinichi und Kaito sich mit Ran unterhielten, lief Aoko schweigend mit.

Kapitel VII - Einladung zur Party

Am nächsten Morgen trafen sie tatsächlich Kaito, der vor ihrem Gartentor wartete und mit ihnen zusammen zur Schule gehen würde. Ran freute sich und auch wenn sie ihn nicht ganz durchschauen konnte, so war er ihr gegenüber immerhin freundlich. Aoko ließ sich besonders viel Zeit an diesem Morgen. Vorerst stand sie ihrem Nachbarn alleine gegenüber. „Habt ihr die Hollywoodschaukel herrichten können?“

„Ja“, nickte Kaito. „Wollen wir los? Sonst kommen wir noch zu spät.“

Ran zögerte. Wo blieb Aoko nur? „Sie war direkt hinter mir“, murmelte sie und Kaito kommentierte es nicht. Aber da sie nun einmal die Gelegenheit hatte, würde sie diese auch beim Schopf ergreifen. „Warum streitet ihr?“

Überrascht zog er seine Augenbrauen hoch.

„Ich meine, ihr müsstet euch doch schon eine Ewigkeit kennen.“

Kaito nickte zögernd. „Wir haben zusammen in die Windeln gemacht.“ Er verstummte wieder, doch dann fügte er hinzu: „Aoko hat den Kontakt abgebrochen, als wir in die Oberstufe kamen.“

Überrascht horchte Ran auf. „Warum? Wieso sollte sie so etwas tun?“

„Das wüsste ich auch gern“, murmelte er fast unverständlich vor sich hin. „Wir müssen jetzt wirklich los“, drängte er und blickte zur offenen Haustüre der Nakamoris. Genervt rief er: „Sei nicht so kindisch, Ahoko!“

„Ich bin nicht kindisch“, kam es postwendend zurück.

„Dann bist du eben feige“, provozierte er sie weiter.

„Bin ich nicht!“ Schon trat Aoko stolz und aufgerichtet heraus, zog die Haustüre zu und kam ihnen mit erhobenem Haupt entgegen. Sie ignorierte seine Erscheinung gänzlich und marschierte schnurstracks los.

Ran und Kaito sahen ihr verwundert nach doch dann folgten sie ihr.
 

Vor der Schule wartete Shinichi bereits. „Guten Morgen“, begrüßte er die drei und lächelte Ran freundlich an. „Ihr seid spät dran“, stellte er fest.

Kaito grinste fies zu Aoko, die den Schulweg über beschlossen hatte kein Wort mehr zu sagen. „Das liegt an diesem Sturkopf.“

„Wer ist hier stur?“, fauchte sie zurück.

„Na, ich sicherlich nicht“, stichelte er weiter.

Ran verdrehte genervt die Augen und hakte sich an Shinichis Arm unter. „Lass uns gehen.“

Gemeinsam schlenderten die beiden ins Schulhaus. Aoko und Kaito folgten ihnen streitend.

„Rechthaberisch, aggressiv und nervtötend wären auch noch passende Adjektive“, stichelte Kaito.

„Eingebildet, arrogant und selbstsüchtig trifft auf dich zu“, gab Aoko bissig zurück.

„Nun kriegt euch wieder ein!“ Ran drehte sich den beiden Streithähnen zu. Seit dem Schultor beleidigten sie sich bis aufs Blut.

Akako trat heran. „Kaito!“ Ihre Stimme ernst und eiskalt. Er drehte sich seiner Freundin zu, schenkte ihr ein liebevolles Lächeln und umarmte sie sofort. „Endlich eine Frau mit der man richtig reden kann.“

Ein erneuter Seitenhieb gegen Aoko, die bereits wütend ihre Hände zu Fäusten ballte. „Wenn du ihr Niveau als intelligent bezeichnest, dann bist du doch tiefer gesunken als ich erwartet habe.“

Wütend blitzte Akako Aoko an. Ebenso stur erwiderte Aoko den Blick und wandte sich störrisch ab.

Ran seufzte. Kaito schien keine Emotionen mehr zeigen zu wollen, während Akako vor Wut fast platzte. Sie drehte sich Shinichi zu, der überrascht Aoko nachsah. „Wir sehen uns später?“

„Ja“, stimmte er freundlich lächelnd zu und schon eilte Ran Aoko nach.

Es dauerte nicht lange, da hatte sie ihre Stiefschwester eingeholt. „Kannst du mir bitte verraten was das soll?!“

Aoko konzentrierte sich darauf ihre Unterlagen für den Unterricht aus ihrem Schließfach zu holen. „Es ist keine gute Idee den Schulweg mit Kaito zu gehen.“

„Warum streitet ihr euch überhaupt? Ihr seid doch zusammen aufgewachsen“, bohrte Ran nach. „Wieso seid ihr nicht mehr befreundet?“

Aoko knallte ihr Schließfach zu und drehte sich Ran zu. „Das verstehst du nicht! Lass mich einfach in Ruhe.“ Mit diesen Worten verschwand sie.

Keiko näherte sich besorgt. „Sie hat es nicht so gemeint“, nahm sie gleich ihre beste Freundin in Schutz.

„Kannst du mir das erklären?“, fragte Ran hoffnungsvoll nach, doch Keiko schüttelte ihren Kopf. „Das muss sie selbst machen.“

Seufzend sackte Ran in sich zusammen. Schon ertönte der Schulgong und die letzten Schüler beeilten sich in die Klasse zu kommen.
 

Ran saß im Unterricht und schrieb von der Tafel ab, während ihre Gedanken abdrifteten. Sie hätte schwören können, dass Kaito traurig über die Tatsache war nicht mehr mit Aoko befreundet sein zu können. Aber warum änderte er es nicht einfach? Wenn ihm die Freundschaft zu Aoko so wichtig war, wieso tat er nichts um sie zurück zu gewinnen?

Auch Aoko schien sehr verletzt zu sein. Anders konnte sie sich fast das Verhalten des Mädchens nicht mehr erklären. Jemanden so sehr zu hassen musste doch eine Ursache haben.

Ein Zettelchen flog auf ihren Tisch. Überrascht öffnete Ran die Nachricht.

Kommst du zur Party am Samstag?

Welche Party? Und von wem war überhaupt diese Nachricht? Möglichst unauffällig sah Ran sich um. All ihre Mitschüler schrieben aufmerksam ab. Doch dann begegnete sie Shinichis Blick, der neugierig zu ihr rüber sah. War der Zettel von ihm?

Sie schüttelte ihren Kopf, notierte ihre Antwort und reichte die Nachricht unauffällig zurück.

Er zog irritiert seine Augenbrauen zusammen, steckte den Zettel weg und konzentrierte sich für den Rest der Stunde auf den Unterricht.

Ein weiteres Rätsel das sich ihr auftat. Warum verhielt er sich jetzt so seltsam?
 

In der Pause stand Ran an ihrem Schließfach. Aoko war wieder etwas ruhiger und lehnte ebenfalls an den Schränken, die Augen geschlossen, während Keiko die anderen Schüler beobachtete. Nun versteifte sie sich. „Kaito kommt“, flüsterte sie Aoko zu.

Überrascht, warum Keiko Aoko warnte, drehte sich Ran ebenso in die Richtung.

Kaito stopfte sich seine Hände in die Hosentaschen und blieb unschlüssig vor Aoko, Ran und Keiko stehen.

Shinichi stellte sich neben seinem Kumpel, wobei dessen Augen auf Ran gerichtet waren.

„Wie ihr wisst findet jedes Jahr eine Party bei mir zuhause statt. Ihr könnt natürlich auch kommen“, sprach Kaito.

Finster zogen sich Aokos Augenbrauen zusammen: „Wow, was hat er dir dafür gezahlt?“, entgegnete sie unbeeindruckt und deutete während ihrer Aussage auf Shinichi.

„Gar nichts“, antwortete Kudo sofort.

Kaito ignorierte ihre Bemerkung, während er sie musterte: „Du musst ja nicht kommen, aber Ran...“, drehte er sich nun der Braunhaarigen zu. „... ich würde mich sehr freuen dich am Samstag bei mir zuhause zu treffen.“

Ran war unschlüssig über diese gesamte Situation. „Danke für die Einladung, Kaito.“ Sie blickte zu Shinichi. War er es, der wollte das sie hinging?

Shinichi lächelte und die Jungs gingen ihren Weg.

Keiko blickte verwirrt zu Aoko, diese unschlüssig zu Ran und diese wiederum mit stark pochendem Herz Shinichi nach. Hatte er Kaito gebeten sie einzuladen?

Kapitel VIII - Zucker und Eier

Aoko lag in ihrem Bett und starrte die Zimmerdecke an. Mal wieder und in letzter Zeit sehr oft. Sie schien mit ihrer Zimmerdecke eine abstruse Beziehung zu entwickeln. Sicherlich könnte sie auch zum Fenster hinaus schauen, nur hatte sie da ständig den Blick auf Kaitos Zimmer vor Augen. Und stur wie sie nun mal war, wollte Aoko alles was mit ihm zu tun hatte ignorieren.

Der Heimweg mit Shinichi und Kaito war immer noch schwer einzuschätzen. Ran und die beiden Jungs schienen sich wirklich gut zu verstehen.

Anders als Kaito kannte Aoko Shinichi, den Fußballstar ihrer Schule, nicht besonders gut. Sie waren seit der Oberschule in der gleichen Klasse, aber mehr war da auch nicht. Dass er und Kaito so enge Freunde waren, wusste sie auch nicht. Sie versuchte den Nachbarjungen rigoros auszublenden, was natürlich nicht immer gelang. In diesen wenigen Momenten war meistens Shiro zu Gast. Shinichi hatte sie bisher noch nie bei Kaito gesehen. Aber es sollte ihr eigentlich auch egal sein.

Zumindest machte Shinichi einen ordentlichen Eindruck, nett und hilfsbereit war er auch. Und wenn er auch nett zu Ran war, sprach nichts dagegen, dass die beiden sich anfreundeten.

Eigentlich müsste Aoko Hausaufgaben machen, aber sie schaffte es nicht ihre Konzentration dafür aufzubringen.

Warum lud Kaito sie zu seiner Oberstufenparty ein? Das hatte er erst einmal getan und damals waren sie noch Freunde. Ob es an Ran lag? Und warum hat Shinichi so gegrinst als Ran zusagte?

Seit ihre Stiefschwester in Spe in ihr Leben kam, häuften sich die Wirrungen in ihrem sonst so geordneten Leben. Sie hatte ihre Vergangenheit für sich geklärt, ignorierte Kaito seither und wich ihm strikt aus. Und es klappte zwei Jahre obwohl sie direkt nebeneinander wohnten. Aber seit Ran hier einzog und eine Freundschaft mit Kaito aufzubauen schien, war Aokos ganzes Vorhaben schwieriger geworden.

Zumal er es schaffte sie ständig zu provozieren.

Argh, sie wollte nicht mehr an diesen Idioten denken. Warum beschäftigte sich ihr Kopf dann dauernd mit ihm?

Klirrende Geräusche aus dem Erdgeschoss drangen herauf.

Ran konnte es nicht sein, denn sie war mit ihrer besten Freundin unterwegs. Ihr Papa arbeitete. War es Eri? Und randalierte sie in der Küche?

Eine Aussprache mit Eri war auch noch fällig. Aokos Verhalten vor zwei Tagen war nicht richtig gewesen, aber bisher hatte sich die Situation für ein Gespräch noch nicht ergeben. Es war einfach noch nicht der richtige Zeitpunkt dabei. Sollte sie vielleicht jetzt zu ihr gehen?

Aoko richtete sich auf, als wieder etwas schepperte. Sie würde auf jeden Fall mal nachsehen ob Eri noch lebte. Sie schwang ihre Beine aus dem Bett und schlich die Treppe hinunter. Wenig später trat sie in die Küche und blieb erstarrt stehen. Das Chaos türmte sich, ein Topf lag am Boden und inmitten stand Eri vor einem Kochbuch und blätterte wild darin herum. „Brauchst du Hilfe?“

Überrascht drehte Eri sich um, dann lächelte sie verlegen. „Ich bekomm das schon hin.“

Aoko trat ein, hob den Topf vom Boden auf und stellte ihn auf die Anrichte. „Was hast du vor?“ Sie trat näher und warf einen Blick ins Kochbuch.

„Ich wollte uns einen Kuchen backen, aber ich finde die Zutaten nicht und auch will es mir einfach nicht gelingen.“

„Hast du schon einmal Kuchen gebacken?“

Eri runzelte die Stirn, legte grüblerisch einen Zeigefinger an ihre Wange und überlegte. „Nein. Das ist mein erster“, gestand sie.

Aoko lächelte zaghaft, räumte das saubere Geschirr zurück in die Schränke und schaffte sich Platz. „Ich helfe dir.“ Dann kramte sie nach dem Handrührgerät und einer Schüssel, holte sich die Backzutaten aus den Schränken heraus und half Eri dabei einen Teig anzufertigen.

Es war schön und fühlte sich richtig gut an etwas gemeinsam in der Küche zuzubereiten. „Es tut mir leid, das ich einfach so gegangen bin. Ich wollte dir nicht weh tun“, gestand Aoko, während sie das Mehl abwog.

Eri blickte überrascht auf. „Wir haben euch mit unseren Plänen vor den Kopf gestoßen, da ist das nur verständlich.“

Aoko sah auf. „Ich sehe wie glücklich Papa mit dir ist. Du hast ihn zum positiven verändert und ich freue mich für euch beide.“

Eri schluckte, wischte sich eine Träne aus dem Augen und umarmte Aoko fest. „Das bedeutet mir sehr viel.“

Kurz gaben sie sich ihren Gefühlen hin, dann lösten sie sich wieder und suchten nach der nächsten Zutat. „Zucker“, sprach Eri und kramte im Vorratsschrank. „Finde ich nicht.“

Auch Aoko suchte und fand letztendlich nur die leere Dose.

„Kannst du schnell zu den Nachbarn gehen und um Zucker fragen? Einkaufen dauert zu lange“, fragte Eri. „Dann mach ich schon mal mit den restlichen Zutaten weiter.“

Aoko nickte, nahm die Zuckerdose und zog im Flur ihre Schuhe an.

Da erschien Eri: „Drei Eier bitte auch noch.“

„Okay.“ Aoko steckte den Wohnungsschlüssel ein und trat hinaus. „Zucker und drei Eier“, murmelte sie und blickte zu Kaitos Haus. Ihn würde sie ganz gewiss nicht um Hilfe bitten. Stur drehte sie sich um und ging zum anderen Nachbarhaus, welches rechts von ihrem Haus lag. Sie klingelte, aber nichts tat sich. Erneut probierte sie es, doch das nette ältere Ehepaar schien nicht zuhause zu sein. Die meisten anderen Nachbarn arbeiteten um diese Uhrzeit. Unschlüssig wichen ihre Augen nun doch zu den Kurobas.

Er war auf jeden Fall zuhause. Das wusste sie mit Sicherheit. Seit gestern war sie durch Ran dazu verdonnert mit Kaito morgens zur Schule und nachmittags wieder heim zulaufen. Warum auch immer Ran überhaupt auf so eine absurde Idee kam. Bisher war sie ihm immer erfolgreich ausgewichen, lief vor ihm los oder wartete bis er weg war. Nun aber schienen die beiden sich angefreundet zu haben. Und Aoko selbst war die Leidtragende dieser Freundschaft.

Sie seufzte. Wohl oder übel musste sie in den sauren Apfel beißen, denn Eri wollte einen Kuchen backen.

Langsam setzte sie sich in Bewegung und lief an ihrem Haus vorbei hin zum Haus der Kurobas. Zögerlich folgte sie dem Weg durch den Vorgarten zur Haustüre und klingelte.

Die Tür ging auf und lautes Gelächter drang durch das Erdgeschoss. Er hatte Besuch. Großartig.

Überrascht musterte Kaito sie, ehe er seine Arme vor der Brust verschränkte und spottete: „Das ausgerechnet du mal vor meiner Türe stehst.“

„Eri backt einen Kuchen. Unser Zucker ist aus. Hast du Zucker und Eier?“ Ohne Begrüßung und ohne eine Spur Freundlichkeit brachte sie ihr Anliegen vor.

Kaito zog seine Augenbrauen hoch. „Tut mir leid, meine Eier sind nicht zum Backen da.“

Aoko lief rot vor Zorn an. „Du blöder Idiot, die meinte ich auch ganz bestimmt nicht!“

Er grinste plötzlich, schien einen weiteren Spruch auf der Zunge liegen zu haben, doch dann schluckte er nachsichtig und ließ sie eintreten. „Ich füll dir was ab.“ Er nahm ihr die Dose ab. „Geh ins Wohnzimmer und warte dort. Bin gleich da.“

Aoko wollte stur im Flur warten, doch er drängte erneut. „Geh schon, es dauert einen Moment.“

Zögerlich zog sie ihre Schuhe aus und sah sich um. Lange war sie nicht mehr hier. Seltsam es jetzt wieder zu sein. Früher war sie jeden Tag in diesem Haus ein und ausgegangen. Es war ihr zweites zuhause und ebenso oft war Kaito bei ihr. Sie folgte dem Flur und hörte wieder lautes Lachen. Unsicher trat sie ins Wohnzimmer ein und fand sich einer Gruppe gegenüber, der sie immer aus dem Weg gehen wollte.

Auf der langen Couch saßen Shiro, Hitomi und Shiho, auf einem Sessel saß Shinichi und auf einer zweiten kürzeren Couch saß Akako. Sie unterhielten sich angeregt und lachten immer wieder. Doch kaum wurde Aoko bemerkt verstummte die Truppe.

Unsicher sah sie in die düsteren Blicke. Es war ein Fehler nicht im Flur gewartet zu haben. Ein ungutes Bauchgefühl kam wieder hervor. Ihr Herz klopfte unruhig.

„Wen haben wir denn da?“, grinste Akako hämisch.

Shiro betrachtete Aoko finster. „Jemand, der eigentlich nicht hier sein sollte.“ Seine eh schon dunklen Augen wurden noch dunkler. „Was willst du denn hier?!“

Aoko ließ nach außen nichts von ihren Gefühlen durch. Innerlich zitterte sie. „Ich brauche Zucker und Eier.“

Shiro schien diese Vorlage gerade sehr gut zu passen. „Dann solltest du dir schleunigst einen Jungen suchen der Eier in der Hose hat.“

Kaito hatte eben einen ähnlich dämlichen Spruch abgelassen. Wie sehr Aoko Shiro hasste. Dummerweise war dieser Junge seit der ersten Klasse Kaitos bester Freund und die beiden schienen aufeinander abzufärben. Fragte sich nur wer auf wen.

„Definitiv bin ich bei euch an der falschen Adresse“, entgegnete sie ungestüm und schneller als sie denken konnte. Schon biss sie sich auf die Lippe. Das war sehr dumm, schalt sie sich selbst in Gedanken. Sie hatten eine Abmachung und eben brach sie diese, eigentlich tat sie das schon als sie einen Fuß in dieses Haus setzte. Vielleicht sah Shiro aber auch darüber hinweg? Jedoch so finster wie er sie ansah, verschwand der Hoffnungsschimmer sofort wieder.

Kaito trat neben sie mit der gefüllten Zuckerdose und einem Eierkarton. „Wie viele brauchst du?“

Aoko sah zu ihm auf, nahm ihm die Dose ab und antwortete: „Drei.“

Kaito öffnete den Eierkarton und zog drei Eier hervor. Aoko nahm diese entgegen, je eines in ihre Hosentasche und das dritte Ei nahm sie in die Hand. Sie rang sich ein Lächeln ab. „Danke, Kaito.“ Unsicher blickte sie in die Runde.

Akako stand auf, ging zu Kaito und schmiegte sich an den Oberschüler. „Wie schön das wir dir helfen konnten“, flötete sie. Dann aber fügte sie noch provozierend hinzu: „Zucker geht auf die Hüfte. Aber das erklärt natürlich dann so einiges an deiner Figur.“

Stur und hitzköpfig fauchte Aoko zurück. „Ich kann abnehmen, du hingegen wirst immer eine dumme Kuh bleiben.“ Kaum ausgesprochen wusste sie, dass es die Situation für sie nicht unbedingt besser machte.

Die Stimmung wurde immer frostiger.

Unsicher und doch trotzig sah Aoko zu Shinichi, der sich die gesamte Zeit neutral verhielt, zu Shiro, der unberechenbar schien, zu Hitomi, die gleichgültig ihre Fingernägel betrachtete, hin zu Shiho, die ein gehässiges Lächeln auf ihren Lippen trug. Sie sah kurz zu Akako, die ihr am liebsten die Augen ausgekratzt hätte, weiter zu Kaito, der sie emotionslos, fast gleichgültig ansah. „Danke“, flüsterte Aoko und verschwand in den Flur.

Sie spürte wie Kaito ihr folgte, aber er sagte weiterhin nichts.

Ein kurzer letzter Blick zu ihm, dann verschwand sie nach draußen. Sie flüchtete regelrecht aus seinem Haus.

Eine ungute Vorahnung breitete sich in ihr aus. Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Sie hätte gar nicht erst zu ihm gehen dürfen.

Kapitel IX - Nachbarschaft

Ran kam von ihrem Treffen mit Sonoko nach Hause. Das ganze Haus duftete nach frisch gebackenem Kuchen. Sie klopfte an Aokos Zimmertüre und trat ein. Aoko saß über ihren Hausaufgaben. „Hast du den Kuchen gebacken?“

Aoko blickte auf. „Nein, Eri.“

Überrascht zog Ran ihre Augenbrauen hoch. „Sie hat noch nie einen Kuchen gebacken.“

Ihre Stiefschwester grinste. „Ich hab ihr geholfen.“

Ran atmete erleichtert auf. „Das beruhigt mich. Also kann man ihn essen.“

Aoko nickte lächelnd dann drehte sie sich ihrer Schwester ganz zu, die sich auf Aokos Bett setzte. „Wie war es mit Sonoko?“

„Sie ist mit Makoto zusammen. Sie hat mir letzte Woche schon davon erzählt, aber das ER es ist habe ich nicht gewusst.“

„Die beiden passen gut zusammen.“

„Ja, finde ich auch. Wie war dein Nachmittag?“

„Ganz okay. Ich hab mich mit Eri ausgesprochen und Kuchen gebacken.“

Ran strahlte. „Das freut mich sehr.“ Dann wechselte sie das Thema: „Weißt du was auch toll ist? Sonoko kommt auch zur Party!“

Makoto und Kaito waren Freunde, spielten im gleichen Fußballteam und besuchten zusammen die gleiche Schule. Es war nur logisch, das dieser eingeladen war und seine Freundin mitbrachte.

Es klingelte an der Türe.

„Aoko, Ran, kommt bitte“, rief Eri durchs Haus. Dann hörten sie zwei Frauen die sich freudig begrüßten. Die Haustüre fiel zu und die Stimmen verlagerten sich ins Wohnzimmer.

„Wir bekommen Besuch?“

„Das würde den Kuchen erklären“, antwortete Aoko.

Neugierig gingen die beiden die Treppe hinunter und betraten das Wohnzimmer.

„Ah, da seid ihr ja“, rief Eri entzückt aus und winkte die Mädchen näher. „Ran, das ist Chikage Kuroba und ihr Sohn Kaito.“

Überrascht musterte sie Kaitos Mutter, die selbst noch so jung aussah und so viel Herzlichkeit ausstrahlte. Sie begrüßte die dunkelhaarige Frau freundlich und winkte Kaito zu. „Hallo Kaito.“

„Hey“, grüßte er zurück, doch dann sah er zur Türe. „Traust du dich nicht näher?“, provozierte er spitzbübisch Aoko, die keinen Schritt ins Zimmer machte.

Nun wurde auch Chikage aufmerksam und mit einem Strahlen in den Augen nahm sie Aoko wahr. „Mein Kind, wie lang hab ich dich schon nicht mehr gesehen.“

Aoko trat zögerlich näher und wurde prompt in eine feste Umarmung gezogen.

„Mein Mädchen“, freute sich Chikage und löste sich wieder von ihr. Schon drehte sich Chikage zu Eri. „Ich habe Aoko adoptiert“, erzählte sie lachend. „Sie ist mein zweites Kind, schon immer gewesen. Aoko hatte bei uns ihr zweites zuhause. Ich habe immer gehofft, dass Kaito sie einmal heiratet.“

„Mutter!“ Kaito zog mehr als verärgert seine Augenbrauen zusammen.

Ran lauschte aufmerksam.

Chikage winkte lachend ab. „Und da dies ja scheinbar nicht passieren wird, habe ich Aoko für mich adoptiert.“

Eri lauschte verwirrt, doch dann schien sie zu verstehen wie Chikage alles meinte. „Oh ja, das verstehe ich.“

Ginzo kam nach Hause und trat ebenfalls ins Wohnzimmer. „Wie schön, ihr seid schon hier“, begrüßte er Chikage und Kaito mit einem Handschlag. Zu Eri beugte er sich um sie zu küssen. „Tut mir leid für meine Verspätung. Ich bin nicht pünktlich los gekommen.“

Eri führte Chikage in die Küche, wo der gedeckte Tisch stand und Ran folgte mit Kaito.

Nur Aoko blieb mit ihrem Vater noch im Wohnzimmer. „Warum habt ihr sie eingeladen?!“

Ginzo zog seine Augenbrauen hoch. „Was ist denn das für ein Ton? Du weißt, dass wir seit vielen Jahren mit der Familie Kuroba befreundet sind. Du bist mit Kaito aufgewachsen. Sie waren immer wie eine zweite Familie für dich.“

Aoko schmollte.

„Eri wollte sie kennen lernen und es freut mich das die beiden sich miteinander verstehen.“ Ginzo runzelte seine Stirn. „Du bist gerade in einem schwierigen Alter und wenn du mit Kaito Streit hast, so will ich dir da keineswegs reinreden. Ich möchte nur das wir einen netten Abend mit unseren Nachbarn und guten Freunden verbringen.“ Er ging in die Küche und Aoko folgte ihm mürrisch.

Während die Erwachsenen sich unterhielten blieben die Jugendlichen schweigsam. Zumindest solange bis Chikage ein bestimmtes Thema anschnitt. „Kaito feiert am Samstag seine jährliche Party. Es könnte ein bisschen lauter werden. Er hat mir aber versprochen, dass es keinen Alkohol gibt und das Haus am Sonntag blitzblank geputzt ist.“

Genervt verdrehte Kaito die Augen.

Das entging Ran nicht und sie unterdrückte ein Grinsen. Dann bemerkte sie die Vorlage. „Dürfen wir rüber gehen?“

Eri zog irritiert eine Schnute. „Ich weiß nicht so recht“, sprach sie, aber Ginzo stimmte zu. „Es ist ja nur nebenan.“

„Darf Keiko bei mir übernachten?“, fragte Aoko.

Ran stimmte mit ein: „Sonoko und Makoto auch? Die beiden würden auf der Couch schlafen.“

Erneut sahen sich Ginzo und Eri an, dann stimmten sie auch hier zu. Ein ermahnender Blick fiel auf Kaito. „Wenn die Party außer Kontrolle gerät, werde ich einschreiten“, drohte Ginzo.

Kaito schnaubte. „Hat es in den letzten zwei Jahren Probleme gegeben?“

„Nein“, antwortete der Polizist.

„Ich denke nicht, dass es dieses Jahr anders sein wird.“
 

Nach dem Essen stand Ran auf. „Möchtest du mein Zimmer sehen?“

„Ja, gerne“, stimmte Kaito zu und die beiden verschwanden ins Obergeschoss. Aoko folgte ihnen zwar, verdrückte sich aber dann in ihr eigenes Zimmer.

Kaito betrat Rans Zimmer. Sie sah sich unsicher um, denn sie war noch nicht weit gekommen mit dem Auspacken der Umzugskartons. Es war bei weitem auch noch nicht fertig eingerichtet.

„Schön hast du es hier“, stellte Kaito fest.

„Ja, das stimmt. Aber leider bin ich noch nicht dazu gekommen auszupacken“, gestand Ran und versteckte ihre Hände hinter ihrem Rücken.

Kaito sah sich um, setzte sich in Bewegung und ließ sich auf dem Bett nieder. „Wie geht es dir mit der Situation? Neue Eindrücke, neue Schule, ein neues zuhause...“

„Es geht erstaunlich gut“, gestand Ran und setzte sich zu ihm. „Aber ich wurde auch überall sehr herzlich aufgenommen.“ Sie zögerte, dennoch überwog die Neugier. „Ich möchte dir keinesfalls zu nahe treten, aber warum erklärst du dich nicht Aoko?“

Kaito zog überrascht seine Augenbrauen hoch. „Ich habe es versucht, mehrmals, aber sie ignoriert mich, geht mir aus dem Weg. Dann kam Akako und ab dann war ich abgelenkt.“

„Wie lange seid ihr schon zusammen?“

„Seit etwas über einem Jahr, wobei wir im Jahr davor schon fast unzertrennlich waren.“ Er überlegte, schien abzuwägen wie viel er ihr erzählen sollte, doch dann sprach er: „Wir lernten uns in der Oberstufe kennen, aber sie war überhaupt nicht mein Typ. Ziemlich aufdringlich und irgendwie angsteinflößend. Doch mit der Zeit lernte ich sie kennen. Ich mag sie.“

Ran nickte. „Sie ist die beste Freundin von dieser Shiho, oder?“

Kaito nickte. „Ja, Shinichi, Shiro, Makoto und ich sind Kumpels. Shinichi und Shiho sind dann auch im ersten Oberstufenjahr zusammen gekommen. Die Mädchen gehörten plötzlich dazu und waren immer mit dabei. Da lernt man sich zwangsweise kennen.“

Die beiden sind ein Paar... Irgendwie stimmte Ran dieser Gedanke traurig.

„Vor einem halben Jahr hat Shinichi ihr dann plötzlich den Laufpass gegeben. Shiho gibt aber nicht auf und rennt ihm immer noch nach in der Hoffnung es gäbe eine zweite Chance.“

Überrascht blickte Ran zu ihrem Nachbarn. Auch Kaito sah sie an. Seine dunkelblauen Augen erinnerten sie an das stürmische Meer. Anders als Shinichis Augen, die mehr der Farbe des Himmels ähnelten. „Wie sieht Shinichi das?“

Nun zuckte er mit den Schultern. „Über Mädchen reden wir nicht.“

„Über was redet ihr dann?“

„Fußball, Partys, andere Dinge eben.“

Ran senkte den Blick. „Über was hast du mit Aoko geredet?“

Wieder schwieg er, musterte sie argwöhnisch.

„Ihr müsst doch damals irgendwelche Gesprächsthemen gehabt haben. Sie ist ein Mädchen und ich kann mir nicht vorstellen, dass du dich mit ihr über Fußball unterhalten hast.“

Er zögerte. „Über alles mögliche, worüber Kinder halt reden.“

Es klopfte an der Türe.

Beide blickten auf, als diese geöffnet wurden und Chikage ihren Kopf ins Zimmer steckte. „Du hast morgen Schule. Wir gehen jetzt, Kaito.“

Er nickte und stand auf. „Morgen früh gehen wir wieder zusammen. Ich warte auf euch.“

Auch Ran nickte. „Bis morgen!“ Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, das es bereits nach neun war. Sie sollte auch baldmöglichst in die Kojen verschwinden.

Chikage und Kaito verließen das Obergeschoss und wenig später das Haus.

Aoko hielt sich in ihrem Zimmer verschanzt und Ran beschloss sie in Ruhe zu lassen. Auch wenn sie mehr als neugierig war zu erfahren was zwischen den beiden Kindheitsfreunden vorgefallen war.

Kapitel X - Chemie

Morgens gingen sie wieder gemeinsam zur Schule. Wobei Ran und Kaito sich über die Party am Freitag unterhielten. „Glaubst du das Ginzo ernst macht und die Party sprengt?“

„Das hat er noch nie gemacht. Auch wenn er sicherlich ein Auge drauf hat, da ihr nun auch kommt“, antwortete Kaito. Er warf Aoko einen spöttischen Blick zu. „Besonders Prinzessin ist ja heilig.“

Aoko funkelte ihn böse an. „Du hast deiner Mutter gesagt, es gibt keinen Alkohol und meinem Vater hast du gesagt, dass die Party nicht eskalieren wird. Beide vertrauen dir. Warum auch immer, ich würde es nicht tun.“

Kaitos Augen verengten sich. „Wie gesagt, du musst auch nicht kommen. Ich habe dich und deine Freundin nur anstandshalber mit eingeladen.“

„Wenn Aoko nicht geht, dann komme ich auch nicht.“ Ran setzte mit dieser Aussage der Diskussion ein Ende, aber auch Aoko die Pistole auf die Brust. Es war unfair ihrer Stiefschwester gegenüber, aber alleine würde sie nicht hingehen. Sonoko und Makoto wären zwar auch dabei, doch so verliebt wie die beiden sind hatten sie nur Augen für sich. Und ganz allein fühlte sie sich dort sicherlich nicht wohl. Zwar war auch Shinichi mit dabei war, jedoch kannte sie ihn auch noch nicht besonders gut.

„Tja, dummerweise wirst du wohl kommen müssen“, grummelte Kaito in Aokos Richtung.

„Von dir lass ich mir garantiert nichts sagen, Baka“, reagierte Aoko bissig.

Gemeinsam traten sie auf den Schulhof. Akako stellte sich ihnen in den Weg. Ein finsterer Blick ging zu Aoko, ehe sie hämisch zu grinsen begann, demonstrativ auf Kaito zuging, ihre Arme um ihn legte und ihn hingebungsvoll küsste.

Ran runzelte irritiert die Stirn.

Aoko wandte Naserümpfend ihren Blick ab und ging einfach weiter. Ran zog sie dabei schlichtweg mit sich. Da überholte jemand, stieß Aoko dabei fest gegen die Schulter, so dass sie beinahe gefallen wäre hätte Ran sie nicht geistesgegenwärtig gehalten.

„Gehts noch?!“, rief Ran dem Jungen empört hinterher, ehe sie sich besorgt an Aoko wandte. „Alles okay? Hat er dir weh getan?“

„Geht schon“, antwortete Aoko.

„So ein Idiot, kann der nicht aufpassen?“, regte sich Ran nun plötzlich auf und ging mit ihrer Stiefschwester weiter.

„Das passiert schon mal“, beschwichtigte Aoko und grinste belustigt. „Du bist doch sonst ausgeglichen.“

Ran bemerkte das Grinsen und verschränkte beleidigt ihre Arme vor der Brust. „Na hör mal, wenn jemand so unverschämt ist, dann kann ich nicht ruhig bleiben.“ Sie überlegte: „Wer war das überhaupt?“

„Keine Ahnung. Irgendeiner von den Fußballer.“

„Nur weil sie in der Schulmannschaft zweimal hintereinander gewonnen haben, heißt das noch lange nicht egoistisch und blind hier herumlaufen zu dürfen.“

Aoko begann zu kichern. „Lass nur, es ist ja nichts passiert.“

Sie trafen Keiko und gemeinsam gingen sie in den Unterricht.
 

Zum ersten Mal stand die Chemiestunde an. Ran folgte Aoko in den Chemiesaal, in dem die verschiedensten Substanzen in Regalen standen. Ihr Blick fiel auf die großen speziell für das Fach eingebauten Tische und die verschiedensten Gefäße für die chemischen Experimente. Sie blickte in die Gesichter aus ihrem Jahrgang und sah nicht unweit von sich Shinichi und Kaito an einem der Tische stehen. Beide zogen sich gerade ihre Laborkittel an.

Aoko ignorierte alles und jeden und ging zum letzten Tisch an der Wand. Ihr Stammplatz seitdem sie Chemie als Pflichtfach wählte.

Ran folgte ihrer Stiefschwester in Spe und wurde von Shinichi freundlich begrüßt, als sie an ihm vorbei kam. Sie stellte ihre Tasche ab und zog ebenfalls einen Kittel von den Kleiderhaken und diesen über.

Der Chemielehrer betrat den Saal und begrüßte alle. „Heute brauchen Sie eine Schutzbrille und zu ihrer eigenen Sicherheit bitte ich Sie auch diese Hauben aufzusetzen.“ Alle Schüler holten sich ihren Schutz ab und zogen diesen über. „Die Damen unter Ihnen mit langen Haaren bitte ich diese zusammenzubinden und unter die Haube zustecken.“

Gemeinsam erforschten sie heute die chemische Reaktion verschiedener Stoffe, gossen wenige Flüssigkeiten zusammen und beobachteten in den Gefäßen die Wandlung der Farben, wie auch die aufsteigenden Blasen und Dämpfe.

„Kaito hat Chemie gewählt?“, flüsterte Ran überrascht.

Aoko nickte. „Ja.“

„Das passt gar nicht zu ihm“, überlegte Ran weiter.

„Er zaubert gerne in seiner Freizeit und möchte später mal ein großer und bekannter Zauberer werden. Er eifert seinem Vater nach. Toichi Kuroba sagt dir etwas?“

„Ich war mal als Kind auf einer seiner Shows. Aber er ist doch sehr früh verstorben, oder?“

„Ja“, Aoko goss wieder etwas Flüssigkeit hinzu und beobachtete die chemische Reaktion. Dann prüfte sie die Menge und notierte sich das auf ihrem Block. „Einer seiner Tricks ging schief und er starb bei einem Brand. Es ist fast 10 Jahre her.“

Ran hob den Blick und beobachtete wie Shinichi und Kaito konzentriert das Experiment durchführten. „Wie traurig es ist ohne Vater aufwachsen zu müssen.“

„Es war nicht leicht. Für alle war es das nicht. Toichi und Papa waren sehr gute Freunde. Unsere Mütter verstanden sich schon sehr gut bevor wir geboren sind. Wir waren oft zusammen im Urlaub oder haben abends stundenlang mit einander im Garten gesessen. Meine Mama starb kurz nachdem ich in die Grundschule kam und Chikage hat mich mit aufgezogen.“

Ran blickte Aoko mitfühlend an. „Ihr seid wirklich sehr eng befreundet gewesen.“

Aoko sah kurz zu Kaito. Ein trauriger Ausdruck legte sich auf ihr Gesicht. Doch dann schüttelte sie alle Gedanken daran ab und konzentrierte sich auf das Experiment. „Es ist lange her.“
 

Nach der Stunde packten alle zusammen. Ran nahm Aoko ihren Mantel ab und hängte beide an die dafür vorgesehenen Haken, während Aoko in ihrer Tasche kramte und plötzlich inne hielt. Ran kam wieder dazu. „Können wir los?“ Sie sah das Shinichi auf sie wartete. Aber Aoko rührte sich nicht. Erst jetzt entdeckte Ran eine kleine Notiz in Aokos Hand.

Pass auf!

Mehr stand nicht drauf. Aber worauf sollte sie aufpassen oder auf wen? Warum sollte Aoko aufpassen, war dieser Zettel überhaupt für Aoko? Ran runzelte die Stirn. „Wo hast du den her?“

Aoko wirkte etwas verstört, doch sie fing sich schnell wieder. „Hab ihn auf dem Boden gefunden.“ Sie knüllte den Zettel zusammen und ließ ihn in ihrer Schultasche verschwinden.

An der Türe warteten Shinichi und Kaito auf die beiden Mädchen. „Wollen wir in der Pause wieder zu den anderen?“

„Den anderen?“, hakte Aoko irritiert nach.

„Shiho, Akako, Shiro, Hitomi und Makoto“, zählte Shinichi auf.

Aoko straffte die Schultern. „Ohne mich, aber du kannst mit Shinichi gehen, Ran. Wir sehen uns dann später.“

„Ist das wirklich in Ordnung?“

„Na, klar, los geh schon“, bekräftigte Aoko erneut und lächelte. „Wir treffen uns am Schultor nach der Schule.“

Ran nickte zwiegespalten, ließ sich dann aber von Shinichi mit ziehen.

Aoko ging in die entgegen gesetzte Richtung.

Kapitel XI - von Freund- und Feindschaften

Auf dem Schuldach traf Ran wieder auf die kleine Gruppe. Auch Shiho, Hitomi und Akako waren dabei. „Wir hatten keinen guten Start“, begrüßte Akako Ran freundlich. „Kaito hat mir erzählt, er hat dich zu seiner Party eingeladen.“

„Ja“, nickte Ran zu.

„Das wird bestimmt lustig. Wir gehen zusammen hin und ich zeig dir dann alles“, bestimmte Akako fröhlich.

„Ich komme aber schon mit Aoko“, informierte Ran und ihr entging nicht wie Akako ihren Freund entsetzt ansah.

Dieser zuckte unbedarft mit seinen Schultern. „Ich kann schlecht Ran einladen und Aoko nicht. Sie sind bald miteinander verwandt.“

„Natürlich kannst du, Kaito. Es ist deine Party nicht Nakamoris.“

Ran klinkte sich ein. „Ich finde es sehr aufmerksam, dass er uns eingeladen hat. Zumal seine Mutter gestern Abend beim Essen meinte, dass es unserer Freundschaft keinen Abbruch täte.“

Akako musterte Ran argwöhnisch. „Essen?“

Ran nickte nichtsahnend. „Ja, Kaito und seine Mutter waren gestern bei uns zuhause.“

„Ran“, murmelte Kaito in ihre Richtung, aber sie hörte nicht.

„Meine Ma wollte unbedingt die Freunde und Nachbarn meines Stiefvaters kennen lernen.“

„Freunde?“, wiederholte Akako fast tonlos.

„Ran“, ermahnte Kaito erneut.

„Ginzo erzählte, dass die Nakamoris mit den Kurobas seit vielen Jahren befreundet sind. Immerhin ist Aoko ja auch bei Kaito ein- und ausgegangen.“

Ein eiskalter Blick traf Kaito, der genervt die Augen rollte. „Du redest zu viel“, knurrte dieser Ran an und legte seine Arme um Akakos Hüfte. „Du weißt, dass meine Eltern mit Aokos Eltern befreundet waren. Und du weißt auch, dass Aoko und ich dicke Freunde waren. Jetzt sind wir es nicht mehr“, fügte er betont deutlich hinzu.

Ran entging keineswegs die Reaktion der Mitschülerin und die Worte des Nachbarjungen.

„Ich weiß“, knurrte Akako wie ein trotziges Kind und richtete ihre Augen wieder auf Ran. „Auch wenn Aoko Nakamori und ich nicht die besten Freundinnen sind, so würde ich mich dennoch sehr freuen, wenn wir uns anfreunden würden“, bot sie Ran friedlich und betont freundlich an.

Ran fühlte sich zerrissen, denn sie fragte sich was Aoko davon halten würde, wenn Akako und Ran Freundschaft schlossen. Dass die beiden sich nicht sonderlich gut leiden können, war ja nicht zu übersehen.

„Shiho, Hitomi und ich gehen heute in die Stadt ein Outfit für die Party kaufen. Möchtest du uns begleiten?“

Etwas überrumpelt blickte sie zwischen den drei so unterschiedlichen Mädchen hin und her. „Eh, eigentlich...“

„Sehr schön! Gleich nach Schulschluss starten wir“, entschied Akako und auch Shiho und Hitomi nickten zustimmend.
 

Aoko trat zum Schultor und traf auf Kaito. Die einzige Person auf dieser ganzen Schule, die sie absolut nicht treffen wollte. Mürrisch verfestigte sie den Griff um ihre Schultasche und blieb vor dem Jungen, der sie immer noch um einen ganzen Kopf überragte stehen. „Wo ist Ran?“

„Mit Akako und den Mädels in der Stadt“, antwortete er. Auch er schien überhaupt kein Interesse daran zu haben mit ihr hier zu stehen.

„Warum bist du dann noch hier?“

„Ich dachte, ich sag es dir, damit du nicht umsonst wartest.“

„Oh, wie nett“, frotzelte sie.

Kaito schnalzte mit der Zunge und drehte sich zum Gehen. „Dann ist das ja geklärt und wir können endlich gehen.“

„Gemeinsam?“

„Wir haben den gleichen Weg“, spottete er.

„Trotzdem können wir getrennt laufen“, widersprach Aoko bockig.

„Wo ist das Problem?! Komm mal von deinem Trip runter, Aho.“

„Ich habe dir schon mal gesagt, dass du hier das Problem bist“, fauchte sie zurück.

„Was hab ich dir getan?!“, keifte er zurück.

Eine Frage, die Aoko nicht hören wollte, auf die sie einfach keine Antwort geben konnte und wollte. Sie blieb stumm und ignorierte seine Erscheinung gänzlich.

„Großartig, jetzt werde ich wieder ignoriert. Wunderbar“, zeterte er und lief ihr nach. „Wenn dir die Worte fehlen, dann bin ich Luft für dich und wenn nicht, dann kannst du mich in einer Tour beschimpfen.“

Schnurstracks lief sie voraus, biss sich auf die Zunge um nicht doch irgendwas zu kommentieren.

„Was ist nur mit meiner besten Freundin passiert?“, murmelte er mehr zu sich, als zu ihr, aber sie hörte die Worte zu deutlich.

„Die ist hier, du willst sie nur nicht sehen.“

„Du bist nicht mehr wie früher“, stellte Kaito enttäuscht fest.

Nun blieb Aoko stehen und drehte sich ruckartig ihm zu. Ihre Augen loderten wütend. „Glaubst du, ja?! Wo ist mein bester Freund? Der Junge auf den ich mich immer verlassen konnte, der mir immer zur Seite stand. Als ich ihn wirklich gebraucht habe, war er nicht mehr da“, hielt sie ihm ebenso enttäuscht vor.

„Das stimmt doch nicht“, verteidigte er sich leidenschaftlich. „Du hast eine Mauer um dich herum gebaut und mich ausgeschlossen.“

„Du hast dich schon selbst ausgesperrt.“

Verletzende Worte in einem Schlagabtausch mit dem keiner von beiden gerechnet hatte, aber von dem beide wussten dass er mehr als fällig war.

Kaito sah sie mit undurchdringlichen Blick an, während Aoko wütend ihre Gefühle in sich vergrub. Sie würde ihm nicht zeigen wie verletzt sie war. Wie sehr er sie in der Vergangenheit enttäuscht hatte. „Wir sehen uns auf der Party und danach gehen wir getrennte Wege“, forderte sie.

„Dir ist schon klar, dass Eri und Ma Freunde werden wollen? Dir ist schon bewusst, dass wir uns auf der Hochzeit deines Papas sehen werden? Wir sind Nachbarn, Aoko“, stellte er fest. „Du kannst mir nicht mehr ewig aus dem Weg gehen. Ran und ich verstehen uns und sie wird bald deine Stiefschwester.“

„Dann werdet Freunde“, knurrte Aoko. „Ich jedenfalls gehe dir aus dem Weg“, kündigte sie ihm an, drehte sich um und stapfte davon.

Mit etwas Abstand folgte er ihr: „Du bist feige“, provozierte er erneut.

„Das hat mit Feigheit nichts zu tun“, antwortete sie stur. Es ist nur Eigenschutz, fügte sie für sich in Gedanken hinzu. Die Notiz kam ihr in den Sinn. Und schlagartig wurde sie von den vielen Erinnerungen aus dem ersten Oberstufenjahr heimgesucht. Erinnerungen, die sie verdrängt hatte und der Meinung war sie kämen auch nie wieder. „Lass mich einfach in Ruhe“, bat sie und ihre Stimme klang mit einem Mal ziemlich erschöpft. Ohne ihn nochmal anzusehen, begann sie zu rennen und damit Abstand zu gewinnen.
 

Ran, Shiho, Hitomi und Akako zogen von einem Laden zum nächsten. Jede von ihnen trug bereits mehrere Tüten und als nächstes steuerten sie einen Schuhladen an. Während sie durch die Auslagen tigerten, zog Shiho Ran zur Seite. „Kaito und du, ihr versteht euch gut, oder?“

Ran nickte, nun aber etwas vorsichtiger als in der Mittagspause. „Ja, er ist sehr nett.“

„Das ist er. Sehr charmant und zuvorkommend. Ein wahrer Herzensbrecher“, stimmte Shiho leise zu. „Akako hat es geschafft ihn zu bändigen und zu zähmen, wenn du verstehst was ich meine.“ Ran stutzte und Shiho fügte hinzu: „Sind dir noch nicht die Schulhofgerüchte untergekommen?“

Nun schüttelte die Braunhaarige den Kopf.

„Du hängst bisher eindeutig mit den falschen Personen ab“, stellte Shiho entsetzt fest und spielte auf Aoko und Keiko an. „Kaito hat seit der Oberstufe nichts anbrennen lassen. Es hat eine Weile gedauert und Akakos Geduld ziemlich strapaziert, aber sie hat ihn geknackt und für sich gewonnen. Die beiden sind glücklich miteinander. Glaube ja nicht, dich da rein zu drängen.“

Ran schluckte überrascht. „Das hatte ich auch nicht vor. Wir verstehen uns mehr aber auch nicht.“

„Gut dass wir das geklärt haben.“

Eher hätte Ran vermutet, dass die Blondine auf Shinichi zu sprechen kam, aber scheinbar stellte sie in Shihos Augen keine sonderlich große Konkurrenz dar. Die gesamte Art des blonden Mädchens sagte ihr nicht sonderlich zu.

„Ran“, rief plötzlich Akako. „Ich hab hier ein paar Schuhe für dich. Die musst du anprobieren.“

Ran und Shiho gingen zu Akako. Ihre Augen trafen die Highheels mit Mörderabsätzen und entsetzt schluckte Ran ihre bissigen Worte, die ihr auf der Zunge lagen. „Das ist nicht das, was ich mir sonst so kaufe“, stammelte sie. Eines schwor sie sich, sie würde nicht mehr mit diesen Mädchen shoppen gehen. Sonoko und Ran waren auf einander eingespielt, hatten einen ähnlichen Geschmack, aber mit diesen drei Mädchen verband sie geschmacklich gesehen gar nichts. „Ich habe mich schon umgesehen, hier ist nichts für mich dabei“, erklärte sie und hoffte, dass die anderen es gut sein lassen würden und schnell ihre Einkäufe erledigten.
 

Gemeinsam gingen sie noch in eine Eisdiele und bestellten sich einen Eisbecher. Während Ran auf die Toilette verschwand blieben Shiho, Hitomi und Akako am Tisch sitzen und steckten die Köpfe zusammen. „Was hat sie gesagt?“

Shiho erzählte von dem Gespräch im Schuhladen und mit jedem weiteren Wort atmete Akako auf. „Dann ist sie sicherlich hinter Shinichi her“, stellte sie fest.

„Warum sollte sie das sein?“

„Shiro ist in Hitomis festen Händen und Makoto hat auch eine Freundin. Shinichi ist der einzige Single.“

„Aber nicht mehr lange“, stellte Shiho klar. „Nun sollten wir aber mal zu einem anderen Thema kommen. Was machen wir mit Nakamori?“

Akako blickte wütend auf. „Wir müssen uns was überlegen, wie wir sie wieder zum Schweigen bringen.“

„Das gleiche wie damals?“, hakte Hitomi neugierig dennoch unbehaglich nach.

„Ich bitte dich“, erwiderte Akako arrogant. „Das war Kinderkram. Wir müssen dieses mal härtere Geschütze auffahren.“

Shiho nickte nachdenklich: „Ich hab da schon so eine Idee. Und wenn das nicht fruchtet, dann haben wir immer noch Ran. Mit ihr werden wir Aoko den Gnadenstoß verpassen.“

Akako lächelte boshaft, während Hitomi unsicher zur Toilette sah.

Da kam auch Ran schon wieder und zeitgleich wurden die Eisbecher gebracht. Um Freundlichkeit und gute Stimmung bemüht aßen die vier Mädchen ihr Eis und beschnupperten sich.

Kapitel XII - Party

Nun standen sie hier und wäre Ran nicht gewesen, so hätte Aoko sich diese Farce gar nicht erst angetan. Keiko und sie schienen die einzigen zu sein, die noch nüchtern waren. Von wegen es gäbe keinen Alkohol.

Laute Musik drang aus den Boxen. Die Mitte des Wohnzimmer wurde zur Tanzfläche auserkoren auf der sich leicht bekleidete Leiber aneinander rieben. Hemmungslos besoffen und keiner schien hier seine Grenzen zu kennen.

Shinichi hatte Ran eben auf die Tanzfläche entführt.

Sonoko und Makoto knutschten, eigentlich schon seit dem sie hier ankamen. Ein Wunder das sie sich noch nicht gegenseitig gefressen haben.

Keiko schrie, weil man sich bei dieser Lautstärke nicht normal unterhalten konnte: „Ich geh mich mal umsehen.“

Aoko nickte und wollte es ihrer Freundin gleich tun, als Ran kichernd zu ihr kam. „Komm mit!“ Schon packte sie Aokos Hand und zog sie mit.

„Wo gehen wir hin?“

„Hier gibt’s gleich eine Privatparty“, erzählte Ran aufgeregt. „Shiho hat uns eingeladen.“

In Aoko läuteten die Alarmglocken. Bisher war nichts weiter geschehen und sie wägte sich schon in Sicherheit, aber das hier konnte ja nichts Gutes bedeuten. Da stießen auch schon Sonoko und Makoto dazu.

Sie folgten der Treppe hinauf und betraten ein Zimmer.

Aoko betrachtete die verschiedenen Gesichter, der anwesenden Personen. Ihr ungutes Gefühl bestätigte sich.

Shinichi trat hinter sie, schob sie weiter in Kaitos Schlafzimmer und schloss die Türe. „Wir sind komplett“, verkündete er und setzte sich in den Kreis auf den Boden zu seinen Freunden, neben Kaito der Akako im Arm hielt.

Shiho, die neben ihrer besten Freundin hockte, legte soeben eine leere Flasche in die Mitte und füllte mit einer weiteren Flasche in einige Gläser eine klare Flüssigkeit. Etwas hochprozentiges vermutete Aoko.

Ran bewegte sich und setzte sich neben Shinichi, Sonoko und Makoto schlossen sich an.

Aoko blickte in Shiros herausfordernden Gesichtsausdruck. Zwischen Makoto und Shiro war der einzige freie Platz im Kreis. Somit war sie doppelt geliefert. Zum einen saß sie neben ihrem Erzfeind, zum anderen Kaito gegenüber. Aber es war sonst kein Platz frei, denn zwischen Shiro und Shiho saß bereits Hitomi.

Zögerlich setzte sich auch Aoko in den Kreis. Flaschendrehen. Nur wie sie die Anwesenden einschätzte würde das hier kein Kinderspiel werden.

Shiho erklärte für alle die Regeln: „Man hat drei Möglichkeiten: Wahrheit, Pflicht oder Trinken. Man kann auch die Aussage verweigern und Trinken, Pflicht hingegen muss erfüllt werden.“ Herausfordernd grinste sie in die Runde. „Fragen?“

Keiner antwortete. Somit begann Shiho die Flasche zu drehen und der Flaschenhals zeigte auf Sonoko.

„Pflicht“, sprach diese.

„Gib einem Jungen in dieser Runde einen Zungenkuss“, forderte Shiho und sagte damit klar an, in welche Richtung das Spiel gehen würde.

Sonoko blickte von Junge zu Junge, drehte sich ihrem Freund zu und begann Makoto zu küssen. Heiß und innig. Die Temperatur im Zimmer stieg schlagartig an, bis sie sich von den Lippen ihres Freundes löste und die Flasche drehte.

Diese zeigte auf Shiro. „Pflicht!“

Da das kurzhaarige Mädchen es ebenso faustdick hinter den Ohren hatte, wie ein Großteil der Anwesenden, forderte Sonoko: „Stell einen Orgasmus mit einem der Mädchen nach.“

Shiro grinste dreckig, drehte sich zu Hitomi und drückte diese gleich auf den Boden. Er beugte sich über sie, bewegte sich eindeutig und begann seine Handlung mit entsprechenden Tönen zu untermalen. Hitomi hingegen begann zu kichern und auch Akako lachte laut.

Ran blickte entsetzt auf das Bild vor sich, während Aoko misstrauisch die Augenbrauen zusammen zog. Wie kam sie hier bloß wieder raus?

Endlich ließ er Shiro von Hitomi ab und setzte sich normal hin. Hitomi erhitzt und vollkommen außer Puste vom Lachen richtete sich auch wieder auf. Langsam beruhigten sich die Gemüter und Shiro drehte die Flasche.

Diese zeigte auf Akako. „Pflicht!“

Auch Shiro provozierte hämisch grinsend. „Zeig uns wie du reiten kannst.“

Aoko gefiel diese obszöne Richtung überhaupt nicht und sie fragte sich, wie viel die anderen schon intus hatten. Mit Entsetzen sah sie wie Akako sich über Kaitos Schoss hockte, den Rücken ihm zugewandt, und so tat als würde sie ihn reiten. Die Jungs johlten und pfiffen, während Aoko ihre Augen senkte. Sie spürte einen stechenden Blick, sah kurz auf und traf auf dunkle Augen, die Shiro gehörten. Triumphierend grinste er sie an. Warum er das tat, wusste sie nicht.

Akako löste sich von ihrem Freund, drückte ihm einen Kuss auf die Wange und drehte die Flasche.

Diese zeigte auf ihre beste Freundin Shiho. „Pflicht!“

Akako grinste: „Wie verführst du Jungs? Zeig es uns!“

Shiho grinste zurück, krabbelte zu Shinichi, blickte diesem tief in die Augen an, streichelte über dessen Brust, während sie ihre Lippen an seinen Hals legte.

Ran senkte traurig ihren Kopf.

Aoko erdolchte mit ihren Augen Akako, die bösartig zurück griente.

Shiho küsste sich Shinichis Hals entlang, über sein Kinn hin zu seinen Lippen und nach einem kurzen Lippenspiel, dem Shinichi machtlos ausgeliefert war, löste sich die Blonde endgültig von ihm. Er schien durcheinander zu sein, während sie unschuldig zu ihrem Platz zurück krabbelte, dabei einen triumphierenden Blick Ran zu warf. Shiho drehte die Flasche und diese zeigte auf Aoko.

Nun war also sie dran und es graute ihr vor der Wahl. Unschlüssig schaute sie zu den voll gefüllten Gläsern, die keineswegs Schnapsglasgröße hatten sondern Trinkglasgröße. Wenn das starker Alkohol war, würde ein Glas vermutlich reichen ihr einen Filmriss zu bescheren. Pflicht muss erfüllt werden und wer wusste schon was Shiho im Schilde führte. „Wahrheit“, sprach Aoko entschlossen aus.

„Wer hat dich entjungfert?“

Interessant dass sie davon ausging sie wäre keine Jungfrau mehr. Dennoch würde Aoko dieses Geheimnis mit ins Grab nehmen. Niemals würde sie hier irgendwas aus ihrem Leben preisgeben. Also schnappte sie sich entschlossen eines der Trinkgläser und setzte an. Ein scharfer Geruch zog ihr in die Nase. Sie hatte es geahnt. Sie betrachtete nochmal das normale Trinkglas und begann die hochprozentige Flüssigkeit zu kippen. Sie brauchte mehrere Anläufe. Ihr Hals brannte wie Feuer und ihr wurde schlagartig übel. Sie wusste, dass der Alkohol erst noch seine Wirkung zeigen würde, besonders in dieser Menge. Solange sie noch im Stande war einen klaren Gedanken zu fassen, drehte sie die Flasche und diese zeigte auf Kaito.

„Wahrheit!“ Er blickte sie herausfordernd an.

Was sollte sie ihn fragen? Eine Frage musste her, aber welche? Was sollte sie ihn bloß fragen? „Mit wie vielen Mädchen hast du schon geschlafen?“ Nicht das sie es wirklich wissen wollte, denn sein Mädchenverschleiß in den letzten zwei Jahren war enorm. Zumindest prahlten die Verflossenen in der Schule von den heißen Nächten mit Kaito. Sie hielt dem Blickkontakt stand, auch wenn es ihr schwer fiel.

„Zwei“, antwortete er entschieden.

Diese Aussage schien jetzt nicht nur Aoko zu überraschen, denn alle starrten ihn ungläubig an.

Kaito ignorierte jeden und drehte die Flasche.

Diese zeigte auf Shinichi. „Pflicht!“

„Küss Ran“, forderte Kaito.

Shiho keuchte entsetzt auf.

Ran blickte überrascht auf und Aoko versuchte durch Kaitos gleichgültigen Gesichtsausdruck zu erkennen, was er damit bezwecken wollte.

Shinichi beugte sich zu Ran, umfasste ganz sanft ihre Wange und legte vorsichtig und zärtlich, fast schon scheu, seine Lippen auf ihre. Ran starrte ihn bewegungsunfähig an, da löste er sich auch schon wieder von ihr und drehte die Flasche. Erneut zeigte der Flaschenhals auf Kaito und wieder wählte er: „Wahrheit!“

„Mensch, Kumpel, du hast mich echt überrascht. Nur zwei Mädels bisher, echt jetzt?! Akako wissen wir ja alle, aber wer ist die andere und war sie dann deine erste?“

Kaito blickte in die Runde.

Als Aoko seine Augen auf sich spürte, wurde ihr heiß und kalt zugleich.

Schon griff Kaito nach einem Glas und setzte zum Trinken an, doch hielt inne als Akako witzelte: „Ouh, so schlecht das Mädchen?“ Dann lachte sie aufgesetzt und laut.

Auch Shiro grinste hämisch, während Shinichi versuchte seinen Kumpel vom Trinken abzuhalten. „Das kannst du mir nicht antun.“

Kaito senkte das Glas und blickte zu Shiho. „Ich möchte einen Teil erzählen und werde die Hälfte trinken. Ist das erlaubt?“

Die Blonde überlegte kurz, dann stimmte sie zu.

Kaito nickte entschlossen und wandte sich an Shinichi. „Das Mädchen war meine erste.“ Dann drehte er sich Akako zu und funkelte sie böse an. „Ganz im Gegenteil sogar und ich bereue nicht eine Sekunde mit ihr.“ Schon trank er die Hälfte des Glases.

Aokos Herz klopfte wie wild in ihrer Brust und sie spürte erneut Shiros stechenden Blick. Hoffentlich kam sie hier bald raus.

Kaito drehte die Flasche und diese zeigte erneut auf Aoko. Innerlich wappnete sie sich, wusste nicht einzuschätzen was er sie fragen könnte. Er könnte sich für ihre Frage rächen, aber noch ein Glas packte sie nicht. Sie spürte jetzt schon den Nebel in ihrem Kopf und ihren rumorenden Magen. „Pflicht“, stieß sie schnell aus und hoffte, dass er sie nicht allzu sehr in die Mangel nahm.

„Küss einen anwesenden Jungen“, forderte Kaito sie auf.

Überrascht blickte sie ihn an, konnte nicht glauben was er von ihr verlangte und wusste auch nicht was er damit bezwecken wollte. Sie wusste wirklich nicht was sie tun sollte. Ihr Blick fiel zu Sonoko und Makoto, die seit ihrem Kuss heftigst miteinander turtelten und eigentlich gar nicht mehr mit spielten. Zu Ran und Shinichi, die sie beide aufmerksam und neugierig anblickten. Sie sah zu Kaito, in dessen Mimik sie früher lesen konnte wie in einem Buch, aber ihr jetzt absolut verschlossen blieb. Zu Shiro, dem letzten Jungen in dieser Runde, der sie herausfordernd angrinste. Ihr lief unter seinem Blick ein kalter Schauer über den Rücken. Ihre Augen wichen zum Boden, als sie Akakos Provokation hörte. „Sie ist zu feige es zu tun.“

Entschlossen blickte Aoko zu Akako und begegnete einem gehässigen Blick. Dieser Schnepfe würde sie es jetzt zeigen! Sie stand auf und spürte alle Augen auf sich. Dann ging sie schnurstracks über die Mitte hin zu Kaito, setzte sich rittlings auf seinen Schoß, umfasste sein Gesicht und presste ihren Mund auf seinen. Kurzerhand öffnete sie ihre Lippen und brachte ihre Zunge ins Spiel. Überraschenderweise stieg Kaito sofort auf ihre Aufforderung ein und erwiderte den intensiven Kuss stürmisch. Sie fochten einen Kampf aus, den keiner verlieren wollte. Aoko spürte wie sich etwas in seiner Hose regte, schon legte er seine Hände an ihre Hüften und drückte sie fester auf seinen Unterleib. Er wurde noch härter und der Stoff seiner Hose drückte an ihren Schritt. Von der geladenen Spannung zwischen ihnen angetrieben, wanderte ihre rechte Hand in seinen Nacken um sich dort in seinen Haaren zu verfangen.

Ein unterdrücktes Kichern riss Aoko aus diesem intensiven Moment heraus und katapultierte sie ins Hier und Jetzt zurück. Sie spürte seine Zunge, die ihren Mund erforschte und ein angenehmes Prickeln an ihrer auslöste. Sie fühlte ihr stark pochendes Herz und seinen erhitzten, bebenden Körper, der sich an ihren drückte. Das war falsch! Ruckartig löste sie sich und als hätte sie sich verbrannt sprang sie auf. Dabei unterschätzte ihre weichen Beine, die nachzugeben drohten und einknicken wollten. Jedoch fasste sie sich, sah für eine Sekunde in Kaitos stürmische verdunkelte Augen und rannte aus dem Zimmer. Ehe sie die Türe schloss, hörte sie Sonoko lästern: „Wow, die geht ja ganz schön ran.“ Aoko schämte sich. Schnell verdrückte sie sich, quetschte sich durch die Masse der Oberschüler hindurch, die unablässig auf der Party feierten, und folgte instinktiv einem Weg zu dem einzigen Ort, an dem sie am Besten nachdenken und ihre aufwallenden Gefühle beruhigen konnte.
 

Ran schluckte. Dieser ganze Abend war total verkorkst. Sie hätte nicht erwartet, dass ein einfaches Kinderspiel so ausarten würde. Nach der ersten Aufgabe war sie ganz froh die gesamte Zeit nicht an die Reihe gekommen zu sein.

Für Sonoko und Makoto schien aber der geforderte Zungenkuss der Startschuss für das Ausklinken aus dem Spiel zu sein. Die hatten nämlich nur noch Augen für sich.

Shiro konnte sie absolut nicht einschätzen. Er wirkte bedrohlich und unheimlich. Seine kurzen Blicke zu Aoko waren intensiv verachtend. Er schien einen Groll gegen ihre Stiefschwester zu hegen.

Als Shiho Shinichi anmachte kam das einem Tiefschlag gleich. Und dass dieser sich so leicht um den Finger wickeln ließ, erschreckte Ran zutiefst. Ob er Shiho immer noch liebte?

Kaitos Aufgabe an Shinichi überraschte sie dann sehr. Sie spürte diese sanfte Berührung seiner warmen Hand an ihrer Wange, diesen unheimlich sanften Kuss auf ihren Lippen, der in ihr die Schmetterlinge zum Fliegen brachte. Aber Shihos vorherige Aktion überschattete den wunderschönen Moment gänzlich. Die Verunsicherung war enorm. Sie wusste nicht ob Shinichi immer noch Gefühle für Shiho hatte. Sie wusste nicht, ob Shinichi überhaupt ein Interesse an ihr hatte, oder ob er sie nur nett fand und sich aus Mitleid um sie kümmerte. Schließlich war sie die Neue, der alles gezeigt werden muss damit sie sich zurecht findet. Jedoch womit Ran am allerwenigstens rechnete war Kaitos Herausforderung an Aoko. Was wollte er damit bezwecken? Warum verlangte er von ihr einen Jungen zu küssen? Es hätte tausend andere Pflichtübungen gegeben, warum gerade diese? Ran sah wie Aoko zögerte. Und für einen kurzen Moment glaubte sie ihre Stiefschwester würde die Flucht ergreifen. Aber dann überraschte Aoko alle. Zielstrebig setzte sie sich auf Kaitos Schoß und küsste ihn. Und das war bei weitem kein schüchterner Kuss. Erstaunt beobachtete Ran das Bild und kam auch nicht umhin die Reaktionen der anderen zu beobachten. Sonoko, Shiho und Hitomi waren offensichtlich überrascht. Mit dieser Reaktion hatte niemand gerechnet, wohl am allerwenigsten Kaito selbst. Shiro blickte noch düsterer. Akako war entsetzt und fassungslos und suchte nach ihrer Sprache. Und Shinichi beobachtete das ganze sorgenvoll. Ran stutzte, denn sie verstand nicht worüber Shinichi sich sorgte. Etwa über dieses unwirkliche Bild zweier küssenden Menschen, die sich eigentlich nur stritten und ignorierten obwohl sie mal beste Freunde waren? Auch Ran richtete ihren Blick wieder auf die beiden, die sich voll und ganz aufeinander konzentrierten und alles um sich herum ausblendeten. Als Kaito auch noch seine Hände an Aokos Hüften legte und sie näher an sich drückte, bestätigte sich ihre Vermutung, dass die beiden alles um sich herum vergessen haben.

Sonoko unterdrückte ein belustigtes Lachen und wandelte dieses in ein Kichern um.

Zumindest hatte dies zur Folge, dass Aoko sich von Kaito löste, aufsprang und aus dem Zimmer floh.

„Wow, die geht ja ganz schön ran“, stellte Rans beste Freundin amüsiert fest.

Und Ran selbst musste ihr gedanklich zustimmen. Aufmerksam betrachtet sie Kaito, der mit einem Mal richtig zerstreut und überhaupt nicht mehr so selbstbeherrscht wie sonst wirkte.

Wie automatisch glitten ihre Augen zu Shiro, der wütend auf die geschlossene Türe starrte. Ran wurde unwohl. Wenn er Aoko nachher auflauerte... sie wüsste nicht einzuschätzen was Shiro ihrer Schwester antun könnte. Darum stand sie auf. Das Spiel war eh vorbei. Sie hätten gar nicht erst herkommen dürfen. Die Sorge um Aoko wuchs an. Sie hatte ein großes Glas Alkohol ziemlich zügig hinunter gekippt und sollte in diesem Zustand nicht alleine herumlaufen. „Wir sehen uns“, verabschiedete sie sich in die Runde und verschwand aus dem Zimmer. Dicht hinter sich spürte sie Shinichis Anwesenheit.

Gemeinsam suchten sie nach Aoko, konnten sie aber nirgends finden. Besorgt stand Ran an der Haustüre und versuchte in der Masse der Feier-freudigen jemanden zu erkennen.

„Ich hole uns was zum Trinken und dann warten wir hier. Sie wird hier definitiv vorbei kommen, denn ohne dich geht sie nicht nach Hause“, schlug Shinichi vor. Ran nickte besorgt. Sie blieb nahe der Haustüre stehen und wartete auf Shinichis Rückkehr.

Kapitel XIII - Aussprache

Aoko saß in der Hollywoodschaukel. Ihr Puls beruhigte sich immer noch nicht. Sie war zu durcheinander und musste erst ihre Gefühle geordnet bekommen. Zudem spürte sie einen durch den Alkohol entstandenen Nebel im Kopf, der ihr zusätzlich zu schaffen machte und was diese gesamte Situation nicht unbedingt besserte. Sie versuchte sich in Atemübungen, tief frische Luft inhalieren und langsam ausatmen. Sie musste schnellstmöglich wieder nüchtern werden. Es musste am Alkohol liegen. Warum sonst sollte sie Kaito küssen? War ja eigentlich auch egal warum sie es getan hatte, schließlich hatte sie es getan... und dafür hasste sie sich. Ihr Herz klopfte immer noch aufgeregt in ihrer Brust und ein warmes Kribbeln in ihrem Bauch ließ sich auch nicht leugnen. Alkohol senkte definitiv die Hemmschwelle.

Schritte näherten sich.

Automatisch spannte sie sich an.

Kaito erschien. Er wirkte erst überrascht, dann aber setzte er sich schweigend zu ihr. Langsam begann er mit Hilfe seiner Beine die Schaukel in Bewegung zu setzen.

Mit stark klopfendem Herz verfolgte sie seine Bewegungen und spürte wenig später das sanfte Schaukeln. Was ihren Magen jetzt nicht unbedingt beruhigte. Aoko traute ihrer Stimme nicht. Die Nervosität stieg an. Die Stille erdrückte sie irgendwie. „Es quietscht nicht mehr.“

„Hab sie geölt“, antwortete er. Plötzlich drehte er sich ihr zu.

Ihre Hände wurden feucht und am liebsten hätte sie die Flucht ergriffen. Eben wollte sie diese Gedanken in die Tat umsetzen und davon laufen, da sprach er: „Warum hast du mich geküsst?“

Was sollte sie ihm auch sagen? Das wusste sie selbst doch nicht mehr so genau. Sie wollte es nicht tun, aber durch die Provokation von Akako fühlte sie sich angestachelt. Sie wollte es einfach nur dieser blöden Schnepfe zeigen. Aoko schluckte, spürte seine Nähe so unmittelbar neben sich und wie ihr Körper Feuer fing. Ihr wurde heiß als sie an den Kuss zurückdachte und ein Kribbeln in ihrem Unterleib breitete sich aus, sobald die Gedanken in eine noch verfänglichere Situation drifteten. Wie automatisch wichen ihre Augen zu seinem Schritt. Die Berührung ihrer Unterleiber spürte sie noch zu deutlich und auch jetzt war die Beule in seiner Hose noch erkennbar. „Konnte Akako dir keine Abhilfe verschaffen?“ Kaum ausgesprochen biss sie sich auf die Lippen. Das wollte sie doch überhaupt nicht laut sagen. Schnell konzentrierte sie sich auf ihre Fingernägel. Warum nur musste sie auch ausgerechnet diesen Satz laut aussprechen?! Ihre Gedanken rotierten. Sie sollte hier schleunigst verschwinden und diesen Abend aus ihrem Leben streichen. Erneut wollte sie ihr Vorhaben in die Tat umsetzen, als die sanfte schaukelnde Bewegung abrupt endete und Kaito sich ganz zu ihr beugte und ihr kaum mehr Platz ließ zu entkommen.

Seine Augen blitzten herausfordernd. Seine linke Hand strich ihr zärtlich durchs Haar und legte ihr Ohr frei. Schon näherte er sich diesem und flüsterte verheißungsvoll: „Vielleicht will ich Akako gar nicht...“ Und wie um seine Worte zu unterstreichen drückte er ihr einen Kuss direkt an die empfindliche Stelle zwischen Ohrläppchen und Kieferknochen. „Werden alte Erinnerungen wach?“ Ein erneuter sanfter Druck seiner Lippen auf ihrer empfindlichen Haut.

Sie spürte seinen Atem. Hörte die sanften und doch so herausfordernden Worte an ihrem Ohr. Nahm seine warmen Lippen, die nicht mehr als ein Hauch einer Berührung waren und dennoch ein wahrhaftiges Prickeln in ihr auslösten, zu deutlich wahr.

„Ganz kalt hat dich die Situation ja auch nicht gelassen.“

Eine Feststellung, die ihr eine Gänsehaut über ihren Körper zog. Natürlich ging das ganze nicht spurlos an ihr vorüber, aber das würde sie vor ihm nicht zugeben. „Glaub mir, so leicht bringst du mich nicht mehr aus der Fassung.“ Sie spürte das Lächeln seiner Lippen zu deutlich. Er glaubte ihr nicht und ihre körperliche Reaktion auf seine Berührungen bestätigten ihre Lüge. Sie versuchte sich von seinen Küssen abzulenken. „Du hast nur mit zwei Mädchen in den letzten zwei Jahren geschlafen?“

„Glaubst du mir nicht?“

Seine Stimme rau, tief und erregt, bereitete ihr eine Gänsehaut und trieb einen angenehmen Schauer über ihren Rücken. Immer noch spürte sie seine Lippen, die sich an ihrem Hals entlang arbeiteten, aber nun fühlte sie auch seine Zunge an einer besonders empfindlichen Stelle, nahe des Schlüsselbeins. Es war nicht auszuhalten. Ihr ganzer Körper stand unter Strom. Er war ein Angriff auf ihre angespannten Nerven, die seit dem intensiven Kuss hochsensibel waren. Ein weiterer Schauer jagte durch ihren Körper. Ihre Augen fielen zu. Ihr Widerstand schmolz und gab den Empfindungen nach. Er begann an dieser besonderen Stelle zu knabbern und zu beißen. Die Erregung breitete sich in ihr aus und gerade so konnte sie noch ein lustvolles Keuchen unterdrücken. Um sich selbst wieder zu besinnen antwortete sie: „Deine Verflossenen übertrumpfen sich gegenseitig mit Geschichten aus ihren heißblütigen Nächten mit dir.“ Er knabberte ungehindert weiter und wusste ganz genau wo er ansetzen musste um sie weichzuklopfen. Niemand sonst kannte ihre empfindlichsten Stellen.

„Solange es meinem Ruf nicht schadet“, stellte er gleichgültig fest und kümmerte sich wieder um ihre zarte Haut.

War es ihm so egal, was man über ihn erzählte? Sie spürte, das er sich wieder ihrem Ohr näherte. Was taten sie hier überhaupt? Spielte er mit ihr? War das ein Trick sich für den Kuss zu rächen?

„Hast du es jemanden erzählt?“, hauchte er.

Plötzlich spannte sie sich an. „Nein“, sprach sie ernst.

Er hielt inne, löste sich von ihr. Lange betrachtete er sie fragend, stumm, ungläubig, doch dann runzelte er seine Stirn. „Du hast es nie jemanden erzählt?“

Sie drehte den Kopf zur Seite um ihn nicht mehr ansehen zu müssen. Aber nicht lange, dann spürte sie seine Finger, die sich unter ihr Kinn legten und es anhoben. Mit sanften Druck führte er ihren Kopf wieder zu seinem.

„Das hättest du vorhin ändern können, immerhin war die Frage eindeutig.“

Aoko blickte ihm in die lodernden verdunkelten Augen und ignorierte seine Feststellung. Sie stellte eine Gegenfrage: „Warum hast du es vorhin nicht ausgesprochen?“

„Du wirst deine Gründe haben es nicht zu offenbaren.“ Seine Gedanken schweiften ab. Doch dann sah er ihr fest in die Augen: „Ich habe das ernst gemeint, Aoko. Ich bereue nicht eine Sekunde davon.“

Sie staunte. Es ein zweites Mal von ihm zu hören überraschte sie. Es war der einzige Punkt in dem sie sich einig waren. Auch Aoko hatte nie bereut diesen Schritt mit ihm gegangen zu sein. Unbehaglich starrte sie ihn an.

Wie hypnotisiert beugte er sich wieder zu ihr vor, näherte sich ihrem Mund um diesen ganz für sich einzunehmen.

Seine stürmischen dunkelblauen Augen, die in diesem Moment einem tosenden Meer glichen, rissen sie förmlich mit. Sie spürte seinen heißen Atem auf ihren Lippen. Sie würde sich selbst verlieren, wenn sie es zu ließ. Und seit langem kam ihr nun auch zum ersten Mal Akako in den Sinn. Seine Freundin. Das schlechte Gewissen packte sie jetzt. Sie drückte ihn von sich weg. „Wir sollten das hier und jetzt beenden. Du bist in festen Händen.“ Sie stand auf um Abstand zwischen ihnen zu schaffen.

„Jetzt plötzlich fällt dir das ein?“ Der Hohn drang aus jedem Wort hervor. „Das hat dich doch die ganze Zeit nicht interessiert.“

„Warum hast du mich überhaupt vor so eine Wahl gestellt?!“

Kaito hielt inne und überlegte. So ganz schlüssig schien er sich auch nicht zu sein. Seine Augen verloren sich in ihren. Er blieb ihr die Antwort schuldig.

Aoko seufzte. „Wen hätte ich denn deiner Meinung nach küssen sollen?! Du weißt, dass Ran und Shinichi aneinander interessiert sind? Makoto gehört Sonoko und dann blieben nur noch zwei. Und wie du sicherlich auch weißt können Shiro und ich uns schon seit der ersten Klasse nicht ausstehen. Zudem hat Shiro eine Freundin.“ Sie betrachtete den jungen Mann der immer noch in der Schaukel saß.

„Die habe ich auch“, erwiderte er.

Aoko wurde sauer. „Was ist dein Problem?! Wir haben uns nicht zum ersten Mal geküsst!“

„Ich weiß“, knurrte er.

„Hat Akako einen auf gehörnte Ehefrau gemacht?“

Er griente vermessen. „Kommt halt nicht so gut, wenn man mit einem Mädchen knutscht welches NICHT die Freundin ist.“

Aoko ballte ihre Hände zu Fäusten. „Wenn du deswegen so ein schlechtes Gewissen hast, wieso machst du dann hier draußen weiter?!“

Kaito erhob sich und trat auf sie zu. Ganz dicht stellte er sich vor sie. „Vielleicht um dir eine Lektion zu erteilen?“

Sie sah ihn erst erschrocken an, doch dann konterte sie bissig. „Ich habe damit nicht angefangen!“

„Du spielst mit dem Feuer.“ Er beugte sich wieder zu ihr vor. „Ich warne dich, Aoko, verbrenn' dich nicht.“

Aoko zog ihre Augenbrauen zusammen. Er drohte ihr? Das wirkte bei ihr nicht. „Ich kenn' mich mit Feuer aus, Kaito“, erwiderte sie hart. „Und ich habe mich bereits einmal verbrannt. Nochmal wird das nicht passieren.“

Er glaubte ihr nicht. Das zeigte er ihr deutlich mit einem hämischen Grinsen.

Ernst sah sie ihn an. Ihre folgenden Worte schmerzten sie selbst, weil es einfach nicht der Wahrheit entsprach: „Das alles war ein riesengroßer Fehler“, sagte sie so unerwartet, dass sein Grinsen einfror. Aoko entging es keineswegs. „Ich meine, sind wir doch mal ehrlich: Dieser Kuss heute war reine Provokation und hat mit Gefühlen überhaupt nichts zu tun. Unser erstes Mal, das war doch auch nur eine zweckmäßige Übereinkunft ohne Bedeutung. Am besten wir vergessen das einfach alles und setzen hier einen Strich drunter. Rückgängig machen können wir es leider nicht mehr.“ Die Lüge tat ihr selbst weh und sie wagte es kaum ihn anzusehen.

Er äußerte sich nicht, betrachtete sie nur stumm und skeptisch.

„Und wir sollten das jetzt hier beenden. Wir sind beide betrunken und nicht fähig hier ein ordentliches Gespräch auf die Beine zu stellen.“

Sarkasmus spiegelte sich in seiner Stimme wieder. „Findest du? Seit langer Zeit haben wir nicht mehr so ehrlich miteinander geredet.“

Gewöhn dich nicht dran, lag ihr auf der Zunge, aber sie schluckte es und blieb stumm.

„Das hat mir gefehlt“, gestand er ihr unerwarteterweise.

Überrascht blickte sie auf und bemerkte wie er sich wieder näherte. Das konnte doch jetzt nicht wahr sein! War das sein Ernst oder sprach der Alkohol aus ihm?

„Du fehlst mir“, präzisierte er.

„Du bist betrunken“, wich Aoko zurück.

„Glaubst du?“

Erneut hörte sie die Herausforderung in seiner Stimme. „Ja, und wenn Akako von dieser Situation erfährt, stampft sie mich in Grund und Boden.“ Sie blickte ernst auf. „Ich bin nicht eines von diesen Mädchen, wollte es auch nie werden. Und ich werde mich kein zweites Mal auf dich einlassen!“

Er blickte sie stumm an.

Sie verfing sich erneut in seinen Augen. Sie musste endgültig von hier weg, sonst wäre sie ihm schneller verfallen als es ihr lieb war.

Sie drehte sich um und tat einen Schritt um ihr Vorhaben nun endgültig umzusetzen, als er völlig aus dem Zusammenhang gerissen fragte: „Wie viele Jungs gab es nach mir?“

Überrascht riss sie ihre Augen weit auf, wusste nicht was sie sagen sollte. Unsicher blickte sie über ihre Schulter zurück. Wäre das die Frage geworden, wenn sie sich vorhin anders entschieden hätte? „Beim nächsten Spiel kannst du mich das ja dann fragen. Gute Nacht, Kaito“, verabschiedete sie sich und verschwand im Gebüsch. Ihr Weg führte sie zurück zum Haus. Dort suchte sie nach Ran und Keiko, sowie Sonoko und Makoto. Gemeinsam verließen sie die Party und gingen zu Nakamoris nach Hause.
 

Während sich alle fürs Bett fertig machten, bereitete Ran die Schlafcouch im Wohnzimmer für ihre beste Freundin und deren Partner vor.

Aoko erschien mit Bettwäsche und reichte ihr diese.

„Ist alles in Ordnung? War ja ein turbulenter Abend“, bemerkte Ran vorsichtig. Ihre baldige Stiefschwester wirkte durcheinander und in sich gekehrt.

„Passt schon“, wich Aoko aus.

Scheinbar würde diese den Abend lieber verdrängen, aber ungeschehen konnte sie es nicht mehr machen.

Sonoko und Makoto traten ins Wohnzimmer. „Träum süß von deinem Kaito“, stichelte Rans beste Freundin in Aokos Richtung.

Diese erstarrte regelrecht, doch dann widersprach sie störrisch: „Ich hätte wohl besser dich küssen sollen, Makoto. Naja, dann lass ich eben heute Nacht meine Fantasie spielen.“ Sie zwinkerte eben Angesprochenen zu und schenkte Sonoko ein herausforderndes Lächeln. Schon drückte Aoko Sonoko ein Kopfkissen an die Brust und verließ das Wohnzimmer.

Sonoko klammerte sich an das Kissen und blickte ihr finster nach. Danach warf sie ihrem Freund einen bösen Blick zu, der Aoko verwirrt hinterher sah. „Wag es ja nicht auch nur im Ansatz an sie zu denken“, drohte Sonoko eifersüchtig.

Ran stellte sich neben die beiden. „Um Makoto brauchst du keine Angst zu haben“, beschwichtigte sie. „Aber deine Worte hätten auch nicht sein müssen.“

Enttäuscht funkelte Sonoko Ran an.

„Bitte sei nett zu ihr. Sie wird bald meine Stiefschwester und gehört zu meiner Familie.“ Dann ging sie zur Türe. „Gute Nacht.“

Keiko kam aus dem Bad, als Ran in ihr Zimmer verschwinden wollte. „Gute Nacht, Ran.“ Schon ging die Braunhaarige mit der Brille in Aokos Zimmer.

„Gute Nacht, Keiko.“ Ran selbst verschwand in ihrem Zimmer und schlüpfte auch ins Bett und kuschelte sich in ihr Kissen. Wieder ließ sie den Abend vorbei ziehen, bis zu dem Moment in dem Shinichi seine Lippen auf ihre legte. Das warme prickelnde Gefühl fühlte sie in sich aufsteigen und mit einem wohlig sanft pochendem Herzschlag schlief sie ein.
 

Aoko starrte die Zimmerdecke an und hing ihren Gedanken nach. Keiko trat ins Zimmer, schaltete das Licht aus und nur noch die Nachttischlampe hüllte das Zimmer in ein angenehmes gedämmtes Licht. Dann spürte Aoko wie sich die Matratze bewegte, als Keiko unter die Decke schlüpfte. Mitfühlend wie ihre beste Freundin nun mal war, drängte sie nicht sondern wartete geduldig bis Aoko von sich aus erzählen würde. Und das sie mit jemanden reden musste, wusste Aoko seit diesem Abend mehr denn je. „Ich hab mit Kaito geknutscht“, gestand Aoko auch so plötzlich, dass Keiko sich überrascht aufrichtete.

„Du hast was getan?!“

„Vorhin in seinem Zimmer.“

„Aber er ist Akakos Freund! Du drängst dich nicht in Beziehungen, das hast du noch nie getan“, hielt Keiko ihr entsetzt vor.

Aoko schwieg, zögerte. „Ich habe dir nie davon erzählt, aber ich würde es jetzt gerne tun. Versprichst du... mich... nicht zu verurteilen?“

Keiko nickte zögerlich, stellte sich in Gedanken auf das schlimmste ein und kuschelte sich an Aoko um ihr Halt zu geben. „Wir hatten mal was. Eine Beziehung war das aber nicht“, sprach Aoko leise. Sie war zu aufgewühlt von dem heutigen Abend.

„Wann?“

„In der Mittelschule. Wir saßen in seinem Zimmer, machten Hausaufgaben und dann plötzlich fragte er mich, ob wir etwas anderes üben könnten.“
 


 

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Es war ein warmer Herbsttag. Gemeinsam saßen sie auf dem Teppichboden in seinem Zimmer über ihren Schulunterlagen und arbeiteten sich durch die Hausaufgaben. Kaito sah zum Fenster hinaus. „Aoko, wir kommen doch bald in die Oberstufe. Nun ja, da dachte ich mir vielleicht könnten wir zusammen etwas üben.“

„Was willst du denn üben?“ Sicher waren sie nicht die besten Schüler, aber auch eben nicht die schlechtesten.

„Naja“, druckste er herum. „Wir kommen langsam in ein Alter... und falls wir jemanden kennenlernen...“

Aoko versuchte in seinen Worten einen Sinn zu finden.

„Ich bin nicht gerne Anfänger in solchen Sachen.“

Schlagartig wurde sie rot. Konnte sich nun denken worauf er hinaus wollte. „Wäre es denn so schlimm ... es ... nicht vorher geübt zu haben?“, hakte sie aber dann doch sehr verwirrt nach. Jemand, der es wirklich ernst meinte, müsste doch dafür Verständnis haben.

Kaito beugte sich zu ihr rüber, blickte sie aus seinen blauen Augen direkt an. „Ich möchte mir nicht die Blöße geben und vor einem Mädchen zugeben noch nie geküsst worden zu sein.“

Ihr Herz pumpte aufgeregt. Dennoch breiteten sich in ihr Zweifel aus. „Wir sind beste Freunde, das ist nicht gerade etwas was wir tun sollten.“

„Du bist die einzige, der ich vollkommen vertraue. Mit keiner anderen könnte ich diesen Schritt wagen. Und ich weiß, dass du auch noch ungeküsst bist. Wir profitieren beide davon“, grinste er sie spielerisch an.

Aoko zögerte noch immer, hielt das für keine gute Idee, aber dann spürte sie Kaitos Hand an ihrer Wange. Sein Daumen strich ihr vorsichtig über die Haut hinab zu ihren Lippen. Er beugte sich noch weiter zu ihr vor und während sie ihre Luft anhielt, wie paralysiert ihn anstarrte, spürte sie seine warmen Lippen auf ihren.

Er ließ von ihr ab, blickte in ihre blauen Augen. „Darf ich noch einen Schritt weiter gehen?“

Überwältigt von den Gefühlen, die eine einzelne hauchzarte Berührung in ihr auslöste, nickte sie wie benebelt zu. Sie schloss ihre Augen und wartete. Dann spürte sie wieder seinen Mund auf ihren und sanft und vorsichtig liebkosten sich ihre Lippen. Sie testeten aus. Von sanft zu wild spielten sie miteinander und dann spürte sie plötzlich seine Zunge an ihrer Oberlippe. Erstarrt hielt sie inne und fühlte das aufregende Prickeln. Was hatte er vor? Ganz zärtlich und vorsichtig schob er seine Zunge in ihren Mund. Er erforschte und ertaste die neue Welt bis er an ihre Zunge stieß und sie zu einem neckischen Kampf herausforderte. Ganz im Gefühlsrausch gefangen gab sie sich ihm hin, ließ ihn machen und lernte mit ihm zusammen neue Empfindungen kennen.
 

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„Immer öfter übten wir“, wobei sie das Wort üben in Anführungszeichen setzte. Ihr war damals klar, dass sie beide süchtig nacheinander waren. Ihre Körper reagierten aufeinander, wenn sie auch nie etwas über ihre wahren Gefühle verlauten ließen.

„Das hast du mir nie erzählt“, flüsterte Keiko enttäuscht.

„Es hört sich auch komisch an. Beste Freunde machen so etwas auch nicht.“

„Ich glaube ja nicht, dass er dich nur als beste Freundin gesehen hat.“

Aoko überlegte kurz, doch dann wies sie Keikos Anmerkung entschieden von sich. „Da ist noch mehr, was du nicht weißt. Es war die erste Oberstufenparty. Kaito lud alle ein. Vielleicht weißt du noch, wie wir inmitten der Oberschüler standen und uns absolut unwohl fühlten.“

Keiko nickte. „Am liebsten wären wir gleich wieder gegangen. Ich bin in die Küche um mir was zum Trinken zu holen, als ich zurück kam warst du weg.“

Aoko nickte. „Kaito wollte mir etwas sagen und führte mich in sein Zimmer.“ Sie schluckte. „An diesem Abend verlor ich meine Unschuld.“

„Aoko“, keuchte Keiko überrascht auf. „Ernsthaft? Ist deswegen danach alles so aus dem Ruder gelaufen?“

„Ich konnte ihm nicht mehr in die Augen sehen“, gestand Aoko leise. „Keine zwei Stunden später, saß er auf der Couch und Akako auf seinem Schoß.“ Schnell verdrängte sie die Erinnerungen daran. „Vielleicht wollte ich mich heute auch einfach nur an ihr rächen. Mit dem Unterschied das Kaito und ich nie zusammen waren und ich keine Ansprüche auf ihn stellen durfte.“

„Aoko“, hauchte Keiko und schloss ihre Freundin fest in die Arme. „Dass er dich so ausnutzen würde, hätte ich ihm niemals zugetraut.“ Sie hauchte ihr einen zarten Kuss auf die Stirn. „Kein Wunder das es zum Bruch kam. Nichts anderes hätte ich an deiner Stelle auch getan.“

Eine Träne schlich sich in Aokos Auge, dennoch weigerte sie sich zu weinen. Sie bereute nichts, auch wenn sie für ihn nur ein Mittel zum Zweck war.

Kapitel XIV - ungeplantes Treffen


 

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„Was gibt es denn so dringendes zu besprechen?“

„Du musst mir nur noch einmal helfen“, beruhigte Kaito sie und schloss die Türe ab.

Überrascht vernahm Aoko das Klicken und drehte sich ihm zu. „Warum sperrst du ab?“

Kaito blickte sie einfach nur an, blieb ihr die Antwort schuldig. Mit zwei großen Schritten stand er vor ihr, umfasste ihr Gesicht, drückte seine Lippen auf ihren Mund und küsste sie so wie sie sich immer geküsst hatten. Stürmisch und leidenschaftlich. Absolut überwältigt schob er sie rückwärts bis sie an sein Bett stießen und hinein fielen. Für einen kurzen Schreckmoment lösten sie sich, doch dann beugte er sich über sie und vernebelte ihr die Sinne. Aokos Gefühle gingen mit ihr durch. Sie wusste längst das sie ihn liebte, aber wie er zu ihr stand blieb ihr ein Rätsel. Sie spürte seine Lippen an ihrem Hals. Seine Finger, die ihren Körper erforschten. Überall spürte sie seine Berührungen, an ihrer Brust, ihren Seiten und es kam einem Elektroimpuls gleich als seine Finger unter ihr Oberteil schlüpften und über ihren Bauch streichelten.

Unbeholfen und dennoch neugierig auf mehr, ließ sie ihn machen und vertraute sich ihm an. Nach und nach schälte er sie aus ihrer Kleidung, küsste und erkundete jeden Zentimeter frei gewordene Haut.

„Ein Wort von dir und ich höre sofort auf“, versprach er ihr und drückte ihr einen verheißungsvollen Kuss auf die Lippen.

Er zog sie in eine Welt der Gefühle, Emotionen und der Leidenschaft. Sie schmolz mehr und mehr dahin. Es war richtig so. Diese Entwicklung war das was sie sich wünschte, insgeheim erhoffte und wenn sie ihm, ihrem besten Freund, nicht vertrauen konnte, wem dann? Welcher Junge wäre der Richtige für diesen einen Moment? Sie konnte sich keinen anderen vorstellen. Mutig setzte sie ihre Hände an seiner Taille an und schnappte sich den Saum seines Shirts. Sie zog daran und mit seiner Hilfe zog sie ihm den weißen Stoff über den Kopf. Sie warf das Shirt unachtsam auf den Boden, während sich ihre Lippen zu einem erneuten innigen Spiel der Leidenschaft fanden. Ihre Finger streichelten hauchzart seinen Oberkörper entlang. Eine Gänsehaut breitete sich unter ihren vorsichtigen Berührungen aus. Es bestätigte ihr den Gedanken, das es nur noch sie beide gab und sonst nichts.

Er küsste sich ihren Hals wieder hinab, hin zu ihrer Brust und hauchte ihr zarte Küsse auf den Stoff ihres BH, glitt weiter hinab über ihren Bauch bis hin zu ihrer Hose. Dort begannen seine Finger den Knopf zu öffnen und den Reißverschluss hinunter zu ziehen. Dann zog er ihr den Stoff über die Beine und sie lag nur noch in Unterwäsche bekleidet vor ihm. Sie küssten sich erneut, ließen sich Zeit, gaben sich ihren Empfindungen hin, bis sie zu dem Moment kamen auf den es an diesem Abend hinaus laufen sollte. Er kümmerte sich um den Schutz und positionierte sich zwischen ihren Beinen. „Ich werde vorsichtig sein“, versprach Kaito.

Und dann spürte sie ihn, wie er sie dehnte während er sich langsam in sie schob. Es tat weh und trotz aller Bemühungen sich nicht zu verspannen verkrampfte sie sich.

Kaito blickte sorgenvoll auf sie hinab, fing sie erneut in einen leidenschaftlichen Kuss ein, wartete bis sie sich ihm wieder vollkommen hingab und lockerte. Diese Anziehungskraft zweier Körper war so unglaublich magisch. Er war so einfühlsam und vorsichtig und als sie sich dem gemeinsamen Kuss hingab, spürte sie den Druck in ihrem Unterleib, wie er sich bis zum Anschlag in ihr versenkte. Er füllte sie komplett aus und niemals hatte sie sich das ganze so berauschend und überwältigend vorstellen können. Näher konnte man einem Menschen körperlich nicht mehr kommen. Er gab ihr etwas Zeit sich an ihn zu gewöhnen. Diese nutzten sie zum küssen und streicheln, bis er begann sich in ihr zu bewegen. Und ab diesem Moment wurde sie von ihren Gefühlen mitgerissen und sie wusste, dass sie es niemals bereuen würde. Er war der Richtige.
 

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Aoko erwachte und schlug die Augen auf. Ein Blick auf ihren Wecker zeigte ihr das es noch früher Morgen war. Sie richtete sich im Bett auf. Keiko schlief noch tief und fest. Leise stand die junge Nakamori auf und trat auf ihren Balkon hinaus. Die Spätsommersonnenstrahlen erwärmten noch einmal kräftig das Land.

„Na das ist ja eine herrliche Aussicht hier“, sprach jemand höhnisch. „Da könnte ich mich glatt dran gewöhnen.“

Und wenn es nicht so bösartig klingen würde, hätte Aoko fast geglaubt, er würde mit ihr flirten. Sie erschauderte, als sie ihren Blick zum Nachbarbalkon richtete und Shiro entgegen blickte. Seine dunklen Augen musterten sie ausgiebig. Hätte sie sich doch eine Jacke übergezogen. Aber so stand sie nun in einer sehr kurzen Hose und einem Spaghettiträger-Top auf dem Balkon. „Was machst du hier draußen?“ Sie verschränkte ihre Arme vor der Brust um sich etwas vor seinen Blicken zu schützen.

„Akako und Kaito sind gerade beschäftigt und da ich kein Spanner bin, warte ich hier draußen bis sie fertig sind.“

Aoko biss sich auf die Unterlippe. Hätte sie doch nur nicht gefragt.

„Du kannst ja auch ordentlich ran gehen“, spottete er. „Aber für dich war das natürlich nichts neues. Ich bin über eure intimen Mittelschul-Erfahrungsaustauschübungen bestens informiert.“

Aoko schluckte. Sie ging davon aus das Kaito seinen Freunden nichts erzählte. Aber scheinbar hatte er sich Shiro anvertraut.

„Aber natürlich kennst du seine Vorlieben am Besten. Immerhin habt ihr ja in eurer gemeinsamen Vergangenheit weit mehr ausgetauscht als heiße Zungenküsse.“

Aoko spürte wie er sie beleidigen wollte. In ihr zog sich alles zusammen. „Worauf willst du hinaus?“

Shiro zog seine Augenbrauen hoch. „Du hast immer noch nicht geschnallt, dass du nur ein Spielzeug für ihn bist. Das hat sich in den letzten Jahren nicht geändert.“ Er fixierte sie eindringlich. „Aber es ist gut zu wissen, dass man dich so einfach haben kann.“

„Ich bin nicht einfach zu haben“, fauchte Aoko wütend. „Und glaub ja nicht, dass du mir irgendwas androhen kannst.“

Er schnalzte mit der Zunge, leckte sich anschließend über seine Lippen und griente sie bedrohlich an. „Ich würde dich ja gern in Ruhe lassen, aber die beiden sind noch nicht fertig.“ Er lauschte kurz, dann fügte er hinzu: „Hmm, aber gleich. Der Showdown steht an.“

Widerlicher Kerl. Er war ihr schon immer suspekt und sie verstand nicht wie Kaito sich in der ersten Klasse ausgerechnet mit diesem idiotischen Macho anfreunden konnte. Aber die beiden wurden unzertrennliche Kumpels und Aoko störte immer nur. Shiro hasste Mädchen und verstand nicht, wie Kaito nur mit einem Mädchen befreundet sein konnte. Und auch wenn sie es nicht gerne zugab seine Sticheleien trafen sie heute wie kleine Nadelstiche.

„Hey, Shiro, was machst du hier draußen?“ Kaito trat auf den Balkon, nur in einer Boxershort gekleidet, die bedenklich tief hing.

„Na endlich, können wir mal was essen? Ich hab Hunger.“ Shiro drehte sich fies grinsend Aoko zu. „Deine Nachbarschaft könnte besser sein“, sprach er noch zu seinem Kumpel und verschwand ins Zimmer.

Kaito hob den Blick und schien sie erst jetzt wahrzunehmen. „Guten Morgen.“

Aoko ignorierte ihn, drehte sich um und verschwand in ihrem Zimmer. Sie schloss die Glastüre, zog den Vorhang zu und blickte traurig auf den Teppichboden.

Die wuscheligen, braunen, ungekämmten Haare, der errötete Ausdruck auf seinen Wangen, der entspannte Blick, der nackte Oberkörper und die tiefsitzende Boxershort. Alles bestätigte Shiros Worte. Hörte dieser Albtraum denn niemals auf? Wohl nicht solange er mit Akako zusammen war und sie alle gemeinsam auf dieselbe Schule gingen.

Kapitel XV - Zeit mit Freunden

Aoko konnte jetzt unmöglich wieder einschlafen. Sie sah zum Bett in dem Keiko noch selig schlummerte. Sie würde schon mal Frühstück zubereiten. Leise schlich sie aus ihrem Zimmer in den Flur hinaus. Das Haus war absolut still. Ran schien ebenfalls noch zu schlafen und auch aus dem Schlafzimmer ihres Vater drangen keine Geräusche heraus. Sie schlich die Treppe hinunter und warf einen Blick ins Wohnzimmer. Ein süßes Bild zeigte sich ihr auf der Couch. Der starke großgewachsene Makoto hielt die zierliche Sonoko fest in seinen Armen in der Löffelchenstellung und beide schliefen mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen. Aoko verharrte noch einen kurzen Moment, gab sich den Träumereien hin auch mal so in den Armen eines Jungen zu liegen.

Das schlechte Gewissen meldete sich. Sie war letzte Nacht gemein zu Sonoko, aber diese bekam es eigentlich nur zurück. Ihre Stichelei in Bezug auf Kaito und diesem Zwangskuss war nicht besonders sensibel. Natürlich würde sie Makoto nicht angraben. Zum einen war er überhaupt nicht ihr Typ und zum anderen vergeben. Er war glücklich mit Sonoko. Ihn hat es voll erwischt. Sie kannte auch diesen Jungen nicht besonders gut. Er war ein Kumpel von Kaito und die beiden spielten zusammen seit der Oberstufe Fußball. Sie selbst hatte bisher nie etwas mit ihm zu tun gehabt.

Aoko drehte sich um und ging in die Küche. Dort schloss sie die Türe und begann das Frühstück zuzubereiten.
 


 

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Sie hatten ES getan. Verwirrt verließ sie sein Zimmer. Kaum stand sie im Flur, bahnte sie sich schon einen Weg durch die vielen Oberstufenschüler.

Die Party war im vollen Gange, denn aus dem Wohnzimmer drang laute Musik herauf. Hier im Obergeschoss fanden sich die Pärchen zusammen.

Im Gefühlsrausch von ihrem eben erlebten ersten Mal merkte sie nicht, wie sie gegen einen Oberschüler stieß. Schon umfasste eine Hand ihren Arm und bevor sie realisieren konnte, was passiert ist, fand sie sich an die Wand gepresst wieder und blickte in die dunklen Augen von Shiro.

Er drückte sie an die Wand, schob seinen Körper an ihren heran und musterte sie aufmerksam. „Was hast du hier oben zu suchen?“

„Das geht dich nichts an“, erwiderte Aoko. Seit der ersten Klasse hassten sie sich. Seit der ersten Klasse kämpfte er gegen sie um Kaito für sich allein zu haben.

„Hmmm...“, abschätzend starrte er sie an. „Ich warne dich, Nakamori, und ich meine es sehr ernst.“

Sie schluckte überrascht.

„Halte dich von Kaito fern! Für immer!“

Trotzig erwiderte sie: „Er ist mein bester Freund, akzeptiere es endlich!“

„Du wirst es noch bereuen. Ich sag es dir im Guten! Sie werden Rache nehmen, wenn du dich nicht von ihm fernhältst.“

Aoko glaubte ihm nicht. „Ich gebe dir jetzt mal einen Rat“, fauchte sie wütend. „Lass mich in Ruhe!“

„Ich habe dich gewarnt, weil Kaito dich aus irgendeinem Grund mag. Aber ab jetzt kann ich dir nicht mehr helfen – und ich werde es auch nicht! Komm also nicht mal auf die Idee.“

„Ich verzichte auf deine Hilfe“, zischte Aoko verärgert. Sie hasste ihn. Warum überhaupt war er hier oben?

Kaito trat zu ihnen. „Shiro? Aoko?“ Verwirrt sah er seine besten Freunde streiten.

Aoko löste ihre Augen von denen ihres Feindes und entfernte den beharrlich festen Griff von Shiro. „Ich hasse dich“, knurrte sie den Mitschüler an, schenkte Kaito einen entschuldigenden Blick und verschwand in der Menge.

Shiro blieb mit Kaito im Flur zurück.

Aoko brauchte einen Drink und kippte etwas hochprozentiges. Sie röchelte, denn der Alkohol brannte ihr ihm Hals. Was wollte Shiro damit bezwecken? Sie stand im Wohnzimmer in einer dunkleren Ecke und hielt ihr Glas mit einer bräunlichen Flüssigkeit in den Händen. Was es war wusste sie nicht, sie hatte sich das erstbeste geschnappt und einfach getrunken. Ihre Gedanken rotierten. Ihr Unterleib zog immer wieder und erinnerte sie daran, welch intime Erfahrung sie mit ihrem besten Freund vor kurzem ausgetauscht hatte. Ob es ihm auch etwas bedeutete? Oder war sie wirklich nur ein Übungsmittel für ihn? Hätte er sich dann nicht einfach ein anderes Mädchen klar machen können? So betrunken wie hier alle waren, hätte sich sicherlich eine gefunden, die ihm in die Künste der Verführung einwies.

Shiro und Kaito betraten das Wohnzimmer. Beide waren in all den Jahren sehr attraktiv geworden, durch das regelmäßige Training muskulös, stark, stattlich, groß gewachsen, beinahe erwachsen.

Als ihre Augen Kaito erfassten begann ihr Herz zu rasen. Ihr ganzer Körper kribbelte und ihr Unterleib zog. Sie liebte ihn. Sie liebte ihren besten Freund. Und wenn er ihr gegenüber nicht das gleiche fühlte... Sie würde ihren besten Freund verlieren. Keine Freundschaft hielt eine derartige Überschreitung der Grenzen aus. Wenn diese Liebe einseitig vorhanden war, wüsste sie nicht wie sie ihm je wieder in die Augen sehen sollte.

Shiro erfasste sie, funkelte sie herausfordernd an, aber Aoko ignorierten ihn. Sie wollte sich nicht mehr mit diesem Idiot befassen.

Kaito war, kaum im Wohnzimmer, umringt von Oberschülerinnen. Nicht nur sie fand ihn attraktiv, sondern viele Mädchen wünschten sich an seine Seite. Er hätte jede in diesem Raum hier haben können, warum also erwählte er sie für sein erstes Mal?

Shiro schnappte sich ein Mädchen, welches ihm schöne Augen machte und verschwand mit ihr in einen anderen Raum. Seinen Kumpel überließ er den Mädchen.

Aoko kippte ihr Getränk in einem Zug, unterdrückte einen erneuten starken Hustenreiz und wischte sich über ihren Mund. Ihre Augen klebten auf ihrem besten Freund.

Er wand sich aus der Traube und setzte sich zu Shinichi, der allein auf der Couch saß.

Aoko konnte ihre Augen nicht von Kaito lösen. Sie würde jetzt zu ihm gehen und ihn zur Rede stellen. Sie musste wissen, was er fühlte, ob er mit ihr und ihren Gefühlen spielte oder ob er es ernst meinte. Entschlossenheit zeigte sich auf ihrem Gesicht. Sie trat einen Schritt vor, als sie überrascht inne hielt. Shiho und deren beste Freundin Akako traten zu den beiden attraktiven Fußballern. Shiho setzte sich neben Shinichi, der seinen Arm um die Schultern der Blondine legte und sie fest an seine Brust zog.

Akako hingegen setzte sich rittlings auf Kaitos Schoß, legte ihre Arme um ihn und begann mit seinen Haaren zu spielen.

Entsetzt beobachtete sie, wie er seine Hände um ihre Taille legte. Das war zu viel für Aoko. Unsagbar verletzt und tief enttäuscht wandte sie sich ab. Sie unterdrückte ein Schluchzen und ging zur Türe. Leider entkam sie nicht ganz ungesehen, denn Shiro stellte sich ihr nochmal in den Weg. Sie kämpfte die aufsteigenden Tränen nieder, ehe sie ihn wütend anstarrte.

„Das war erst der Anfang. Du wolltest ja nicht hören“, grinste er hämisch und trat einen Schritt zur Seite. Mit dieser Geste gab er ihr den Weg frei das Haus der Kurobas zu verlassen.
 

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Nach und nach erwachte das Haus und fand sich in der Küche ein. Angelockt von einem herrlichen Duft, der sich mehr und mehr ausbreitete.

Als alle zusammen um den gedeckten Tisch saßen, horchte Ginzo die jungen Leute über die Party aus. Sie erzählten oberflächlich von dem Abend, keiner von ihnen ging ins Detail und das Alkohol in Massen geflossen ist verheimlichten sie ebenfalls.

Nach dem Frühstück überlegten sie was sie noch unternehmen konnten und entschieden in den Park zu gehen. In diesem gab es ein kleines Cafe und sie wollten noch etwas Zeit zusammen genießen. Es dauerte bis fünf Teenager sich für den Ausflug vorbereitet hatten und auch die Gäste ihre Rucksäcke gepackt hatten um dann im Anschluss nach Hause gehen zu können.

Letztendlich brachen sie gegen Mittag auf und spazierten durch die Straßen. Auf dem Weg entstand eine rege Unterhaltung. Aoko spürte dass die Chemie unter ihnen stimmte und Makoto war ein angenehmer netter Junge. Er war umgänglich und hilfsbereit. Sonoko konnte sich wirklich glücklich schätzen mit ihm. Er war der Prinz auf dem weißen Pferd, von dem jedes Mädchen träumte.

Sie erreichten den Park und schlenderten über den Kiesweg. Inzwischen duellierten sich Keiko und Sonoko in Wortspielen, wie eindeutig man Sätze zweideutig formulieren konnte. Beide gaben sich nichts. Aoko kannte ihre beste Freundin und wusste auch, das sie immer ihre Meinung direkt aussprach. Sonoko nahm ebenfalls kein Blatt vor den Mund. Die Beiden hatten sich wahrlich gefunden.

Dann erreichten sie das Cafe und setzten sich an einen freien Tisch. Sie bestellten sich Getränke und unterhielten sich angeregt über die Schule, die Freizeit und ihre Interessen. Das heikle Thema, die Party letzte Nacht, schnitten sie hingegen nicht an.

Makoto tippte immer wieder mal in seinem Handy herum, schloss sich dann aber der Frauendiskussion an.

Sie bestellten sich nochmal Getränkenachschub und fanden ständig neue Gesprächsthemen, als plötzlich Shinichi in der Türe erschien und das Cafe betrat.

Überrascht begrüßten ihn die Mädchen, einzig Makoto war es nicht. Shinichi setzte sich dazu und fand sich schnell in der geselligen Runde ein.

Alle blieben noch den Nachmittag über sitzen, doch dann wurde es Zeit nach Hause zu gehen.

Makoto und Sonoko verabschiedeten sich.

Auch Keiko musste nach Hause und verschwand schon bald.

Shinichi blieb bei den Stiefschwestern. „Ich bringe euch nach Hause.“

„Das musst du nicht“, winkte Ran verlegen ab.

Aoko beobachtete wie Shinichi ihre zukünftige Schwester ansah und stimmte seinem Angebot zu. „Gerne!“

Shinichi lächelte dankend und gemeinsam gingen sie zum Haus der Nakamoris. Es entstand eine nette Unterhaltung und dennoch wirkte der Oberschüler die ganze Zeit etwas bedrückt. Dann sprach er so plötzlich: „Es tut mir leid, Aoko. Ich weiß nicht was in Kaito gefahren ist.“

Aoko schluckte. „Es ist schon in Ordnung. Es war ein dämliches Spiel, nichts weiter.“

„Finde ich nicht. Die haben es sehr übertrieben. Ich wünschte ich könnte die Zeit zurück drehen und euch da raus halten. Was hab ich mir nur dabei gedacht dem ganzen überhaupt zuzustimmen.“ Er erwartete keine Reaktion der Mädchen und blieb stehen.

Die Mädchen taten es ihm gleich und sahen den Oberschüler mit großen Augen überrascht an.

Da verbeugte er sich vor ihnen. „Es tut mir leid. Und ich werde mit Kaito reden. So kann er den Abend nicht stehen lassen.“

Aoko winkte plötzlich ab. „Das musst du nicht. Es ist wirklich in Ordnung.“ Er wusste ja nicht, dass sie sich gestern noch einmal begegnet sind. Und ein weiteres Mal wollte und konnte sie Kaito nicht mehr unter die Augen treten. Sie wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben. „Ich habe nicht vor mit Kaito in naher Zukunft zu sprechen. Und ich will auch keine Entschuldigung von ihm hören. Was passiert ist ist passiert. Eine Dummheit, ein Fehler. Aus Fehlern lernt man, richtig?“

Shinichi und Ran nickten zögerlich.

„Konzentriere dich lieber auf Wichtigeres“, grinste Aoko plötzlich und deutete auf Ran.

Sofort legte sich bei beiden angesprochenen Oberschülern ein Rotschimmer auf die Wangen.

„Lasst uns nach Hause gehen“, unterdrückte Aoko ein belustiges Auflachen, drehte sich schwungvoll um und ging los.

Verlegen folgten Shinichi und Ran ihr.

Wenig später standen sie vor dem Haus der Nakamoris.

„Vielen Dank, Shinichi“, verabschiedete sich Aoko und winkte ihm zu. „Wir sehen uns morgen in der Schule.“ Sie spürte, dass er noch mit Ran alleine sein wollte und sie würde ihm diesen Moment geben. Shinichi hatte sie heute wirklich überrascht. Das er nett und hilfsbereit war wusste sie aus dem Unterricht. Aber heute hatte er sich bewiesen. Sollte er mit Ran zusammen kommen, so hätte er ihren Segen. Ran würde in gute Hände kommen. Somit verdrückte sie sich ins Haus und lenkte Eri ins Wohnzimmer um den beiden auch wirklich ihre Privatsphäre zu lassen.
 

Shinichi stand Ran etwas verlegen gegenüber, dann fasste er sich und brachte sein Anliegen hervor. „Ich würde gerne etwas mit dir allein unternehmen.“

Ran errötete, ihr Herz begann schlagartig zu rasen. Seit sie im Cafe saßen und er plötzlich in der Türe erschien, pochte ihr Herzschlag viel schneller als normal. In ihrem Bauch kribbelte es, als hätte sie einen Ameisenhügel verschluckt, und nun verdrückte sich Aoko und ließ sie mit ihm ganz allein. Zumal ihr auch ständig der Kuss im Kopf umherschwirrte. Die Erinnerung an seine weichen, warmen Lippen. Automatisch glitten ihre Augen zu seinem Mund.

„Was sagst du dazu?“

Überrascht starrte sie auf die Lippenbewegung, hörte die Worte und errötete stärker. Er wollte mit ihr alleine sein und erwartete eine Antwort: „Gerne. Wann wollen wir uns treffen und was machen wir?“ Sie zwang ihre Augen wieder hinauf zu schauen und verfingen sich in seinen blauen Augen.

Shinichi grinste übers ganze Gesicht. „Samstag? Wir können uns in der Woche noch überlegen was wir unternehmen wollen.“

Sie freute sich über die Einladung und nickte. „Wir sehen uns dann morgen in der Schule.“

Er stimmte zu und trat einen Schritt näher.

Unsicher über die Verabschiedung und seine plötzliche Nähe, lächelte sie ihn schüchtern an. Würde er sie jetzt küssen? Mit großen Augen beobachtete sie seine Bewegungen, wie er sich langsam zu ihr beugte und ihr dann einen sanften Kuss auf die Wange drückte.

Ihre Gefühle fuhren Achterbahn. Ein dauerhaftes Prickeln durchfuhr ihren Körper.

Er löste sich von ihr und lächelte sie liebevoll an.

„Vielen Dank, dass du uns begleitet hast.“ Ran wich einen Schritt zurück, schenkte ihm ein atemberaubendes Lächeln. „Bis morgen!“ Und schon ging sie zum Haus. Sie schloss die Türe hinter sich und lehnte ihren Kopf an. Ihr ganzer Körper war von einem Glücksgefühl durchströmt. Es war ein perfekter Tag mit ihren Freunden und mit Shinichi.

Sie hörte ihre Mutter und Aoko im Wohnzimmer und folgte den Stimmen. „Ich bin zuhause“, begrüßte sie die beiden und setzte sich mit auf die Couch.

Eri musterte sie: „Wo bleibst du denn solange?“

Ran wusste nicht was sie sagen sollte und stellte eine Gegenfrage: „Worüber unterhaltet ihr euch?“

Plötzlich überzog ein Strahlen die Gesichtszüge ihrer Mutter: „Samstag gehen wir für euch die Kleider kaufen. Immerhin müssen meine Töchter die schönsten Mädchen auf meiner Hochzeit sein.“

„Am Samstag?“, hakte Ran bedrückt nach.

„Ja, mein Schatz. Ich habe die ganze Woche Termine in der Kanzlei und komme immer erst spät nach Hause. Aber Samstag habe ich mir freigenommen und dieser Tag gehört nur uns dreien.“ Dabei fasste sie nach Aokos und Rans Hand.

Ran nickte. Ihre Mutter war so glücklich. Sie würde Shinichi einfach fragen ob sie sich am Sonntag treffen könnten.

Kapitel XVI - Notizen

Den Schulweg über unterhielten sich Kaito und Ran, während Aoko schweigend voraus lief. Sie unterhielten sich über alles mögliche, vermieden es aber ein Wort über die Party auszutauschen. Erst am Schultor angekommen, winkte Aoko Ran zu: „Wir sehen uns dann spätestens nach Schulschluss.“ Und schon verschwand sie.

Shinichi betrat kurz nach Aokos Verabschiedung den Schulhof und begrüßte Kaito und Ran.

Der Jungmagier schien es plötzlich auch eilig zu haben und verabschiedete sich ebenso schnell.

Zurück blieben ein Oberschüler und eine Oberschülerin, die sich schüchtern ansahen. „Guten Morgen“, begrüßten sie sich und strebten dann auch gemeinsam das Schulhaus an.

„Meine Mutter geht mit uns am Samstag einkaufen, hast du auch Sonntag Zeit?“

Shinichi stopfte sich eine Hand in die Hosentasche. „Leider nicht, Shiro, Kaito und ich haben uns für eine extra Trainingseinheit verabredet.“

„Schade, dann müssen wir unser Treffen wohl verschieben.“

Shinichi überlegte. „Und wenn wir abends ins Kino gehen? Du sagst mir einfach Bescheid, wenn ihr mit einkaufen fertig seid und wir suchen dann nach einer passenden Filmvorstellung.“

Ran begann zu strahlen. „Ja, gerne, so können wir es machen.“

Shinichi grinste und zückte sein Handy. „Dann brauche ich nur noch deine Nummer.“

Die Oberschülerin diktierte ihm die Zahlen ihrer Telefonnummer und spürte kurz darauf ein Vibrieren in ihrer Rocktasche. Ein Zeichen dafür, dass eine Nachricht in ihrem Handy eingegangen ist.

„Jetzt hast du auch meine“, grinste Shinichi und die beiden gingen zusammen zu ihrem Klassenzimmer.
 

Aoko war Keiko bisher nicht begegnet, daher ging sie zu ihrem Schließfach und würde schon mal ihre Unterlagen herausholen. Als sie ihr Fach öffnete entdeckte sie eine Notiz. Ein ungutes Gefühl kam in ihr auf. Unschlüssig starrte sie auf das gefaltete weiße Blatt. Sie wollte die Nachricht eben auffalten, als plötzlich eine Stimme neben ihr erklang. „Wieso ignorierst du mich schon wieder?“ Kaito stand neben ihr, lehnte an den Schließfächern und verschränkte verstimmt die Arme vor der Brust.

„Lass mich in Ruhe“, verlangte Aoko.

„Wir haben noch nicht alles geklärt“, widersprach er stur.

Stur konnte Aoko aber auch sein und sie blitzte ihn wütend an. Dabei hielt sie immer noch die Notiz in ihren Händen. „Es ist alles gesagt worden. Geh in dein Leben zurück und ich lebe mein Leben weiter – ohne dich! Wir sind Nachbarn, mehr aber auch nicht“, beharrte sie.

„Du kannst mich nicht einfach ausschließen“, knurrte er sauer. Da fiel sein Blick auf die weiße Notiz. „Was ist das?“

Aoko folgte seinen Augen und ließ ihre Hand hinter ihrem Rücken verschwunden. „Geht dich nichts an!“

„Ist das ein Brief? Aber wer sollte dir schon einen Brief schreiben?“

So abwertend wie er es aussprach verletzten seine Worte sie ungemein. Sie würde es ihm nicht zeigen, niemals. Darum lenkte sie ihre Gefühle in Wut um, und schon funkelte sie ihn finster an. „Ob du es glaubst oder nicht, es gibt Jungs die Interesse an mir haben“, erwiderte sie harsch.

Kaito zog seine Augenbrauen zusammen. „Was sind das denn für Armleuchter?“, spottete er.

„Die sind zumindest ehrlich“, behauptete sie gereizt.

„Wenn du mich mal zu Wort kommen lassen würdest, wüsstest du dass ich...“, widersprach er ungehalten, aber Aoko hinderte ihn daran seinen Satz zu beenden. „Komm mir bloß nicht auf diese Art. Wir beide sind fertig. Ich habe dir nichts mehr zu sagen!“ Sie schloss ihr Schließfach und drehte ihm den Rücken zu.

„Ich hoffe, der Kerl hat starke Nerven. Bei dir Kratzbürste wird er sonst gnadenlos unterbuttert.“

Wütend drehte sie sich ihrem ehemaligen besten Freund wieder zu. Sie setzte ihm einen Finger an die Brust und funkelte ihn an. „Keine Sorge er ist männlicher als du es je sein wirst“, behauptete sie und pikte ihm ihren Finger in den Brustkorb.

Kaito starrte Aoko an.

Aoko starrte Kaito an.

Ihre Augen schienen sich ineinander zu verlieren.

„Yo, Kaito“, mischte sich Shiro ein und schlug seinem besten Kumpel auf das Schulterblatt. „Können wir los?“ Der Torwart der Fußballschulmannschaft hatte einen Arm um seine Freundin Hitomi gelegt und musterte mit feindseligen Blicken Aoko.

Aoko lief wieder ein kalter Schauer über den Rücken. Shiro hatte eine angsteinflößende Art an sich. Sie sah wieder wütend zu Kaito. „Lass mich ein für alle Mal in Ruhe“, forderte sie.

Besagter löste nun den intensiven Blickaustausch mit seiner ehemaligen Sandkastenfreundin. Ihm lag ein Spruch auf der Zunge, doch da mischte sich Shiro wieder ein. „Sollen wir ohne dich gehen?“

„Nein, ich komme mit.“ Kaitos Augen erfassten Aoko intensiv und unergründlich, dann ging er von dannen.

Aoko seufzte aus und schlagartig löste sich die Anspannung. Dafür kam ein unerklärbares Zittern, das sie nun versuchte wieder unter Kontrolle zu bringen.

„Guten Morgen, Aoko!“

Erschrocken blickte sie auf und direkt in das Gesicht ihrer besten Freundin. Schnell ließ sie den Zettel in ihrer Rocktasche verschwinden. Sie würde ihn mal in einer ruhigen Minute lesen.

„Was war das eben?“ Keiko schob sich die Brille auf der Nase zurecht. Dabei deutete sie auf Kaito der im Schulflur verschwand, sowie auf die Rocktasche in die der weiße Zettel verschwand.

„Es ist kein Liebesbrief, wenn du darauf hinaus willst. Ein einfacher Spicker. Ich weiß nicht, ob wir heute einen Test in Mathematik schreiben. Ich kann mir die Formeln einfach nicht merken.“ Jetzt war es wieder soweit. Sie log ihre Freundin an, statt sie mit einzubeziehen. Dennoch wollte sie Keiko auch dieses Mal raus halten. So gut und so lange es eben ging.
 


 

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Es war ein schreckliches Wochenende. Sollte es nicht zu den schönsten ihres ganzen Lebens gehören? Sie hatte es getan. Sie hatte den Schritt vom Mädchen zur Frau getan. Sie hatte sich ihm hingegeben - voll und ganz - der einzigen Person, der sie blind vertraute, die der wichtigste Mensch in ihrem Leben ist. Und dennoch konnte sie sich nicht freuen. Sie fühlte sich nicht glücklich, sondern schmutzig. Ausgenutzt, betrogen, dumm. Es war der erste Morgen an dem sie nicht auf Kaito gewartet hat und alleine zur Schule ging. Sie fühlte sich noch nicht bereit ihm gegenüber zu treten. Ihm nach diesem Wochenende wieder in die Augen sehen zu müssen löste in ihr Höllenqualen aus.

Sie ging zu ihrem Schließfach. Als sie es öffnete flog eine Notiz heraus. Überrascht bückte sie sich und faltete das Blatt auseinander. Immer wieder las sie die wenigen Worte auf dem Zettel, wusste nicht warum sie diese Notiz erhielt und von wem sie war. Schon gar nicht was diese bedeutete. Sie steckte sie weg, genau in dem Moment als Kaito neben ihr erschien.

„Hey, Aoko, hab dich das ganze Wochenende nicht mehr gesehen. Wie geht’s?“

„Ganz gut“, antwortete Aoko und lächelte ihn unsicher an. Es war komisch ihm gegenüber zu stehen. Da war ein Berg an Gefühlen, seit sie sich ihm hingegeben hat. Sie hatte wirklich mit ihm geschlafen. Schamvoll senkte sie die Augen. Wie konnte sie nur so dumm sein und mit ihrem besten Freund ins Bett gehen?

Kaito lehnte sich an die Schließfächer und schien ebenso um Worte verlegen. „Ich hab dich Samstag gar nicht mehr gesehen.“

„Ich...“, setzte sie an, brach ab. „Mir ging es nicht so gut. Ich hab ein bisschen zu viel getrunken.“ Eine fadenscheinige Ausrede, aber was besseres fiel ihr nicht ein.

„Du hast was?“

Aoko blickte auf. „Sag mir nicht, dass du auf deiner ersten großen Party bei dir zuhause nüchtern warst.“

Ein leichter Rotschimmer legte sich auf seine Wangen. Ehe er antworten konnte, schob sich eine schlanke Mitschülerin neben ihn und ließ kaum Platz zwischen ihren Körpern. „Guten Morgen, Kaito“, flötete sie und drückte sich noch etwas näher an ihn.

„Guten Morgen, Akako“, grüßte er unbeholfen zurück.

Aoko hatte sofort wieder das Bild vor Augen wie Akako auf seinem Schoss saß, ihn umarmte, ihre Finger in seinem Haar versteckte und sich an seinen attraktiven Körper drückte. Ihr wurde schlecht. „I...ich muss noch kurz was erledigen bevor die Stunde beginnt.“ Wieder eine fadenscheinige Ausrede, aber Akako beschlagnahmte ihn ganz für sich, so dass er ihr eh keine Beachtung mehr schenkte.

Sie zog sich auf die Mädchen-Toilette zurück und faltete den Zettel erneut auf. Las die Worte nochmal. Sie vermutete sehr stark, dass diese Nachricht nicht versehentlich in ihrem Fach gelandet ist. „Lass ihn in Ruhe“, murmelte sie vor sich hin.
 

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Aoko saß zuhause auf ihrem Bett und faltete die Notiz auf. Mit stark klopfendem Herz las sie die wenigen Buchstaben. Konnte es wirklich sein? Ging es wirklich wieder von vorne los? Sie schluckte, legte den Zettel auf die Bettdecke und stand auf. Sie öffnete ihren Kleiderschrank, zog sich ihren Stuhl heran und kramte wenig später im obersten Fach. Von ganz hinten, versteckt hinter einigen eingestaubten Klamotten, zog sie einen Schuhkarton hervor. Mit diesem setzte sie sich aufs Bett. Lange und unschlüssig starrte sie den kleinen Karton vor sich an. Sie hätte ihn damals wegwerfen sollen, hat es aber nie getan. Warum wusste sie nicht. Mit zittrigen Fingern umfasste sie den Deckel und hob diesen an. Sie starrte den Inhalt an und schluckte. Zögerlich zog sie ein kleines weißes Blatt hervor. Sie faltete dieses auseinander und las Buchstabe für Buchstabe.
 

Lass ihn in Ruhe!
 

Halte dich von ihm fern!
 

Du wirst es bereuen, wenn du weiterhin mit ihm redest!
 

Du bewegst dich auf sehr dünnem Eis!
 

Wer uneinsichtig bleibt, wird leiden!
 

Willst du leiden, Aoko?
 

Ich habe dich gewarnt! Letzte Chance!
 

Mach dich auf was gefasst!
 

Der letzte Zettel lag auf ihrem Bett aufgefaltet und sie starrte die Notizen, nach dem Erhalt sortiert, an. Aoko schluckte.

Dann fügte sie die aktuellen Notizen hinzu.
 

Pass auf!
 

Hello again!
 

Es klopfte an der Türe.

Erschrocken schnappte sie sich die Notizen und packte sie in den Karton zurück, schloss diesen blitzschnell und versteckte ihn unter ihrem Kopfkissen.

Schon öffnete sich die Türe und Ran steckte ihren Kopf rein. „Ist alles in Ordnung? Du bist heute so still.“

Aoko nickte den Kopf, rang sich ein Lächeln ab. „Alles in Ordnung.“

Ran schlüpfte ins Zimmer, schloss die Türe und kam zum Bett. „Wir hatten noch gar keine Zeit gehabt über die Party zu reden. Es ist vollkommen eskaliert. Es tut mir alles so leid.“

„Dich trifft doch überhaupt keine Schuld“, beschwichtigte Aoko.

„Du wirst doch mit mir reden, wenn dich etwas bedrückt, oder?“, hakte Ran vorsichtig nach. „Ich meine, du bist meine Schwester und ich bin für dich da. Egal was auch ist oder passiert, du bist nicht mehr allein.“

Aoko schluckte überwältigt. Sie spürte wie sich ihr Hals zu knotete und sie keinen Ton mehr raus brachte. Wie gerne würde sie sich jemanden anvertrauen und dennoch durfte sie keinen in ihre Misere mit reinziehen. Sie wollte unter keinen Umständen das Ran etwas angetan wird. Sie räusperte sich. „Vielen Dank, Ran“, lächelte sie und sie wusste das Angebot sehr zu schätzen. Noch nie hatte ihr jemand anderes als Keiko solch einen Beistand angeboten, wie es Ran in diesem Moment tat. „Aber es ist wirklich alles in Ordnung.“

Die junge Mori nickte zögernd. „Was sollen wir mit Kaito machen?“

Aoko stutzte. „Wie meinst du das?“

„Ich mag ihn und er ist Shinichis Freund“, gestand Ran und senkte verlegen den Blick. „Ich werde durchaus mehr Kontakt mit ihm haben. Aber ihr habt Probleme miteinander.“ Ran zögerte. „Ich fühle mich als Verräterin, wenn ich mit den Jungs unterwegs bin und du aber nichts mit ihnen zu tun haben möchtest.“

Aoko staunte. Sie wusste nicht, das Ran sich so sehr Gedanken darüber machte. „Ich möchte ehrlich sein“, begann sie und erhielt die volle Aufmerksamkeit ihrer zukünftigen Stiefschwester. „Ich werde und will mit Kaito keinen Kontakt haben. Ich möchte nicht mit ihm zur Schule laufen und auch sonst nichts unternehmen“, sprach sie ernst aus. „Dennoch habe ich nichts dagegen, dass du etwas mit ihm unternimmst.“

Ran nickte. „Okay“, stimmte sie unsicher zu.

„Es ist wirklich in Ordnung“, bestätigte Aoko. Sie lächelte dankbar. „Danke, dass du mit mir darüber sprichst.“

Auch die junge Mori lächelte. „Du sollst wissen, dass du jederzeit kommen kannst, wenn dir danach ist. Egal ob du reden oder einfach nur nicht alleine sein willst. Ich bin immer für dich da!“

Aoko umarmte Ran glücklich und auch Ran erwiderte die Umarmung fest. Sie würden in Zukunft einander haben und nichts und niemand könnte sie je wieder trennen.

Kapitel XVII - Es beginnt

Aoko saß auf ihrem Platz im Klassenzimmer und überflog nochmal ihre Hausaufgaben. Allerdings ging ihr die gestrige Notiz nicht mehr aus dem Kopf. Hello again. Sollte es wirklich wieder von vorne losgehen? Sie stemmte ihre Ellbogen auf der Tischplatte und fuhr sich ratlos durch die braune Mähne. Sie dachte an den Nachmittag zurück, als sie in Kaitos Wohnzimmer trat und auf seine Clique traf. Ob es daran lag? Oder weil sie auf die Party kam? Natürlich hatte sie eine Vermutung wer hinter den Briefen steckte, aber sie hatte nicht einen einzigen Beweis dafür. Nie hatte sie jemanden vor ihrem Fach erwischt, noch sonst irgendeine verdächtige Handlung feststellen können. Jemand stellte sich neben sie und ließ sich dann auf den freien Platz neben ihrem fallen. Jedoch war sie so mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt das sie es gar nicht wahrnahm.

„Du glaubst wirklich mir ausweichen zu können?“, raunte eine allzu bekannte Stimme ihr zu und sie hob den Blick.

Entsetzt starrte sie ihn an. Warum saß er nun neben ihr? Niemand saß auf diesem Platz und er war doch immer weiter hinten gesessen. Sie belegten zusammen mehrere Fächer, aber sie ging ihm immer konsequent aus dem Weg und ignorierte seine Erscheinung. Warum akzeptierte er einfach nicht ihre Entscheidung. Sie wollte nichts mit ihm zu tun haben. „Ja?“ Sie hatte ihren Worten Taten folgen lassen und war heute morgen vor Ran und Kaito zur Schule gegangen.

Kaito grinste listig. „Ahoko“, betont ernst sprach er ihren so verhassten Spitznamen aus. „Wenn alles gesagt wurde, werde ich es dich wissen lassen, bis dahin werde ich dich aber nicht in Ruhe lassen!“

„Verzieh dich endlich“, brummte sie unfreundlich. Je mehr Mitschüler das Klassenzimmer betraten, desto mehr Augen beobachteten ihren Disput neugierig.

„Wenn du mit mir gesprochen hast“, verlangte Kaito.

Aoko blickte ihn finster an. „Es gibt nichts mehr zu bereden.“

Akako und Shiho betraten das Klassenzimmer.

Aoko wurde unwohl. Sie drehte sich Kaito zu, blickte ihn herausfordernd an. „Du solltest dich erst einmal um deine eigenen Probleme kümmern.“

Kaito beugte sich zu ihr, senkte seine Stimme und tief bedrohlich knurrte er: „Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.“

Akako trat zwischen Kaito und Aoko durch und setzte sich auf den Platz hinter Aoko.

Der Lehrer betrat das Klassenzimmer und jeder wandte sich der Tafel zu.
 

Nach der Stunde verließ Aoko mit ihren Unterlagen fluchtartig das Klassenzimmer und suchte sich ein ruhiges Plätzchen für die Pause. Sie öffnete ihre Tasche um ihre Brotzeit herauszuholen, da fiel ihr erneut eine Notiz in die Hände. Nervös faltete sie die Notiz auseinander und las die Nachricht. Du hast aus der Vergangenheit nichts gelernt! Sie schluckte, steckte die Notiz in ihre Tasche zurück und starrte vor sich hin. Was hatte sie nur so schlimmes getan, dass sie ihr wieder solche Nachrichten zukommen ließen? Sie konnte doch nichts dafür dass er ihr nachstellte. Sie versuchte alles um ihn wieder loszuwerden. Warum wurde sie bestraft, wenn er sich falsch verhielt? Ihr war der Appetit vergangen. Die Anzeichen standen dafür, dass es von vorne begann. Sie musste sich schleunigst überlegen wie sie ihn wieder los wurde. Denn er war hartnäckig und er hatte ihr angedroht sie nicht mehr in Ruhe zu lassen. Sie musste ihm also konsequent aus dem Weg gehen, während er ständig versuchen würde den ihren zu kreuzen... Wie sollte sie denn das nur machen?
 


 

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Ein Zettel nach dem anderen erreichte sie. Immer über das Schließfach. Sie wusste nicht wer ihr diese Nachrichten zu kommen ließ und warum. Sie hatte doch überhaupt nichts getan und verhielt sich so wie immer. Sie war sich nicht mal sicher, ob sie wirklich der Empfänger dieser Nachrichten war. Immerhin stand nie ein Name dabei. Konnte es sein, dass jemand sie verwechselte?

„Guten Morgen, Aoko“, begrüßte Kaito.

Es tat ihr immer noch weh und dennoch war er ihr bester Freund. „Hey...“ Was sollte sie nur tun? Gemeinsam gingen sie ins Klassenzimmer und trafen an der Türe auf Akako.

„Hallo, Kaito“, flötete die Mitschülerin. „Kannst du mir noch kurz die Hausaufgaben erklären? Ich hab da etwas nicht verstanden.“

Aoko lag ein gemeiner Spruch auf den Lippen, doch sie schluckte ihn und ging an der Mitschülerin vorbei ins Klassenzimmer. Sie setzte sich an ihren Platz, zog ihre Aufgaben hervor und las sich diese nochmals durch. Auch wenn sie sich krampfhaft auf die Blätter vor sich konzentrierte, so vernahm sie zu deutlich wie die beiden sich für den Nachmittag verabredeten zur Nachhilfe.

Da setzte sich Kaito auch schon neben sie und drehte sich ihr ganz zu. „Wir haben schon länger nichts mehr unternommen. Wollen wir in den Zoo? Am Wochenende soll das Wetter nochmal richtig schön werden.“

Aoko dachte an die Warnungen in den letzten Wochen. Immer wenn sie und Kaito Zeit zusammen verbrachten, trafen kurz darauf die Nachrichten ein. Konnte es sein, dass es wirklich mit ihrer Freundschaft zusammen hing?

Die Nacht der Nächte hatte sie inzwischen tief in ihr innerstes verdrängt und sie versuchte sich ihm gegenüber normal zu verhalten, aber es gelang ihr einfach nicht. Es war nicht mehr so wie früher. Ihre ganze Freundschaft wirkte angespannt und auch konnten sie nicht mehr so locker wie früher mit einander reden.

Akako trat zwischen den beiden durch, zwinkerte Kaito zu und setzte sich auf den Platz hinter Aoko.

In der Pause fand Aoko dann eine weitere Notiz. Anders als bisher dieses Mal nicht in ihrem Schließfach sondern in ihrer Tasche. Und nachdem sie die Worte gelesen hatte, wurde ihr schlagartig bewusst, das es die gesamte Zeit schon um sie ging. Niemand hatte sich vertan. Alle Nachrichten waren an sie adressiert. Ihre Augen überflogen Buchstabe für Buchstabe und ein Zittern suchte ihren Körper heim. Was sollte sie denn nur tun? „Willst du leiden, Aoko?“, flüsterte sie sich selbst zu und schüttelte selbst zur Antwort den Kopf.
 

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Ran saß mit Kaito und Shinichi zusammen im Pausenhof. Sie überlegten welchen der Filme sie am Samstagabend anschauen könnten, als Kaito sich einmischte: „Und mich wollt ihr nicht mitnehmen, wie?“

„Sorry, Kumpel“, grinste Shinichi und zwinkerte Ran zu. „Das ist ein Abend der nur uns gehört.“

Ihr Herz pochte aufgeregt. Flirtete er mit ihr? „Aber wir könnten uns doch mal zu einem Filmabend treffen“, schlug sie versöhnlich vor, auch um sich selbst von ihren Gefühlen abzulenken.

Kaito nickte zu: „Sonntagabend bei mir?“

Shinichi überlegte: „Am Nachmittag spielen wir Fußball.“

Kaito stimmte zu. „Duschen, umziehen und Abendessen... schaffst du sieben?“

Kurz überlegte Shinichi, dann nickte er. „Ja, ist zu schaffen. Was sagst du dazu? Sonntagabend bei Kaito?“

Ran nickte.

„Kommt Aoko auch?“ Shinichi blickte sie unsicher an, dann wandte er sich an Kaito. „Du musst dich endlich mit ihr vertragen.“

Kaito setzte seine desinteressierte Mimik auf.

„Ich denke nicht“, wich Ran aus. Sie wollte den beiden nichts von ihrem gestrigen Gespräch erzählen. Aber sie nahm sich fest vor die beiden ehemaligen Freunde wieder zusammen zu bringen. „Aber vielleicht kann ich sie überzeugen.“

„Was hast du vor?“, hakte Shinichi neugierig nach.

Ran zuckte mit ihren Schultern und sagte nichts mehr dazu. Sie würde sich etwas überlegen müssen, wie sie Aoko davon überzeugen könnte mitzukommen.

Kapitel XVIII - neuer Schüler

Mittwoch stand wieder die Chemiestunde an. Aoko betrat den Chemiesaal und setzte sich an ihren angestammten Platz. Sie zog ihren Kittel an und band sich die Haare zusammen, als jemand sich schnurstracks neben sie setzte.

Erst wollte sie fröhlich ihre Stiefschwester in Spe begrüßen, sobald sie aber Kaito neben sich erkannte fror ihr Lächeln ein.

„Zu schade, ich dachte wirklich du würdest dich freuen“, zwickte er sie auf. Dabei grinste er schelmisch. „Ich bin wohl nicht der jemand, den du erwartest hast.“

„Der Platz ist von Ran besetzt“, informierte sie ihren ehemals besten Freund.

„Glaub ich nicht“, grinste er zurück und deutete mit seinem Finger, wie Ran und Shinichi sich fröhlich unterhaltend an einen anderen Tisch weiter vorne ausbreiteten.

Aoko seufzte. Wie sollte sie ihm denn ausweichen, wenn er sich ihr so provokant aufdrängte?

Der Lehrer betrat den Chemiesaal und unterwies sie in die heutigen Vorschriften. Dann stellte er die Aufgaben und die Partnerarbeiten begannen.

Kaito ignorierend begann Aoko mit ihren Experimenten und notierte sich alles.

Doch ihr Mitschüler beugte sich zu ihr, als sie gerade etwas aufschrieb. Seine Stimme, so nah an ihrem Ohr, hauchte: „Das ist eine PARTNERarbeit. Das bedeutet Partner, zwei Leute, Junge und Mädchen, du und ich, arbeiten ZUSAMMEN!“ Betonte er überdeutlich.

„Baka“, fauchte sie. „Ich weiß was das bedeutet!“

Er rückte näher an sie heran.

Aokos Herz begann wie wild zu klopfen. Schlagartig kehrte die altbekannte Wärme in ihren Körper zurück, die sich schon sehr bald zur Hitze ausdehnen würde.

Schon legte er seinen rechten Arm um ihre Schultern und deutete mit dem Zeigefinger auf eine Stelle im Text, die ihm etwas suspekt erschien. „Solltest du das hier nicht anders formulieren? Komposition klingt eher nach Musik. Solltest du nicht eher Zusammensetzung schreiben?“

Seine Stimme so nah an ihrem Ohr, jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Seine Körperwärme ging direkt auf sie über und trieb ihr die Hitze durch ihre Nervenbahnen. Ein leichtes Zittern übertrug sich nun auf ihren Stift und sie verfluchte sich innerlich, dass er es schaffte sie so sehr aus der Fassung zu bringen. Sie wollte es ihm niemals zeigen.

„Mach ich dich etwa nervös?“ Wie nebenbei strich er mit seinem Daumen über ihren rechten Arm, ließ diesen dann endgültig verschwinden und rutschte etwas von ihr weg.

Ihr Herz pochte schmerzhaft gegen ihren Brustkorb. Sie rang um Fassung, doch dann besann sie sich wieder, schob das Arbeitsbuch zu ihm hin und wies ihn an ein paar Fragen nachzublättern.

Er tat es ohne weiteren Kommentar.

Das verschaffte Aoko die Zeit um sich wieder zu beruhigen. Kaum fühlte sie sich wieder ruhiger, da rutschte er erneut mit samt den Buch an sie heran und sein Bein berührte ganz zufällig ihres. Sein Finger zeigte ihr eine Stelle in dem Buch, die er ihr als Antwort präsentierte, aber das Kribbeln an ihrem Bein benebelte ihr die Sinne. Warum nur reagierte ihr Körper so stark auf so eine harmlose Berührung?

„Magst du die Antwort nicht aufschreiben?“

Betont unschuldig sollte es klingen, jedoch hörte Aoko den spottenden Unterton sofort heraus. Wütend funkelte sie ihn an. „Was verstehst du nicht an dem Satz: Du sollst mich in Ruhe lassen?!“, zischte sie ihm ungehalten zu und schrieb die Wörter aus dem Buch ab.

Er antwortete nicht, stützte seinen Kopf auf seine linke Hand und beobachtete sie. Ganz aus dem Zusammenhang gerissen, fragte er sie plötzlich: „Ich verstehe nicht, warum du dich von so einer harmlosen Berührung so verstören lässt.“

Seine Worte ignorierend reichte sie ihm nun eine Pinzette mit einer grünen Flüssigkeit. „Zwei Tropfen gehören in das Gefäß. Was passiert?“

Kaito tröpfelte wie angewiesen und die weiße Flüssigkeit färbte sich grün und warf Blasen auf. Die Reaktion schrieb Aoko auf und drehte sich ihm zu. Überrascht vernahm sie sein Gesicht nahe an ihrem, denn auch er verfolgte ihre Notizen aufmerksam.

Mit großen Augen blieb sie an seinen dunkelblauen Augen hängen. Es bot sich ihr ein tiefer Einblick ins Meer, denn seine Iris war so unergründlich wie der Ozean. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals.

Kaito beugte sich noch etwas näher zu ihr. Seine Lippen schwebten vor ihren. Wenn sie den Kopf etwas heben würde, könnte sie ihn berühren. Aber das wollte sie nicht, brach sie den Gedanken auch sofort wieder ab. Sie würde diesen Idiot nicht küssen.

„Mich wirst du nicht mehr los“, versprach er ihr und sie glaubte ihm jedes einzelne Wort. Schon rückte er von ihr ab, schnappte sich eine Pinzette und sog etwas von der roten Flüssigkeit ein. Dann tröpfelte er die im Arbeitsschritt angewiesene Anzahl an Tropfen in das große Gefäß. Sie beiden beobachteten die chemische Reaktion und Aoko notierte diese.

Endlich läutete es zur Pause. Kaito war ohne ein weiteres Wort aufgestanden und verschwunden und ließ eine mehr als verwirrte Aoko zurück. Immer noch komplett durch den Wind packte auch sie ihre Schulsachen zusammen und verließ soeben den Chemiesaal, als sie gegen einen Mitschüler prallte. Bevor sie allerdings das Gleichgewicht verlieren und rückwärts umkippen konnte, packte dieser sie an den Armen und zog sie reflexartig an sich.

Überrascht hob sie ihren Blick und sah einem großgewachsenen Oberschüler mit hellbraunem kurzen Haar entgegen. Die braunen Augen betrachteten sie besorgt. „Hast du dir weh getan?“

Aoko schüttelte nur den Kopf, dann löste sie sich aus der Umklammerung und wich einen Schritt zurück. „Entschuldigung.“

„Mir ist nichts passiert“, beruhigte sie der fremde Oberschüler.

Aoko starrte ihn an, als käme er vom Mond, doch dann besann sie sich und deutete in eine Richtung. „Ich muss jetzt los.“

„Wir sehen uns.“

Aoko beeilte sich in das nächste Unterrichtsfach zu kommen. Sie hatte Geschichte und würde dort auf ihre Freunde treffen, aber eben auch auf ihre Feinde. Sie betrat das Klassenzimmer und erblickte Ran und Keiko, die nebeneinander saßen und sich lachend unterhielten und zu Shinichi gedreht saßen, der hinter den Mädchen saß. Aokos Blick glitt weiter und ihr Herz begann wieder schneller zu schlagen. Kaito saß ganz hinten am Fenster, in seinen Stuhl gelehnt, und beobachtete sie. Akako, die neben ihm saß, redete auf ihn ein, aber worüber sie sich unterhielten, verstand Aoko von ihrer Position nicht. Sie war eine der letzten Schüler, die eintraten und setzte sich an einen freien Platz weiter vorne am Fenster. Der Platz neben ihr blieb bis zuletzt leer und dann trat die Lehrerin ein um mit ihnen die Geschichtsstunde zu beginnen.

Geschichte zählte nicht zu ihren Lieblingsfächern. Während die Lehrerin die Daten der japanischen Geschichte runter ratterte, schrieben die Schüler still mit. Alles deutete auf einen kommenden Test hin. Das ging solange bis es an der Türe klopfte und wenig später ein großer Oberschüler eintrat mit braunen Augen und hellbraunem kurzen Haar. „Entschuldigen Sie bitte meine Verspätung“, sprach der fremde Oberschüler zur Lehrerin. „Mein Name ist Saguru Hakuba. Ich bin aus England hierher gezogen.“

Die Lehrerin strahlte plötzlich. „Herzlich Willkommen. Sie kommen aus England und können trotzdem fließend Japanisch reden?“

„Meine Mutter ist Engländerin und mein Vater ist Japaner. Ich bin England aufgewachsen, japanisch ist meine zweite Muttersprache.“

„Wir befassen uns gerade mit der japanischen Geschichte, hier sollten Sie sich schnell einfinden.“ Sie deutete auf einen freien Platz im Klassenzimmer und lächelte. „Dann können Sie ja gleich mit einsteigen. Aoko wird Ihnen sicherlich mit ihren Notizen aushelfen.“

Seine brauen Augen folgten der Handbewegung und er lächelte freundlich. Dann setzte er sich in Bewegung und setzte sich an den Tisch neben der Braunhaarigen.

Aoko staunte. War sie vorhin noch mit diesem fremden Jungen zusammengestoßen saß sie nun neben ihm. Die Lehrerin diktierte weiter ihre Zahlen und die Schüler schrieben wieder mit. Als sie gerade eine längere Ausführung zu einer bestimmte Jahreszahl vorbrachte, beugte sich der Neue zu Aoko. „Nun kenne ich auch deinen Namen, Aoko“, flüsterte er freundlich lächelnd.

Aoko sah ihn überrascht an, dann lächelte sie verlegen. „Tut mir ehrlich leid wegen vorhin.“

„So schlimm war das nicht“, schmunzelte er, dann aber kamen wieder Jahreszahlen die beide mitschrieben.

Die Glocke läutete zur Pause. Aoko blieb noch kurz mit ihrem neuen Mitschüler sitzen, bis er die fehlenden Notizen noch aufgeholt hatte. Die Klasse hingegen leerte sich und die Schüler verschwanden in die kleine Pause. Keiko trat zu ihrer besten Freundin und setzte sich auf den Platz vor Aoko.

Es dauerte noch ein bisschen, bis alle Notizen aufgeholt waren, dann packten auch die beiden ihre Schulsachen und verließen mit Keiko das Klassenzimmer. Gemeinsam gingen sie zu den Schließfächern.

„In welcher Stadt hast du bisher gelebt?“, hakte Keiko neugierig nach.

„Ich bin in London aufgewachsen. Mein Vater wurde aber jetzt wieder nach Tokio versetzt.“

„Was arbeitet dein Vater?“, fragte Aoko nun.

„Er ist Polizeipräsident.“

Keiko grinste Aoko an. „Sicherlich kennt er deinen Vater.“

„Wie heißt dein Vater?“ Saguru Hakuba sah sie aufmerksam an.

„Ginzo Nakamori.“

Hakuba zog seine Augenbrauen zusammen. „Ich hab von ihm gehört. Er ist für die Sonderkommission Kid zuständig, oder?“

Aoko nickte. „Ja, das stimmt. Eines Tages verschwand der Meisterdieb plötzlich und nach acht Jahren tauchte er plötzlich wieder auf.“

„Gefangen hat er ihn immer noch nicht?“

„Nein, leider nicht.“

Der Halbjapaner betrachtete sie stumm, dann aber blickte er von einem Mädchen zum anderen. „Würdet ihr mir die Stadt zeigen? Dann kann ich mich auch gleich für deine Hilfe in Geschichte revanchieren.“ Er steckte sich eine Hand in die Hosentasche und zwinkerte: „Ich würde mich gerne mit einem Eisbecher bei euch bedanken.“

Aoko lächelte: „Du musst uns deswegen nicht einladen. Wir führen dich gerne herum.“

Keiko nickte. „Heute geht es bei mir leider nicht, aber morgen gleich nach der Schule?“

Saguru stimmte zu. „Vielleicht haben wir morgen nochmal eine Stunde zusammen, ansonsten treffen wir uns nach der Schule hier?“

Die Mädchen nickten.

Hakuba verabschiedete sich: „Ich hab jetzt Englisch.“

„Ein Kinderspiel für dich“, lachte Aoko und Keiko schloss sich ihm an. „Ich auch, wir können zusammen gehen.“

„Was hast du jetzt?“, fragte der Neue neugierig.

Aoko überlegte kurz: „Ich hab jetzt Bio.“

„Wir sehen uns dann morgen früh, Aoko“, verabschiedete sich Keiko, denn nach den letzten Stunden war die Schule zu Ende.

Aoko winkte beiden und drehte sich ihrem Schließfach zu um sich ihre Unterlagen für Biologie herauszuholen, als ihr wieder ein Zettel in die Hände fiel. Eine Chance geb ich dir noch. Nutze sie!
 


 

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Sie wusste einfach nicht was sie tun sollte. Die Drohungen waren eindeutig und dennoch verstand sie nicht warum diese so plötzlich kamen. Unsicher ging sie zu Kaito und klingelte. Sollte sie ihm davon erzählen? Er war ihr bester Freund, er würde ihr sicherlich helfen oder ihr einen guten Rat geben können, aber wenn sie es dadurch noch schlimmer machte?

Kaito öffnete die Türe und ließ sie eintreten. Seit der Party war sie nicht mehr hier gewesen. „Aoko, ich freue mich dich zu sehen.“

Unsicher blieb sie in der Türe stehen. „Kaito, ich... wir... also das... mit uns...“, stotterte sie sich was zusammen, stoppte letztendlich und senkte den Kopf.

Kaito trat auf sie zu, umfasste vorsichtig ihre Hand und begann zärtlich ihre Haut zu streicheln. „Was bedrückt dich?“

Ihr Herz begann Achterbahn zu fahren. Ein Kribbeln durchfuhr ihren Körper. Aoko schluckte. Sie wusste nicht was sie ihm sagen sollte. Ich bekomme so seltsame Nachrichten, seit dieser einen Nacht? Oder: Ich mag es nicht wie Akako an dir hängt? Oder: Jemand möchte uns auseinander bringen? Alles Quatsch, er würde sie nur auslachen.

Shiro erschien hinter ihm an der Haustüre und verschränkte desinteressiert seine Arme vor der Brust. Seine Stimme allerdings klang erneut recht bedrohlich und tief: „Du hast gar nicht gesagt, dass sie auch noch kommt.“

Ihr entging nicht der unterschwellig verachtende Ton. Automatisch versteifte sie sich, spannte ihre Muskeln an und blickte zu Kaito auf. „Ich hätte... es... tut mir leid.... Entschuldigt bitte... ich“, stammelte sie weiter, löste ihre Hand von seiner liebevollen Berührung und ging nach Hause.

Sehr gut gemacht, Aoko, schimpfte sie mit sich selbst. Du hast nicht einen ordentlichen Satz am Stück herausgebracht. Sie verschwand in ihrem Zimmer, verdunkelte es und warf sich in ihr Bett. Sie schrie in ihr Kopfkissen, auch wenn es einen Teil ihrer Stimmkraft dämmte, so drang trotzdem ein entsprechender Ton durch das Haus. Aber es war egal, denn ihr Vater war nicht zuhause. Der Meisterdieb 1412 hatte sich angekündigt und als Kommissar war ihr Vater im Dezernat beschäftigt sich auf dessen Diebeszug vorzubereiten.

An diesem Abend ging Aoko früh ins Bett und schlief schnell ein. Am nächsten Morgen war ihr Vater nicht zuhause und sie ging nach einem spärlichen Frühstück früh zur Schule. Mit einem beklemmenden Gefühl trat sie auf ihr Schließfach zu und öffnete es. Ein weißer Zettel lag darin und diesen las sie: „Ich habe dich gewarnt! Letzte Chance!“
 

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Kapitel XIX - neuer Freund

Ein neuer Tag und Kaito saß wieder neben Aoko. „Lass mich endlich in Ruhe“, fauchte sie ihn leise an. Es war die Mathematikstunde und der Lehrer schrieb die Rechenaufgaben an die Tafel.

„Vergiss es, Ahoko“, sprach Kaito und im nächsten Moment tat es einen Knall und über Aoko rieselte Konfetti herab.

Der Lehrer davon aus der Konzentration gerissen, drehte sich mit düsterem Blick dem Verursacher diesen Krachs zu. „Wie kommen wir zu der Ehre einem neuem Zaubertrick beizuwohnen, Herr Kuroba?“

Kaito lehnte sich gelangweilt in seinem Stuhl zurück. „Langeweile“, antwortete er.

Aoko fischte sich einige der Papierschnipsel aus dem Haar und fauchte wütend. „Bakaito, was soll der Mist?!“

„Es ist noch nicht vorbei, warte ab“, erwiderte er herausfordernd und im nächsten Moment blies sich ein großer Luftballon unter ihrem Tisch auf, der immer größer und größer wurde und ihren Tisch umwarf. Aoko sprang entsetzt von ihrem Platz auf und starrte auf die Notiz, die an dem gigantischen Luftballon hing. Mit großen schockierten Augen las sie die Buchstaben, die sich zu Wörter zusammen fanden laut vor: „Aoko hat ein weißes Höschen an.“ Erst jetzt realisierte sie, was sie da eben vorgelesen hat.

Die Mitschüler begannen zu lachen und am lautesten lachte Kaito.

Rot vor Wut und Scham stellte sie sich kampfbereit ihrem ehemaligen besten Freund gegenüber. „Das wirst du bereuen.“ Wie aus Zauberhand hielt sie einen Wischmopp in ihren Händen und schlug auf Kaito ein, der geschickt und schnell auswich und die Flucht durch das Klassenzimmer ergriff. „Du bist ganz schön eingerostet, Ahoko“, betonte er selbstgefällig und begann wieder laut zu lachen, während er dem Mopp auswich.

Aoko von seinen Worten angestachelt nahm die Verfolgung auf und jagte ihn durch die Klasse. Die Mitschüler zogen die Köpfe ein, wenn der Mopp heran sauste. „Bleib endlich stehen!“

„Bestimmt nicht, streng dich mehr an“, forderte er sie heraus.

Als der Mopp nur wenige Zentimeter vor dem Lehrer auf dem Lehrerpult aufschlug, stoppte dieser die Jagd. „Kuroba! Nakamori! Nachsitzen! Heute!“

Erschrocken hielt Aoko inne. „Aber ich kann nicht heute nachsitzen“, widersprach sie sofort.

„Das hätten Sie sich vorher überlegen müssen“, grummelte der Lehrer wütend und deutete auf die Türe. „Und jetzt verbringen Sie den Rest der Stunde vor dem Klassenraum und überlegen sich was Sie falsch gemacht haben!“

Aoko stellte den Mopp in die Ecke und verließ das Klassenzimmer mit hängendem Kopf.

Kaito folgte ihr auf dem Fuß.

Gemeinsam standen sie vor dem Zimmer im Schulflur. „Weißt du, dass wir das seit der Mittelschule nicht mehr gemacht haben?“

„Ich habe es auch nicht vermisst“, grummelte sie.

„Ich schon“, gestand er.

Überrascht blickte sie ihn an, dann wandte sie sich wieder ab und hing ihren Gedanken nach.

Kaito blieb nun ebenso still.
 

Keiko traf Hakuba am Schultor. Überrascht blickte er das Mädchen an. „Wo ist Aoko?“

„Sie muss nachsitzen.“

Die beiden zogen in die Stadt los und Keiko führte den neuen Mitschüler herum.

„Was hat sie denn angestellt?“

„Kaito hat sie geärgert und sie hat den Mopp geschwungen.“ Keiko überlegte. „Das haben sie seit der Mittelschule nicht mehr getan.“

Mit großen Augen starrte der Oberschüler seine Begleitung mit der Brille ungläubig an. „Sie hat ihn mit einem Mopp gejagt?“

Keiko nickte ernst. „Ja, das gehörte in der Mittelschule zum Tagesprogramm.“ Sie wusste nicht so recht, was sie von der heutigen Situation halten sollte. Warum provozierte Kaito Aoko wieder mit Zaubertricks und warum machte er sie wieder lächerlich? Was bezweckte er damit? Wollte er sich über sie lustig machen? Sich rächen für den Kuss? Hatte er nicht schon genug Unheil angerichtet? Sie führte ihren neuen Mitschüler in ein Eiscafé und ließ sich mit ihm an einen uneinsehbaren Tisch nieder. Es war ihrer und Aokos Stammplatz. Man war auf der einen Seite von einem Aquarium verdeckt, auf der anderen Seite von großen Pflanzen. Die beiden konnten das Eiscafé von diesem Platz aus gut überblicken.

Die Bedienung kam um die Bestellungen entgegen zu nehmen.

„Und wie gefällt dir Tokio?“, fragte Keiko neugierig, nachdem sie wieder allein waren.

„Die Stadt ist ganz anders als London. Viel größer, höhere Häuser, viel belebter und nicht very british.“ Er lächelte sie an. „Du bist hier aufgewachsen?“

„Ja, das bin ich. Aoko und ich kennen uns seit der Grundschule. All die Jahre sind wir zusammen gewesen. Du hast Aoko gestern über Kid gefragt. Woher kennst du den Meisterdieb 1412? Er ist doch in Europa gänzlich unbekannt, oder?“

Hakuba lehnte sich zurück. „Er hat früher in Europa zugeschlagen, dann beschränkte er sich auf Japan, besonders auf Tokio und verschwand plötzlich von einer Nacht auf die andere. Mich hat dieser Dieb schon immer fasziniert und als ich hörte dass er in Japan wieder aktiv geworden ist, bin ich nun neugierig. Mein Vater leitet die Präfektur Kanagawa. Ich möchte aber gerne mal Kid bei einem seiner Raubzüge beobachten und herausfinden wer hinter der Maske steckt.“

„Nicht einmal der Kommissar, also Aokos Vater, konnte ihn bisher schnappen“, erwiderte Keiko.

„Ich weiß, doch das wird mich nicht daran hindern“, erklärte der Neue siegessicher.

„Aber...“, setzte Keiko erneut zu Widerworten an, doch dann stockte sie, starrte durch das Aquarium hindurch und beobachtete eine Gruppe, der sie nicht freiwillig begegnen wollte.

Hakuba staunte über die plötzliche geistige Abwesenheit seines Gegenüber und folgte dem Blick. Eine kleine Gruppe trat ein und setzte sich unweit von ihrem Tisch hin. Drei Oberschülerinnen und ein Oberschüler, die er anhand der Schuluniformen ihrer Schule zuordnete. „Kennst du die?“, flüsterte er.

Keiko nickte. Ebenso leise antwortete sie: „Shiro, Akako, Shiho und Hitomi.“

„Was hat es mit denen auf sich, dass sie dir Angst machen?“

„Ich habe keine Angst...“, erwiderte Keiko ernst, aber dann senkte sie den Blick. „...nur schlechte Erfahrungen gesammelt.“

Die beiden bekamen ihre Eisbecher serviert, dann ging die Bedienung weiter und nahm die Bestellung der vier neuen Gäste auf.

„Wo ist Kaito?“, hakte Akako verstimmt nach.

„Nachsitzen“, antwortete Hitomi. „Er hat Nakamori geärgert, bis sie ihn mit einem Wischmopp durch die Klasse gejagt hat. Der Lehrer hat beide zum Nachsitzen verdonnert.“

„Das gefällt mir ganz und gar nicht“, murmelte Akako.

„Da bist du nicht die einzige“, stimmte Shiro finster zu. „Wir müssen uns was überlegen, wie wir die Kleine wieder zum Schweigen bringen.“

„Vorschläge?“ Akako blitzte ihn düster an.

Alle schienen zu überlegen doch dann sprach Shiho: „Die Briefchen scheinen sie jedenfalls nicht abzuschrecken. Ich habe ihr vorhin nochmal eine Nachricht eingeworfen. Vielleicht kapiert sie dann endlich wie ernst ihre Lage ist.“

„Was machen wir, wenn sie uneinsichtig bleibt?“ Shiro lehnte sich in seinen Stuhl zurück und ließ seinen Arm auf der Lehne von Hitomis Stuhl sinken.

Wieder ein Schweigen.

Hitomi blickte sich unsicher um: „Das gleiche wie damals?“

Akako hob ihren Blick und ihre dunklen Augen trafen auf die von Shiro. „Das war Kinderkram. Wir müssen nun härtere Geschütze auffahren.“

Shiro grinste teuflisch. „Was schwebt dir vor?“

Akako blickte mürrisch von einem zum anderen. „Ich hab noch keinen genauen Plan, aber Aoko Nakamori wird sich wünschen nie geboren zu sein.“

Die Eisbecher wurden ihnen an den Tisch gebracht und alle vier konzentrierten sich auf das süße Kalte.

Auch wenn die vier leise gesprochen haben, so verstanden Hakuba und Keiko doch jedes Wort. Besorgt betrachtete er die leichenblasse Keiko, die scheinbar mehr aus den Worten herauslesen konnte, als er. Aber hier war nicht der richtige Ort um nachzubohren. Wenn die beiden jedes gesagte Wort verstanden, könnte dies natürlich auch umgekehrt sein. So aßen sie ihr Eis schweigend und langsam. Sie würden nicht ungesehen an den vier Oberschülern vorbeikommen. Also mussten sie warten, bis die anderen das Eiscafé verließen.
 

Aoko ignorierte Kaito, während sie an ihrem Tisch saß und die Strafarbeit löste.

Auch Kaito saß schweigend am anderen Ende des Zimmers.

Erst als sie die letzte Aufgabe gelöst hatte, sah sie auf und fragte: „War es das wert?“

„Ja“, antwortete er sofort.

„Warum hast du es provoziert?“

Kaito drehte sich um, auch er war schon längst fertig mit den Aufgaben. Auch wenn die beiden nie besonders gute Schüler waren in Mathematik waren sie hervorragend. Plötzlich stand er auf und kam auf ihren Tisch zu. Seine Hände legte er auf der Tischplatte ab, beugte sich zu ihr. Mit aufmerksamen Augen betrachtete er sie. „Warum hast du dich provozieren lassen?“

Das wusste Aoko selbst nicht. Unter seinem aufmerksamen Blick wurde ihr unbehaglich zumute. „Ich hatte eigentlich was vor“, wich sie aus.

„Ich weiß“, antwortete er und richtete sich auf. Dennoch lag seine undurchdringliche Mimik auf ihr.

Überrascht sah Aoko zu ihm. Er wusste es? Provozierte er sie absichtlich und forderte ein Nachsitzen wohl wissend heraus? Als ihr das bewusst wurde, sprang sie entsetzt und fassungslos vom Stuhl auf. „Woher weißt du das?!“, fauchte sie aufgebracht.

„Hat doch jeder mitbekommen“, antwortete er desinteressiert.

Sie stutzte. „Du verfolgst und belauschst mich?!“

„So ein Quatsch! Aber wer sich lautstark auf dem Schulflur verabredet muss auch damit rechnen das andere es hören“, wies er sauer ab.

„Was ich mache geht dich nichts an“, stellte sie wütend fest. Aber ganz so wütend, wie sie es gerne gehabt hätte, war sie gar nicht. Eher verwirrt.

„Denkst du“, knurrte er zurück.

Sie stemmte ihre Hände auf die Tischplatte. „Natürlich, was ich mache geht dich absolut nichts an. Mich interessiert ja auch nicht was du so treibst.“

„Ich treibe gar nichts“, konterte er und auch er stützte sich auf dem Tisch ab und beugte sich zu ihr vor. Sein Gesicht schwebte nah vor ihrem, beide blickten sich tief in die Augen. Eine Anziehungskraft herrschte zwischen ihnen, deren Bedeutung und Schwere sie nicht erfassen konnten.

Aokos Herz schlug wie wild in ihrem Brustkorb. Schlagartig spürte sie die Hitze zurückkehren. Das wohlige Kribbeln, welches ihren Körper immer dann heimsuchte wenn er ihr näher kam.

„Glaubst du wirklich, ich lass dich mit diesem Schnösel Eis essen gehen?“

Aoko riss ihre Augen schockiert auf. Es ging ihn überhaupt nichts an mit wem sie sich traf. Doch dann arbeitete ihr Gehirn seine Worte auf und eine neue Erkenntnis kam. Lauernd suchte sie nach einem Funkeln, Hohn, Spott, irgendein Anzeichen dafür das er sich in diesem Moment über sie lustig machte. Aber nichts. Er schien es absolut ernst zu meinen. „Bist du eifersüchtig?“ Die einzig logische Erkenntnis, die sie aus seiner Reaktion schließen konnte. Seine Augen, tiefblau und dunkel, zogen sie in einen Bann. Sie sollte auf Abstand gehen meldete ihre Vernunft, aber ihr Herz verlor sich endgültig in dem Gefühlschaos. So viele Emotionen brachen über sie herein. Wenn er wirklich eifersüchtig war, musste er sie doch mögen, oder? Plötzlich überbrückte er den Abstand zwischen ihnen und legte ohne Vorwarnung seine Lippen auf ihre. Die Berührung löste erneut eine Gefühlsexplosion in ihr aus. Ihr Mund prickelte, sendete sanfte Stromstöße in ihr Herz, welches wiederum so schnell pochte, als wollte es einen Marathon gewinnen. Ihr Magen dadurch angeregt, hüpfte auf und nieder und löste einen ganzen Schwarm an Schmetterlingen in ihrem Bauch aus. Als er seine Lippen bewegte, abwechselnd ihre Unter- und Oberlippe zu küssen begann, übermannten sie die Gefühle. Ihre Augen schlossen sich und sie gab sich dem berauschenden Kuss vollkommen hin. Zumindest solange bis ihr Gehirn sich wieder meldete und die Vernunft die Oberhand gewann.

Das war falsch!

Sie stockte und löste sich von Kaito. Langsam öffneten sich ihre Augen und sahen direkt in seine verdunkelten Augen, welche ihr schon immer weiche Knie bereiten konnten. Sie wusste nicht was sie sagen sollte.

Auch Kaito schwieg, doch dann beugte er sich erneut zu ihr vor.

Aber dieses Mal war sie darauf vorbereitet und drehte ihren Kopf zur Seite, sodass seine Lippen auf ihre Wange trafen. Dies schien ihn keineswegs zu stören, denn er küsste sich bereits zu ihrem Hals und bearbeitete diesen mit seinen Zähnen, seiner Zunge und seinen Lippen. Er brachte sie vollkommen um den Verstand. „Ka... Kaito“, keuchte sie. Ihre Gefühle drohten sie erneut zu überrennen. Standhaft kämpfte sie dagegen an.

Auf dem Schulflur kamen stramme Schritte näher.

Kaito schien dies ebenfalls zu bemerken, denn sofort löste er sich von ihr und war mit wenigen Schritten wieder auf seinem Platz.

Aoko ließ sich verwirrt auf ihren Stuhl nieder und kämpfte gegen die verworrenen Gefühle an.

Die Schritte verstummten vor der Türe und schon wurde diese geöffnet und der Lehrer betrat den Klassenraum. Er sammelte die Aufgaben ein und machte sich sofort an die Korrektur. Die gesamte Zeit verharrten die Schüler in Gedanken versunken auf ihren Plätzen und starrten zur Tafel.

Es vergingen einige Minuten. Absolute Stille herrschte im Klassenzimmer bis der Pauker aufstand und sich an das Lehrerpult lehnte. Dabei verschränkte er seine Arme vor der Brust. „Ich muss euch nicht erklären, dass euer Betragen nicht angemessen war, oder?“

Beide nickten reumütig.

„Auch wisst ihr, dass ihr euch nicht eurem Alter entsprechend verhalten habt?“

Wieder ein schuldbewusstes Nicken.

„Und euch ist auch bewusst, dass ihr mutwillig eure Mitschüler gefährdet habt?“

Erneut ein stummes reuevolles Kopfnicken.

„Ich hoffe, dass ihr das nächste Mal besonnener handelt und diese Situation sich nicht mehr wiederholt.“

Beide Oberschüler nickten wieder.

„Gut, ich verlasse mich auf euer Wort. Dann könnt ihr jetzt nach Hause gehen. Die Arbeiten sind absolut korrekt gelöst und wäre dies ein Test hättet ihr beide die volle Punktzahl erreicht.“

Die beiden Oberschüler verließen das Klassenzimmer wie gescholtene Hunde und gingen zu ihren Schließfächern. Aoko wollte nicht auf Kaito warten. Kaum war er außer Sichtweite, rannte sie zu ihrem Schließfach, packte ihre Unterlagen für die Hausaufgaben zusammen und nahm den neuen kleinen weißen Zettel mit. Sie rannte so schnell sie konnte aus dem Schulhaus und nach Hause. Erst in ihrem Zimmer faltete sie die Nachricht auf und sie wusste es sofort. Dies war die letzte an sie adressierte Nachricht. Du hast es so gewollt, zieh dich warm an!
 


 

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Nun stand sie hier. Nervös, aufgeregt und vollkommen durcheinander. Warum war sie überhaupt hier? War die letzte Drohung nicht genug? Musste sie es vollkommen heraus fordern? Aber wenn sie etwas wusste, dann dass man nicht aufgeben durfte. Egal was kommen würde, sie durfte nicht diesen schriftlichen Schreiben nachgeben. Sollte sie aufgeben, war es fast als würde sie sich selbst aufgeben. Und dennoch hatte sie Angst. Angst vor den Konsequenzen. Vor dem was passieren könnte, wenn es doch jemand herausfand. Es war ein schöner sonniger Tag. Sicherlich war sie nicht die einzige, die sich diesen zunutze machte für einen Ausflug. Einen Ausflug in den Zoo mit ihrem besten Freund Schrägstrich große Liebe. Aber was war das eigentlich zwischen ihnen? Liebte er sie überhaupt? Oder mochte er sie einfach nur freundschaftlich? Warum teilten sie so viele intime Momente, wenn er sie nur als beste Freundin sah? Aber würde er tiefere Gefühle für sie hegen, hätte er es doch gesagt, oder nicht? So viele Fragen und keine Antworten. Und je länger sie auf ihren besten Freund wartete, desto nervöser wurde sie.

Kaito tauchte auf, rannte auf sie zu und begrüßte sie fröhlich. „Entschuldige bitte, dass du warten musstest.“

Nichts neues, dachte sie sich. Er verspätete sich oft das war normal. Auch wenn sie eigentlich sauer sein sollte, immerhin war eine halbe Stunde kein Kavaliersdelikt, freute sie sich trotzdem über sein Erscheinen und das er seine freie Zeit mit ihr verbringen wollte.

Gemeinsam gingen sie zur Kasse und Kaito bezahlte zur Entschädigung den Eintritt. Wenig später standen sie auf einem kleinen Platz und hatten die Wahl zwischen drei Wegen. Jeder Rundweg führte letztendlich zurück zu diesem Platz. Sie entschieden sich mit dem Europa-Teil zu beginnen und strebten die verschiedenen Gehege mit den europäischen Tieren an. Sie liefen an den Kühen und den Schweinen vorbei, beobachteten die Kinder im Ziegenstreichelzoo, gingen weiter zu den Meerschweinchen, den Kaninchen, Hühner und Enten. Irgendwann kamen sie in den Antarktis-Teil. Vor den Eisbären, die Nachwuchs bekommen hatten, verweilten sie länger. Beobachteten das Junge wie es die Welt entdeckte und freudig im kalten Wasser abtauchte.

Während Aoko ihre Nase an der großen, dicken Glasscheibe plattdrückte, wirkte Kaito eher in Gedanken versunken.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte sie nach.

Verwirrt sah er sie an, dann lächelte er beruhigend und nickte. „Wollen wir weiter gehen?“

Skeptisch blieb sie stehen. „Was ist los? Willst du es mir erzählen?“

„Nein, alles gut“, bestätigte er noch einmal, grinste schief und schnappte sich ihre Hand. Dann zog er sie hinter sich her. „Es gibt noch so viel zu sehen.“

„Aber das Eisbärbaby ist so süß“, widersprach Aoko. In ihrer Stimme schwang eine Mischung aus Trotz und Unsicherheit. Seine Hand war so warm und ein Kribbeln durchflutete ihren Körper. Es war so verwirrend zwischen ihnen. Was fühlte er für sie?

„Ich weiß, aber bei den Kängurus ist auch Nachwuchs gekommen“, zwinkerte Kaito. Während seiner Worte schob er seine Finger zwischen ihre und verknotete ihre Hände fester mit einander.

Aokos Gefühle fuhren Achterbahn. Während sie neben ihm her stolperte. Zielstrebig passierten sie die Pinguine, Seelöwen und umgingen das Aquarium großräumig. Dabei musste Aoko kichern, denn sie wusste um die Phobie ihres besten Freundes. Als sie den Australien-Teil durchquerten bestaunten sie die Wallabys und die großen Kängurus. Ein kleines Känguru kam eben aus dem Beutel seiner Mutter und sprang mit großen, kräftigen Sprüngen im Gehege herum. Aoko blieb vor dem Zaun stehen und beobachtete wie klein und doch so kräftig das Junge war. Kaito hingegen holte für sie beide einen kleinen Snack. Als sie das bemerkte, schmollte sie. „Du wolltest ja nur etwas essen“, hielt sie ihm spielerisch vor und nahm dankend die Pommes-Tüte in ihre Hände. Gemeinsam setzten sie sich auf eine Bank und beobachteten die Kängurus.

Kaito schien wieder in Gedanken zu versinken, während er aß. Auch dieses Mal entging es Aoko nicht. „Was ist nur los mit dir?“

Ihr bester Freund sah sie stumm an.

Ihre Augen verloren sich in seinen, auch ihr schwanden die Worte. Sie fühlte sich in seinem Blick gefangen, wusste nicht was sie tun sollte. Sie konnte sich diesem Bann nicht entziehen.

Plötzlich legte er seinen Daumen an ihre Lippen, strich ihr vorsichtig einen Klecks Ketchup fort.

Ihr Körper prickelte, sie stand unter Anspannung und es war als würde bald ein gigantisches Feuerwerk entzündet werden. Die gesamte Vorfreude sammelte sich in ihrem Bauch. Mit großen Augen und stark klopfendem Herz starrte sie ihn an, bemerkte, wie er ihr näher kam und sich zu ihr beugte. Sie spürte seinen heißen Atem auf ihrer Wange.

Sie hatten sich schon so oft geküsst und doch fühlte es sich an, als würde es dieses Mal anders werden.

„Ich...“, hauchte Kaito und stockte.

„Du...?“, wiederholte Aoko, absolut gebannt, zittrig, nervös, angespannt und von wirren Gefühlen durchflutet.

„Ich..., Aoko“, er legte seine Lippen auf ihre, fing sie in einen Kuss ein, der atemberaubender nicht sein konnte.

Sie gab sich ihm hin, ließ die Augen zufallen und genoss das prickelnde Gefühl, welches ihren Körper durchzog. Das Feuerwerk welches sich schlagartig entzündete, vereinnahmte sie komplett.

„Ist das nicht, Kaito?“

Eine Stimme von weit her und doch so nah, riss die beiden aus diesem intensiven Moment. Kaito löste den Kuss, um nach der Person zu suchen die seinen Namen ausgesprochen hatte.

Aoko noch vollkommen von ihren Gefühlen eingenommen, brauchte etwas länger um zu realisieren was eben passiert ist. Er hatte sie in der Öffentlichkeit geküsst. War das nicht ein Statement? Liebte er sie vielleicht doch?

„Ja, das ist Kaito“, rief eine andere Stimme und irgendwie kam sie ihr so bekannt vor. Langsam, sehr langsam nahm Aokos Gehirn die Arbeit wieder auf und als sie sich zu der dazugehörigen Person umdrehte erstarrte sie.

Schnell näherten sich drei Oberschüler. Ein Junge und zwei Mädchen. Zu bekannte Personen bei denen sie so sehr hoffte ihnen nicht zu begegnen. Natürlich war das Schicksal wieder einmal gegen sie.

Kaito stand auf und begrüßte den Jungen mit einem speziellen Handschlag, den die Fußballer sich irgendwann angeeignet hatte, weil sie ihn cool fanden.

Aokos Beine waren immer noch weich. Sie konnte nicht aufstehen und starrte reglos auf das Bild welches sich ihr nun bot.

„Wie schön dich hier zu treffen? Was machst du hier?“ Das Mädchen mit den langen dunklen Haaren, umarmte Kaito fest, drückte sich enger an seinen Körper, als es nötig gewesen wäre, und warf Aoko einen alles vernichtenden Blick zu.

Die Braunhaarige erstarrte beinahe, denn so hasserfüllt hatte sie Akako noch nie gesehen.

Kaito, der die Umarmung kurz erwiderte, löste sich, wirkte etwas unbeholfen und deutete auf Aoko. „Wir wollten mal wieder in den Zoo.“

Akako rümpfte die Nase, als sie Aoko musterte. Dann aber strahlte sie Kaito an. „Jetzt wo wir uns getroffen haben, können wir doch zusammen weiter gehen.“ Und schon umklammerte sie seinen Arm und zog ihn mit sich mit. „Hast du schon die Giraffen und Elefanten gesehen?“, plapperte sie schon los.

Shiho, die an Shinichis Arm hing, zog ihren Freund den anderen beiden hinterher.

Aoko blieb auf der Bank sitzen. Sie wurde im wahrsten Sinne des Wortes sitzen gelassen. Sie starrte den beiden Pärchen fassungslos und im vollkommenen Gefühlschaos gefangen hinterher.

Kaito warf ihr zwar noch einige Blicke zu, aber sie konnte nicht deuten was er damit aussagen wollte. Denn in diesem Moment brach in ihr alles zusammen. Erst fühlte sie sich wie im Himmel als er sie küsste, dann prallte sie umso unsanfter auf dem Boden auf.

Shinichi blieb nochmal stehen, drehte sich zu der Mitschülerin um, aber Shiho zog ihn rigoros weiter.

Aoko fühlte sich auf ein Mal innerlich so leer und als die vier nicht mehr zu sehen waren trat sie ihren Heimweg an.
 

Sie ging am Montag ohne ihn zur Schule, wartete nicht auf ihn und öffnete als erstes ihr Schließfach. Natürlich fand sie eine Nachricht darin. „Mach dich auf was gefasst!“ Aber sie war zu verletzt, als dass sie diese Warnung noch ernst nehmen könnte. Ihrem besten Freund wich sie den ganzen Tag aus und jede seiner Entschuldigungen wies sie rigoros von sich. Sie musste zuerst nachdenken und sich überlegen, wie sie ihr Herz wieder reparieren könnte.
 

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Kapitel XX - Neuigkeiten

Ran begleitete Kaito zur Schule. Aoko war vor ihr aus dem Haus gestürmt. Die Worte ihrer Stiefschwester in Spe wusste sie noch zu genau. Sie würde und wollte mit Kaito keine Zeit verbringen. Auch wenn Ran es eigenartig fand, immerhin hatten alle drei den gleichen Schulweg, so akzeptierte sie es und folgte ihr nun im größerem Abstand mit ihrem heute sehr schweigsamen Nachbarn. „Du bist so still“, stellte sie fest.

Es schien als hätte sie ihn aus den Gedanken gerissen. „Was meinst du?“

Ran musterte ihn aufmerksam. „Warum hast du Aoko gestern so bloß gestellt?“

Er zuckte mit den Schultern, wollte scheinbar nicht darüber reden.

Sie rümpfte die Nase. „Wie lange musstet ihr gestern nachsitzen?“

„Halbe Stunde“, antwortete er monoton.

„Und wie war's?“

Nun blickte er etwas ertappt drein.

Ran beobachtete ihn ganz genau und stellte fest, dass sich ein zarter Rotschimmer auf seine Wangen legte. Überrascht zog sie ihre Augenbrauen hoch. „Habt ihr auch miteinander gesprochen?“

Kaito setzte wieder diese desinteressierte Maske auf und zuckte mit den Schultern. „Wir haben ein Aufgabenblatt bekommen. Danach hat der Lehrer uns einen Einlauf verpasst und uns nach Hause geschickt.“

Ran glaubte ihm nicht so ganz, beließ es aber dabei. Sie richtete ihre Aufmerksamkeit auf den Weg vor sich. Die beiden näherten sich dem Schulhof und beobachteten, wie Keiko auf Aoko zustürmte, diese am Arm packte und mit sich zog. Auch sah sie wie ihr neuer Mitschüler den beiden folgte. „Der Neue, Keiko und Aoko kennen sich schon?“ Eine Frage, die Ran mehr an sich selbst stellte, als an ihren Begleiter.

Shinichi trat auf die beiden zu und begrüßte Ran freundlich lächelnd. „Guten Morgen, Ran.“ Dann begrüßte er seinen Kumpel. „Hey, was hat dir denn die Laune schon so früh am Morgen verhagelt?!“

Ran blickte überrascht auf, bemerkte den finsteren Gesichtsausdruck von Kaito und sah unsicher zu Shinichi.

Der Jungmagier jedoch fasste sich schnell wieder und nickte Shinichi zu. „Lasst uns den Tag so schnell wie möglich hinter uns bringen.“

Ran nickte und auch Shinichi schien dieser Vorschlag zuzusagen. Er zwinkerte seiner Mitschülerin zu: „Und morgen Abend treffen wir uns.“

Das Mädchen grinste. „Aber vorher geh ich mit meiner Schwester und meiner Ma ein Kleid für die Hochzeit kaufen.“

Beide Jungs sahen sich für einen Moment an, dann räusperte sich Shinichi: „Das könnte man auch falsch verstehen.“ Gemeinsam gingen sie über den großen Hof zum Schulhaus.
 

Aoko saß mit Keiko und Saguru unter einem Baum und lauschte den Worten ihrer Freundin.

Der neue Mitschüler blieb stumm, hörte zu und bestätigte nur hin und wieder mit einer gerunzelten Stirn oder einem gedankenlosen Kopfnicken Keikos Worte.

Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals und unsagbare Angst breitete sich in Aokos Brust aus. Sie würden es tatsächlich wiederholen, sogar noch schlimmer als damals? Wie sollte sie das nur verhindern und mit was hatte sie überhaupt zu rechnen? Sie wurde mit jedem weiteren Wort blasser.

Keiko zog sie fest in ihre Arme um ihr Halt zu geben. „Hast du Drohungen bekommen?“

Aoko immer noch geschockt von der Neuigkeit nickte zögerlich.

Keiko wurde wieder sehr blass. Hakuba beobachtete die beiden besorgt. „Warum hast du mir nichts gesagt?“

„Weil ich sie selbst nicht ernst genommen habe.“

„Aber du weißt, dass sie ernst machen. Aoko, das ganze ist kein Kinderstreich.“

Hakuba mischte sich nun ebenfalls ernsthaft besorgt ein. „Wir sollten auf jeden Fall einen Lehrer informieren.“

„Oder deinen Vater“, fügte Keiko hinzu. „Er ist Polizist und kann eine Anzeige wegen Bedrohung stellen.“

„Nein!“, widersprach Aoko ernst. „Nein, niemand wird informiert. Weder ein Lehrer noch die Polizei. Ich regel das.“

„Warum passiert dir das?“

Aoko blickte in die besorgten braunen Augen ihres neuen Mitschülers. Sie war nicht fähig einen klaren Gedanken auszusprechen.

„Wegen Kaito“, erklärte Keiko. „Sie ist ihnen im Weg.“

Hakuba runzelte die Stirn. „Ich verstehe den Zusammenhang nicht.“

Aoko schüttelte den Kopf, aber Keiko ignorierte ihre beste Freundin und erklärte: „Akako hat es von Anfang an auf Kaito abgesehen und ihr Hühnerhaufen steht natürlich hinter ihr. Sie kann Aoko, als seine beste Freundin, nicht akzeptieren und will sie loswerden.“ Keiko sah Aoko traurig an. „Das haben sie schon einmal geschafft und wenn du nicht aufpasst, werden sie dich dieses Mal fertig machen.“

„Ich kläre das! Vertrau mir“, bat Aoko, obwohl sie innerlich auch überhaupt nicht wusste was sie tun sollte. Ihr war nur eines klar: Sie musste Kaito loswerden und zwar so schnell wie möglich. Das was beim Nachsitzen passiert ist, beim Flaschendrehen auf der Party oder in der Hollywoodschaukel durfte nicht wieder passieren. Ihr Verstand wusste es zu gut, nur ihr Herz musste es noch begreifen.

„Wir stehen dir bei! Egal was kommt“, sprach Hakuba plötzlich und er sagte es nicht einfach so, sondern er meinte es auch absolut ernst.

Aoko sah auf. In der kurzen Zeit hatte sie einen neuen Freund gewonnen. Dann aber schlich sich ihr ein anderer Gedanke ein: „Nicht dass sie euch auch etwas antun.“

„Wir passen schon auf. Du sollst nur wissen, du bist nicht allein“, bekräftigte Hakuba und Keiko nickte zustimmend.

„Bitte sagt es niemanden. Ich möchte nicht dass Ran, Shinichi oder jemand anderes davon erfährt und zur Zielscheibe wird.“ Aoko suchte in den Gesichtern ihrer Freunde nach Zustimmung und fand diese auch. Erleichtert atmete sie auf.

Die Schulklingel riss die drei aus ihrem Krisengespräch. Überrascht, das es schon so spät war, rannten sie los, kamen aber zu spät in ihre Unterrichtsfächer.

Aoko hatte in Geographie eine sehr strenge Lehrerin, welche die kleinste Verfehlung sofort zur Bestrafung nutzte. Kaum betrat sie den Klassenraum wurde sie auch sofort vor die Türe geschickt. Irgendwie war sie sogar dankbar dafür, denn so bekam sie noch ein paar Minuten ihre wirren Gedanken zu sortieren.
 


 

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Den ganzen Tag konnte sie ihm mehr oder weniger geschickt ausweichen, aber nach der Schule war ihr das nicht mehr möglich.

Er versperrte ihr den Weg aus dem Klassenzimmer und sah sie flehend an. „Es tut mir leid, Aoko!“

Das Mädchen schluckte. Die letzte Warnung hatte sie erreicht. Wenn sie sich nicht von ihm fern hielt, würde irgendwas passieren. Allerdings wusste sie nicht womit sie zu rechnen hatte. Und ein Teil in ihr hoffte, dass es sich um einen Spaß handelte und sie einfach nur jemand ärgern wollte. Aoko sah ihrem besten Freund an, wie ernst er es meinte. Es war nicht richtig, wie er sich gestern im Zoo verhalten hatte. War sie wirklich bereit ihm zu verzeihen? Ihre Gefühle waren vollkommen zerrissen. Sie fühlte sich in einem Ping Pong Spiel und wusste nicht ob er sie erneut verletzen oder küssen würde. Alles war so verwirrend, seit sie in der Mittelschule mit dem Grenzübertritt begonnen haben.

„Aoko, es war falsch. Ich habe auf sie eingeredet, aber sie hielt mich so fest und ließ mir keine andere Wahl als mit zu gehen.“ Er stockte, doch dann fragte er: „Warum bist du nicht mitgekommen?“

Sie sah ihn an, wusste nicht was sie sagen sollte. Er wusste nicht, was er ihr bedeutete und wenn sie zugab, dass dieser Kuss, der so anders war als sonst, ihr den Verstand raubte, sie in ein absolutes Gefühlschaos stürzte, gab sie zu in ihn verliebt zu sein. Wie würde er reagieren, wenn er es erfuhr? Würde er sich freuen, ihre Liebe sogar erwidern? Wohl eher nicht. Wahrscheinlicher war es, dass er sie auslachte und sie als naiv schimpfte. Vermutlich war sie wirklich nicht viel mehr als der Mittel zum Zweck oder ein Spielzeug. Aoko verfluchte sich. Sie hätte diesem Blödsinn niemals zustimmen dürfen. Sie war seine beste Freundin. Er war ihr bester Freund. Neben Keiko der einzige Mensch dem sie blind vertraute. Sie hätte diese Freundschaft nicht so leichtfertig aufs Spiel setzen dürfen. Sie sah ihm in seine Augen. „Ich... mir ist eingefallen, dass ich noch etwas für meinen Vater erledigen hätte sollen. Tut mir leid. Ich hätte mich verabschieden müssen.“

Sie sah die offensichtliche Skepsis in seinem Gesicht und wandte sich ab. „Ich muss nach Hause. Die Wäsche wäscht sich nicht von allein.“ Schon schob sie sich an ihm vorbei.

Kaito blieb reglos stehen. „Läufst du jetzt wieder vor mir weg?“

Aoko stand mit dem Rücken zu ihm und verharrte. Wenn sie die Drohungen ernst nahm, wäre es definitiv besser. Aber er war auch ihr bester und längster Freund. Die Freundschaft zu ihm war ihr besonders wichtig. Im Zwiespalt gefangen kämpften Vernunft und Herz einen Kampf. Hin und her gerissen haderte sie mit einer Antwort. Sie musste sich entscheiden. Tief atmete sie ein.

Beide drehten sich zeitgleich um, suchten sich regelrecht. Die Stimmung zwischen ihnen war angespannt und befangen.

Kaitos Augen spiegelten seine Verunsicherung wieder. Lange hatte er ihr nicht mehr seine wahren Gefühle so offen gezeigt.

Aoko schluckte den Kloß in ihrem Hals hinunter. Unfähig etwas zu sagen, schüttelte sie einfach nur den Kopf.

Er verstand sofort und seine angespannte Mimik verschwand. Ein zaghaftes Lächeln erschien um seine Mundwinkel. Erleichtert trat er auf sie zu und legte seinen Arm um ihre Schulter. Gemeinsam gingen sie den Schulflur entlang und wenig später nach Hause.
 

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Aoko suchte nach Keiko und Hakuba und nahm eben eine Abkürzung über einen schmalen Nebengang, als sie plötzlich herumgerissen wurde und mit dem Rücken gegen die Wand gedrückt wurde. Jemand größeres drängte sie regelrecht gegen die Fließen und sie sah vollkommen überrumpelt in die dunkelblauen Augen von Kaito. „Was soll das?!“

Er sagte nichts. Er tat nichts. Seine Hände ruhten auf ihren Schultern, seine Augen musterten sie unergründlich.

Sie kam sich vor wie in einer Falle. Sie war die Beute und er war das Raubtier, welches lauerte und jeden Moment angreifen würde. Wieder mal schlug ihr das Herz bis zum Hals. „Ich hab dir jetzt mehrmals gesagt, dass ich nichts mehr mit dir zu tun haben möchte.“ Er starrte sie an und Aoko versank regelrecht in seinen blauen Augen. Ihr ganzer Körper war ein Verräter. Jede einzelne Pore sehnte sich nach diesem Jungen und sie war ein Narr, dass sie ernsthaft glaubte sie hätte alle Gefühle für ihn längst verarbeitet. Dennoch meldete sich die Vernunft. Sie wusste nicht was ihr noch bevor stand und sie sollte, nein, sie musste Abstand gewinnen. Sie durfte sich nicht mehr überrumpeln lassen und ihnen damit noch mehr Angriffsfläche bieten. Es war an der Zeit erwachsen zu werden und das durchzusetzen was ihr richtig erschien. Nur... was war das Richtige? Vor ihr stand der Junge, der ihr so viel bedeutete, auf der anderen Seite stand sie selbst, die Angst vor dem kommenden Ärger hatte. Ihr Herz schrie förmlich dass es jede Attacke locker wegstecken würde solange es nur bei ihm war, aber ihre Vernunft wusste es besser und ahnte jetzt schon, dass sie dieses Mal nicht nur mit verletzten Gefühlen hervorgehen würde.

Die gesamte Zeit sah er sie an, beobachtete ihr Mienenspiel, ihre großen blauen Augen und sagte kein Wort. Er schien selbst tief in Gedanken zu sein. Die Spannung zwischen ihnen war zum Greifen. Einer von ihnen musste bald den ersten Schritt machen. Die Frage blieb, in welche Richtung dieser Schritt führen würde. Die kleine Pause neigte sich dem Ende zu und sie müssten bald wieder in den Unterricht.

„Tut mir leid“, sagte er so plötzlich mit rauer, belegter Stimme. Seine Augen bekamen einen wehmütigen fast schon reuevollen Ausdruck.

Bevor sie sich mit seinen Worten beschäftigen konnte, beugte er sich schon vor und nahm ihren Mund ganz für sich ein. Er zog sie in einen tiefen Kuss, drängte seinen Körper näher an ihren. Seine Hände lösten sich von ihren Schultern, strichen ihr den Hals hinauf und umfassten schließlich ihren Kopf um sie noch näher an sich zu drücken, während seine Lippen unaufhörlich mit ihren spielten. Aokos Herz raste. Sie war von der ersten Sekunde an gefangen und ihre Gefühle überrannten sie, wollten noch so viel mehr von ihm.

Er ließ langsam von ihr ab und lehnte ganz sanft seine Stirn an ihre.

Die Augen geschlossen und von Gefühlen geleitet, ließ sie ihn machen und schalt sich selbst für so was von dumm. Wenn sie für ihn wirklich nur ein Spielzeug war...

Die Schulklingel ertönte.

Zeitgleich öffneten sie die Augen, sahen sich an.

Die ersten Schüler näherten sich lautstark diesem Gang.

Kaito richtete sich auf, nahm Abstand, löste aber nicht den Blickkontakt.

Mehr und mehr Schüler eilten den kleinen Schulflur entlang. Schenkten den beiden Oberschülern aber kaum Beachtung.

Keiner von beiden sagte etwas. Es war auch zu laut um sie herum. Dann löste er den Blick, drehte sich weg und verschwand in der Schülermasse.

Zurück blieb eine vollkommen überrumpelte Oberschülerin in ihrem eigenen Gefühlschaos gefangen und versuchte ihre Gedanken zu ordnen. Ihm tat es leid. Aber was genau meinte er damit? Wie er sie in all den Jahren behandelte? Dass er sie mit seinen Übungen dazu anstiftete ihre ganz besondere Freundschaft zu zerstören? Die letzten Tage, weil sie wieder mehr Kontakt zu einander hatten? Die Küsse? Diese Situation hier? Dass er nie etwas für sie gefühlt hat und immer nur mit ihr gespielt hat? Spielte er auch jetzt noch?

Kapitel XXI - Einkaufen mit Eri

Die Familie Mori-Nakamori saß beim Frühstück und aß schweigend. Aoko war so tief in Gedanken, dass sie fast vergessen hätte zu kauen. Ran hingegen war innerlich so hibbelig, dass sie kaum einen Bissen hinunter brachte.

Eri und Ginzo beobachteten ihre Mädchen besorgt. Die beiden tauschten einen Blick aus und Ginzo wusste, dass Eri den beiden auf den Zahn fühlen würde. Nach ihrem Lass-mich-nur-machen-Blick durchbrach sie die Stille: „Was macht die Arbeit, Schatz?“

Der Kommissar antwortete: „Es wird heute spät. Hab einen Einsatz im Museum.“

Eri nickte mitfühlend. Sie legte ihre Hand auf seine. „Die Mädchen und ich machen uns heute einen schönen Tag. Erst gehen wir shoppen, danach noch etwas bummeln und am Abend machen wir einen netten Filmabend.“

Überrascht blickten die Stiefschwestern in Spe auf. Eri hatte ja schon gesagt, dass sie sich den ganzen Samstag frei hielt, aber von einem Filmabend war bisher keine Rede gewesen.

Nach dem Frühstück halfen alle mit und schon war die Küche aufgeräumt. Dann starteten sie alle. Während Eri und die Mädchen sich zu Fuß zum Bahnhof auf machten, bereitete sich Ginzo auf seinen Einsatz vor.

Eri hakte sich bei ihren Töchtern unter. „Ich habe mich schon so sehr auf diesen Tag gefreut. Endlich ein bisschen gemeinsame Zeit. Wir gehen zuerst Einkaufen und danach habe ich noch eine Überraschung für euch.“

„Was denn?“, hakte Aoko sofort neugierig nach.

Eri lachte. „Wenn ich dir das verrate ist es doch keine Überraschung mehr.“

Sie liefen zum Bahnhof und fuhren mit dem Zug in einen anderen Stadtteil. Es wurde ein schöner Ausflug den beide Mädchen sichtlich genossen. Für Aoko war es eine gute Ablenkung zu den letzten Tagen und Ran freute sich wieder etwas mehr Zeit mit ihrer Mutter zu verbringen.

Sie liefen eine Ladenstraße entlang, bei bestem Wetter mit zighundert anderen Menschen. Bis sie vor einem Laden stehen blieben, in dem es überaus teure, aber wunderschöne Abendkleider gab. Ran und Aoko drückten sich an dem Schaufenster die Nase platt und bestaunten die eleganten Kleider.

„Das werden wir uns niemals leisten können“, stellte Ran fest.

Auch Aoko nickte. „Niemals, aber davon träumen können wir doch, oder?“

Nun nickte Ran. „Definitiv.“

Eri, die ohne die beiden einige Schritte voran ging, drehte sich ihnen zu. „Kommt ihr?“

Sehnsüchtig lösten sie ihre Augen von den bekleideten Schaufensterpuppen und folgten der Anwältin. Diese ging voraus und direkt durch die Türe in den Laden hinein. Als den Mädchen das bewusst wurde, bewegten sie sich fast ehrfürchtig in das Geschäft und schlossen zu Eri auf, welche bereits mit einer Verkäuferin sprach. „Das sind meine Töchter. Ich dachte an ein schickes Kleid, welches die beiden zu einer Hochzeit, wie aber auch zum Winterball ihrer Schule anziehen können. Es sollte edel, aber zeitlos sein, nicht zu übertrieben für einen Schulball, aber auch nicht zu bieder für eine Hochzeit. Haben Sie etwas im Angebot was meinen Vorstellungen entspricht?“

Die Verkäuferin überlegte kurz, dann nickte sie freundlich lächelnd. Sie deutete auf eine Lounge. „Bitte setzen Sie sich. Ich bringe Ihnen gleich ein paar Kleider. Diese können die Damen dann anprobieren.“

Eri, Aoko und Ran folgten der Anweisung und setzten sich auf weiße Ledersessel. Dann warteten sie ab bis die Verkäuferin mit einer rollenden Kleiderstange zurück kam.

Verschiedene Kleider in verschiedenen Farben und Längen hingen daran. Schon präsentierte sie ein Kleid. Es war ein kurzes, schwarzes Cocktailkleid. Es glitzerte im Licht und trieb den beiden Oberschülerinnen die Röte ins Gesicht. Sollten sie dieses Kleid anziehen, würde sehr viel Bein gezeigt werden.

Eri betrachtete das Kleid überaus kritisch und schüttelte dann den Kopf. „Zu kurz, zu viel nackte Haut. Ich dachte eher an etwas längeres, etwas nicht zu aufreizendes.“

Die Verkäuferin hing das Kleid zurück und nahm das nächste zur Präsentation. Es war ein weinrotes, bodenlanges Tüllkleid in A-Linie. Das Kleid wurde von einer Schulter gehalten. Der Verlauf des Stoffes über der Brust mit Pailletten verziert und mit roten Schleifen aufgepeppt. Ein rotes schmales Band wand sich um die Taille.

„Ran, zieh das an“, forderte Eri sofort und Ran, die mit großen Augen, das wunderschöne Kleid anstarrte, folgte dem liebevollen Befehl und verschwand in die Umkleide.

Sie alle warteten auf die Rückkehr der Oberschülerin. Und als diese aus der Umkleidekabine heraustrat, klatschte Eri in die Hände. „Das ist es!“

Aoko war begeistert. „Du siehst wunderschön aus!“

Ran betrachtete sich in dem Raumhohen großen Spiegel an der Wand und staunte über die Eleganz, die sie in diesem wundervollen Kleid ausstrahlte.

Eri lächelte. „Mit diesem Kleid wirst du den Jungs den Kopf verdrehen.“

Aoko stimmte enthusiastisch zu, während Ran sich vorstellte, wie Shinichi auf ihren Anblick reagieren würde. Sie würde dieses Kleid zur Hochzeit und zum Winterball anziehen. Sie konnte es noch gar nicht fassen.

„Das nehmen wir! Jetzt brauchen wir nur noch ein Kleid für dich, Aoko“, bestimmte Eri.

Während die Verkäuferin das nächste Kleid präsentierte, ging Ran in die Umkleide um sich wieder umzuziehen.

Eri betrachtete ein dunkelblaues, Bodenlanges Kleid sehr skeptisch. Es hatte einen tiefen Rückenausschnitt und einen Schlitz seitlich am Bein. Sie schüttelte den Kopf. „Zu aufreizend!“

Die Verkäuferin hing auch dieses Kleid zurück, dann zog sie ein weiteres hervor. Ein silbernes Taftkleid in A-Linie. Ein Nackenband war mit Kristallen und Perlen verziert. Der Stoff war zur linken Seite gerüscht und in Höhe des Hüftknochens von einer kristallenen Blumenbrosche geschmückt. Das Kleid war Rückenfrei, dennoch sah es nicht komplett danach aus. Aus den Stofflagen um den Oberkörper wurde auf dem Rücken eine Schleife gebunden. Diese verdeckte den freien Rücken großteils. Aoko starrte das Kleid wie verzaubert an.

Eri drängte sie sofort. „Zieh es an!“

Und als Ran die Umkleidekabine verließ, verschwand Aoko darin um das Kleid anzuprobieren. Es schmiegte sich um ihre Figur wie eine zweite Haut.

Eri und Ran waren schier begeistert und klatschten in die Hände. „Dieses Kleid nehmen wir auch! Durch die große Schleife erkennt man nicht wie tief das Kleid am Rücken geschnitten ist.“

Aoko starrte sich fasziniert im Spiegel an und konnte kaum die Augen von diesem traumhaften Kleid abwenden. Schon wurde sie gedrängt sich umzuziehen.

Danach brachte die Verkäuferin die Kleider zur Kasse und Eri bezahlte mit der Kreditkarte.

Gemeinsam verließen sie glücklich über den erfolgreichen Einkauf den Laden und strebten wenig später ein Schuhgeschäft an. Nach verschiedenen Modellen fanden die beiden passende Schuhe. Ran entschied sich für weinrote, flache Schuhe mit Riemchen, die dennoch schick für eine Hochzeit waren und in Kombination mit dem Kleid, sah sie umwerfend aus.

Aoko wollte schlichte schwarze Schuhe anziehen, doch Eri war entschieden dagegen. Sie zog aus einem Regal ein schönes silbernes Schuhpaar ebenso mit Riemen und an der Fußspitze offen. Diese Schuhe waren echt schön, nur der hohe schmale Absatz schreckte Aoko davon ab, diese anzuprobieren.

Auf Bitten und Drängen ihrer Stiefmutter gab sie letztendlich nach und tat wenig später die ersten wackeligen Schritte.

„Bis zur Hochzeit sind noch fünf Wochen. Bis dahin hast du genug Zeit zu lernen auf diesen Schuhen zu laufen.“ Eri klatschte begeistert in die Hände. „Sehr schön. Wir nehmen beide Paare und ich gehe schon mal zahlen.“ Ein Blick auf ihre Uhr ließ sie strahlen. „Wir liegen gut in der Zeit.“

„Für was?“, hakte Ran neugierig nach.

„Überraschung“, grinste ihre Mutter und verschwand mit den Schuhkartons.

Aoko und Ran zogen derweil ihre Schuhe an und folgten langsam zur Kasse. Die gesamte Zeit über wollte Ran schon mit Aoko sprechen. „Ich weiß, du möchtest mit Kaito keine Zeit verbringen, aber ich habe dennoch eine Bitte an dich.“

Aoko sah auf, ahnte bereits worauf dieses Gespräch hinauslaufen sollte. „Solange es nichts mit ihm zu tun hat, helfe ich dir immer.“

„Nun ja, wir machen einen Filmabend. Shinichi, Kaito und ich und...“

„Ran, das geht nicht“, wies Aoko zwiegespalten ab. Sie ahnte, dass sich ihre Schwester doch noch etwas unwohl in Gegenwart der Jungs fühlte, auch wenn sie mit diesen eine Freundschaft aufbaute. Dennoch konnte Aoko nicht mit gehen. Sie musste Kaito auf Abstand halten und sollte jede sich bietenden Möglichkeit vermeiden, in der er über sie herfallen könnte. Sie selbst war nicht standhaft genug sich ihm gegenüber zur Wehr zu setzen. Wenn er ihr nahe kam, schaltete sich ihr Gehirn ab und jegliche Vernunft in ihr verschwand. Andererseits waren sie nicht alleine und würden es den Abend über auch nicht sein. Sie sollten erst gar nicht in eine verfängliche Situation kommen. „Ich überlege es mir“, bot sie an und Rans Gesicht begann zu strahlen.

Sie schlossen zu Eri auf, die eben mit einer großen Tüte die Kasse verließ. „Nun gehen wir zum Friseur. Ihr habt einen Termin zum Probestecken.“

Beide Mädchen folgten der Anwältin zu einem Laden, in dessen Schaufenster riesige Poster von Frauen- und Männergesichtern hingen mit verschiedenen Frisuren. Eri betrat das Geschäft und wurde sofort herzlich empfangen. Sie deutete auf die Oberschülerinnen. „Wir möchten die Frisuren für die Hochzeit zur Probe stecken lassen. An meinem Hochzeitstag kommen Sie und machen uns drei dann die Frisuren?“

„Ja“, antwortete die Dame mit den schwarz-lila und sehr kurz abstehenden Haaren freundlich und fügte hinzu: „Und ich bringe eine Kollegin mit. Den Termin haben wir uns notiert. Wir kommen zu Ihnen nach Hause.“

„Sehr schön“, freute sich Eri und die beiden Oberschülerinnen wurden vor große Wandspiegel in bequeme Sessel gedrückt. Dann begannen die Friseurmeisterinnen mit ihrem Handwerk und kreierten kunstvolle Frisuren. Nach einer Stunde waren die Haare hochgesteckt, bei Ran mit einzelnen Strähnen locker verspielt, bei Aoko hing nur ein Pony über die Stirn.

„Ihr werdet die allerschönsten Mädchen auf der Hochzeit sein. Und ihr wisst gar nicht wie viel es mir bedeutet, dass ihr an diesem Tag dabei sein werdet. Es wird unser Tag um eine Familie zu werden.“ Sie legte ihren Mädchen jeweils eine Hand auf die Schulter und betrachtete die hübschen Oberschülerinnen. Mit wunderschön gemachten Haaren verließen die drei den Friseursalon und Eri zog die beiden weiter in eine Eisdiele. An einem der Tische ließen sie sich nieder und bestellten sich Eisbecher.

Aufmerksam blickte sie von Ran zu Aoko und wieder zurück. „Ihr verdreht sicherlich den Jungs an eurer Schule reihenweise die Köpfe.“

Aoko verschluckte sich beinahe an ihrer eigenen Spucke, während Ran Eri mit großen Augen anstarrte. „Wie kommst du denn darauf?“

Die Anwältin lehnte sich zurück. „Habt ihr schon mal in den Spiegel gesehen? Wie sieht es eigentlich bei euch aus? Habt ihr jemanden im Auge, den ihr gerne mögt?“

Dieses Mal musste Aoko wirklich husten und sie war dankbar als die Eisbecher gebracht wurden.

Ran nickte zögerlich. „Ja, da gibt es wirklich einen Jungen.“

Eri beugte sich verschwörerisch vor, als wäre sie ihre beste Freundin und nicht ihre Mutter. „Wie sieht er aus?“

„Groß, größer als ich, sportlich, er spielt Fußball in unserer Schulmannschaft. Er ist sehr nett und hilfsbereit. Er hat mir die Schule gezeigt.“

„Wie heißt er?“

„Shinichi.“

Eri nickte. „Bring ihn mit.“

Rans Augen weiteten sich.

„Bring ihn zur Hochzeit mit. Er ist eingeladen“, bestätigte Eri nachdrücklich und nickte lächelnd.

„Ehm... okay... ich frag ihn mal“, antwortete Ran überrumpelt, doch schon lief sie rot an, als ihre Mutter den nächsten Satz aussprach.

„Ich werde einen Termin beim Frauenarzt vereinbaren. Ihr seid in einem Alter, da solltet ihr vorbereitet sein für den nächsten Schritt und die Jungs denken selten an ein Verhütungsmittel. Zumal ein Kondom auch nicht die absolute Sicherheit gibt. Ich lasse euch die Pille verschreiben.“

Aoko staunte über Rans offene Ehrlichkeit und stutzte im nächsten Moment über Eris Wort „euch“. „Ich auch?“, hakte sie auch sofort entsetzt nach. Immerhin hatte sie diesen Schritt bereits getan und Kaito gehörte scheinbar zu dieser seltenen Ausnahme, denn er hatte damals wirklich entsprechend vorgesorgt und verhütet.

„Ja, auch du, Aoko, wirst diesen Schritt vom Mädchen zur Frau machen.“ Eri betrachtete sie lange. „Gibt es auch bei dir schon einen Jungen an dem du Interesse hast?“

„Nein“, antwortete die Angesprochene und aß ihr Eis. Selbst wenn sie es vor Ran und Eri zugeben würde, sie durfte und konnte nicht mit Kaito zusammen sein. Dazu schwebten die Drohungen im Raum und sie wusste immer noch nicht was sie noch an Schikane zu erwarten hatte.

„Du wirst schon noch einen netten Jungen kennen lernen und vielleicht bietet sich auch auf der Hochzeit eine Gelegenheit. Einige unserer Freunde und Bekannte haben Söhne in deinem Alter.“ Eri legte sich ihren Zeigefinger an ihre Wange. „Ich werde gleich am Montag meinen Frauenarzt anrufen und einen Termin vereinbaren.“ Es war erneut beschlossene Sache ohne Widerworte zu akzeptieren.
 


 

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Anmerkungen zum Kapitel XXI
 

RAN:
 

Abendkleid von Ran: http://www.persunshop.de/index.php?main_page=popup_image&pID=10843
 

Schuhe von Ran: https://www.bing.com/images/search?view=detailV2&ccid=g8yBqqZO&id=24C9E9EDA905B8E25F2EEDEC23D801C2EC00C4EC&thid=OIP.g8yBqqZO_b9KQ8FnEX5tIgHaHh&mediaurl=https%3a%2f%2fimage.brigitte.de%2f10933486%2funcropped-0-0%2fc4ad5a894d1b20547647760ff3d050b3%2fgj%2fflache-schuhe-fuer-hochzeitsgaeste-5.jpg&exph=922&expw=907&q=schuhe+f%c3%bcr+hochzeitsg%c3%a4ste&simid=607997304011622243&selectedIndex=7
 

Rans Frisur: https://www.bing.com/images/search?view=detailV2&ccid=p%2bJW1XJk&id=86A71E50D469298205FDDC91AF8AD7F0CF9FA10F&thid=OIP.p-JW1XJk-crhxVJjRT1NHgHaJh&mediaurl=https%3a%2f%2fdeavita.com%2fwp-content%2fuploads%2f2016%2f08%2flockere-hochsteckfrisuren-hochzeit-abiball-idee-locken-schr%c3%a4ger-pony.jpg&exph=965&expw=750&q=hochsteckfrisuren&simid=608023589209509157&selectedIndex=1&cbir=sbi
 

AOKO:
 

Abendkleid von Aoko: http://www.7kleid.de/e7/nackenband-a-linie-formell-herbst-armellos-ruckenfrei-abendkleid-d2103979.html
 

Schuhe von Aoko: https://www.bing.com/images/search?view=detailV2&ccid=30xAHlX5&id=3069DFAFF7892F91780B2F0BFD4508AE7B398C3D&thid=OIP.30xAHlX5T_sRXF4H2JhvUAHaHa&mediaurl=https%3a%2f%2fasset1.zankyou.com%2fimages%2fmag-big%2fe6d%2f442a%2f650%2f600%2f-%2ffr%2fwp-content%2fuploads%2f2014%2f12%2fLodi-SAMODE.jpg&exph=600&expw=600&q=schuhe+f%c3%bcr+hochzeitsg%c3%a4ste&simid=608045798447972456&selectedIndex=75
 

Aokos Frisur: https://www.bing.com/images/search?view=detailV2&ccid=OL7gTvvx&id=E217079CA516246B321AA36D912D5F966C3E4A03&thid=OIP.OL7gTvvxbg4Kx2aXgXWkbwHaGZ&mediaurl=http%3a%2f%2fkarolynna.com%2fimages%2fklassische-hochsteckfrisuren-anleitung%2fklassische-hochsteckfrisuren-anleitung-69-2.jpg&exph=397&expw=460&q=hochsteckfrisuren&simid=607988452080881262&selectedIndex=427&cbir=sbi

Kapitel - XXII verheißungsvoller Abend

Eri bezahlte die Eisbecher und gemeinsam beendeten sie den Stadtbummel und fuhren mit dem Zug nach Hause. „Welchen Film wollt ihr euch nachher ansehen?“

Aoko zuckte mit den Schultern.

Ran wollte ihre Mutter nicht vor den Kopf stoßen, aber sie war noch verabredet. „Ich habe schon was vor.“

Aoko sah überrascht zu ihr, auch Eri bohrte neugierig nach. „Wo bist du denn?“

Die Braunhaarige überlegte kurz die Wahrheit zu sagen, aber das erschien ihr noch zu früh. Wenn ihre Mutter erfuhr, dass sie mit Shinichi ein Date hatte – war es überhaupt ein Date? - würde sie darauf bestehen ihn bald kennen zu lernen. Ran wollte keinen falschen Eindruck vermitteln, vor allem weil sie selbst nicht wusste ob sie nur Freunde sind oder mehr daraus werden könnte. Ein Kuss, der ihre Gefühlswelt auf den Kopf gestellt hatte, war doch noch lange kein Beweis für tiefere Gefühle, besonders wenn dieser besagte Kuss eine Aufgabe beim Flaschendrehen war. Vermutlich interpretierte sie in seine Nettigkeiten viel zu viel. „Ich bin mit Sonoko im Kino.“ Sie würde ihrer besten Freundin eine Nachricht schicken, damit sie ihr Alibi bestätigte.

„Ach schade“, sprach Eri aus. „Dann verschieben wir unseren Filmabend auf morgen.“

„Auch das ist schlecht, Mama.“ Rans Blick glitt kurz zu Aoko. „Ich bin morgen zum Filmabend bei Kaito eingeladen.“

„Allein?“

„Nein, Shinichi kommt auch“, antwortete sie dieses Mal ehrlich.

Eri zog ihre Augenbrauen beinahe entsetzt hoch und schluckte. „Du bist morgen alleine mit zwei Jungs beim Filmabend?“ Ihre Augen wichen zu Aoko. „Wo bist du?“

„Zuhause“, antwortete diese sofort.

„Warum gehst du nicht mit?“

„Ich muss Lernen“, wich Aoko aus und sah kurz zu Ran.

„Das gefällt mir nicht.“ Eri grübelte. „Ich möchte nicht, dass du alleine mit zwei Jungs unterwegs bist. Auch wenn ich Kaito kennen gelernt haben, so traue ich ihm nicht ganz über den Weg.“

„Warum?“, fragten Aoko und Ran gleichzeitig nach.

„Irgendwas hat er an sich. Etwas geheimnisvolles und ich weiß nicht ob das gut oder schlecht ist. Er lässt sich nicht in die Karten schauen und versucht etwas zu verbergen.“

Ran und Aoko tauschten erneut einen kurzen Blick aus. „Kaito wird Ran nicht anrühren. Dafür lege ich meine Hand ins Feuer“, sprach Aoko vollkommen überzeugt. „Er ist ein sehr rücksichtsvoller Mensch und anständig.“

Ran hatte nicht erwartet das ausgerechnet Aoko Kaito verteidigte.

Eri war immer noch nicht ganz überzeugt. „Du kennst ihn schon einige Jahre länger als ich, das ist richtig. Dennoch ist mir unwohl dabei.“ Sie sah zu Ran: „Was ist wenn er dich bedrängt und dann ist da noch ein zweiter Junge. Du bist ihnen hilflos ausgeliefert und ich bekomme es gar nicht mit und kann dir nicht mal helfen.“

„Kaito bedrängt keine Mädchen“, antwortete Aoko nachdrücklicher und fügte fest hinzu: „Wenn man es ausdrücklich sagt, macht er nichts was man nicht will.“ Sie sammelte sich kurz: „Und Shinichi ist auch ein anständiger Junge. Es gibt ganz andere Kaliber auf unserer Schule.“

Eri war immer noch nicht überzeugt. Im Gegenteil schien ihr jedes Wort von Aoko mehr Unbehagen zu bereiten.

„Vielleicht sagt dir der Buchautor Yusako Kudo etwas? Oder die Schauspielerin Yukiko Kudo? Die Familie ist sehr berühmt, einflussreich und hat auch nicht gerade wenig Geld. Wenn herauskäme, dass ihr Sohn über Mädchen herfällt, würde sich das ganz schnell auf deren Ruf und die Karriere auswirken. Shinichi weiß das auch. Er gehört zu den intelligentesten Schülern unserer Schule und ist ganz gewiss nicht dumm. Er kann die Folgen von Handlungen richtig einschätzen.“

Ran staunte. Sie wusste gar nicht, dass Shinichi so berühmte Eltern hatte oder gar reich war. Er verhielt sich ihr gegenüber überhaupt nicht protzig oder abgehoben. Etwas eingebildet erschien er ihr manchmal, aber diesen Charakterzug schob sie jetzt nicht auf seine Herkunft, sondern einfach auf seine Lebenserfahrung. Ein intelligenter Junge, der auch noch erfolgreich im Sport war, musste doch irgendwann mal an Selbstüberzeugung erkranken. Ihre Augen richteten sich auf ihre Mutter, wartend ob sie nun zustimmen würde. Vorstellen konnte sie es sich immer noch nicht.

Eri lehnte sich an die Lehne der Sitzbank des Zuges an und verschränkte ihre Arme vor der Brust. „Nein, Ran, ich lass dich nicht alleine rüber gehen. Wenn Aoko mit geht, dann ist es in Ordnung. Dann seid ihr zu zweit.“

Ran blickte zu Aoko beinahe flehend.

Aoko entging dies nicht und stimmte letztendlich seufzend zu. „Okay, ich komme mit.“

Eri lächelte erleichtert und Ran strahlte überglücklich. Sie wusste, dass ihre Mutter über-fürsorglich reagieren würde. Als Anwältin hatte sie schon viel zu viele Fälle miterlebt in denen Mädchen belästigt wurden oder gar schlimmeres erlebten. Ihr entging keineswegs der misstrauische, fast vorwurfsvolle Blick von Aoko, aber sie konnte auch nicht das Grinsen aus ihrem Gesicht schrauben. „Danke“, hauchte sie ihrer Schwester zu.

Der Zug hielt an ihrer Haltestelle und die drei Frauen begaben sich auf den Heimweg.

„In welchen Film geht ihr denn?“, fragte Aoko neugierig.

„Wissen wir noch nicht. Wir haben auch noch keine feste Uhrzeit ausgemacht. Ich werde sie gleich anrufen.“ Das schlechte Gewissen drückte, denn Aoko wollte sie eigentlich nicht belügen. Sie würde ihr die Wahrheit sagen, sobald Eri außer Hörweite war.

Aoko nickte skeptisch. „Dann werde ich wohl oder übel heute lernen müssen.“ Mehr zu sich murmelte sie: „Ich habe ja inzwischen so einiges an Nachholbedarf.“
 

Ran verabredete sich mit Shinichi um acht vor dem Kino. Sie würden in der halb neun Vorstellung eine Komödie ansehen. Sie zog sich noch um, entschied sich für einen Jeansrock und einen dünnen Pulli. Ihre Schulterlangen Haare ließ sie offen über den Rücken fallen. Pünktlich machte sie sich auf den Weg zum Kino. Sonoko versicherte ihrer Freundin ein Alibi, sollte jemand bei ihr anfragen. Über den Film würde Ran ihr morgen berichten. Verschwörerisch wünschte Sonoko ihr viel Glück und erwartete schon sehr bald ein Doppeldate mit Shinichi und Makoto. Immerhin waren die beiden Jungs auch Freunde. Bei der Erwähnung des Doppeldates schlug Rans Herz schneller. Das war heute kein Date. Sie ging mit einem Mitschüler ins Kino, ganz unverbindlich um Zeit miteinander zu verbringen, sich besser kennen zu lernen und Spaß zu haben. Es sollte ein schöner Abend werden. Er war ein netter Junge und sie fühlte sich sehr wohl in seiner Gesellschaft. Fast musste sie über sich selbst spotten. Nett war die Untertreibung des Jahrhunderts. Seit dem kurzen Kuss, ging er ihr nicht mehr aus dem Kopf. Jedes Mal wenn sie ihn sah, klopfte ihr Herz schneller. Bisher konnte sie ihre Gefühle vor ihm gut verbergen. Sie wusste auch überhaupt nicht wie er zu ihr stand. Er tat keinen weiteren Schritt in diese eine Richtung, die sie sich so sehr wünschte. Würde er an diesem Abend versuchen ihr näher zu kommen? Sollte er sie wirklich küssen wollen, ein Rotschimmer trat bei diesem Gedanken auf ihre Wangen, würde sie vor Nervosität platzen. Wie könnte sie nur einen klaren Gedanken fassen wenn ein heißer Typ wie Shinichi sie zu küssen versuchte? Aber warum sollte er sie überhaupt küssen wollen? Nur weil sie es sich so sehr wünschte, bedeutete das nicht, dass Shinichi das ebenso wollte. Inzwischen fühlte sie sich wie ein Nervenbündel. Sie spazierte durch die Straßen und kam auf einem großen Platz vor dem kleinen Kino an.

Shinichi stand schon vor dem Gebäude. Attraktiv und gutaussehend. Gekleidet war er in einer Jeans und einem weißen Hemd. Seine Jacke hielt er sich mit seinem Zeigefinger über die rechte Schulter und wartete bereits auf sie.

Wie konnte man nur so unverschämt gut aussehen? Er bräuchte einen Waffenschein, so verboten gut sah er aus. Die Röte auf ihren Wangen vertiefte sich und ihre sonst so selbstsicheren Schritte wankten ins Gegenteil. Statt ihm entgegen zu eilen verlangsamte sie ihr Tempo und pure Unsicherheit durchströmte sie. Warum nur wurde sie jetzt plötzlich so nervös? Es war doch nur Shinichi, der sehr nett und aufgeschlossen ihr gegenüber war, der ihr den Kopf verdrehte, sie mit seinen Augen in eine andere Welt transportieren konnte. Ihr Herz begann zu rasen als würde es eben einen Marathon bewältigen.

„Hey, Ran, wie schön. Ich freue mich dich zu sehen“, begrüßte er sie fröhlich und eilte ihr schon entgegen. „Ich habe schon die Karten besorgt, wir können noch ein wenig hier draußen bleiben, ehe wir in die Vorstellung gehen. Was hältst du davon?“

„Hey“, grüßte sie zurück, rang sich ein Lächeln ab, hoffte die Nervosität schlug sich nicht auf ihre Stimme nieder und nickte zustimmend. Sie gingen zu einer Bank auf dem großen Platz und setzten sich.

„Seid ihr erfolgreich gewesen?“

Ran wusste erst nicht was genau er meinte, doch dann fiel ihr ein, dass er auf ihre Shoppingtour anspielte. „Ja, wir haben Kleider, Schuhe und die Frisur wurde uns heute zur Probe gesteckt.“

„Du wirst bestimmt toll aussehen“, sprach er so plötzlich, doch im nächsten Moment biss er sich verlegen auf die Lippen und begann sich zu verhaspeln. „Eh... ich... ich meine, du und Aoko und deine Mutter sicherlich auch als Braut.“

Ran beobachtete ihn und begann plötzlich zu kichern. „Danke, Shinichi.“

Er legte verlegen eine Hand an seinen Hinterkopf und grinste sie schelmisch an. „Darf ich mir mal dein Kleid bei Gelegenheit ansehen?“

Ran staunte, doch dann schüttelte sie den Kopf. „Es bleibt unter Verschluss bis zur Hochzeit. Aber ich werde es auch auf den Winterball anziehen.“

Shinichi zwinkerte ihr zu. „Dann musst du unbedingt mit mir zum Winterball gehen, damit ich es vor allen anderen sehe.“

Ran errötete. Meinte er das etwa gerade ernst? Unsicher blickte sie ihm in die blauen Augen und spürte wieder ihr Herz flattern.

„Ich meine das ernst, Ran. Begleitest du mich auf den Winterball?“

„Ist es für so eine Einladung nicht noch etwas zu früh?“

„Ganz sicher nicht“, stellte er selbstsicher fest. „Auch würde ich gerne mit dir auf unseren Abschlussball gehen.“

Ran errötete, bis dahin war ja noch über ein halbes Jahr hin. „Shinichi, das musst du nicht...“

Er beugte sich etwas zu ihr: „Und wenn ich das will...“

Sie verlor sich in seinen Augen. „Dann sag ich nicht nein“, antwortete sie, aber ihre Stimme war kaum mehr als ein Wispern.

Der Oberschüler begann zu strahlen und nickte ihr zu. Er beugte sich noch etwas weiter vor, als Ran sich räusperte und ihren Blick unsicher abwandte. „Da ist noch etwas. Ich möchte dir nicht die Überraschung verderben, aber du kannst das Kleid auch schon früher sehen.“

Shinichi stutzte, richtete sich etwas auf und betrachtete sie aufmerksam.

„Mama...“, sie konnte doch nicht allen ernstes erzählen, das sie ihrer Mutter von ihm vorgeschwärmt hatte und er dadurch zur Hochzeit eingeladen wurde. Das war doch peinlich, was würde er denn dann nur von ihr halten? „... und... eh... Ginzo und sie...“, und brach ab. Was sollte sie denn nur sagen, ohne ihre Gefühle preiszugeben? Grübelnd senkte sie den Kopf.

Shinichi beugte sich wieder vor. „Sie...“, hakte er langgezogen nach. Dabei runzelte er seine Stirn und versuchte einen Sinn in ihren Worten zu finden.

„Mama hat uns gesagt, wir dürfen eine Begleitung zur Hochzeit mit bringen.“ Erneut legte sich ein Rotschimmer auf ihre Wangen. „Möchtest du mich zur Hochzeit meiner Eltern begleiten?“

Shinichi begann zu grinsen. „Und dann sehe ich dich vor allen anderen in deinem neuen Kleid?“

Sie nickte lächelnd.

„Natürlich“, stimmte er zu und zwinkerte ihr zu: „Ich danke dir! Und keine Sorge, ich werde dich nicht vor deinen Eltern blamieren“, versprach er, woraufhin Ran kicherte. Gerade er, der immer so freundlich und rücksichtsvoll war, wollte sie nicht in Verlegenheit bringen. War er nicht süß? Ein Blick auf die Uhr und Shinichi fügte hinzu: „Wenn wir die Vorstellung nicht verpassen wollen, sollten wir jetzt reingehen.“ Er stand auf und reichte Ran seine Hand um ihr ebenso aufzuhelfen.

Ran starrte mit klopfendem Herz auf die Handfläche und legte ihre hinein. Als sich ihre Finger berührten, umschloss er sie fest und die Wärme seiner Haut ging direkt in sie über.

Sie lächelten einander an, dann zog er sie hoch auf ihre Füße.

Shinichi ließ ihre Hand nicht los und zog sie mit zum Kino. Am Eingang zückte er die Eintrittskarten und zeigte diese vor. Dann suchten sie nach dem Kinosaal und verschwanden zwischen zwei dicken Stahltüren in einen großen, dunklen, bestuhlten Saal.

Rans Herz klopfte die ganze Zeit wie wild. Seine Finger lösten ein angenehmes Kribbeln auf ihrer Haut aus und ließen die Schmetterlinge in ihrem Bauch fliegen.

Shinichi hielt sie die gesamte Zeit fest und führte sie zielstrebig in ihre Sitzreihe zu den auf dem Ticket notierten Plätzen.

Die Werbung begann und der Oberschüler beugte sich kurz zu ihr. „Ich hole uns noch schnell was zum Knabbern.“ Seine Finger lösten sich und im nächsten Moment verschwand er nochmals aus dem Saal.

Unsicher blieb Ran zurück, aber nicht lange, da kam er zurück drückte ihr eine Cola wie auch eine große Packung Popcorn in die Hände. Sie lächelte und beide konzentrierten sich auf die Leinwand, auf der eben auf die Hausregeln des Kinos hingewiesen wurde und anschließend den Film zeigte.

Beide nahmen sich abwechselnd immer wieder eine Hand voll Popcorn aus der Schüssel, tranken zwischendrin einen Schluck ihrer Getränke und lachten bei lustigen Szenen oder fieberten mit dem Hauptcharakter mit, wenn der wieder mal in eine verzwickte Situation rutschte. Während einer lustigen Szene, lachten beide mit den anderen Kinobesuchern laut auf. Sie griffen gleichzeitig ins Popcorn, spürten die Finger des anderen und hielten überrascht inne. Im nächsten Moment starrten sie sich mit großen Augen an.

Rans Herz tat einen gewaltigen, fast schmerzhaften Sprung. Sie errötete schlagartig und war dankbar um die Dunkelheit in diesem Saal.

Shinichi hielt ebenso erstarrt inne, doch dann drückte er kurz ihre Hand und zog seine dann wieder zurück. Er drehte sich der Leinwand zu und überließ ihr das Popcorn.

Unaufhörlich klopfte ihr Herz wie wild. Ihr Körper stand unter Strom und nur schwer gelang es ihr die Konzentration erneut auf den Film zu lenken.

Nach der Vorstellung verließen die beiden kichernd den Kinosaal. Die unabsichtliche Berührung ihrer Hände war schon fast wieder vergessen, als ihnen plötzlich Shiho über den Weg lief, natürlich in Begleitung von Akako. Die Beiden kamen aus einem anderen Kinosaal und lästerten über die schlechten Schauspielerqualitäten.

Wie erstarrt blieben die vier voreinander stehen und musterten sich gegenseitig überrascht.

Shiho fasste sich als erstes wieder. „Hey, Shin“, begrüßte sie ihn. Im nächsten Moment trat sie auf ihn zu und schlang ihre Arme um seinen Hals. Zur Begrüßung drückte sie ihm einen Kuss auf die Wange.

„Hallo, was macht ihr denn hier?“, hakte der Oberschüler überrascht nach und umfasste Shihos Handgelenke um diese kurz darauf von sich zu lösen.

„Vermutlich das gleiche wie ihr, nur in einem anderen Kinosaal“, stellte Akako fest und ihre Augen lagen sehr argwöhnisch auf dem Pärchen vor sich. „Seid ihr allein?“

„Ehm...“, versuchte Ran eine Antwort zu formen, aber Shinichi kam ihr zur Hilfe. „Ja, wir wollten eigentlich in einer größeren Gruppe gehen, jedoch sind die anderen abgesprungen.“

Ran stutzte. Warum log er die beiden Mitschülerinnen an? Schämte er sich mit ihr zusammen gesehen zu werden? Hatte sie sich wirklich mehr erhofft und mehr in diesem Abend gesehen als er? Zum ersten Mal bekam die rosarote Brille auf ihrer Nase einen Riss.

Akako, wie auch Shiho, schienen ihm nicht ganz zu glauben und musterten Ran für einen kurzen Moment mit düsteren Mienen. Doch einen Wimpernschlag später setzten sie wieder freundliche Masken auf. „Was habt ihr jetzt noch vor?“

„Ich...“, begann Shinichi, doch Ran ergänzte für ihn den Satz: „ich muss nach Hause.“

„Musst du etwa schon ins Bett?“, spottete Shiho.

Shinichi knurrte: „Lass das!“

Ran schüttelte den Kopf. „Nein, wir haben nur morgen einen Ausflug geplant. Wir starten ganz früh.“ Nun war es soweit gekommen, dass sie sich schon Ausreden und Lügen überlegen musste. „Ich muss jetzt los.“ Sie drehte sich Shinichi zu und rang sich ein Lächeln ab. „Wir sehen uns in der Schule.“ Mit diesen Worten drehte sie den dreien auch schon den Rücken zu und eilte zum Ausgang.

„Ran“, rief er ihr hinterher, aber da war sie schon verschwunden.

Sie rannte und rannte und kämpfte die aufkommenden Tränen nieder. Sie war so dumm, dumm, dumm. Wie konnte sie sich nur einbilden, Shinichi würde Interesse an ihr haben?! Irgendwann verlangsamte sie ihr Tempo und schlich tieftraurig, enttäuscht und verletzt durch die Straßen nach Hause. Vielleicht war es besser so. Lieber gleich die Wahrheit zu erfahren als sich monatelange etwas vorzumachen. Nur was sollte sie jetzt tun? Sie konnte unmöglich morgen mit ihm zum Filmabend gehen, auch die Einladung mit der Hochzeit und den Schulbällen stand noch im Raum.

„Ran“, rief Shinichi und im nächsten Moment umfasste eine Hand ihren Arm und hielt sie fest. „Bitte warte. Ich möchte dir das erklären.“

„Du brauchst mir nichts zu erklären“, antwortete sie und überraschenderweise klang ihre Stimme fester als sie es erwartet hätte.

„Ran, bitte hör mir zu“, seine Stimme überschlug sich fast aus einer Mischung von Verzweiflung und absoluter Ernsthaftigkeit. „Meine Worte haben dich verletzt und das tut mir sehr leid, aber wenn sie die Wahrheit gehört hätten, dann...“

„Was ist denn die Wahrheit?“ Unfassbar, hatte sie ihn das eben allen ernstes gefragt? Wie dumm war sie nur?!

„Na, dass wir zusammen ins Kino gegangen sind“, er stockte, wirkte plötzlich verlegen. „Also, dass... du... ich...“, er schluckte suchte scheinbar nach den richtigen Worten.

Ran verstand schon. Er sah in ihr einfach nur eine Mitschülerin, der er helfen wollte sich einzufinden. Aber tiefere Gefühle würde er ihr nie entgegenbringen. „Ist schon gut“, winkte sie ab. „Ich weiß schon was du mir sagen willst.“ Schlagartig trat eine Röte auf seine Wangen, aber es blieb von Ran unbemerkt.

„Du weißt es?“

Sie nickte in Gedanken versunken. „Ja, nur kann ich mir eines nicht erklären. Sie ist deine Exfreundin. Warum sagst du ihr nicht einfach die Wahrheit? Ein Abend unter Freunden sollte doch keine Probleme verursachen.“

Nun starrte er sie sichtlich verwirrt an. „Freunde?“ Sie blickte ihn an, leicht verzweifelt und verletzt, auch wenn sie es vor ihm zu verbergen versuchte, es entging ihm nicht. „Nein, Ran, du verstehst das vollkommen falsch.“

Warum war er nur so entsetzt als sie ihn und sich als Freunde titulierte. Waren sie nicht einmal das? Aber warum verbrachte er dann so viel freie Zeit mit ihr? „Ist schon gut, Shinichi, du musst mir nichts erklären. Ich muss jetzt nach Hause. Meine Mom dreht sonst noch durch vor Sorge.“ Sie ging weiter und glaubte fast, dass er nun auch nach Hause ging, aber zur ihrer Überraschung schloss er schnell auf und begleitete sie durch die dunklen Straßen Tokios.

Eine Weile sagten sie nichts, gingen schweigend nebeneinander her, jeder in seine eigenen Gedanken vertieft.

„Ich glaube nicht, dass du mich verstehst“, bemerkte er plötzlich in die Stille. „Hör zu, ich kenne Shiho inzwischen lange und gut genug um zu wissen, dass sie mich immer noch liebt und mich zurückhaben möchte.“

Ran setzte an etwas zu sagen, ließ es aber bleiben und ging schweigend weiter.

„Sie ist sehr eifersüchtig und sie ist zu Dingen fähig, dass kannst du dir nicht mal ansatzweise vorstellen.“

Nun stutzte sie doch. „Was für Dinge?“

Shinichi überlegte, doch dann sprach er: „Gefährliche Dinge.“

Ran blieb entsetzt stehen. Ihr wurde langsam kalt. Die Nächte kündigten bereits den Herbst an, was man gerne tagsüber vergaß, denn der Sonne gelang es immer noch alles auf warme Spätsommertemperaturen zu bringen.

Shinichi sah wie seine Begleitung fröstelte zog sich seine Jacke aus und legte diese um Rans Schultern.

Sofort sog sie Shinichis Duft ein. Die Wärme seiner Jacke hüllte sie wohlig ein. Ran versuchte sich nicht vernebeln zu lassen und lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Worte des Mitschülers. „Was hat sie getan?“

„Sie hat mal einem Mädchen gemeine Dinge angetan und am Ende sogar jemanden in Lebensgefahr gebracht. Natürlich konnte ich es ihr nicht beweisen und auch sonst niemand kann es bezeugen. Die es könnten hängen mit drinnen.“

„Wer hängt alles mit drinnen? Was haben sie denn getan?“

„Akako. Und Hitomi teilweise auch.“

Überrascht hielt Ran die Luft an. „Wer war das Mädchen?“

„Du kennst sie nicht, sie hat kurz darauf die Schule verlassen.“

Irgendwie beruhigte sie diese Aussage. Für einen kurzen Moment hatte sie angenommen er sprach von Aoko. Doch dann verstand sie den Sinn hinter seinen Worten. „Sie war... deine Freundin?“

Shinichi schluckte, senkte tief betroffen den Kopf. „Eine Mitschülerin, die mehr von mir wollte und es offen gezeigt hat.“ Er sah zu ihr. „Ich habe Angst, dass sie dir etwas antun könnten.“

Ran erstarrte. Deswegen diese Lüge? Um sie zu beschützen? „Shinichi...“

„Nein, hör zu. Egal was passiert, ich werde mein möglichstes Tun damit du nicht zur Zielscheibe wirst. Du bist mir sehr wichtig, Ran. Vielleicht schon fast zu wichtig“, gestand er leise.

Ihr Herz schlug wie wild in ihrem Brustkorb. Er tat das wirklich nur wegen ihr?

Er blieb plötzlich stehen und Ran sah ihr zu Hause, welches sie nun erreicht hatten. Shinichi blickte sie ernst an. „Bitte sei vorsichtig was du ihnen gegenüber sagst und halte dich am besten von ihnen fern. Ich habe ein ganz schlechtes Gefühl.“

Ran immer noch überwältigt von diesem Gespräch nickte langsam. „Okay.“

Shinichi versuchte sich an einem Lächeln, aber die Anspannung blieb. „Schlaf gut. Wir sehen uns morgen“, verabschiedete er sich und ehe sie realisieren konnte was er tat, beugte er sich schon zu ihr und legte für einen kurzen Moment seine Lippen auf ihren Mund.

Ein Feuerwerk wurde losgeschossen und innerlich begann sie zu kribbeln, während ihre Gefühle einen Vergnügungspark eröffneten. Langsam fielen ihre Augen zu, da war der Moment auch schon vorbei und Shinichi löste sich von ihr. Dennoch schwebte sein Gesicht ganz nahe an ihrem. „Das wollte ich schon seit der Party machen“, gestand er ihr leise und auf Rans Lippen legte sich ein Schmunzeln. Sie öffnete ihre Augen und blickte tief in seine. „Gute Nacht“, hauchte er ihr noch zu, drückte ihr einen kurzen sanften Kuss auf die Wange und schlenderte die Straße entlang.

Ran drehte sich um und starrte ihn fasziniert hinterher, während ihre rechte Hand sich an ihre Wange legte, und der Zeigefinger ihrer linken Hand an ihren prickelnden Lippen lag.
 

Aoko ging zur Hollywoodschaukel. Erstaunt stellte sie fest, dass diese sich leicht bewegte. Durch die Stofflage an der Rückseite war sie von dieser Seite nicht einsehbar. Ahnend wer darin saß trat sie auf die Vorderseite zu und stand ihrem ehemaligen besten Freund schräg gegenüber. Er wirkte absolut abwesend, sein Blick starr auf einen unbestimmten Punkt in die Ferne gerichtet. Er schien sie nicht einmal wahr zu nehmen. Sie nutzte den unbeobachteten Moment um ihn zu betrachten. In all den Jahren ist er zu einem attraktiven, jungen Mann herangewachsen. Seine braunen Haare wuschelig und unbezähmbar. Sein Gesicht schmal, die lange gerade Nase passte perfekt hinein. Seine dunkelblauen Augen, die ihr weiche Knie bereiten konnten, waren so klar wie der Ozean und konnten doch so manches mal zu einem Sturm werden und sie mitreißen. Seine Lippen, die ihren Verstand aussetzen ließen, rosig und schmal. Was hatte er nur an sich, dass sie sich zu ihm hingezogen fühlte? Warum nur konnte sie ihm nicht den Rücken kehren, ihn abweisen oder gar ihn komplett ignorieren? Sie wollte hier ihren Kopf ausrauchen lassen. Den gesamten Spätnachmittag hatte sie gelernt. Durch die Vorkommnisse in den letzten Tagen stand sie sehr oft vor dem Klassenzimmer und verpasste viel Unterrichtsstoff. Diesen musste sie nun bald aufholen. In einem halben Jahr standen die Abschlussprüfungen an.

„Gefällt dir was du siehst? Ich kann dir auch ein Foto machen, dann kannst du mich immer ansehen so oft und so lange du willst“, erklangen süffisant gesprochene Worte.

Hatte sie ihn die gesamte Zeit über angestarrt? Wann hatte er sie bemerkt? Warum hatte sie nichts bemerkt? Und als ihr bewusst wurde, was er eben gesagt hatte, trieb es sie zur Weißglut. „Bakaito, ich starre dich nicht an. Nur weil du glaubst unwiderstehlich zu sein, heißt das nicht dass alle anderen der gleichen Meinung sind.“

Er grinste selbstgefällig. „Ich glaube das nicht nur, sondern ich weiß es, Aoko. Und du weißt es auch, denn auch du kannst mir nicht widerstehen.“

Eine erneute Herausforderung und sie konnte nicht einmal etwas dagegen sagen. Es stimmte ja. Sobald er ihr näher kam, zog er sie in einen Bann. „Was machst du überhaupt hier?“

„Das könnte ich dich genauso fragen.“

Nachdenken, Abstand gewinnen und sich selbst verfluchen wären die passenden Antworten. Aber das ging ihn nichts an.

Er wartete noch einen kurzen Moment, erhoffte sich fast eine Antwort, doch diese blieb aus. Kaito nickte, stand auf und ging ein paar Schritte auf sie zu. „Ich muss jetzt los.“

Je näher er ihr kam, desto wilder schlug ihr Herz. „Wo musst du denn jetzt noch hin?“

Er schwieg. Sie standen sich gegenüber und blickten sich tief in die Augen.

„Warum können wir nicht mehr ehrlich zueinander sein?“ Eine Frage, die sie beschäftigte.

„Waren wir es denn jemals?“ Lautete seine Gegenfrage.

Beide sahen einander unschlüssig an, sagten nichts mehr. Mussten sich die Frage erst einmal selbst stellen, bevor sie eine Antwort darauf geben konnten.

„Ich muss jetzt wirklich los.“ Und mit diesen Worten verschwand er.

Aoko blieb zurück mit rasendem Herzschlag und absolut verwirrt. Würde er jetzt zu Akako gehen? Hatte er deswegen die Situation nicht für sich ausgenutzt? War es nicht das was sie die ganze Zeit wollte, sich wünschte und von ihm erwartete? Er sollte doch auf Abstand gehen und sie in Ruhe lassen. Aber dass er sie nun so abweisend behandelte verletzte sie. Warum tat er ihr so etwas an? Niemand würde doch eine Person, die man mochte, so behandeln, oder? Ihre Augen wanderten in den schwarzen von Sternen überzogenen Nachthimmel. Eine Antwort würde sie wohl auf all ihre Fragen vorerst nicht bekommen.

Kapitel XXIII - Filmabend

Ran klopfte zaghaft an die Türe ihrer Schwester. „Darf ich rein kommen?“

Aoko brütete erneut über ihren Unterlagen, doch schon drehte sich um und nickte ihr zu. „Klar.“ Dann stutzte sie. Irgendwas schien Ran zu beschäftigen. „Was ist los?“

Die braunhaarige Oberschülerin schloss die Türe und setzte sich auf Aokos Bett. Auch Aoko wechselte vom Schreibtisch zu ihrem Bett und setzte sich ihrer Stiefschwester in Spe gegenüber. „Shinichi hat mir gestern etwas erzählt und das will mir einfach nicht mehr aus dem Kopf.“

Überrascht und auch verwirrt schaute Aoko Ran an. „Wann hast du ihn denn getroffen?“

Plötzlich zog Ran ihre Augenbrauen hoch. „Ach ja, richtig, das hab ich dir ja nicht erzählt. Ich war nicht mit Sonoko im Kino“, gestand sie plötzlich verlegen.

Aokos Augen wurden riesig. Sie beugte sich verschwörerisch vor und flüsterte: „Eri weiß nichts davon?“

Ran schüttelte ihre Kopf. „Sie würde ihn zum Essen hierher bestellen. Das wäre peinlich. Zum einen ist er nicht mein fester Freund und zum anderen kann sie nicht mal kochen. Ich möchte ihn nicht ihn gleich zu Anfang vergraulen oder gar vergiften“ Sie sah das verständnisvolle Nicken und atmete erleichtert auf. „Jedenfalls haben wir gestern einen Film im Kino angesehen und im Anschluss trafen wir auf Shiho und Akako.“

Schlagartig bildete sich eine Sorgenfalte auf Aokos Stirn. „Gab es Ärger?“

„Nein“, antwortete Ran, sah aber nun Aoko verwundert an. „Wieso sollte es Ärger gegeben haben?“

Dieses Mal schüttelte Aoko den Kopf. „Nur so, ich bin immer etwas vorsichtig. Du weißt ja wie gut Akako und ich uns verstehen.“

Eine fadenscheinige Ausrede, aber vorerst akzeptierte Ran diese. „Shinichi erzählte mir von einem Vorfall in der Schule und Shiho wie auch Akako hätten da was ziemlich schlimmes angestellt.“

Aoko wurde blass. Hatte er Ran alles erzählt? Sie wusste kaum, was sie sagen sollte.

„Es gab damals ein Mädchen in der Schule, die wurde von Shiho und auch Akako fertig gemacht. Sie haben ihr wohl schlimme Dinge angetan, so dass sie danach sogar die Schule verlassen hatte. Kannst du mir sagen, was diesem Mädchen angetan wurde?“

Aokos Herz raste wie wild in ihrer Brust und erst am Ende von Rans Ausführung atmete sie erleichtert auf. Ihre Stiefschwester sprach nicht von ihr. Auch wenn sie damals selbst mit dem Gedanken spielte die Schule zu wechseln, blieb sie um den beiden keinen endgültigen Sieg zuzugestehen. Von dem besagten Mädchen wusste sie allerdings nichts genaues. Sie hatten ein paar Kurse zusammen belegt, aber nie etwas unternommen oder sich näher kennen gelernt. Plötzlich wechselte sie mitten im Schuljahr die Schule, aber sie wusste auch bis jetzt nicht dass es mit Shiho oder Akako zu tun hatte. „Nein“, antwortete sie. „Ich kann dir dazu leider gar nichts sagen. Frag doch Shinichi.“

Ran senkte den Kopf. „Er ist mir gestern ausgewichen.“

Aoko legte ihre Hand auf Rans. „Er wird es dir schon erzählen, da bin ich mir sicher.“ Sie lächelte aufmunternd doch dann zog sich ein breites Grinsen über ihr Gesicht. „Und ist etwas gelaufen?“

Mit großen Augen starrte Ran verlegen Aoko an. „Was soll denn da gelaufen sein?“

„Naja, so wie ich das sehe versteht ihr euch ja mehr als sehr gut.“

Ran errötete. „Er hat mich gestern geküsst.“

Freudig klatschte Aoko in ihre Hände und umarmte Ran glücklich. „Ich wusste gleich dass er auf dich steht. Gratuliere!“

„Wir sind nicht zusammen“, widersprach Ran sofort.

Aoko hingegen grinste nur: „Was nicht ist kann ja noch werden.“ Sie grinste. „Zumindest bietet sich für dich heute Abend die Möglichkeit Shinichi näher zu kommen. Dank dir muss ich nämlich meine kostbare Zeit mit Kaito verschwenden.“

Ein Seitenhieb, den Ran tonlos akzeptierte. Es war nicht fair von ihr. Sie wusste wie ihre Mutter tickte und sie wusste ebenso welche Worte sie verwenden musste damit diese Aoko dazu verdonnerte Ran zu begleiten.

„Ich weiß, aber du wirst es auch nicht bereuen“, versprach Ran.

„Ich bin mir da noch nicht so sicher“, murmelte Aoko und bekam wieder ein beklemmendes Gefühl.
 

Es war soweit. Unschlüssig folgte Aoko ihrer Schwester zum Nachbarhaus. Während sie vor der Tür warteten, zupfte Aoko nervös an ihrem Rocksaum herum. Zu viel ist in letzter Zeit zwischen ihr und Kaito vorgefallen. Besonders die letzte Begegnung am Vorabend hatte sie enorm verunsichert. Dieses abweisende Verhalten, obwohl er sonst immer in den unerwartetsten Situationen über sie hergefallen ist, traf sie schwer. Und darüber ärgerte sie sich sehr, denn das konnte nur eines bedeuten; Er hatte es geschafft sich erneut in ihr Herz zu schleichen und hatte auch damit die volle Verfügungsgewalt an sich genommen. Er konnte ihr Schmetterlinge bescheren oder Schmerzen zufügen. Sie hatte sich wieder einmal verletzlich und angreifbar gemacht und würde mit den Folgen leben müssen, wenn er ein absolut perfides Spiel mit ihr trieb. Wie würde er ihr heute begegnen?

Shinichi öffnete ihnen freudestrahlend die Türe und ließ die Mädchen eintreten. Überrascht sah er Aoko an und lächelte freundlich. „Schön dass du mit gekommen bist.“

„Ich bin nicht freiwillig hier“, konterte diese sofort.

Der Oberschüler blickte mit hochgezogenen Augenbrauen Ran an, die schief grinste, und führte die beiden Oberschülerinnen in Kaitos Zimmer. Der Hausbesitzer bereitete bereits sein Zimmer für den Filmabend vor. Der große Fernseher gegenüber seines Bett flimmerte. Knabbereien standen bereit.

Auch Kaito nahm überrascht Aoko wahr, die sein Zimmer in diesem Moment betrat. Bevor sie es sich aber gemütlich machen konnten, organisierte Kaito noch Getränke, während Ran und Shinichi sich um die Filmauswahl kümmern wollten. Gemeinsam gingen die drei ins Erdgeschoss, während Aoko alleine im Zimmer zurückblieb und von alten, verdrängten Erinnerungen heimgesucht wurde. Sie floh auf den Balkon an die frische Luft und musste erst mal ihre Gedanken sortieren.
 

Kaito deutete auf das Wohnzimmer, in dem sie eine große Sammlung an verschiedenster Filme in einem Wandschrank finden würden. „Sucht was aus, meine Mama hat jeden Film, der mal im Kino lief darin versteckt.“ Er selbst ging in die Küche und holte Gläser hervor, wie auch Getränkeflaschen und packte sich alles auf ein Tablett.

Ran öffnete einen Wohnzimmerschrank und staunte über die Filmauswahl. „Was wollen wir überhaupt anschauen?“, fragte sie Shinichi.

„Keine Liebesschnulze“, antwortete er sofort.

Ran kicherte: „Schade, Pretty Woman ist doch so ein schöner Film“, und deutete dabei auf eine DVD.

„Bitte nicht. Irgendwas mit Action.“

„Du meinst Baller-Baller-Filme oder wilde Autorennen?“ Ran schüttelte ihren Kopf. Sie überlegte, während sie mit ihren Augen den aufgereihten DVD-Titeln folgte.

Shinichi stellte sich neben sie und auch er überflog die ganzen Filmtitel.

Dann plötzlich hielten sie inne und jeder zog einen Film hervor. Nach einem Blick auf die beiden Filmtitel begannen sie zu lachen.

„Damit ist die Entscheidung gefallen. Es wird eine Komödie“, grinste Shinichi und begutachtete den Filmtitel von Ran. „Der Date-Doktor?“

„Der ist cool“, antwortete sie. Sie begutachtete seinen Film. „Der Kaufhaus-Cop?“

Shinichi grinste: „Der ist auch cool.“

„Welchen Film nehmen wir jetzt?“ Ran hielt ihm grinsend ihren Film entgegen.

Shinichi sah ihr in die Augen. „Lassen wir das Los entscheiden. Wenn ich gewinne wird mein Film genommen und wenn du gewinnst nehmen wir deinen.“

„Okay, und wie wollen wir losen?“

Er grinste plötzlich, schob die DVD, welche sie ihm immer noch vors Gesicht hielt, zur Seite und beugte sich zu ihr. „Wer zuerst aufgibt hat verloren.“ Und schon überbrückte er den kleinen Abstand zwischen ihren Lippen und fing sie in einen Kuss ein.

Rans Herz klopfte wie wild, als sie sah wie er sich zu ihr beugte und sie seinen Atem auf ihren Lippen spürte. Erwartungsvoll schloss sie die Augen und spürte kurz darauf seinen warmen weichen Mund, der sie zärtlich zu einem Kuss einfing. In ihr explodierte ein Feuerwerk und sie gab sich ganz dem wunderschönen Prickeln auf ihren Lippen hin und gab wenig später seiner Zunge den Weg frei und ließ sich auf sein Spielchen voll und ganz ein. Die beiden gaben sich voll und ganz ihren Gefühlen und diesem Moment hin.
 

Aoko stand auf dem Balkon und sog tief die frische Abendluft ein. Seit langer Zeit konnte sie den Ausblick zu ihrem Zimmer betrachten. Viel erkannte sie allerdings nicht. Das beruhigte sie ungemein. Nicht auszudenken wenn er spannen würde.

Kaito trat zu ihr hinaus in die Dunkelheit und drängte sich ganz dicht an sie heran. „Es hat sich nichts zu damals verändert. Und dank deiner dunklen Vorhänge kann ich eh nichts sehen.“

Sie erstarrte, nicht nur über seine plötzliche Nähe, der Balkon wäre ja groß genug und bot Platz um nebeneinander zu stehen, sondern auch über seine Aussage, als könne er ihre Gedanken lesen.„Haben sie schon einen Film gefunden?“, wich die junge Nakamori unsicher aus.

„Das kann noch etwas dauern. Sie knutschen.“

„Bitte?!“ Überrascht drehte Aoko sich um.

Er grinste: „Wir sind also ganz ungestört.“ Schon drängte er sie ans Geländer zurück.

Entsetzt, überrascht, überrumpelt starrte sie ihn an. Sie legte ihre Hände auf seine Brust und schob ihn von sich. „Lass das!“

„Du bist zu mir gekommen“, konterte er.

„Nicht freiwillig“, fauchte sie zurück. „Ich wurde von E-“, schon verschloss er ihren Mund mit seinen Lippen und hinderte sie am Weitersprechen. Er drückte sie ans Geländer und begann sie ungestüm zu küssen. Unnachgiebig drängte er seinen Körper an ihren und leckte mit seiner Zunge über ihren verschlossenen Mund. Sie weigerte sich standhaft ihm Zugang zu gewähren, darum schob er unvermittelt sein Bein zwischen ihre und rieb es gegen ihren Unterleib. Überrascht keuchte sie auf und diesen Moment nutzte er seine Zunge in ihre Mundhöhle zu schieben. Seine rechte Hand legte sich an ihre Hüfte und die andere verschwand unter dem dünnen Pulli an ihrem Rücken. Seine Finger strichen zärtlich über ihre Haut bis zur Wirbelsäule. Dann folgten sie dieser hinauf und wieder hinab.

Überwältigt von dem Prickeln, welches seine Finger an ihrem Rücken auslösten sowie seiner Begierde, löste sich ihr Widerstand. Sie verloren sich in diesem Kuss, bis die Zimmertür aufflog und Ran und Shinichi verliebt ins Zimmer platzten. „Aoko? Kaito?“

Blitzartig schob Aoko Kaito von sich und drehte dem Zimmer ihren Rücken zu. Sie versuchte ihren erhitzten Körper und die aufwallenden Gefühle unter Kontrolle zu bringen.

Auch Kaito musste sich erst wieder sammeln.

Sie drehte sich zur Balkontüre und ging nach einem letzten tiefen Atemzug ins Zimmer zurück. „Ich war kurz draußen“, antwortete Aoko leicht aufgewühlt.

Ran setzte sich schon mal aufs Bett, während Shinichi den Film einlegte. „Wir haben einen Film gefunden“, verkündete sie fröhlich.

Aoko rang sich ein Lächeln ab und setzte sich zu ihrer Schwester.

Kaito brauchte noch einen Moment länger sich zu sammeln, doch dann trat auch er ein. Er setzte sich zu Aoko aufs Bett, da die Mädchen in der Mitte des Bettes saßen und sich am Kopfteil anlehnten, blieben nur die beiden Seiten frei.

Sie lümmelten sich letztendlich zu viert in Kaitos großes Bett, was dennoch etwas eng wurde. Shinichi breitete eine Decke über Ran und sich aus, zog sie in seinen Arm und gemeinsam kuschelten sie sich aneinander. Auch Kaito und Aoko deckten sich mit einer Decke zu, versuchten aber dennoch etwas Abstand zu wahren. Sie starteten den Film und schauten gebannt in den Fernseher.

Erleichtert stellte Aoko fest, dass die beiden keinen Horrorfilm und auch keinen Liebesfilm mitgebracht hatten, sondern eine Komödie. Doch plötzlich spürte Aoko wie Kaito seine Hand auf ihr Knie legte und sie vorsichtig zu streicheln begann. Jetzt bereute sie es keine Hose angezogen zu haben. Sie hätte es besser wissen müssen. Dann bewegte er seine Finger zu ihrem Oberschenkel. Seine Berührungen jagten ihr einen Schauer über den Rücken und hinterließen eine Gänsehaut. Was für ein Baka. Sie spürte wie er sich ihr Bein hinauf arbeitete und wusste um sein überhebliches Grinsen, ohne das sie ihn überhaupt ansah. Na warte, dachte sie sich. Dieses Spiel konnte man auch zu zweit spielen. Auch ihre Hand setzte sich in Bewegung, aber ohne große Umschweife legte sie diese nahe seiner Leiste auf sein Bein. Würde sie ihren kleinen Finger etwas abspreizen dann könnte sie ihn an seiner Mitte berühren.

Dies schien auch ihm bewusst zu sein, denn augenblicklich hielt er inne, erstarrte regelrecht. So saßen sie erst einmal lauernd, wartend auf die Reaktion des anderen.

Ran und Shinichi waren voll und ganz auf den Film konzentriert und mit sich selbst beschäftigt, als dass sie von der Fummelei der anderen beiden etwas mitbekamen.

Kaito rührte sich nicht mehr. So beschloss Aoko ihn doch etwas zu Triezen. Sie bewegte ihren kleinen Finger und streichelte übers Hosentürchen. Überrascht stellte sie fest, dass die Hose prall gefüllt war. Nur wegen ihr? Sie runzelte die Stirn und blickte zu ihm auf und direkt in sein ihr zugewandtes Gesicht. Ihr Atem stockte. Seine Augen lodernden vor Lust und wären sie alleine, er wäre schon längst über sie hergefallen. Ein fieses Grinsen zeigte sich auf seinen Lippen, dann spürte sie wie einer seiner Finger über ihre Mitte streichelte.

Oh, sie sollten das sofort beenden.

Wie vom Blitz getroffen richtete Aoko sich auf, schälte sich aus der Decke und krabbelte aus dem Bett heraus.

„Was ist los?“, hakte Ran verwundert nach.

„Ich muss zur Toilette“, erklärte Aoko und verschwand aus dem Zimmer. Sie schloss die Türe hinter sich, und ging tief Luft holend zum Badezimmer. Sie wollte soeben die Badezimmertüre schließen, als diese im selben Moment aufgedrückt wurde und Kaito sich herein schob.

Kaum im Zimmer verriegelte er dieses. Schon umfasste er Aokos Gesicht und begann sie stürmisch zu küssen. Seine Hände fuhren ihren Körper hinab bis zu ihrer Hüfte und er drückte diese gegen seine.

Ein Keuchen entfloh ihren Lippen als sie seine Erregung an ihrem Bauch spürte. Er drehte sich mit ihr und drückte sie gegen die Wand ohne von ihren Lippen abzulassen.

Aoko verfing ihre Finger in seinen Haaren und verfiel diesem Kuss ohne Widerstand. Im nächsten Moment spürte sie seine Hände über ihren Po gleiten, hinab zu ihren Oberschenkeln. Ein Ruck und er hob sie an, schob sich zwischen ihre Beine und drückte sie fester an die Wand. Sofort verschränkte sie keuchend ihre Beine instinktiv um ihn. Aufgrund von akuter Atemnot, lösten sie sich voneinander, aber das hinderte ihn keineswegs daran sofort ihren Hals in Beschlag zu nehmen. „Ka... Kaito“, keuchte sie atemlos, spürte seine Lippen und Hände so intensiv, dass ihr ganzer Körper kribbelte. „Wir müssen zurück.“

„Jetzt noch nicht“, antwortete er berauscht.

„Niemals werden sie glauben, dass ich so lange auf Toilette bin. Es wird auffallen.“

„Wäre das schlimm?“

Die Drohungen geisterten ihr durch den Kopf. Shiros Worte kamen ihr in Erinnerung: Du bist ein Spielzeug für ihn. War sie das? Der Reiz des Verbotenen? War sie nur zum Stillen seiner Gier und Lust nach der körperlichen Nähe da? Emotional würden sie nie auf einen Nenner kommen. Das hat in der Mittelschule schon nicht geklappt, dann würde es in der Oberstufe erst recht nicht funktionieren. Außerdem betrog er jedes Mal Akako. Sie wollte nie so werden – ein Mädchen das einem anderen Mädchen den Freund ausspannte. Das schlechte Gewissen drückte schwerer als je zuvor. „Ja“, antwortete sie ernst.

Überrascht ließ er von ihr ab und suchte ihre Augen. Für einen Moment sahen sie sich stumm an, dann löste er sich von ihr und nahm Abstand ein. Er stopfte seine Hände in die Hosentaschen. „Ich kann dir aber nicht versprechen, dass sich so etwas nicht mehr wiederholt.“ Kaito drehte sich ohne ein weiteres Wort um und verließ das Badezimmer.

Ihr Herz klopfte wie wild. Das bedeutete er würde es wieder tun, sie könnte sich schon sehr bald in einer ähnlichen Situation wieder finden. Aoko fuhr sich verwirrt durch ihr Haar und musste sich wirklich erst mal wieder sortieren.
 

Ran blickte besorgt zur Türe. Zuerst war Aoko verschwunden und dann Kaito um Getränkenachschub zu holen. „Was hat Aoko? Sie wirkte etwas durcheinander.“

„Sie wird es dir erzählen“, sagte Shinichi überzeugt und hauchte ihr einen Kuss auf den Haarschopf.

Ran lehnte sich zurück und grinste zu ihm auf. „Ich muss träumen.“

Shinichi lächelte liebevoll. „Dann wird es wohl Zeit dich zu wecken.“ Schon beugte er sich zu ihr und fing sie in einen weiteren zärtlichen Kuss ein, den sie nur zu gerne erwiderte.
 

Aoko atmete tief durch, dann trat sie ins Zimmer zurück.

Sofort schreckten Shinichi und Ran auseinander.

Ein Lächeln breitete sich auf ihren Lippen aus. „Lasst euch von mir nicht stören“, grinste sie. „Macht nur weiter“, forderte sie die zwei Verliebten auf, aber die beiden erröteten nur und richteten die volle Aufmerksamkeit auf den pausierten Film.

Aoko krabbelte wieder unter die Decke und fragte scheinheilig. „Wo ist Kaito?“

„Er holt was zu trinken“, antwortete Ran.

Auch Kaito kam kurz darauf ins Zimmer zurück, reichte jedem ein Glas und schlüpfte ebenso wieder unter die Decke. Er behielt nun seine Finger bei sich, wie Aoko erleichtert und doch etwas wehmütig feststellte.

Gemeinsam sahen sie den Film noch zu Ende. Danach fachsimpelten sie über die flachen Witze, die Handlung und die schauspielerischen Fähigkeiten der Hauptcharaktere.

Aoko unterdrückte ein Gähnen. „Wir sollten langsam nach Hause.“ Sie half noch beim Aufräumen und brachte das benutzte Geschirr in die Küche und räumte dieses gleich in die Spülmaschine. Kaum war die Türe wieder geschlossen, wurde sie schon gegen die Arbeitsplatte gedrängt und spürte erneut Kaitos Lippen, die sie in einen tiefen Kuss zogen. Seine Hände stützten sich an der Arbeitsplatte ab, sein Unterleib drückte sich gegen ihren Bauch und erneut spürte sie wie hart seine Erregung war.

Sie fühlte seine Zunge, die ihre in einen endlosen Kampf zog. Das Blut rauschte ihr in den Ohren und ihr Herz pochte wild. Ihre Gefühle fuhren Achterbahn. Aoko war versucht ihre Hände in seinem Haar zu vergraben, da hörte sie Shinichi und Ran auf der Treppe und in den Flur treten.
 

Ran stand Shinichi gegenüber und blickte ihn mit großen erwartungsvollen Augen an. Ihr Herz klopfte wie wild und sie fühlte das dauerhafte Kribbeln in ihrem Körper. Dieser Oberschüler hatte ihr eindeutig den Kopf verdreht.

Shinichi rückte näher an sie heran, legte seine Hände an ihre Taille und beugte sich zu ihr vor. „Wir sehen uns morgen“, verabschiedete er sich leise, bevor er ihre Lippen zu einem weichen und sanften Kuss einfing.

Ran selbst spürte das warme Kribbeln und gab sich diesem wohligen Gefühl komplett hin. Ihre Hand lag auf Höhe seines Herzen und sie spürte es kräftig schlagen. Langsam lösten sie sich von einander und blickten sich verliebt an. Aber dann runzelte sie doch die Stirn: „Wo ist Aoko eigentlich hin?“

Wie aufs Stichwort trat diese aus der Küche heraus und ging an den beiden vorbei um sich ihre Schuhe anzuziehen.

Auch Ran zog sich ihre Schuhe an und wandte dabei Shinichi den Rücken zu.

Kaito trat ebenfalls ungesehen aus der Küche heraus und stellte sich neben seinem Kumpel.

„Bis morgen“, verabschiedeten sich die Vier voneinander.

Kapitel XXIV - Phase 1

Ran beobachtete Kaito und Aoko skeptisch. Wenn die letzten Tage schon seltsam waren, so war es heute beklemmend. Ihre Begleitung ignorierte sich heute nicht nur, es herrschte gewaltige Eiszeit. Aoko lief mit sturer Miene voraus, während Kaito mit zusammen gezogenen Augenbrauen absolut in Gedankenversunken neben Ran hertrottete. Gestern war doch noch alles harmonisch. Auch die Stimmung zwischen ihrer Stiefschwester und Kaito wirkte entspannt und Ran hätte fast geglaubt, dass sie bald zu viert etwas unternehmen könnten. Scheinbar hatte sie sich da doch etwas eingebildet. Jeder Versuch ein Gespräch zu beginnen scheiterte. Sie erhielt einfach keine Antwort. Nun freute sie sich umso mehr Shinichi gegenüber zu treten. Sofort schlug ihr Herz schneller, allein bei dem Gedanken an seinen Namen. Hitze durchfuhr ihren Körper und das aufregende Prickeln nahm sie voll und ganz ein. Sie hatte einen Freund – so richtig. Und wenn die Stimmung an diesem morgen nicht so drückend wäre, würde sie vor Freude in die Luft springen und tanzen.

Gemeinsam näherten sie sich dem Schultor. Mehr und mehr Schüler ihrer Schule kamen dazu und schon bald befanden sie sich inmitten einem fröhlich quatschenden Haufen Mittel- und Oberschüler. Nur sie liefen nebeneinander her, als wäre gerade eben ein geliebter Mensch gestorben.

Je näher sie dem Schultor kam desto aufgeregter schlug ihr Herz. Vorfreude pur breitete sich aus. Mit neugierigen Augen suchte sie die Schüler nach seiner Statur ab und ihre Finger wurden feucht. Sie konnte es kaum erwarten. Würde er allen zeigen, dass er nun in ihren festen Händen war? Würde er zu ihr stehen? Würde er sie vor der gesamten Schule küssen? Wollte sie das überhaupt? Oder sollten sie nicht lieber das ganze erst mal geheim halten? Unsicherheit legte sich um ihre Augenpartie und die Vorfreude wurde gedrückt. Doch dann entdeckte sie ihn. Er stand mit dem Rücken zum Schultor. Sofort verschwand die Unsicherheit und pure Vorfreude breitete sich aus. Ihr Herz hüpfte regelrecht und tausende von Schmetterlingen flogen durch ihren Bauch.

Aoko, die ihnen ein paar Schritte voraus ging, trat unbeeindruckt an Shinichi vorbei und ging ohne Gruß ins Schulhaus. Erst als Aoko vorbei war, drehte sich der Oberschüler und gab die Sicht auf Shiho frei, die ihm gegenüber stand.

Ran wollte ihm eigentlich um den Hals fallen, jedoch erfror ihr breites Lächeln und sie erstarrte regelrecht.

Shinichis Augen blitzten auf als er Ran sah, tat aber keinen Schritt in ihre Richtung. „Guten Morgen.“ Dann begrüßte er seinen Kumpel mit einem Handschlag. „Guten morgen, Kaito.“ Ein Grunzen folgte, das wohl den Morgengruß darstellte, und schon ging Kaito in Richtung Schulhaus weiter. Shinichi schloss sich ihm an.

Schockiert verharrte Ran und wusste in diesem Moment nicht einzuordnen, was sie von dieser Situation halten sollte.

Shiho stand ihr gegenüber, musterte Ran argwöhnisch, doch dann drehte auch sie sich um und folgte Shinichi, schloss zu ihm auf und hakte sich bei seinem Arm unter.

Fassungslos starrte Ran vor sich hin und in diesem Moment zerbrach etwas in ihr.
 

Aoko traf auf Keiko und gemeinsam gingen sie zu den Schließfächern. „Wie war dein Wochenende?“

„Frag lieber nicht“, antwortete Aoko. Wesentlich leiser fügte sie hinzu: „Ich muss verflucht worden sein.“

„Warum?“

„Kaito ist gestern über mich hergefallen“, gestand Aoko. Und nach einem kurzen Seitenblick in die weit aufgerissenen Augen, seufzte sie. „Und dumm wie ich war hab ich da mitgemacht.“ Sie schüttelte über sich selbst den Kopf und verfluchte sich selbst zum hundertsten Mal an diesem Morgen für diese Dummheit.

„Okay, das musst du mir nochmal erklären“, flüsterte Keiko, blickte sich schnell um ob sie belauscht wurden und drückte sich näher an ihre beste Freundin. „Ich versteh nämlich nicht, wann genau das passiert sein soll. Immerhin hältst du Abstand zu ihm.“

Aoko kramte in ihrem Fach nach den Büchern und ihren Notizen, aber sie fand sie nicht. Über ihre Schusseligkeit den Kopf schüttelnd, sah sie Keiko an. „Ran und ich waren gestern zum Filmabend bei Kaito. Und dann hat er mich geküsst, dann haben wir gefummelt und als ich ins Bad geflohen bin ist er mir gefolgt und über mich hergefallen.“ Sie konnte ihrer Freundin nicht mehr in die Augen blicken, darum durchsuchte sie nun ihr Schließfach erneut. „Und ich habe mit gemacht, ihn womöglich noch ermutigt.“ Sie hasste sich selbst, aber am allerschlimmsten war wohl seine Ankündigung: Er würde es jederzeit wieder tun. Es konnte überall passieren, womöglich dann wenn sie am wenigsten damit rechnete und alleine diese Vorstellung ließ ihre Knie weich werden und löste ein aufregendes Kribbeln in ihrem Bauch aus. Sie runzelte die Stirn und durchwühlte erneut das Fach. Wo waren nur ihre Schulbücher und die Notizen aus der letzten Stunde?

Keiko, die immer noch die Worte zu verarbeiten versuchte, bemerkte nun das es etwas nicht stimmte. „Alles in Ordnung? Was suchst du denn so intensiv?“

„Meine Hausaufgaben und meine Notizen sind weg. Auch meine Bücher sind nicht mehr da.“

Keiko runzelte die Stirn. „Hast du alles mit nach Hause genommen?“

Aoko überlegte, aber dann schüttelte sie den Kopf. „Nein, ich habe alles letzte Woche fertig gemacht und hier reingelegt.“

Unweit von ihr entfernt hörte sie eine ihr allzu bekannte Stimme und diese jagte ihr heiß-kalte Schauer über den Rücken. Vorsichtig blickte sie auf. Ihre Augen erfassten sofort die tiefblauen Augen. Ein undurchdringlicher Blick lag auf ihr und allein dieser ließ ihren Körper Feuer fangen. Ihr Herz schlug unruhig in ihrem Brustkorb und sie fühlte sich fast wieder wie damals, als ihre Affäre mit ihrem besten Freund begann.

Keiko beugte sich zu ihr und zwinkerte. „Er zieht dich mit seinem Blick regelrecht aus.“

„Hör auf!“ Aoko riss ihren Blick von ihrem ehemaligen besten Freund weg und sah ihre beste Freundin empört und verlegen an. Sie schlug ihr Schließfach zu und drehte Kaito den Rücken zu. „Das stimmt doch gar nicht. Wir hassen uns.“

Keiko kicherte. „Wenn du das sagst...“ Und schon ging sie den Schulflur entlang zu ihrem Klassenzimmer.

Aoko folgte ihr sofort und bemerkte wie sie sich Kaito näherte. Unsicherheit keimte in ihr auf. Um dieser seltsamen und unangenehmen Situation zu Entkommen rannte sie an ihm zielstrebig vorbei um ihre beste Freundin einzuholen. Seinen stechenden Blick spürte sie allerdings zu deutlich in ihrem Rücken.
 

Sport am Montagvormittag. Immer noch verstand sie nicht, wer den Stundenplan so einteilte. Sie öffnete die Türe zur Mädchenumkleide und stand Shiho gegenüber, die irgendwas hinter ihrem Rücken versteckt hielt. Unsicher wie sie sich nun verhalten sollte, musterte sie die Blonde aufmerksam. Die Begegnung am Morgen auf dem Schulhof hatte sie verletzt. Das Shinichi tatsächlich so tat, als wäre nichts gewesen, tat unglaublich weh. Und das er sie vor Shiho warnte um dann selbst mit ihr Arm in Arm in den Unterricht zu gehen verwirrte und verletzte sie zusätzlich. Mit traurigem Blick drehte Ran der Mitschülerin den Rücken zu und begann sich für den Sportunterricht umzuziehen.

Shiho hantierte hinter ihr, aber was sie tat war ihr eigentlich egal. Doch plötzlich sprach die Blondine sie an. „Wir haben heute draußen Sport.“

Unsicher sah Ran auf und direkt in die blauen Augen.

„Normalerweise wollen die Lehrer das immer vermeiden. Die Mädchen sind in der Sportkleidung zu sexy und könnten die Jungs aus ihrer Konzentration reißen. Und dennoch haben wir heute Weitsprung, Hochsprung, Laufen und Weitwurf auf dem Programm.“

Sie wusste nicht was Shiho von ihr erwartete. Daher nickte sie zu.

„Du bist früh und alleine. Bedrückt dich etwas?“

Ran schüttelte den Kopf: „Alles in Ordnung. Aoko ist noch zum Lehrer zitiert worden weil sie ihre Schulunterlagen und die Hausaufgaben vergessen hat.“

„Oh“, antwortete Shiho. „Das ist natürlich blöd.“

Und nun stutzte Ran über den eigenartigen Unterton. Das Mädchen ihr gegenüber zeigte kein Mitgefühl und keine Reue. Ein kurzer Blick über die Schulter zu dem Schrank, vor dem Shiho stand als sie eintrat, dann zogen sich ihre Augenbrauen zusammen. Skeptisch beobachtete sie die Mitschülerin, die zu ihrem eigenen Schließfach ging und sich nun auch umzog. „Und du bist auch allein?“ Shiho zog sich ihr Oberteil über den Kopf und Ran musste neidlos anerkennen, dass dieses Mädchen eine attraktive Frau ist mit schönen Rundungen. Kein Wunder also, wenn Shinichi sich doch für sie entschied.

Unbemerkt öffnete sich die Türe zur Umkleide der Mädchen.

„Akako und Kaito sind auf die Schultoilette verschwunden. Und Hitomi kommt nach ihrem Unterricht hierher“, antwortete Shiho und schlüpfte währenddessen in ihr Sportshirt. Erst als sie dieses komplett angezogen hatte, gingen ihre Augen zur Türe und funkelten.

Auch Ran drehte sich um und sah Aoko und Keiko in der Türe stehen. „Hey, ihr zwei“, sie sah ihre Stiefschwester an. Aoko wirkte niedergeschlagen. „Alles in Ordnung? Wie war es beim Lehrer?“

„Ich muss heute nachsitzen und darf alles aufholen.“ Schon trat Aoko ganz ein und ging zu dem Schließfach vor dem Shiho kurz zuvor noch stand. Sie öffnete den Schrank und holte ihre Sportsachen heraus. „Ich weiß dass ich alles fertig hatte und ich bin mir ganz sicher nichts davon mit nach Hause genommen zu haben.“

„Aber wenn die Unterlagen nicht in deinem Fach sind, aber auch nicht zuhause, wo sind sie denn dann?“, fragte Keiko grübelnd nach.

Ran beobachtete Aoko. „Du hast soviel gelernt am Wochenende. Schau doch einfach nochmal zuhause auf deinem Schreibtisch nach.“

Aoko seufzte. „Ist doch eh egal. Ich werde das heute nochmal machen müssen.“ Sie schlüpfte in ihre Hose, in das Shirt und zog sich die Schuhe an.

Erneut ging die Türe auf und Akako kam mit geröteten Wangen in den Raum. Sie kicherte und ging direkt zu ihrem Schrank.

„Und wie war es?“, hakte Shiho grinsend nach. Aoko, Keiko und Ran verstummten und wandten sich ihren Fächern zu.

„Oh, er lässt nach wie vor nichts anbrennen“, grinste Akako und zog sich ihre Schuluniform über den Kopf.

Ran blickte kurz zu der Mitschülerin und runzelte die Stirn. Würde Kaito das wirklich tun? In der Schule? Auf der Toilette? Sie entdeckte einen Knutschfleck knapp oberhalb des Brustansatzes. Ein weiterer am Schlüsselbein. Ihre Augen hüpften zu Aoko und Keiko, denen die Knutschflecke auch nicht entgangen sind.

Schon verließ Aoko die Mädchenumkleide. Ran sah ihr überrascht hinterher, denn es war eigentlich noch einige Zeit hin zum Unterricht. Schnell schlüpfte sie in die Schuhe und folgte Aoko. Auch Keiko beeilte sich nun und während die beiden die Mädchenumkleide verließen, füllte sich diese mit mehr und mehr Schülerinnen.
 


 

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Aoko starrte in ihren Schrank. Leer! Wie konnte das sein? Sie hatte immer alles in ihrem Schrank gelassen. Nur wo waren ihre Schulsachen?

Kaito trat neben sie. „Was ist?“

„Meine Unterlagen sind alle weg.“

„Wo sollen sie denn sein? Laufen können die Bücher wohl kaum.“

Aoko sah ihn sauer an. „Du machst dich über mich lustig?“

Kaito hob abwehrend seine Hände in die Luft. „Nein, nein, aber ich kann mir nicht erklären, wie sie aus deinem Schrank gekommen sind.“

Das Mädchen runzelte die Stirn.

Es klingelte zur Stunde und beide gingen in den Unterricht. Aoko versicherte dem Lehrer das sie die Bücher gleich in der Pause suchen würde. Dieser ließ sie mit einer Verwarnung davon kommen und sie setzte sich an ihren Platz.

Kaito rutschte näher an sie heran und schob sein Buch mit zu ihr. Dabei lächelte er sie zärtlich an.

Aokos Herz klopfte wie wild in ihrer Brust und eine angenehme Wärme breitete sich in ihrem Bauch aus. Sie erwiderte sein Lächeln und gemeinsam steckten sie die Köpfe zusammen um dem Unterricht zu folgen.
 

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Die Jungs der Fußballmannschaft durften wieder trainieren, während die anderen Jungs sich mit den Mädchen über den Platz verteilten um verschiedene Übungen zu absolvieren. Der Lehrer teilte die Laufgruppen für den 200m Lauf ein. Überraschenderweise immer zwei Läufer bestehend aus einem weiblichen und einem männlichen Teil um die Motivation der Mädchen zu fördern. Es waren schon einige Mitschüler um die Wette gelaufen.

Keiko, Ran und Aoko saßen in der Wiese und warteten auf ihren Aufruf, als Akako sich vor dem Lehrer aufbaute. „Ich kann aber nicht laufen“, versuchte sie ihrem Sportlehrer zu verklickern. „Ich bin heute schon sehr sportlich aktiv gewesen und wenn ich jetzt noch um die Wette laufen soll...“

„Ihnen muss aber klar sein, dass sich Ihre Sportnote durch das Verweigern nicht gerade verbessert.“

„Sie können mir doch trotzdem eine Eins in Jahreszeugnis schreiben. Dann ist doch alles gut und Sie sind mich los.“

„Eine Eins?“, Hakuba trat zu den Freundinnen und setzte sich neben Aoko in die Wiese. „Für was gibt es nochmal eine Eins?“

Aoko sah zu dem blonden Mitschüler und grinste. „Für die Ausrede hat sie die Eins auf jeden Fall verdient.“

Alle Vier kicherten, dann aber wurden sie aufgerufen. „Hakuba und Nakamori.“

Der Blonde stand auf und reichte Aoko die Hand um ihr aufzuhelfen. „Wir sind dran. Bist du bereit dich mit mir zu messen?“

Aoko grinste, ließ sich von ihm aufhelfen und zwinkerte: „Gegen mich hast du keine Chance.“

Beide gingen zum Start, bereiteten sich vor und lauschten dem Startsignal. Als dieses folgte, liefen sie los. Zuerst war Hakuba etwas voraus, doch auf die letzten Meter sammelte Aoko ihre gesamte Kraft und setzte zum Sprinten an. Sie hatte ihn fast überholt, als plötzlich ihr Schnürsenkel riss, der Schuh sich lockerte und sie ins Straucheln geriet. Mit einem entsetzten Aufschrei knickte sie mit dem Fuß um, stolperte und fiel Bäuchlings nach vorne. In Sekundenschnelle sah sie sich absolut unelegant auf dem Boden aufschlagen, kniff die Augen zusammen und wartete auf den harten Aufprall. Doch dieser blieb aus, stattdessen landete sie relativ weich. Überrascht öffnete sie die Augen. Ihr Herz raste noch von der Aufregung. Sie starrte in die braunen Augen von ihrem neuen Mitschüler, der unter ihr lag und sie fast besorgt musterte. „Hast du dir weh getan?“

Unter ihrer Hand spürte sie einen starken und dennoch weichen Brustkorb. Und erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie auf ihren Mitschüler gefallen war und ihn mit zu Boden gerissen hatte. „Ich bin weich gelandet. Und du? Hab ich dich verletzt?“

Er schmunzelte und schüttelte seinen Kopf. „Mir geht’s gut. Ich wusste nur nicht, dass du so ran gehst“, zwinkerte er und begann zu lachen. Aoko stimmte in sein ansteckendes Lachen ein und plötzlich stürmten sämtliche Mitschüler herbei und umringten sie.

Auch der Sportlehrer kam zu ihnen und kniete sich zu den beiden. „Habt ihr euch verletzt?“

Aoko schüttelte den Kopf und richtete sich auf, damit Hakuba ebenso aufstehen konnte. Sie wollte ganz aufstehen, als unter der Belastung ein stechender Schmerz durch ihren Fußknöchel jagte. Sofort sackte sie mit schmerzerfülltem Gesichtsausdruck wieder auf den Boden. „Scheinbar hab ich mir den Knöchel verknackst“, gestand Aoko nun doch.

Hakuba, der sich sofort aufrichtete, sah zum Sportlehrer. „Ich bringe sie zur Krankenschwester.“

Der Sportlehrer musterte ihn und nickte zu. „Danke, Hakuba.“

Der Blonde half Aoko auf die Beine und stützte sie, damit sie den Fuß entlasten konnte.

„Danke“, flüsterte die junge Nakamori und stutzte im nächsten Moment, als der Coach der Fußballmannschaft rief: „Kuroba! Hinamata! Kudo! Weiter! Augen auf den Ball!“

Überrascht sah sie zur Seite zum Fußballplatz. Wie magisch angezogen fanden Aokos Augen die tiefblauen Augen von Kaito, der wie immer ein gleichgültiges Gesicht zur Schau stellte und vor ihr seine innersten Gefühle und Gedanken verbarg.

Doch dann zog Hakuba ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Weg. „Nicht dafür!“

Kapitel XXV - Erkenntnis

Hakuba führte sie ins Schwesternzimmer. Aber die Schulkrankenschwester war gerade nicht da. Er half ihr auf das Krankenbett und zog schon mal Aoko den Schuh aus. „Was ist denn genau passiert? Ich hab dich nur Schreien gehört und dann bist du schon auf mich gestürzt.“

„Ich bin gestolpert“, antwortete Aoko. Besorgt musterte sie ihn. „Hast du dir auch wirklich nicht weh getan?“

Saguru lächelte. „Mir geht es gut.“ Sein Blick fiel auf den Schuh und als er diesen genauer betrachtete runzelte er die Stirn. „Tollpatschig bist du ja nicht gerade, oder?“

Aoko schüttelte den Kopf. „Eigentlich nicht“, murmelte sie. Sie zog sich ihre Socke aus und betrachtete das leicht geschwollene Fußgelenk.

„Dann muss es wohl daran liegen“, sprach Hakuba und zeigte ihr ihren gerissenen Schnürsenkel.

Überrascht betrachtete sie diesen. „Er ist gerissen.“

Hakuba nickte. „Aber nicht von allein.“

Sie sah in seine braunen Augen, die sie besorgt musterten. „Er wurde angeschnitten“, erklärte er noch und deutete auf eine bestimmte Stelle. „Normalerweise reißen Schnürsenkel nicht so leicht. Hier wurde nachgeholfen.“

Mit großen Augen sah sie ihn an und dann wieder auf die kaputten Schnürsenkel. Ihr Gehirn verarbeitete in Windeseile die Informationen, wusste sofort in welchem Zusammenhang alles stand, und dennoch wollte sie es nicht wahrhaben.

Hakuba setzte sich zu ihr auf die Liege und blickte sie eindringlich an. „Was ist damals passiert?“

„Nichts! Das ist lange her und längst vergessen“, wich sie aus und starrte nach wie vor den Schuh in ihrer Hand an.

„Ich kann dir aber nicht helfen, wenn ich nicht weiß womit wir es hier zu tun haben.“

Nun sah sie ihn an und ihre Augen nahmen einen kalten Ausdruck an. „Wir haben hier überhaupt nichts mit zu tun. Das ist meine Sache!“

„Nicht wenn sie dich in Gefahr bringen oder verletzen. Keiko sorgt sich um dich, genauso wie ich. Wir werden dich garantiert nicht allein lassen.“

Doch bevor Aoko überhaupt noch etwas sagen konnte, kam die Schulschwester in den Raum zurück und nahm erstaunt die Patienten wahr. Während sie sich Aokos Fuß ansah und dann verarztete berichtete Aoko, über ihren tollpatschigen Unfall während der Sportstunde.

Als die Schulschwester den Bericht fertig hatte und Aokos Fuß dick eingebunden war, klopfte es an der Türe. Ran und Keiko steckten ihre Köpfe herein. „Wir haben deine Schuluniform dabei“, sagte Ran und reichte Aoko diese.

Hakuba legte sich verlegen die Hand an den Hinterkopf. „Ich werde mich auch mal umziehen gehen. Sehen wir uns gleich in der Mittagspause?“

Die drei Mädchen nickten und der Oberschüler verschwand. Aoko konnte sich gleich im Schwesternzimmer umziehen und packte ihre Sportsachen ein. Diese würde sie nun mit nach Hause nehmen, besonders ihr Schuh brauchte dringend einen neuen Schnürsenkel.

„Was ist vorhin passiert?“ Ran betrachtete besorgt den eingebundenen Fuß.

„Ganz was blödes“, antwortete Aoko. „Mein Schnürsenkel ist gerissen und ich bin gestolpert.“

Keiko runzelte skeptisch die Stirn, doch Aoko winkte lässig ab. „Es ist alles in Ordnung. Das kann mal passieren.“ Ran und Keiko nickten zwar zustimmend, aber nicht überzeugt.

Die Mädchen verließen die Krankenstation. Auf dem großen Hof trafen sie auf Hakuba, der bereits geduscht und umgezogen auf sie wartete. Sie setzten sich in die Wiese und aßen. Ein angenehmes Gespräch entstand und Hakuba berichtete von seinem Samstagabend. „Ich habe deinen Vater kennengelernt, Aoko. Er war im Museum, in dem Kid zugeschlagen hat.“

Aoko nickte beiläufig. Ihr Vater erzählte kaum mehr etwas von seiner Arbeit. Seit ihre Mutter gestorben ist, machte er alles mit sich selbst aus. Jetzt hatte er Eri zum Reden.

„Du hast Kid gesehen?“, hakte Keiko neugierig nach, die ein riesengroßer Fan des Meisterdieb 1412 war. „Ist er wirklich so attraktiv wie im Fernsehen?“

Hakuba runzelte die Stirn und rollte genervt die Augen. „Er ist ein Dieb.“

„Dennoch ist er ein Gentleman.“

„Beruhige dich, Keiko“, mischte sich Aoko ein und grinste entschuldigend, allerdings fror ihr Grinsen ein, als sich eine ihr zu bekannte Person vor ihre Gruppe stellte und sie durchdringend ansah. Ihr Herz klopfte wie wild unter seinem Blick. Unauffällig atmete sie ein, sammelte sich und versuchte ihm ignorant entgegen zu blicken. „Was willst du hier?!“

Kaito ignorierte ihre abweisende Frage und nickte zu ihrem Fuß. „Wie geht’s dir?“

„Was geht dich das an?“

„Eine Menge“, erwiderte er höhnisch.

Überrascht sah die Mädchen den Oberschüler an, Hakuba allerdings mischte sich ein: „Du merkst doch dass sie nicht mit dir reden möchte.“ Ganz ruhig sprach er weiter, sein Blick hingegen sprach Bände. „Es ist besser wenn du jetzt gehst.“

„Und wer bist du, dass du glaubst dich hier einmischen zu müssen?“ Kaito kniff seine Augen zusammen, ließ aber nach wie vor nichts durch kommen. Sein Gesicht trug ein Pokerface und Aoko konnte nichts erkennen. Sie verstand seine Beweggründe einfach nicht und konnte es auch nicht erkennen.

Hakuba blickte ihm entgegen. „Ich bin ihr Freund, was man von dir nicht gerade behaupten kann.“ Pure Provokation.

Erschrocken starrte Aoko zu dem Blonden, dann zu Kaito, dessen Augen wieder so dunkel wurden, dass sie um Hakubas Leben fürchtete. Schnell stand sie auf, knickte aber unter der Belastung des Fußes wieder etwas ein. Sofort spürte sie an beiden Armen hilfreiche und stützende Hände. Überrascht sah sie auf von Kaito, der ihren rechten Arm hielt, zu Hakuba, der ihren linken Arm stützte. Mit der Hilfe der beiden Jungen konnte sie aufstehen und sich aufrecht hinstellen. Sie löste ihren Arm aus Hakubas Händen und schenkte ihm ein freundliches, dankendes Lächeln, ehe sie sich mit düsterer Mimik Kaito zudrehte. Nur langsam löste er seine Griff um ihren Unterarm. „Ich sage es dir zum letzten Mal. Lass mich in Ruhe! Ich will mit dir nichts mehr zu tun haben!“ Es war laut genug, dass jeder die Worte hören konnte der es auch wollte. Ihr entging auch keineswegs, dass die Augen der gesamten Schülerschaft auf ihr lag, weil sich die attraktiven Fußballer bei Aoko und ihren Freunden aufhielten. Sie hoffte so sehr, Kaito würde jetzt nichts unüberlegtes oder dummes machen. Immerhin wusste sie inzwischen wie er tickte und seine Worte kreisten immer noch in ihrem Kopf. Wenn er seine Drohung jetzt wahrmachen würde und sie vor allen einfach zu küssen begann, würde das Shiho und Akako in die Finger spielen. Sie könnte dann auch sofort die Schule wechseln, auch wenn Aoko diese Möglichkeit eigentlich nicht in Betracht zog. Kaito musste nun endgültig verschwinden und sie in Ruhe lassen. Ihr wurden absichtlich die Schnürsenkel angeschnitten, wer wusste schon zu was sie noch fähig waren. Ein eiskalter Schauer lief ihr über den Rücken, als sie an ein tragisches Erlebnis ihrer Vergangenheit zurückdachte und eine kalte Hand griff nach ihrem Herz. Das durfte nicht wieder passieren. „Bitte geh einfach und sprich mich nicht mehr an“, verlangte sie erneut, als er sie immer noch reglos anstarrte mit tiefsinnigen blauen Augen und einem undurchdringbarem Gesichtsausdruck. Sie wusste nicht was in seinem Kopf vorging, aber ihre Worte schienen Früchte zu tragen, denn er ging tatsächlich ohne ein weiteres Wort zu verlieren.

Shinichi blieb unschlüssig stehen, sah von Kaito zu Aoko, dann zu Ran. Ehe er sich entschließen konnte etwas zu sagen, sprach Ran: „Du solltest ihm nachgehen.“

Shinichi sah sie einfach nur an, dann nickte er langsam und folgte seinem Kumpel.

Ran sah ihm traurig nach und auch Aoko überzog ein melancholisches Gefühl. War es wirklich richtig wie sie sich verhalten hatte? Sie sah zu Ran und erkannte, wie diese sich zwischen den Stühlen gesetzt fühlte. „Es tut mir leid.“

Die Braunhaarige blickte auf und rang sich ein Lächeln ab. „Ist schon gut.“

Nur langsam wandten sich die Schüler wieder ab, dennoch war die Auseinandersetzung das Schulhofthema Nummer eins. Zumal immer öfter die Frage aufkam, warum Kaito überhaupt zu Aoko kam, wo er doch Akako hatte. Dass die beiden einstmals beste Freunde waren, hatten viele bereits vergessen oder sie wussten es nicht.
 


 

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Kaito half seiner besten Freundin suchen. Aber die Schulbücher waren nicht auffindbar. Verzweifelt lehnte sich Aoko an die Wand und ließ sich auf den Boden gleiten. Sie versteckte ihr Gesicht in ihren Händen und seufzte verzweifelt auf. Die Pause war fast um und sie wusste, dass es noch großen Ärger geben würde, wenn ihre Schulunterlagen nicht bald auftauchen würden. Was sollte sie nur machen?

Kaito hockte sich vor sie und legte seine Hände vorsichtig auf ihren Knien ab. „Aoko?“ Seine Stimme klang so besorgt.

Verzweifelt vergrub sie sich tiefer in ihren Händen. Am liebsten wollte sie ihn wegschicken und sich ihrer Verzweiflung und ihrem Ärger alleine hingeben.

„Aoko, hör zu!“ Seine Stimme klang eindringlicher, doch dann nahm er ihre Hände von ihrem Gesicht und suchte ihre Augen.

„Wozu?“, fragte sie entmutigt. „Ich bekomme riesigen Ärger und darf vermutlich noch die Kosten für eine Neuanschaffung tragen. Das ist nicht fair. Ich habe sie ja nicht verloren.“

Kaito schüttelte seinen Kopf, doch dann blickte er sie fest an. „Du bekommst meine Bücher.“

Mit großen geweiteten Augen sah sie ihn ungläubig an. Doch dann schüttelte sie den Kopf. „Das geht nicht“, sprach Aoko entsetzt. „Dann bekommst du den Ärger.“ Sie schüttelte den Kopf. „Nein, Kaito, ich bin schuld. Immerhin weiß ich nicht wo meine Bücher sind.“

Kaito schüttelte seinen Kopf und lächelte sie aufmunternd an. „Vertrau mir einfach.“ Aoko wollte widersprechen, ihm von dieser absurden Idee abhalten, aber er verstärkte den Druck an ihren Händen und sie hielt inne. „Ich bekomme keinen Ärger, versprochen!“

Und das beruhigte sie ungemein. Immer noch nicht ganz überzeugt, ließ sie sich von ihm aufhelfen, und folgte ihm zu seinem Schrank. Dort suchte er die Schulbücher für die nächsten Fächer zusammen und reichte ihr diese.

„Aber du“, wollte sie nun doch erneut einen Versuch starten, aber er schüttelte wieder den Kopf und grinste überheblich. „Meinem Charme können die Lehrer nicht widerstehen.“

Ein warmes Lächeln breitete sich auf ihren Lippen aus. Es war die richtige Entscheidung sich für ihre Freundschaft und somit für ihn entschieden zu haben. Auch wenn die Situation im Zoo nicht besonders toll war, so hatte sie ihm verziehen. „Danke!“

Er grinste: „Schon gut!“ Gemeinsam gingen sie in den Unterricht und Kaito versicherte glaubhaft dem Lehrer, alle Bücher zuhause vergessen zu haben, da er gelernt hatte.

Auch wenn der Lehrer fraglich und wenig überzeugt die Augenbrauen hochzog, so ließ er Kaito für den Rest der Stunde in Ruhe und erneut teilten sich Aoko und er die Bücher um gemeinsam dem Unterricht folgen zu können.

Am Ende eines langen Schultages, begleitete Kaito seine beste Freundin zu ihrem Schließfach und als diese die Türe öffnete staunte sie. In ihrem Fach waren fein säuberlich die Bücher wieder eingeräumt.

Kaito grinste zufrieden. „Siehst du, alles wieder da und ich hab keinen Ärger bekommen.“

Aoko lächelte ihn an und boxte ihm leicht gegen die Schulter. „Dass er dir diese Ausrede überhaupt geglaubt hat grenzt an ein Wunder.“

Kaito lachte. „Ich bin eben ein Argumentationsgenie.“

Aoko stimmte in sein Lachen mit ein und gemeinsam gingen sie nach Hause.
 

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Aoko humpelte den Gang entlang zu ihrem nächsten Unterrichtsfach, als sie an dem Musikzimmer der Schule vorbei kam. Plötzlich ging die Türe auf und sie wurde mit einem Ruck in das Klassenzimmer gezogen. Die Türe fiel ins Schloss. Zeitgleich wurde sie gegen die Wand gepresst. Ehe sie überhaupt etwas halbwegs realisieren konnte, starrte sie Kaito an, der sich zu ihr beugte und sie in einen wilden stürmischen Kuss einfing. Total überrumpelt schlug wieder mal ihr Herz bis zum Hals. Und das ihre Knie in seiner Anwesenheit schlagartig weich wurden half ihr nicht unbedingt in dieser Situation einen kühlen Kopf zu bewahren. Als er sich von ihr löste, polterte sie schon los: „Was soll das?!“

„Revier markieren!“ Sein Gesicht schwebte bedrohlich vor ihr, doch bevor die Worte richtig gehört wurden, überbrückte er den Abstand zwischen ihnen und fing sie erneut an zu küssen. Seine Hände blieben dieses Mal nicht untätig. Während eine sich in ihren Nacken legte um sie näher an sich zu ziehen, schob er seine andere unter ihren Rock und fuhr zärtlich ihren Oberschenkel hinauf.

Als ihr die Berührung eine Gänsehaut über die Haut jagte, versuchte sie sich von ihm loszumachen. Allerdings hielt er standhaft dagegen. „Ka...“. Ein erneuter Versuch: „Kaito!“

„Ich will dich“, raunte er fast unverständlich mit tiefer rauer Stimme und allein mit dieser Tonlage setzte er sie vollkommen unter Strom. Während er seine heißen Küsse auf ihrem Hals verteilte, wanderten seine Hände über ihren Körper und schob beide an ihre Schenkel. Als würde sie nichts wiegen, hob er sie wie am Vorabend an und presste sie erneut gegen die Wand, während sein Unterleib sich gegen ihren drückte und alleine diese Berührung ihr die Luft aus den Lungen stieß.

„Wir müssen in den Unterricht“, keuchte sie verzweifelt, wusste aber das ihr Widerstand schnell schmelzen würde. Warum nur konnte sie sich ihm nicht widersetzen, ihm die kalte Schulter zeigen, sich von ihm lösen und einfach gehen?

„Nicht bevor du mir sagst, was das zwischen dir und dem Neuen ist.“

Sie fühlte ihn, sein Duft umnebelte sie, Kaito hüllte sie komplett ein und es war schwer sich auf seine Frage zu konzentrieren. Nur langsam nahm ihr Hirn die Arbeit auf. „Bitte?!“

Zur Strafe biss er sie, was ihr einen quietschenden Laut entlockte. Er küsste nun die Stelle sanft und murmelte. „Keine Ausflüchte. Mir gefällt es nicht, dass er in deiner Nähe ist.“

Was?! Es gefiel ihm nicht?! „Wir sind Freunde“, brachte sie nur mühsam heraus, denn seine Lippen trieben sie schier in den Wahnsinn, während seine Worte sie absolut verwirrten. Mochte er sie doch?

Er löste sich und suchte ihren Blick. Er schien sie gründlich zu mustern, als suche er selbst nach der Wahrheit.

Sie nutzte den Moment um ihr Gehirn einzusammeln und versuchte endlich wieder vernünftig zu denken. „Was soll das hier überhaupt?! Hab ich dir nicht klipp und klar gesagt, dass du mich in Ruhe lassen sollst?“

„Du meinst das beeindruckt mich? Da kennst du mich aber schlecht.“

„Ich kenne dich überhaupt nicht mehr! Du bist mir so fremd wie nie zuvor“, hielt sie ihm enttäuscht vor. Seine Augen loderten wieder und ihr Herz zog sich unter diesem Blick sofort voller Vorfreude zusammen. Wie auf Kommando sammelte sich ein erwartungsvolles Kribbeln in ihrem Unterleib.

„Dann sollten wir das wieder ändern.“ Wie zur Bestätigung presste er erneut seine Lippen auf ihre und riss sie wieder in einen Strudel an Leidenschaft mit und dieses Mal fuhren ihre Finger in seinen Nacken und spielten mit seinem Haar. Im nächsten Moment setzte er sich mit ihr in Bewegung, ging ein paar große Schritte zum nächsten Schülerpult und setzte Aoko auf den Tisch ab, ohne jedoch den Kuss zu lösen. Stattdessen ließ er seine Hände ganz unter ihrem Rock verschwinden und massierte ihre Oberschenkel. Unaufhörlich rieb sich sein Unterleib gegen ihren und Aoko spürte wie feucht sie wurde. Ein klitzekleines Fünkchen Vernunft keimte auf. Das durfte nicht passieren. Sie musste die Notbremse ziehen, bevor sie willenlos alles mit sich machen ließ.

Seine Finger arbeiteten sich zu ihrer Mitte vor und strichen sanft und langsam über den Slip. Völlig ausgeliefert und um Fassung ringend spürte sie die intensiven Berührungen. „Du bist so bereit für mich“, brummte er an ihren Lippen und sie konnte das Schmunzeln förmlich spüren.

Sie biss sich auf die Lippen, warf den Kopf in den Nacken und kämpfte mit letzter Kraft gegen diese intensive und erregende Berührung. Da er sich nun mehr auf seine Finger als auf ihre Lippen konzentrierte, gelang es ihr den Kuss zu unterbrechen. „Spielst du mit mir?“

Er hielt schlagartig inne, suchte ihren Blick und versteifte sich regelrecht.

Aokos Vernunft gewann langsam die Oberhand zurück, sie sammelte sich, wartete auf eine Antwort und als keine erfolgte öffnete sie ihre Augen. Aufmerksam beobachtete sie ihren einstmals besten Freund. Er blieb stumm, sagte nichts und ein ungutes Gefühl verstärkte sich in ihrer Bauchgegend. „Hab ich Recht?“

Kaito sah sie ausdruckslos an, doch dann schüttelte er seinen Kopf. „Nein.“ Es kam nicht überzeugend rüber.

Aoko schluckte verletzt. Sie glaubte ihm nicht. Wut breitete sich in ihrem Bauch aus. Wut auf sich selbst und über ihre eigene Dummheit, wieder einmal auf ihn hereingefallen zu sein. Natürlich musste es so kommen. Absolut dämlich kam sie sich jetzt vor. Wie konnte sie auch nur glauben, er hätte wirklich Interesse an ihr? „Ist das irgend so ein krankes Ding, was du hier mit mir abziehst?“

„Nein!“, wiederholte Kaito und sein Blick loderte erneut.

Aber dieses Mal fiel sie nicht auf ihn herein. „Warum tust du das?! Warum tust du mir das an?!“

„Aoko... ich...“, stammelte er plötzlich, hielt aber inne. Etwas hatte seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Er zog seine Augenbrauen zusammen, setzte sich in Bewegung und eilte zum Fenster. Schnell war dieses geöffnet und er sah hinaus.

Aoko drehte sich auf dem Tisch, denn sie saß mit dem Rücken zum Fenster. Erst beobachtete sie ihn verwirrt, doch dann rutschte sie vom Tisch herab auf den Boden. Ein Schmerz zog durch ihren Fußknöchel. Sie biss die Zähne zusammen, ignorierte das schmerzhafte Ziehen. „Wenn du nur ablenken willst...“, fauchte sie ihn an.

„Nein, will ich nicht“, antwortete er. „Jemand war am Fenster. Ich habe einen Schatten gesehen.“

„Natürlich. Hör endlich auf mit deinen lächerlichen Spielchen“, forderte sie.

„Das ist kein Spiel“, knurrte er nun zurück. Seine Augen funkelten. „Verdammt, Aoko, jemand hat uns gesehen.“

Überrascht und absolut verwirrt sah sie ihn an. Und dann leuchtete ihr ein, dass es ziemlich dumm war erwischt worden zu sein. Die Drohungen ihr gegenüber nahmen eine andere Richtung an als damals und er war immer noch Akakos Freund. Traurig senkte sie ihren Blick zu Boden. Dann fasste sie sich. „Das wäre nicht passiert, wenn du mich in Ruhe lassen würdest.“ Sie warf ihm einen letzten vorwurfsvollen Blick zu, drehte sich um und humpelte aus dem Zimmer.

Kapitel - XXVI Gespräche

Shinichi fing Ran am Schultor ab, aber sie redete sich raus schnell nach Hause zu müssen. Sie verstand ihn nicht. Wenn sie ungesehen oder allein waren war er so nett wie immer, aber kaum stand jemand bei ihnen tat er so als würden sie sich kaum kennen. Es verletzte Ran und warum er sich so verhielt blieb ihr auch ein Rätsel. Natürlich hatte er sie vor Shiho gewarnt, aber zu was war sie denn schon fähig? Sie war ein Mädchen und keine Kriminelle. Mit ein paar Worten sollten sich Konflikte doch lösen lassen.

Nur solange Shinichi nicht offiziell zu ihr stand, würde sie ihm vorerst aus dem Weg gehen. Zumal Shiho nun vermehrt an Shinichi hing und ihm durch scheinbar unauffällige Berührungen zeigte, wie sehr sie ihn noch mochte. Ran seufzte traurig.

Kaito war auch noch nicht am Schultor und Aoko musste nachsitzen. Also ging Ran alleine nach Hause und würde den Heimweg nutzen um ihre Gedanken zu sortieren.

Sie mochte Shinichi sehr und sie hätte sich nicht auf ihn eingelassen, wenn sie ihm so egal gewesen wäre und sie wusste auch dass sie ihm nicht egal war. Wie konnte sie ihn nur davon überzeugen seine Ängste zu überwinden und sich zu ihr zu bekennen?

Ran betrat das Haus und lief Eri in die Arme, die aufgeregt schon im Flur auf sie wartete. „Na endlich, kommt wir haben einen Arzttermin.“ Sie schnappte sich schon ihre Handtasche und wollte los, als ihr auffiel das eine Tochter fehlte. „Wo ist Aoko?“

„Sie muss in der Schule noch...“ Ran schluckte. „Sie hat noch... einen... Kurs.“

Eri sah skeptisch aus. „Sie hat dazu nichts in ihrem Stundenplan stehen. Dann müssen wir sie eben an der Schule abholen. Der Arzt wartet nicht auf uns.“ Schon schob sie Ran zur Türe hinaus und zu einem schwarzen sportlichen Flitzer hin. „Steig ein und schnalle dich bitte an.“

Gesagt, getan. Während Eri den Motor startete, beobachtete Ran ihren Nachbarjungen, der nun auch nach Hause kam und wieder mal komplett in Gedankenversunken schien. Sie fragte sich was ihn so intensiv beschäftigte.

Die Fahrt dauerte nicht lange, da parkte Eri vor der Schule und stieg aus. „Mama?“ Ran sprang aus dem Auto. „Wo willst du denn hin?“

Eri drehte sich ihrer Tochter zu. „Aoko aus ihrem Kurs abholen.“ Und ehe Ran noch etwas sagen konnte, ging die Anwältin in ihrem Business-Kostüm über die Straße und trat durch das große Schultor auf den Hof.

Ran wusste nicht was sie tun sollte, denn sie war sich beinahe sicher, dass Eri über Aokos Nachsitzen nicht begeistert sein würde. Hin und her überlegend wackelte die Oberschülerin von einem Bein auf das andere Bein, schlug die Autotüre zu und folgte ihrer Mutter.

Kaum betrat sie das Schulgebäude fand sie ihre Mutter auch schon in einer hitzigen Diskussion mit einem Lehrer. Ran verharrte, denn so wie die Situation schien wurde Eri in diesem Moment über das ständige Zuspätkommens Aoko informiert und das sie keine Bücher und auch die Hausaufgaben nicht dabei hatte war nun das Tüpfelchen auf dem I.

„Sie können versichert sein, das Aokos Vater und ich mit ihr reden werden und sie sich ab Morgen wieder ordentlich und pünktlich am Unterricht beteiligen wird. Aber jetzt haben wir einen Arzttermin und ich werde meine Stieftochter sofort mitnehmen.“

„Frau Mori“, widersprach der Lehrer uneinsichtig. „Aoko muss lernen Konsequenzen zu tragen. Ich glaube Ihnen das dieses Thema ernst genommen wird, dennoch muss sie die Hausaufgaben nacharbeiten, die sie versäumt hat zu machen.“

„Herr...“, Eri wartete ab und sah ihr Gegenüber streng an.

„Hino“, antwortete der Lehrer seufzend.

„Herr Hino, ich verstehe Ihre Sichtweise und ich stimme mit Ihnen überein, das Aoko für die Versäumnisse im Unterricht gerade stehen muss. Dennoch haben wir einen unaufschiebbaren Arzttermin. Hätten Sie mich nach der Unterrichtsstunde informiert, so hätte ich diesen durchaus nochmal verschieben können, aber dafür ist es jetzt leider zu spät. Ich möchte Sie jetzt bitten mich zu Aokos Klassenzimmer zu führen, damit ich sie mitnehmen kann.“

Herr Hino unterdrückte sichtlich bemüht seine Verärgerung und sah ein, dass er gegen diese Frau nicht ankam. Ergebend führte er Eri durch die Gänge des Schulhauses und betrat wenig später das Klassenzimmer in dem Aoko alleine saß und die Hausaufgaben nachholte. „Du kannst nach Hause gehen“, sprach der Lehrer.

Überrascht blickte Aoko auf. Schon trat Eri in das Klassenzimmer und nickte dem Mädchen zu.

Schnell packte die Oberschülerin ihre Sachen zusammen und entschuldigte sich nochmals bei ihrem Lehrer. Dann schlüpfte sie an Eri vorbei, die sich Herrn Hino zuwandte. „Einen schönen Feierabend.“ Somit drehte sich auch die Anwältin um und verließ mit Aoko und Ran wenig später die Schule. „Wir reden später wenn dein Vater zuhause ist. Jetzt müssen wir zum Arzt.“
 

Absolut unwohl fühlte sie sich im Wartezimmer des Frauenarztes, zwischen Senioren und Schwangeren. Eri saß neben ihr und blätterte in einer Frauenzeitschrift und Ran zupfte an einem Faden an ihrem Rock. Warum noch mal waren sie hier? Ach ja, weil Eri der Ansicht war ab einem gewissen Alter vorzubeugen und sich Gedanken über die Verhütung zu machen.

Eine Arzthelferin rief die drei Frauen auf und Eri folgte ihr zielstrebig in das Büro der Ärztin. Ran und Aoko kamen ihr verunsichert hinterher und setzten sich auf die freien Stühle vor dem großen ordentlichen Schreibtisch. Nach einer weiteren kurzen Wartezeit betrat eine dunkelhaarige Ärztin den Raum. Sie war etwas älter als Eri und lächelte sympathisch in die Runde. „Frau Mori, schön Sie wieder zu sehen.“ Sie reichte Aoko und Ran die Hand und setzte sich an den Schreibtisch. „Ich bin Doktor Misako.“ Mit einem offenen Lächeln betrachtete sie die drei Frauen vor sich. „Was führt Sie zu mir?“

Eri lehnte sich entspannt in ihrem Stuhl zurück. „Meine Töchter sind siebzehn Jahre alt und werden schon bald die ersten sexuellen Erfahrungen machen. Ich möchte ungern den Männern den Part der Verhütung alleine übertragen. Welche Verhütungsmittel gibt es und was empfehlen Sie für die Mädchen?“

Während Aoko und Ran die Röte auf den Wangen stand bei Eris unverblümten Worten, nickte die Ärztin ernsthaft und erklärte die verschiedenen Verhütungsmittel, deren Wirksamkeit und Anwendung.

Absolut überfordert lauschte Aoko den Worten und betrachtete die Bilder, welche veranschaulichten wo genau das Verhütungsmittel zum Einsatz kam. Am liebsten wäre sie sofort aufgestanden und wieder gegangen.

„Bevor wir uns festlegen, möchte ich die Mädchen nacheinander untersuchen und noch einige Fragen stellen“, bemerkte die Ärztin und nickte Ran zu. „Möchten Sie beginnen, Ran?“

Ebenso unsicher nickte das angesprochene Mädchen und folgte der Ärztin aus dem Büro heraus in das angrenzende Untersuchungszimmer.

„Gehst du nicht mit?“, hakte Aoko überrascht nach, denn irgendwie ging sie davon aus, dass Eri dabei sein würde.

„Ihr seid alt genug“, antwortete die Anwältin unbeeindruckt.

Ein Stein fiel Aoko vom Herzen. Auch wenn sie nicht wusste was sie bei der Untersuchung zu erwarten hatte, so beruhigte es sie, dass sie diese ohne Eri machen würde. Es dauerte eine ganze Weile bis Ran in das Büro zurückkehrte und Aoko aufmunternd anlächelte. „Sie wartet auf dich.“

Ängstlich folgte Aoko der Richtung und betrat wenig später das Zimmer, in dem eine Liege stand. Darüber hing ein Monitor an der Decke. Ein Ultraschallgerät befand sich neben der Liege. Ihre Augen wanderten weiter und entdeckten den besagten Stuhl, von dem Keiko ihr bereits berichtet hatte. Ihre Freundin war schon vor ein paar Jahren das erste Mal beim Frauenarzt. Keikos Mutter hatte sie frühzeitig hingeschleppt. Da Aokos Vater sich jetzt nicht unbedingt in der weiblichen Materie auskannte, kam er auch bisher noch nicht auf die Idee sie zu einem Frauenarzt zu schicken.

Die Ärztin deutete auf einen kleinen Stuhl vor einem kleineren Schreibtisch und lächelte freundlich. „Du bist das erste Mal hier?“

Sie nickte eingeschüchtert.

Die Schwarzhaarige im weißen Kittel lächelte. „Zuerst werde ich dir ein paar Fragen stellen. Beantworte diese einfach so gut du kannst.“

Die ersten Fragen handelten um ihren Zyklus und in welcher Regelmäßigkeit er kam, ob sie schon mal eine Untersuchung im Krankenhaus hatte, ob irgendwelche Vorerkrankungen in ihrer Familie bekannt seien und wer ihr Hausarzt war. Doch dann kam eine Frage, auf die Aoko irgendwie so gar nicht vorbereitet war.

„Ihre Mutter ist sehr früh verstorben. Wissen Sie woran?“

„Sie hatte einen Unfall. Aber ich war noch zu klein. Mein Vater hat mir nie erzählt was genau passiert ist.“

Doktor Misako notierte sich etwas und stellte die nächste Frage: „Haben Sie einen Freund?“

„Nein“, antwortete sie errötend.

„Hatten Sie schon mal einen Freund?“

Wieder schüttelte Aoko den Kopf. Kaito war alles für sie, aber sicherlich nicht ihr fester Freund.

„Dann hatten Sie sicherlich auch noch keinen Geschlechtsverkehr“, mutmaßte die Ärztin, widmete sich gedanklich schon der nächsten Frage und blickte kurz auf. Der gequälte Gesichtsausdruck ließ die Gynäkologin stutzen. „Hatten Sie schon Geschlechtsverkehr?“

Aoko zögerte und war versucht zu lügen. Aber dann fragte sie sich ob das die Ärztin sehen könnte. Unsicher begegnete sie dem fragenden, aber nicht verachtenden Blick. „Werden Sie es Eri oder meinem Vater sagen?“

Die Ärztin faltete ihre Hände auf dem Tisch und betrachtete die Oberschülerin vor sich mit einem langen Blick. „Fräulein Nakamori, Sie können ganz unbesorgt sein. Alles was Sie mir hier erzählen unterliegt der ärztlichen Schweigepflicht. Zudem sind Sie nicht mehr minderjährig, so dass ich auch keinen Grund sehe Ihre Eltern in Kenntnis zu setzen.“ Sie wandte sich nun der zuletzt gestellten Frage: „Bitte antworten Sie ehrlich. Hatten Sie schon Geschlechtsverkehr?“

Aoko nickte.

„Wie alt waren Sie zu dem Zeitpunkt?“

„Fünfzehn“, antwortete Aoko und senkte verlegen den Kopf.

„Haben Sie damals verhütet?“

Aoko nickte. „Ja, mit einem Kondom.“

Die Ärztin nickte und notierte sich etwas.

„Sind Sie zur Zeit sexuell aktiv?“

Die intimen Momente mit Kaito schossen ihr durch den Kopf. Seine ausgebeulte Hose, die sich an ihren Unterleib rieb. Errötet schüttelte sie den Kopf. Auch wenn nicht mehr viel gefehlt hätte und sie sich Kaito heute im Musikzimmer ihrer Schule hingegeben hätte, so war sie seit damals nicht mehr mit einem Jungen so intim gewesen. „Nein.“

Die Ärztin betrachtete das verunsicherte Mädchen aufmerksam und nickte schließlich das Gespräch ab. Schon deutete sie auf einen kleinen abgetrennten Bereich. „Bitte unten freimachen, dann werde ich Sie jetzt untersuchen.“

Unsicher folgte Aoko der Anweisung und schlich auf Zehenspitzen wieder heran. Ihre Augen wichen zu dem seltsamen Stuhl und Unbehagen bereitete sich in ihr aus.

Doktor Misako lächelte aufmunternd. „Ich werde sie nur untersuchen und weh tun wird es auch nicht.“

Und die Untersuchung war wirklich nicht schmerzhaft und schnell überstanden. Aoko trat zu Eri und Ran zurück und Doktor Misako folgte ihr sogleich. Sie verordnete beiden Mädchen die Pille, die sie regelmäßig zur gleichen Zeit nehmen sollten und verabschiedete sich lächelnd.

Wenig später traten die drei Frauen aus der Arztpraxis heraus und Eri strebte noch kurz die kleine Apotheke an um die Rezepte einzulösen. Dann fuhren sie nach Hause und bereiteten zusammen das Abendessen vor. Pünktlich kam Ginzo nach Hause und die Familie aß gemeinsam zu Abend.
 

Eri schickte Ran und Aoko ins Wohnzimmer. Die Mädchen sollten dort warten bis sie und Ginzo den Abwasch fertig hatten. Die beiden saßen auf der Couch, wussten das Eri nun Ginzo über die Vorkommnisse in der Schule aufklären würden. Aoko zog ihren Kopf ein und seufzte.

Ran betrachtete sie sorgenvoll. „So schlimm wird es schon nicht werden.“

„Du hast keine Ahnung wie streng Papa sein kann.“ Aoko blickte plötzlich auf. „Was ist eigentlich mit dir und Shinichi?“

Rans Herz begann schmerzhaft zu ziehen. „Was soll schon sein?“

„Gestern wart ihr noch so verliebt und heute habt ihr euch gemieden.“

„Das stimmt doch gar nicht“, erwiderte Ran nicht besonders überzeugend und wunderte sich über die Auffassungsgabe ihrer Stiefschwester. So wirkte sie nicht sonderlich aufmerksam und selbst so mit ihren Gedanken beschäftigt. Sie hätte nicht erwartet das Aoko die schneidenden Begegnungen zwischen Shinichi und ihr tatsächlich wahrgenommen hatte.

„Du bist eine schlechte Lügnerin. Hat dir das noch nie jemand gesagt?“ Es klang nicht vorwurfsvoll und auch nicht böse. Einfach nur aufrichtig mitfühlend und besorgt.

Ran schüttelte den Kopf. „Er verhielt sich heute morgen schon so komisch und abweisend und den ganzen Tag hing Shiho an seiner Seite.“ Sie blickte zur Türe, um zu prüfen ob ihre Eltern schon kamen, aber die werkelten noch in der Küche. „Ich hatte gehofft, er würde sich zu mir bekennen.“

„Davon bin ich auch fest ausgegangen“, stellte Aoko fest und runzelte die Stirn. „Hat er dir einen Grund für sein Verhalten genannt?“

„Heute nicht, er hat ja kaum mit mir geredet.“ Sie klang verzweifelt und tief traurig, aber das wollte sie eigentlich nicht. Dennoch bereitete es ihr Kopfzerbrechen. Sein Verhalten irritierte und verletzte sie zugleich und auch wenn seine Gründe vielleicht sogar nachvollziehbar wären, so konnte sie mit dieser Situation nur schlecht umgehen.

Aoko lächelte aufmunternd: „Ich kann mit ihm reden, wenn du das möchtest.“

Ran schüttelte den Kopf: „Ist schon gut. Ich denke du hast genug um die Ohren.“

„Hast du Kaito schon gefragt, ob er weiß was mit Shinichi los ist?“

„Nein.“

„Immerhin sind die beiden Freunde. Er müsste das doch wissen“, bemerkte Aoko und versank nun selbst wieder in Gedanken.

„Sie reden nicht über Mädchen“, entgegnete Ran lapidar.

Aoko blickte überrascht auf, doch ehe sie nachhaken konnte betraten Eri und Ginzo das Wohnzimmer.

Ernst blickend setzten sich die Erziehungsberechtigten auf die Couch und musterten die Oberschülerinnen. Dann übernahm Ginzo als Herr des Hauses das Wort: „Ich muss euch nicht erklären, dass der Schulabschluss für euch immens wichtig ist. Ein schlechter Abschluss ermöglicht euch nicht so viele Chancen für eure Zukunft, wie ein guter Schulabschluss.“ Er räusperte sich. „Um einen guten Schulabschluss zu erreichen müsst ihr natürlich im Unterricht anwesend sein, lernen und gute Noten schreiben.“ Sein Blick der bisher zwischen den Mädchen umher wanderte, hielt nun bei Aoko an. „Das heißt es werden keine Stunden mehr versäumt, es wird nicht mehr zu spät in den Unterricht gekommen und von Nachsitzen will ich erst recht nichts mehr hören. Ich habe nichts dagegen, wenn ihr Lerngruppen bildet und am Nachmittag später nach Hause kommt. Aber sollten eure Lehrer noch einmal auf uns zukommen und uns berichten, dass ihr“, dabei sah er wesentlich kürzer zu Ran als zu Aoko. „... zu spät in den Unterricht gekommen seid, oder eure Hausaufgaben nicht gemacht sind oder ihr eure Bücher nicht dabei habt, dann könnt ihr euch sicher sein, dass ich euch persönlich morgens im Unterricht abgebe.“

Ran schluckte und nun verstand sie Aokos Aussage von vorhin viel besser. Sie glaubte ihm sofort jedes Wort und was konnte peinlicher sein, als vom Vater ins Klassenzimmer gebracht zu werden.

Doch war Ginzo noch nicht fertig mit seiner Ansprache. „Euer Schulabschluss wird in knapp einem halben Jahr sein. Ich erwarte, dass ihr dieses Ziel nicht mehr aus den Augen verliert.“

Beide Mädchen nickten und standen auf.

Ginzo sah Aoko an. „Setz dich bitte nochmal. Ich möchte mit dir unter vier Augen sprechen.“

Eri nickte, strich Aoko aufmunternd über das Haar und verließ das Zimmer.

Ran stutzte, wusste aber dass sie Aoko jetzt nicht helfen konnte und folgte ihrer Mutter aus dem Zimmer.

„Ich gehe ins Bett“, verabschiedete sich Eri für die Nacht und folgte der Treppe hinauf in das Obergeschoss. „Ich habe morgen einen wichtigen Termin vor Gericht und muss früh raus.“

„Gute Nacht, Mama“, flüsterte Ran. Und als Eri verschwand schlich sich Ran zurück zum Wohnzimmer. Auch wenn es sich nicht gehörte, lauschte sie an der Türe.

Ginzo sprach leise, so dass sie kaum ein Wort verstehen konnte, doch dann hörte sie Aoko sprechen: „Ich weiß nicht wo meine Bücher sind. Ich habe meine Hausaufgaben und die Bücher in mein Schließfach gelegt, aber alles war heute morgen nicht mehr da.“

„Wo sollen die Sachen sein? Bist du dir sicher dass du die Hausaufgaben nicht einfach nur vergessen hast und die Bücher noch auf deinem Schreibtisch liegen?“

Aoko sprach plötzlich sehr leise, doch dann wurde sie zum Ende hin wieder lauter. „...die Schließfächer sind nicht absperrbar. Jeder könnte etwas herausnehmen.“

„Gibt es denn einen Grund, deine Sachen einfach wegzunehmen?“

„Nein“, antwortete Aoko bedrückt. „Ich kläre das und ich werde meine Bücher finden.“

„Und warum kommst du ständig zu spät in den Unterricht?“

Aoko begann zu stottern, doch dann sagte sie nichts mehr.

„Wenn du Probleme oder Ärger hast, du weißt dass du jederzeit zu mir kommen kannst.“ Erneut ein Schweigen. Dann erklang wieder Ginzos Stimme. „Wenn du bereit bist es mir zu erzählen, dann bin ich hier.“ Es hörte sich resigniert an.

Ran lauschte, ahnte dass das Gespräch sich dem Ende näherte.

„Es tut mir leid, Papa.“

„Ich mach mir nur Sorgen um dich.“ Eine kurze Pause, dann sprach Ginzo erneut. „Was ist eigentlich mit deinem Fuß passiert?“

„Ein dummer Sportunfall.“

„Pass bitte auf dich auf, okay?“

„Ja, werde ich. Gute Nacht, Papa.“

Schnell schlich Ran sich von der Türe weg und huschte ungesehen ins Obergeschoss. Dort verkroch sie sich in ihrem Zimmer. Das Gespräch arbeitete in ihrem Kopf nach und sie wusste nicht so recht was sie mit den Informationen anfangen sollte.

Kapitel XXVII - Phase 2

Eine Woche war vergangen. Sieben Tage in denen Aoko ihre Schulbücher noch nicht wieder gefunden hatte. Stattdessen bekam sie in so ziemlich jedem Fach Ärger und extra Hausaufgaben auf. Es war so gemein, denn sie hatte die Bücher ja nicht absichtlich verloren, verlegt oder vergessen. Sie hatte bereits ihr ganzes Zimmer durchsucht – mehrmals, immer wieder in ihr Schließfach gesehen und hatte auch andere Schüler angebettelt, die ihre Spinde unmittelbar neben ihrem hatten, auch darin nach ihren Büchern sehen zu dürfen. Aber nichts. Sie hatte auch schon in sämtlichen Klassenzimmern nachgesehen, sogar auf dem Schulklo, aber ihre Bücher blieben unauffindbar. Eine Woche war vergangen und nun hatte sie gleich wieder Unterricht bei Herrn Hino. Dieser Lehrer hatte sie sowieso schon auf dem Kicker und freute sich immer diebisch, wenn er auf ihr herumhacken konnte. Dieses Mal hatte sie darauf geachtet die Hausaufgaben in ihrer Schultasche zu lassen. Wenigstens das konnte sie nun vorzeigen, wenn auch nicht die Bücher. Sie wusste ganz genau, dass es wieder Ärger gab und an den Ärger, der sie dann erst zuhause erwarten würde, sollte Herr Hino sich wirklich nach Eris Wunsch richten und sofort anrufen um über das Nachsitzen zu berichten, wollte sie erst gar nicht denken. Doch was sollte sie tun? Sie hatte keine Ahnung wo ihre Bücher versteckt sein könnten. Sie hatte zwar eine Ahnung wer dahinter steckte und wusste zu genau: Sollte sich das bewahrheiten würde sie ihre Sachen auch nicht finden. Es war so fies, so unsagbar ungerecht. Ihre Augen beobachteten den sich leerenden Schulflur.

„Hey, Ahoko.“

Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. Sie atmete tief durch, ehe sie ihrem Erzfeind entgegen blickte, der sich neben ihr aufbaute und sie hämisch angrinste. „Was willst du, Shiro?!“

„Warum so bissig? Darf ich meiner guten alten Schulfreundin nicht einen wunderschönen guten Morgen wünschen?“

„Wir sind keine Freunde“, knurrte Aoko abweisend und ging den fast leeren Schulgang entlang. Ihr verknackster Fuß war in der Woche sehr gut verheilt, so dass sie wieder normal laufen konnte. Natürlich bedeutete es auch, dass sie heute wieder am Sportunterricht teilnehmen konnte.

Shiro folgte ihr unaufgefordert und ließ es sich nicht nehmen wieder aufzuschließen und neben ihr her zu gehen. „Warum so eilig?“

„Wir haben Unterricht und sind knapp dran!“

„Ach ja...“, tat Shiro feststellend. „... richtig, du hast Herrn Hino und er kann dich ja nicht ausstehen. Zu dumm, dass du wohl wieder nachsitzen wirst.“

Aoko funkelte ihn böse an. „Spuck endlich aus was du von mir willst. Ich habs eilig.“

„Kannst du dir das nicht denken?“, forderte Shiro sie spöttisch heraus.

„Ich habe besseres zu tun, als meine Gedanken mit dir zu verschwenden.“

Plötzlich packte Shiro Aoko an den Schultern und schubste sie schwungvoll gegen die Schließfächer.

Durch den harten Aufprall zog ihr ein Schmerz durch die Wirbelsäule und sie sog scharf die Luft ein. Seine Hände lösten sich von ihren Schultern und platzierten sich direkt neben ihrem Kopf. Sie war eingeschlossen zwischen seinen Händen und seinem Körper. Ein düsterer Blick jagte ihr eine schaudernde Gänsehaut über den Körper. Sie schluckte ihre Angst und versuchte ihm unbeeindruckt entgegen zu blicken.

Er musterte sie gründlich, ehe sich ein fieses Grinsen auf seinen Lippen ausbreitete. „Oh Aoko, süße kleine Aoko“, so süffisant, spottend, intrigant, süßlich und zeitgleich so teuflisch in einer beängstigenden Mischung gesprochen.

Unsagbare Angst breitete sich in ihr aus, aber sie blieb stur und blickte ihm böse entgegen. „Was willst du?!“

„Dir ist immer noch nicht ganz klar, dass du auf der Abschussliste stehst. Und alle machen sie mit. Aber das willst du nicht sehen, nicht wahr?“ Er pausierte, ehe er sie schlagartig bitterernst ansah. „Ich muss dich nicht daran erinnern was das letzte Mal passiert ist, oder?“

Sie schluckte und ihr Herz begann schmerzhaft in ihrer Brust zu klopfen. Sie ahnte worauf er hinaus wollte. Aber er war doch damals nicht dabei gewesen, oder? Er hatte doch damit nichts zu tun gehabt, oder?

„Du willst ja einfach nicht hören. Immerhin haben es dir alle im Guten gesagt. Aber wenn du weiterhin so uneinsichtig bleibst, kann ich dir überhaupt nicht mehr helfen.“

„Pah, als wenn du mir helfen würdest“, fauchte sie sofort zurück.

„Na, na, na, jetzt wirst du aber gemein.“ Gespielt verletzt löste er eine Hand von dem Schließfach neben ihrem Kopf und drückte diese an sein Herz. Aber seine dunklen Augen leuchteten ihr gefährlich entgegen und zeigten ihr seinen wahren Charakter. „Du weißt es selbst, nicht wahr? Aber du willst es einfach nicht wahrhaben. Warum? Warum glaubst du es nicht endlich? Du solltest dir bewusst machen, dass sich alles wiederholen könnte. Denk an deinen Vater, klingelt's da bei dir? Es gäbe auch noch Keiko, Eri oder sogar Ran... möchtest du das wirklich verantworten?“

Aoko starrte ihn mit großen Augen an und nun konnte sie ihre Angst und Sorge um ihre Lieben nicht mehr verbergen.

Und Shiro ergötzte sich an diesem ängstlichen Blick und grinste fies. „Ich sehe wir verstehen uns“, sprach er noch, löste sich endgültig von ihr und verschwand in dem inzwischen menschenleeren Schulgang.

Aoko blieb immer noch erstarrt stehen. Ihr Herz raste immer noch so schnell in ihrem Brustkorb. Ihre Hände zitterten und ihre Knie waren weich. Das Klingeln der Schulglocke hatte sie schlichtweg überhört und sie war mal wieder zu spät. Es half alles nichts, sie würde Herrn Hino erneut ohne Bücher und zu spät unter die Augen treten. Und das Donnerwetter ihres Vaters, besonders nach dem gestrigen Gespräch, würde sie spätestens heute Abend erhalten. Seufzend drehte sie sich um, tat einen Schritt, als ihr ein offener Spind in die Augenwinkel stach. Es war der Spind direkt neben ihr, an dem Shiros Hand zuvor noch lag. Hatte er diesen geöffnet? Aber warum? Ein Hinweis? Aoko trat näher und blickte in den Schrank hinein. Er war sehr ordentlich eingeräumt. Man könnte auf eine Besitzerin schließen, wenn nicht dieses Foto in der Türe hängen würde. Erneut zog sich Herz krampfhaft zusammen. Zu genau kannte sie den Besitzer des Schließfaches und sie sträubte sich zu glauben was sie sah, aber alles sprach für sich. In diesem Schrank standen ihre Bücher. Unsagbare Traurigkeit übermannte sie, als sie ihre Hände ausstreckte um die seit einer Woche verschollenen Bücher herauszuholen. Immerhin würde es deswegen heute keinen Ärger mehr geben.

Ein Papier segelte plötzlich auf den Boden.

Nachdem Aoko ihre Bücher in die Tasche gepackt hatte, hob sie das Papier auf und drehte es um. Sie erstarrte. Es war ein Foto. Es zeigte sie selbst, lachend. Es wurde erst kürzlich aufgenommen, genauer gesagt vor einer Woche als sie mit Hakuba, Ran und Keiko in der Wiese saß, kurz vor dem 200m Lauf. Aber das war nicht das erschreckendste, denn sie wirkte ausgelassen und fröhlich auf diesem Bild. Das was sie so erschreckte war ein kleiner schwarzer Punkt. Ein einfacher kleiner Punkt in der Mitte ihrer Stirn aufgemalt. Ein schwarzes Loch. Die tiefere Bedeutung des Fotos erschloss sich ihr sofort.

Aoko wurde ganz blass. Ihre Augen konnten sich nur schwer von dem Foto lösen, doch sie musste es tun. Ihre Augen starrten auf den ordentlichen Spind und fielen dann wieder auf das Foto von Akako, welches in der Türe hing. Aber konnte es wirklich sein? Warum gerade Kaito? Steckte er mit ihnen allen unter einer Decke? Wieso tat er ihr das an? Was hatte sie ihm denn so schlimmes getan, dass er so mit ihr umging?

In ihrem Weltbild erschüttert, schloss sie mit fahrigen Fingern das Schließfach, packte ihr Foto in die Tasche und ging mit zittrigen Beinen zum Klassenzimmer. Sie klopfte an die Türe, betrat leichenblass den Raum und nach einem kurzen höhnischen Gruß ihres Lehrers, setzte Aoko sich dann auf ihren Platz. Überraschenderweise ließ Herr Hino sie aber die gesamte Stunde in Ruhe.
 


 

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Kaito verabschiedete sich in seinen Kurs, während Aoko ihm nachsah. Ihr Herz klopfte immer so angenehm und das Kribbeln in ihrem Bauch verstärkte sich mit jeder weiteren Minute, die sie mit ihm verbrachte. Sie liebte ihn, aber für ihn war sie nach wie vor seine beste Freundin. Nie ließ er sich anmerken, dass er mehr für sie empfinden könnte. Dabei wünschte sie sich doch nichts sehnlicher, als das Mädchen an seiner Seite sein zu dürfen. Die Berührungen, so unschuldig und doch freundschaftlich intim, konnten sie in andere Sphären katapultieren. Wenn er seinen Arm, natürlich rein freundschaftlich, um sie legte und mit ihr zu scherzen begann, brach das Gefühlschaos in ihrem Körper aus und sie meinte jedes Mal aufs neue dass er ihren rasenden Herzschlag spüren müsste. Aber selbst wenn er es merkte, so sagte er nichts. Nicht eine einzige Andeutung kam von ihm. Und so gab sie sich damit zufrieden einfach nur seine Nähe zu genießen, solange sie es konnte.

„Ich fasse es nicht... Aoko ist verliebt“, säuselte jemand süßlich.

Aoko blickte überrascht auf und versteifte sich sofort, als sie Akako und Shiho neben sich erkannte.

„Ja, er ist auch zu süß“, sprach Akako und musterte Aoko aufmerksam. „Zu schade, dass er nie mehr in dir sehen wird als eine Freundin.“

Shiho nickte. „Du hast keine Chance. Mal ganz ehrlich, wer verliebt sich schon in seine Sandkastenfreundin... Das ist ja nur dumm.“

Akako kicherte. „Nicht umsonst heißt sie ja auch Aho-ko. Nicht wahr Dummerchen? Du bist bei weitem nicht so schlau und verliebst dich prompt in deinen besten Freund. Ich muss dir ja wohl nicht erklären, dass diese Liebe von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist?“

Shiho nickte. „Das weiß doch jeder, dass das nichts wird.“ Plötzlich schwankte der Ausdruck in ihrem Gesicht ins eisige. „Aber vielleicht müssen wir dir es noch einmal genau erklären, weil du es irgendwie nicht verstehst?“

„Mag vielleicht an ihrem zu kleinen IQ liegen, dass sie es nicht versteht“, stimmte Akako mit ein.

„Für dich, liebe Ahoko, sagen wir es einmal klar und deutlich und denk dran es wird das einzige Mal sein: Vergiss ihn und halte dich von ihm fern.“

„Nein! Wir sind Freunde und ihr könnt da überhaupt nichts tun um das zu ändern“, fauchte Aoko wütend und stur.

„Ich glaube dir ist nicht ganz klar worum es hier geht“, stellte Akako mit eiskalter Stimme fest.

Shiho nickte. „Was wäre wenn irgendetwas schlimmes passiert? Du alleine wärst schuld.“

„Wie meinst du das?!“ Aoko blickte die beiden wütend an.

„Stell dir nur mal vor Keiko oder deinem Vater würde etwas zustoßen. Könntest du damit leben, Aoko?“

Akako grinste hämisch: „Du alleine wärst Schuld daran, weil du nicht hören willst.“

„Was habt ihr vor?!“

„Wir?“, gab Shiho entsetzt von sich. „Gar nichts, Süße!“

Akako nickte. „Wir fragen dich nur, kannst du mit der Schuld dann leben?“

Aoko ballte ihre Hände zu Fäusten.

„Du weißt was du zu tun hast, dann ist alles in Ordnung, aber wenn du weiterhin unbedingt an seinem Rockzipfel kleben willst...“, bemerkte Shiho und Akako nickte zustimmend: „Deine Entscheidung, probier es aus, wenn du uns nicht glaubst.“

Schon gingen die beiden kichernd den Schulflur entlang und ließen Aoko zurück.
 

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„Bist du sicher, dass es dir gut geht?“, bohrte Keiko zum wiederholten Mal nach.

Aoko nickte. „Und wenn du mich noch hundertmal fragst: Ja! Alles okay.“

„Du bist so blass. Ich mach mir Sorgen. Nicht dass du gleich in Sport umkippst.“

„So ein Quatsch. Mir geht’s gut, ehrlich“, beteuerte Aoko erneut und die beiden betraten die Mädchenumkleide, in der bereits die Mitschülerinnen sich für den Sportunterricht umzogen.

Nach und nach fanden sich die Mädchen in der Turnhalle ein und starrten auf den aufgebauten Parcours. Die Lehrerin deutete auf die aufgebauten Gerätschaften und erklärte: „Die Station 1 beginnt mit einer Rolle vorwärts über der dicken Matte, weiter zu Station 2 dem Stufenbarren. Elegant in die Stütze zum oberen Barren und eine Rolle und wieder hinunter. Es geht weiter zu Station 3, dem Trampolin, mit dessen Hilfe ihr über den Bock springt. Station 4 sind die Kästen. Ihr klettert die Kasten-Treppe hinauf und auf dem obersten Kasten schnappt ihr euch die Ringe und schwingt zum gegenüberliegenden Kasten und springt von dort hinunter. Dann klettert ihr bei der Station 5 die Sprossenwand hinauf und auf der anderen Seite hinunter und beginnt wieder mit Station 1. Noch Fragen?“

Die Mädchen verneinten und stellten sich in der Reihe an. Es gab eine Aufwärmrunde und ab dann wurden die Runden gezählt.

Zwei Oberschüler betraten die Turnhalle und sofort schritt die Lehrerin der Mädchen zu den beiden männlichen Eindringlingen um zu erfahren was sie denn hier zu suchen hatten.

Aoko stand gerade am Kasten an, als ihr eine zu bekannte Stimme ins Ohr drang. Und sofort stellte sich der süße schmerzhafte Stich in ihrem Herz ein. Sie wusste immer noch nicht warum ihre Bücher ausgerechnet bei Kaito im Fach waren und wieso er diese ihr nicht sofort zurückgegeben hat. Ihre Augen wichen zu Kaito, der ihrer Lehrerin erklären musste, warum er den Unterricht der Mädchen störte.

„Hier, Aoko“, sprach die Mitschülerin vor ihr und gab den Ringen einen Schubs.

Aoko fing diese auf, konzentrierte sich nun auf die Übung, denn sie musste von diesem Kasten zu dem gegenüberliegenden Kasten schwingen. Sie verstärkte den Griff um die Ringe und stieß sich ab. Sie spürte sofort wie die Seile unter ihrem Gewicht nachgaben. Ganz und gar nicht fest verankert, lösten sich die Ringe aus der Halterung und Aoko fiel unsanft aus einem Meter Höhe auf ihren Hintern. Die Ringe immer noch fest in den Händen haltend, saß sie nun auf der dünnen Matte zwischen den Kästen.

„Aoko“, kreischte Keiko entsetzt auf, die direkt hinter ihrer Freundin stand.

Sofort richteten sich alle Augen auf die Oberschülerin, die sich ihren schmerzenden Hintern rieb und misstrauisch die Ringe an dem lockeren Seil betrachtete.

„Hast du dich verletzt?“

Erstaunt über die bekannte männliche Stimme blickte sie nun auf und direkt in die besorgte braune Augen. „Saguru? Was machst du denn hier?“

„Kaito und ich sollten die Hütchen aus dem Materialraum holen. Wir haben das eben der Lehrerin erklärt, als du schon heruntergefallen bist.“

„Was ist passiert?“, mischte sich die Sportlehrerin mehr als besorgt ein, während sie sich die Ringe schnappte und sich die gesamte Konstruktion genau ansah.

„Hinagiku ist noch rüber geschwungen und bei Aoko hat das Seil nachgelassen“, erklärte Keiko der Lehrerin.

„Kannst du aufstehen?“, fragte Saguru wieder freundlich und reichte Aoko die Hand um ihr auf die Füße zu helfen.

Sie biss die Zähne zusammen und spürte bereits dass das Sitzen in den nächsten Tagen schmerzhaft würde. „Alles okay“, bestätigte Aoko schließlich als sie auf ihren Füßen stand.

„Ich versteh das nicht“, murmelte die Lehrerin. „Normalerweise hält die Verankerung und löst sich nicht so einfach von dem Haken.“ Ihre Augen folgten dem Seil bis zur Kette und schließlich ging sie zu den Haken an denen die Ketten verankert war und sich nicht lösen konnte. „Ich bin mir sicher, dass ich die Kette richtig befestigt habe. Zum Glück ist nichts schlimmeres passiert.“

Aoko blickte von Hakuba, der Stirnrunzelnd die Worte der Lehrerin vernahm, hin zu Ran, die neben ihr stand, weiter zu Keiko, die auf dem Kasten stand und ganz blass vor Sorge um die Freundin war, bis zu Kaito, der sie mit undurchdringlichen Augen beobachtete. Er stand immer noch an dem Platz, an dem sie ihn vorher im Gespräch mit der Lehrerin gesehen hatte.

Die Lehrerin befestigte die Ringe wieder auf die richtige Höhe und kontrollierte noch einmal die gesamte Verankerung. „Dieses Mal ist die Kette wirklich fest“, sagte sie laut und drehte sich der Klasse zu. „Aoko, du kannst dich erst einmal raus setzen. Alle anderen machen weiter!“ Und zu den beiden Jungen sprach sie: „Holt das was ihr braucht und dann raus hier.“

Hakuba nickte, ging zum entsprechenden Materialraum und holte sich ein paar bunte Hütchen heraus.

Kaito folgte ihm mit düsterem Blick, nahm sich ebenso die restlichen Hütchen und die beiden verschwanden wieder aus der Turnhalle, denn die Jungs hatten wieder einmal draußen Sport.

Aoko, die sich unter Schmerzen auf ihren Po setzte, entging keineswegs wie Kaito sie ansah. Und unter seinem Blick fuhr ihr ein erregender Schauer den Rücken hinab.

Kapitel XXVIII - Erwischt

Die Mädchen zogen sich um und verschwanden nach und nach in die Mittagspause. Aoko brauchte ein bisschen länger. Denn durch ihren Sturz tat ihr der Po weh und es war schon beschwerlich aus ihrer Turnhose herauszukommen. Sie hatte ihr Oberteil bereits angezogen und zog ihren Rock heraus, als Ran und Keiko sich auf die Bank setzten. Die drei waren alleine. Aoko wollte sich nun nicht die Blöße vor den Beiden geben und zugeben wie sehr sie dieser Anschlag traf. Und sie war sich sehr wohl sehr sicher das Akako und Shiho dahinter steckten. „Ihr könnt schon mal vorgehen. Saguru wartet sicherlich schon. Ich komme nach.“

Unsichere Blicke trafen sie, aber dann stimmten die beiden zu und verließen die Umkleide.

Aoko war nun ganz alleine, seufzte und betrachtete ihren Rock. Nun würde sie sich dem Anziehen widmen können. Eben hob sie ein Bein an, biss die Zähne zusammen, denn zu deutlich spürte sie das schmerzhafte Ziehen und sie ahnte bereits das sie einen Bluterguss haben musste. Sie schlüpfte auch mit dem zweiten Bein in den Rock.

„Ordentlich blau und sicherlich schmerzhaft.“

Sie erstarrte regelrecht, drehte sich mit weit aufgerissenen Augen um und musterte ihr Gegenüber argwöhnisch und erschrocken zugleich. Und erst jetzt fiel ihr ein, wie sie vor ihm stand. Schnell zog Aoko den Rock hoch. „Das ist hier die Umkleide der Mädchen“, stellte sie fest.

„Ich weiß“, antwortete der Oberschüler ihr ebenso trocken.

„Dann musst du zum Mädchen geworden sein“, überlegte sie immer noch misstrauisch.

Er schloss die Türe und trat zu ihr. Ein Schmunzeln auf den Lippen. „Wie kommst du zu dieser Annahme?“

„Letzte Woche hast du dich auf die Mädchentoilette verlaufen, heute in die Mädchenumkleide. Nächste Woche ziehst du dann Mädchenklamotten an?“ Mit Argusaugen beobachtete sie wie er sich ihr näherte und eine halbe Armlänge vor ihr zum Stehen kam.

„Interessante Theorie“, stellte er fest. Er lehnte sich mit seiner Schulter an die Schließfächer, verschränkte seine Arme vor der Brust und sah sie aufmerksam an. „Ich kann diese nur nicht ganz nachvollziehen.“

Aoko hob ihre Augenbrauen an. „Du stehst hier vor mir, was verstehst du daran nicht?“

„Das hat ganz gewiss andere Gründe. Wie meinst du das mit der Toilette?“

Aoko wurde sauer über diese Arroganz und gespielte Unwissenheit. Sie drehte sich ihrem Fach zu und holte ihre Schuhe heraus. Nun müsste sie nur noch ihre Turnschuhe ausziehen und in die anderen Schuhe schlüpfen. Wenn ihr Hintern nur nicht so weh täte. Sie versuchte von ihrer gegenwärtigen Lage abzulenken und sich auf den Eindringling zu konzentrieren. „Muss ich dir jetzt wirklich erklären, was du auf einer Mädchentoilette zu suchen hast? Du warst doch dort und ganz gewiss nicht alleine.“

Er runzelte die Stirn. „Ja, das musst du mir erklären.“

Aoko blickte in das so vertraute Gesicht. Er schien wirklich nicht zu wissen worauf sie anspielte. Dieser blöde Bakaito! Warum nur tat er so unschuldig und unwissend und wieso war er überhaupt hier? „Dein Stell-dich-ein mit Akako muss ja wahnsinnig toll gewesen sein, wenn du dich überhaupt nicht mehr daran erinnerst.“ Sie bückte sich um ihre Schnürsenkel zu öffnen, spürte das schmerzhafte Ziehen und stöhnte kurz auf. Dieser blöde Sturz!

Plötzlich kniete sich Kaito vor sie und öffnete geschickt die Schnürsenkel. Im nächsten Moment umfassten seine warmen langen Finger ihren Fußknöchel. Er gab den Impuls das Bein etwas anzuheben und als sie diesem nachgab, zog er ihr den Schuh vom Fuß.

Mit großen Augen starrte sie ihn sprachlos an, beobachtete seine Bewegungen und spürte seine Hände zu deutlich. Seine Hand schnappte sich ihren Schuh und hielt ihr diesen an ihren Fuß. Er half ihr in den Schuh. Ohne ein weiteres Wort half er ihr auch beim anderen Fuß. Sie fühlte sich wie Cinderella. Sofort schüttelte sie über diese verrückte und surreale Situation den Kopf.

Kaito blickte plötzlich auf und sah sie mit seinen klaren, blauen Augen direkt an während Aoko glaubte er könne in ihre Seele sehen. „Ich war mit Akako nicht auf der Mädchentoilette.“

„Und jetzt lügst du auch noch“, behauptete sie blitzartig. Das durfte doch nicht wahr sein. Warum konnte er nicht einmal ehrlich zu ihr sein. Dass er immer noch vor ihr kniete, sie dabei verwirrt und überrumpelt ansah, wollte sie nicht wahrhaben. „Natürlich streitest du es ab. Und gleich wirst du mir noch sagen, dass du nichts mit dem Verschwinden meiner Bücher zu tun hast.“

Nun zog er gänzlich seine Augenbrauen zusammen. „Was soll ich mit deinen Büchern?“

„Hab ich es nicht gewusst“, schimpfte Aoko drehte sich ruckartig ihrem Schrank zu und holte sich ihre Sporttasche heraus. Kaito stand auf, während zeitgleich Aoko ihren Schrank zuschlug. „Immer wenn du den Mund aufmachst kommen Lügen heraus“, fauchte sie ihn an. „Wie konnte ich nur so dumm sein“, schimpfte sie mehr zu sich selbst.

„Aoko.“

„Nein, vergiss es einfach. Lass mich einfach in Ruhe und komm mir nicht mehr zu nahe!“ Bevor sie gehen konnte, drückte Kaito sie mit dem Rücken an die Schließfächer. Anders als es Shiro an diesem Morgen getan hatte, war er vorsichtig und darauf bedacht sie nicht zu verletzen. „Lass mich gehen“, verlangte sie sofort, als ihr seine Nähe allzu bewusst wurde und sie sich mächtig unwohl fühlte. Besonders ihre Gefühle spielten ihr einen Streich und ein erwartungsvolles Ziehen in ihrem Magen breitete sich aus. Ihr Verstand sträubte sich noch, was ihr Herz sehnlichst wünschte und bereit war es sich selbst zu holen, wenn er es ihr nicht von sich aus geben würde.

„Das kannst du vergessen“, erwiderte er. „Nicht bevor du mir das erklärt hast.“

„Ist doch egal, schließlich hast du ja damit nichts zu tun“, knurrte sie wütend und innerlich so zerrissen. Die Sehnsucht nach ihm und seinen Lippen trieb sie fast um den Verstand und die Wut über seine dreisten Lügengeschichten brachten sie beinahe zur Weißglut.

„Es geht hier um etwas das ich getan haben soll“, erwiderte er und seine Stimme schlug um in die absolute Verärgerung „Das wirst du mir jetzt erklären! Vorher lass ich dich nicht gehen und es ist mir egal ob wir den Nachmittagsunterricht verpassen!“

Sie gaben sich einem Blickduell hin. Ihre Gesichter schwebten nah beieinander und dennoch weit genug auseinander um eine ungewollte Berührung zu vermeiden.

„Was muss ich da noch erklären? Meine Bücher sind vor einer Woche verschwunden und heute fand ich sie in deinem Schließfach! Dass ich jeden Tag deswegen Ärger bekommen habe, wird dir sicherlich klar sein, ebenso wie ich wegen dir immer zu spät in den Unterricht komme“, polterte sie wütend los, aber der Frust in ihr klang noch lange nicht ab. „Und dass du es so nötig hast, Akako auf der Schultoilette zu nehmen, hätte ich nicht geglaubt. Überhaupt hätte ich nie von dir gedacht, dass du mal zu so einem Typen wirst. Aber was rede ich da. Ich hab dich ja nie wirklich gekannt. Als wir kleine Kinder waren, da wusste ich noch wer und wie du bist, aber das ist sehr lange her.“

Kaito sah sie an, hörte ihre Worte und sagte nichts.

Aoko suchte in seinen blauen Augen nach Antworten, nach der Wahrheit, aber sie konnte nichts finden. Enttäuscht und verletzt schloss sie ihre Augen um ihn nicht mehr sehen zu müssen. „Was hab ich dir nur getan, dass du mich so behandelst“, murmelte sie.

„Du hast mir den Kopf verdreht“, gestand er ebenso leise.

Aoko öffnete ihre Augen und sah ihn ungläubig an. „Ja, klar“, spottete sie. Nein, diese Worte konnte sie nicht glauben. Nicht nach allem was geschehen ist. Nicht nach allem was zwischen ihnen war und ist. Es gehörte zu seinem Spiel, zu seinem Vorhaben, was auch immer er damit bezweckte, aber er sprach nicht die Wahrheit.

„Ich habe deine Bücher nicht genommen und bei mir versteckt, Aoko! Ich wusste nicht einmal davon.“

„Klar.“ Sie schnaubte.

„Ich sage die Wahrheit. Ich weiß nicht was sie in meinem Fach gemacht haben oder wie sie da rein kamen, aber ich habe deine Bücher nicht in meinem Fach versteckt.“

So eindringlich, beschwörend, als wäre es ihm wichtig, dass sie ihm glaubte. Aber Aoko konnte es nicht. Jedoch schnitt er nun das Thema an, welches ihr näher ging als es sollte. Es hatte sie letzte Woche ziemlich verletzt, auch wenn sie es ungern zugab.

„Und ich war nicht mit Akako auf der Toilette. Ich habe sie nicht geküsst oder gar ein Stell-dich-ein mit ihr dort gehabt.“ Formulierte er es mit ihren Worten. „Auch wenn du glaubst ich wäre ein notgeiler Idiot, solltest du folgendes wissen: Ich kenne weitaus bessere Orte als das Schulklo.“

Sie wollte es ihm glauben, konnte es aber nicht.

Und er schien das zu merken. „Ich kann es dir nicht beweisen, aber ich bin in beiden Punkten der Anklage unschuldig.“

Sie schüttelte den Kopf und schloss betroffen die Augen.

„Du bist mir sehr wichtig“, gestand er.

Sie spürte seinen Atem. Im nächsten Moment senkten seine Lippen sich auf ihre und seine Hände umfassten ihr Gesicht. Ihr Herz zog sich freudig zusammen und warf jegliche Vernunft über Bord. Es pochte aufgeregt und freudig in Aokos Brustkorb. Ihre Gefühle starteten wieder den altbekannten Vergnügungspark und lösten einen dauerhaftes Kribbeln in ihrem Körper aus. Vorsichtig bat er bei ihr um Einlass und sie würde ihm diesen gewähren, so oft und solange er wollte. Ihr Herz war ein mieser Verräter.
 

Keiko und Ran saßen auf dem Schulhof mit Saguru zusammen und warteten auf Aoko. Aber sie kam einfach nicht. „Die Pause ist zur Hälfte um“, stellte Saguru fest. „Seid ihr sicher, dass es ihr gut geht?“

Keiko, die sehr nervös wirkte, schüttelte den Kopf. „Ich werde mal nach ihr sehen.“ Schon stand sie auf und rannte fast zur Turnhalle. Es hatte wieder begonnen und Keiko wusste nicht, wie weit sie dieses Mal gehen würden. Immerhin hatten sie absichtlich das Seil der Ringe gelöst um Aoko zu verletzen. Auch wenn sie keine Beweise dafür hatte, so war sich Keiko sicher das Akako und Shiho dahinter steckten.

Sie traf auf einige Oberschülerinnen eines jüngeren Jahrgangs, die auf dem Weg zum Sportunterricht waren. Fröhlich quatschend ging die Gruppe Mädchen vor Keiko und blockierte den nicht überaus breiten Flur zu den Umkleiden.

„Entschuldigung“, versuchte sie auf sich aufmerksam zu machen, aber die Mädchen ignorierten sie gänzlich und gingen plappernd weiter.

Nur noch wenige Schritte dann erreichten sie die Umkleidekabinen und Keiko hoffte und betete darum Aoko unverletzt darin vorzufinden. Im nächsten Moment erschrak sie selbst über diese Gedanken. Wie weit war es nur gekommen, dass sie sich schon um die Gesundheit ihrer Freundin sorgte.

Endlich erreichten sie die Türe und eines der Mädchen öffnete diese. Plappernd traten die ersten Mädchen ein und im nächsten Moment kreischten diese los.

Keiko erstarrte innerlich. Panisch drängte sie sich durch und blieb, für jede noch so mögliche Situation gewappnet, inmitten der Umkleide stehen und erstarrte zur Salzsäule.
 

Ran konnte nicht mehr still sitzen. Keikos Reaktion beunruhigte sie dermaßen, dass sie selbst vor Sorge schon innerlich platzte. Schnell packte sie ihre und Keikos Sachen zusammen und stand auf.

Saguru sah ebenso besorgt aus, wie sie sich fühlte. „Lass uns gehen.“

Ran nickte und wollte los, als sich jemand in ihren Weg stellte.

„Hey, Ran“, begrüßte sie eine sehr bekannte Stimme.

Sie sah auf und direkt in zwei himmelblaue Augen, die ihr weiche Knie bereiteten. „Shinichi.“

„Wie geht’s dir?“

„Gut“, antwortete sie monoton. Und als wäre sie innerlich nicht eh schon genug aufgewühlt, konfrontierte er sie nun auch noch mit ihren Gefühlen für ihn. Vor einer Woche war sie so glücklich, schwebte wie auf Wolken, und dann kam der schreckliche Morgen an dem er sie vor den Kopf stieß. „Und dir?“

Shinichi sah sie einfach nur an. „Hast du kurz Zeit?“

Ran blickte kurz zu Hakuba, dann schüttelte sie den Kopf. „Jetzt ist es schlecht. Wir müssen los“, dabei deutete sie etwas unbeholfen auf ihren Mitschüler und sich selbst. Sie schob sich an Shinichi vorbei und ging.

Kaum betraten sie den Flur, der zu den Umkleiden führte, hörten sie ein lautes Kreischen.

Sofort begannen die beiden zu sprinten und erreichten eine Horde Mädchen die sich um die Türe der Mädchenumkleidekabine gesammelt hatte.

Ran schubste ein paar Mädchen zur Seite und drängte sich regelrecht nach vorne durch.

Hakuba folgte ihr. Das er als Junge in dieser Umkleide nichts zu suchen hatte, schien er ebenso zu ignorieren. Alle Mädchen kreischten erneut entsetzt auf und zeigten mit dem Finger auf ihn.

„Stellt euch nicht so an“, wies Ran die Mädchen zurecht und kam schließlich bei Keiko an. Auch Hakuba schloss auf und alle drei starrten auf das Bild, welches sich ihnen und allen anderen Mädchen in diesem Moment bot.
 

Sie gab sich diesem wundervollen Prickeln hin und genoss jede noch so sanfte Berührung von ihm. Seine Lippen wanderten gemächlich ihren Hals hinab hin zu ihrem Schlüsselbein. Seine rechte Hand verschwand unter ihrem Rock, während seine linke Hand unter dem Oberteil ihren Rücken entlang strich. Lustvoll vergrub sie ihre Finger in seinem wuscheligen Haar. Wo sie sich befanden, blendete sie komplett aus. Ihre gesamten Sinne waren auf den Jungen gerichtet, der sie in diesem Moment voll und ganz einnahm. Eben saugte er sich an einer Stelle ihres Halses fest. Durch diesen Impuls fühlte sich ihr Körper sofort unter Strom gesetzt. Wie auch immer er das anstellte, er schaffte es sie immer wieder um den kleinen Finger zu wickeln. Seine Finger zauberten ihr eine Gänsehaut unter der Berührung. Ein stetiges Prickeln durchflutete sie.

Kaito fing sie wieder zu einem stürmischen Kuss ein, drückte sich fester an ihren Körper. Um ihr noch ein wenig näher kommen zu können, umfasste er ihren Oberschenkel und wollte ihr Bein anheben, als er plötzlich inne hielt. Statt sein Vorhaben umzusetzen, streichelten seine Finger weiter über den von blauen Flecken verzierten Po.

Aoko voll und ganz in einer anderen Sphäre ahnte was er vorhatte und dankte ihm im Stillen, dass er auf ihre Schmerzen Rücksicht nahm. Sie drückte seinen Kopf näher an sich, vertiefte den Kuss noch einmal um ihm zu zeigen, dass sie ihn genauso sehr wollte, wie er sie.

Sie konzentrierten sich nur auf sich, ihre Streicheleinheiten, ihre Küsse und die Nähe zu einander. Sie vergaßen alles um sich herum bis fröhliches Plappern auf dem Flur erklang und im nächsten Moment die Türe aufgerissen wurde. Ertappt schauten die beiden zur Türe und im nächsten Moment begann eines der Mädchen zu schreien. Mehr und mehr Mädchen strömten in die Umkleide und und so schnell konnten die Beiden sich gar nicht voneinander entfernen, da stand Keiko schon inmitten des Raumes und starrte die beiden ungläubig an.

Kaito löste sich von Aoko.

Unter Keikos Blick wurde Aoko unwohl, denn ein hämisches breites Grinsen überzog das Gesicht ihrer besten Freundin. Und als Aoko dachte, schlimmer könnte es nicht mehr kommen, erschienen noch Ran und Hakuba und musterten sie überrascht.

Diese ganze Situation war so unwirklich, da setzte Kaito dem ganzen noch die Krone auf. Er drehte sich überheblich grinsend Aoko zu, beugte sich zu ihr und raunte: „Erwischt.“ Schon drückte er ihr einen Kuss auf die Wange, wandte sich den Mädchen zu, die jede Bewegung mit Argusaugen verfolgten, und verkündete: „Ich werde euch mal allein lassen. Hat mich gefreut, Mädels.“ Mit diesen Worten schob er sich zwischen Hakuba, der ihn misstrauisch beobachtete, und Ran, die immer noch versuchte die Situation zu einzuordnen, hindurch und verschwand wenig später aus der Umkleide.

Die Oberschülerinnen begannen plötzlich zu kichern und zu tuscheln und musterten dabei Aoko immer wieder, die sich nun ihre Tasche schnappte und ebenso versuchte die Umkleide der Mädchen zu verlassen. Allerdings war ihr Abgang bei weitem nicht so cool wie der von Kaito, denn sie wirkte mehr als durcheinander und verlegen und konnte die ganze Situation noch nicht wirklich einschätzen.

Keiko, Ran und Hakuba folgten ihr schnell und ließen die kichernden jüngeren Mädchen zurück.

Kapitel XXIX - Phase 3

Egal wo sie hinging, die Schüler begannen immer zu tuscheln, wenn Aoko auftauchte. Seit einer Woche ging das schon so. Kaito hatte sich ihr seit dem nicht mehr genähert, was sich auf ihre Gefühlswelt nicht unbedingt positiv auswirkte. Im Gegenteil sie fühlte sich mehr und mehr ausgenutzt und in dem Gedanken bestätigt, dass er ein intrigantes Spiel mit ihr trieb und womöglich sogar die Strippen zog.

„Kommst du klar?“, hakte Ran besorgt nach und wollte sich gar nicht von ihr trennen.

Aoko nickte ihrer Stiefschwester zu und lächelte aufmunternd. „Ja.“

Vor einer Woche wurden sie und Kaito wirklich erwischt. Sie konnten dieses Techtelmechtel nicht ewig verheimlichen, das war ihr bewusst, aber dass sie doch so schnell ertappt wurden bereitete ihr Unbehagen. Zumal Shiho, Akako und Shiro durchaus vom Flurfunk informiert wurden. Dennoch war bisher noch nichts geschehen. Akako warf ihr zwar finstere Blicke zu, ließ sie aber in Ruhe. Shiho und Shiro grinsten teuflisch, wenn sie Aoko sahen, ließen sie aber in Ruhe. Das gefiel ihr nicht. Es war wie die Ruhe vor dem Sturm und sie spürte das die drei irgendwas ausheckten.

Jeden Morgen erwachte sie mit der Angst, dass es heute passieren würde. Sie fühlte sich jeden Morgen wie ein Wrack und das in ihr die Angst arbeitete sah man ihr zu deutlich an. Sie war blass und ausgelaugt. Und als würden sie die Terrorköniginnen nicht schon genug belasten, hatten auch ausgerechnet Keiko und Ran sie mit Kaito erwischt. Jedes Gerücht hätte sie abstreiten können, aber was die beiden mit eigenen Augen gesehen haben, ließ sich nicht leugnen.

Es war alles so peinlich und Aoko schämte sich so sehr. Zu gut erinnerte sie sich an das Gespräch mit Keiko, Ran und Hakuba im Anschluss. Es trug nicht gerade dazu bei über die Sache lachen zu können. Auch wenn Keiko jeden Grund dazu hatte sich über diese Situation zu amüsieren. Für ihre beste Freundin kam diese Situation nun auch nicht sonderlich überraschend. Auch wenn sie nicht wusste, dass diese Affäre schon ein bisschen länger heimlich lief, so hatte sie ihr ja bereits durchaus erzählt, dass sie mit Kaito geknutscht hatte.

„Du bist schon wieder so in Gedanken versunken und blass bist du auch wieder. Ich kann dich nicht allein lassen“, sprach Ran, die sich ernsthaft sorgte.

„Du bist immer noch da?“, fragte Aoko überrascht. Sie dachte Ran wäre längst gegangen.

„So geht das nicht weiter. Was beschäftigt dich?“ Aufmerksam musterte Ran ihre Stiefschwester. „Du hast mir nicht alles erzählt, richtig?“

Aoko hatte zwar Ran ins Bild gesetzt, über die Freundschaft zu Kaito, die Mittelschul-Erfahrungen und die damit beginnende Überschreitung der freundschaftlichen Grenzen in das Freundschaft-plus-Modell. Sie hatte ihr aber nicht gesagt, was in der Oberstufe passiert ist. Sondern nur erzählt, dass Kaito und sie verschiedene Wege gegangen sind, sich aus den Augen verloren haben und keine wirklichen Gesprächsthemen mehr hatten. Sie wollte Ran nicht belasten oder in Angst und Schrecken versetzen. „Es ist ein bisschen viel. Auch wenn keiner was macht, so tuscheln sie über mich. Sie zeigen indirekt mit dem Finger auf mich, als hätte ich ein Verbrechen begangen.“

Shiro erschien plötzlich und lachte auf. „Du wunderst dich darüber?“

Ran wie auch Aoko blickten auf und dem Fußballer misstrauisch entgegen. „Du verführst Kaito und drängst dich in eine intakte und glückliche Beziehung. Du willst Akako den Freund ausspannen und wunderst dich dass alle mit dem Finger auf dich zeigen?“ Er stopfte sich seine Hände in die Hosentasche und blickte herablassend zu den Mädchen.

„Du weißt, dass es nicht so ist“, verteidigte Aoko sich sofort.

„Bist du dir sicher?“ Sein Blick wanderte plötzlich den Schulgang entlang.

Die Mädchen folgten diesem. Aokos Herz klopfte sofort sehnsüchtig und sie musste standhaft ihre aufkommenden Gefühle unterdrücken.

Kaito kam den Gang entlang geschlendert. Jedes Mädchen, an dem er vorbei ging, begrüßte ihn, zwinkerte ihm zu, schmachtete ihn an und stierte ihm nach. Er hingegen erwiderte den Gruß freundlich aber distanziert, ließ sich nicht beirren und folgte zielstrebig seinem Ziel.

Erschrocken stellte Aoko fest, dass er sie ansteuerte. Seine Augen richteten sich auf sie und fingen sie in einen Blick ein, der ihr heiße und zugleich kalte Schauer über den Rücken jagte. Je näher er kam, desto stärker spürte sie die Anziehungskraft zwischen ihnen.

Niemandem entging auf wen der Oberschüler zuging und alle Augen verfolgten gebannt jede Bewegung.

Kaito blieb neben Ran stehen, seine Augen bannten immer noch Aokos. Langsam löste er den Blick und lächelte zu Ran, dann sah er zu seinem Kumpel. „Was machst du hier?“

„Wir unterhalten uns“, antwortete Shiro und bedachte Aoko mit einem drohenden Blick.

Kaito nickte seinem Kumpel zu und musterte Aoko. „Du siehst nicht gut aus.“

Fast hätte sie laut aufgelacht. Natürlich nicht. Das lag aber sicherlich nicht an ihr und ihrem Befinden sondern an ihm und seinen Freunden. „Tatsächlich?!“, fauchte sie und verschränkte ihre Arme vor der Brust.

Ran, überrascht über die frostige Stimmung, blieb stumm. Sie versuchte noch die ganzen Geschehnissen richtig einzuordnen. Da traten Hakuba und Keiko heran. Während Keiko sich stärkend neben Aoko stellte, schob sich Hakuba zwischen die Mitschüler und baute sich vor Kaito auf. „Was auch immer du von ihr willst, lass es sein“, forderte der blonde Halbjapaner und schirmte die Mädchen ab.

„Was geht dich das an?“

„Sehr viel, denn sie sind meine Freunde.“

„Nur Weicheier sind mit Mädchen befreundet“, spottete Shiro und stieß um Unterstützung heischend seinen besten Freund an. Doch dieser reagierte nicht und fixierte ausschließlich sein blondes Gegenüber.

„Ihr solltet jetzt gehen“, verlangte Hakuba selbstbewusst.

Aoko, die von Hakuba komplett verdeckt wurde, konnte sich umsehen. Fast alle starrten zu ihnen. Es schien alles eingefroren, wie versteinert und mucksmäuschenstill um auch jedes einzelne Wort zu verstehen.

Die beiden großgewachsenen Oberschüler starrten einander an, als plötzlich Shinichi herbei eilte und sich zwischen Kaito und Hakuba drängte. Dabei nickte er kurz dem blonden Oberschüler zu und drehte sich seinem Kumpel komplett zu. „Wir gehen“, sprach Shinichi bestimmt und nachdrücklich und schob Kaito von der kleinen Gruppe weg. Zu Shiro knurrte er: „Du kommst auch mit!“ Er blickte noch einmal traurig über die Schulter, dabei fixierte er für wenige Sekunden Ran, dann trat er mit seinen Kumpels den Rückzug an.

„Wir sollten langsam mal in Sport“, bemerkte Keiko, die überaus erleichtert ausatmete. „Und auf dem Weg dahin erklärst du uns warum Shiro bei euch stand und was Kaito wollte.“

Aoko zuckte nur die Schultern.

Ran hingegen erklärte: „Shiro hat gemeine Sachen gesagt. Seit wann ist er so feindselig?“

Aoko zuckte wieder mit den Schultern. „Seit der ersten Klasse. In all den Jahren wurden wir keine Freunde.“

Hakuba beobachtete die Mädchen. „Du musst uns sagen, was genau passiert ist. Wir können dir nicht helfen, wenn wir nichts wissen und du solltest auf keinen Fall mehr alleine unterwegs sein. Ich traue diesem Shiro nicht und Kaito auch nicht.“

Aoko senkte traurig den Kopf. Ihr Mitschüler hatte das ausgesprochen, was sie sich selbst immer wieder dachte. Ihr entging dabei, wie Ran und Keiko einen sorgenvollen Blick austauschten. Vor den Umkleiden trennten sich ihre Wege.
 

Während dem Sportunterricht behielt Ran immer Akako und Shiho im Auge. Wenn es stimmte was Keiko ihr vor einigen Tagen erzählte, trugen die beiden Mädchen wohl die Schuld an Aokos Unfällen. Überhaupt breitete sich mehr und mehr Misstrauen in Ran aus. Sie kannte die beiden nicht, wusste nichts von ihnen privat, ihren Charakteren oder deren Familien.

Ihre Augen überblickten den Sportplatz. Wieder einmal trainierten sie draußen. Während in der Mitte die Fußballer auf die Anweisungen ihres Trainers hörten, so fanden sich die anderen zusammen um ihre Kondition zu trainieren. 1500m Lauf stand heute an. Ran stand neben Aoko und Keiko und beobachtete Shinichi. Dieser dribbelte gerade mit dem Ball zum Tor. Kaito lief parallel zu ihm. Als ein Mitschüler im Trikot der gegnerischen Mannschaft auf Shinichi zu grätschte um diesen den Ball abzuluchsen, sprang der Stürmer mit dem Ball über die Füße seines Gegners hinweg und passte im nächsten Moment zu Kaito. Dieser nahm den Ball an und umspielte zwei Gegner und schoss den Ball aufs Tor zu. Es sah beinahe so aus, als würde der Ball das große weiße Ziel um einige Meter verfehlen. Da sprintete Shinichi vor, erreichte den Ball und schoss in die rechte obere Ecke. Unhaltbar für den Torwart.

„Mori, Nakamori, Momoi, Koizumi, Miyano, Konzu – ihr seid die nächsten“, rief die Sportlehrerin.

Ran löste ihre Augen von den Fußballern und sah zum Start, an dem eben die nächste Mädchengruppe startete.

Aoko unterdrückte ein Seufzen und ging zum Start. Ran und Keiko folgten ihr. Akako, Shiho und Hitomi fanden sich auch beim Start ein, nicht jedoch ohne zu meckern, warum sie mit machen mussten. Schließlich würden sie ihre Kondition auf anderen Gebieten fördern und bräuchten dazu kein Wettrennen. Aber auch dieses Mal ließ sich die Sportlehrerin auf keine Diskussion ein und gab das Startsignal. Sie alle rannten los und versuchten sich die Kraft auf die lange Strecke einzuteilen.

Die Laufbahn führte um das Fußballfeld herum und so kam es, dass Rans Augen immer wieder zu den Jungs hinüber wanderten, die sich emsig und konzentriert auf ihr Spiel fokussierten. Wobei ihre Augen eher weniger dem Spiel folgten, als den Bewegungen eines einzelnen bestimmten Spieler. Sie verstand ihn nicht. Seit einer Woche versuchte er zwar immer wieder mit ihr zu reden, aber immer nur dann wenn er sich unbeobachtet fühlte. Dabei sollte er sich einfach nur zu ihr bekennen. Er hielt Shiho zwar auch seit einer Woche auf Abstand und die Gespräche mit ihr waren so kurz wie möglich, dennoch konnte Ran ihm diese Aktion nicht so ganz verzeihen. Auch wenn eine Aussprache dringend nötig war, hatte Ran Angst. Angst sich Hoffnungen zu machen um dann erneut abzublitzen.

„PASST AUF!“

Aus den Gedanken gerissen sah Ran auf und starrte auf den Ball der auf ihre Gruppe rasant zuflog. Überrascht stolperte sie über ihre Füße und flog der Länge nach hin. Aoko, die neben Ran lief, verharrte überrumpelt und entsetzt und wurde im nächsten Moment von dem Fußball getroffen. Gerade noch rechtzeitig konnte sie ihr Gesicht wegdrehen und wurde knapp oberhalb ihres Ohres am Kopf getroffen. Durch die Wucht des Aufpralls verlor sie ihr Gleichgewicht und stürzte ebenso.

Hitomi, die knapp hinter den Schwestern rannte, konnte nicht mehr bremsen und stolperte über die beiden am Boden liegenden drüber und fiel ebenso der Länge nach hin.

Shiho und Akako, die etwas hinterher hinkten, blieben stehen und grinsten spöttisch auf die Stiefschwestern hinab. „Autsch“, kommentierte Akako gehässig.

„Verdient“, bestätigte Shiho und verschränkte ihre Arme vor der Brust. „Karma“, fügte sie noch schief grinsend hinzu und Akako nickte bestätigend. „Lass die Finger von MEINEM Freund, Nakamori!“

Keiko, die etwas voraus war, eilte zurück und hockte sich besorgt hin. „Habt ihr euch verletzt?“

Schon eilten auch die Sportlehrerin, wie auch der Fußballtrainer und ein paar Fußballer heran. „Alles in Ordnung?“, fragte der Trainer, als die Sportlehrerin schon wetterte: „Was machen Sie denn da? Sie sollten Ihren Spielern mal erklären wo das Tor ist!“

„Die wissen wo das Tor ist“, knurrte der Trainer zurück.

„Das hat man gesehen“, spottete die Lehrerin.

Shinichi kniete sich vor Ran und Aoko hin. „Entschuldigt bitte“, sprach er sofort reuevoll.

Ran richtete sich auf. „Alles okay.“

Sie blickte auf und direkt in die besorgten blauen Augen. Ihr Herz begann rasant zu schlagen und ein Kribbeln durchfuhr ihren Körper.

„Aoko?“ Hakuba war herbei gestürmt und kniete sich neben Aoko.

Ran sah sich um. Der Trainer der Fußballmannschaft und ihrer Sportlehrerin befanden sich in einer handfesten Diskussion, Shiro kniete neben Hitomi und half ihr aufstehen. Kaito, Shiho und Akako standen um sie herum. Hakuba und Keiko halfen Aoko auf die Beine, während Shinichi das schlechte Gewissen ins Gesicht geschrieben stand.

„Mir geht’s gut“, antwortete Aoko. Und rief mit dieser Aussage die Lehrer auf den Plan.

„Da sehen Sie es. Alles in Ordnung“, winkte der Trainer ab.

Doch die Lehrerin ließ sich nichts sagen: „Nichts ist in Ordnung. Aoko muss umgehend zur Schulschwester.“

„Nicht schon wieder“, seufzte besagtes Mädchen, während sie die Hilfe von ihren Freunden dankbar annahm, die ihr wieder auf die Beine halfen.

„Ich bringe sie hin“, sprach Shinichi, ehe überhaupt einer der Anwesenden hätte reagieren können.

„Wir haben Training“, erinnerte der Trainer, aber Shinichi schüttelte den Kopf. „Ich hab den Ball verschossen und sie am Kopf getroffen. Ich bringe sie zur Schulschwester. Es war meine Schuld.“ Und er begleitete Aoko ins Schulgebäude.

Ran sah ihnen nach.

Der Trainer schickte seine restlichen Jungs wieder auf den Platz und die Lehrerin versicherte sich, das weder Hitomi noch Ran Blessuren davon getragen haben und schickte die Mädchen dann wieder los. Langsamer als zuvor beendeten sie ihren Ausdauerlauf und wurden am Ende der Sportstunde zum Umziehen geschickt. Bevor sie aber in das Gebäude verschwinden konnten, flatterten plötzlich mehrere hunderte kleine Blätter über das Schulgebäude. Alle sahen sich um und bestaunten das Schauspiel, welches scheinbar vom Schuldach kam.

Ran erreichten die ersten Blätter und sie fing diese auf. Ebenso taten dies auch ihre Mitschüler um sie herum. Alle waren stehen geblieben und hatten in den Himmel hinauf geschaut. Als sie erkannte was sie da in Händen hielt, stockte ihr der Atem. Diese Blätter waren Fotos. Fotos von prekären Situationen. Mehr und mehr Bilder landeten auf dem Boden. Ran hockte sich hin und hob weitere auf. Mit großen Augen starrte sie auf die Bilder.

Kaum glaubend sah sie sich um und erfasste Keikos und Sagurus ebenso erschrockene Gesichter. Also mussten sie das gleiche in Händen halten. Erneut betrachtete sie die Fotos in der Hoffnung sie hätte sich das alles nur eingebildet, aber die Bilder blieben die gleichen. Sie betrachtete das erste Bild, welches ihr zu bekannt vorkam. Aoko und Kaito, dessen Hände unter Aokos Rock verschwanden, innig verschlungen und knutschend in der Mädchenumkleide. Hätte Ran das nicht mit eigenen Augen gesehen, so würde sie es jetzt nicht glauben können. Ihre Augen fielen auf das nächste Bild. Dieses war in einem der Schulflure aufgenommen. Aoko, die an die Wand gedrückt wurde und wieder küssend mit Kaito. Ran betrachtete das nächste Bild. Aoko saß breitbeinig auf einem Schülerpult und den Kopf in den Nacken geworfen. Kaito stand zwischen ihren Beinen, seine Hände unter ihrem Rock und sie küssend. Dieses Bild sprach für sich und keine tausend Worte hätten es besser beschreiben können. Sex in der Schule. Unfassbar.

Nur schwerfällig konnte Ran ihre Augen von dem Bild lösen und erfasste nun das letzte Bild. Es wurde nachts aufgenommen und zeigte einen Balkon. Es war im Gegensatz zu den anderen drei Fotos nicht in der Schule aufgenommen. Wenn sie es nicht besser wüsste, würde Ran behaupten das wäre ihr Balkon. Aber das konnte doch nicht sein oder? Aoko, die an das Geländer gedrückt wurde, küssend mit Kaito.

Ungläubig und immer noch nicht wissend wann die Fotos aufgenommen wurden, schaute Ran zu den Fußballern, die ebenfalls reglos die Bilder betrachteten. Unweigerlich suchte sie nach der Person, die auf diesen Fotos in den prekären Situationen anwesend war. Vollkommen ausdruckslos starrte der Oberschüler die Fotos an und ließ sich von seinem Trainer zuquatschen. Mit dem Fußballtraining schien das allerdings nicht im Zusammenhang zu stehen, denn der Trainer fuchtelte mit den Bildern vor Kaitos Gesicht herum. Äußerst erbost deutete der Trainer nun auf die Umkleiden.

Kaito widersprach nicht und verschwand. Nicht aber ohne begleitende anerkennende Worte seiner Teamkameraden oder stolzes zusprechendes Schulterklopfen zu erhalten.
 


 

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Aoko fühlte sich hin und hergerissen zwischen Kaito, ihrem besten Freund, und Shiho mit ihren Drohungen. Sie solle sich von dem Jungen fernhalten, den sie ihr ganzes Leben bereits kannte, wegen einem Mädchen, das ihn erst seit einigen Wochen kannte? Warum konnten sie sie nicht einfach akzeptieren? Nur weil sie ihn liebte, liebte er noch lange nicht sie. Akako stand der Weg doch frei. Warum mussten diese Mädchen ihr und ihrer Familie drohen? Sollte sie das überhaupt ernst nehmen? Waren sie wirklich zu so etwas fähig oder sprach nur der blanke Neid aus ihnen und alle Worte blieben hohle Phrasen?

Sie ging Gedankenversunken den Schulgang entlang, da traten plötzlich zwei Mitschülerinnen zu ihr und blickten sie gehässig an. „Kid ist wieder zurück. Und dein Vater ist doch der Einsatzleiter der Polizei?“

„Eh, ja?“, antwortete Aoko überrascht wie auch verwirrt.

„Eine Schande dass er es vor acht Jahren nicht geschafft hat ihn festzunehmen und nun ist der berühmteste Dieb aller Zeiten wieder da und immer noch ungefasst.“

„Ist das ein Wunder? Der Kommissar ist einfach nicht fähig.“

„Mein Vater ist sehr wohl fähig. Er ist ein guter Polizist!“

„Ach ja?“, spottete ein weiteres Mädchen, welches neugierig gelauscht hatte. „Und warum ist Kid noch nicht in Haft?“

„Mein Vater wird hinter seine Tricks kommen und ihn verhaften!“

Wieder kam ein Mädchen dazu. „Und wenn das wieder acht Jahre dauert und Kid wieder verschwindet? Dein Vater mag ein guter Polizist sein, aber er ist nicht gut genug für Kid.“

„Das wird er nie“, kicherten sie und drehten Aoko den Rücken zu. Zurück blieb ein verärgertes Mädchen, das ihre Hände zu Fäusten ballte und sich fragte, warum diese Puten sie überhaupt angesprochen hatten.
 

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Kapitel XXX - Vertrauen

Immer wieder musterte er Aoko besorgt. Das schlechte Gewissen stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Mir geht es gut“, versicherte Aoko. Obwohl ihr der Kopf schon noch etwas brummte, fühlte sie sich gut.

„Es tut mir wirklich leid. Das war ein ganz dummes Versehen. Das mir so etwas passiert... nun ja, das Glück scheint ja zur Zeit nicht auf meiner Seite zu sein.“

Aoko blickte überrascht auf. „Wie meinst du das?“

„Zur Zeit scheine ich wirklich ein großer Idiot zu sein. Ich meine, Ran ist nicht gerade gut auf mich zu sprechen.“ Das Mädchen öffnete eben den Mund um etwas zu sagen, als er schon weitersprach und sie nicht zu Wort kommen ließ. „Wer kann es ihr schon verübeln, das war ziemlich dumm von mir.“

„Ist gar kein Ausdruck dafür“, bemerkte Aoko nun doch und erhielt einen überraschten Blick von ihrem Begleiter. „Du hast sie ganz schön verletzt. Erst machst du auf die große Liebe und am nächsten Morgen behandelst du sie wie Luft. Wer macht denn so was?!“

Nun ließ der Oberschüler den Kopf hängen. „Ich weiß und ich will es auch wieder gut machen, aber sie redet nicht mehr mit mir.“

„Was erwartest du? Dass sie vor dir auf die Knie fällt, wenn du mit ihr reden möchtest? Du musst dich schon ein bisschen anstrengen.“ Ihr Kopf brummte etwas stärker. War sie sein Beziehungsratgeber? Sie, die es selbst nicht mal mit einem Jungen auf die Reihe bekam? Er sollte lieber jemanden um Rat fragen, der Ahnung und Erfahrung hatte. „Hör mal, ich bin ganz bestimmt nicht der richtige Gesprächspartner für solche Themen. Aber wenn du unbedingt meine Meinung dazu hören möchtest...“

„Unbedingt!“

Sie musterte ihn argwöhnisch, doch dann seufzte sie ergeben. „Werde dir klar was du für sie fühlst. Und wenn du dir wirklich ganz sicher bist, dann steh zu deiner Entscheidung und mach Nägel mit Köpfen. Solltest du sie wirklich und ganz ernsthaft lieben, dann steh zu ihr!“

Shinichi runzelte die Stirn. „Ich liebe sie. Aber...“

„Kein aber, Kudo!“ Die Braunhaarige blickte ihn ernst an. „Ganz oder gar nicht.“

„Du weißt was mit dem Mädchen damals passiert ist?“

Aoko seufzte.

„Sie hat schriftliche Warnungen bekommen mit dem Hinweis sich von mir fernzuhalten. Als sie sich nicht daran gehalten, wurde sie geärgert. Ihre Hausaufgaben und ihre Schulbücher sind damals verschwunden. Danach wurde sie bedroht und sie haben versucht sie zu verletzen. Sie haben Gerüchte gestreut und die Mitschüler gegen sie aufgehetzt. Das ganze ging soweit, dass sie Angstzustände bekam und deswegen die Schule gewechselt hat.“

Aoko lief es kalt den Rücken hinunter. All das kannte sie zu gut und sie verstand das Mädchen besser als sonst jemand. Zum zweiten Mal durchlief sie schließlich nun die Hölle.

Shinichi senkte bedrückt den Kopf. „Ich möchte nicht, dass Ran so etwas erleben muss.“

„Glaub mir, das werde ich auch nicht zulassen“, versprach Aoko. „Diese Schlangen werden Ran ganz sicher nichts antun.“

„Du bist in der gleichen Situation, oder?“

Aoko sah erschrocken auf. Sie biss sich auf die Lippen, würde nun nichts mehr sagen, doch Shinichi klang aufrichtig besorgt. „Naja...“, zuckte sie nichtssagend mit den Schultern.

„Shiho und Akako sind nicht zu unterschätzen. Sie kennen so einige Leute – nicht ganz koscher sind. Gefährliche Leute. Ich selbst habe es zu spät bemerkt und hatte auch keinerlei Beweis für das Mobbing.“

Die beiden traten auf das Schwesternzimmer zu und klopften.

Die Schulschwester begrüßte sie und betrachtete Aoko aufmerksam. „Zur Zeit sehe ich dich oft“, stellte sie fest. Was ist denn dieses Mal passiert?“

„Es war meine Schuld. Ich habe einen Ball verschossen und Aoko am Kopf getroffen“, sprach Shinichi.

Die Schwester deutete dem Mädchen sich auf die Krankenliege zu setzen und führte einige Tests durch. „Es sollte dieses Mal glimpflich ausgegangen sein. Wenn du Schwindel oder Übelkeit bekommst, dann musst du aber bitte nochmal zum Arzt oder ins Krankenhaus, dann könnte es doch eine Gehirnerschütterung sein.“

Sie blickte den niedergeschlagenen Jungen an und lächelte aufmunternd. „Mein Eindruck ist, dass nichts dergleichen eintreten wird. Keine Sorge! Aoko wird keinen Schaden davon tragen.“ Schon drehte sie sich ihrem Schreibtisch zu um einen Bericht zu schreiben, hielt aber dann inne. „Ich muss einen neuen Block holen. Wartet bitte hier, ich bin gleich zurück.“ Schon verließ sie das Zimmer und ließ die beiden Oberschüler alleine zurück.

Shinichi beobachtete Aoko besorgt. „Kaito und ich sind noch nicht lange miteinander befreundet und wir haben uns eigentlich erst richtig über Shiho und Akako kennen gelernt. Ich weiß nicht was genau zwischen euch war, aber Kaito hat dich geliebt. Damals im Zoo, bevor Akako sich zwischen euch gedrängt hat, hätte ich schwören können, dass ihr ein Paar seid.“

„Wir waren nie ein Paar und Kaito hat mich auch nicht geliebt“, entgegnete Aoko. „Wir waren Freunde. Wir haben viel zusammen ausprobiert, aber Liebe war nie im Spiel.“ Teilweise gelogen, denn von ihrer Seite aus waren immer Gefühle für Kaito dabei – auch jetzt noch. „Ich weiß was dieses Mädchen durchgemacht hat. Ich bin in der gleichen Situation. Ich habe Warnungen erhalten, meine Hausaufgaben und Schulbücher sind verschwunden und ich werde bedroht. Alle Mitschüler zeigen mit dem Finger auf mich. Auf das Mädchen, dass Akako den Freund ausspannt. Immer wieder sagen sie: Ich soll mich von Kaito fernhalten. Aber er lauert mir die ganze Zeit auf. Ich kann ihm nicht ausweichen, denn immer wenn ich den Willen dazu aufbringe ihn zu ignorieren, provoziert er mich und fällt über mich her.“ Sie sah bedrückt auf. „Du bist sein Freund. Kannst du ihn von mir fernhalten? Wie heute morgen?“

Shinichi runzelte die Stirn. „Soll ich nicht lieber mit ihm reden?“

Aoko schüttelte bestimmt den Kopf. „Ich weiß nicht inwiefern er mit drin hängt und ich möchte ihm ungern in die Hände spielen.“

„Du glaubst wirklich, dass er...“, Shinichi konnte es nicht glauben.

Das braunhaarige Mädchen zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht was ich glauben soll und solange ich keinen Beweis für seine Unschuld habe, kann ich ihm nicht vertrauen.“

Shinichi setzte sich neben sie und legte mitfühlend seine Hand auf ihre. „Ich bin für dich da und ich werde tun was ich kann um dich zu beschützen.“

Aoko nickte dankbar. „Keiko weiß über damals Bescheid. Hakuba und Ran habe ich nichts davon gesagt. Ich möchte nicht das sie ins Visier geraten. Vermutlich wollen wir beide unsere Freunde einfach nur beschützen, auch auf die Gefahr hin sie zu verletzen.“

„Das wird jetzt ein Ende haben. Wir sind ab sofort ehrlich zueinander!“

Shinichi blickte sie so zuversichtlich aus seinen blauen Augen an, dass in ihr ein Hoffnungsschimmer aufkeimte und etwas Licht zurückbrachte.

Die Schulschwester kehrte zurück. „Ich habe noch jemanden mitgebracht.“

Beide blickten überrascht zur Türe und sahen Aokos Freunde eintreten. Alle drei wirkten äußerst bestürzt.

Keiko reichte ihrer Freundin die Kleidung. „Zieh dich um, danach müssen wir reden!“

Durch die Ernsthaftigkeit breitete sich ein beklemmendes Gefühl in ihrer Brust aus. Während die Schwester ihren Bericht schrieb, gingen die Oberschüler vor die Türe, damit Aoko sich in Ruhe umziehen konnte. Mit dem Arztbericht in ihrer Schultasche trat die Oberschülerin wenig später in den Flur und schloss die Türe. Blasse und besorgte Gesichter sahen sie an. „Was ist passiert?“

Wortlos reichte Shinichi ihr die Fotos, die er bereits angesehen hat.

Mit rasendem Herzschlag nahm Aoko die Bilder entgegen. War das der Tiefschlag, auf den sie die ganze Woche schon wartete? War das Akakos Rache? Alle Augenpaare lagen auf ihr und zögerlich betrachtete sie das erste Foto. Ihre Augen weiteten sich vor Schock. Ihr Herz begann zu rasen und schlagartig wurde ihr übel. Die Gesichtsfarbe wich aus ihr und sie wurde blass wie die Wand. Für einen Moment dachten alle Aoko würde umkippen, aber sie besann sich, atmete tief ein und sah auch die anderen Fotos an. Zu gut wusste sie wann jedes einzelne entstanden war und gleichzeitig war sie so schockiert darüber, dass sie nie unbeobachtet waren. Oder waren sie unbeobachtet und Kaito...

Shinichi schien ihre Gedanken erahnen zu können, denn er warf sofort ein: „Für den Winkel stand man weiter weg. Ein Selfie wäre nicht möglich gewesen und ich glaube nicht dass er euch fotografiert hat. Besonders nicht in so...“, er zeigte auf das Foto aus dem Musikzimmer. „... einer Situation.“

„Kaito ist von eurem Trainer zur Schnecke gemacht worden“, bemerkte Hakuba.

„Sicherlich muss er sich dafür verantworten“, mutmaßte Keiko zustimmend.

Ran stimmte zu. „Er wäre doch nicht so dumm und würde sich selbst so an den Pranger stellen.“

Aoko hörte ihren Freunden zu, aber was sie glauben sollte oder nicht wusste sie nicht. Ihr Kopf war mit einem Mal wie leergefegt und diese Leere breitete sich schlagartig in ihr aus.

„Das sind alles Fotos aus der Schule.“ Shinichi schien vollkommen in Gedanken versunken.

„Nur das eine nicht“, mischte Ran sich ein. Einfühlsam sah sie ihre Stiefschwester in Spe an. „Von wann sind die Fotos?“

Aoko fühlte sich noch unfähig zu antworten und starrte weiterhin auf die Bilder. Dann zeigte sie zögerlich auf eines der Bilder. „Dies hier war in der Umkleide, letzte Woche.“ Sie zeigte das nächste Bild. „Das war im Schulflur vor knapp 3 Wochen.“ Sie betrachtete das nächste Foto: „Das war vor 2 Wochen und dieses hier...“ Sie zeigte auf das Balkonfoto. „... entstand am Filmabend.“ Und erst jetzt wurde ihr bewusst, dass Kaito auf jeden Fall mit drin stecken musste, wie sonst sollten Fotos von diesem Abend in der Schule verteilt werden können?!

Die Schulschwester öffnete die Türe. „Ach ihr seid noch hier“, stellte sie erleichtert fest. „Der Direktor hat angerufen. Er möchte dich sofort in seinem Büro sehen, Aoko.“

Mit schreckgeweiteten Augen, blickte die Angesprochene zu der Schulschwester und nickte zögerlich. Unsagbare Angst breitete sich in ihr aus und sie ahnte welche Konsequenzen das nach sich ziehen würde. Nicht nur die schulischen, sondern auch die privaten Nachwirkungen. Ängstlich blickte sie zu Ran, dann raffte sie sich innerlich auf und rang sich ein etwas schiefes, sehr gequältes Lächeln ab. „Ich muss dann mal. Wir sehen uns!“ Schon verschwand sie und ließ ihre Freunde im Schulgang zurück.

Sie trat wenig später auf den Schulhof. Alle Schüler hielten die Fotos in den Händen, steckten die Köpfe zusammen oder deuteten mit dem Finger auf sie. Viele schüttelten abwertend und missbilligend den Kopf, tuschelten, lästerten und kicherten gehässig.

Ein Mädchen stellte sich ihr in den Weg. „Wie kann man nur so dumm sein und sich erwischen lassen?“ Schon wurde dieses von einem anderen Mädchen weggezogen. „Lass die doch! Die soll nur aufpassen, dass sie die Finger von meinem Freund lässt.“

Aoko erstarrte innerlich und sie spürte die Tränen in sich aufsteigen. Aber sie würde sich nicht Blöße geben vor ihnen allen zu heulen. Nein, sie wird nicht weinen. Akako und Shiho sollten nicht merken, wie sehr sie verletzt war. Die gesamte Oberstufe war gegen sie. Während die Mädchen Nase rümpfend lästerten, grinsten die Jungs zu ihr, zwinkerten und ließen es sich nicht nehmen durch Gesten ausdrücklich zu zeigen, was sie sich vorstellen könnten. Aoko schämte sich, senkte den Kopf und eilte fast durch die Schülermassen um zum Direktor zu gelangen.

Kurz vor der Türe traf sie dann auf ihre zwei Feindinnen, die sich ihr in den Weg stellten. „Ich hoffe du hast es nun verstanden“, zischte Akako und ging erhobenen Hauptes an Aoko vorbei. Shiho grinste nur teuflisch und folgte ihrer besten Freundin.

Vollkommen aufgelöst und zittrig klopfte Aoko an die Türe und betrat das Zimmer. Sie schloss die Holztüre und atmete kurz auf bevor sie den Blick hob. Das große, helle Zimmer hatte eine zweite Türe, die ins Sekretariat führte, und an der gegenüberliegenden Wand ein großes Bücherregal. In der Mitte stand der Schreibtisch und in dem großen schwarzen Bürostuhl saß der Schuldirektor und besah sich Stirnrunzelnd die Fotos. Vor dem Schreibtisch standen zwei einfache Stühle, von denen einer bereits besetzt war. Kaito. Für einen Moment erstarrte sie. Von all den Leuten, war er im Moment der Letzte den sie sehen wollte. Aber es half nichts. Aoko straffte die Schultern. „Sie wollten mich sprechen, Direktor Hayato?“

„Fräulein Nakamori“, der Direktor blickte auf und deutete auf den freien Stuhl. Er legte nun die Fotos auf den Tisch und lehnte sich in seinen Stuhl zurück. Die Halbglatze kratzend, nahm er nun seine Brille von der Nase und tippte sich mit dem Brillengestell an die Lippen. Schon schob er ein Foto weg. „Was Sie in Ihrer Freizeit machen, geht mich nichts an.“ Er blickte plötzlich auf und die tiefbraunen sonst so verständnisvollen Augen musterten die beiden Oberschüler vor sich aufmerksam. „Mich interessiert eher das, was die Schule betrifft. Ich höre!“

Aokos Herz raste unaufhörlich in ihrer Brust und sie wusste nicht was sie sagen sollte.

„Das war alles meine Schuld und ich werde die volle Verantwortung dafür übernehmen“, sprach Kaito plötzlich aus.

Langsam, nur sehr langsam drangen seine Worte in ihr Bewusstsein und überrascht starrte sie den Jungen neben sich an.

„Aoko konnte nichts dafür. Ich habe sie jedes Mal überrumpelt. Bitte bestrafen Sie sie nicht.“

Der Direktor sah Kaito lange an, dann sah er zu Aoko. „Ich möchte Ihnen ja gerne glauben, aber das ist noch lange keine Erklärung wieso solche Fotos in der Schule verteilt wurden.“

„Das kann ich Ihnen leider auch nicht sagen. Auch weiß ich nicht wer uns überhaupt fotografiert hat“, antwortete Kaito wieder und zog damit den Blick des Direktors wieder auf sich.

Dieser setzte nun seine Brille wieder auf und besah sich erneut die Fotos. Dann zog er ein ganz bestimmtes hervor und legte es direkt vor die beiden Oberschüler. „Ich muss Ihnen nicht erklären nach was das aussieht, oder?“

Aoko, die immer noch kein Wort über die Lippen brachte, starrte das Bild an und errötete. Zu gut erinnerte sie sich an diese Situation, die ihr solch eine Gänsehaut bescherte. Die Erinnerungen an diesen Moment kam ihr hoch. Es fehlte nicht mehr viel und sie hätte sich ihm wirklich hingegeben.

„Ich weiß wie das Foto auf Sie wirken muss, aber ich schwöre Ihnen das war nicht so. Ich habe Aoko ins Musikzimmer gezogen und mit ihr geknutscht, aber mehr war da nicht.“

Der Direktor runzelte die Stirn. „Mehr war da nicht“, wiederholte er und betrachtete das Bild, als würde er darauf hoffen das ihm dieses Foto eine Antwort lieferte.

Aoko suchte immer noch nach Worte, als sie plötzlich einen Hieb spürte und erschrocken zu Kaito sah. Dieser sah sie eindringlich an und deutete mit einem Nicken in Richtung Direktor Hayato. Sie sah nun wieder zu dem sonst so netten Mann und räusperte sich. „Es ist wirklich nichts passiert. Und es tut mir aufrichtig leid. Das alles war ein Fehler und wird nicht wieder vorkommen. Wir haben uns nicht richtig verhalten und versprechen Ihnen, dass wir uns ab sofort zu benehmen wissen.“ Das sie in Wirklichkeit überhaupt kein Paar sind, ließ sie unausgesprochen. Sie wollte nicht doch noch einen etwaigen Verdacht heraufbeschwören.

Kaito blickte sie entsetzt an, doch als der Direktor sie beide aufmerksam musterte, nickte er ergebend und wiederholte: „Es wird nicht wieder passieren.“

Aoko seufzte innerlich. Sie hatte sein Wort. Kaito würde sie nicht mehr in der Schule überfallen und in eine ähnliche Situation bringen.

Der Direktor nickte schließlich. „Ich glaube Ihnen. Sie kommen heute mit einer Verwarnung davon. Noch einmal und ich lasse Sie für eine Woche suspendieren.“

Beide Oberschüler nickten und standen auf. Tief verbeugten sie sich. „Entschuldigung!“

„Schon gut“, winkte der Mann mit Halbglatze und Brille ab und packte die Fotos weg. „Die Mittagspause ist gleich zu Ende.“

Die beiden drehten sich um und atmeten schon erleichtert auf, als der Direktor noch etwas hinzufügte: „Ihre Eltern werde ich selbstverständlich über diesen Vorfall informieren.“

Vorbei war der Moment der Erleichterung und Aoko wurde es sofort schwer ums Herz. Dann erwartete sie heute Abend ein Donnerwetter vom Feinsten.

Beide verließen das Zimmer und standen schweigend im Schulflur.

„Halt dich von mir fern“, verlangte Aoko kalt und ging ohne ein weiteres Wort den Schulgang entlang zu ihrem nächsten Kurs. Die Mittagspause hatte sie nun vollkommen verpasst und würde die nächsten Stunden mit knurrendem Magen absitzen müssen.
 

Ran sah ihrer Stiefschwester besorgt nach. Hakuba und Keiko gingen langsam davon, sich leise über die Fotos unterhaltend. Ran wollte ihnen gerade folgen, als Shinichi sie zurückhielt.

„Ich bin ein Idiot und es tut mir leid.“

Überrascht betrachtete sie ihn.

„Bitte, ich möchte dir alles erklären. Keine Geheimnisse mehr!“

Ran nickte und gemeinsam schlenderten sie den Schulflur entlang.

„Ich hatte Angst. Angst um dich. Das Mädchen, von dem ich dir erzählt habe, musste schlimme Dinge erleiden und genau das wollte ich dir ersparen. Ich dachte dich beschützen zu können, in dem ich mich von dir fernhalte. Dabei...“, er suchte ihren Blick und ließ sie nicht mehr los: „... ist das genau das Gegenteil was ich wollte.“

Ran sah ihn überrascht an, spürte ihr Herz glückselig tanzen, aber so ganz traute sie dem Frieden nicht. „Das sagst du jetzt nur so.“

Shinichi umfasste ihre Hand und verschränkte ihre Finger mit seinen. Ernst schüttelte er seinen Kopf und sprach nachdrücklich. „Ich liebe dich und werde nicht zulassen, dass sich jemand zwischen uns stellt oder sich gar an dir vergreift.“ Er führte ihre Hände zu seinen Lippen und hauchte einen Kuss auf ihren Handrücken. „Ich werde dich beschützen und sollte irgendjemand auf die Idee kommen dir etwas antun zu wollen, so wird derjenige leiden.“

„Shinichi“, mit großen Augen sah sie ihn an. „Wir sind jetzt hier alleine, aber auf dem Schulhof wirst du gleich so tun, als würden wir uns nicht kennen.“ Nein, glauben konnte sie ihm wirklich nicht.

„Ich werde es dir beweisen“, versprach er ernst und fügte etwas schüchterner hinzu: „Wenn du mich überhaupt noch willst?“

Ran im Zwiespalt hin- und hergerissen. Sehnlichst wünschte sie sich in seine Arme, aber wenn er sie wieder so kalt abwies, das würde ihr Herz nicht überleben.

„Vertraust du mir?“

Mit großen Augen starrte sie ihn an. Doch dann nickte sie zögerlich und schließlich bekräftigend. „Ja, ich vertraue dir.“

Er lächelte glücklich, küsste erneut ihre Hand, ehe er sich zu ihr beugte und ihre Lippen zu einem sanften Kuss einfing. Ein Kuss der die Schmetterlinge zum Fliegen brachte und ihren Körper unter Strom stellte. Er löste sich ebenso sanft und lächelte. „Bereit?“

Ran nickte glücklich.

Shinichi öffnete die Türe und drückte ihre Hand. Dann ging er mit ihr auf den Schulhof und schlenderte gemütlich zwischen der noch immer aufgebrachten Schülermasse hindurch.

Ran konnte nicht glücklicher sein. Er bekannte sich zu ihr und blieb an ihrer Seite. Ein paar wenige Schüler musterten sie aufmerksam, aber schenkten ihn kaum Beachtung. Zu sehr waren sie auf die Fotos fixiert. Wer auch immer das veranstaltet hat, es hatte alle Oberschüler in Aufregung versetzt.

Sie suchten nach Keiko und Hakuba. Da trat Makoto zu ihnen. Überrascht fiel sein Blick auf die ineinander verknoteten Finger, ehe er sie freundlich begrüßte. „Yo Shinichi, hallo Ran. Wohin geht ihr?“

„Wir suchen Keiko und Hakuba. Komm doch mit“, lud Shinichi seinen Kumpel ein und dieser schloss sich freudig an.

„Sag mal, das mit Kaito und den Fotos, weißt du was das zu bedeuten hat?“

„Nein“, antwortete Shinichi.

„Die Jungs im Team sind total aufgedreht. Dass er sich zwei Eisen im Feuer hält, hätte ihm niemand zugetraut.“

„Ob es wirklich so ist, weiß niemand.“

„Dann sollten wir ihn später im Training mal ausfragen. Unser Endspiel ist in weniger als zwei Wochen und wir brauchen die volle Konzentration und den Zusammenhalt.“ Makoto blickte eindringlich seinen Kumpel an. „Wir müssen uns voll und ganz vertrauen und auf einander verlassen können.“

„Glaub mir, Kaito weiß wie wichtig dieses Spiel ist und wird es nicht vermasseln.“

„So richtig konzentriert warst du in letzter Zeit auch nicht. So oft wie du die Bälle verschossen hast.“ Makotos aufmerksamer Blick glitt zu Ran, die immer noch die beste Freundin von Sonoko war. „Nichts für ungut Ran, aber wie ich sehe habt ihr das endlich geklärt. Ich freue mich für euch.“

Ran errötete und starrte ihn mit großen Augen fassungslos an. „Woher weißt du davon?“

„Du hast wohl vergessen, dass deine beste Freundin meine Freundin ist“, grinste Makoto. Er stieß feixend Shinichi den Ellbogen in den Brustkorb. „Sonoko erwartet euch zum Doppeldate.“

Shinichi grinste Ran an, die errötete und die Schultern zuckte. „Ich bin dabei“, versprach er und lächelte sie verliebt an.

Ran strahlte und küsste ihn auf die Wange.

Der Oberschüler ließ sich diese Annäherung nicht entgehen und gab ihr einen Kuss zurück, aber auf den Mund statt der Wange.

Makoto grinste nur, während die beiden Verliebten sich langsam lösten. Gemeinsam gingen sie weiter und fanden wenig später Hakuba und Keiko, die sich ein sonniges Plätzchen gesucht hatten.
 

Den Heimweg gingen sie ohne Kaito. Er war noch mit Akako verabredet und würde dadurch einen anderen Weg einschlagen. Den Heimweg über klärte Aoko Ran über alles auf und verheimlichte ihr nichts mehr. Sie hatte es mit Shinichi so abgemacht und würde ihr Versprechen halten. Die Schwestern versprachen sich keine Geheimnisse mehr vor dem anderen zu haben.

Ran steckte den Schlüssel ins Schloss und sperrte die Haustüre auf. Ein aufmunternder Blick zu Aoko bevor die Türe aufschwang. Die Braunhaarige hingegen verließ der Mut und folgte Ran nur zögerlich in den Hausflur.

Eri trat ihnen schon entgegen und betrachtete die beiden Oberschülerinnen ernsthaft besorgt. Das Telefon hielt sie immer noch in der Hand.

Aoko schluckte, zog sich ihre Schuhe aus und stellte sich dann ihrer Stiefmutter. Noch war ihr Vater nicht zuhause, aber nicht mehr lange dann würde Eri ihn ins Bild setzen.

„Ich habe eben mit Direktor Hayato telefoniert und er hat mir von den Fotos erzählt.“ Sie hielt ihre Hand Aoko entgegen und verlangte stumm nach den Bildern. Zögerlich holte das Mädchen diese aus ihrer Schultasche und reichte sie Eri.

Nach Luft schnappend blickte die Anwältin von den Fotos zu Aoko, dann drehte sie sich um und ging in die Küche.

Verwirrt folgten Ran und Aoko ihr.

„Möchtest du mir etwas erzählen?“ Eri stand an der Kochinsel und betrachtete die Fotos misstrauisch.

Aoko schluckte. „Ich hab Streit mit zwei Mädchen an meiner Schule.“

„Worum geht es in dem Streit?“

„Akako ist eifersüchtig, weil ich mit Kaito befreundet bin.“

„Und Akako ist?“

„Kaitos Freundin“, antwortete Aoko.

Eri seufzte. „Wenn Kaito Akakos Freund ist, wie kommt es dann zu solchen Bildern?“

Aoko schluckte, senkte den Blick und gestand: „Es war ein dummer Fehler, aber das haben wir heute geklärt. Es wird nicht mehr passieren.“

Eri betrachtete Aoko prüfend, dann nickte sie. „Es ist besser, wenn wir deinem Vater davon nicht sagen.“ Schon ließ sie die Fotos verschwinden. Sie sah nochmals zu ihren Töchtern. „Ihr seid fast erwachsen und junge Frauen, die ihre ersten Erfahrungen sammeln. Bitte denkt daran eure Pille regelmäßig zu nehmen.“

Beide Mädchen nickten, dann ließ Eri sie gehen.

Kapitel XXXI - Konfrontation

Jeden Morgen, in jeder Pause und immer nach der Schule wartete Shinichi auf Ran und begrüßte sie, wie man seine Freundin nun mal begrüßte. Er bereitete ihr starkes Herzklopfen und glückliche Gefühle. Sie liebte ihn und fühlte sich in seinen Armen und seiner Nähe einfach nur wohl. Es war jetzt so, wie es schon seit Wochen hätte sein können, wenn er nicht solch eine Angst um sie gehabt hätte. Natürlich war es schlimm was dieses Mädchen durchlebte und das Aoko es aktuell ebenso durchmachte, erschreckte Ran zutiefst. Aber ihr würde das nicht passieren. Sie hatte ihre Freunde an ihrer Seite und solange sie alle zusammenhielten konnte nichts passieren. Ebenso würde sie Aoko von nun an stützend zur Seite stehen und ihr ebenso Stärke und Kraft geben, wie Keiko es bereits vor zwei Jahren getan hat, als dieses Drama schon einmal seinen Lauf genommen hatte.

Kaito und Aoko waren den Schulweg über schweigend zusammen gegangen. Ihre Stiefschwester meinte, sie hätten das Problem geklärt, aber wenn dies nun wieder bedeutete in den Ursprungszustand zurück zu kehren wurde Ran ganz mulmig. Anhand der Fotos sah sie zu deutlich wie gut Kaito und Aoko zusammen passten. Sie waren das perfekte Pärchen und unter anderen Umständen hätte es vielleicht wirklich was werden können. Sie klammerte sich an Shinichi, grinste Kaito zu und lachte: „Wir sehen uns nachher in Chemie!“

„Bis später“, verabschiedete sich ihr Nachbar und warf Aoko einen stummen, ausdruckslosen Blick zu, ehe er Shiro entdeckte und seinen Kumpel begrüßte. Gemeinsam verschwanden die beiden Fußballer ins Schulgebäude.

Aoko, die immer noch den Boden anstarrte um auch ja nicht Kaitos Blick zu begegnen, ging ebenso mit einem Gruß: „Ich suche mal Keiko und lass euch Turteltäubchen allein.“ Ein Augenzwinkern folgte und sie verschwand ebenso in der Masse.

Der Hype um die Fotos war noch lange nicht abgeflaut und immer noch zeigten die Oberschüler auf Aoko. Auch wenn der Direktor veranlasste alle Fotos einzusammeln, so hatten sich die Bilder in die Gedächtnisse gebrannt und würden auch so schnell nicht vergessen werden. Das Schlimmste aber war, dass wirklich alle davon ausgingen, das Aoko Kaito um den Finger wickelte um ihn und Akako auseinander zu bringen. Kaito selbst hatte sich bisher nicht dazu geäußert und ließ alle Behauptungen unkommentiert stehen und jedes Gespräch mit Shinichi oder Ran blockte er bisher ab.

Also blieb dem Pärchen nur sich diesbezüglich zu unterhalten und sich über ihre Sorgen auszutauschen. Nicht nur Ran war sehr besorgt sondern auch ihr Freund. Kaitos Ruf schadeten diese Fotos keinesfalls, im Gegenteil sogar war er der gefeierte Held, während Aokos Ruf durch die Bilder in den Keller gezogen wurde.

„Ich weiß nicht weiter. Kaito blockt alles ab und Aoko behauptet dass sie mit der Situation klar kommt. Aber sie wird von allen geschnitten.“

„Nicht von allen“, sprach Shinichi aufmunternd. „Sie hat uns und Keiko und Hakuba.“

„Aber das ist eine verschwindend geringe Anzahl im Vergleich zu der gesamten Schülerschaft.“

Shinichi nahm seine Freundin in den Arm und drückte ihr ein Küsschen auf die Stirn. „Die anderen werden auch bald sehen, dass sie ihr Unrecht tun.“

Die beiden schlenderten ins Schulgebäude, blieben aber nicht unbeobachtet.
 

Aoko saß bereits im Chemiesaal und bereite ihren Arbeitsplatz vor. Wie immer saß sie in der letzten Reihe in der Ecke und wartete auf Ran.

Jemand setzte sich zu ihr.

Aoko sah auf und erstarrte. „Was machst du schon wieder hier? Dieser Platz ist bereits besetzt!“

Kaito packte seine Sachen auf den Tisch und deutete auf seinen sonst angestammten Platz. Belustigt kommentierte er: „Wenn du Ran meinst, die sitzt heute dort vorne. Das turtelnde Paar möchte die Zeit zusammen verbringen.“

Aoko besah sich das verliebte Pärchen. Shinichi hielt wirklich Wort und stand zu ihrer Schwester und seinen Gefühlen und nun nutzten sie wirklich jede freie Minuten um zusammen sein zu können. Wie sehr sie sich für Ran freute. Auch wenn ein kleiner Gedanke in ihr nagte, warum sie nicht solch ein Glück hatte.

Kaito riss sie aus ihren Gedanken. „Ich bin froh dass die beiden ihre Probleme klären konnten. Sie passen perfekt zueinander.“

Misstrauisch blickte Aoko zu ihrem Chemiepartner für diese Stunde: „Diese Probleme gäbe es nicht, wenn deine ach so tolle Freundin nicht wäre.“

„Was hat Akako damit zu tun?“, horchte er auf.

Aoko funkelte böse und wandte ihren Blick von ihm ab: „Würde sie nicht jeden, der ihr im Weg steht, terrorisieren...“

„Akako terrorisiert? Wen denn?“

Sie sah wieder zu ihm und sah ihm deutlich an, dass er ihr nicht glaubte. Natürlich stand er hinter Akako und womöglich hing er ebenso mit drin und durfte nichts von ihren heimtückischen Plänen verraten. „Alle die ihr im Weg stehen.“

Nun lachte er laut auf. Im nächsten Moment beugte er sich höhnisch grinsend zu Aoko um wesentlich leiser zu sprechen: „Akako ist ja vieles, aber ganz sicher nicht durchtrieben.“

Es war wie ein Schlag ins Gesicht. Sie fühlte sich erneut in ihrem Verdacht bestätigt. „Dann haben wir uns ab jetzt nichts mehr zu sagen.“ Sie drehte sich zu ihren Unterlagen und ignorierte seine Person nun gänzlich.

Der Chemielehrer erschien und erläuterte ihnen die heutige Teamarbeit. Leise unterhaltend arbeiteten die Gruppen ihre Aufgaben ab.

Aoko arbeitete für sich schweigend und allein, während Kaito sie unentwegt beobachtete. „Hör auf mich anzustarren!“

„Mach ich dich nervös?“

„Nein, du nervst!“

„Ach wirklich?“ Er grinste plötzlich. Schon spürte sie seine Hand auf ihrem Knie.

„Du hast versprochen mich in Ruhe zu lassen“, zischte sie.

„Ich habe gesagt, dass es nicht wieder passieren wird. Keine Sorge, so schnell lass ich mich nicht mehr erwischen.“ Während seiner Worte wanderte seine Hand unaufhaltsam ihr Bein hinauf und war schon unter ihrem Rock verschwunden.

Aoko spürte das Kribbeln und die aufsteigende Erregung. „Hör auf“, fauchte sie leise.

Kaito ignorierte sie und blickte sie herausfordernd an. „Wenn du nicht willst das es jemand mitbekommt, solltest du dir jetzt nichts anmerken lassen.“ Sein Grinsen war beängstigend, während seine Finger hin zu ihrem Slip wanderten und neugierig darüber strichen. „Dich macht das an“, stellte er spöttisch fest und dennoch so leise, das es niemand hörte.

Aoko funkelte ihn gereizt an, konnte aber ihr Verlangen kaum noch unterdrücken. Da tauchte sein Zeigefinger vorwitzig unter das Stückchen Stoff und verschwand ohne Vorwarnung in ihrer feuchten Mitte. Sie unterdrückte ein Keuchen und wurde vollends von einem Kribbeln in ihrem Körper eingenommen. Der Reiz des Verbotenen und jederzeit dabei erwischt zu werden, hatte es in sich und die Aufregung wie auch sein neugieriger Finger, der in ihr spielte und dabei immer wieder einen bestimmten Punkt traf, ließ sie erschaudern.

Dennoch schaltete sich wieder ihr Sturkopf ein und sie würde sich ihm nicht einfach so hingeben. Auch wenn es außerordentlich gut war, was er da tat und das Kribbeln sich stetig verstärkte. Sie musste ihn davon abhalten weiter zu machen. Er durfte nicht mehr mit ihr und ihren Gefühlen spielen. Die Tische waren von vorne uneinsehbar und sie beide saßen in der letzten Reihe. Sie sah sich unauffällig um. Die einzigen die etwas mitbekommen könnten, wären ihre Nachbarn am Paralleltisch. Allerdings schirmte Kaito, der sich wegen der Partnerarbeit zu ihr gedreht hatte, sie beide komplett ab. Das was er in diesem Moment tat blieb uneinsehbar. Aoko spürte die ansteigende Wärme in sich und sah kurz zu dem Jungen, der ihr diese Gefühle bescherte. Sein Kopf auf seine Hand gestützt, grinste er überheblich und beobachtete jede noch so kleinste Regung in ihrem Gesicht. Aber dieses Grinsen würde sie ihm nun aus dem Gesicht wischen. Ohne Vorwarnung legte sie ihre Hand auf seinen Schritt und spürte wieder einmal eine Beule. Zärtlich, beinahe ehrfürchtig, fuhr sie über den geweiteten Stoff und sofort wandelte sich sein Blick ins Lustvolle. Seine Augen verdunkelten sich und er intensivierte seine Bewegung in ihr. Das war nun nicht der gewünschte Effekt, den sie sich erhoffte, denn sie wollte ja das Gegenteil bewirken und ihn nicht bestärken. Ihre Gefühle spielten vollkommen verrückt. Aoko spürte seinen Finger zu deutlich und er reizte sie nun bis aufs Äußerste. Ein Stöhnen unterdrückend und in fast lautloses dennoch lustvolles Keuchen wandelnd, drückte sie ihre Hand ein wenig fester an seinen Schritt. Sie käme nur an ihn heran, wenn sie den Reißverschluss öffnete. Dennoch war ihr auch bewusst, dass dies zu laut wäre und sie in ihrem Tun verraten könnte.

Voll und ganz aufeinander fixiert, bekamen sie vom Unterricht nicht mehr viel mit und die Mitschüler waren zu sehr in ihre Partnerarbeiten vertieft, als das sie den beiden sonderlich viel Aufmerksamkeit schenkten.

Das Kribbeln stieg mehr und mehr an und die Erlösung war nicht mehr weit. Ihre ganze Haut war gereizt, die innerliche Anspannung stieg und automatisch verfestigte sie ihren Händedruck und rieb vehement über seiner Beule. Er passte seine Bewegung erneut an und trieb sie dem Gipfel näher.

Die Schulglocke erklang und kündigte den Stundenwechsel an.

Vollkommen aus ihrer eigenen kleinen Welt gerissen, starrten sie einander überrumpelt an.

Bewegung kam in die Klasse. Die Mitschüler packten ihre Sachen zusammen, zogen sich ihre Schutzkleidung aus und räumten die Kittel an die dafür vorgesehenen Haken zurück.

Aoko musste sich selbst erst einmal fassen, spürte wie Kaito seinen Finger aus ihr zog um ihn anschließend genüsslich in seinen Mund schob. Dabei ließ er sie nicht aus den Augen und allein diese Geste ließ sie erröten und ihr heiße Schauer über ihren Rücken fahren.

Er richtete sich seine Hose, damit man nicht sofort sah dass er eine Erektion hatte, stand auf und räumte ebenso auf.

Aoko blieb noch kurz sitzen musste sich selbst erst einmal sammeln und räumte zuerst ihre Unterlagen ein. Ihre Augen wanderten nach vorne. Ran deutete ihr sie später zu treffen und verschwand mit Shinichi.

Kaito drehte sich grinsend zu Aoko. „Wir können das gleich beenden.“

Die Braunhaarige blickte auf und funkelte ihn finster an. „Nur weil du es nötig hast, heißt das noch lange nicht, dass ich mit dir ...“, ein Mitschüler trat heran um seinen Kittel aufzuhängen und Aoko schluckte das letzte Wort hinunter.

Er sah sie herausfordernd an und stützte sich auf dem Tisch ab. „Zu wem gehst du denn, wenn du es nötig hast?“

„Das geht dich nichts an“, fauchte sie, stand auf und räumte ihren Kittel weg. Ihre Schulsachen in der anderen Hand wollte Aoko den Chemiesaal verlassen, als er sie plötzlich festhielt.

Die Mitschüler schoben sich an ihnen vorbei um in das nächste Unterrichtsfach zu wechseln.

„Ist es Hakuba? Ist er dein Macker?“

Aoko drehte sich um und funkelte ihn böse an. Sie tippte ihm auf die Brust. „Selbst wenn es so wäre, geht dich das nichts an.“

Kaito fühlte sich in seiner Annahme bestätigt, ignorierte ihren Finger und schob seinen Körper dicht an sie heran. „Du hältst dich von ihm fern“, verlangte er leise.

„Warum?!“

Er beugte sich zu ihr, schob sein Gesicht nahe an ihres und flüsterte ihr ins Ohr: „Weil du mir gehörst!“ Schon löste er sich von ihr, drückte sich an ihr vorbei und verschwand.

Aoko, immer noch starr, spürte ihren Herzschlag wild rasen und das Blut in ihren Ohren rauschen. Die Situation immer noch nicht einordnen können, trat sie als letzte aus dem Chemiesaal. Sie wollte eben die Richtung zum nächsten Kurs einschlagen, da hörte sie ihr zu bekannte Stimmen im Gang. Ihre Augen suchten nach den Personen. Sofort erfasste sie die Situation.

Shiho und Akako redeten auf Shinichi ein, während Ran halb verdeckt hinter Shinichi stand.

„Was willst du denn mit der da?!“, fauchte Shiho sehr wütend, während ihre mordenden Blicke Ran trafen.

„Sie ist meine Freundin und ihr lasst sie in Ruhe. Shiho, das mit uns ist schon lange vorbei und hat auch keine Zukunft mehr. Spar dir deine Annäherungen!“

„Das glaubst du doch selbst nicht“, knurrte Shiho wütend und wollte nun auf Ran los gehen. Da reagierte Aoko und stellte sich zwischen die Fronten. Wütend musterte sie ihre beiden Feindinnen. Sie würden garantiert keinen Keil zwischen Ran und Shinichi treiben. Gerade jetzt wo sich die beiden gefunden hatte, würde Aoko sich mit aller Macht vor ihr Lieblingspärchen stellen. „Ihr lasst eure Finger von meiner Schwester!“

Akako rümpfte die Nase und verschränkte ihre Arme vor der Brust. „Was willst du hier, Nakamori? Ich dachte wir wären uns einig?“

„Vergiss es, Akako, wir werden nie einer Meinung sein!“ Aoko ließ sich nicht mehr einschüchtern. Sie würde sich nun endlich all dem stellen und ihnen entgegen treten, wie sie es schon immer hätte tun müssen. Kurz überlegte sie, doch dann spielte sie ihren Trumpf aus. „Scheinbar bringst du es nicht mehr, sonst würde Kaito mich nicht zu einem Fick einladen und mit einer Latte durch die Gegend laufen.“

Akako knurrte und ballte die Hände. „Das wagst du nicht!“

Aoko aber beeindruckte das nicht: „Oh, wenn du wüsstest, was wir eben in Chemie gemacht haben. Sein Finger ist wirklich äußerst geschickt, aber wem sag ich das. Du müsstest das ja am Besten wissen.“

Akako fiel alle Farbe aus dem Gesicht. Bis sie plötzlich einen Satz nach vorne machte und Aoko am Kragen packte. „Du lässt deine Drecksgriffel von meinem Freund!“

Die Brünette umfasste Akakos Hände und blickte ihr ebenso gehässig entgegen, wie es diese Schlangen immer bei ihr taten. „Keine Sorge, denn seine Griffel sind es um die du dir Gedanken machen solltest.“ Schon löste sie die Finger und schubste die verblüffte Akako von sich. „Ihr hört mir jetzt mal zu“, sprach Aoko fest. „Ihr lasst meine Freunde und mich ein für alle Mal in Ruhe!“ Sie blickte zu Shiho. „Shinichi weiß was gut ist, und du bist es definitiv nicht.“ Weiter zu Akako. „Kaito kannst du behalten und besorgs ihm mal richtig, damit er mir nicht mehr nachstellt.“ Sie drehte sich Shinichi und Ran zu, schnappte sich die beiden und zog sie mit sich.

Das frisch verliebte Pärchen war immer noch zu verblüfft von dieser Ansage und ließ sich ohne Widerworte mitnehmen.
 

Nach der Schule suchten sie ihre Lieblingseisdiele auf. Sie setzten sich an einen Tisch und Shinichi berichtete gerade von Aokos Ansage.

Während Keiko ihre beste Freundin mit großen Augen ungläubig ansah, begann Hakuba zu lachen. „Da wäre ich zu gern dabei gewesen“, gestand er schließlich und amüsierte sich über das Bild in seinem Kopf wie Aoko nach zwei Jahren diesen Schlangen endlich die Meinung geigte.

Ran fand das ganze überhaupt nicht lustig. „Was wird passieren? Du hast Shiho und Akako extrem provoziert. Das wird wohl Konsequenzen nach sich ziehen. Die beiden geben nicht auf.“

Aoko lächelte aufmunternd. „Keine Sorge, ich gebe auch nicht auf! Ich habe die besten Freunde an meiner Seite. Mir wird nichts passieren!“

„Dennoch solltest du sie ernst nehmen. Du weißt nicht zu was sie fähig sind. Immerhin ist es dieses Mal anders als vor zwei Jahren“, bestätigte Keiko Rans doch sehr berechtigte Sorgen.

„Wir müssen Beweise sammeln um es ihnen heimzuzahlen“, stimmte Shinichi zu. „Sie dürfen mit ihren Schikanen nicht länger durchkommen. Zweimal sind sie ungestraft davon gekommen, aber ein drittes Mal darf das nicht passieren.“

Hakuba wurde nun wieder ernst. „Du hast recht und niemand weiß, ob es noch mehr Schüler getroffen hat, als dich und dieses Mädchen damals.“

Aoko senkte den Kopf und starrte in ihren Eisbecher. „Kaito lässt mich von jetzt an in Ruhe und von Akako und Shiho werde ich mich nicht mehr einschüchtern lassen. Was auch immer sie vorhaben, ich werde ihnen stolz entgegen treten.“

Ran rührte in ihrer Eisschokolade: „Wie sollen wir Beweise sammeln? Wir wissen ja nicht einmal wann sie wieder zuschlagen und was sie planen.“

Ein Pärchen betrat die Eisdiele und trat auf den Tisch der Freunde zu. „Was ist denn hier los? Warum herrscht solch eine Trauerstimmung?“, fragte Sonoko und riss damit die Anwesenden aus ihrer Lethargie.

„Schön dich zu sehen“, rief Ran erfreut aus und fiel ihrer besten Freundin um den Hals.

Auch die anderen begrüßten Makoto und Sonoko und rutschten zusammen um den beiden Platz zu machen. Sie verbrachten den Nachmittag zusammen und verdrängten alles negative um sich auf den schönen Moment des Lebens zu konzentrieren – ihre Freundschaft.

Kapitel XXXII - Phase 4

Shinichi klopfte an der Türe. Aoko blickte auf und musterte den Freund ihrer Schwester überrascht. Es war seltsam ihren Mitschüler bei sich im Zimmer zu empfangen.

„Darf ich reinkommen?“, fragte er.

„Ja, klar“, antwortete das Mädchen und deutete auf ihr Bett. Sie saß inmitten ihrer Hausaufgaben und lernte für den kommenden Mathematiktest. Diesen durfte sie einfach nicht verhauen und selbst wenn sie in Mathematik nie schlecht war, so würde es nicht schaden den Stoff einmal gelernt zu haben.

„Lernst du für den Mathetest am Freitag?“

„Ja“, bestätigte Aoko und räumte ein paar Unterlagen zusammen um Shinichi Platz zu machen. „Ich habe so ein ungutes Gefühl dass diese Woche noch etwas passieren wird und ich weiß nicht ob ich dann nochmal zum Lernen komme.“

„Die letzten Montage ist immer etwas vorgefallen, es liegt nahe das morgen wieder eine heimtückische Tat passiert.“

„Bei Akako und Shiho anzunehmen“, stimmte Aoko zu. „Die gehen über Leichen.“

„Genau das bereitet mir Sorgen“, gestand Shinichi und sah sie besorgt an. „Du hast Warnungen bekommen. Hast du diese aufgehoben?“

Aoko sah ihn überrascht an: „Ja, ich habe alles noch hier. Vom letzten Mal und die aktuellen.“

„Kann ich die Warnungen mal sehen?“

Aoko stand auf und ging zu ihrem Kleiderschrank. Wenig später reichte sie Shinichi die Box. „Wozu brauchst du die denn?“

Shinichi zog plötzlich weiße Handschuhe hervor und diese über seine Hände.

Die Oberschülerin beobachtete ihn verwirrt. „Was soll das werden?“

Es klopfte erneut und schon steckten Ran, Keiko und Hakuba ihre Köpfe in das Zimmer. „Ach ihr seid schon soweit“, grüßte der zweite Junge in der Runde und trat zum Bett. Mit großen neugierigen braunen Augen betrachtete Saguru die Box, dessen Deckel Shinichi eben herabnahm.

Schon setzte sich der blonde Halbjapaner mit aufs Bett und legte vor sich einen kleinen Koffer hin.

Aoko beugte sich vor und beobachtete die beiden Jungs in ihrem Tun.

Schon öffnete der Blonde den Koffer und zog eine große Folie hervor. Diese breitete er auf ihrem Bett aus und reichte Shinichi einen Pinsel und ein kleines Döschen.

Keiko und Ran hatten sich ebenso auf das Bett gesetzt und beobachteten die Jungs schweigsam. Sie schienen zumindest zu wissen, was das werden soll. Aoko verstand nicht was die beiden vor hatten. „Was macht ihr da?“

„Das ist ein Koffer von der Spurensicherung. Mein Vater hat ihn zuhause gehabt und ich habe ihn mir geborgt“, gestand Hakuba und grinste Aoko an. „Wir können hiermit die Fingerabdrücke nehmen und mit deinen vergleichen. Es sind ganz bestimmt Spuren von Shiho oder Akako dran.“

„Übertreibt ihr nicht ein bisschen?“, hakte Aoko überrascht nach.

„Ganz und gar nicht. Wir helfen dir!“

„Wenn mein Dad den Auflauf hier mitbekommt war es das mit der Detektiv-Spielerei. Und du“, Aoko deutete auf Saguru, „... wirst Ärger mit deinem Vater bekommen.“

Keiko nickte. „Ich habe es Saguru auch schon auszureden versucht, aber er hört einfach nicht zu.“

„Scheint eine Jungs-Krankheit zu sein. Kaito hört mir auch nicht zu“, murmelte Aoko und beobachtete wie Shinichi einen der Zettel einpinselte und mit Hakubas Hilfe dann Fingerabdrücke nahm. „Was wolltet ihr nach der Schule nochmal studieren?“

„Kriminalistik“, grinste Shinichi und Hakuba zwinkerte. „Dito!“

Aoko schlug sich mit der Hand gegen die Stirn und schüttelte seufzend den Kopf.

„Lass sie spielen“, lachte Ran plötzlich und Aoko rettete ihre Box aus den Händen der Jungs. „Aber nur mit dem einen Zettel. Die anderen fasst ihr nicht an.“ Mit dem Schuhkarton in ihren Armen sah sie ihre Freundinnen an. „So kann man seinen Sonntag auch ausklingen lassen.“ Ihr Blick wich zum Fenster hinaus und sie sah Kaito auf dem Nachbarbalkon stehen. Den Rest der Woche hatte er sie wirklich in Ruhe gelassen. Sie verstand ihn einfach nicht. Akako und Shiho war sie auch nicht mehr begegnet. Wieder einmal ahnte sie das etwas passieren wird auch wenn es keine Anzeichen dafür gab.

Die kommende Woche hielt noch einiges bereit. Morgen hatte sie wieder Sport und sie hoffte sehr, dass es keinen neuen Anschlag geben würde. Nicht auszudenken, wenn sie sich ernsthaft verletzte, denn am Samstag würde ihr Vater Rans Mutter heiraten.

Es war soweit. In einer Woche war Ran ihre offizielle Stiefschwester. Allerdings stand ihr das allerschlimmste an dieser Hochzeit noch bevor, denn sie würde den gesamten Tag mit Kaito auf der gleichen Veranstaltung sein. Als Freunde der Familie waren er und Chikage auch eingeladen. Und auch wenn das bei weitem nicht schon schlimm genug war, würde sie ihrem ekligen Cousin wieder begegnen. Was würde sie dafür geben, diesen Teil der Familie nie wieder sehen zu müssen. Zum Glück gab es nicht allzu viele Familienfeste und ihr Vater hielt den Kontakt mit seinem Bruder und dessen Familie auch sehr klein. Aber eine Hochzeit war nun mal ein besonderer Anlass die Familie wieder einmal zusammenzubringen.

Ihr Vater würde heiraten – zum zweiten Mal in seinem Leben und Aoko befand sich im absoluten Zwiespalt zwischen Vorfreude und Abneigung.

Hakuba stand plötzlich neben Aoko und drückte ihr seine Hand auf die Schulter. „Kaito ist draußen. Sollen wir ihm mal zeigen, wen du zu dir holst, wenn du es nötig hast?“ Er grinste belustigt und zwinkerte ihr frech zu, aber Aoko schüttelte nur ihren Kopf. „Provoziere ihn bitte nicht.“ Sie sah wie Kaito in sein Zimmer zurück ging.

„Es ist ein gutes Zeichen, wenn er eifersüchtig ist“, bemerkte Shinichi, der sich voll und ganz auf die Fingerabdrücke konzentrierte.

„Besitzergreifend. Von Eifersucht war nie die Rede“, korrigierte Aoko den Jungen und runzelte die Stirn. „Bist du sicher, dass du das richtig machst?“

Shinichi runzelte die Stirn. „Ich denke schon.“

Hakuba nickte: „Das sieht gut aus.“ Auch er beugte sich über den kleinen Zettel. „Wir brauchen noch einen Fingerabdruck von dir zum Vergleich.“

Ran und Keiko beugten sich ebenso neugierig vor und sahen den Jungs zu, wie sie von Aoko einen Fingerabdruck nahmen und diesen mit der Lupe untersuchten um dann die anderen Fingerabdrücke damit zu vergleichen.

„Da sind zu viele und teilweise verwischt“, gab Hakuba nach einer Weile auf.

„Außerdem braucht ihr von Shiho und Akako ebenso einen Fingerabdruck und den bekommt ihr nicht so einfach“, stellte Keiko fest und fügte zwinkernd hinzu. „Nicht umsonst muss man diesen Beruf gelernt haben.“

„Zu schade, ich hatte gehofft, einen Hinweis zu finden“, stimmte Shinichi enttäuscht zu.

„In ein paar Jahren“, ermutigte Aoko die beiden Jungs, die sich so für sie einsetzten. „Ich werde diese Box aufheben und wenn ihr Profis seid, dürft ihr alle Zettel nach Herzenslust untersuchen.“

Gemeinsam aßen die Freunde noch zu Abend, ehe dann alle wieder nach Hause gingen. Aber schon am nächsten Morgen trafen sie sich in der Schule wieder.
 

Weder Akako noch Shiho waren zu sehen und fehlten auch in der Sportstunde. Die Lehrerin verabschiedete die Oberschülerinnen in die Mittagspause und hielt Aoko nochmals zurück.

„Ich komm gleich nach“, verabschiedete sich Aoko von Ran und Keiko und ging zu ihrer Sportlehrerin.

„Ich bin froh, dass dir heute nichts passiert ist. Du hast ja nun doch so einiges im Sport verpasst. Aus diesem Grund werde ich dich nächste Woche in Sport testen.“ Die Sportlehrerin lächelte aufmunternd. „Hab keine Angst, du wirst das alles mit Bravour bestehen, dennoch brauche ich das Endergebnis für meine Notenermittlung.“

„Okay“, stimmte Aoko zu.

Die Sportlehrerin nickte aufmunternd. „Du kannst jetzt gehen.“

„Bis nächste Woche“, verabschiedete sich Aoko.

Sie verließ die Turnhalle und ging zur Umkleide, als sich ihr Hitomi in den Weg stellte. „Ich hab gehört du musst in Sport nachsitzen?“, fragte sie neugierig.

„Das geht dich nichts an“, widersprach Aoko irritiert und wollte sich an ihrer Mitschülerin vorbeischieben, doch sie versperrte ihr vehement den Weg.

„Was ist das für ein Gefühl der Loser der Schule zu sein?“

Aoko musterte das Mädchen aufmerksam. Mit Hitomi hatte sie nie etwas zu tun gehabt. Sie war Shiros Freundin und hatte noch nie ein Wort mit ihr gewechselt. Warum tat sie es heute? „Ich.. i... ich weiß nicht...“

„Oh du weißt nicht, dass du der Loser der Schule bist?“ Hitomi verschränkte spöttisch ihre Arme vor der Brust. „Ich hab dich nie für besonders intelligent gehalten, aber für so dumm nun auch wieder nicht.“

„Lass mich durch“, knurrte Aoko, aber Hitomi ließ sie immer noch nicht vorbei.

„Wie fühlt sich das eigentlich an eine Beziehung zu zerstören? Ist das ein gutes Gefühl? Gibt dir das einen besonderen Kick?“

Aoko öffnete den Mund, doch dann schloss sie ihn wieder tonlos. Sie starrte noch einen kurzen Moment Hitomi an, dann drückte sie sich entschlossen an ihr vorbei und stürmte zu der Mädchenumkleidekabine.

Die anderen waren längst fertig mit umziehen und Aoko eilte zu ihrem Schließfach. Aufgebracht zog sie sich ihre Sportsachen aus. Sie war allein, aber das störte sie überhaupt nicht. Hitomi hatte sie mehr als gereizt und ihr einen Spiegel vor die Augen gehalten. Das Bild darin gefiel ihr ganz und gar nicht und sie kam sich mehr als schäbig vor. Auch wenn jede Aktion von Kaito ausging, so ließ sie sich jedes Mal darauf ein und machte mit. Sie war kein Deut besser als Shiho und Akako. Aoko öffnete frustriert ihr Schließfach um sich ihre Kleidung hervorzuholen, aber diese war nicht mehr darin. Erschrocken suchte sie den Spind ab, sah sich verzweifelt um und öffnete nun die anderen Schließfächer, aber ihre Kleidung war nirgends zu finden. „Verdammt!“ Aoko fuhr sich verzweifelt über das Gesicht. Das war der Grund für dieses überraschende Gespräch mit Hitomi.

Schon wurde die Türe aufgerissen, ein paar Mitschülerinnen rannten in die Umkleide, schnappten sich Aoko und zerrten sie gegen ihren Willen mit sich. Aoko wehrte sich gegen diesen Überfall, aber die Mädchen waren ihr von der Anzahl her überlegen und im nächsten Moment schubsten sie die Braunhaarige in den Gang hinaus. Sie konnte sich gerade noch so fangen, als sie schon Pfiffe hörte und ein Gejohle.

Erschrocken schaute sie auf und um sie herum standen hauptsächlich männliche Schüler, die sie betrachteten, anzüglich über die Lippen leckten oder sich unterhielten, während sie auf ihren Körper deuteten. Die Mädchen lästerten über die biedere Unterwäsche und die Proportionen des Körpers.

Aoko stand ihren Mitschülerin hilflos ausgeliefert und halbnackt gegenüber und verdeckte notdürftig ihre Oberweite. Sie wollte in die Umkleide zurück, aber die Mädchen versperrten ihr lachend den Weg.

„Geht auf die Seite!“, brüllte Hakuba plötzlich.

Aoko riss ihren Kopf zur Seite und erkannte ihren Freund, der sich zwischen den Schülern durch schob und es zu ihr schaffte. Schon zog er seine Jacke aus und warf diese um ihre Schultern. Im nächsten Moment schirmte er sie ab, während er seine Mitschüler anbrüllte wie kindisch sie sich alle aufführten.

Keiko und Ran folgten ihm und schoben Aoko strikt in die Mädchenumkleide zurück und schlossen die Türe.

Saguru blieb vor der Türe stehen, wie ein Wachhund, und schickte alle Mitschüler in die Pause: „Hier gibt es nichts mehr zu sehen. Verschwindet endlich!“ Nach und nach löste sich die Menge auf. „Ich hatte mehr von euch erwartet.“

Zu deutlich hörten die Freundinnen Hakubas Stimme durch die geschlossene Türe.

Aoko vergrub ihr Gesicht in ihren Händen, während sie immer wieder schluchzte.

Ran und Keiko streichelten ihr über den Rücken. „Zieh dich an, dann verschwinden wir von hier.“

„Meine Sachen sind weg“, schniefte Aoko.

„Dann zieh deine Sportsachen an und du bekommst meine Jacke zum Überziehen“, versprach Ran, stockte aber, als es draußen einen Tumult zu geben schien.

„Du kannst nicht hier rein“, sprach Hakuba bestimmt, der immer noch die Tür bewachte.

„Und wie ich das kann“, widersprach Kaito zu deutlich.

Aoko riss ihre Augen auf. Was wollte er denn schon wieder hier?

„Ich lasse dich ganz bestimmt nicht zu ihr“, knurrte der Halbjapaner. „Du bist in der Masse gewesen und hast nichts getan – nur zugesehen! Nennt sich das Freundschaft?“

„Das geht dich nichts an“, entgegnete Kaito ebenso gereizt und stur. „Lass mich zu ihr!“

„Nein!“

Aoko, die deutlich jedes Wort durch die geschlossene Türe hörte, stand entschlossen auf. Mit Tränen verschmiertem Gesicht öffnete sie die Türe und stand den beiden Jungs gegenüber, die sie überrascht ansahen.

Kaito musterte sie besorgt. „Aoko“, hauchte er, doch dann hielt er ihr die Kleidung hin. „Ich hab sie...“, erklärte er, doch Aoko hörte nicht zu. Wütend blitzte sie ihn an, riss ihm ihre Kleidung aus den Händen und verpasste ihm im nächsten Moment eine Ohrfeige. „Verschwinde“, knurrte sie und schlug die Türe zu.

Wieder traten Ran und Keiko auf Aoko zu, sprachen ihr Mut zu, aber Aoko verschloss sich komplett. Sie zog ihre Schuluniform an, packte ihre Sporttasche und ging wieder zur Türe.

Sie öffnete diese und fand Hakuba mit Kaito in einer hitzigen Diskussion, die sie allerdings sofort einstellten als sie erschien.

Reumütig wandte Kaito sich seiner Nachbarin zu. „Bitte, Aoko, es tut mir leid.“

Jedoch ignorierte sie ihn und reichte Saguru seine Jacke. „Danke für deine Hilfe“, sprach sie, ehe sie sich umdrehte und den Gang entlang ging.

Wenige Schritte später traf sie auf Shinichi: „Kaito hat damit nichts zu tun. Ich schwöre es dir.“

Aoko blickte in die blauen Augen und senkte dann den Kopf. „Hiermit vielleicht nicht.“ Dann ging sie weiter.

Sie folgte dem langen Gang und trat in die Aula. Da stellten sich ihr Shiho und Akako in den Weg. In ihrem Beisein war auch Hitomi, die eine überhebliche Fratze aufgesetzt hatte.

„Hast du es jetzt endlich verstanden?“

Aoko blickte wütend von einem Gesicht zum nächsten, doch an Hitomis blieb sie hängen. „Ich kann mich im Spiegel noch ansehen, wie sieht es bei dir aus?“

Dem Mädchen wackelte für einen Moment die Fassade, doch dann fasste sie sich wieder. Aoko war das Zeichen genug und ging. Begleitet wieder einmal von eindeutigen Blicken und Worten, die sie strikt auszublenden versuchte.
 


 

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Aoko schluckte und blickte erneut auf die kleine Notiz. Sie wusste nicht was sie davon halten sollte. Was konnte es nur so wichtiges zu besprechen geben, was keinen Aufschub mehr duldete? „Mittagspause am Schwimmbecken. K.“

Ein schlechtes Gefühl breitete sich in ihr aus. Was wäre wenn er sich tatsächlich für Akako entschied? Wenn er ihr das nun mitteilen wollte? Akako und sie waren wie Tag und Nacht, Feuer und Eis, Licht und Dunkelheit, das passte einfach nicht. Sie konnte nicht auf gute Freundin machen, nicht in Akakos Nähe.

Aoko hatte bisher jeglichen Gedanken daran verdrängt, wollte sich nicht damit beschäftigen, aber vielleicht sollte sie das mal tun. Sie musste sich klar darüber werden, wo und wie sie einer potenziellen Freundin begegnen würde. Konnte sie Kaito das Glück mit einem Mädchen gönnen? Würde sie sich eines Tages mit ihren unerwiderten Gefühlen für Kaito abfinden können und ihn wirklich nur als besten Freund sehen?

Sie trat durch das Tor hin und ging zum Schwimmbecken. Niemand war hier. Der Schwimmklub hatte ebenso Pause, wie der Rest der Schule und da im gesamten Badbereich Essen verboten war, würde man auch hier in der Mittagspause niemanden vorfinden.

Gedankenversunken schlenderte sie zum Schwimmbecken und starrte in das klare Nass, welches den blauen Himmel widerspiegelte.

Sie musste sich selbst wirklich prüfen. Konnte sie mit ansehen, wie Kaito mit einem anderen Mädchen glücklich wurde, heiratete und eine Familie gründete? Könnte sie ihm in all den Jahren zur Seite stehen mit der Gewissheit diesen Platz nie selbst zu füllen? Seine Kinder aufwachsen zu sehen, ohne selbst die Mutter zu sein? Würde sie jemals einem Mann den gleichen Platz in ihrem Herzen einräumen können, wie Kaito ihn schon füllte?

Plötzlich spürte sie einen Stoß und vollkommen überrumpelt verlor sie ihr Gleichgewicht und fiel in das Schwimmbecken. Es platschte laut und schlagartig sog sich ihre Schuluniform voll mit Wasser. Sie tauchte auf, aber die schwere nasse Kleidung zog sie immer wieder unter Wasser.

Noch nicht richtig realisierend was passiert ist, hörte sie schon ein lautstarkes Lachen. „Ups, dir muss ja ganz schön warm gewesen sein, wenn du jetzt noch ein Bad nimmst.“

Sie sah auf und blickte Shiho entgegen.

Schon hockte sich die Oberschülerin an den Beckenrand und blickte herablassend zu ihr. „Du glaubst doch nicht wirklich, das Kaito kommt, oder?“ Schon stand sie wieder auf und verließ den Schwimmbad-Bereich.

Aoko schwamm zur nächsten Leiter und kletterte hinaus. Ihre Kleidung klebte ihr am Körper und sie begann schlagartig zu frieren. Triefend nass kehrte sie ins Hauptgebäude der Schule zurück und wurde auf dem Weg von sämtlichen Mitschülern ausgelacht.

Kaito trat zu ihr, wobei seine Augen entsetzt über ihre nasse Erscheinung glitten. „Was ist passiert?“

Aoko sah ihn an. „Ich war am Treffpunkt.“

„Welcher Treffpunkt?“, fragte ihr bester Freund verwirrt nach.

Und in diesem Moment wusste Aoko, dass die Nachricht nicht von Kaito kam. „Akako“, murmelte sie unverständlich und ignorierte das Kribbeln in ihrer Nase. Ein Niesen unterdrückend suchte sie sich Ersatzkleidung heraus und würde sich erst einmal trockene Sachen anziehen.
 

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Kapitel XXXIII - Abstellkammer

Erstaunlicherweise war wieder die gesamte Woche nach dem Anschlag nichts passiert. Wenn man es genau nahm, dann reichte der psychische Druck aus um innerlich vor die Hunde zu gehen. Die Mädchen zeigten mit dem Finger auf sie, die Jungs flirteten was das Zeug hielt oder machten sehr anzügliche Bemerkungen als wäre sie leicht zu haben. Es nervte Aoko nur noch. Nur noch diesen einen Schultag, dann war endlich Wochenende. Auch wenn sie die Vermutung hegte, dass dieses nicht besser würde. Besonders wenn sie an Yuudai dachte. Sie hatte ihren Cousin lange nicht gesehen. Zuletzt auf einem runden Geburtstag ihres Vaters. Es war ein furchtbarer Tag und sie war froh als dieser um war und die Familien wieder getrennte Wege gingen. Dank Kaito und nur wegen ihm hatte sie diesen Tag durchgestanden. Ob Yuudai sich inzwischen verändert hatte oder war er immer noch so ein ekliger Draufgänger?

Die Lehrerin betrat das Klassenzimmer und verteilte wenig später die Mathematik-Klausur. Schweigsam machte sich jeder Schüler daran die Aufgaben zu lösen und Aoko verbannte die Gedanken an den morgigen Tag. Aktuell gab es wichtigeres zu erledigen.

Die Schüler saßen über der Mathematik-Arbeit und Aoko fühlte sich sehr gut. Die Aufgaben waren leicht zu lösen und es glich beinahe einem Spaziergang. Die Hälfte der Zeit war um und sie hatte nur noch zwei Aufgaben vor sich und mehr als genug Zeit übrig. Dieser Test würde ihr definitiv eine gute Note bescheren und ihren guten Notenstand sichern.

Plötzlich trat Kaito an ihrem Platz vorbei. Er wurde von allen Mitschülern beobachtet, wie er zwischen den Pulten vorbei trat, dem Lehrer seine Arbeit abgab. Danach verließ er das Klassenzimmer. Ein Stöhnen und Raunen ging durch die Klasse, ehe sich alle wieder auf ihre Arbeit konzentrierten.

Aoko löste noch die letzten Aufgaben und las alles nochmal Korrektur. Sie konnte keine Fehler finden. Also packte auch sie ihren Stift weg, stand auf und gab ihre Arbeit ab. Auch sie wurde von den Mitschülern aufmerksam gemustert, ehe sich die einzelnen Schüler hektisch an ihre Arbeiten setzten. Sie trat hinaus auf den Gang, der menschenleer und ruhig vor ihr lag. Alle Schüler waren im Unterricht. Sie sah sich um. Kaito sollte doch hier draußen sein, immerhin hatte er seine Arbeit vor ihr abgegeben, aber warum stand sie dann alleine hier?

Sie blickte auf die Uhr. Zwanzig Minuten blieben ihr noch, dann begann die Pause. Ob sie sich unerlaubterweise einfach entfernen sollte, wie Kaito es scheinbar getan hatte? Sie würde zu gern wissen, wo er hingegangen ist. Aber es sollte ihr egal sein was er tat. Es war sowieso das beste getrennte Wege zu gehen. Sie drehte sich um und ging den leeren Schulflur entlang. Sie würde die Toilette aufsuchen und dann wieder zurückkehren in der Hoffnung dass ein paar Mitschüler auch bald fertig wären. Gerade als sie an einer Abstellkammer vorbei kam, die unmittelbar neben der Jungen-Schultoilette war, trat Kaito aus dem Waschraum heraus. Für einen kurzen Moment musterte er sie überrascht. Doch dann trat er auf sie zu, umfasste ihren Kopf und drückte ihr seine Lippen auf.

Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Alleine das atemberaubende Lippenspiel schaffte es sie willig zu machen. Ihr ganzer Körper stand unter Strom und seine Finger, die ihr letztens noch provokant in Chemie auflauerten, spürte sie nun zu genau an ihrem Hinterkopf. Ihre Augen fielen mit der ersten Berührung zu und ihre Gefühle nahmen sofort die Oberhand. Sie war süchtig nach ihm und seinen Berührungen und sie wusste, wenn er es nun drauf anlegen würde gäbe es keinen Halt mehr. Chemie war die Vorstufe und jegliche Vernunft war ihr seither abhanden gekommen. Auch wenn sie sich immer wieder zur Züchtigung rief, immer wieder innerlich ermahnen musste, dass er nur mit ihr spielte und sie – einzig und alleine sie – mit gebrochenem Herzen am Ende da stehen würde, so war sie bereit dieses Risiko einzugehen. Ein Zurück gab es für sie schon lange nicht mehr.

Eine Hand wanderte zu ihrer Hüfte, strich ihr dabei zärtlich über den Rücken, drückte sie fester an sich. „Ich kann nicht mehr“, hauchte er zwischen den Küssen.

Aoko spürte zu deutlich, dass er es ebenso wollte wie sie. Sie musste sich anstrengen, die Worte zu formulieren: „Was kannst du nicht mehr?“

„Mich zurückhalten!“ Seine Zunge drängte sich in ihre Mundhöhle und verwickelte sie in ein leidenschaftliches Spiel. Sein Körper presste sich dichter an ihren, stieß sie dabei etwas zurück. Schon löste sich die Hand an ihrer Hüfte und verschwand, nur um im nächsten Moment die Türe neben ihnen zu öffnen. Kaum passten sie durch den Türspalt, schob er sie direkt in die kleine Kammer und schloss hinter sich die Türe.

Während sie etwas unsanft gegen ein Regal stieß, drehte er sich der Türe zu. Seine Finger suchten nach der Verriegelung unterhalb der Türklinke und er schloss sie beide ein.

Aoko versuchte sich zu orientieren. Das war aber gar nicht so einfach, denn der kleine Raum lag in absoluter Dunkelheit.

Das schien Kaito aber nicht zu stören, denn seine Hände suchten nach ihrem Gesicht und streichelten sie sanft. Sein Daumen fuhr zärtlich über ihre Wangen, hinab zu ihrem Kinn und suchten schließlich ihre Lippen. Die Berührungen in absoluter Finsternis trieb ihr eine Gänsehaut über den gesamten Körper und entfachte ein Feuer in ihr, das niemand mehr zu löschen vermag. Sanft und zärtlich strich er ihr über ihre Lippen, aber Aokos Vernunft war schon lange verloren gegangen. Sie konnte nicht mehr und öffnete ihre Lippen. Als wäre es eine Einladung folgte sein Finger dieser und sie umschloss diesen zärtlich. Sie saugte etwas und Kaito keuchte. Von ihrer Lust angetrieben, suchte sich seine andere Hand den Weg unter ihren Rock und verschwand schnell und rücksichtslos in ihrem Slip. Zeitgleich stieß er mit zwei Fingern in sie und Aoko erschauderte regelrecht, als sie spürte, wie er es wieder einmal schaffte diesen bestimmten Punkt in ihr zu treffen, der sie innerlich zum Beben brachte. Sie ließ auch seinen Finger in ihren Mund immer wieder eintauchen, doch das genügte ihr nicht mehr. Es mochte falsch sein, aber es gab kein Zurück mehr. Das Feuer brannte und sie würde es tun. Sie würde es wagen und sich voll und ganz auf ihn einlassen. Während sie vor erregten Schauern erzitterte, fuhren ihre Finger über seine starke Brust. Sie glitten über das Hemd hinab und erfühlten die ausgeprägte Bauchmuskulatur, die sich darunter verbarg. Lange hielt sie sich dort nicht auf, denn kundig und mit Vorfreude, strichen ihre Finger südlicher, streiften über seine ausgebeulte Hose und öffneten ohne zu zögern den Knopf der Hose und zogen den Reißverschluss hinab. Begleitet von einem erstickten Keuchen tauchten ihre Finger in seine Shorts ein und fuhren seine Härte zärtlich entlang.

„Nimm ihn“, forderte Kaito heißer und Aoko folgte seiner Aufforderung. So hatte er noch nie zuvor mit ihr gesprochen und es heizte ihr erneut kräftig ein. Unablässig stieß sein Finger in sie und zeigte ihr damit in welchem Tempo er es gern hätte. Allerdings wäre sie nicht Aoko wenn sie sich einfach so seinen Forderungen hingab. Eine Hand umfasste wie gewünscht sein Glied und fing an es zu bearbeiten, während die andere Hand zu ihren Lippen fuhr und seine Finger von ihrem Mund entfernten. Kaum war dieser freigelegt, begann Kaito sie stürmisch zu küssen und drückte sie dabei unsanft gegen das Regal.

„Aua“, stieß sie plötzlich schmerzerfüllt aus, als sie mit dem Steißbein gegen ein Regalfach stieß.

Erstarrt hielt Kaito inne. Doch sein entsetztes Gesicht hielt nicht lange, denn Aoko drängte ihn plötzlich zurück, bis er an die Türe stieß und sich daran anlehnte. Er wollte sich wieder ihren sündigen Lippen hingeben, doch dieses Mal ließ sie es nicht zu. Stattdessen glitt sie an ihn hinab.

Mit großen Augen spürte er ihre Bewegungen und konnte kaum glauben was sie da vor hatte. „Aoko“, stieß er aus. Eine Mischung aus Überraschung, Erregung, Vorfreude und doch Unsicherheit.

Aoko ignorierten ihn, konzentrierte sich voll und ganz auf ihr Vorhaben und begann sanft über seinen Schaft zu lecken.

Allein diese Berührung ließ Kaito keuchen, aber sie war noch lange nicht fertig und umschloss seine Länge mit ihren Lippen und begann ihn mit dem Mund zu verwöhnen, während er seine Hände in ihrem braunen Haar vergrub und den Kopf an die Türe lehnte.

„Aoko“, stöhnte er leise, aber sie ließ sich nicht beirren und setzte ihr Tun genussvoll fort. „Aoko“, wiederholte er etwas nachdrücklicher, doch sie hörte immer noch nicht auf ihn zu verwöhnen.

Plötzlich packte er ihren Kopf und stoppte sie in ihrer Bewegung. „Verdammt, Aoko, nicht so!“, fluchte er nun leise.

Sie löste sich von seiner Erektion und blickte zu ihm überrascht auf. Es war immer noch dunkel und sie konnte kaum etwas erkennen außer seiner Silhouette. Bevor sie allerdings etwas sagen konnte, zog er sie ruckartig zu sich hoch und drückte sie an die Wand zu seiner rechten Seite. Sie selbst war zu überrumpelt und fragte sich ob sie etwas falsch gemacht hatte, als sie aber seine Lippen an ihrem Hals fühlte und zwei seiner Finger wieder vorwitzig unter ihrem Slip verschwanden.

„Ich habe so lange darauf gewartet...“, knurrte er und fügte hinzu: „...jetzt will ich dich richtig!“ Schon zogen seine Hände ihren Slip hinab und streichelten ihre langen Beine wieder hinauf bis zu ihrem Po. Im nächsten Moment hob er sie wieder an und drückte sie gegen die Wand.

Sie spürte sein Glied über ihre Mitte streifen und alleine diese Berührung ließ sie vor Vorfreude seufzen. Es war soweit... gleich würde er sich in ihr versenken und sie für sich einnehmen. Sie war bereit ihm zur Verfügung zu stehen und sich voll und ganz auf ihn einzulassen, auch wenn es nur eine einmalige Sache sein sollte. Sie war bereit solange sie ihn nur noch einmal in sich spüren durfte. Er bewegte seine Hüfte und die Spitze seines Glieds berührte sie an ihrer Klitoris und ließ sie heißer keuchen. „Tu es endlich“, forderte sie ungeduldig und konnte es kaum erwarten, dass er in sie eindrang, sie ausfüllte und zum Mond und wieder zurück bringen würde. Sie wollte es, so sehr, und sie wollte jede Sekunde ihrer Vereinigung in sich aufsaugen und nie wieder vergessen. Sie würde sich an dieser Erinnerung laben, selbst wenn er schon längst wieder bei Akako wäre und Aoko selbst nur ein einmaliger Seitensprung bleiben würde.

„Aoko“, keuchte Kaito ebenso erregt und voller Ungeduld.

Sie zuckte vor Aufregung und wartete darauf, dass er sich in sie schob, aber es passierte nichts. „Kaito“, flüsterte sie ungeduldig. „Nimm mich!“

Eine eindeutigere Einladung gab es nicht, das wusste er zu gut. Das letzte Fünkchen Verstand nun endgültig über Bord werfend, wollte er ihrer Aufforderung endlich nachkommen... doch er zögerte.

Da schrillte die Schulklingel und läutete die Pause ein.

Aus ihren intensiven Gefühlen gerissen, lauschten sie wie die Schüler die leeren Gänge füllten und die lauten Stimmen das sonst so stille Schulhaus wieder mit Leben füllten. Ungesehen würden sie jetzt auch nicht mehr hinaus treten können, also konnten sie nun das tun, was sie vor hatten, aber Kaito drückte ihr einen sanften Kuss auf den Mund und flüsterte: „Wir lassen es für heute gut sein.“ Und schon zog er sich komplett zurück und ließ sie auf den Boden hinab.

„Wie bitte?“

Er nahm Abstand ein, verstaute sein immer noch erregtes Glied in seiner Shorts und schloss danach seine Hose.

Aoko, die seine Bewegungen nur erahnen, aber dennoch zu deutlich hören konnte was er machte, bückte sich um ihren Slip wieder hochzuziehen. Sie war absolut überfordert mit dieser Situation. War es nicht das was er die gesamte Zeit wollte? Warum wies er sie nun so eiskalt ab? Ihr fehlten die Worte und in ihrem Hals bildete sich ein Knoten.

„Aoko“, hauchte er liebevoll.

Aber sie schüttelte ihren Kopf. „Ich hab schon verstanden“, konterte sie enttäuscht.

Im nächsten Moment legte sich ein Schalter um und die Abstellkammer wurde von hellem Licht durchflutet. Ehe Aokos Augen sich an den plötzlich Lichteinfall gewöhnen konnten, wurde sie schon wieder gegen die Wand gedrückt und spürte Kaitos aufmerksamen Blick auf sich. „Du glaubst jetzt aber nicht, dass ich kein Interesse mehr an dir habe, oder?“

Aoko öffnete langsam ihre Augen und fand Kaitos Blick. Es war eine Mischung aus Sorge, Erregung, Leidenschaft und Skepsis. „Du hattest die Möglichkeit und weist mich im letzten Moment ab.“

„Das liegt nicht an dir“, versuchte er sich zu erklären. „Ich will dich, sogar mehr als alles andere, aber nicht ohne Schutz.“

Aoko riss überrascht ihre Augen auf.

Kaito blickte sie ernst an. „Ich habe kein Kondom dabei und ich...“ Er sah sie fast beschämt an doch dann festigte er seinen Blick: „... ich bereue es zutiefst nichts dabei zu haben.“ Er nahm ihren Mund für einen intensiven Kuss ein, doch dann löste er sich und flüsterte in ihr Ohr: „Du kannst dir nicht vorstellen wie sehr ich mich danach sehne mich in dir zu versenken, dich auszufüllen und es dir zu besorgen bis du meinen Namen schreist.“

Errötet schnappte Aoko nach Luft. Er drückte seine Hüfte enger an ihre und sie spürte seine Erregung zu deutlich an ihrem Bauch.

„Spürst du das? Das ist deinetwegen – allein deinetwegen.“

„Wieso hast du es mich dann nicht einfach beenden lassen?“

„Weil ich es nicht so wollte“, gestand er ihr und sah sie direkt an. Sie sah die Wahrheit in seinen Augen leuchten. „Du weißt gar nicht wie sehr ich mich beherrschen muss um nicht über dich herzufallen.“

Ich nehme die Pille, lag ihr auf der Zunge, aber Aoko wusste selbst wie dumm es klang. Eine Pille schützte nicht vor Krankheiten sondern nur vor Schwangerschaften. Sie sollte ihm dankbar sein, dass er so besonnen war. Auch wenn sie sich nichts sehnlicher wünschte als ihm nahe zu kommen. Sie führte eine Hand an seine Wange und streichelte ihn vorsichtig. „Danke.“ Und sie meinte es ehrlich. Nicht jeder Junge würde so bedacht mit einem Mädchen umgehen.

Er schmiegte sich in ihre Handfläche und drückte ihr einen Kuss in diese. Sie verharrten noch eine Weile in friedlicher Zweisamkeit, bis Kaito die Türe öffnete und einen Blick auf den Gang warf. Niemand hielt sich hier auf und so konnten sie ungesehen herauskommen. Sie standen sich etwas unsicher gegenüber, doch dann sprach Aoko. „Es ist besser wenn wir getrennte Wege gehen.“

„Aoko“, setzte er an, aber Aoko schüttelte ihren Kopf und ging einfach an ihm vorbei.

Kapitel XXXIV - Titelverteidigung

Am Nachmittag fanden sich die Schüler am Fußballplatz ein. Auf der linken Seite standen die Oberschüler des Ekoda Gymnasiums, auf der gegenüberliegenden Seite standen die Schüler der Gastmannschaft der Tsukudocho Oberschule. Deren Schuluniformen waren ganz in grau und die Schüler feuerten schon beim Aufwärmen ihre Schulmannschaft lauthals an.

„Die sind ganz schön laut“, stellte Keiko beeindruckt fest.

„Umso eher geht ihnen die Puste aus“, bemerkte Ran. Sie saß mit ihren Freunden in der Wiese. Aber Keiko war die einzige, die sich für das Spiel zu interessieren schien.

Hakuba saß neben Keiko und wirkte eher genervt. Das Fußball eine schulische Pflichtveranstaltung war konnte er nicht nachvollziehen. Aber wenn die Schule ein Heimspiel hatte wurde nun mal von der gesamten Schülerschaft erwartet die Mannschaft anzufeuern. Besonders an so einem wichtigen Tag an dem es um die Meisterschaft ging. Diese beiden Mannschaften hatten sich über das gesamte Schuljahr gegen viele andere Schulmannschaften in Tokio behauptet und standen im Finale. Heute ging es um die Titelverteidigung und das mögliche Tripple für Ekoda.

Ran sah zu den Jungs ihrer Mannschaft und beobachtete wie diese sich auf dem Platz aufwärmten. Kaito und Shinichi schossen abwechselnd auf das Tor um Shiro aufzuwärmen, wobei sie selbst von den Übungsschüssen warm wurden. Ihr Freund sah wahnsinnig attraktiv aus in seinem Fußballdress. Ran blühte das Herz auf und ein wohliges Kribbeln durchflutete ihren Körper.

Einige Mädchen standen weiter entfernt und doch verstand sie jedes Wort. Sie schwärmten von Shinichi, Kaito und Shiro, die Stars ihrer Schule.

Solange sie nur schwärmten und ihre Finger von Shinichi ließen, sollte es Ran egal sein. Plötzlich kreischten die Mädchen auf und sie selbst sah auf das Fußballfeld. Shinichi winkte ihr zu und Ran winkte erfreut zurück. Dies blieb natürlich allen umliegenden Personen nicht verborgen und Ran wurde skeptisch wie auch neidisch gemustert.

Keiko kicherte amüsiert und Hakuba grinste zu Ran: „Scheint ganz so als hättest du dir den Neid aller Mädchen zugezogen.“

Ran lächelte verlegen und sah nun zu Aoko, die sehr in sich gekehrt war und gedankenverloren auf den Fußballplatz starrte. „Ist alles in Ordnung?“

Aoko antwortete nicht.

Keiko beugte sich zu Ran vor. „Hat sie dir gesagt, wo sie vorhin war? Als ich meine Arbeit abgegeben habe war sie nicht mehr im Schulgang.

Ran wusste es auch nicht und Aoko hatte ihr vorhin auf diese Frage keine Antwort gegeben. Zum Glück war es der Mathelehrerin nicht aufgefallen, sonst hätte es womöglich noch Ärger gegeben. Sie drehte sich wieder Aoko zu, aber diese schien in einem anderen Universum zu schweben. Ran hob ihren Blick wieder zum Fußballfeld und begegnete Kaitos Blick, der für einen kurzen Moment zu ihnen sah, sich dann aber abwandte und mit Shinichi und Shiro zu seinem Trainer joggte. Dort gab es letzte Einweisungen ehe sich beide Teams über das Feld verteilten und die beiden Kapitäne sich bei den Schiedsrichtern einfanden. Ein Münzwurf entschied über den Anstoß und das Team der Tsukudocho Oberschule durfte zuerst den Ball spielen.

Die Jungs der gegnerischen Mannschaft spielten gut und schnell und kamen nach wenigen Sekunden in den Abwehrraum, aber dank Makoto konnte der Ball abgefangen werden und die Ekoda-Jungs starteten ihren Gegenangriff. Kaito und Shinichi spielten schnell nach vorne, gaben ein hohes Tempo vor und spielten die Gegner flink aus. Allerdings stellte sich ein breiter Abwehrspieler in den Weg und da Kaito ebenfalls gedeckt wurde, versuchte Shinichi sein Glück und schoss aufs Tor. Doch der Ball ging meterweit drüber.

Eine ganze Weile ging das Spiel, der Ball wechselte schnell zwischen den Teams und jeder kam in den Abwehrraum, aber nicht wirklich zum Tor. Es gab auf beiden Seiten immer wieder Schüsse in Richtung des Kasten, aber meistens standen die Spieler zu weit weg um wirklich treffen zu können.

„Wie viel steht es schon?“

Überrascht sah Ran auf und begann plötzlich zu strahlen. „Sonoko“, rief sie und sprang ihrer besten Freundin um den Hals. „Was machst du denn hier?“

„Mein Schatz spielt heute um den Titel, das lass ich mir doch nicht entgehen“, grinste Sonoko und setzte sich neben Aoko, die stumm dem Spiel folgte. „Übrigens erwarte ich dich und Shinichi zum Doppeldate“, forderte die reiche Suzuki-Tochter und musterte Aoko aufmerksam. „Wir haben auch noch Platz für dich und Kaito. Seid ihr jetzt zusammen?“

Erschrocken blickte Aoko auf und auch die anderen drei Freunde sahen neugierig und überrascht zur Angesprochenen. „Wie kommst du darauf?“

„Du starrst ihn an und er sieht die ganze Zeit zu dir. Wenn ihr nicht verliebt seid, dann frag ich mich, was das zwischen euch ist“, zeigte Sonoko die Fakten auf.

„Das stimmt doch nicht“, widersprach Aoko entsetzt, aber als Sonoko wortlos aufs Feld deutete, folgten alle dem Fingerzeig.

Kaito sah zu ihnen herüber.

Ran selbst hatte nur Augen für Shinichi gehabt, dass ihr das gar nicht aufgefallen ist. Ihre Augen wichen zu Aoko, ein Rotschimmer auf den Wangen ihrer Schwester vorfindend. Überrascht sah Ran wieder zu Kaito und zurück zu ihrer Schwester. Konnte es wirklich sein und die beiden...

„So ein Quatsch“, fauchte Aoko plötzlich. „Nur weil Ran und du auf Wolken schwebt muss das hier nicht bei jedem der Fall sein. Kaito und ich haben uns vorhin gestritten. Außerdem ist er immer noch mit Akako zusammen.“

Ran entging nicht wie bedrückt und traurig Aoko zum Ende hin klang. Akako war wirklich ein Problem und ganz gewiss kein kleines. Bislang hatten sie Sonoko nicht eingeweiht. Sie war davon auch nicht direkt betroffen. Sie ging nicht auf diese Schule und Makoto hielt sich aus allen Zwistigkeiten raus und hütete sich einzumischen.

Sonoko überließ niemandem das letzte Wort und würde bei Aoko keine Ausnahme machen: „Das ist ein Grund aber kein Hindernis.“

Die Freunde verfolgten gebannt das Spiel, allerdings lag ihr Augenmerk nun verstärkt auf einem ganz bestimmten Spieler. Misstrauisch und kritisch beobachteten sie Kaito und prüften damit ob an Sonokos Behauptung etwas wahres dran sein könnte. Bis zur ersten Halbzeit taten sich kaum Torchancen auf und nach dem Abpfiff fanden sich die Teams bei ihren Trainern ein.

Da die Mannschaft nicht allzu weit entfernt stand, verstanden die Schüler drum herum die Kritik des Coach. „Konzentriert euch auf das Spiel. So eine Chance bekommt ihr nie wieder. Vergesst alles, blendet eure Mitschüler aus und schaltet eure Gedanken ab. Jetzt geht es in der nächsten dreiviertel Stunde nur um unser Spiel und um den Sieg. Die Meisterschaft und den Titel. Verstanden?“

Das Team stimmte entschlossen zu, trank noch was und lief dann wieder aufs Feld zurück.

Die zweite Halbzeit begann. Beide Mannschaften waren äußerst ehrgeizig und auch wenn die Kraft so langsam nachließ spielten die Jungs um ihr Leben. Jeder einzelne von ihnen wollte sich den Titel holen.

Allerdings wurde es für Shinichi und sein Team immer schwieriger in den Strafraum vorzustoßen, denn Kaito wurde extrem gedeckt, von zwei Spielern der gegnerischen Mannschaft, und bot somit keinen Anspielpunkt mehr. Auch wenn Kaito alles tat um die Gegner los zu werden, so blieben sie hartnäckig an ihm kleben.

Shiro schoss den Ball aus seinem Strafraum mit einem kräftigen Schuss raus und erreichte die Mittellinie. Dort nahm ein Spieler seiner Mannschaft den Pass an und dribbelte auf das gegnerische Tor zu. Shinichi schlängelte sich zum Tor durch. Kaito wurde wieder belagert und versuchte seine lästigen Schatten abzuhängen.

Als sie sich dem Tor rasch näherten, alle mobilisierten ihre Kräfte noch einmal um diesen Angriff endlich zu vollenden, passte der Mitspieler in Richtung Tor. Ein Spieler versperrte Shinichi den Weg zum Ball. Alles deutete daraufhin dass diese Torchance wieder nichts wurde. Ein Abwehrspieler, wie auch der Torwart der Tsukudocho Oberschule versuchten den Ball zu erwischen.

Niemand rechnete mit Kaito, der immer noch von seinen Gegnern belagert wurde, aber einen kurzen Moment der Unaufmerksamkeit für sich nutzte, sprintete und in letzter Sekunde den Ball mit dem Kopf erwischte und diesen am Torwart vorbei in den weißen Kasten köpfte. Allerdings hatte er noch so viel Schwung, dass er auf den Pfosten des Tores zuschoss und mit der Stirn dagegen krachte. Kurz darauf fiel er auf den Boden und blieb liegen.

Die Freude über das überraschende Tor wurde sofort gedämpft als Kaito zu Boden ging. Sämtliche Mitspieler, der Trainer und der Schiedsrichter eilten herbei und kümmerten sich um den Verletzten.

Erschrocken sprang auch Aoko auf.

Ran stellte sich sofort neben ihre Schwester. „Hast du gesehen was genau passiert ist?“

Aoko schüttelte ihren Kopf.

Wenig später kam Kaito wieder zu sich und wurde von zwei Ersatzspielern des Team gestützt zur Krankenstation der Schule gebracht. Das Gesicht blutüberströmt.

Langsam beruhigte sich alles und als der Schiedsrichter das Tor pfiff brach Jubel unter den Schülern aus.

Kaito wurde vom Trainer ausgewechselt und ein anderer Mitspieler spielte nun für die restlichen Minuten weiter.

Nun war die Mannschaft der Tsukudocho Oberschule unter Druck und musste ein Gegentor erzielen, allerdings hielt Shiro seinen Kasten sauber und wehrte jeden kommenden Angriff ab. Die letzten Minuten wollten überhaupt nicht vergehen. Und dann kam endlich der erlösende Pfiff und das Spiel wurde beendet.

Ran, Aoko, Keiko und Hakuba gingen auf Shinichi zu um ihm zu gratulieren. Sonoko hingegen rannte zu ihrem Freund um diesem zum Sieg zu gratulieren. Jedoch stieß das Pärchen auch schnell zu den Freunden. Shiro, der Hitomi im Arm hielt, trat ebenso auf Shinichi zu. „Hey, Shin, was ist mit Kaito“, fragte Kaitos bester Freund. Dass die Stimmung unter der Gruppe frostig wurde entging keinem der Schüler.

„Er ist in der Krankenstation. Lasst uns zu ihm gehen“, schlug Shinichi vor. Da trat Shiho heran und verschränkte ihre Arme vor der Brust. „Akako ist bei ihm und hat mir gerade eine Nachricht geschickt. Seine Mutter holt sie ab und fährt dann mit ihnen zum Arzt. Kaito muss untersucht und genäht werden. Die Platzwunde ist doch sehr groß.“

„Schade, dass er jetzt bei der Siegesfeier nicht dabei sein kann, immerhin haben wir dank ihm und seinen Einsatz überhaupt erst gewonnen“, bemerkte Makoto und Shinichi nickte. „Wir besuchen ihn später und sehen nach ihm“, schlug der Kapitän der Mannschaft vor und die Freunde stimmten alle zu.

Die Siegesfeier folgte im Kreise beider Mannschaften und deren Mitschüler. Dann erhielt der Coach den Wanderpokal, den die Schule nun zum ersten Mal nach ihrem dritten Sieg in Folge behalten durfte.
 

Nach der Schule trafen sich die Freunde am Schultor. Shinichi, Makoto und Shiro waren erst noch duschen, während Hitomi, Shiho wie auch Hakuba, Ran, Aoko, Keiko und Sonoko schweigend am Schultor warteten. Eine beklemmende Situation, aber allen war das Schweigen lieber als ein Gespräch führen zu müssen.

Dann endlich kamen die Jungs und Hakuba und Keiko verabschiedeten sich von der Gruppe. Sie waren nur geblieben damit Aoko und Ran nicht bei Shiho und Hitomi alleine waren.

Die restlichen Schüler gingen gemeinsam zu Kaito nach Hause. Shinichi legte lässig seinen Arm um Rans Schulter, allerdings ließ er den gesamten Heimweg Shiho nicht aus den Augen.

Aoko folgte mit etwas Abstand der Gruppe, während Shiho neben Hitomi und Shiro, die Händchen hielten, Ran und Shinichi folgten.

Die einzigen die sich fröhlich unterhielten waren Sonoko und Makoto. Die beiden erzählten sich gegenseitig von ihrem Tag.

Es dauerte nicht lange, dann erreichten sie das Haus der Kurobas. Shiro trat vor und läutete.

Wenig später öffnete Chikage die Türe und staunte über den Auflauf. „Ihr wollt zu Kaito?“

„Ist er zuhause?“, antwortete Shiro.

„Wie geht’s ihm?“, fragte Ran.

„Schon wieder ganz gut. Seine Platzwunde wurde genäht und er hat nur eine leichte Gehirnerschütterung“, lächelte Chikage aufmunternd. Sie trat zur Seite. „Er ist mit Akako in seinem Zimmer. Geht nur rauf.“

Ran stieg als erstes die Treppe hinauf, stand vor Kaitos Zimmertüre und klopfte an. Sie öffnete die Türe: „Hallo, Kaito“, sprach sie, hob ihren Blick und erstarrte.

Kaito saß im Bett, verschloss hektisch seinen Hosenschlitz und starrte ertappt zu Ran. Akako saß perplex auf seinen Knien und schien die Situation nicht ganz so schnell zu erfassen, wie ihr Freund.

Ran starrte entsetzt auf das Bild vor sich, wollte schon den Rückzug antreten, als Shiro sie ins Zimmer schob.

Auch er warf einen fröhlichen Gruß ins Zimmer und erfasste die Situation auf den ersten Blick. Schon lachte er lauthals auf. „Das ich das noch erleben darf.“ Einer nach dem anderen betrat das Zimmer und jeder begrüßte Kaito fröhlich.

Langsam richtete sich Akako auf und setzte sich normal aufs Bett. Kaito grinste seine Freunde an, schien verwundert über die Konstellation seines Krankenbesuchs, doch dann entglitten ihm sämtliche Gesichtszüge als Aoko das Zimmer betrat.

Shiro grinste: „Das sind also die Vorteile einer privaten Krankenschwester, aber sag mal, Bro, musst du dich nicht schonen?“

„Ja, schon“, antwortete Kaito unkonzentriert seinem besten Freund und sah reumütig zu Aoko.

Shiro lachte erneut: „Na ja, schonen ist ja irgendwie auch Entspannung.“ Er klopfte seinem Kumpel auf die Schulter. „Immerhin musstest du ja nichts machen“, zwinkerte er Akako zu, die sich ein schiefes Grinsen nicht verkneifen konnte und zu Kaito sah. Der sah von Akako zu Shiro, dann zu dem restlichen Besuch und blieb wieder bei Aoko hängen.

„Sicherlich brauchst du noch etwas Ruhe“, bemerkte Ran, folgte Kaitos Blick zu Aoko, die sich schon umdrehte und ging. „Entschuldige bitte den spontanen Überfall. Wir hätten uns anmelden müssen. Gute Besserung“, sprach sie schnell und folgte Aoko aus dem Zimmer.

Sie trat die Treppe hinunter und blieb verblüfft stehen. Chikage hielt Aoko in ihren Armen. „Hat er wieder was dummes angestellt?“

„Wie kommst du darauf?“

„Ich kenne meinen Sohn sehr gut und glaub mir, ich spüre es wenn er dich verletzt.“

„Es ist kompliziert“, antwortete Aoko.

Chikage strich ihrer Ziehtochter eine Haarsträhne aus der Stirn. „Wenn du Sorgen hast oder über etwas reden möchtest, kannst du jederzeit zu mir kommen. Das weißt du?“

Aoko lächelte. „Ja, ich weiß.“

„Wir sehen uns morgen“, verabschiedete sich Kaitos Mutter und drückte Aoko einen mütterlichen Kuss auf die Stirn.

Nach einem Gruß ging Aoko und Ran verabschiedete sich von ihrer Nachbarin, die Aoko in all den Jahren eine Mutter war. Schon eilte sie ihrer Schwester nach. „Warte, Aoko!“

Aus Kaitos Zimmer hörten sie lautes Gelächter.

Beide Oberschülerinnen standen sich gegenüber. Ran sah sie besorgt an. „Was ist los?“

„Stimmt es was Shiro gesagt hat? Das Akako ihm einen ...“, Aoko konnte es nicht aussprechen.

Ran ging es genauso, darum nickte sie nur.

Tieftraurig schüttelte Aoko den Kopf, dann murmelte sie: „Ich hätte heute mit ihm geschlafen, wenn nicht...“

Überrascht vernahm Ran die Worte. Aoko hätte was getan? Wann und wo? Doch dann stutzte sie: „Wenn nicht was?“

„Wenn er nicht so vernünftig gewesen wäre“, antwortete Aoko leise. „Und nun lässt er sich von Akako einen...“, sie brach ab.

„Wann gab es heute die Gelegenheit dafür?“

„Nach dem Mathetest.“

Nun leuchtete ihr ein, warum Aoko danach so schweigsam war und warum auch Keiko ihre beste Freundin nicht finden konnte. „Du fühlst etwas für ihn?“ Keine Antwort. Und doch eine Bestätigung für Ran. „Aber er ist mit Akako zusammen - sie ist seine Freundin.“

Aoko nickte tieftraurig. „Ich weiß und ich bin diejenige die in eine intakte Beziehung fährt und diese zu zerstören versucht.“

„Aoko“, widersprach Ran Kopfschüttelnd, doch schon kamen Shinichi, Makoto und Sonoko aus dem Haus heraus.

Ran lenkte vom Thema ab, ehe es noch mehr unangenehme Fragen aufwarf. „Wollt ihr noch mit zu uns kommen?“

„Oh, ich denke nicht. Eri ist sicherlich schon im Hochzeitsstress“, winkte Sonoko ab, aber Ran schüttelte den Kopf. „Ganz bestimmt freut sie dich zu sehen.“ Somit war es beschlossene Sache und die Freunde betraten das Nachbarhaus.

Eri saß im Wohnzimmer, bei einer Tasse Kaffee und sortierte die Unterlagen für den morgigen Tag.

„Hey, Mom, wir haben Besuch dabei“, begrüßte Ran ihre Mutter und Eri blickte auf. Sie stand auf und trat auf Sonoko zu. „Sonoko-Schätzchen. Wie geht es dir?“ Schon schloss sie die beste Freundin ihrer Tochter in die Arme.

„Makoto, richtig?“, erinnerte sich Eri an den jungen Mann, der seit einiger Zeit schon Sonokos Freund war.

„Guten Abend, Frau Mori.“

Eri lachte herzhaft. „Ab morgen, Frau Nakamori. Kinder, das wird eine Umstellung.“ Ihre Augen blieben an Shinichi hängen. Sie musterte den gutaussehenden Jungen und ahnte wem sie gegenüberstand.

Ran entging keineswegs der Blick und sie stellte sich neben den Oberschüler. „Mom, das ist Shinichi Kudo, mein Freund.“

Überrascht zog Eri ihre Augenbrauen hoch, dann lächelte sie und reichte dem jungen Mann ihre Hand zur Begrüßung. „Es freut mich dich kennen zu lernen. Ran hat mir schon viel von dir erzählt.“

Shinichi sah Ran amüsiert an, die sofort errötete, und lächelte dann die Mutter an. „Ich hoffe nur Gutes.“

„Aber natürlich“, lachte Eri und musterte das junge Glück vor sich.

„Ich möchte mich noch für die Einladung bedanken. Ich komme sehr gerne morgen.“

„Das freut mich“, nickte Eri und war absolut begeistert von Rans Wahl. Dann aber entdeckte sie Aoko, die sich ganz still hielt. Sofort stieg Sorge in ihr auf: „Bedrückt dich etwas?“

Aoko schüttelte ihren Kopf, jedoch mischte sich Sonoko hämisch grinsend ein: „Liebeskummer.“

„Sonoko“, fauchte Aoko sauer und Ran zeitgleich entsetzt.

Eri runzelte die Stirn, würde diese Thematik nicht in Anwesenheit der Freunde besprechen. Darum sah sie in die Runde. „Habt ihr schon was geplant?“

„Wir wollten in mein Zimmer gehen“, erklärte Ran und wenig später verschwanden die Jugendlichen im Obergeschoss und verbrachten spontan den Abend zusammen.
 

Es war schon spät in der Nacht. Zwei Gestalten kletterten über das geschlossene Tor und huschten im Schatten der Mauer zu dem großen Gebäude. Sie drückten sich an die Wand und schlichen weiter. „Sind alle weg?“, flüsterte einer von beiden.

Ihre Begleitung nickte. „Ja, niemand ist mehr da.“ Die beiden bückten sich unter einem Fenster, dann streckte sie sich und warf einen Blick in das dunkle Zimmer. Sie drückte an einer bestimmten Stelle an dem Fenster und dieses schwang auf. Triumphierend grinste sie: „Ich hab dir gesagt, dass es funktioniert.“

„Lass es uns schnell erledigen und dann verschwinden“, sprach die erste Person wieder und beide kletterten durch das Fenster und schalteten ihre Taschenlampen ein. Sie leuchteten in dem Zimmer umher. Ein langer Tisch und viele Stühle drum herum. An den Wänden standen große Bücherregale und in einer Ecke des Raumes stand ein Aktenschrank. Zu diesem schlichen die beiden und leuchteten über die einzelnen beschrifteten Schubladen. An einem bestimmten Fach blieben sie hängen und zogen daran. Es war nicht abgesperrt und sie besahen sich die Akten.

Während die eine mit der Taschenlampe leuchtete, durchsuchte die zweite Person rasch die dicken Akten und fand letztendlich das was sie gesucht hatte. Schnell war eine braune beschriftete Mappe herausgezogen und die darin enthaltenen Blätter durchsucht. „Da haben wir dich ja“, triumphierend grinsend zog sie eine Mathematik-Klausur hervor und legte diese auf den Tisch. Während ihre Begleitung nach einem passenden Stift suchte, las sich erstere die Aufgaben und die Ergebnisse durch. „Aoko Nakamori, das wird die schlechteste Mathe-Arbeit, die du je geschrieben hast.“ Ein teuflisches Lächeln legte sich auf die Lippen und sie nahm dankend den Stift ihrer Begleitung an. Schon änderte sie die Ergebnisse ab. Nach getaner Arbeit räumten die beiden alles wieder weg, gingen zum Fenster und kletterten wieder hinaus. Das Fenster konnten sie mithilfe ihres vorbereiteten Trick ganz einfach wieder von außen schließen und ungesehen verließen sie wenig später den Tatort und verschwanden in die Nacht.

Kapitel XXXV - Hochzeit - Teil 1

Aoko blickte sich im Spiegel an. Sie trug ihr silbernes Taftkleid in A-Linie. Ein Nackenband war mit Kristallen und Perlen verziert. Der Stoff war zur linken Seite gerüscht und in Höhe des Hüftknochens von einer kristallenen Blumenbrosche geschmückt. Das Kleid war Rückenfrei, dennoch sah es nicht komplett danach aus. Aus den Stofflagen um den Oberkörper wurde auf dem Rücken eine Schleife gebunden. Diese verdeckte den freien Rücken großteils und die Hochsteckfrisur rundete ihre Erscheinung ab.

„Du siehst wunderschön aus“, sprach ihr Vater plötzlich, der in der offenen Türe stand.

Aoko erschrak leicht, denn mit ihrem Vater hatte sie noch gar nicht gerechnet. Die Friseurinnen waren schon vor einer halben Stunde gegangen und während die Mädels Eri in ihr Brautkleid halfen, zog Ginzo sich im Schlafzimmer um. Sie blickte in den Spiegel und konnte ihren Vater durch diesen beobachten. Er wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Auch er sah gut aus in seinem dunkelblauen Anzug mit dem weißen Hemd und der dunkelblauen Krawatte. Ihr Vater war ein stattlicher Mann und würde an diesem Tag heiraten. Welche Tochter hatte denn schon das Glück auf der Hochzeit des Vaters als Brautjungfer dabei sein zu können? Sie drehte sich um und lief auf ihren Papa zu. Sie richtete ihm den Hemdkragen und setzte das Blumengesteck in der Brusttasche gerade, während sie ihn anlächelte. „Du siehst sehr gut aus, Papa!“

„Du bist zu einer jungen Frau herangewachsen und ich habe das Gefühl so vieles in deinem Leben verpasst zu haben.“

Aoko strich ihrem Papa über die Krawatte und lächelte aufmunternd. „Das kommt dir nur so vor“, beruhigte sie ihn. „Sieh dich an: Du heiratest heute.“

„Ja, ich heirate heute“, wiederholte Ginzo und schien es selbst kaum glauben zu können. Ein aufregender Tag lag vor ihnen.

Ran trat auf den Gang. „Ginzo, was machst du noch hier oben? Los geh schon. Mom ist fertig.“

Aoko schob ihren perplexen Vater aus ihrer Zimmertüre und scheuchte ihn die Treppe hinab. „Los, geh hinunter und lass dich überraschen.“

Ginzo trat die Treppe ins Erdgeschoss hinab und wartete im Eingangsbereich auf seine Braut.

Ran stand Aoko allein im Flur gegenüber. Heute war es soweit, sie wurden offiziell Schwestern. Ran trug ihr weinrotes Kleid und sah atemberaubend aus. Das bodenlange Tüllkleid in A-Linie umspielte die schlanke Figur von Ran. Das Kleid wurde von einer Schulter gehalten. Der Verlauf des Stoffes über der Brust war mit Pailletten verziert und mit roten Schleifen aufgepeppt. Ein rotes schmales Band wand sich um die Taille.

„Shinichi werden die Augen aus dem Kopf fallen“, kommentierte Aoko den Auftritt ihrer Schwester.

Die Schwestern warteten nun auf Eris Erscheinen. Schon trat die Braut aus Rans Zimmer und die beiden betrachteten ihre Mutter mit glänzenden Augen.

Eris Hochzeitskleid strahlte pure Eleganz aus. Ein Figurbetontes mit Spitze besetztes Etui-Kleid mit einer Schleppe bestehend aus reiner Spitze. Um die Taille lag ein silberner mit Perlenbesetzter Gürtel. Der Rücken war mit durchsichtiger Spitze hochgeschlossen, vorne bei der Brust wirkte das Kleid durch den V-Ausschnitt verspielter und keineswegs bieder. Die Ärmel ebenso wie der Rest des Stoffes bestand aus Spitze und umspielte die Handgelenke. Ihre Schuhe hatten sehr hohe dünne Absätze, bestanden aus Spitze und umfassten den Fuß mit ihren Riemchen. Eris hellbraune Haare waren zu einer halben Hochsteckfrisur gesteckt. Die restlichen Haare fielen ihr in Wellen über die Schulterblätter. In ihre Frisur wurde, dem Verlauf der Haare bis in die Spitzen folgend, eine längliche verspielte Blumenspange eingearbeitet.

„Wow“, staunten die Mädchen. „Du siehst wunderschön aus, Eri!“ Aoko trat auf Eri zu und umarmte diese. Danach umarmte Ran ihre Mutter und die Brautjungfern stiegen zuerst die Treppenstufen hinab.

Ginzo betrachtete seine Töchter stolz und wartete darauf dass seine Braut erschien. Als sie in ihrem Kleid erschien, musste er stark schlucken und kämpfte mit den Tränen.

Sie packten alles was sie brauchten zusammen, verließen wenig später das Haus und stiegen ins Auto. Ihr Weg führte in einen anderen Stadtteil und sie parkten auf dem Parkplatz. Dann stiegen sie die Treppenstufen zum Tempel hinauf, in dem Ginzo und Eri getraut wurden.

Die Hochzeitsgäste hatten sich schon beim Meiji-Schrein eingefunden und warteten neugierig auf das Brautpaar. Auch der Priester war schon da um Eri und Ginzo zu empfangen.

Aoko und Ran betraten den Platz vor dem Tempel und staunten über die vielen anwesenden Gäste. Freunde ihrer Eltern, Angehörige und gute Arbeitskollegen standen vor dem Tempel.

Eri und Ginzo gingen an ihren Töchtern vorbei und traten auf den Priester zu. Sie verbeugten sich tief und auch dieser erwiderte durch diese respektvolle Geste den Gruß. Dann drehte er sich um und ging in den Tempel hinein. Das Brautpaar und all seine Gäste folgten ihm und suchten sich einen Platz. Sie knieten auf gräulichen Unterlagen nieder und lauschten dem Priester.

Alles war still, während der Priester die Zeremonie vollzog und seinem Segen dem Brautpaar mit auf den Weg gab. Er nickte den Brautjungfern zu und diese standen gleichzeitig auf. Jedes der Mädchen stellte sich zu ihrem neuen Elternteil, ehe der Priester schlussendlich die alles entscheidende Frage: „Eri, möchten Sie den hier anwesenden Ginzo zu Ihrem Ehemann nehmen? Für ihn sorgen und ihn lieben, in guten wie in schlechten Tagen, bis zum Ende?“

Die angesprochene Braut sah von dem Priester zu Ginzo, lächelte, verdrückte sich ein Tränchen und nickte begleitet von einem bekräftigendem: „Ja!“

Der Priester nickte und sah nun Ginzo an: „Ginzo, möchten Sie die hier anwesende Eri zu Ihrer Ehefrau nehmen? Für sie sorgen und sie lieben, in guten wie in schlechten Tagen, bis zum Ende?“

Ginzo sah seine Braut leicht lächelnd an und nickte, dann sah er zum Priester: „Ja!“

Der Priester deutete nun auf die Ringe und Aoko wie auch Ran hielten ihm die Ringkissen hin. Er sprach seinen Segen, dann stellte sich Aoko neben Eri und Ran neben Ginzo. Jedes der Mädchen hielt den Ring ihres Elternteils in Händen.

Ginzo nahm den Ring für Eri von Rans Ringkissen und steckte diesen seiner Braut an den rechten Ringfinger. Ebenso nahm sich Eri nun den Ring für Ginzo von Aokos Ringkissen und steckte den Ring an Ginzos rechten Ringfinger.

Sie hielten einander fest und lauschten den Worten des Priesters. „Sie sind nun Mann und Frau“, sprach der Priester, und nach einem weiteren Segen verbeugte er sich tief.

Der Bräutigam zog seine Liebste an sich heran und küsste sie verliebt.

Ran und Aoko strahlten sich an und freuten sich für das Glück ihrer Eltern.

Der Priester führte das Brautpaar aus dem Tempel. Die Brautjungfern folgten und dann ging die Hochzeitsgesellschaft hinterher. Auf dem Platz verabschiedeten sie sich von einander. Die shintoistische Trauung war vollzogen. Nun würden die Feierlichkeiten nach westlichem Brauch stattfinden.

Das Brautpaar stand auf dem Platz und die gesamte Hochzeitsgesellschaft würde ihnen erst einmal gratulieren. Zuerst kamen die Töchter, die ihre Eltern fest umarmten.

Ran und Aoko stellten sich danach etwas abseits hin und wurden dann ebenso von den Gästen begrüßt, die dem Brautpaar ihre Glückwünsche ausgesprochen hatten.

Oma Kisaki, Eris Mutter, trat auf die Mädchen zu und betrachtete die Stiefschwestern aufmerksam. „Es freut mich dich kennen zu lernen, Aoko. Eri hat mir schon viel von dir erzählt.“ Die liebe alte Dame, mit den vielen Falten um die Augenpartie, lächelte freundlich. „Auch wenn ich sagen muss, dass die Hochzeit sehr überraschend kam.“

Ran umarmte ihre Oma und grinste sie an. „Nicht nur für dich kam das überraschend.“

„Deine Mutter war schon immer für Überraschungen gut. Als sie damals mit dir so plötzlich und unerwartet schwanger wurde, als sie mir sagte, dass sie sich von Kogoro scheiden wird, sie war noch nie eine Frau der großen Worte und Erklärungen. Sie setzte mich immer erst ins Bild als der Entschluss fest stand.“

Aoko staunte. Nicht nur über Rans Großmutter, sondern auch über die vielen Informationen über ihre Stiefmutter. Das Eri einfach entschied hatte sie sehr wohl mitbekommen. Nicht nur die Wochenendplanung als sie ihre Kleider für die Hochzeit kauften, sondern auch der spontane Friseurtermin, der Frauenarzttermin.

„Und nun erzählt mal: Die Jungs müssten doch bei euch Schlange stehen. Seid ihr in festen Händen?“

Aoko schüttelte ihren Kopf, wobei sie sich über die schmeichelnden Worte von Rans Oma freute.

Ran hingegen begann breit zu grinsen. „Shinichi ist...“

„Höre ich da etwa gerade meinen Namen?“, mischte sich besagter schon ein und trat auf Ran zu. Sofort fiel sie ihm um den Hals und küsste ihn zur Begrüßung. Vorhin war dafür einfach keine Zeit. Er war mit Kaito und Chikage gekommen, die nun auch auf die kleine Frauenrunde zu kamen. „Ich möchte dir meine Oma vorstellen.“ Sie strahlte überglücklich Oma Kisaki an. „Das ist mein Freund!“

„Shinichi Kudo“, stellte er sich höflich vor und reichte Rans Großmutter die Hand und verbeugte sich respektvoll.

Kaito und seine Mutter erreichten sie auch und Chikage begrüßte freundlich die ältere Dame. „Guten Tag, mein Name ist Chikage Kuroba. Das ist Kaito, mein Sohn. Wir sind seit Ewigkeiten Nachbarn von Ginzo und Aoko.“

„Ich bin die Großmutter dieser hübschen Dame“, stellte sich die Oma vor und zeigte dabei auf Ran. Doch dann lächelte sie zu Aoko und fügte hinzu: „Und von dieser zauberhaften Dame bin ich nun auch die Oma.“

Aoko staunte, konnte erst nicht glauben was sie hörte, doch dann umarmte sie Oma Kisaki fest und bedankte sich mit einem Küsschen auf die faltige Wange der alten Frau.

Shinichi legte seinen Arm um Ran und zog sie enger an sich. Die beiden hatten im Moment nur Augen für sich.

Während Chikage sich mit Rans Großmutter unterhielt und die beiden ein Stück gemeinsam gingen, blieben Kaito und Aoko unsicher an Ort und Stelle. Sie wussten nicht so recht worüber sie sich unterhalten sollten. Die Entscheidung wurde ihnen dann auch ganz schnell abgenommen, denn ein junger Mann trat auf sie zu. Er ähnelte stark Steve Stiffler aus dem Film American Pie.

In Aoko zog sich etwas zusammen, als sie ihn entdeckte und überlegte für einen Moment davon zu laufen. Aber dann besann sie sich, denn sie würde ihm nicht ewig aus dem Weg gehen können. Mit großen Schritten näherte sich der junge Mann, der kaum älter als Aoko war. „Oki!“ Und ehe sie ihm ausweichen konnte, umarmte er sie schon. Als würde sie nichts wiegen, hob er sie ohne Probleme hoch, verstärkte dabei die Umarmung und drehte sich übertrieben mit Aoko im Kreis. „Wie schön dich wieder zu sehen.“

Als er sie wieder auf den Boden stellte, löste er die Umarmung und wie zufällig fuhr seine Hand über ihren Hintern, an dem sie für einen Moment verweilte, ehe er sich von ihr etwas löste. „Wow, Kleines, sieh dich an, aus dir ist ja was geworden. Richtig sexy und zum anbeißen siehst du aus“, stellte er anerkennend fest und leckte sich über die Lippen.

Aoko, der absolut nicht entgangen ist, das er sie absichtlich betatscht hatte, kämpfte mit dem aufsteigenden Ekel und der Wut im Bauch. „Du hast dich überhaupt nicht verändert, Yuudai“, erwiderte sie und bemühte sich um einen freundlichen Ton. Er war gewachsen und er sah gut aus, aber sein Charakter war einfach nur widerlich.

Schon umfing er wieder ihre Taille, zog sie mit einem schiefen Grinsen wieder näher an sich und überlegte: „Wie lange haben wir uns nicht mehr gesehen, Oki? Zwei oder drei Jahre?“

„Fünf Jahre!“

Aoko, die sich aus dem festen Griff ihres Cousins nicht befreien konnte, wollte Yuudai eben korrigieren, als Kaito sich einmischte. Überrascht blickte sie zu ihrem Kindheitsfreund. Diesen Blick kannte sie zu gut. Vor fünf Jahren hatte er ihren Cousin auf die gleiche Weise angesehen.

Überrascht sah Aokos Cousin auf und erst jetzt bemerkte er, dass sie nicht unbeobachtet waren. „Oh, hey, hallo zusammen. Mein Name ist Yuudai Nakamori und ich bin Aokos Lieblingscousin.“ Während dieser Aussage zog er sie wieder enger an sich und drückte ihr ein Küsschen auf die Schläfe.

Aokos Bauch begann zu rebellieren. „Übertreibst du nicht ein bisschen?“

Yuudai blickte zu ihr und begann breit zu grinsen. „Natürlich nicht, denn ich bin schließlich dein einziger Cousin“, antwortete er selbstgefällig.

„Oki, bedeutet mitten im Ozean“, mischte sich Shinichi ein.

Aoko blickte überrascht zu ihrem Mitschüler auf. Wusste nicht warum er jetzt darauf anspielte, fühlte sich aber genötigt zu erklären: „Früher, als wir noch klein waren, hat er immer gesagt, dass meine Augen ihn an das Meer erinnerten.“

„Das tun sie immer noch. Sie hat wunderschöne Augen“, bestätigte Yuudai. Er grinste Shinichi an. „Wie heißt du, Bruder?“

Der Oberschüler musterte Aokos Cousin skeptisch, dann reichte er ihm die Hand. „Shinichi.“

„Und wer ist diese reizende Schönheit?“

Ran umfasste Shinichis Hand fester und antwortete: „Ran. Ich bin Aokos Stiefschwester.“

„Du bist... Wow“, jubelte Yuudai und trat auf Ran zu. Schon griff er nach ihrer freien Hand und schüttelte diese. „Willkommen in der Familie, Cousine. Da werden die nächsten Familienfeste endlich mal Ereignisse auf die man sich freuen kann.“

Aoko hätte sich beinahe an ihrer eigenen Spucke verschluckt, während Ran sich ein Lächeln abmühte und nickte. „Sicherlich.“

Nun drehte sich Yuudai dem letzten in der Runde zu und fragte: „Und du bist...?“ Er besah sich den Jungen und runzelte die Stirn. „... dich kenn ich... du bist...“

„Kaito. Und wenn du nicht sofort deine Finger von Aoko nimmst, wirst du mich nicht mehr so schnell vergessen.“

Die Drohung ignorierend, löste sich Yuudai von Aoko und baute sich vor seinem Gegenüber auf. Schließlich musterte er Kaito aufmerksam. „Ich erinnere mich. Du bist der kleine Zauberer, Aokos Windelfreund. Ich wusste gar nicht, dass ihr immer noch befreundet seid.“ Ein prüfender Blick ging zu Aoko, dann zurück zu Kaito und schließlich nickte er zufrieden. „War mir klar, dass du bei Aoko auf Granit beißt“, bemerkte er noch.

Eine Erwachsene kam hinzu. „Yuudai. Wir fahren jetzt zur Gaststätte“, sprach die Frau und schenkte kaum jemandem einen Blick.

Aoko erkannte ihre Tante und begrüßte sie höflich distanziert. „Guten Tag, Tante Naoko.“

Erst jetzt wurde der Frau bewusst, bei wem ihr Sohn stand. Die dunkelblonden Haare kunstvoll hochgesteckt und in einem hochgeschlossenen Business-Kostüm gekleidet, reichte Yuudais Mutter Aoko die Hand. „Aoko.“

Ein Mann trat ebenfalls hinzu. „Wo bleibt ihr denn? Alle sind schon auf dem Weg zu den Autos.“ Er bemerkte aber seine Nichte sofort und schloss sie freudig in eine Umarmung. „Aoko! Du bist ja groß geworden“, stellte er überrascht fest, aber dann drängte er zum Aufbruch.

Ran sah sich um aber ihre Eltern waren nicht mehr da. „Wo sind Eri und Ginzo?“

Aokos Onkel antwortete. „Die sind schon los und haben Eris Mutter mit genommen.“

Yuudai grinste. „Du kannst bei uns mitfahren, Oki!“ Schon schnappte er sich die Hand seiner Cousine und winkte den anderen zu. „Wir sehen uns gleich bei der Party.“

Ohne auf die Proteste von Aoko einzugehen wurde sie von ihrer Verwandtschaft mitgenommen.
 

Zurück blieben Ran und die beiden Jungs. Entsetzt, dass dieser junge Mann nun zu ihrer Familie gehören sollte, stockte Ran der Atem. Sie hoffte sehr, dass sie ihm nicht allzu oft begegnen würde.

„Was war das für ein schmieriger Typ?“, fragte Shinichi, der von Aokos Verwandtschaft bisher überhaupt nichts wusste. Er und die junge Nakamori waren nie Freunde gewesen, aber nun war er mit Ran zusammen und seine Freundin ist seit heute Aokos Stiefschwester. Ab jetzt hatte er mit dieser Verwandtschaft etwas zu tun. Allerdings stand für ihn schon fest, dass er auf eine weitere Begegnung mit diesem Cousin nicht besonders viel Wert legte.

Kaito blickte den Nakamoris nach, bis sie nicht mehr zu sehen waren. „Ein ganz feiner Kerl ist das“, spuckte Kaito wütend aus. „Kann seine Finger nicht bei sich lassen und hält sich für den ober coolen Mädchenmagnet. Leider versteht er nicht wann ein nein auch ein nein ist. Dass die Mädels die Flucht ergreifen, wenn er auftaucht, bemerkt er auch nicht.“ Er blickte zu Ran und sah sie warnend an. „Pass bei ihm auf. Er hat in vielen Punkten andere Ansichten als Shinichi oder ich.“

Ran nickte schockiert und sie drückte sich enger an ihren Freund. „Du beschützt mich doch, oder?“

Shinichi nickte ernsthaft besorgt. „Ich lass dich nicht aus den Augen.“

„Was ist mit Aoko?“, fragte Ran nun, denn immerhin war ihre Schwester ihrem ekligen Cousin hilflos ausgeliefert.

„Solange Yuudais Eltern anwesend sind, wird er nichts machen, was ihm Ärger bereiten könnte“, beruhigte Kaito. Allerdings wirkte er nicht so, als wäre er voll und ganz von seinen eigenen Worten überzeugt.

Chikage eilte zu den Jugendlichen und sprach: „Wo bleibt ihr denn? Alle sind schon unterwegs. Ran, du fährst bei uns mit. Eri hat mich darum gebeten. Aoko soll ich auch mitnehmen, wo ist sie überhaupt?“ Schon sah sie sich um, konnte aber Aoko nirgends entdecken.

„Sie ist mit ihrem Onkel mit gefahren und schon auf dem Weg.“

Beruhigt nickte Chikage und drängte zum Aufbruch. Gemeinsam gingen sie zum Parkplatz und wenig später fuhren sie zur Gaststätte, in der die Feierlichkeiten stattfanden.
 


 

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Anmerkungen:
 

Die Trauungszeremonie ist frei erfunden. Ich habe zu japanischen Hochzeit recherchiert, aber selbst nicht viele Informationen darüber gefunden. Aus diesem Grund habe ich mir die Zeremonie aus den Fingern gezogen. Die Feierlichkeiten werden sich nun eher an deutschen Hochzeiten orientieren.
 

Hochzeitskleid von Eri: https://www.amazon.de/dp/B016M891Z8/?tag=kleider-traum-21
 

Schuhe von Eri: https://www.google.com/imgres?imgurl=https%3A%2F%2Fi.etsystatic.com%2F5562311%2Fr%2Fil%2F2f67cc%2F1129909059%2Fil_570xN.1129909059_9nvw.jpg&imgrefurl=https%3A%2F%2Fwww.etsy.com%2Fde%2Flisting%2F478716200%2Falencon-spitze-hochzeit-schuhe-heels-mit&docid=RICEgQLBQoGBQM&tbnid=Vmun6WZsi-cdCM%3A&vet=10ahUKEwiS8dPbq9DfAhXIJ1AKHWGODCEQMwhHKAowCg..i&w=570&h=570&client=firefox-b-ab&bih=705&biw=1536&q=hochzeitsschuhe%20passend%20zur%20Spitze&ved=0ahUKEwiS8dPbq9DfAhXIJ1AKHWGODCEQMwhHKAowCg&iact=mrc&uact=8
 

Eris Frisur: https://www.google.com/imgres?imgurl=https%3A%2F%2Fbestefrisur.com%2Fwp-content%2Fuploads%2F2018%2F05%2F900412fd8790709ba413c7305d1de6b8.jpeg&imgrefurl=https%3A%2F%2Fbestefrisur.com%2Fhochzeit-frisur-halbe-hochsteckfrisuren%2F&docid=aynLxddgeIAODM&tbnid=jfJzyT8g4VkhQM%3A&vet=10ahUKEwiMt4etrNDfAhUIKlAKHZT3CqYQMwipAShfMF8..i&w=617&h=1024&client=firefox-b-ab&bih=705&biw=1536&q=hochzeitsfrisur&ved=0ahUKEwiMt4etrNDfAhUIKlAKHZT3CqYQMwipAShfMF8&iact=mrc&uact=8
 

Abendkleid von Ran: http://www.persunshop.de/index.php?main_page=popup_image&pID=10843
 

Abendkleid von Aoko: http://www.7kleid.de/e7/nackenband-a-linie-formell-herbst-armellos-ruckenfrei-abendkleid-d2103979.html
 

weitere Details zu den Mädchen siehe in Kapitel 21 – Einkaufen mit Eri

Kapitel XXXVI - Hochzeit - Teil 2

Aoko wusste wie ihr Cousin tickte. Aus diesem Grund hielt sie sich die gesamte Zeit neben ihrem Onkel auf. Bei seinen Eltern, war Yuudai der brave Sohn, der niemals aufmüpfig wurde oder sich einen Fehltritt leistete. Er war das Muttersöhnchen und der Liebling. Wenn sie alleine in ihrem Zimmer waren und gespielt hatten, war er dann das absolute Gegenteil vom dem vorbildlichen, tadellosen Kind. Er machte ihre Sachen kaputt, riss die Köpfe von ihren Puppen ab und schubste sie herum, weil er der Stärkere war. Wenn sie petzte oder wieder mal in Tränen ausbrach, bekam Aoko den Ärger und ihr wurde vorgeworfen zu lügen. Die Erwachsenen hatten die Situationen nie mitbekommen, verurteilten aber immer Aoko. Sie war das kleine aufmüpfige Mädchen, das auch mal zuschlug, zurück schubste, sich zu verteidigen lernte und irgendwann eben wirklich zur Wehr setzte.

Als sie größer wurden und sich ihr Körper von dem eines Kindes in das eines Jugendlichen wandelte, wuchs Aokos Brust. Yuudai fand Gefallen daran sie nicht mehr nur noch zu ärgern, sondern zog sie auch immer wieder auf, grabschte ihr an die Brust oder an den Hintern. Wenn sie etwas sagte, glaubte ihr niemand. Sie reimte sich in den Augen der Erwachsenen immer etwas zusammen, denn ihr Cousin würde niemals etwas derartiges tun.

Der einzige, der ihr in all den Jahren glaubte, ihr zu helfen versuchte und ihr zur Seite stand, wenn ihr Cousin mal wieder zu Besuch kam, war Kaito. Er hielt immer zu ihr, stärkte sie mit seinen Worten, tröstete sie oder munterte sie mit seinen Zaubertricks auf.

Unbewusst glitt ihr Blick zur Türe des Festsaals und beobachtete die eintretenden Gäste. Sie sehnte sich nach ihm, seiner Nähe und wünschte sich die alten Zeiten zurück. Kaito stand ihr immer zur Seite, gab ihr immer das Gefühl wertvoll zu sein und geschätzt zu werden. Bei ihm fühlte sie sich wohl und geborgen und ihn hatte sie immer gern um sich. Er war ihr bester Freund und wenn sie sich damals nicht auf seinen Vorschlag eingelassen hätte, so wären sie vielleicht immer noch beste Freunde.

Aoko war so in Gedanken versunken, dass ihr vollkommen entging wie ihr Onkel und ihre Tante sich zu bekannten Gesichtern bewegten.

War Yuudai, die ganze Zeit brav und unschuldig, so landete seine Hand sofort auf ihrem Hintern, als sie unbeobachtet waren. „Oki, hat dir schon mal jemand gesagt, dass du ein steiles Teil geworden bist? Und dieses Kleid regt die Fantasie an.“ Sie versuchte unauffällig die Hand von ihrem Hintern zu entfernen, aber Yuudai wusste das zu verhindern und kniff sie hinein. „Und einen Knackarsch hast du bekommen. Hast du eigentlich einen Freund?“

Sie drehte sich elegant aus seiner Berührung und lehnte sich an einen der Tische. Dies war ihre Chance ihren Cousin los zu werden. Sie müsste nur behaupten, dass sie in festen Händen wäre.

Yuudai trat sofort näher an sie heran und beugte sich vor: „Ach weißt du, eigentlich ist mir das egal“, flüsterte er ihr zu. „Selbst wenn du einen hättest, was soll er schon groß machen?“

„Er könnte dich vermöbeln“, sprach Kaito plötzlich ernsthaft und sehr bedrohlich aus.

Überrascht drehte Yuudai sich um und als er sein Gegenüber erkannte, grinste er überheblich. „Glaubst du wirklich? Ich habe den schwarzen Gürtel und würde ihn zu Brei schlagen bevor er überhaupt Luft holen könnte.“

„Yuudai, reiß dich zusammen“, fauchte Aoko. „Das ist hier die Hochzeit von meinem Vater, der im übrigen dein Onkel ist“, erinnerte sie ihn wütend.

Dann sah sie Kaito ebenso finster an. „Hör auf meinen Cousin zu provozieren, sonst setz ich dich persönlich vor die Türe.“

Kaito sah seine Nachbarin entsetzt an, dann funkelte er herausfordernd. „Da bin ich mal gespannt, wie du das schaffen willst.“

„Forder es nicht heraus, Freundchen“, drohte Aoko wütend.

Zum Glück unterbrach Ginzo das kleine Intermezzo. Er hatte sich ein Sektglas geschnappt und klopfte sanft mit einem Teelöffel gegen das Glas. Sofort kehrte Ruhe im Raum ein. „Meine Frau und ich möchten euch ganz herzlich danken, dass ihr gekommen seid um diesen Tag mit uns zu feiern und ihn damit für uns zu einem unvergesslichen Ereignis macht.“ Er erhob sein Sektglas und alle prosteten sich zu und tranken einen Schluck. Ginzo erhob erneut die Stimme und fügte hinzu: „Und nun gibt es Mittagessen. Das Buffet ist eröffnet.“

Die Gäste setzten sich in Bewegung und suchten mit befüllten Tellern ihre Sitzplätze in diesem großen bestuhlten Saal.

Aoko saß am Tisch ihrer Eltern und stocherte lustlos im Essen herum. Ran, die neben ihr saß, musterte sie besorgt. „Du musst etwas essen. Der Tag ist noch lange nicht zu Ende und du wirst die Energie brauchen.“

„Mach dir keine Sorgen um mich“, wiegelte Aoko ab.

„Oh, und wie ich mich sorge. Dieser Yuudai ist gefährlich und du musst wirklich aufpassen.“

„Ich bin vorsichtig“, versprach Aoko und lächelte ihre Schwester an.

„Stellt er dir immer so nach, wenn er dich sieht?“

Aoko zögerte, doch dann nickte sie. „Ich kann mich an kein einziges Familientreffen erinnern, an dem er mich mal in Ruhe ließ.“

Ran runzelte besorgt die Stirn. „Ich weiß, dass es schwer für dich ist, aber bitte bleib in Shinichis und Kaitos Nähe. Die beiden können dich beschützen, wenn er...“

„Yuudai wird mir nichts antun.“

„Aber...“

„Ran, du kennst ihn nicht. Für ihn ist das alles ein Spiel, aber er würde mich nie ernsthaft anrühren.“

Ran glaubte ihrer Schwester nicht und selbst Aoko war sich nicht so sicher. Sie würde für ihren Cousin sicherlich nicht die Hand ins Feuer legen. Aokos Blick huschte zu Kaito, der ebenso gedankenverloren in seinem Essen stocherte wie sie. Ihr Verhalten ihm gegenüber war nicht richtig. Er wollte ihr helfen und sie fiel ihm in den Rücken indem sie ihren Cousin in Schutz nahm. Es war falsch, denn genau das hatte Kaito nicht verdient. Auch wenn sie nicht mehr befreundet waren, auch wenn sie eine etwas seltsame Verbindung zur Zeit teilten, er wollte sie nur wie früher beschützen. Sie müsste sich entschuldigen, aber das konnte sie auch nicht. Es war zu viel vorgefallen. Besonders der gestrige Tag hatte ihre Gefühlswelt extrem belastet. Zuerst ihr beinahe Sex in der Abstellkammer und am späten Nachmittag erwischte sie ihn wie er bei Akako Druck abließ. Wie sehr sie dieses Bild verletzte durfte sie sich selbst nicht einmal eingestehen, denn sie wusste zu gut, dass sie so schnell nicht darüber wegkommen würde. Auch wenn sie von Anfang an wusste worauf sie sich einließ, als sie die Gefühle für ihn wieder zuließ, so hoffte doch ein winziger Teil in ihr, dass er es mit ihr ernst meinte. Nur gestern stellte sie fest, dass er sich nicht von Akako trennen würde. Zumindest nicht wegen ihr. Aoko war nur eine nette kleine Ablenkung, eine Abwechslung für zwischendurch, eine Affäre, aber nicht geeignet für eine feste und langjährige Beziehung.
 

Nach dem Essen gab es Showeinlagen, Spiele mit dem Brautpaar und einen süßen Snack für zwischendurch. Das Wetter war draußen herrlich, so gab es auch noch ein Fotoshooting mit allen Gästen, ehe dann das Brautpaar zwischendrin für die Hochzeitsbilder verschwand und mehr und mehr Gäste dann für die Fotos dazu geholt wurden.

Chikage trat auf Aoko und Ran zu und hakte sich bei den Beiden ein. „Dass du und Shinichi ein Paar seid ist nicht zu übersehen. Kein Wunder, dass er heute deine Begleitung ist, aber warum hast du keine Begleitung, Aoko?“

„Ich habe keinen Freund. Mich stört das auch nicht“, antwortete die Angesprochene.

„Ich weiß, du bist seit einiger Zeit nicht mehr gut auf Kaito zu sprechen und ich weiß bis heute nicht, was mein werter Herr Sohn angestellt hat, aber würdest du mir einen Gefallen tun und mit Kaito zusammen ein Foto machen?“

Aoko wollte sofort verneinen, doch Chikage tat ihr in diesem Moment leid und sie wollte diese Frau, die ihr immer eine Mutter war, nicht enttäuschen. „Okay“, stimmte sie zögerlich zu.

„Das ist wunderbar“, freute sich Chikage und suchte sofort nach ihrem Sohn.

Ran grinste. „Ich hole Shinichi.“ Und schon verschwand sie auch.

Aoko ging schon mal in den Garten zum Fotografen und wartete dort auf den Rest. Chikage folgte schon bald mit Kaito im Schlepptau. Ran und Shinichi kamen auch noch dazu.

Der Fotograf entließ das Brautpaar mit der letzten Gruppe an Gästen und sah interessiert zu den jungen Leute.

Chikage stellte sich vor den Mann. „Hier sind die Brautjungfern in Begleitung. Es wäre schön, wenn sie die vier zusammen und auch einzeln fotografieren könnten.

Der Fotograf nickte begeistert und deutete den vier Oberschülern wie und wo sie sich hinstellen sollen.

Zufrieden nickte der Fotograf. Ran und Aoko standen Bauch an Bauch, halb zum Fotografen gewandt.

Shinichi stand hinter Ran und seine Hände an ihre Taille gelegt.

Kaito, der hinter Aoko stand tat dasselbe und alle vier lächelten charmant in die Kamera.

Chikage quietschte vor Begeisterung. „Das ist ein perfektes Bild.“ Schon forderte sie. „Ran, Shinichi, kommt mal bitte kurz zur Seite.“

„Mama“, widersprach Kaito sofort, aber Frau Kuroba ignorierte ihn.

Da übernahm auch schon der Fotograf das Kommando, trat auf die beiden zu und stellte Aoko in Position, dann wandte er sich an Kaito und führte ihn in die Haltung, in der er ihn auf dem Foto sehen wollte. Sie standen dicht einander zugewandt. Kaitos Arme umschlossen Aoko locker, ihre Hände lagen auf seinem Jackenärmel und ihre Köpfe lehnten aneinander.

Sein anthrazitfarbener Smoking stand ihm einwandfrei und machte seine ansehnliche Erscheinung nur noch attraktiver. Als hätten sie sich abgesprochen passten sie farblich gekleidet perfekt zueinander und wirkten wie ein großes Ganzes.

Aokos Herz schlug ihr bis zum Hals, seine Nähe raubte ihr den Atem und ihr gesamter Körper stand schon wieder vollkommen unter Strom. Sein Kinn lehnte an ihrer Stirn und genau dieser Hautkontakt brachte ihr Blut in Wallung. „Und nun schenkt mir euer schönstes Lächeln.“

Erneut quietschte Chikage freudig auf und Aoko freute sich schon endlich gehen zu dürfen, als der Fotograf erneut Kommandos gab. „Junge, küss sie auf die Stirn, Aoko sieh zu mir.“ Und wieder ein Foto. „Und nun seht euch ganz tief in die Augen. Lehnt eure Stirn aneinander. Jawohl, sehr gut. Perfekt. Man sieht regelrecht die Funken sprühen“, schwärmte der Fotograf.

Für Aoko war diese Nähe erdrückend, denn sie spürte Kaitos Atem so nah an ihrem Gesicht, blickte ihm in diesem Moment tief in die Augen und ihre Lippen wurden fast magisch angezogen. Ihr Herz schlug aufgeregt und wie wild. Kaito müsste es fast spüren können, so nah wie er ihr war. Es prickelte in ihr. Sie müsste sich nur ein wenig strecken und könnte sich einen Kuss stehlen. Die Vernunft schaltete sich wieder ein und ließ sie ihren Kopf wegdrehen. Im nächsten Moment löste sie sich von dem Oberschüler und ging zurück zur Feier.

Kaito sah ihr absolut verwirrt hinterher, bis Shinichi ihn zur Seite schob. „Platz da, nun sind wir dran, Bro.“

Chikage schnappte sich kichernd ihren Sohn und wirkte sehr zufrieden. Dann warteten die beiden noch auf das Pärchen, welches seine wahre Freude an dem Shooting hatte und sich bereitwillig in jede Position stellen ließen, die dem Fotograf vorschwebte.
 

Aoko wollte eigentlich zurück, jedoch entschied sie sich noch kurz den Kopf ausrauchen zu lassen. Sie musste ihre Gefühle wieder unter Kontrolle bringen. Sie sah sich ein wenig um und lief durch die große Parkanlage, die noch zur Gaststätte gehörte. Sie lief ein wenig über die grüne Wiese, als Yuudai sich ihr in den Weg stellte. „Schläfst du mit ihm?“

Überrascht sah Aoko auf und wich erschrocken zurück. „Nein!“

„Aber du liebst ihn?“

Auf diese Frage konnte sie nicht antworten. Es sich selbst einzugestehen ist das eine, es auszusprechen etwas ganz anderes.

„Ich trau ihm nicht, hab ich noch nie getan.“ Yuudai griff nach ihrer Hand und drängte seinen Körper noch etwas fester an ihren. „Der Kerl nutzt dich doch bloß aus“, sprach er eindringlich. Aoko wich zurück, aber schon spürte sie seine Hand an ihrer Wange. „Ich wünsche mir für dich einen besseren Kerl an deiner Seite.“ Er beugte sich vor und küsste sie auf ihre Stirn.

Aoko schauderte unter dieser Berührung und zum ersten Mal überhaupt fragte sie sich, ob er alles nur getan hat, um ihre Aufmerksamkeit und ihre Liebe zu bekommen, dabei aber nur Abneigung und Hass erntete. „Yuu“, hauchte sie verwirrt und blickte auf.

Seine Finger strichen ihr sanft über die Wange. „Meine kleine Oki“, murmelte er zu sich. „Du wirst erwachsen. Pass gut auf dich auf!“ Und schon löste er sich von ihr, lächelte und ging.

„Warte!“

Yuudai blieb stehen. Er drehte sich nochmals zu ihr und lächelte. „Dein Herz ist schon vergeben.“ Er blickte in die Weite des Parks. „Aber das ist in Ordnung. Wir sind eine Familie. Blut ist dicker als Wasser.“

„Wo gehst du jetzt hin?“

„Ein bisschen spazieren. Mach dir keine Sorgen. Mir passiert schon nichts“, grinste er schon wieder angeberisch und spazierte davon.

Der Nachmittag wich langsam dem Abend. Schon bald müssten Eri und Ginzo die Tanzfläche eröffnen.

Aoko entschied sich zurück zu gehen und betrat wenig später den Saal, in dem schon fleißig getanzt wurde.

Sie stand am Rande der Tanzfläche und sah den umher wirbelnden Paaren zu.

Kaito trat neben sie. „Darf ich um diesen Tanz bitten?“

Sofort fühlte sie die Luft knistern. Eine Gänsehaut überzog ihren Körper, allein durch seine Anwesenheit. Was stellte er bloß mit ihr an? Sie versuchte die Fassung zu bewahren und sich nichts von ihren Gefühlen anmerken zu lassen. „Damit du mir auf die Füße treten kannst?“

Er grinste, nahm die Vorlage zu gerne an. „Traust du dich es herauszufinden?“

„Ich habe keine Angst“, konterte sie und starrte plötzlich auf seine Hand, die er ihr nun hinhielt. Unsicher hielt sie inne, doch dann legte sie ihre Hand in seine und ließ sich von ihm zur Tanzfläche führen. Die Band stimmte ein langsames Stück an. Beide nahmen Haltung an und im Takt begann Kaito Aoko in einen Walzer zu führen. Er tanzte wirklich sehr gut, hielt den Takt und dirigierte sie sicher zwischen den anderen schwebenden Paaren über die Tanzfläche. Seine Hand ruhte auf ihrem Schulterblatt, dirigierte sie in die Richtung, in der er sie haben wollte. Es fiel ihr nicht leicht, sich auf seine Signale zu konzentrieren, denn seine Fingerspitzen sendeten tausend kleine Elektroimpulse auf ihrer Haut. Sie blickte zu ihm auf und beobachtete ihn, wie er während des Tanzes den Überblick behielt, damit sie mit keinem anderen Paar kollidierten. In diesem Moment, in diesem Tanz, musste sie ihm blind vertrauen und sich darauf verlassen, dass er sie wohlbehalten durch das Lied führen würde. „Seit wann kannst du tanzen?“

Kaito grinste etwas überheblich. „Meine Mutter hat mich die letzten Wochen durchs Wohnzimmer gescheucht. Sie meinte, ich müsse die wichtigsten Schritte können um sie nicht zu blamieren.“

Aoko konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

Die letzten Töne verklangen.

Kaito blieb mit ihr stehen, sah sie einfach nur an. Auch sie hob den Blick und verlor sich wieder einmal in seinen klaren blauen Augen. Das nächste Lied begann und er führte sie sofort in einen Jive. Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie wichtig der Grundkurs war, den sie in der Mittelschule mit Keiko aus Spaß besuchte. Sie tanzten noch mehrere Tänze zusammen und es gab die gesamte Zeit nur sie beide auf der Tanzfläche. Sie schwebten in einer eigenen Welt.

Als die Band eine Pause ankündigte, schob Kaito seine Begleitung von der Tanzfläche. Ohne ein Wort zu sagen trat er durch eine Seitentüre in den Garten und zog Aoko an der Hand einfach mit sich.

Inzwischen war es dunkel und nur der Saal der Lokalität brachte etwas Beleuchtung in den Garten. Doch Kaito entfernte sich in einen dunkleren Bereich und zog sie hinter den Stamm eines großen Kirschbaums. Er sah ihr in die Augen und strich ihr eine einzelne Haarsträhne aus dem Gesicht.

Unter dieser Berührung zuckte sie erschaudernd zusammen. Seine Handfläche legte sich an ihre Wange und sofort schmiegte sie sich hinein. Kaitos Augen leuchteten ihr regelrecht in der Finsternis entgegen. Die Stimmung bis aufs äußerste geladen. Es herrschte eine unbestreitbare Anziehungskraft zwischen ihnen.

Kaito beugte sich zu ihr und begann sie begierig zu küssen.

Schnell wurde ihr klar was er wollte, brauchte und verlangte und ihr Herz war zu gerne bereit ihm das zu geben. Sie spürte seine Zunge an ihren Lippen und öffnete sich ihm. Stürmisch fing er sie ein und riss sie förmlich in der Welle der Leidenschaft mit.

Seine Hand legte sich an ihre Taille, doch dann schob er sie langsam an ihren nackten Rücken und die Finger verschwanden unter der Schleife.

Sie seufzte in den Kuss hinein, fühlte die Gänsehaut, das Prickeln in ihrem Körper und ihre Gefühle, die sich ihm, und nur ihm voll und ganz verschrieben.

Widerwillig, jedoch wegen akuter Atemnot, löste er sich aus diesem Kuss, begann ihren Hals zu küssen und raunte mit tiefer Stimme: „Das wollte ich schon die ganze Zeit machen. Seit ich dich im Tempel in diesem atemberaubenden Kleid gesehen habe.“

Ein erregender Schauer durchlief ihren Körper. Seine Worte schmeichelnd und seine Stimme so erotisch. Wie zur Bestätigung fuhr seine Hand ihren Rücken entlang, doch dann rutschte sie gemächlich zu ihrem Po hinab.

Sie spürte seine zärtliche Berührung an ihrer Haut und fühlte seine feuchten Küsse, die sich gemächlich ihrem Brustansatz näherten. „Das sagst du nur so“, murmelte Aoko gedankenverloren. Sie genoss seine Berührungen, seine Zärtlichkeiten. Ihr war bewusst, sie sollte sich von ihm fernhalten, aber sie war süchtig nach seiner Nähe und auch wenn er das alles hier nicht ernst meinen sollte, so wollte sie keine Sekunde mit ihm missen und jeden ihr noch verbleibenden Moment würde sie voll und ganz auskosten.

Er löste sich von ihr, suchte irritiert ihren Blick. Ernst, beinahe verletzt sah er sie an. „Wie kommst du darauf?“

Aoko schluckte, spürte die Veränderung zwischen ihnen. Sie wusste nicht worauf er anspielte, sie wusste ja nicht einmal mehr, was sie zu ihm gesagt hatte.

Er schien auch nicht wirklich eine Antwort zu erwarten, sondern setzte hinzu: „Ich bin süchtig nach dir.“

Ihr Herz setzte aus. Ihre Augen weiteten sich und sie konnte seine Worte kaum verarbeiten. Unsicher betrachtete sie ihn, sein hübsches Gesicht. Unweigerlich fiel ihr das kleine Pflaster auf seiner Stirn auf. Wie ferngesteuert streichelte sie ihm plötzlich über das Pflaster. Ganz zaghaft und vorsichtig, denn sie wollte ihn nicht verletzen. „Ich verstehe es nicht“, gestand sie leise. Ihr Leben zog in rasender Geschwindigkeit an ihr vorbei. Alles hatte sich plötzlich auf den Kopf gestellt. Ihre Gefühle verwirrten sie und er brachte sie vollkommen durcheinander. Sie konnte keinen Sinn in seinen Sätzen finden und erkennen.

„Dann versuche ich es dir anders zu erklären“, sprach er so zärtlich, dass ihr Herz wohlig pochte und Schmetterlinge in ihrem Bauch flogen. „Es ist zwar noch etwas hin, aber würdest du mir die Ehre erweisen und mich zum Winterball begleiten?“

Ihre Finger lösten sich von seiner Stirn, streichelten unbewusst hinab über seine Wange. Mit großen Augen und komplett überrumpelt drangen die Worte in ihren Kopf. „Ja“, antwortete sie automatisch, ehe ihre Vernunft aus der Starre erwachte und sie wieder ins Hier und Jetzt katapultieren könnte. „Allerdings werde ich dieses Kleid tragen“, verriet sie ihm.

Er schüttelte vehement seinen Kopf. „Unmöglich. Ich zieh dir einen Kartoffelsack über.“

„Warum?“

Er blickte ihr tief in die Augen. „Kein anderer darf dich so sehen“, gestand er besitzergreifend und schon beugte er sich wieder zu ihr.

Dieses Mal kam sie ihm aber von selbst entgegen. Kaum fanden sie sich zu einem weiteren Kuss, drehte er sich mit ihr und drückte sie gegen den Baumstamm während sie ihre Arme um seinen Nacken schloss und diesen Kuss gefühlvoll erwiderte.

„Lass uns von hier verschwinden“, murmelte Kaito plötzlich an ihren Lippen.

Aoko löste sich leicht und sah ihn mit großen Augen überrascht an. Sie wusste nicht ob er seine Überlegung eben ernst meinte. „Das geht nicht“, hauchte sie zurück, vollkommen perplex und dennoch gefiel ihr der Gedanke.

Er küsste sie erneut, ehe er sich kurz löste. „Warum nicht?“

„Es ist die Hochzeit meines Vaters. So einfach und so schnell kann ich nicht verschwinden.“

„Du hast Schiss“, grinste er herausfordernd.

Aoko schüttelte den Kopf. „Nein, aber was sagen wir Chikage? Papa ist auch nicht blöd und wird uns sehr bald auf die Schliche kommen.“

Kaito sah sie an und lächelte plötzlich überheblich. „Ich werde dich heute Nacht noch auspacken, darauf kannst du dich verlassen.“

Aokos Herzschlag begann zu rasen bei diesem Versprechen. Sofort dachte sie an den Moment in der Schule. „Hast du ... ?“

Der Oberschüler ahnte was ihr durch den Kopf ging und beugte sich zu ihr. „Genug um dich die gesamte Nacht wach zu halten.“ Schon drückte er ihr einen verheißungsvollen Kuss auf die Lippen, bevor er sie wieder freigab. „Ich lass es dich wissen, wenn wir abhauen“, versprach er und ging.

Kapitel XXXVII - Die Nacht der Nächte

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel XXXVII - Die Nacht der Nächte - zensiert

Aoko blieb mit rasendem Herzschlag zurück und eine gewaltige Anspannung breitete sich in ihr aus. Zusätzlich prickelte die Vorfreude und sie glaubte ihm jedes einzelne Wort. Sie ging zur Feier zurück, mischte sich unter die Gäste, tanzte noch mit dem ein oder anderen männlichen Gast und natürlich ließ sie es sich nicht nehmen mit ihrem Vater das Tanzbein zu schwingen.

Kaito hielt sich für den Rest des Abends zurück, bedachte sie jedoch mit schelmischen und provozierenden Blicken. Wenn sich ihre Augen trafen, zwinkerte er, fuhr sich unauffällig mit der Zunge über die Lippe oder sah sie so intensiv an, dass ihr gesamter Körper zu kribbeln begann.

Aoko durchlief den Abend und die Nacht mit einer innerlichen Anspannung, Aufregung und Vorfreude. Er würde sie von hier entführen und sich nehmen was sie bereit war zu geben.

Aoko, die eben eine kurze Tanzpause machte, spürte das sich jemand zu ihr stellte. Sie blickte auf und in Yuudais Gesicht. Es war komisch ihm nun gegenüber zu stehen. Er hatte ihr seine Gefühle für sie verraten und erkannte dass es keine Chance für ihn gab. Nun ging er wieder zurück ins vertraute Fahrwasser.

„Tanz mit mir!“

„Yuudai“, wollte sie ablehnen, aber da umfasste er schon ihre Hand und zog sie auf die Tanzfläche. Er bekam immer das was er wollte und legte seine Hand übertrieben nahe ihres Hintern, aber dennoch berührte er sie keineswegs an Stellen, wo seine Finger nichts zu suchen hatten.

Plötzlich grinste er: „Dein kleiner Zauberer ist ja ganz schön eifersüchtig.“

„So ein Quatsch“, widersprach Aoko sofort.

„Was wohl passieren wird, wenn ich dich ganz nah an mich ziehe und mein Gesicht zu dir beuge?“

„Dann bist du nicht nur einen Kopf kürzer, sondern auch um ein Körperteil ärmer.“

„Dazu ist er im Stande?“ Yuudai belächelte die Worte seiner Cousine.

„Nicht er, sondern ich“, drohte sie ihm ernsthaft an. Dann fügte sie hinzu: „Wenn Kaito dich in die Finger bekommt, bist du im besten Fall ein Pflegefall.“

Nun musste Yuudai lachen und es war so ehrlich, herzlich und erfrischend, dass er Aoko schwungvoll anhob und drehte.

„Yuu“, quietschte sie entsetzt auf, als er sie schon wieder auf den Boden abstellte.

„Mir ist heute klar geworden, dass ich mich dir gegenüber immer falsch und blöd verhalten habe und das tut mir sehr leid. Ich hoffe sehr, dass wir nochmal von vorne anfangen können, Oki.“

Aoko nickte und nahm die Entschuldigung an. Dann grinste sie frech: „Du willst ja nur zur nächsten Hochzeit eingeladen werden.“

„Du und Kaito?“, sah er sie beinahe entsetzt an und atmete fast erleichtert aus, als sie den Kopf schüttelte.

„Du hast jetzt auch noch eine andere Cousine und die ist bereits in festen Händen.“

Ran und Shinichi waren von der Tanzfläche nicht mehr weg zu denken. Und Yuudai blickte zu dem tanzenden Paar, das die gesamte Feier über nur Augen für sich hatte. „Ja, mit ihm kann ich leben“, stellte er trocken fest und kassierte prompt einen Schlag auf den Brustkorb von seiner Cousine.

Innerlich fiel Aoko aber ein großer Stein von der Seele. Sie hatte sich mit ihrem Cousin ausgesprochen und sie glaubte wirklich, dass sie mal Freunde werden konnten. Das Lied näherte sich den letzten Klängen. Ihre Augen suchten wieder Kaito, der an einem Tisch saß und sie die gesamte Zeit beobachtete, ernsthaft besorgt und jederzeit bereit einzugreifen.

Yuudai führte Aoko von der Tanzfläche und verabschiedete sich mit einer Umarmung.

Aoko erwiderte diese und ging in Kaitos Richtung. Dieser stand ebenso auf und trat auf sie zu. Als sie aneinander vorbei gingen raunte er: „Das Taxi ist bestellt. Nicht mehr lange und du wirst meinen Namen stöhnen.“

Provozierend und gleichzeitig versprechend, dass sich Aokos Unterleib zusammenzog und allein seine Worte es schafften, sie um den Verstand zu bringen.

Kaito ging zur Türe, sprach kurz mit seiner Mutter und verschwand hinaus.

Währenddessen wurde sie immer nervöser. Wenn ihr Vater sie erwischte, dann würde es ein Donnerwetter vom Feinsten geben. Auch wenn sie glaubte, das Chikage ihn beruhigen könnte, so wollte sie ihm keinen Anlass bieten enttäuscht von ihr zu sein.

Jegliche Bedenken von sich schiebend, schnappte sie sich ihren Schlüssel, trat zur Tanzfläche und stoppte ihre Schwester im Tanz. „Ich ... mir geht es nicht gut ... ich hab etwas zu viel getrunken. Ich verschwinde nach Hause. Wir sehen uns morgen beim Frühstück.“

Ran nickte überrumpelt. „Okay, wie kommst du nach Hause?“

„Mit dem Taxi.“

„Schlaf gut!“

„Feiert noch schön“, winkte Aoko und verschwand, während Shinichi und Ran ihren Tanz wieder aufnahmen.

Sie trat in die Nacht hinaus zur Straße und fand Kaito, der dem Fahrer des Taxis eben ihre Adresse nannte und ihr die Türe aufhielt. „MyLady, Ihre Kutsche steht bereit.“

Angespannt und äußerst nervös huschte Aoko ins Taxi und wartete darauf, das Kaito ihr auf die Rücksitzbank folgte. Kaum war die Türe hinter ihm geschlossen, fuhr der Fahrer los. In der Nacht war wenig Verkehr und so erreichten sie ihr zuhause sogar nach einer kurzen Fahrzeit. Und je näher sie ihrem Zielort kamen, desto nervöser wurde die Oberschülerin. Dann erreichten sie den Straßenrand. Beide stiegen aus. Äußerst unruhig und mit weichen Knien trat Aoko auf ihre Haustüre zu und angelte mit fahrigen Fingern nach ihrem Schlüssel, während Kaito den Taxifahrer bezahlte.

Die Autotüre fiel zu, schon fuhr das Taxi davon.

Aoko lauschte in die Stille der Nacht und hörte Kaitos Schritte, die sich schnell näherten. In der nächsten Sekunde wurde sie von seinem Duft eingehüllt. Sein Körper so nah an ihrem ließ sie noch nervöser werden. Sie spürte die aufregende Vorfreude. Nachdem sie den Schlüssel nicht ins Schloss brachte, hauchte er ihr einen Kuss auf die Schulter und flüsterte: „Wieso so nervös?“ Er klang belustigt. Er nahm ihr den Schlüssel ab, steckte diesen auf Anhieb ins Schloss und sperrte die Haustüre auf.

Unsicher drehte sie sich ihm zu und suchte seine Augen. „Kaito“, sprach sie, wollte einen Rückzieher machen, aber ihr Nachbar verschloss ihre Lippen zu einem Kuss, ehe sie die Worte aussprechen konnte. Alleine dieser Kuss raubte ihr erneut die Sinne.

Als er sich löste flüsterte er: „Du weißt, dass ich nichts tun werde was du nicht möchtest.“ Sie sah ihn immer noch etwas verängstigt an, dann fügte er hinzu: „Ein Wort von dir und ich höre sofort auf.“

Überrascht starrte sie ihn an und lauschte diesem so vertrauten Satz, der sich tief in ihr eingeprägt hatte. Sie stellte ihre Bedenken selbst infrage. Sie waren sich doch schon so nah gekommen und hätten es fast ungeplant getan, was war schon dabei es geplant durchzuziehen?

Er schmunzelte. „Du denkst zu viel nach.“ Und schon zog er sie in einen neuen Kuss und die Leidenschaft flammte auf und überrollte die beiden. Kaito schob Aoko ins Haus, drückte die Haustüre zu und stieß das Mädchen mit dem Rücken dagegen. Im Rausch der Gefühle versenkte er seine Zunge in ihrer Mundhöhle und forderte ihre zu einem Kampf heraus, aus dem kein Sieger hervortreten konnte.

Sie stolperten küssend die Treppe hinauf. Währenddessen knöpfte Aoko mit zittrigen Fingern Kaitos Hemd auf und als sie mit ihren Händen über seinen nackten Brustkorb streichelte, erreichten sie das Obergeschoss und er drückte sie gegen ihre Zimmertüre.

Seine Hände glitten an ihren Rücken zur Schleife und zogen an den Enden. Wenig später löste sich der Stoff und lockerte sich um ihren Brustkorb, während seine Hände ihre gesamte Rückenpartie entlang strichen, ohne lästigen Stoff dazwischen. Seine Fingerspitzen hinterließen eine Gänsehaut. Aoko suchte in ihrem Rücken nach der Türklinke. Schon fand sie diese, die Tür schwang auf und innig küssend stolperten sie in das Zimmer. Aoko schaltete beim Eintreten das Zimmerlicht an. Durch die Helligkeit abgelenkt, löste Kaito sich von ihr und sah sich aufmerksam in ihrem Reich um.

Aoko schloss die Türe und verriegelte sie zur Sicherheit. Sie drehte sich um und lehnte sich unsicher mit dem Rücken an, während sie ihren ehemaligen besten Freund beobachtete. Ein Anblick der ihr so fremd erschien und doch so vertraut war.

Noch stand er mit dem Rücken zu ihr, aber langsam drehte er sich selbstbewusst um. Verboten gut sah er aus. Die anthrazitfarbene Jacke, das offene Hemd mit der schief sitzenden Krawatte und der darunter liegende nackte Brustkorb.

Kaitos Augen glitten über ihre Figur, dann trat er zum Nachtkästchen, schaltete das Lämpchen an und ging provokant grinsend wieder auf Aoko zu. Nebenbei schaltete er das große Zimmerlicht aus, während sie ihm und seinen Bewegungen nur stumm mit den Augen folgte. „Du denkst schon wieder nach“, sprach er neckisch und umfasste zärtlich ihr Gesicht. Dabei stupste er ihre Nase mit seiner Nase an.

„Das muss ein Traum sein“, murmelte sie mehr zu sich.

Kaito lachte amüsiert. „Kann ein Traum das hier?“ Und er küsste sie auf die Nase. „Oder das hier?“ Nun rutschten seine Hände sanft in ihren Nacken und öffneten den Neckholder. Danach gab es für den Stoff ihres Kleides kein halten mehr und das gesamte Taftkleid rutschte ihr hinab, legte zuerst ihre Brüste frei, ehe es komplett auf den Boden glitt. Seine Augen folgten nicht dem Stoff, sondern versanken in ihren blauen Augen, die so groß und unschuldig waren. „Oder das hier?“, fügte er noch ein letztes Mal hinzu und küsste sie auf den Mund.

Der Startschuss für eine Nacht der Emotionen.

Kapitel XXXVIII - Nachwirkung

Spät in der Nacht rumpelte es im Erdgeschoss und Eri quietschte laut.

Erschrocken fuhr Aoko aus dem Schlaf und setzte sich in ihrem Bett auf. Sie sah sich verwirrt und noch schlaftrunken um. Das gedämmte Licht der Nachttischlampe erhellte immer noch ihr Zimmer und ließ für Außenstehende darauf schließen dass sie noch wach war. Wenn ihre Eltern das nun bemerkten und dann auf die abgeschlossene Zimmertür trafen, würden Fragen kommen – unangenehme Fragen. Sie sah sich gehetzt um und blickte neben sich in ihr Bett. Kaito schlief tief und fest. Sie rüttelte sanft an ihm. Er murrte etwas, doch schon hielt sie ihm panisch den Mund zu.

Reichlich verwirrt öffnete er langsam die Augen und blickte verschlafen in ihr ängstliches Gesicht. Er wollte erneut etwas sagen, aber ihre Hand presste sich fester auf seinen Mund und der Zeigefinger ihrer anderen Hand an ihren Lippen deutete ihm keinen Mucks zu machen.

Ginzo kam langsam und humpelnd die Treppe hinauf und fluchte: „Verdammt noch eins! Ich glaube mein Zeh ist gebrochen!“

Eri, die ihm zur Hilfe eilte, sprach: „Psst. Ich verarzte ihn dir sofort. Aber mach nicht so einen Lärm, Aoko schläft doch schon.“

Ginzo hielt inne in seiner Schimpftirade. „Richtig, wir sollten nach ihr sehen. Ihr Licht ist noch an.“

Und das war der Moment, in dem beide Oberschüler panisch wurden. Beide wussten was ihnen blühen würde, wenn sie hier erwischt wurden.

Kaito stand auf, zog sich geschwind Shorts und Hose an, schlüpfte in die Socken und schnappte sich sein Hemd. Schnell warf er sich das über, knöpfte es in Windeseile zu und holte sich seine Jacke. Aoko, die ebenso durchs Zimmer schlich, zog sich aus ihrem Schrank ein weites langes Shirt heraus und eine kurze Hose ehe sie ihr Kleid ordentlich über einen Stuhl legte und Kaitos Schuhe nahm.

Beide, so in Eile und darauf konzentriert keinen Laut von sich zu geben, bemerkten nicht, dass sie aufeinander zu liefen und vor der Balkontüre zusammenstießen. Ihre Blicke trafen sich. Fasziniert sahen sie einander tief in die Augen und versanken regelrecht. Wie magisch angezogen trafen sich ihre Lippen zu einem Kuss. Die Gefühle übernahmen die Kontrolle und ließen sie alles um sie herum vergessen.

Schritte näherten sich. Im nächsten Moment wurde die Klinke gedrückt. Rumms! Ginzo stieß frontal an die verschlossene Zimmertüre. Erneut fluchte er schmerzerfüllt auf.

Schlagartig trennten sich die Oberschüler voneinander. Aoko drückte Kaito noch seine Schuhe in die Hand und schob ihn auf ihren Balkon hinaus.

„Ginzo, Schatz, ist alles in Ordnung? Lass doch das arme Kind bis morgen schlafen und mach nicht so einen Lärm.“

„Mein Kopf dröhnt“, klagte der erwachsene Mann, doch dann besann er sich: „Da stimmt etwas nicht, Eri. Ich habe die gesamte Zeit schon ein komisches Gefühl.“

„Du übertreibst und du hast eindeutig zu viel getrunken. Wenn ich deinen Fußzeh verarzten soll, komm bitte jetzt, denn ich gehe gleich ins Bett“, verkündete Eri entschieden und entfernte sich von Aokos Zimmertüre.

Aoko beobachtete wie Kaito in seine Schuhe schlüpfte. Dann drehte er sich ihr zu, näherte sich wieder ihrem Gesicht und hauchte: „Schlaf gut!“

„Gute Nacht“, murmelte sie zurück.

„Ich komme gleich, Eri“, sprach Ginzo entschieden und klopfte im nächsten Moment fest an die verschlossene Türe seiner Tochter: „Aoko! Was zum Teufel geht da drinnen vor? Warum ist deine Türe abgesperrt?!“

Gehetzt schloss sie nun die Glastüre so leise es eben ging und schlich durch ihr Zimmer.

„Und wieso habe ich eben deine Balkontüre gehört?! Aoko! Wenn du nicht sofort öffnest, trete ich deine Türe ein!“

„Ich komme schon“, rief sie ihrem Vater schnell entgegen, warf noch einen kurzen Blick in ihr Zimmer, konnte aber keinen verräterischen Hinweis entdecken. Dann sperrte sie auf und öffnete die Türe. Überrascht und etwas vorwurfsvoll sah sie ihren Vater an. „Was ist denn los?“

„Das sollte ich dich fragen“, sprach Ginzo, schob seine Tochter zur Seite und betrat misstrauisch ihr Zimmer.

Aoko folgte ihm unsicher und als sie sah dass er auf ihre Balkontür zuschritt, diese öffnete und hinaustrat, dachte sie wirklich dass er Kaito sehen müsste. Wo sollte er denn auch hin? Hätte sie ihn vielleicht unter ihrem Bett verstecken sollen? Aber in Filmen sahen die Väter doch dort immer zuerst nach. Aoko stand hinter ihm an der Türe, beobachtete ihren Vater, der sich in der Dunkelheit umsah, sich sogar über das Geländer beugte und versuchte etwas im dunklen Garten zu entdecken.

Aoko nutzte den kurzen Moment und ließ ihren Blick nochmals durch ihr Zimmer gleiten. Schon entdeckte sie Kaitos Krawatte auf dem Boden liegend. So unauffällig wie möglich eilte sie hin und schob das Stückchen Stoff mit dem Fuß unter ihr Bett. Gerade noch rechtzeitig, denn ihr Vater trat zurück ins Zimmer und musterte sie misstrauisch. „Was ist denn überhaupt passiert?“, mimte sie die Unschuldige.

„Du bist mit dem Taxi nach Hause gefahren?“

„Ja“, antwortete Aoko.

„Allein?“

Sie wusste nicht so recht was sie darauf sagen soll. „Wieso fragst du mich das?“

Ginzo unterzog sie einem prüfenden Blick, dann erklärte er: „Chikage hat uns mitgenommen und gesagt, dass Kaito mit einem Taxi schon nach Hause gefahren ist.“

Aoko erstarrte innerlich. Ihr Vater wusste es oder er ahnte es zumindest. Aber woher? Sie hatte ihm nie ein Zeichen oder einen Grund gegeben. Eine Lüge würde ihn nur noch misstrauischer machen. Aoko senkte den Kopf. „Mir ging es nicht so gut, ich hab ein bisschen zu viel getrunken. Kaito hatte für sich ein Taxi bestellt und mich mitgenommen. Du weißt ja, wir haben fast die gleiche Adresse. Es wäre unsinnig, wenn jeder einzeln fährt.“

Ginzo beäugte sie immer noch sehr skeptisch, dann nickte er. „Wo ist Kaito?“

„Ich nehme an, dass er zuhause ist.“

„So, so, du nimmst es an.“ Die Augen ihres Vaters wichen zu dem zerwühlten Bett, dann aber ging er ohne ein weiteres Wort aus ihrem Zimmer. Bevor er die Türe schloss, drehte er sich nochmal zu ihr um. „Eri hat mir versichert, dass du die Pille nimmst. Ich hoffe, du weißt, dass diese allein nicht vor Krankheiten schützt.“

Entsetzt riss Aoko ihre Augen auf. Ihr Vater wusste es, aber woher?

„Das nächste Mal zieh dich bitte ordentlich an.“ Er drehte sich von ihr ab.

Aoko blickte an sich herunter und erkannte was ihr Vater meinte. Das Shirt zeigte die Rückansicht. In der Eile hatte sie es sich falsch herum angezogen. Ertappt sah sie auf und starrte auf den breiten Rücken ihres Vaters.

„Und sag Kaito, dass er die Knutschflecke nicht so sichtbar platzieren soll, wenn ihr nicht wollt dass man euch auf die Schliche kommt.“ Schon trat er hinaus und zog die Türe hinter sich zu.

Aoko starrte perplex zur Türe, dann fasst sie sich und rannte sofort hinterher. Schwungvoll riss sie ihre Türe wieder auf. „Papa?“

Ihr Vater stand schon an der Treppe. Vermutlich würde er sich ein Eispäckchen für seine Stirn holen und außerdem hatte er sich zuvor den Zeh gestoßen, der auch noch untersucht werden musste. „Ich war auch mal jung, Aoko“, sprach Ginzo und drehte sich ihr nochmals zu. „Auch wenn ich es nicht gutheiße, bist du alt genug um deine eigenen Entscheidungen zu treffen.“

„Wir haben aufgepasst“, gestand sie. Es erheiterte ihren Vater nicht, dennoch wirkte er wesentlich beruhigter. Dann verschwand er humpelnd ins Erdgeschoss.

Mit stark pochendem Herz kehrte Aoko zurück in ihr Zimmer und schloss die Türe. Dort ließ sie sich auf ihr Bett nieder und in die Laken fallen. Sie musste diesen gesamten Abendverlauf erst verarbeiten.
 

Am nächsten Morgen trat Aoko reichlich übermüdet in die Küche.

Ginzo saß bereits am Tisch, aber seine Laune schien nicht wirklich besser zu sein.

Eri zog die Croissants und Brötchen aus einer Bäckertüte hervor und deckte den Esstisch. „Guten Morgen“, flötete sie und versuchte dabei eine harmonische Stimmung zu erzeugen.

„Morgen“, murmelte Aoko bedrückt und schlich näher. Dann half sie Eri beim Kaffeekochen und Tisch decken.

Ginzo musterte seine Tochter enttäuscht. „Um ein Gespräch werdet ihr beide nicht drum herum kommen“, kündigte er an.

Aoko zog ihren Kopf ein.

Eri beobachtete die frostige Stimmung zwischen Vater und Tochter und stemmte ihre Hände in die Hüfte. Vorwurfsvoll sah sie ihren Mann an. „Nun sei nicht so streng mit ihr. Es ist doch schön, wenn die beiden sich lieben und zusammen sein wollen.“

Aoko blieb der Mund offen stehen. Da hatte Eri aber einen ganz falschen Eindruck. Dennoch würde sie ihre neue Mama in dieser Annahme nicht korrigieren. Ihr Vater würde fuchsteufelswild werden, wenn er erfuhr, dass sie nicht mal ein Paar waren und dennoch miteinander schliefen.

Fröhlich grinsend betraten Ran und Shinichi die Küche, Händchen haltend und im absoluten Glück schwebend. Aoko sah fasziniert auf das Bild. Sie wusste nicht, dass Shinichi über Nacht geblieben war und so wie es aussah hatte er wohl auch nicht auf der Couch genächtigt.

Ginzo schien die Gedanken seiner Tochter zu erraten, denn er verkündete: „Du empfängst heimlich Männerbesuch! Da kann ich deiner Schwester wohl kaum verbieten mit ihrem Freund in einem Zimmer zu schlafen.“

Ran und Shinichi sahen überrascht zu Vater und Tochter, setzten sich aber schweigend und leise an den Tisch und würden sich gewiss nicht einmischen.

Eri trat nun an den Tisch und legte die letzten Zutaten hin. „Ginzo, nun ist es aber mal gut. Sei nicht so veraltet. Unsere Töchter haben feste Freunde und in ein paar Jahren werden sie heiraten und spätestens dann ausziehen. Das ist der normale Lauf. Sie werden flügge und das ist richtig und gut so.“ Sie setzte sich an den Tisch.

Ginzo schnaubte.

Auch Aoko setzte sich dazu und schweigend begannen sie mit dem Essen.

Das Familienoberhaupt schmollte noch etwas, während die Frauen ein Gespräch begannen und sich über den gestrigen Tag unterhielten. Sehr langsam mischte sich Ginzo ins Gespräch ein und schon bald entstand ein reges Gespräch über den Tag, der sie alle zu einer Familie gemacht hatte.

Aoko kehrte nach dem Frühstück in ihr Zimmer zurück. Shinichi und Ran wollten noch etwas Zeit alleine verbringen, ehe der Oberschüler nach Hause ging, somit blieb ihr erst mal niemand mit dem sie reden konnte. Immer noch rasten ihre Gedanken und kein einziger war festzuhalten. Aoko beschloss an die frische Luft zu gehen. Sie hoffte einen klaren Kopf zu bekommen. Immer noch mit dem Shirt, welches sie inzwischen richtig herum angezogen hatte, und der Hose von letzter Nacht gekleidet, trat sie auf ihren Balkon. Sie sah sich aufmerksam um und verstand nicht warum ihr Vater ihn nicht gesehen hatte. Es gab keine Verstecke hier draußen und dennoch war er verschwunden als ihr Vater hinaus trat. Wo konnte er nur hin sein? Sie beugte sich über das Geländer, wie ihr Vater es schon in der Nacht getan hatte. Es war zu hoch um einfach hinunter zu springen. Ihre Augen glitten zum Nachbarbalkon. Aber auch zu weit entfernt um hinüber zu springen.

„Suchst du etwas?“

Aoko schreckte aus ihren Gedanken auf und nahm erst jetzt das grinsende Gesicht ihres Nachbarjungen wahr. Ein wohliges, sehr glückliches Gefühl breitete sich in ihrem Herzen aus und sie bereute nicht eine Sekunde aus der letzten Nacht. Keck erwiderte sie: „Einen Jungen.“

„Sag bloß“, erwiderte er spielerisch.

„Er ist letzte Nacht von meinem Balkon verschwunden.“

„Wo ist er hin?“ Er lehnte seine Unterarmee auf das Geländer seines Balkons und grinste süffisant.

„Das ist die Frage“, überlegte sie lächelnd. „Ich sehe zwar wo er steht, aber ich frage mich wie er da ungesehen hinkam.“

Ein triumphierendes Grinsen zog sich über seine Lippen, dann drehte er seinen Kopf in Richtung der Gärten.

Aoko folgte seinem Blick. Die Häuser waren absolut identisch. Die Balkone führten einmal im Obergeschoss um das Gebäude herum. Sie wusste nicht was er ihr zeigen wollte, doch dann entdeckte sie einen großen Baum mit weit ausufernden dicken Ästen.

Entsetzt sah sie zu Kaito, der sie belustigt anlächelte. „War ein Drahtseilakt, aber du siehst: Ich lebe noch.“ Interessiert musterte er nun ihre Aufmachung. „Netter Anblick.“ Er ließ sie nicht aus den Augen. „Letzte Nacht hast du mir aber besser gefallen“, flirtete er plötzlich.

„Ich weiß nicht was du meinst“, ärgerte sie ihn. Ihre Augen glitten über seine Erscheinung und ihr wurde wieder brennend heiß, als sie den attraktiven, sportlichen, jungen Mann betrachtete, in nur einer Boxershort gekleidet. Alles, was er ihr in diesem Moment an nackter Haut präsentierte, hatte sie letzte Nacht liebkost.

„Sind die Erinnerungen noch zu präsent?“

Wie ein verschrecktes Reh sah sie zu ihm rüber und konnte nicht fassen, dass er ihr an der Nase ablesen konnte, was ihr durch den Kopf ging. „Ich habe keine Ahnung wovon du redest“, erwiderte sie gespielt gleichgültig.

Kaito, durch dieses Geplänkel angestachelt, grinste teuflisch. „Aber ich weiß das und werde es auch nicht so schnell vergessen.“ Seine Augen leuchteten ihr entgegen. „Hier! Fang!“

Im nächsten Moment flog ein Fußball herüber und Aoko fing diesen reflexartig auf. Wusste aber nicht was er mit dem Ball bezwecken wollte.

„Ich hoffe du kommst!“

Aoko sah ihn verwirrt an, stand mit dem Ball in der Hand auf ihrem Balkon und wusste nicht was sie sagen sollte. „Ich weiß nicht.“ Sie überlegte hin und her, aber für sie stand fest, sie wollte ihren Vater nicht noch weiter enttäuschen. „Das ist keine gute Idee.“

„Überleg es dir noch mal.“ Er richtete sich auf und deutete auf sein Zimmer. „Ich bekomme gleich noch Besuch und muss mich noch anziehen.“ Kurz hob er die Hand zum Gruß und schon verschwand er in seinem Zimmer.

Sie sah ihm nach. Dann kehrte auch sie in ihr Zimmer zurück, ließ aber die Türe offen. Die frische Morgenluft schadete ihrem Zimmer nicht. Schon setzte sie sich, mit dem Fußball in ihren Händen, aufs Bett. Sie betrachtete den schwarzweiß gefleckten Ball, verstand aber seine Worte immer noch nicht. Sie hatten sich nicht verabredet, zumindest erinnerte sie sich nicht daran. Sie drehte den Ball in ihren Händen als ihr schwarze Schriftzeichen auf den weißen Feldern auffielen. „15.00h, Geheimversteck“, murmelte sie. Ob das wirklich so eine gute Idee war? Ihr Vater wusste Bescheid und wenn Chikage es auch schon wusste? Zumindest wird ihr Vater Kaitos Mutter schon sehr bald ins Bild setzen. Andererseits müsste sie ihm den Ball zurückbringen und die Krawatte lag auch noch unter ihrem Bett. Sie ließ sich auf ihr Bett zurück fallen, drückte seinen Fußball an ihre Brust und wusste nicht was sie tun sollte.
 

Nur langsam schritt der Tag voran, aber dann verabschiedeten sich Ginzo und Eri für ein paar Stunden. Sie würden das Auto holen, das noch immer vor der Gaststätte parkte, und im Anschluss noch einige Besorgungen machen.

Ran und Shinichi waren auch noch in Rans Zimmer. Aoko konnte die beiden gedämpft sprechen hören bis sie wieder laut auflachten.

Es bot sich ihr die Chance sich ungesehen raus zu schleichen und sie entschied sich diese nicht verstreichen zu lassen. Sie schlüpfte in eine Hose und einen dünnen Pullover. Die Krawatte schob sie sich in ihre Hosentasche und klemmte sich den Ball in die Armbeuge. Leicht nervös folgte sie dem so vertrauten Weg ihrer Kindheit und trat auf die Hollywoodschaukel zu. Diese schaukelte sanft. Als sie in das Sichtfeld trat, entdeckte sie ihren ehemaligen besten Freund darin, der sie regelrecht anstrahlte.

Sie warf ihm den Ball zu, den er auffing. „Den hast du vergessen“, erklärte sie.

Kaito fing seinen Fußball zwar, ließ ihn aber sogleich achtlos auf den Boden fallen lassen.

Dann trat sie auf ihn zu und zog aus ihrer Tasche ein Stückchen Stoff hervor. „Und das hast du auch vergessen.“ Sie streckte ihm ihre Hand hin.

Kaito griff nicht nach der Krawatte, sondern ihr Handgelenk. Blitzartig zog er an ihr. Aoko, die dem starken Ruck in ihrem Arm reflexartig nachgab, stolperte und landete halb auf ihm. Mit beiden Händen umfasste er sie und zog sie ganz auf seinen Schoss. Im nächsten Moment begann er sie zu küssen und drückte sie näher an sich heran.

Aoko versuchte sich ihm zu entziehen: „Kaito... wir... müssen... reden“, brachte sie schwerfällig zwischen den Küssen hervor.

Kaito löste sich nur sehr langsam von ihr und nickte bedauernd. „Ja, das müssen wir wirklich.“

„Papa weiß es“, gestand Aoko. Um selbst einen klaren Gedanken fassen zu können, musste sie sich etwas ablenken. So legte sie die Krawatte um seinen Nacken und strich beide Enden an seiner Brust glatt. „Er hat seine Schlüsse gezogen, als er mit Chikage zusammen nach Hause fuhr. In der Hektik hab ich das Shirt falsch herum angezogen und du hast mir einen Knutschfleck hinterlassen.“

Kaito staunte, dann strich er ihre offenen Haare zurück und begutachtete ihren Hals. „Meine Mutter hat letzte Nacht in meinem Zimmer gewartet und als ich durch die Balkontür eingestiegen bin wollte sie natürlich wissen wo ich herkomme. In der Hektik hatte ich das Hemd falsch zugeknöpft, so dass sie ziemlich schnell die Schlüsse zog. Zumal sie auch Ginzo auf dem Balkon gesehen hat, der nach etwas bzw. jemanden suchte.“

„Wie hat sie es aufgefasst?“ Aoko hoffte sehr das Chikage entspannter blieb als ihr eigener Vater.

Er sah ihr in die Augen. „Sehr gut sogar. Sie plant nun unsere Hochzeit.“

Aoko prüfte ihn stumm und fragte sich, ob er sie eben nur auf den Arm nahm oder es ernst meinte.

Der Junge ging nicht weiter auf seinen eigenen Kommentar ein und umfasste ihr Gesicht. Aufmunternd sah er sie an. „Keine Sorge, wir kriegen das schon geregelt.“

„Da bist du optimistischer als ich. Papa will mit uns reden.“

„Hat Ginzo schon gesagt, wann unser großes Gespräch sein wird?“

Sie schüttelte ihren Kopf. „Eri und er sind den Nachmittag unterwegs. Ich denke mal in den nächsten Tagen werdet ihr zu uns eingeladen.“ Aoko zögerte, doch dann sah sie ihre heimliche Liebe an. „Eri denkt, dass wir zusammen sind und es noch nicht offiziell verkündet haben. Wenn Papa erfährt das dem nicht so ist, wird er uns den Kopf abreißen.“

Kaito sah sie nachdenklich an, wollte etwas sagen, aber da mischte sich plötzlich Chikage ein, die durch den Garten rief: „Kaito Kuroba, wo steckst du nur wieder?!“

Der Oberschüler sah immer noch Aoko an, wollte unbedingt die Worte aussprechen, doch wieder erklang Chikages Stimme laut und drohend: „Wenn du nicht sofort hierher kommst, hast du Hausarrest, mein Lieber!“

Kaito seufzte auf, drückte Aoko einen sanften Kuss auf die Lippen und schob sie von sich herunter. „Du hast meine Ma gehört. Sie zieht das wirklich durch. Kann ich später nochmal zu dir?“

„Besser nicht. Papa ist schwer enttäuscht und ich möchte ihn nicht weiter provozieren.“

„KAITO!“

Er nickte. „Ich muss jetzt los.“ Schon hauchte er ihr einen weiteren Kuss auf den Mund und verschwand. „Was ist denn, Mutter?!“

„Wo steckst du nur wieder? Nach letzter Nacht hättest du dir Zimmerarrest verdient, sei froh dass ich noch mal Gnade habe walten lassen.“ Sie stutzte: „Wo kommt denn deine Krawatte her?“

„Ehm, die hab ich vorhin gefunden.“

„Junger Mann, wir beide müssen uns ernsthaft unterhalten!“ Schon verschwanden die beiden Kurobas im Haus und alles verstummte.

Aoko zog den Kopf ein. Wie konnte sie nur so dumm sein und ihm die Krawatte so offensichtlich umhängen. Jetzt war es zu spät. Sie sah auf den Fußball, den er wieder vergessen hat. Also nahm sie ihn wieder mit und kehrte wenig später in ihr Zimmer zurück. Dort starrte sie den Fußball an, überlegte eine Weile und ließ sich seine Worte durch den Kopf gehen. Ihr Vater wusste nun um diese Affäre, beziehungsweise glaubte er dass es eine Beziehung war. Was sprach also gegen einen Besuch? Schon griff sie sich einen schwarzen Stift und schrieb: 23:00h, Balkontüre ist offen! Nur wie sollte sie ihm die Nachricht zukommen lassen?
 

Am späten Nachmittag verabschiedete sich Shinichi von Ran und Aoko. „Ich schau noch kurz zu Kaito, dann geh ich nach Hause.“

Das war ihre Chance. Aoko hielt ihn kurz zurück. „Kannst du ihm etwas mitbringen?“

Der Oberschüler nickte etwas irritiert.

Schnell eilte Aoko in ihr Zimmer und holte den Fußball. Die kurze Wartezeit nutzte Ran um sich von ihrem Freund zu verabschieden. Sie küssten sich liebevoll, lösten sich aber voneinander als sie Aoko auf der Treppe hörten.

Die Braunhaarige kam zurück und reichte Shinichi den Ball. „Der lag bei uns im Garten. Hab ihn vorhin gefunden.“

„Okay“, nickte Shinichi zu. Er ging mit dem Fußball zum Nachbarhaus.

Ran schloss hinter ihrem Freund die Türe und drehte sich breit grinsend um. Sie lehnte sich an die Haustüre an und verschränkte ihre Arme vor der Brust. „So, so, du und Kaito habt die Nacht zusammen verbracht?“ Schon löste sich eine Hand und boxte ihre Schwester an die Schulter. „Dass es gestern mächtig geknistert hat, war nicht zu übersehen.“

Aoko senkte verlegen den Blick. „War das so offensichtlich? Dabei haben wir uns doch kaum zusammen blicken lassen.“

„Oh, Schwesterchen, er hat dich mit seinen Augen ausgezogen und beim Fotoshooting konnte man es euch zu deutlich ansehen. Ihr seid bis über beide Ohren ineinander verliebt.“

„Quatsch“, stritt Aoko in alter Manier ab.

„Ich weiß, du willst das nicht hören“, stimmte Ran belustigt zu. „Aber dass du wirklich mit ihm nach Hause verschwunden bist, das ist ein starkes Stück“, fügte sie noch hinzu und schwankte irgendwo zwischen Bewunderung, Unglaube und Neid. „Chikage hat uns im Auto mitgenommen“, begann sie nun zu erklären. „Weil Eri und Ginzo etwas zu viel getrunken haben ließen wir das Auto stehen. Auf der Heimfahrt erklärte Chikage, dass Kaito mit dem Taxi schon heim ist. Ginzo war außer sich. Schnell hat er sich ausmalen können, dass ihr zusammen gefahren seid.“

Aoko versuchte sich an einem Themenwechsel. „Ihr habt Shinichi mitgenommen? Wie kam es, dass er hier übernachtete?“

„Chikage hat ihn mit zur Hochzeit genommen und hätte ihn auch heimgefahren, aber Mama hat sich dafür eingesetzt dass er auf der Couch nächtigen darf. Nachdem du Ginzo erklärt hast, dass Kaito wirklich hier war, erlaubte er ihm sogar in meinem Zimmer zu schlafen.“

„Und wie war es?“

„Lenk nicht ab, Schwesterherz!“, ermahnte Ran sofort streng. „Erst will ich alles von deiner Nacht wissen“, schob sie grinsend hinterher.

„Da gibt es nichts erwähnenswertes.“

„So nicht, Aoko“, lachte Ran und stellte die alles entscheidende Frage: „War es gut?“

Aoko grinste: „Mehr als das!“ Und als sie an die intime Begegnung zurückdachte, spürte sie jede einzelne Berührung so intensiv in ihren Gedanken, als würde sie es in diesem Moment nochmal erleben.

Ran beobachtete fasziniert Aokos Gesichtsregung. Das Leuchten in ihren Augen war ihr Bestätigung genug. „Du liebst ihn“, stellte sie fest und dieses Mal war eine Antwort überhaupt nicht mehr nötig. Es war so klar und einleuchtend.

„Und Shinichi und du?“

„Wir waren im Gegensatz zu euch brav und haben nur gekuschelt“, lachte Ran gut gelaunt.

Schon bald kamen die Eltern nach Hause und langsam entspannte sich das Familienklima wieder. Ginzo sah ein, dass seine Tochter erwachsen wurde und er sie nicht ewig von Jungs fernhalten konnte. Gemeinsam aßen sie zu Abend, ehe sie den Tag auf der Couch ausklingen ließen.

Der Abend wurde schon bald zur Nacht und diese schritt voran. Aokos Augen folgten den Zeigern ihres Weckers. Ob er ihre Nachricht gelesen hatte? Oder hatte er den Ball wieder achtlos in seinem Zimmer verstaut? Inzwischen war eine Stunde vergangen. Vielleicht wusste er ja wirklich nichts von ihrer Einladung, das würde zumindest seine Verspätung erklären. Die kalte Nachtluft strömte in ihr Zimmer und langsam begann sie zu frieren. Sie seufzte. Allem Anschein nach würde er nicht kommen. Es machte keinen Sinn länger zu warten und morgen war schließlich Schule. Sie stand auf, schlich zu ihrem Balkon um die Türe zu verschließen, als er plötzlich und unerwartet vor ihr auftauchte. Aoko erschrak und stieß einen quietschenden Laut aus. Sofort reagierte er und erstickte den Schrei in einem zärtlichen Kuss. Ohne Worte schob er sie in ihr Zimmer zurück zum Bett, küsste sie unentwegt und fiel mit ihr zusammen hinein. Auch in dieser Nacht raubte er ihr den Verstand, zeigte ihr eine neue Welt und erstickte jeden Laut der Lust und Begierde in sanften Küssen.

Kapitel XXXIX - Phase 5

Schwer verliebt trat Aoko vor die Türe und wartete auf Ran, die noch schnell ein paar Sachen zusammensuchte.

Kaito trat aus seinem Haus heraus, ging auf sie zu und lächelte liebevoll. „Guten Morgen, hast du gut geschlafen?“

„Gut ja, aber nicht sehr lange“, grinste sie schief. „Und du?“

„Wie hätte ich schlecht schlafen können nach dieser Nacht.“

Aoko senkte verlegen den Blick.

Kaitos Mimik wandelte sich in Ernsthaftigkeit. „Aoko, wir müssen uns dringend unterhalten. Es gibt einiges zu klären und das sollten wir so schnell wie möglich.“

Sie sah unsicher zu ihm auf. Sofort breitete sich wieder ein ungutes Gefühl in ihr aus. Ihre rosarote Brille würde ihr wohl schon sehr bald von den Augen gerissen. Immerhin war er Akakos Freund und er hatte seine Partnerin auf die verabscheuendste Weise betrogen. Nun plagte ihn sicherlich das schlechte Gewissen. Es war doch zu einfach, es hier und jetzt zu beenden. Sie wartete, dass er es aussprach und ihr damit den alles verletzenden Hieb verpasste.

Bevor er etwas sagen konnte, trat Ran aus dem Haus und beeilte sich zu ihnen zu kommen. „Guten Morgen, Kaito.“ Sie strahlte ihn überaus gut gelaunt an und grinste dabei so wissend, als hätte sie letzte Nacht persönlich an der Tür gelauscht.

Gemeinsam gingen sie zur Schule. Allerdings war die Stimmung zwischen Aoko und Kaito wieder sichtlich angespannter.

Auf dem Schulhof trafen sie auf Keiko, Hakuba und Shinchi, die sich angeregt unterhielten. „Guten Morgen“, begrüßten sich die Freunde.

Ran schlang ihre Arme um Shinichis Nacken, während er seine Arme um ihre Taille schloss. Und wieder hatten die beiden nur Augen für sich.

Kaito traf auf Shiro und begrüßte ihn.

Aoko, die wieder mal so tat, als würde sie sich nicht für Kaito interessieren, ging mit Hakuba und Keiko ins Schulhaus. „Was habt ihr am Wochenende gemacht?“

„Wir waren im Kino“, erzählte Keiko lächelnd. „Und im Zoo“, fügte Saguru hinzu. Beide grinsten sich an, als hätten sie viele lustige Momente erlebt, die nur sie beide miteinander teilten.

Überrascht starrte Aoko ihre Freunde an, musterte die beiden aufmerksam und lauschte in den nächsten Minuten den Erzählungen. Fasziniert beobachtete sie die vertrauten und intimen, so zufälligen aber dafür ständig wiederkehrenden Berührungen, während sie sprachen, sich gegenseitig immer wieder neue Situationen ins Gedächtnis riefen und sich über Wortwitze amüsierten, die nur die beiden verstanden. Aoko wusste nicht, dass die Zwei sich verabredet hatten und sie wusste auch nicht, wie gut sie sich überhaupt verstanden. Die eigenen Gefühle und Probleme hatten ihr die Sicht auf ihre Umgebung versperrt. Mit großen Augen betrachtete sie das Bild vor sich und es gefiel ihr sehr. Dass ihre Freunde scheinbar Gefallen aneinander fanden, freute Aoko riesig. Im Augenwinkel erfasste sie Shiro und Kaito, die sich auf dem Weg in ihre Richtung befanden. Sie versuchte sich auf Keiko und Hakuba zu konzentrieren, aber ihre Gefühle waren so stark, dass ihre Aufmerksamkeit sich automatisch auf den Jungen ihres Herzens richtete. Kaito sagte etwas zu seinem Kumpel, dann trat er auf Aoko zu. Ihre Sinne waren komplett auf ihn gepolt.

„Können wir uns in der Mittagspause treffen?“

Hakuba, der mit Keiko schlagartig verstummte, als Kaito auf sie zukam, schob sich sofort dazwischen. „Lass Aoko in Ruhe!“

„Halt dich raus!“

Shiro trat nun auch näher und würde seinem Kumpel jederzeit zur Seite stehen, sollte der Halbjapaner Ärger machen.

„Das werde ich nicht“, widersprach Hakuba unbeeindruckt.

Kaito sah verärgert zu Aoko: „Pfeif deinen Schoßhund zurück“, forderte er.

„Saguru ist kein Schoßhund!“, konterte sie nun ebenso barsch. Wie konnte er nur so abwertend über ihren Freund sprechen? Sie legte die Hand beruhigend auf Hakubas Schulter und schob sich nun ihrerseits zwischen die Jungs. „Er ist mein Freund und du wirst ihn akzeptieren.“

Shiro begann plötzlich lauthals zu prusten. „Sonst was, Ahoko? Der Witz war gut. Warum muss Kaito das akzeptieren?“

Aoko ignorierte ihren Erzfeind und konzentrierte sich nur auf den Jungen, der ihr in den letzten zwei Nächten die größten Glücksgefühle bescherte. „Eine interessante Frage, die Shiro hier stellt“, forderte sie ihren ehemaligen besten Freund heraus.

Er schwieg. Doch dann verlangte er: „Wir müssen reden!“ Schon warf er einen Blick zu Shiro, dann zu Hakuba. „Allein!“

Ihr Warnsignal läutete immer stärker und dann wurde es ihr klar: Er konnte sich nicht offiziell zu ihr bekennen, weder vor ihren Freunden noch vor seinen Freunden. Das konnte doch nur bedeuten, dass es keine gemeinsame Zukunft gab. Sie hatte gehofft, er würde mit ihr über seine neu entdeckten Gefühle für sie reden, aber nun war sie sich sicher, dass es das Gegenteil sein musste. Sie hatte gestern gespürt, dass er ihr etwas zu sagen versuchte, als Chikage in den Moment platzte und ihn zu sich zitierte. Heute morgen wollte er es auch ansprechen, sonst hätte er sie nicht so eindringlich angesprochen. Aber wollte sie wirklich hören was er ihr zu sagen hatte? Würde sie die Stärke aufbringen vor ihm nicht komplett in Tränen auszubrechen? Sie musste es wohl, schließlich konnte es nicht ewig so weitergehen. „In der Mittagspause, auf dem Schuldach“, stimmte sie zu. Bis dahin hätte sie genug Zeit sich auf den schlimmsten Moment ihres Lebens einzustellen.

Kaito nickte erleichtert und verschwand mit Shiro in seinen Unterricht.

„Aoko“, warf ihr Hakuba schon vor. „Du provozierst einen erneuten Angriff auf dich, wenn du dich mit ihm verabredest.“

Sie sah in die besorgten braunen Augen. „Heute wird es vorbei sein. Egal ob ich mit ihm gesprochen habe oder nicht!“

Keiko sah verwirrt auf. „Wie meinst du das?“

„Erinnerst du dich nicht mehr? Es begann mit den Notizen und danach folgten die Phasen“, erklärte Aoko kryptisch.

Keiko überlegte einen Moment. Plötzlich riss sie die Augen auf. „Die Phasen... daran hab ich überhaupt nicht mehr gedacht.“

„Welche Phasen?“, hakte Saguru vollkommen verwirrt nach.

Die drei steckten ihre Köpfe zusammen, während Keiko erklärte: „Phase 1 – ärgern, Phase 2 – drohen, Phase 3 – isolieren und Phase 4 – schikanieren.“

Hakuba lauschte besorgt. „Das hatten wir ja schon alles. „Deine Bücher und Hausaufgaben waren weg. Sie haben dir gedroht. Die Mitschüler schneiden dich seit den Fotos und schikaniert wurdest du nach Sport, indem sie dich vor den Schülern bloßstellten.“

Aoko senkte traurig den Kopf.

Keiko legte mitfühlend ihre Hand auf Aokos Arm.

Hakuba schien zu verstehen. „Und heute wird es beendet? Was folgt in dieser letzten Phase mit der Nummer 5?“ Er wirkte nun äußerst angespannt.

„Der Angriff“, sprach Keiko.

„Du darfst unter keinen Umständen Kaito treffen“, warnte der Halbjapaner sofort alarmiert.

Aoko sah auf. „Es ist zu spät, verstehst du das nicht? Es wird nicht aufhören, nicht jetzt. Erst wenn dieser letzte Angriff getan wurde, dann wird es ein Ende haben.“

„Wieso beendest du den Kontakt zu Kaito nicht sofort? Lautstark in der Pause, dass jeder Schüler es mitbekommt. Dann hört es doch sofort auf.“

Aoko schüttelte den Kopf. Das konnte sie nicht. Das brachte sie nicht fertig. Zu tief waren die Gefühle für ihren Nachbarn. „Es hat eh keinen Sinn“, sprach sie traurig. Sie wusste es würde heute sein Ende nehmen. Was auch immer ihr heute widerfahren würde, es war nicht zu stoppen und Kaito würde mit ihr in der Mittagspause einen Schlussstrich ziehen. Damit wäre alles beendet. Akako und Kaito konnten glücklich zusammen sein und Aoko würde noch sehr lange Zeit ihr zerbrochenes Herz flicken müssen.

Kaito spielt nur mit dir!

Es war eine Warnung, die sie nicht ernst nehmen wollte. Und nun, da so viel geschehen war, fragte sie sich: Warum nur hatte sie sich überhaupt auf ihn eingelassen? Sie wusste doch von Anfang an, dass es zum Scheitern verurteilt war. Und sie verstand auch nicht, warum Kaito ihrer Einladung doch noch gefolgt war. Konnte man Gefühle so sehr spielen? Konnte man einem Menschen so nahe kommen, obwohl man ihn für seine Zwecke ausnutzte und eigentlich nur benutzte? Sie wollte und konnte nicht glauben, dass Kaito sie zu seinem Spielzeug gemacht hat. Sie war der festen Überzeugung, das er auch irgendwas für sie fühlte, und wenn es nur ein Hauch freundschaftlicher Gefühle war.

Ich bin verrückt nach dir! - Ich will dich mehr als alles andere! - Spürst du das? Das ist deinetwegen! - Ich bin süchtig nach dir! - Du bist wunderschön! - Ich will dich! - Netter Anblick, aber letzte Nacht hast du mir besser gefallen und ich werde das nicht so schnell vergessen! - Wir kriegen das schon geregelt! - Wie hätte ich schlecht schlafen können nach dieser Nacht.

All die Worte schossen Aoko durch den Kopf und verwirrten sie zusätzlich. Konnte man all das einfach aussprechen ohne es zu fühlen? Konnte man einem Menschen so dreist ins Gesicht lügen?

Absolutes Unbehagen breitete sich in ihr aus, je näher die Mittagspause heran rückte.

In Sport wurde sie heute geprüft, wie ihre Sportlehrerin ihr das letzte Woche angekündigte. Zu ihrer Verwunderung passierte ihr nichts und sie durchlief ihre Sportstunde absolut ungestört.

Nach Sport war sie schnell umgezogen und straffte die Schule.

Und dann war es soweit. Sie verließ die Umkleide. Schritt für Schritt näherte sie sich der Schulaula, als sich ihr Hakuba und Keiko in den Weg stellten.

„Lass es sein“, bat der Halbjapaner.

„Aoko, bitte“, flehte Keiko.

„Es wird nichts schlimmes passieren. Ich werde nur mit Kaito reden“, beschwichtigte Aoko ihre Freunde, aber hauptsächlich sich selbst.

„Und wenn sie dir eine Falle stellen?“, sprach Hakuba seine Sorge aus.

Aoko schüttelte den Kopf. „Das wird nicht passieren.“

„Wir kommen mit“, bestand Keiko darauf, erntete aber wieder ein Kopfschütteln.

„Ich muss alleine mit ihm reden.“ Mit diesen Worten ging Aoko zwischen ihren Freunden durch und trat die Treppenstufen hinauf.

Im Obergeschoss angekommen wurde sie nervöser. Unsagbare Angst breitete sich in ihr aus, je näher sie dem Treppenaufgang zum Schuldach kam. Sie trat eben auf den Treppenabsatz, als sich Akako in ihren Weg stellte.

„Wo willst du denn hin?“

Aoko sah Akako angespannt entgegen. Sie blickte sich unauffällig um, aber weder in diesem Geschoss noch auf der Treppe standen Schüler, die ihr im Fall der Fälle helfen konnten. Sie begegnete wieder dem Blick ihrer Kontrahentin.

Akako fühlte sich ihr überlegen und ließ es sie durchaus spüren. „Falls du zu MEINEM Freund möchtest, muss ich dich leider enttäuschen. Du wirst ihm nicht mehr zu nahe kommen!“

Aoko schwieg, ließ sich nicht einschüchtern. Auch wenn Akako sich mit jedem Schritt näherte und Aoko selbst gefährlich nahe am Treppenabsatz stand.

„Ich weiß dass du mit ihm im Bett warst und du kannst dir sicher sein, dass ich das nicht einfach so auf mir sitzen lasse.“ Akako beugte sich etwas zu ihr vor. „Und wenn du jetzt hoffst, dass ich ihn in den Wind schieße und für seinen Fehltritt die Konsequenzen ziehe, muss ich dich leider enttäuschen. Du wirst ihn ganz sicher nicht bekommen.“

Aokos Herz krampfte sich zusammen. Auch wenn sie es nicht an sich heranlassen wollte, so trafen die Worte ihr Ziel.

„Kaito hat die gesamte Zeit nur mit dir gespielt und du bist so dumm gewesen es nicht zu bemerken. Wusstest du eigentlich, dass du das Objekt einer Wette bist?“

Aoko spürte einen Knoten in ihrem Hals. Ahnte was nun folgen würde, wollte es aber nicht hören.

Akako begann zu lachen. „Wir alle haben dich gewarnt, mehrmals, immer wieder, aber du wolltest nicht hören. Du hast es nicht sein lassen. Und jetzt hast du ihm noch in die Hände gespielt.“ Akako verschränkte ihre Arme vor der Brust: „Dumm und stur und was hast du jetzt davon? Wieder mal bewährt sich das Sprichwort, wer nicht hören will muss fühlen.“

Aoko sah stur auf, verdrängte die Gedanken an all die gesprochenen Worte und Sätze, die ihr Hirn verarbeiten musste um die richtigen Schlüsse zu ziehen und eine logische Erklärung in allem zu finden. Tränen stiegen in ihr auf, doch Aoko kämpfte sie tapfer nieder. Sie würde sich nicht die Blöße vor Akako geben.

„Wenn du mich jetzt entschuldigst, mein Freund erwartet mich.“ Und während dieser Worte gab Akako Aoko einen Schubs.

Die braunhaarige Oberschülerin war nicht darauf vorbereitet, verlor ihr Gleichgewicht und fiel rückwärts. Das Geländer bekam sie nicht zu fassen und sie sah sich schon die Treppe hinab segeln, als ein starker Brustkorb ihren Fall abrupt abbremste und zwei muskulöse Arme sie auffingen.

„Hoppla“, sprach Shiro so nah an ihrem Ohr, das Aoko ein eiskalter Schauer über ihren Ruck fuhr. Er half ihr das Gleichgewicht auf der Treppe zu finden und sah sie ausdruckslos an. „Du solltest besser aufpassen. So etwas könnte böse enden“, sprach er spottend mit belehrendem Unterton.

Aoko spürte wie ihr Herz vor Panik raste. Sie starrte in Shiros dunkle Augen. Nur langsam verarbeitete sie die Geschehnisse. „Akako“, murmelte sie, drehte sich um, aber die Verursacherin dieses Anschlags war schon lange verschwunden.

„Akako?“, wiederholte Shiro und belächelte das Mädchen vor sich. „Es sollte wohl eher heißen: Danke, Shiro!“

Aoko sah ihn wiederum an und spürte wie ihre Knie ganz zittrig wurden. Es verschlug ihr die Sprache, während ihr ganzer Körper in eine Art Schockzustand verfiel.

Shiro trat näher an sie, keilte sie zwischen dem Geländer und seinem Körper ein. Aufmerksam beobachtete er sie. „Aoko, Aoko, was soll nur aus dir werden.“

Sie hörte ihm nicht zu, war zu beschäftigt ihr Zittern unter Kontrolle zu bringen.

„Du hast dich mit den falschen Leuten angelegt. Aber hast du auf meine Warnungen gehört?“ Er schüttelte den Kopf. „Natürlich nicht. Dir ist bewusst, dass wir es heute endgültig beenden, oder?“

Nur langsam drangen die Worte in ihren Kopf. Sie sah auf.

„Wir treffen uns nach Schulschluss auf dem Schuldach. Ich bin sicher wir finden einen Kompromiss um dem ganzen ein Ende zu setzen.“

Aoko schluckte, klammerte sich am Treppengeländer fest und starrte Shiro tonlos an.

Dieser grinste, wertete ihr Schweigen als Zustimmung und ging.

Kaum war sie alleine, ließ sich Aoko auf die Treppenstufen sinken und atmete tief durch. Nur langsam gewann sie die Kontrolle über ihren Körper zurück.

Gefasster trat sie den Rückweg an und traf ihre Freunde, behauptete alles mit Kaito geklärt zu haben und durchlief den Nachmittagsunterricht mit einem absolut beklemmenden Gefühl. Was auch immer sie vor hatten, Aoko wusste das dieser Schubser nur die Vorstufe war.
 

Nach der Schule verabschiedete sie sich von Keiko und Hakuba mit den Worten, noch etwas erledigen zu müssen. Sie würde alleine heimgehen. Es klappte sogar und sie traf auch auf kein weiteres bekanntes Gesicht. Mit stark klopfendem Herzen trat sie wieder die Treppe hinauf zu der Stelle, wo sie auf Akako in der Mittagspause traf. Dieses Mal war sie aber komplett alleine. Aoko atmete tief durch und folgte der Treppe weiter hinauf bis zu einer Türe. Sie unterdrückte ein Zittern und öffnete die Türe. Schon stand sie auf dem Schuldach, das mit einem hohen Metallgitter umzäunt war. Niemand hielt sich hier oben auf. Sie war ganz alleine.

Vom Schulhof erklangen viele Stimmen und sie trat zum Zaun und blickte in den Hof. Die Oberschüler, verschiedener Altersklassen, liefen fröhlich schwatzend über den Schulhof zum Tor.

Alles wirkte so friedlich und entspannt. Jeder der Schüler lebte mit sich selbst im Einklang, schien keine Sorgen zu haben und machten nicht den Eindruck große Ängste zu durchleben.

Sie alle waren unbeschwert und fröhlich, während Aokos Herz schwer wie ein Stein wog. Es würde gleich beendet werden. Die Frage blieb in welcher Verfassung sie danach war. Natürlich hätte sie ihre Freunde informieren müssen. Sie wären ihr sicherlich helfend zur Seite gestanden. Aber vielleicht wurde es ja auch nicht schlimm und Shiro wollte wirklich nur einen Schlussstrich ziehen. Ob Shiho und Akako ebenfalls dabei sein würden, wusste Aoko nicht.

Ihre Augen beobachteten die gesamte Zeit den Schulhof, der sich langsam leerte und Aoko konnte ihre Freunde beobachten. Sie standen auf dem Schulhof und würden sich gleich verabschieden um nach Hause zu gehen. Ihre Augen glitten über jeden Einzelnen. Ran und Shinichi, die sich gefunden hatten und wie bestimmt füreinander waren. Keiko und Hakuba, die ebenso ihre Gefühle füreinander entdeckten und ein wirklich schönes Bild gaben. Sonoko, die durch das Tor stürmte und ihrem Makoto um den Hals fiel. Sie alle hatten sich zusammen gefunden. Nur Aoko selbst war allein. Sie freute sich für jeden einzelnen ihrer Freunde, aber es führte ihr auch schmerzlich vor Augen, dass sie und Kaito nicht für ein gemeinsames Leben bestimmt waren. Gedankenverloren stand sie auf dem Schuldach und blickte durch den Metallzaun hinab in den Hof. Von hier oben konnte sie das Schulgelände erkennen. Den Pausenhof unter sich und den Sportplatz zu ihrer rechten Seite.

Ein einzelner Fußballer schoss immer wieder Bälle in das Tor. Ihre Augen hingen wie gebannt an ihm. Die Bewegungen würde sie nur einem einzigen Jungen zuschreiben. Sie beobachtete ihn aufmerksam, wie er Anlauf nahm, den Ball schoss und ins Tor traf. Eine Schülerin ging langsam über den Fußballplatz und trat auf den Fußballer zu.

„Ich hätte nicht erwartet, dass du kommst.“

Aoko zuckte erschrocken zusammen. Ein eiskalter Schauer lief ihr über den Rücken. Nun stand sie hier, war seiner Einladung gefolgt und wappnete sich für den finalen Schlag. Sie wusste nicht warum er sie so sehr hasste. Sie hatte ihm nie etwas getan. Das einzige was sie miteinander verband war Kaito, der mit ihnen beiden befreundet war. Und selbst das ist er ja nun seit einer ganzen Weile nicht mehr. Er war jetzt nur noch Shiros Kumpel. Seit Beginn der Oberstufe hatte Aoko den Kontakt zu ihrem besten Freund abgebrochen. „Komm zum Punkt, Shiro!“

Der muskulöse Junge stellt sich neben sie an den Zaun, blickte wie sie zum Sportplatz. Wieder nahm der Fußballer Anlauf und schoss aufs Tor, während das Mädchen scheinbar auf ihn einredete. „Du weißt ganz genau wer das ist.“ Shiro ließ seine Worte einen Moment sacken, dann sprach er weiter: „Niemand wird sich jemals zwischen Kaito und Akako stellen. Auch du nicht! Und selbst wenn du dich noch so billig anbietest, du wirst ihr niemals das Wasser reichen können.“

Aoko wurde traurig. Ihre Augen gewöhnten sich an die Entfernung und Shiro bestätigte nun ihren Verdacht. Allerdings runzelte sie die Stirn. Die beiden schienen zu streiten, gestikulierten wild mit den Händen. Besonders Kaito, der den Ball in den Händen hielt schien sehr aufgebracht zu sein. Doch dann verharrten sie. Bewegten sich nicht mehr, bis das Mädchen dem Jungen um den Hals sprang, während der Ball aus seinen Händen fiel und auf dem Boden aufschlug. Schon umschloss er sie ebenso. Aokos Augen zogen sich traurig zusammen.

„Die beiden gehen zum Winterball. Kaito hat sehr gebangt, weil Akako ihn so lange zappeln ließ. Dich hat er auch gefragt, richtig?“

Aoko schluckte. Beobachtete wie das Pärchen gemeinsam zum Clubraum der Fußballer ging.

„Glaub mir, diese Einladung war nie ernst gemeint und gehörte nur zu unserer Wette, wie alles andere auch.“ Shiro sah seinem Kumpel und dessen Freundin ebenso nach. „Ich hatte dich ja gewarnt, aber du wolltest nicht hören.“

Aoko kämpfte gegen die Tränen. Vor Shiro wollte sie nicht heulen, doch die vergangenen Wochen zerrten an ihrem Nervenkostüm.

„Um ehrlich zu sein, Aoko, ich hatte viel mehr von dir erwartet. Du hast in den letzten Jahren Courage bewiesen und bist Kaito strikt aus dem Weg gegangen. Wieso bist du kurz vor der Party eingeknickt?“

Aoko schluckte, starrte in die Ferne. Kaito und Akako waren nicht mehr zu sehen.

„Dein Fehler war der Kuss beim Flaschendrehen“, sprach er erklärend. „Du hättest es nicht tun sollen. Du hast eine Lawine losgetreten, deren Ausmaß du dir nicht einmal vorstellen kannst.“ Er lachte kurz auf. „Aber wegen dieser Sache entstand erst die Idee. Ein simples Spiel und du warst die Spielfigur. Die gesamte Zeit hast du genau das getan, was wir von dir wollten ohne es zu merken. Du bist so leicht zu manipulieren.“

Aokos Herz zog sich schmerzhaft zusammen.

„Wir haben dir Anweisungen gegeben – simple Nachrichten – und du hast dich so bemüht diesen zu folgen, dass es fast langweilig gewesen wäre. Also musste eine zweite Spielfigur ins Spiel gebracht werden.“

Aoko riss ihre Augen auf.

„Wie du dir denken kannst, hätte es keine bessere Person für diese Rolle geben können, als den Jungen von dem du dich fern halten solltest.“ Shiro sah sie fast schon enttäuscht an: „Ich hatte mehr von dir erwartet, dich für standhafter gehalten. Stattdessen hast du es Kaito ganz schön leicht gemacht.“

„Wieso?!“

Shiro näherte sich wie eine Raubkatze. Seine Stimme tief und leise, wirkte dadurch noch bedrohlicher. „Er hat mir alles erzählt. Du bist ziemlich schnell auf ihn angesprungen. Erst in der Mittelschule und jetzt auch wieder. Du bist sogar so dumm und gehst noch mit ihm ins Bett.“ Er lachte gehässig, doch dann raunte er: „Das Spiel war einfach gestrickt. Kaito zog zwar erst nicht mit, doch dann wetteten wir. Eine ganz simple Wette. Ich behauptete, dass er bei dir keine Chance mehr hatte. Du würdest ihn nicht mehr an dich heranlassen. Ziel dieser Wette war es dich ins Bett zu bekommen und natürlich eine Zusage für den Winterball von dir zu erhalten. Kaitos Ehrgeiz sprang an und so spielte er doch mit und fand sogar Gefallen daran.“ Shiro grinste sie hämisch an: „Fies, ich weiß, aber wirksam!“ Er trat näher. „Ehrlich gesagt hatte ich mehr von dir erwartet, Aoko. Aber du bist so naiv.“ Seine Stimme so nah an ihrem Ohr, sein Atem streifte ihre Wange.

„Das glaube ich nicht“, hauchte Aoko tief verletzt.

Sein Körper schob sich näher an ihren Rücken heran. „Es ist aber so, Ahoko“, bestätigte er. „Kaito war von Anfang in unseren Plan eingeweiht. Seine Aufgabe war es dich nicht mehr in Ruhe zu lassen, während du die Anweisungen durch unsere netten Briefchen bekommen hast dich von ihm fernzuhalten. Du hast den Test nicht bestanden!“ Er war ihr so nahe und drückte seine von Bartstoppeln überzogene Wange an ihre und kratzte sie. „Wir haben jetzt zwei Möglichkeiten“, bot er an. „Die eine ist: Du gehst und zwar für immer! Mir egal wohin, aber verlass diese Schule, verlass die Stadt. Dafür lassen wir deine Familie und deine Freunde in Ruhe.“

Aoko riss ihre Augen auf.

„Oder ich sorge dafür dass deiner Familie und deinen Freunden nichts geschieht, wenn...“, er schob seine Hände um ihre Hüfte.

Sofort versteifte sie sich.

Eine seiner großen Hände legte sich auf ihren Hintern, packte fest zu, so dass es richtig weh tat. „Du verstehst mich schon, oder? Du löst in mir diesen besonderen Reiz aus.“ Die andere Hand wanderte nach vorne zu ihrem Bauch und glitt hinab zu ihrer Scham.

Aoko packte ihn an dieser Hand, wollte ihn aufhalten und seine unsittliche Berührung stoppen.

Unbeeindruckt grinste er amüsiert. Er presste ihren Körper an den Metallzaun und schob sich nahe an sie heran. „Du wirst dich doch nicht wehren wollen? Was würden nur Keiko und Hakuba dazu sagen? Oder Ran und deine Eltern? Hat dir das mit deinem Vater nicht schon gereicht? Muss erst etwas schlimmeres passieren?“

Die Erinnerungen an damals schossen ihr schlagartig durch den Kopf. Absolut paralysiert und eingeschüchtert lockerten sich ihre Finger und sofort grapschte er ihr in den Schritt. Sein Unterleib rieb sich an ihrem Hintern. Aoko versucht sich zu lösen, seinem Körper zu entkommen, aber er war um einiges stärker als sie, kesselte sie ein und ließ ihr keine Möglichkeit zur Flucht. „Warum tust du das? Ich habe dir nie etwas getan.“

Im nächsten Moment löste sich die Hand von ihrem Hintern und packte sie am Schopf. Er riss an ihren Haaren den Kopf zurück und drückte seine Wange fest an ihre.

Unter Schmerzen biss sie die Zähne zusammen und erschauderte bei dieser Berührung. „Das stimmt! Getan hast du mir wirklich nichts“, knurrte er: „Im Gegenteil, du hast mich ignoriert. Jeden einzelnen Tag hast du mich gemieden.“

Sie stutzte.

„Stattdessen hast du dich immer auf Kaito konzentriert.“

„Weil wir keine Freunde sind“, erwiderte Aoko. „Du hast mir vom ersten Tag an gezeigt, wie sehr du Mädchen hasst. Du hast mir nie gezeigt, was du für mich fühlst, sondern mich immer nur geärgert!“

Der Zug um ihre Haare wurde fester. Ihr stockte vor Schmerz der Atem.

Shiro begann gehässig zu lachen. „Warum wohl, Aoko?!“ Er zog sie noch fester zurück.

Aoko schrie vor Schmerz auf, versuchte mit Hilfe ihrer Hände sich zu befreien, aber sein Griff war eisern. Zudem folgte nun die zweite Hand und packte sie fest am Kinn.

„Ich habe mich dir gegenüber genauso verhalten wie Kaito. Er hat dich ebenso geärgert aber mit ihm warst du dennoch befreundet, mit ihm hast du etwas unternommen und ihm hast du alles durchgehen lassen.“

„Kaito und ich sind zusammen aufgewachsen. Wir waren zusammen im Kindergarten. Ich vertraue ihm.“

„Immer noch?“

Sie horchte in sich hinein. Sie hatte ihm immer blind vertraut, nur deswegen konnte sie sich damals auf seine Übungseinheiten einlassen, nur deswegen hatte sie sich wieder auf ihn einlassen können und sie konnte immer noch nicht glauben, dass er ihr so übel mitgespielt haben soll. „Ja!“

„Warum, Aoko?! Nach allem was er dir angetan hat, verzeihst du ihm sein Verhalten?!“

„Ich liebe ihn!“

Unerwarteterweise ließ er ihre Haare locker, doch im nächsten Moment schlug Shiro ihren Kopf kraftvoll nach vorne.

Sie prallte mit voller Wucht gegen den Metallzaun. In ihrem Kopf explodierte etwas. Für einen kurzen Moment verschwamm die Sicht, dann drehte sich alles. Ihr wurde schlagartig übel und die Schmerzen lähmten sie. Um Halt zu finden klammerte sie sich an den Gitterstäben fest. Etwas warmes floss ihr übers Gesicht. Es brauchte einige Sekunden, bis sie verstand was eben geschehen ist.

„Dann werde ich ihn dir wohl oder übel aus dem Kopf schlagen.“ Sie spürte wie er sich wieder an sie presste. „Ich werde dafür sorgen dass du ihn ein für alle Mal vergisst.“

Wie gelähmt klammerte sie am Zaun, versuchte die Kontrolle über ihren Körper und ihren Kopf zurückzugewinnen. Im nächsten Moment spürte sie wie seine Hände unter ihren Rock verschwanden und nach ihrem Höschen suchten. „Shiro, bitte, hör auf!“ Sie fühlte wie seine Finger in ihren Slip schlüpften und über ihren Intimbereich strichen. Sie schaffte es nicht seine Hand zu stoppen, musste sich festhalten, denn alles um sie herum drehte sich. Ihr wurde übel, sehr übel.

Gehässig raunte er ihr ins Ohr: „Ich liebe es, wenn du mich anflehst!“

Ein Finger tauchte in sie ein. Aoko traten Tränen in die Augen. Verdammt! Warum nur drehte sich alles, als säße sie in einem Karussell? Sie versuchte ihre Gedanken abzuschotten, sich nicht vorzustellen was sie in diesem Moment zu deutlich spürte. Sie besann sich auf Worte. Sie musste ihn in ein Gespräch verwickeln, Zeit schinden. „Kaito ist dein Freund.“ Sie tat sich schwer die Worte zu bilden. Fühlte seine Berührungen zu deutlich, während Abscheu und Ekel in ihr aufkamen. Sie wollte das nicht. Sie wollte nicht von ihm angefasst werden. Schon gar nicht an dieser Stelle. „Wieso tust du das?“

„Er war immer gemein zu dir und hat dich doch nie zu schätzen gewusst. Du warst immer für ihn da ohne dass er etwas dafür tun musste.“ Ein zweiter Finger kam hinzu.

„Shiro, hör auf! Bitte! Er ist dein bester Freund.“ Es drehte sich immer noch alles um sie herum. Sie spürte wie weich ihre Beine wurden. Die Kraft verließ sie zunehmend. Benommen und mit letzter Kraft brachte sie ihre Konzentration auf. „Lass mich gehen! Ich werde die Schule verlassen, ich werde den Kontakt zu Kaito abbrechen! Ich werde weggehen! Aber bitte... Shiro... lass mich gehen....“

Er flüsterte: „So leicht kommst du mir nicht davon. Kaito hat es bekommen, das gleiche nehme ich mir jetzt auch.“ Dann entzog er ihr seine Finger, riss den Slip runter, während seine andere Hand sich an seiner eigenen Hose zu schaffen machte.

Sie sammelte ihre letzte Kraft, konzentrierte sich auf die Worte. Sie musste stark an sich halten, die aufkommende Übelkeit zu unterdrücken. Das überwältigende Schwindelgefühl ignorierend versuchte sie sich mit letzter Kraft auf den Beinen zu halten. „Meine Unschuld werde ich dir nie geben können“, keuchte sie mit letzter Kraft. „Egal was du machst ... Kaito ist dir immer einen Schritt voraus....“ Nicht besonders kraftvoll, aber dennoch war es ausgesprochen. Sie spürte wie enorm wütend ihn ihre Worte machten. Sie wurde sich auch allzu bewusst, was es für Folgen haben würde. Ihr wurde ganz schummerig und das war vielleicht noch das beste an dieser Situation. Egal was er mit ihr tat, sie würde es nicht bewusst mitbekommen.

Plötzlich wurde Shiro von ihr weggerissen. Im gleichen Moment wurde Aoko schwarz vor Augen und sackte zusammen.

Kapitel XL - Der Albraum ist zu Ende


 

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Der Direktor klopfte an und trat kurz darauf zu der Lehrerin. Flüsternd standen beide vor der Tafel und alle Schüler wunderten sich über die Störung. Plötzlich traf der Blick des Direktor Aokos und ihr wurde mit einem Mal ganz komisch.

„Fräulein Nakamori, bitte kommen Sie mit mir vor die Türe.“

Überrascht blickten alle Mitschüler auf und die neugierigen Augen durchbohrten sie beinahe. Unsicher sah sie kurz zu ihrem besten Freund, der neben ihr saß und sie besorgt musterte. Aoko stand auf, folgte dem Direktor aus dem Klassenzimmer und wartete angespannt darauf was er zu sagen hatte.

„Ihr Vater hatte einen Autounfall. Er war auf dem Weg zur Arbeit. Er ist zum Glück nur leicht verletzt befindet sich aber zur Beobachtung im Krankenhaus.“

Ihr Vater war immer ein sicherer Autofahrer, bisher immer unfallfrei gefahren. Er absolvierte regelmäßige Fahrtrainings, musste die Polizeiautos sicher und souverän steuern können, besonders im Falle eines Einsatzes und bei hohen Geschwindigkeiten. Sie konnte sich nicht erklären, wie er so plötzlich in einen Unfall verwickelt wurde. „Was ist passiert?“

„Die Polizei ermittelt noch, aber sie haben festgestellt, dass die Bremsleitung gekappt war. Wer diese durchschnitten hat und warum derjenige das getan hat ist allerdings noch unklar.“ Er fügte hinzu: „Ihr Vater hat natürlich als Polizist viele Feinde.“

Oder es waren sie... Um ihr endgültig zu zeigen wie ernst sie alle Warnungen bisher meinten? Würden sie überhaupt so weit gehen?Würde es wirklich aufhören, wenn sie den Kontakt zu Kaito abbrach?

„Wir möchten sicher gehen, dass Ihnen nichts passiert und auch Ihr Vater bittet darum Sie in der Schule zu lassen. Er hat den Vormittag über noch einige Untersuchungen und könne sie noch nicht empfangen. Eine Polizeistreife wird sie nach der Schule abholen und ins Krankenhaus bringen. Natürlich wissen alle Lehrkräfte um Ihre Situation.“

Aoko ging gedankenversunken in die Klasse zurück. Musste erst einmal die Nachricht verarbeiten und sie hatte eine folgenschwere Entscheidung zu treffen, die ihr ganzes Leben verändern würde.

Als sie ihren Vater am Nachmittag im Krankenhaus besuchte, ihn in diesem Krankenhausbett vorfand, voll Sorge in seine Arme fiel, wusste sie das niemand mehr wegen ihr leiden sollte.

Ab diesem Tag ignorierte Aoko ihren besten Freund um ihren Vater zu schützen. Sie wartete morgens so lange im Flur bis Kaito weg war, oder sie ging ganz früh morgens los. Aoko behandelte ihren besten Freund fortan wie Luft und ließ ihn nicht mehr an sich ran. Es hörte wirklich auf. Und irgendwann akzeptierte er ihr Verhalten und hielt von sich aus Abstand.
 

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Ran und Shinichi, Keiko und Saguru, sowie Sonoko und Makoto fanden sich im Schulhof zusammen. Sie alle warteten noch auf Aoko, die eigentlich alleine heimgehen wollte. Dennoch entschieden die Freunde sich auf sie zu warten. Besorgt über ihren Verbleib, wurde die Gruppe langsam unruhig. Jetzt war schon fast eine halbe Stunde um und Aoko immer noch nicht aufgeschlagen.

Kaito kam in Gedanken versunken vom Sportplatz angeschlendert und entdeckte überrascht die unruhige Gruppe. „Was macht ihr denn noch hier?“

„Wir warten auf Aoko. Sie wollte eigentlich alleine heimgehen, aber sie kommt überhaupt nicht“, erklärte Ran.

„Ist sie schon gegangen?“

„Bisher nicht! Wir stehen seit Unterrichtsschluss hier draußen und warten.“

„Wo wollte sie denn hin?“

„Das wissen wir auch nicht. Wir warten aber jetzt schon seit einer halben Stunde“, antwortete Ran wieder.

„Du hast sie heute Mittag zuletzt gesehen, hat sie etwas gesagt?“, bohrte Keiko fordernd nach.

Kaito sah sie verwirrt an. „Wir wollten uns treffen, aber sie kam nicht.“

„Unsinn! Uns hat sie erzählt, dass ihr alles geklärt hab“, behauptete Keiko stur und verschränkte ihre Arme vor der Brust.

„Warum erzählt sie so etwas?“, murmelte Kaito plötzlich skeptisch.

In diesem Moment rannte Hitomi schluchzend aus dem Schulhaus. Tränen überströmt. Sie rannte, ohne die Freunde zu registrieren, davon und verließ wenig später den Schulhof.

Verwirrt blickten ihr alle nach. „Muss wohl Ärger mit Shiro gegeben haben“, vermutete Kaito nachdenklich.

Ran wurde blass und klammerte sich an Shinichis Brust. „Wenn Shiro wieder eine Gemeinheit gegenüber Aoko ausheckt?“

Kaito zog überrascht die Augenbrauen hoch. „Warum sollte er das tun?“

„Bekommst du gar nichts mit?“ Keiko baute sich wütend vor ihm auf. „Seit deiner ersten Oberstufenparty häuften sich die Gemeinheiten gegenüber Aoko. Erst als sie den Kontakt zu dir abbrach, hörte es auf und nun fängst du wieder an den Kontakt zu suchen, obwohl sie dir mehrmals gesagt hat, du sollst sie in Ruhe lassen!“

„Phase 5“, murmelte Hakuba plötzlich zu sich. „Der Angriff“, geschockt sah er Keiko an.

Die verstand, im Gegensatz zu allen anderen, sofort. „Wir müssen sie sofort suchen. Wer weiß was ihr gerade zustößt.“ Die Panik in ihr stieg an. „Wo kann sie nur sein? Ganz bestimmt wird Shiro Phase 5 beenden und Akako und Shiho sind sicherlich auch dabei!“

„Was redet ihr denn da für einen Schwachsinn?“, mischte sich Kaito verärgert ein. „Akako ist vorhin mit Shiho in die Stadt gegangen und was soll Shiro bei Aoko? Die konnten sich noch nie leiden.“

„Wie auch immer sie muss bei ihm sein!“, stellte Hakuba ernsthaft besorgt fest. „Wir müssen sie finden!“ Der großgewachsene Blonde schickte Kaito finstere Blicke. „Wer weiß schon zu was er im Stande ist.“

„Was soll denn der Quatsch?“, erwiderte Kaito misstrauisch.

„Quatsch nennst du das? Kannst du uns denn verraten warum er Aoko bedroht?“, stellte Hakuba finster die Gegenfrage.

Kaito erwiderte die düsteren Blicke, schien aber nun selbst in Gedanken zu hängen.

„Teilen wir uns auf! Wir suchen in der Turnhalle“, bestimmte der Halbjapaner und umfasste Keikos Hand.

„Wir schauen im Klassenzimmer nach!“ Makoto, der ebenso ratlos schaute und genauso wenig verstand wie Sonoko, spürte sehr wohl den Ernst der Lage.

„Wir übernehmen das Außengelände, Ran“, wies Shinichi an.

Schon strömten sie in verschiedene Richtungen.

Ran blieb nochmals stehen. Sie beobachtete Kaito, der seinen Blick zum Schuldach hob und plötzlich los lief. Sie folgte verwirrt seinem Blick und entdeckte Aoko mit Shiro am Metallzaun stehen. „Shinichi“, rief sie und zeigte mit dem Finger zu Aoko.

Ihr Freund eilte zu ihr, dann rannten sie Kaito hinterher. Sie rannten Stufe für Stufe hinauf, aber Kaito wie auch Shinichi, die wesentlich trainierter waren und somit mehr Ausdauer hatten, hängten Ran komplett ab. Sie traf dafür auf Sonoko und Makoto. „Aoko ist auf dem Dach!“

Makoto sprintete ebenso los, während Sonoko und Ran nachkamen. Er stieß die Türe zum Dach auf und erfasste die Situation. Nur zwei Augenblicke später folgten Ran und Sonoko und schoben sich durch die zufallende Türe.

Die Situation überraschte Ran. Sie fand Kaito und Shiro in einer Schlägerei vor. Shinichi, wie auch Makoto versuchten die beiden Streithähne auseinander zu bringen. Aber wo war Aoko? Sie sah sich um und entdeckte ihre Schwester auf dem Boden liegend. Eine große Platzwunde klaffte an der Stirn und überall war Blut. „Aoko“, stieß sie entsetzt aus und stürzte zu dem bewusstlosen Mädchen. Sie tätschelte ihr die Wange um sie aufzuwecken und sprach sie immer wieder an.

Sonoko, die sah was vor sich ging, verschwand wieder im Schulhaus um nach Hilfe zu suchen.

Ran sah kurz schockiert zu den Jungs. Kaito und Shiro sahen beide schon ziemlich zugerichtet aus, als Shinichi und Makoto es endlich schafften die beiden zu trennen.

Shinichi hatte allerhand mit Kaito zu kämpfen, der sich versuchte loszureißen um sich erneut auf Shiro zu stürzen.

Wütend schrie Kaito: „Was hast du mit ihr gemacht?!“

„Ihr das gegeben was sie verdient“, grinste Shiro bösartig. Auch er wurde von Makoto festgehalten, allerdings verhielt sich Shiro wesentlich ruhiger als sein Kumpel, der nun durch diese Provokation erneut angestachelt wurde und Shinichi an die Grenzen seiner Kräfte brachte.

„Wir sind Freunde seit der ersten Klasse!“ Kaito war außer sich. „Warum?!“

Shiro sah ihn eiskalt an und spuckte ihm beinahe hasserfüllt entgegen: „Weil du so ein Mädchen wie Aoko nicht verdienst!“

Kaito riss sich aufbrausend von Shinichi los und stürzte wieder auf Shiro, der sich verteidigen würde und sich ebenso aus dem festen Griff Makotos wand. Erneut schlugen die Jungs aufeinander ein.

Sonoko, Hakuba und Keiko stürmten das Dach. Die Schulschwester sowie der Direktor der Schule folgten auch sogleich.

Sofort stürzte Hakuba zu den Jungs und half Shinichi den rasenden Kaito von Shiro zu lösen. Gemeinsam schafften es die Jungs, die besten Freunde erneut zu trennen und dieses Mal getrennt zu halten.

Shiro sah schlimm zugerichtet aus, aber auch Kaito trug einige Blessuren davon. Makoto zog Shiro weiter zurück um Abstand zu gewinnen.

Hakuba und Shinichi hatten alle Mühe den sich immer noch wehrenden Jungen festzuhalten.

Schon schritt der Direktor entschlossen dazwischen, während sich die Schulschwester um Aoko kümmerte. „Kuroba! Hinamata! Sofort in mein Büro! Sie sind mir eine Erklärung schuldig! Die restlichen Jungs kommen auch mit!“ Niemand würde widersprechen und kommentarlos zog der Trupp die Köpfe ein. Jeder wusste das diese Schlägerei Konsequenzen nach sich zog. Die männlichen Oberschüler setzten sich in Bewegung, wobei alle darauf achteten, dass weder Shiro noch Kaito sich zu nahe kamen.

Ran, die wieder vollkommen auf Aoko konzentriert war, sah nochmal kurz auf und begegnete Kaitos überaus besorgtem Blick auf Aoko gerichtet. Und erst als die Türe ins Schloss fiel schaffte sie es das eben Geschehene zu realisieren. Der Direktor trat noch kurz zu ihnen, erkundigte sich nach Aokos Zustand und verließ ebenso das Schuldach.

Die Schulschwester legte Aoko einen Verband um den Kopf.

Keiner traute sich ein Wort zu sagen, sie standen vollkommen unter Schock.

„Der Krankenwagen ist bald hier“, sprach die Schwester beruhigend.

Aoko kam langsam zu sich. Sie schlug, wie im Delirium ihre Augen auf, versuchte sich zu orientieren doch im nächsten Moment übergab sie sich. Als das Mädchen sich versuchte aufzurichten, half die Krankenschwester ihr ganz langsam in eine sitzende Position und deutete Keiko sich hinter ihre Freundin zu setzen und sie zu stützen.

Ran zog ein Taschentuch hervor und tupfte ihrer Schwester fürsorglich den Mund ab.

„Aoko? Kannst du mich hören? Verstehst du was ich sage?“

Aoko nickte, stöhnte auf und hielt sich den schmerzenden Kopf. Dann sprach sie: „Ja.“

„Kannst du uns sagen was passiert ist?“ Die Schwester beobachtete jede Regung äußerst besorgt.

„Ich hab mir den Kopf gestoßen.“

„Wie fühlst du dich?“

„Mein Kopf explodiert gleich. Alles dreht sich, mir ist schlecht. Ich bin müde.“

„Du musst wach bleiben, Aoko, hörst du? Der Krankenwagen ist gleich da! Dann wirst du im Krankenhaus untersucht. Deine Eltern müssten auch bald hier sein. Der Direktor ruft sie in diesem Moment an. Weißt du noch was vorgefallen ist? Sag mir bitte alles was du noch weißt“, bat die Krankenschwester und behielt Aoko fest im Auge.

„Shiro und ich haben geredet und dann haben wir gestritten. Er hat mich bedrängt und … ich weiß es nicht mehr.“

„Das war schon sehr gut, Aoko. Das reicht fürs Erste“, beruhigte die Schwester die Schülerin. Von weitem hörten sie die Sirenen des Krankenwagens und wenige Minuten später führte Saguru die Rettungskräfte auf das Schuldach.

Bei Aoko wurden die Vitalwerte überprüft, ehe der Rettungsdienst fragte, ob sie aufstehen könne. Aoko nickte, verzog erneut schmerzhaft das Gesicht und sagte: „Ja.“

Die Rettungskräfte halfen ihr auf die Beine und führten sie langsam stützend die Treppenstufen hinunter und verließen schon bald das Schulgebäude.

Die Frauen folgten ihnen bis zum Krankenwagen. Und als Aoko in diesen verfrachtet wurde, hielt ein Auto direkt hinter dem Rettungsfahrzeug im Halteverbot.

„Aoko“, rief Eri besorgt und eilte schon zu den offenen Türen und beobachtete jeden Handgriff der Sanitäter.

Auch Ginzo sprang aus dem Auto und stürzte zum Wagen. „Aoko! Was ist passiert?!“

„Beruhigen Sie sich bitte“, sprach der Sanitäter, der sich um Aokos Sicherheit und Wohlbefinden kümmerte, während der andere mit der Schulschwester die medizinische Übergabe durchsprach. „Verdacht auf Gehirnerschütterung. Wir nehmen Ihre Tochter mit ins Krankenhaus – reine Vorsorge. Einer von Ihnen kann mit uns mit fahren“, erklärte der Sanitäter die nächsten Schritte und nahm mit seiner Ruhe allen Anwesenden etwas Anspannung.

„Ich werde mitkommen“, sprach Ginzo, drückte Eri einen Kuss auf und wartete darauf, dass der Sanitäter ihm seinen Platz im Krankenwagen zuteilte. „Ich ruf dich später an“, verabschiedete er sich und setzte sich auf den Notsitz.

Eri stand immer noch vor der offenen Türe, bis der andere Sanitäter dazu kam: „Wir fahren jetzt!“ Schon schlossen sie die Türe und fuhren wenig später davon. Alle starrten dem Krankenwagen nach.

Die Schulschwester trat auf Eri zu. „Frau Mori... verzeihen Sie bitte, Frau Nakamori. Herzlichen Glückwunsch zur Eheschließung“, begrüßte sie freundlich und reichte Eri die Hand.

Eri drehte sich der jungen Frau, Anfang dreißig, zu und begrüßte sie ebenfalls. „Können Sie mir sagen, was passiert ist?“

Die Schwester nickte. „Bitte begleiten Sie mich in mein Büro. Dort können wir uns in Ruhe unterhalten.“

Eri registrierte erst jetzt die Mädchen um sich herum. „Oh entschuldigt bitte.“ Sie schloss Ran fest in ihre Arme und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. Auch Sonoko und Keiko drückte sie kurz die Hand, dann aber sprach sie. „Ich weiß nicht wie lange es dauert.“

„Mach dir keine Gedanken, Mama. Ich warte hier“, stimmte Ran zu und nachdem Eri mit der Schulschwester im Schulhaus verschwand, suchten sich die Freundinnen einen Platz im Schulhof, setzten sich auf den Boden und begannen die Erlebnisse in Gesprächen zu realisieren. Schnell gerieten sie jedoch in Spekulationen und beschlossen das Thema zu wechseln und sich abzulenken.

Eine Frau, klein, schlank und zierlich mit dunklem Haar und dunklen Augen, betrat den Schulhof. Tiefe Sorgenfalten durchzogen ihr Gesicht. Sie schenkte den Mädchen keine Beachtung und ging geradewegs ins Schulhaus.

Überrascht beobachteten Sonoko und Ran die Fremde.

„Das ist Frau Hinamata“, murmelte Keiko. „Wenn sie einberufen wird und auch wirklich erscheint, gibt es riesigen Ärger. Shiros Dad ist ein großes Tier in der Politik und ist fast nie zuhause. Seine Mutter kümmert sich um alle Belange zuhause und kümmert sich um Shiros jüngere Geschwister. Sie sieht man äußerst selten auf Schulveranstaltungen.“

Ran beobachtete wie die Frau im Schulhaus verschwand, als wieder ein Wagen vor der Schule parkte und wenig später Chikage den Schulhof betrat. Im Gegensatz zu Shiros Mutter, bemerkte sie die Schülerinnen. „Keiko, Ran.“ Kaitos Mutter nickte auch Sonoko freundlich lächelnd zu. „Was macht ihr denn noch hier?“

„Meine Mutter ist noch bei der Schulschwester.“

Chikage sah sie überrascht an. „Ist etwas geschehen?“

„Aoko ist mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht worden.“

„Und Kaito?“

„Sitzt beim Direktor“, erklärte Ran. „Er sah ziemlich schlimm aus“, versuchte sie ihre Nachbarin auf das Bild welches er bot vorzubereiten.

Chikage runzelte besorgt die Stirn. Strich sanft lächelnd Ran über die Wange und eilte dann ins Schulhaus.
 

Schon bald kamen Shinichi, Makoto und Hakuba aus dem Schulhaus heraus, sahen ziemlich erschöpft aus und traten schweigend zu den Mädchen.

Makoto schloss seine Sonoko in die Arme, drückte ihr einen Kuss auf die Stirn und verabschiedete sich. „Wir machen uns auf die Socken. Bis morgen!“

Hakuba sah zwischen Keiko und Ran besorgt hin und her. „Wie geht es Aoko?“

„Sie wird ins Krankenhaus gebracht und untersucht“, erklärt Keiko betrübt.

Ran drückte ihre Schulter. „Ich schreib dir, sobald ich mehr weiß.“

„Danke!“ Wie automatisch fanden sich die Hände des Mädchens mit denen von Hakuba zusammen und nach einem kurzen Gruß verließen sie ebenso das Schulgelände.

Ran blickte zu Shinichi auf. „Wie geht’s dir?“

„Mir geht’s besser als unserem kleinen Rambo“, stellte er fest, wobei er sich seinen Unterarmmuskel knetete.

„Was blüht Kaito jetzt? Und Shiro?“

Shinichi zuckte nur mit den Schultern. „Der Direx hat sich von uns allen angehört, was wir gesehen haben um sich ein Bild von der Situation zu machen. Über die Strafe hat er kein Wort verlauten lassen. Aber jetzt sind ihre Mütter da und es gibt noch ein sehr ernstes Gespräch.“

Ran kuschelte sich an ihren Freund, umschlang ihn mit ihren Armen und drückte ihren Kopf an seine Brust. Shinichi umschloss sie ebenso fest und drückte ihr einen Kuss auf den Schopf.

Wie lange sie aneinander gekuschelt auf dem Schulhof standen, wussten sie nicht, aber Eri erschien neben ihnen und begrüßte Shinichi freundlich, ehe sie zu Ran sagte: „Dein Vater hat angerufen. Aoko ist auf Station und bleibt bis morgen unter Beobachtung. Wir können jetzt zu ihr.“ Sie drehte sich Shinichi zu. „Hat mich gefreut, Shinichi. Bis bald.“

Der Oberschüler nickte, küsste Ran noch zum Abschied und sah ihnen nach wie sie zu ihrem Auto gingen und wenig später davon fuhren.
 

Im Krankenhaus angekommen führte Eri Ran durch die Stationen zu Aokos Zimmer. Sie musste nicht an der Information fragen, denn Ginzo konnte alle relevanten Daten schon am Telefon durchgeben. Sie klopften an und betraten das Zimmer.

Der Arzt stand gerade bei Aoko, informierte Ginzo über die Testergebnisse und hielt inne als sie eintraten.

Ginzo stellte seine Frau sofort vor und auch seine Stieftochter.

Ran ging um das Bett herum, lehnte sich an das Fenster und lauschte den vielen medizinischen Fachwörtern ohne sie zu verstehen. Ein Blick zu ihrer Schwester und sie wusste, dass dieser es genauso erging.

Eri reichte dem Arzt den Bericht der Krankenschwester. Schnell überflog der Mann im weißen Kittel die Zeilen. Entsetzt sah er auf und dann besorgt zu seiner Patientin.

Ginzo, dem dieses Verhalten nicht entging, nahm das Schreiben dem Arzt ab und las selbst den Bericht. Er trat zu seiner Tochter und setzte sich zu ihr aufs Bett. Mitfühlend und äußerst besorgt sah er sie an. „Erinnerst du dich noch an das was geschehen ist?“

Aoko wusste nicht worauf ihr Vater hinaus wollte und erklärte: „Ich bin aufs Schuldach um Shiro zu treffen. Wir haben uns unterhalten, dann aber gestritten. Als ich aufgewacht bin musste ich mich übergeben. Ran war da“, ihre Augen suchten hilflos ihre Schwester.

Der Arzt trat nun auch näher. „Eine Amnesie ist keine Seltenheit bei einer Gehirnerschütterung. Um sich selbst zu schützen, schaltet das Gehirn ab und löscht meistens die Erinnerungen kurz vor der Erschütterung und danach.“ Er sah Aoko aufmerksam an. „Worum ging es in eurem Streit?“

Aoko schluckte, dann schüttelte sie den Kopf. „Ich weiß nicht mehr.“

Der Arzt sah sie abwartend wie auch skeptisch an. „Ist dieser Shiro dein Freund?“

Aoko fasste sich an den schmerzenden Kopf. „Nur ein Mitschüler.“

„Hast du einen Freund?“

Aoko schwieg.

Eri nickte für Aoko. „Wir haben es am Wochenende erfahren.“

Der Arzt sah zu der Anwältin und wieder zurück zur Patientin. „Bist du schon sexuell aktiv?“

Aoko schwieg.

Eri antwortete wieder. „Auch das ist sie. Ja!“

Wieder sah der Arzt zur Anwältin, dann zur Patientin. „Und dieser Shiro, hat er dich angefasst? Bedrängt? Oder irgendwas anderes unschönes gemacht?“

Aoko schwieg.

Der Arzt kratzte sich über die Stirn. „Um dem Verdacht nachzugehen...“, dabei deutete er auf das Schreiben. „... muss sich Ihre Tochter untersuchen lassen. In Ihrem Einverständnis...“, erklärte er Ginzo und Eri und sah schließlich Aoko an. „... und mit Aokos Zustimmung.“

„Definitiv“, beharrte Ginzo streng. Er sah seine Tochter eindringlich an. „Aoko, aktuell müssen wir davon ausgehen, dass Shiro dich vergewaltigt hat. Du musst untersucht werden damit wir Klarheit haben.“

„Er hat mich angefasst“, stimmte Aoko leise zu, „aber was danach geschah, weiß ich nicht mehr.“

„Kaito könnte etwas wissen. Er war der erste auf dem Schuldach. Als ich ankam prügelte er sich mit Shiro“, mischte sich Ran ein.

Aoko stutzte und sah Ran überrascht an. Dann zu ihrem Vater der sie besorgt ansah. Allein um ihm keine Sorgen zu bereiten, stimmte sie schließlich der Untersuchung zu.

„Sollte der Fall eingetreten sein, können wir dies anhand der Untersuchung feststellen. Ich veranlasse die Untersuchung“, schon verließ der Doktor das Zimmer um alles weiter zu geben.

Kapitel XLI - Gedankenchaos

Er lag auf seinem Bett und starrte die weiße Zimmerdecke an. Die Gedanken rasten und doch fühlte sich gleichzeitig sein Kopf ganz leer an. Die letzten Wochen waren ziemlich turbulent und für seine Gefühlswelt aufreibend. Verwirrt versuchte er in sich selbst Klarheit zu finden und eine innerliche Ordnung zu schaffen. Aber das war gar nicht so einfach. Vielleicht sollte er wirklich von vorne beginnen um eine Logik in all den Situation zu finden. Aber wann genau sollte er ansetzen? Sollte er ab der Oberschule die Situationen beleuchten oder früher?

Aoko war seine Freundin seitdem er denken kann. Sie wurde, neben seinen Eltern, zum wichtigsten Menschen in seinem Leben. Sie war immer da: zum Spielen, zum Kabbeln, zum Reden. Sie durchlebten gemeinsam die Baby- und Kleinkinderzeit, besuchten den gleichen Kindergarten, hielten immer zusammen wie Pech und Schwefel und waren unzertrennlich. Sie verbrachten die Urlaube zusammen, die Ferien und Feiertage, die Familienfeste und Nachmittage. Sie zelteten in warmen Sommernächten im Garten, tobten und chillten, teilten Geheimnisse und halfen einander. Sie verbrachten bis zur Mittelschule jede freie Minute gemeinsam und waren nur im Doppelpack vorzufinden. Als sie ein bisschen größer waren, nahm sein Vater beide zu seinen Zaubershows mit. Sie hatten so viel Freude daran, dass es zur Tradition wurde.

Sie kamen in die erste Klasse und am ersten Schultag betraten sie das Zimmer und suchten sich gemeinsam einen Sitzplatz. Doch die Klassenlehrerin machte dem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung und setzte die Kinder um. So wurde er damals einem kleinen, aufmüpfigen, dicken Junge zugeteilt, der ihm fröhlich entgegen grinste. Shiro und er verstanden sich auf Anhieb. Nur mit Aoko schien Shiro sich nicht so recht zu vertragen.

Er hatte immer wieder versucht den Abgrund, welcher seine besten Freunde voneinander trennte, mit einer Brücke zu schließen. Aber je älter sie wurden, desto distanzierter verhielten sie sich.

Sie durchliefen die Grundschulzeit, in der er den Spagat lernte weder Aoko zu vernachlässigen, noch seinem besten Freund das Gefühl zu geben Aoko zu bevorzugen. Zudem kam sein Fußballtraining, welches er mit Shiro auch noch regelmäßig besuchte.

Sie wechselten in die Mittelschule. Sie wurden älter und veränderten sich zu Jugendlichen. Das Fußballtraining wurde mehr, strenger, härter und schnell zeigte sich dem Coach der Schulmannschaft wie talentiert die Jungs waren. Dementsprechend legten die Freunde zusätzliche Sondertrainingseinheiten an den Wochenenden ein. Die Schule forderte mehr an Lernstoff, guten Noten und Ehrgeiz. Da blieb kaum noch Zeit für etwas anderes und diese wenige Freizeit nutzte er dann um sich mit Aoko zu treffen. Sie verabredeten sich zum Lernen und konnten sich dadurch noch regelmäßig sehen. Auch wenn man nebeneinander wohnte, so konnte man sich doch schnell aus den Augen verlieren. Und je älter sie wurden, desto stärker wurden auch die Gefühle. Er sehnte sich nach den gemeinsamen Lernstunden, freute sich wenn er in der Schule neben ihr sitzen konnte oder wenn sie sich dazu entschieden einen Ausflug zu machen. Und bevor er verstand, warum er sich in ihrer Nähe glücklich, wohl und zuhause fühlte, war es auch schon zu spät um es rückgängig zu machen. Er wusste damals schon, dass Liebe auch immer Probleme mit sich bringen konnte und ein Leben ohne Aoko war nicht mehr vorstellbar. Sie war schon immer da und wenn er sich ausmalte sie nicht mehr an seiner Seite zu wissen... Unmöglich! Für ihn stand fest, dass er seine Gefühle für sie unterdrücken musste. Er durfte sich nicht anmerken lassen, dass er mehr als Freundschaft für sie fühlte, denn Aoko sah in ihm immer nur einen Freund. Dachte er zumindest bis zu diesem alles verändernden Nachmittag.

Ein paar Tage zuvor, belauschte er unabsichtlich ein Gespräch. Aoko telefonierte mit ihrer Freundin Keiko. Die Balkontüre seiner Nachbarin stand offen, da es ein sehr heißer Nachmittag war. Auch seine Fenster waren geöffnet. So wurde er ungewollt zum Zuhören verdonnert und worüber sie sprachen ließ ihn aufmerksam werden. Er verstand nur den Teil von Aoko, doch es ging eindeutig um Jungs. Die Vorstellung allein, Aoko könne einen Freund haben, ließ ihn innerlich zusammenfahren. Aber ihr seine Gefühle gestehen, konnte er auch nicht.

Die Tage vergingen und dann fasste er seinen ganzen Mut zusammen und fragte sie während ihrer Lernstunde ob sie nicht etwas anderes lernen wollten. Er hätte ihr besser gleich die Wahrheit sagen sollen, aber das traute er sich dann doch nicht. Überrascht, dass Aoko dem ganzen Theater unsicher aber nicht abgeneigt zustimmte, nahm er sich zusammen, ließ sich seine Nervosität nicht anmerken und küsste sie. Kaum berührte er ihre weichen Lippen, brach ein ganzes Feuerwerk in seinem Bauch aus. Und schnell wollte er mehr davon. Zu seinem Erstaunen ließ sich Aoko auf ihn ein. Sie trafen sich regelmäßig zum Lernen, beschäftigten sich aber immer öfter miteinander. Eine ganze Weile zogen sie das heimlich durch. Niemand bemerkte etwas, und als sie den Wechsel in die Oberstufe bestanden, schwor er sich sie zu seiner festen Freundin zu machen. Offiziell wollte er sich als ihren Freund bekennen. Einen anderen an ihrer Seite konnte und wollte er sich nicht vorstellen und akzeptieren.

Er schmiss seine erste Oberstufenparty. So ganz allein, kam er nicht auf die Idee, sondern Shiro fand das ganz cool und war die treibende Kraft, besorgte auch den Alkohol. Immerhin war das Haus der Kurobas recht groß und die Jungs würden sich einen Namen machen. Es schadete nicht in der Oberstufe einen guten Eindruck zu hinterlassen.

Auch wenn das schlechtes Gewissen gegenüber seiner Mutter drückte, denn er versprach ihr keinen Alkohol auszuschenken. Er selbst trank an diesem Abend nichts, behielt Aoko im Auge und wartete auf den Moment ihr alles zu sagen. Dann verabredete er sich mit ihr in seinem Zimmer und als sie kam schwand in ihm die Vernunft. Sie sah so heiß aus. Sein Körper wollte schon lange viel mehr als nur Berührungen und Küsse auszutauschen. Er rechnete stark damit, dass sie ihn abwies, diesen letzten Schritt nicht mit ihm gehen würde. Seine Ausrede war auch mehr als erbärmlich. Statt ihr zu sagen wie sehr er sie liebte, redete er sich heraus und verkaufte ihr diese gemeinsame Nacht als eine Übungseinheit. Und dennoch ließ sie sich auf ihn ein. Er war der glücklichste Junge auf dieser Welt.

Sie ging zuerst, er folgte ihr kurz darauf. Als er den Flur betrat, sah er Shiro und Aoko zusammenstehen. Sie stritten sich, mal wieder, dann verschwand sie. Shiro lenkte ihn vom Streit ab und gemeinsam betraten sie das Wohnzimmer.

Auch wenn er sich ganz fest schwor Aoko seine Gefühle zu gestehen, so beschlagnahmte ihn Akako den gesamten restlichen Abend und selbst am nächsten Tag brachte er es nicht fertig. Immer wieder gab es Möglichkeiten, in denen er es hätte aussprechen können, aber es kam ihm nicht über die Lippen oder etwas hinderte ihn daran. Und eines Tages war es zu spät. Aoko mied ihn, sah ihn nicht mehr an und behandelte ihn fortan wie Luft. Er kannte sie zu gut und wusste, dass es dafür einen Grund gab. Aber er wusste auch, dass sie sich ihm irgendwann anvertrauen würde und er beschloss ihr die Zeit zu geben.

Nur sie kam nicht, redete nicht mehr mit ihm. Nie wieder. Sie wich ihm aus, wenn er ihren Weg kreuzte. Sie schloss ihre Fenster, wenn er auf seinen Balkon trat. Sie wartete bis er weg war, oder sie ging früher los. Sie tat alles um ihm nicht mehr zu begegnen. Und irgendetwas sagte ihm, dass es dafür einen wichtigen und ernsten Grund gab.

Etwa zeitgleich fand er ein Familiengeheimnis heraus, mit dem er nie in solchem Ausmaß rechnete. Vielleicht war es Schicksal, das Aoko sich von ihm gerade zu diesem Zeitpunkt abwandte. Denn was er entdeckte würde von nun an seine gesamte freie Zeit in Anspruch nehmen. Sein Vater, der berühmte Magier Toichi Kuroba war nicht bei einer Show verunglückt, sondern ermordet worden. Und die Verantwortlich waren dunkle Schatten. Monster, die aus dem Untergrund kamen, jegliches Leben auslöschten, ohne eine Spur zu hinterlassen und ungesehen wieder verschwanden. Sein Vater wurde durch besondere Umstände zu dem wohl berühmtesten Dieb aller Zeiten und starb einen grauenvollen Tod. Um diese Mörder zu finden, schlüpfte er in die Rolle des Mondscheinmagiers, dem berühmt-berüchtigten Meisterdieb 1412, auch bekannt als Kaito KID. Schnell fand er diese gefährliche Gruppierung und erfuhr warum sein Vater sein Leben lassen musste. Er entschied dessen sinnlosen Tod zu rächen, indem er diese Verbrecher hinter Schloss und Riegel bringen würde. Die Planungen seiner Raubzüge erforderten viel Zeit, die zwischen sein Training und der Schule eh schon knapp bemessen war. Aber er schaffte es und auch wenn es anfangs immer wieder ungeplante Zwischenfälle oder Pannen gab, so wurde er von Diebstahl zu Diebstahl besser. Das Diebesgut kehrte immer wieder einige Tage später zu seinen Besitzern zurück. Auch wenn er damit der Polizei sinnlos Arbeit verschaffte und diese mit ihren ständigen Fehlschlägen in Verruf brachte, so konnte er mit dem Diebesgut nichts anfangen. Sein Ziel war es diese Organisation aus dem Schatten zu locken. Dies war jedoch schwieriger als gedacht und knapp zwei Jahre später war er immer noch keinen Schritt weiter. Und auch wenn er die Freundschaft zu Aoko vermisste, so war er froh sie aus seiner ganzen zwiespältigen Geschichte heraushalten zu können und sie nicht dieser Gefahr auszusetzen, in die er sich selbst nun stetig brachte.

Das Aoko plötzlich mit ihm redete, ihn zu Hause aufsuchte und sie langsam wieder Kontakt zueinander herstellten, erfreute ihn sehr. Auch wenn die Bedenken zu groß wurden, dass sie schon bald ins Fadenkreuz der Organisation geraten könnte, so konnte er seine Gefühle, die bis dahin auf Sparflamme gelaufen sind, nicht länger unterdrücken.

Er musste Ran danken, denn wäre sie nicht aufgetaucht, so hätte Aoko ihr Schweigen nicht gebrochen. Und Dank Shinichi, der ein Auge auf die neue Schwester von Aoko geworfen hatte und ihn regelrecht dazu drängte, die beiden zur Party einzuladen, wäre er Aoko auch nicht mehr so nahe gekommen.

Das sich die Party letztendlich so entwickelt, hätte er sich nicht einmal zu träumen gewagt. Dass sie beim Flaschendrehen so eisern über ihr gemeinsames erstes Mal schwieg respektierte er, aber dass sie auf seine Provokation hin ihn küsste, das hätte er nicht mal im Ansatz geahnt. Als er ihre Lippen, nach denen er sich so lange gesehnt hatte, endlich wieder küssen durfte, und wie sie ihn geküsst hatte ließ ihm heute noch das Herz flattern, war das der Startschuss die Sparflamme auf ein loderndes Feuer zu entzünden. Er wusste in diesem Moment: Für ihn gab es kein Zurück mehr. Nun würde er Nägel mit Köpfen machen, austesten wie weit er gehen konnte, wie viel sie geben würde und nebenbei herausfinden wie sie für ihn fühlte. Er würde in die Vollen gehen, die Zeit nicht mehr sinnlos verstreichen lassen und sie endlich für sich erobern. Zwei lange Jahre in denen sie keinen Kontakt mehr hatten, in denen er nichts getan hat um es zu ändern, nun würde er sie ganz gewiss nicht mehr aus seinen Fingern gleiten lassen. Das sie auf ihn und seine Annäherungen einstieg, ihn nicht abwies und mehr und mehr zuließ, ermutigte ihn stetig und er wagte sich immer weiter vor. Er konnte seine Gefühle für sie nicht länger im Zaum halten und wenn ihn die Sehnsucht nach ihren sündigen Lippen übermannte, dann fiel er über sie her und war nur noch schwer zu bremsen. Zu groß war auch die Gefahr sie an einen anderen Kerl zu verlieren. Dies hatte ihm bereits deutlich dieser Hakuba gezeigt, so wie sich der Halbjapaner aufspielte und meinte Aokos Beschützer mimen zu müssen.

Es klopfte an seiner Zimmertüre. Im nächsten Moment betrat Shinichi sein Zimmer. „Yo, Kaito, ich bring dir die Hausaufgaben.“

War schon Schule aus? Was hatte er heute nur den ganzen Tag gemacht? Innerlich stöhnte er auf. Nichts... dazu war er schließlich verdonnert worden. Seitens des Direktors, der ihn für eine Woche von der Schule suspendierte und wegen seiner Mutter, die ihm zusätzlich noch Zimmerarrest aufbrummte. Aber eigentlich war es egal wie lange er eingesperrt sein würde, denn seine Gedanken rotierten sowieso ständig im Kreis und kehrten immer wieder zu einer einzigen Person zurück - seiner Aoko.

Sofort zeigte sich vor seinem inneren Auge das bewusstlose Mädchen mit dem Blutüberströmten Gesicht.

Das Shiro zu so etwas fähig war, wollte er nicht glauben, aber es gab keine andere Erklärung dafür. Und als dieser vor seiner Mutter und dem Direktor die Schuld eingestand wurde er mit sofortiger Wirkung der Schule verwiesen. Knapp ein halbes Jahr vor seinem Schulabschluss.

„Wie geht’s dir?“

Er brummte nur. Wie sollte es ihm schon gehen? Von Schuldgefühlen geplagt, weil er Aoko nicht beschützte und ihr nicht zur Seite stand. Wer wusste schon was sie alles durchmachen musste bis er kam.

Ein anderes Bild schob sich in seine Gedanken und ließ ihn innerlich kochen vor Abscheu. Shiro, dessen Hand unter ihrem Rock verweilte und sich selbst die Hose öffnete. Hätte er sie nicht vom Schulhof aus gesehen... wäre er nicht rechtzeitig gekommen... es wäre ganz anders ausgegangen.

Auch wenn ihm bewusst war, dass er sich Aoko gegenüber in den letzten Wochen nicht viel anders verhalten hatte, so hätte sie das alles beenden können. Sie hätte ein klares, deutliches Nein äußern können und Kaito hätte es respektiert. Aber sie drückte sich nie klar und deutlich aus. Ihr Kopf sprach sich gegen ihn aus. Ihr Körper, ihre Gefühle und ihre Reaktion auf ihn teilten ihm aber zu deutlich mit, wie sehr sie es auch wollte.

„Aoko kommt heute nach Hause“, sprach Shinichi in die eingetretene Stille und setzte sich auf den Stuhl am Schreibtisch. „Vielleicht willst du nachher ja mal rüber und mit ihr reden?“

„Ich habe Zimmerarrest“, brummte Kaito.

„Als würde dich das davon abhalten zu ihr zu gehen“, grinste der Oberschüler und legte die Hausaufgabenblätter auf den ordentlich aufgeräumten Schreibtisch.

„Sie will mich sicherlich nicht sehen.“

Shinichi stutzte, dann zuckte er die Schultern. „Vielleicht, aber wahrscheinlicher ist es dass sie dir danken will. Und sie hat bestimmt einige Fragen die du ihr beantworten solltest.“

Kaito drehte seinen Kopf und sah ihn überrascht an. Er richtete sich auf.

„Shiro hat so einiges erzählt, das Aoko in ihren Grundfesten erschüttert hat und nur du kannst das alles richtig stellen.“

„Was hat er gesagt?“, horchte Kaito alarmiert auf.

„Aoko wäre ein Wettobjekt. Ziel war es sie ins Bett zu bekommen und ihre Zusage für den Winterball zu erhalten.“

Erschrocken stand Kaito auf. „Das stimmt doch nicht. Was hat er noch erzählt?“

„Akako und du, ihr seid unzertrennlich.“

Kaito kniff ernst die Augen zusammen.

„Das mit Akako und dir hast du mir nie erklärt. Was ist das zwischen euch? Freundschaft? Liebe?“

Kaito sah auf. „Irgendwas dazwischen, vermute ich mal...“ Er kratzte sich ratlos die Stirn, dann sah er seinen Kumpel an. „Hast du Shiho geliebt?“

Shinichi zuckte mit den Schultern. „Ich dachte es immer, aber die Gefühle und die Zuneigung zu Ran sind um so viel stärker.“

Kaito nickte verstehend. „Es gab in meinem ganzen Leben immer nur ein Mädchen das ich wirklich geliebt habe. Akako...“, er sah Shinichi hilflos an. „... hat sich mir an den Hals geworfen und da Aoko sich von mir abwandte... ich glaube, dass ich mich nur ablenken wollte von meinem Liebeskummer.“

„Eineinhalb Jahre?“

Kaito zuckte mit den Schultern. „Irgendwann war es Gewohnheit. Sie war unkompliziert, stellte keine Fragen, gab sich auch mit wenigen, kurzen Dates zufrieden.“ Er sah aus dem Fenster hinüber zu Aokos Zimmer. „Ich glaube, sie hat mich immer für ein Statussymbol gehalten. Und ich hatte meine Ruhe vor den Mädchen unserer Schule. Vermutlich haben wir beide die Vorteile für uns genutzt.“

„Hast du eigentlich mitbekommen das Aoko Ärger mit ihnen hatte?“ Shinichi sah Kaito ernst an.

Dieser wippte nachdenklich den Kopf. „Das sie Probleme hatte hab ich geahnt, aber sie hat es mir nie erzählt. Ich habe ihr versucht die Bedenken zu nehmen, sie von den Sorgen abzulenken, aber sie wurde mir gegenüber immer distanzierter.“

Shinichi nickte. „Sie haben sie bedroht. Aoko und noch ein anderes Mädchen, eine Freundin von mir.“ Er sah Kaito direkt an. „Es ist Aoko schon zum zweiten Mal passiert. Nach der Party hat es wieder begonnen und sie haben sie dieses Mal nicht nur gemobbt, sondern auch noch versucht sie zu verletzen.“

Kaito sah besorgt zu Boden. „Bist du dir sicher, dass Akako und Shiho es waren?“ Dann kam ihm ein anderer Gedanke. „Und Shiro?“

„Hängt womöglich auch in der ganzen Sache mit drinnen.“ Shinichi sah zum Fenster hinaus.

Also war seine Vermutung die gesamte Zeit richtig. Es war richtig Akako zu Hause aufzusuchen und mit ihr zu reden. Sein Bauchgefühl hatte ihn noch nie betrogen, auch wenn sie alle Verdächtigungen abstritt und ihm nicht eine ordentliche Erklärung für die Vorkommnisse geben konnte. Was auch immer sie damit bezweckte Aokos Bücher eine Woche zu verstecken um sie ihm dann ins Fach zu stellen, die Fotos von ihm und Aoko in der Schule zu verteilen oder Aoko vor den Augen der Mitschüler bloßzustellen.

Shinichi riss ihn aus seinen Gedanken: „Keiko war die einzige, die damals alles mitbekam und Aoko zur Seite stand. Dieses Mal hatte sie da schon wesentlich mehr Unterstützung. Hakuba bemerkte ihre Probleme und später wurden auch Ran und ich eingeweiht.“

„Hakuba“, spuckte Kaito beinahe verächtlich aus. Fast vorwurfsvoll sah der seinen Kumpel an: „Warum hast du mir nichts gesagt?“

„Wir dachten alle du hängst da mit drin“, gestand Shinichi.

Kaito sah ihn entsetzt an und schüttelte ungläubig den Kopf.

Shinichi blickte ihn entschuldigend an, dann stichelte er. „Sag mal, bist du eifersüchtig auf Hakuba?“

Kaito schnaubte und knabberte immer noch an den falschen Verdächtigungen. Als könne er Aoko so etwas gemeines antun. Und dass Hakuba sich so gut mit seiner Aoko verstand, gefiel ihm erst recht nicht.

„Oh, keine Sorge, er spannt dir Aoko schon nicht aus“, erklärte Shinichi belustigt, dem die Gedankengänge seines Kumpels nicht verborgen blieben.

Kapitel XLII - nächtlicher Besuch

Nun war sie wieder zuhause und die Erinnerungen an ihre Begegnung mit Shiro war teilweise so klar und teilweise verschwommen oder gar nicht vorhanden. Die Untersuchungen waren nicht schlimm und schnell abgeschlossen. Und das Ergebnis beruhigte nicht nur sie sondern all ihre Familienangehörige. Dennoch würde ihr Vater Anzeige erstatten und Eri schwor diesen Jungen vor Gericht zu ziehen und dabei war ihr vollkommen egal welch hohes politisches Tier sein Vater war.

Aoko lag in ihrem Zimmer und hatte absolute Bettruhe. Ihr Kopf schmerzte auch noch ganz schön, so versuchte sie etwas zu schlafen.

Ein Geräusch riss sie aus ihrem traumlosen Schlaf. Müde sah sie sich in ihrem dunklen Zimmer um. Ihr Blick glitt zum Fenster hinaus in die Nacht. Wie lange sie geschlafen hatte, wusste sie nicht, aber es war bei weitem noch nicht die Zeit um aufzustehen. Ein kalter Luftzug wehte herein und erst jetzt sah sie wie jemand in die offenstehende Balkontüre eintrat. „Kaito?“, flüsterte sie überrascht.

„Darf ich reinkommen?“

Sie nickte, spürte den stechenden Schmerz in ihrem Kopf und antwortete leise mit einem unbehaglichen Gefühl: „Ja.“

Wie eine Katze näherte er sich leise und anmutig. Bis er ihr Bett erreichte und sich an den Bettrand setzte. „Wie geht’s dir?“

Aoko richtete sich auf und lehnte sich an die Bettwand. Aufmerksam sahen sie einander an. Ihre Augen gewöhnten sich schnell an die Dunkelheit. Sie war hin und hergerissen, zu deutlich schwirrten ihr Shiros Aussagen durch den Kopf, aber warum war er hier wenn er sie doch nur benutzte und kein Interesse an ihr hatte? Warum hatte er ihr geholfen und sich mit seinem besten Freund geprügelt? Alles widersprach sich. „Könnte besser sein“, antwortete sie verwirrt.

Zögerlich sah er auf ihre Hände, die sie auf ihrem Schoß gefaltet hielt. Dann nahm er seinen Mut zusammen und legte seine Hand auf ihre. „Ich hab mir Sorgen gemacht“, gestand er.

Auch sie senkte ihren Blick hinab und betrachtete die liebevolle Geste. Sie spürte das Kribbeln, welches ihre Blutbahnen sofort durchzog und mit einer innerlichen Wärme fühlte. Aber die Gefühle waren unangebracht und falsch. Sie musste sich diesen Jungen endgültig aus dem Kopf schlagen.

„Und ich möchte mich bei dir entschuldigen. Ich war in all den Jahren der wohl größte Idiot den es im Universum geben konnte.“

Überrascht sah sie zu ihm auf.

„Ich werde dir alles erklären und auf jede deiner Fragen ehrlich antworten.“ Er sah ihr in die Augen, drückte ihre Hand und zeigte ihr damit zu beginnen.

Aoko sah ihn stumm an.

Kaito wartete, dann sprach er leise aber aufmunternd: „Ich weiß nicht wo ich beginnen soll, daher frag nur!“

Sie schluckte, dann flüsterte sie: „Du hast dich mit Shiro geprügelt und du hast mich vor ihm gerettet?“

„Ich bin zu spät gekommen. Hätte ich das nur früher bemerkt.“ Er löste seine Hand von ihrer und ballte seine Faust. „Ich kann das nicht wieder gut machen.“

Aoko sah ihn mit großen Augen an. Zögerlich legte sie nun ihre Hand auf seine Faust. „Du bist rechtzeitig gekommen“, entgegnete sie ihm beruhigend.

Kaito sah sie an. „Was hat er dir angetan?“

„Er hat gesagt, dass ihr gewettet habt, dass du die ganze Zeit mit mir gespielt hast. Er hat mich...“, sie stockte, senkte den Kopf. „...angefasst.“ Unsicher blickte sie zu ihm auf. „Er wollte...“, sie brach ab.

Kaito rutschte näher an sie heran, zog sie in seine Arme und drückte ihr einen Kuss auf den Haarschopf.

Aokos Augen wurden groß und ihr Herz klopfte wohlig in ihrem Brustkorb. Zu deutlich hörte sie seinen kräftigen, schnellen Herzschlag an ihrem Ohr.

„Du brauchst keine Angst mehr zu haben. Er ist von der Schule verwiesen worden und wird auch nicht mehr zurückkommen.“ Er drückte sie fester an sich. „Es gab keine Wette und ich habe nicht mit dir gespielt“, stellte er nun richtig. „Er hat gelogen! Niemals könnte ich dir so etwas antun.“ Er suchte ihren Blick. „Du bist mir sehr wichtig, Aoko.“ Er lehnte seine Stirn vorsichtig an ihre, passte dabei auf sie nicht zu verletzten oder an ihre verarztete Platzwunde zu stoßen.

Sie senkte traurig die Augen. Alles widersprach sich und sie wusste nicht mehr was sie glauben sollte.

Er umfasste ihr Gesicht mit seinen Händen und hob es zärtlich an. Tief blickte er ihr in die Augen und drückte ihr zaghaft einen Kuss auf die Lippen. Als er sich löste, lächelte er. „Wie fühlt sich das für dich an?“

Aoko schluckte und wusste tief in ihrem Inneren die Antwort. Richtig und ehrlich. Ihre Gefühle für ihn waren stärker denn je, aber es durfte nicht sein. Akako stand immer noch zwischen ihnen. Sie umfasste seine Hände und streifte sie von ihren Wangen. „Das ist nicht relevant. Denn egal was ich für dich fühle, du und Akako...“, sie brachte es nicht fertig auszusprechen. Es in Worte zu formen, würde ihr nur sichtbar vor Augen führen, dass ihre Liebe einseitig war. „Ich kann das nicht mehr, Kaito. Es war von Anfang an falsch.“

Der Oberschüler runzelte die Stirn, schien nicht zu verstehen was sie ihm damit sagen wollte. „Was hat das mit Akako zu tun?“

„Sie ist deine Freundin und ein wichtiger Bestandteil deines Lebens.“

Noch verwirrter suchte er ihren Blick. Er verstand die Worte aber den Sinn darin nicht. „Wovon redest du?“ Schon hob er ihr Kinn an und suchte ihren Blick. „Akako und ich sind seit der Party getrennt.“

Nun war es Aoko, die ihn mit großen Augen ansah.

„Erinnerst du dich nicht mehr? Als wir uns bei der Hollywoodschaukel getroffen haben? Ich hab dir doch gesagt, dass sie unsere Knutscherei nicht lustig fand.“

Aoko erinnerte sich daran, wie niedergeschlagen und in sich gekehrt er zu ihrem Geheimversteck trat. Sie hatten sich an diesem Abend getrennt? Kaito war die gesamte Zeit Single? Sie hatte sich nicht in die Beziehung gedrängt und sie beide hatten auch keinen abscheulichen Betrug an Akako begangen? Mit großen Augen starrte Aoko ihren Nachbarn an.

Kaito beobachtete sie und erklärte ernst: „Nach unserem Kuss, der so... wow... du hast mich vollkommen um den Verstand gebracht, hat sich die Runde vom Flaschendrehen aufgelöst. Akako und ich blieben alleine zurück. Seit so langer Zeit habe ich meine Gefühle hinterfragt, unter anderem auch die Beziehung zu Akako. Wir haben uns gestritten und ich spürte, dass das mit uns keine Zukunft mehr hatte. Akako gab sich mit meinen Erklärungen nicht zufrieden, wollte meine Meinung nicht akzeptieren, aber ich beendete das Ganze und schickte sie nach Hause.“ Er stockte kurz, dann sprach er weiter: „Die verwirrenden Gefühle in mir... Ich wollte eigentlich meine Gedanken und Gefühle in Ruhe sortieren, als ein knutschendes Paar in mein Zimmer platzte. Ich fand keine Ruhe im Haus und so bin ich zum Geheimversteck gegangen. Dort warst du ja schon und kennst den restlichen Abendverlauf.“

Aoko starrte ihn verwundert an. „Aber Shiro hat doch am nächsten Morgen gesagt, das er nur auf dem Balkon wartet, weil du und Akako noch Morgengymnastik macht. Und so wie du auf den Balkon gekommen bist“, sie errötete als ihr sein Anblick in Erinnerung kam, „... sah es auch ganz danach aus“, fügte sie hauchend hinzu.

Kaito zog die Stirn in Falten. „Deswegen bist du gleich abgehauen. Jetzt wird mir so einiges klar. Ich hätte Shiro nicht bei mir pennen lassen, wenn meine Freundin bei mir übernachtet“, erklärte er und etwas verstimmter fügte er hinzu: „Und ich kann mich auch vor meinen Kumpels benehmen und werde ganz sicher nicht meine Freundin vor deren Augen flachlegen.“

So ganz konnte Aoko dieser Aussage nicht zustimmen, denn die Fummelei während ihrem Filmabend, fand definitiv neben Shinichi und Ran statt.

Scheinbar fiel ihm nun auch diese eine Situation ein. „Mit Ausnahme des Filmabends. Aber selbst da bin ich nicht über dich hergefallen, obwohl ich große Lust dazu hatte.“

Es so gesagt zu bekommen, ließ ihr Herz schneller klopfen. Errötet wandte sie ihren Blick erneut zur Bettdecke.

„Du bringst mich vollkommen um den Verstand und es war noch nie so schwer für mich die Beherrschung zu wahren.“ Er sah sie an und schuldete ihr noch eine Erklärung. „Dass ich an dem Morgen nach der Party so zerstreut aussah, lag nicht an Akako. Ich hatte einen ziemlich...“, er errötete ein wenig. „... erotischen Traum. Ich weiß nicht ob Shiro es mitbekommen hat, aber es kam mir alles sehr real vor.“

Das würde natürlich sein fassungsloses Erscheinen erklären. Er musste wohl gerade erwacht sein und dadurch noch ziemlich zerstreut. Dieser eine Kuss schien mehr ausgelöst zu haben, als sie bisher annahm. Dieser Moment hatte scheinbar nicht nur ihre Gefühlswelt auf den Kopf gestellt sondern auch seine. Und plötzlich fielen ihr Shiros Worte siedend heiß an.

Du hast eine Lawine losgetreten, deren Ausmaß du dir nicht einmal vorstellen kannst.

„Die Sehnsucht nach dir wurde von Tag zu Tag stärker“, gestand er leise. Überhaupt unterhielten sie sich sehr leise. Keiner von ihnen wollte Ginzo auf den Plan rufen oder sonst jemanden wecken. Kaito hatte immerhin noch Zimmerarrest und dürfte gar nicht hier sein und Aoko sollte schlafen um schnell gesund zu werden.

Aoko sah ihn überrascht an.

„Ich musste dich küssen und immer wenn sich die Möglichkeit bot, nutzte ich sie auch. Du bist so heiß und ich bin verrückt nach dir. Du hast mich verzaubert und bist wie eine Droge für mich.“

Sie erinnerte sich an die gesamten leidenschaftlichen Situationen: Beim Nachsitzen, im Schulflur, am Filmabend auf seinem Balkon oder in seinem Badezimmer oder in der Küche. Während der Schule im Musikzimmer, in der Umkleide nach Sport. Die Fummelei in Chemie wie auch in der Abstellkammer, sowie auf der Hochzeit ihres Vaters und in der Nacht, in der sie sich voll und ganz aufeinander einließen. Auch in der Nacht darauf erschien er wie ein Schatten und entführte sie in ihre eigene kleine Welt. Doch es gab einige Ereignisse, die ihren Optimismus überschatteten.

Er schien ihre wandelnde Mimik zu erkennen und sprach: „Was bedrückt dich?“

„Akako kam einmal in die Umkleide und hatte deutliche Knutschflecken. Sie sagte, ihr hättet es auf der Toilette getrieben.“

Kaito sah sie ernst an. „Ich habe mich auf Akako nicht mehr eingelassen.“

Aoko blickte ihn ernst an. „Du hast versprochen nicht zu lügen“, wies sie ihn nochmals auf den Gesprächsbeginn hin.

„Ich lüge nicht, Aoko“, erwiderte er beharrlich. „Ich war mit ihr nicht auf der Toilette. Keine Ahnung von wem sie die Knutschflecke hatte – von mir jedenfalls nicht.“ Und fast beleidigt fügte er hinzu: „Und ich kenne weitaus bessere Orte als das Schulklo.“

„Und was war nach dem Fußballspiel? Alle haben euch in einer sehr eindeutigen Situation erwischt.“

Er senkte bedrückt, beinahe reumütig und sehr beschämt den Kopf. „Sie war die ganze Zeit bei mir, begleitete mich zum Arzt und leistete mir zuhause Gesellschaft.“ Kaito sah unsicher zu Aoko auf. „Du erinnerst dich sicherlich, dass ich in der Abstellkammer einen Rückzug gemacht habe.“

Errötet senkte auch Aoko den Kopf. Zu deutlich trat ihr der Moment vor Augen. Wenn er nicht so vernünftig gewesen wäre, hätte sie mit ihm geschlafen.

„Ich hatte einen ganz schönen Druck und Akako, sie...“, er stockte, verunsichert ob er ihr das erzählen sollte.

„Sie...?“ Aoko sah ihn eindringlich an, mit sich selbst ringend, ob sie es überhaupt hören wollte. Es würde sie verletzten, das wusste sie. Auch wenn er ehrlich zu ihr war und seine Gefühle für sie nicht mehr geheim hielt, so würde er etwas zugeben, was sie an ihm zweifeln lassen könnte.

„Sie war da und bot sich an mich abzulenken und sie machte sich an meiner Hose zu schaffen, ehe ich überhaupt einen klaren Gedanken fassen konnte. Und bevor meine Vernunft zurückkehrte, tat sie es einfach und es...“, er schämte sich fast es zuzugeben. „Sie konnte das schon immer gut.“

Aoko schluckte und spürte wie etwas in ihr zerbrach. Sie hatte ihn zweimal verwöhnen wollen und beide Male wies er sie ab. Tränen traten ihr in die Augen. Auch wenn sie noch keine Erfahrungen gesammelt hatte, so wurde ihr zu deutlich bewusst, dass sie wohl vollkommen unfähig war ihm das gleiche Vergnügen bereiten zu können.

Kaito entging nicht, dass es sie verstörte, aber er schwor ihr ehrlich zu sein und nichts anderes als die Wahrheit hatte er ausgesprochen. „Aoko! Ich liebe Akako nicht, zumindest nicht in dem Sinne von Liebe“, sprach er.

„Und dennoch lässt du dir von ihr einen blasen und von mir nicht...“, es war schwer für sie das auszusprechen.

Er riss besorgt seine Augen auf und rutschte sofort näher. „Nein, so ist es nicht. Aoko, ich möchte von dir so viel mehr als nur das...“

Unsicher sah sie zu ihm auf.

„Du bist mir sehr wichtig und ...“, er stockte, biss sich selbst auf die Unterlippe und wandte sein Gesicht ab. Dann suchte er entschlossen ihre Augen: „Ich hätte dir von Anfang an sagen sollen, dass ich mich in dich verliebt habe.“

Es verschlug ihr die Sprache.

„Diese ganzen Kuss-Übungen, alles was wir miteinander erlebt und ausprobiert haben, ich wollte das, Aoko. Nur mit dir – mit keiner anderen. Ich habe dich damals schon geliebt und wusste mir nicht anders zu helfen. Ich hab mich einfach nicht getraut dir die Wahrheit zu sagen.“

„Du hast mir gesagt, dass es uns beiden nicht schaden würde es vorher schon gemacht zu haben. Unser erstes Mal war ...“

„Ich wollte das, Aoko, weil ich dich wollte. Nicht weil wir vorbereitet sein sollten für die Oberstufe. Ich wollte mein erstes Mal mit dir haben und ich wollte der ganzen Welt zeigen, dass du zu mir gehörst. Ich hätte es dir sofort sagen müssen.“ Er nahm ihre Hand fest in seine. „Ich wollte mit dir zusammen sein, aber du hast dich danach so abgeschottet und mich nicht mehr an deinem Leben teilhaben lassen.“

Sie musste seine Worte verarbeiten, mit solch einem Geständnis hatte sie wahrlich nicht gerechnet. Und doch verstand sie immer noch so einiges nicht. „Akako saß keine zwei Stunden später auf deinem Schoss und ihr habt nur noch Augen für euch gehabt.“

„Ich weiß. Sie klebte den ganzen Abend an mir wie eine Klette. Es war aber ganz anders als es rüberkam. Ich konnte mich nicht losmachen, sie hatte mich fest im Griff. Sie war sehr aufdringlich.“ Er pausierte, als ihm bewusst wurde, wie alles nach außen hin gewirkt hat. „Natürlich muss das der Grund sein, warum du mich so abweisend behandelt hast.“

„Nicht nur deswegen.“

Er sah über die Maßen besorgt auf. „Was haben sie dir alles angetan?“

Aoko zögerte doch dann erzählte sie ihm alles. Von jeder kleinsten Attacke gegen sie bis sie den Kontakt endgültig abbrach. „Und nachdem du dann auch Abstand gehalten hast, war es vorbei.“ Sie senkte ihre Augen. Und nun, je mehr sie wieder miteinander redeten bzw. stritten, desto schlimmer wurde es wieder.

Kaito lauschte ihren Worten, entsetzt was ihr alles widerfahren ist, und das schlechte Gewissen erdrückte ihn beinahe. „Ich wünschte ich könnte es ungeschehen machen“, sprach er aus und streichelte ihr über die Wange. „Shinichi hat mir bereits erzählt, dass du alles zum zweiten Mal durchmachen musstest.“

Aoko schmiegte sich in seine warme Handfläche und unterdrückte ein Gähnen. „Dieses Mal war alles anders“, gestand sie leise und erzählte was ihr dieses Mal widerfahren ist. Aoko endete und unterdrückte ein weiteres Gähnen.

Kaito lauschte die gesamte Zeit aufmerksam und je mehr sie preisgab, desto besorgter wurde seine Mimik. Überaus schockiert musterte er sie. „Das ist schrecklich. Hätte ich das nur vorher gewusst“, flüsterte er und die Schuldgefühle erdrückten ihn mehr denn je. „Ich hätte dich vor ihnen beschützen müssen.“ Er sah ihr die Müdigkeit an. „Du musst dich ausruhen, Aoko.“ Liebevoll strich er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

Unsicher sah sie zu ihm auf. Er war ehrlich zu ihr, das glaubte sie ihm auch, aber dennoch blieb ein leiser Restzweifel: „Wenn du es nicht ernst meinst, dann sag es mir bitte jetzt“, flüsterte sie.

Kaito sah sie besorgt an. „Ich habe dich nicht angelogen. Niemals. Auch wenn ich, als dein bester Freund, so ziemlich versagt habe, bin ich immer ehrlich zu dir gewesen. Ich liebe dich, Aoko! Und von nun an werde ich nicht mehr von deiner Seite weichen.“

Sie sah ihn an und ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Dieses Mal gähnte sie erschöpft und unterdrückte es nicht mehr. Das ganze Gespräch hatte an ihren Kräften gezehrt. So viel zum Thema sie müsse sich schonen.

„Darf ich noch ein bisschen bleiben?“, fragte er unsicher.

Aokos Herz pochte erfreut. „Bekommst du keinen Ärger?“

„Ich bin rechtzeitig zurück“, grinste er. „Also darf ich?“

„Ja“, hauchte sie und schon kroch Kaito zu ihr ins Bett und schloss Aoko in seine Arme. Das Mädchen seines Herzen kuschelte sich an ihn und schlief wenig später friedlich ein. Er blieb noch wach, hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn und zog sie fester in seine Arme. Eine Weile blieb er noch. Er hielt sie einfach nur fest und lauschte ihren ruhigen Atemzügen. Und irgendwann in der Nacht verschwand er.

Kapitel XLIII - Bündnis

Die gesamte Woche besuchte Kaito Aoko heimlich in der Nacht und kuschelte sich zu ihr ins Bett. Sie redeten viel, bauten Vertrauen zueinander auf und genossen die Zeit zu zweit.

Montag ging es dann für beide wieder in die Schule. Morgens trafen sie sich auf dem Gehsteig und bei Tageslicht sah Aoko zum ersten Mal das gelbgrünlich unterlaufene Auge und die abheilende Lippe in seinem Gesicht. Shiro musste kräftig zugeschlagen haben. Besorgt strich sie ihm über die Verletzung.

Kaito schmunzelte über die fürsorgliche Berührung, schnappte sich ihre Hand und hauchte einen Kuss auf ihre Fingerspitzen.

Ran kam in dem Moment aus dem Haus, als er Aokos Hand los ließ.

Gemeinsam gingen sie den Weg zur Schule, doch je näher sie dem Schulgelände kamen desto unsicherer wurde Aoko.

Kaito trat dicht an sie heran und umfasste zärtlich ihre Hand. „Keine Angst, Shiro ist nicht mehr hier und er wird dir auch nicht mehr nahe kommen.“

Ran lächelte aufmunternd: „Durch die Strafanzeige hat er ein Annäherungsverbot erteilt bekommen. Laut der einstweiligen Verfügung darf er dir nicht näher als fünfzig Meter kommen.“

Aoko nickte zwar, beruhigte sich aber dennoch nicht.

Ran drückte ihr aufmunternd die Schulter. „Und du bist nicht allein! Kaito, Shinichi, Keiko, Saguru, ich und Makoto stehen dir zur Seite und lassen dich nicht mehr aus den Augen.“

Wieder nickte Aoko, aber immer noch war da dieses ungute Gefühl in ihrem Bauch. Auch wenn es eigentlich vorbei war, sagte etwas in ihr, dass Akako nicht so schnell aufgeben würde.

Und jedes Mal wenn sie an diesem Tag Akako begegnete, wurde dieses Gefühl in ihr stärker. Kaito wartete zu jeder Pause auf sie und wenn er einmal nicht da sein konnte, so war es ein anderer ihrer Freunde. Sie hielten ihr Wort und ließen sie keinen Schritt mehr alleine laufen.

Sport entfiel heute. Dafür sammelten sich die Schüler in Mathematik. Die Lehrerin betrat die Klasse, einen Schulordner unter dem Arm geklemmt und wartete darauf, dass auch die letzten Schüler sich zu ihrem Kurs einfanden. „Normalerweise hätten Sie heute zwei Freistunden, aber nach diesen entsetzlichen Noten vom letzten Mathematiktest hat der Direktor beschlossen Ihnen Mathematik aufzudrücken.“ Sie wies an die Unterlagen vom Tisch zu nehmen und verteilte Blätter aus. „Wir wiederholen den Test und sprechen gemeinsam die Übungsaufgaben durch. Also bitte bleiben Sie nach dem Test sitzen und verhalten Sie sich ruhig. Im Anschluss teile ich Ihnen dann dieses enttäuschende Ergebnis mit.“ Die Lehrerin gab den Schüler eine dreiviertel Stunde von einer Doppelschulstunde Zeit den Test auszurechnen, dann stoppte sie jeden und drehte sich zur Tafel. Die Aufgaben boten sich zum Ausrechnen perfekt an, denn es waren so viele wie Schüler in diesem Raum saßen. So kam jeder dazu eine Aufgabe vorzurechnen.

Das Endergebnis stand am Ende der Stunde an der Tafel und die Mathematik-Lehrerin verteilte die Arbeiten. Vor Aoko blieb sie stehen: „Von Ihnen hatte ich mehr erwartet. Diese Note senkt ihren guten Durchschnitt.“

Entsetzt starrte Aoko auf ihren Test, betrachtete die große schlechte Note auf diesem Blatt und überflog die Zahlen, die sie überhaupt nicht errechnet hatte.

Als die Lehrerin wieder zurück zum Pult ging, sprach diese: „Ich hoffe sehr, dass Sie sich alle das nächste Mal mehr anstrengen.“

Es läutete zur Pause und der Raum leerte sich.

Aoko trat zur Lehrerin zu und zeigte ihr das Blatt. „Das sind nicht die Ergebnisse die ich errechnet habe.“

Müde sah die Lehrkraft auf. „Fräulein Nakamori, Sie halten Ihren Test in den Händen. Das nächste Mal rechnen Sie bitte langsam und ordentlich. Ziel ist es nicht den Unterricht früher zu verlassen, sondern gute Noten zu schreiben.“

Aoko starrte die Frau an. „Ich habe nicht...“, setzte sie sich zur Wehr. „Ich habe die Ergebnisse richtig ausgerechnet, sogar noch einmal korrigiert und bin mir sicher keinen Fehler gemacht zu haben.“

„Die Zahlen auf Ihrem Blatt sprechen eine andere Sprache.“ Die Lehrerin packte ihre Sachen ein und beendete das Gespräch. „Gehen Sie in die Pause und das nächste Mal bereiten Sie sich besser vor.“

Aoko stand ungläubig da und widersprach: „Ich habe mich vorbereitet.“

Die Lehrerin schüttelte nur ihren Kopf, während sie zur Türe ging. „Scheinbar hat das nicht ausgereicht.“

Kaito trat zu der niedergeschlagenen Freundin. „Was ist denn?“

Aoko schüttelte nur den Kopf und drückte ihm ihren Test in die Hand. Solle er doch selbst lesen. Sie ging zu ihrem Platz zurück und überlegte wie es sein konnte, so falsche Ergebnisse zu erzielen? Sie war sich so sicher gewesen, denn der Test war zu leicht. Aber wie hatte sie diesen dann nur so verhauen können?

„Aoko“, ihr Nachbarjunge, der inzwischen wieder so viel mehr für sie war, trat zu ihr und zog sie in eine tröstende Umarmung.

Sie erwiderte diese und hauchte: „Ich war mir sicher, die richtigen Ergebnisse geschrieben zu haben.“

Kaito glaubte ihr und nickte. Dann legte er seinen Arm um ihre Schulter und schob sie in die Mittagspause. Auf dem Schulhof trafen sie sich alle zum gemeinsamen Essen. Danach hatten sie noch Zeit und Kaito reichte Shinichi die Arbeit. „Kannst du dir das erklären?“

Shinichi betrachtete das Blatt aufmerksam. Hakuba steckte seinen Kopf mit rein. „Falscher Lösungsweg.“

„Sie ist sich sicher, dass sie die richtige Lösung aufgeschrieben hat.“

Saguru blickte von dem Blatt skeptisch zu seinem Gegenüber, der friedlich bei ihnen in der Gruppe saß, als wäre nie etwas gewesen. Dann sah er zu Aoko, die sich immer wieder unsicher auf dem Schulhof umsah, bevor er seine Augen wieder aufs Blatt fixierte. Im Lichteinfall fiel ihm etwas auf und er zog Shinichi den Test aus den Händen.

Überrascht beobachteten alle den Halbjapaner.

Shinichi entging auch nicht, dass Hakuba etwas entdeckt hatte. Auch er richtete seine Aufmerksamkeit erneut auf das Blatt und deutete plötzlich auf eine der Zahlen. „Siehst du das auch?“

„Ja, und an jeder anderen änderbaren Zahl“, nickte der Blonde zu.

Aoko hob den Blick. „Was denn?“

Der Halbjapaner hielt ihr den Test entgegen und deutete auf eine der Zahlen. „Hier wurde mit einem anderen Stift die Zahl verändert.“

Aoko nahm sich das Blatt und betrachtete es aufmerksam. An der Farbnuance erkannte man es nicht. Es war aber nachträglich was eingetragen worden. Die ursprünglich geschriebene Zahl wurde mit einem filigranen Stift geschrieben, die Zahl mit einem minimal dickeren Stift nachgezeichnet und abgeändert.

„So wie es aussieht hat jemand deine Arbeit manipuliert.“

„Und ich glaube wir alle können uns vorstellen, wer dazu fähig ist“, stellte Shinichi seine Behauptung auf.

„Es fehlt nur noch der Beweis.“

Kaito grübelte, sah besorgt zu Aoko und schließlich sprach er: „Und ich weiß wie wir an die Beweise herankommen können.“

„Wie willst du das machen?“, bohrte Hakuba misstrauisch nach.

„Wir treffen uns nach der Schule bei Nakamoris“, antwortete Kaito. „Hier ist kein guter Ort dafür.“

„Wer sagt mir, dass du nicht hinter all dem steckst“, widersprach Hakuba immer noch sehr misstrauisch und um Aoko besorgt.

„Das kannst du nie wissen“, entgegnete Kaito genervt.

Aoko mischte sich ein: „Weil er mir alles gesagt hat und ich ihm glaube.“ Dabei legte sie unmissverständlich ihre Hand auf Kaitos.

Glücklich verschränkte der Oberschüler sofort ihre Finger miteinander und ließ Aokos Hand nicht mehr los.

Keinem in der Runde entging dieses Zeichen der Zuneigung.

Aoko spürte das Kribbeln in ihrer Hand und die liebevolle Geste und dennoch jagte ihr ein kalter Schauer über den Rücken. Sie sah sich unauffällig um und traf auf die kalten, dunklen Augen von Akako. Sie stand mit Shiho, die ebenso finster zu ihrer Gruppe blickte, und Hitomi, die wie das Elend persönlich aussah, mit tief unterlaufenen Augenringen und einer unnatürlichen Blässe, unweit von ihnen entfernt und gingen dann weiter.

Die Pause war zu Ende und die Schüler kehrten in den Unterricht zurück.

Bevor Aoko gehen konnte, hielt Kaito sie an ihrer Hand fest. „Mach dir keine Gedanken. Keiko passt ab jetzt auf dich auf.“ In der nächsten Sekunde strich er ihr sanft eine Strähne aus dem Gesicht und beugte sich zu ihr vor. Er hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn.

Hakuba beobachtete ihn die gesamte Zeit misstrauisch.

Kaito entging das nicht und so drehte er sich seinem vermeintlichen Konkurrenten zu. „An diesen Anblick wirst du dich jetzt gewöhnen müssen“, versprach Kaito.

„Das werden wir noch sehen“, widersprach Hakuba immer noch nicht überzeugt.

„Wenn du glaubst, dass ich verschwinde muss ich dich leider enttäuschen. Ich lass Aoko ganz sicher nicht mehr gehen!“

„Ich glaube dir nicht, Kuroba.“

Keiko ging zu Saguru und schnappte sich seinen Arm. „Komm jetzt endlich. Wir müssen in den Unterricht.“ Der Halbjapaner ließ sich mitziehen.

Aoko sah zu Kaito auf. „Nimm es ihm nicht übel.“

Kaito blickte seinem Rivalen düster nach, doch dann beugte er sich zu ihr hinab und küsste sie. So ersparte er sich den negativen Kommentar, der ihm auf der Zunge lag. Als er sich von ihren süßen Lippen löste flüsterte er. „Wir sehen uns später.“

Aoko nickte, schloss zu Hakuba und Keiko auf und gemeinsam verschwanden sie im Schulhaus.
 

Nach der Schule gingen die Freunde zu Nakamoris. Einzig Kaito war nicht bei ihnen. Er wollte nachkommen und musste noch etwas erledigen. Während Shinichi seinem Kumpel glaubte, misstraute Hakuba diesem. „Wenn er hinter all dem steckt und die Fäden zieht?“

„Kaito hat mich nicht angelogen“, widersprach Aoko. „Er war ehrlich zu mir und ich glaube ihm.“ Sie sah entschlossen zu Hakuba auch wenn in ihrem Inneren eine leise Stimme flüsterte, dass ihr Freund recht haben könnte. Sie hatte keine Beweise für seine Worte, musste sich komplett auf ihr Bauchgefühl verlassen und das ihr Körper sich sehr zu diesem Jungen hingezogen fühlte war absolut keine verlässliche Einschätzung. Die Gefühle spielten ihr schon so manches Mal einen Streich. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als ihm zu vertrauen und zu hoffen, dass er wirklich kein Spiel mit ihr trieb.

Wenig später erreichten die Freunde das Haus der Nakamoris. Ran und Aoko kümmerten sich um die Getränke, während Shinichi Keiko und Hakuba ins Wohnzimmer führte.

Gerade als die Getränke am Wohnzimmertisch verteilt waren, klingelte es.

Aoko wusste, dass dies Kaito war und eilte zur Türe. Sie riss diese auf und erstarrte. Vor ihr stand ihr Freund in Begleitung eines ihr sehr bekannten Mädchen. Mit großen Augen sah sie verwirrt in das blasse Gesicht, das unter der roten Mähne fast durchscheinend schien. „Hitomi?“

Unsicher erwiderte die Angesprochene den Blick, sah zu Kaito auf und trat einen Schritt zurück. Weit kam sie nicht, denn der Oberschüler hielt seine Hand an ihrem Rücken und schüttelte den Kopf.

Aoko betrachtete diese seltsame Vertrautheit der Beiden und schluckte. Viele Gedanken konnte sie sich aber nicht dazu machen, denn Hitomi räusperte sich und ihre Stimme klang mehr als gebrochen. „Es tut mir leid“, entschuldigte sie sich.

Kaito übernahm das Gespräch, als Hitomis Stimme verstummte und Aoko keinerlei Anstalten machte, sie ins Haus zu lassen. „Hitomi möchte uns etwas sagen.“

Hitomi nickte nur stumm, senkte verlegen den Blick auf den Boden und verschränkte ihre Arme vor dem Brustkorb.

Aoko schien langsam zu begreifen und gab den Weg frei. „Alle sind im Wohnzimmer. Geht nur durch. Ich bringe euch gleich etwas zu Trinken.“

Hitomi und Kaito traten ein, zogen sich die Schuhe aus und folgten dem Flur, während Aoko in die Küche abbog und Gläser aus einem Schrank hervorzog. So ganz konnte sie es immer noch nicht fassen und das Bild eben verwirrte sie. Diese Vertrautheit ließ sie innerlich zweifeln.

Kaito erschien hinter ihr, umarmte sie und zog sie fest an seinen Brustkorb. Seine Nase vergrub er in ihren Haaren und flüsterte: „Hitomi ist von Shiro sehr verletzt worden. Und sie hatte Angst herzukommen.“

Aoko drückte sich enger an ihren Freund und lehnte ihren Kopf an seine Halsbeuge.

Auch er verstärkte den Griff. „Ich liebe nur dich“, flüsterte er mit fester Stimme, schien zu ahnen, dass noch ein Fünkchen Misstrauen in ihr schwelte.

Sie lösten sich voneinander und folgten Hitomi ins Wohnzimmer. Seit das Mädchen eingetreten ist, herrschte unbehagliche Anspannung. Aoko versuchte diese zu lösen, indem sie auf ihren neuen Gast zuging und ihr einen Platz der Couch zu wies. Im nächsten Moment setzte sich Aoko dazu und Kaito suchte sich ebenfalls einen Sitzplatz.

Alle Augen richteten sich auf die Rothaarige, die überhaupt nicht gut aussah. Ängstlich zog diese den Kopf ein, schluckte und trank schnell einen Schluck Wasser. Dann räusperte sie sich und hob den Blick, sah von einem zum nächsten und blieb letztendlich an Aokos Gesicht hängen. „Es tut mir leid! Das alles hätte niemals passieren dürfen. Damals nicht und jetzt auch nicht. Entschuldige bitte, auch wenn das alles unverzeihlich ist.“

Aoko sah ihre Mitschülerin überrascht an. Wusste immer noch nicht diese Situation richtig einzuordnen.

„Akako war von Anfang an hinter Kaito her. Aber er...“, sie sah dabei schüchtern zu dem besagten Oberschüler, „...er hatte immer nur Augen für dich. Das wusste Akako und sie plante mit Shiho die Vorgehensweise. Gemeinsam überlegten sie, wie sie dich loswerden konnten, damit Kaito Akako bemerkte.“

Aoko blickte ebenso zu Kaito und fand durch Hitomis Worte die Bestätigung in Kaitos Worte. Er hatte alles ernst gemeint und nicht gelogen. Ihr Herz hüpfte erleichtert.

„Akako sah ihre Chance bei der Party und hat Kaito ganz für sich eingenommen. Zu dem Zeitpunkt waren wir aber noch gar nicht richtig befreundet. Denn auf der Party kamen erst Shiro und ich zusammen.“ Sie schluckte tieftraurig. Dann schüttelte sie leicht ihren Kopf, als wolle sie die Gedanken vertreiben und räusperte sich erneut. „Auf jeden Fall wurden Akako, Shiho und ich in den Wochen darauf Freundinnen, durch unsere Jungs, die sich ja alle schon gut kannten, bekamen wir automatisch mehr Kontakt zueinander.“

Aoko lauschte aufmerksam den Worten. Sie wusste gar nicht seit wann Shiro und Hitomi zusammen waren. Shiro, der die gesamte Zeit in sie verliebt war. Wie konnte er nur mit einem Mädchen zusammen sein, das er nicht liebte? Ihre Augen wanderten zu Kaito. Aber Kaito konnte es ja auch. Immerhin war er auch sehr lange Zeit in einer Beziehung mit Akako. Sein Blick begegnete ihrem und sie zog die Mundwinkel hoch zu einem schiefen Lächeln. Doch selbst spürte sie zu genau, wie es ihr misslang und auch Kaito entging das ganz und gar nicht.

„Sie...“, Hitomi stockte, korrigierte sich selbst: „Wir! Wir haben diese ganzen Gemeinheiten bei dir und noch einem Mädchen durchgezogen. Nachdem das andere Mädchen die Schule wechselte, hatte es Akako bei dir auch darauf angelegt, aber du bist nicht gegangen. Letztendlich gab sie sich damit zufrieden, dass du Kaito ignorierst.“

Aoko hatte es geahnt und auch dieses Mal legten sie es darauf an sie von der Schule zu jagen. Traurig senkte Aoko ihre Augen und starrte den Teppichboden an.

„Kurz vor der Party habt ihr wieder miteinander gesprochen und du kannst dir sicherlich vorstellen wie verärgert Akako darüber war. Shiro...“, sie schluckte wieder. „...konnte dich ja auch nie gut leiden.“

Aoko hörte die Verachtung für den Mitschüler aus ihr sprechen.

Wieder schüttelte Hitomi den Kopf. „Wie dumm ich doch war, es nicht zu bemerken.“

Alle stutzten.

Hitomi bemerkte was sie eben geäußert hatte und räusperte sich erneut. „Das er mir die gesamte Zeit etwas vorgespielt hat, das er in Wirklichkeit nur dich liebt.“ Äußerst verletzt suchte die Rothaarige Aokos Blick. „Ich bin die gesamte Zeit so dumm gewesen.“

Aoko legte mitfühlend ihre Hand auf Hitomis Schulter. „Wie hättest du das wissen können, niemand wusste es. Nicht einmal ich hab es gemerkt. Er hat mich immer mies behandelt, verächtlich mit mir gesprochen. Er hat mich gehasst und sich über mich lustig gemacht. Wie hätte ich da nur das Gegenteil annehmen können.“

„Woher weißt du davon?“, hakte Shinichi überrascht nach. Und er war der erste seit langem, der sich nun in das Gespräch der Mädchen einmischte.

„Ich bin an diesem Tag Shiro gefolgt. Er verhielt sich die gesamte Zeit schon so komisch. Also schlich ich ihm nach und sah wie Akako Aoko auf der Treppe angriff. Shiro schlich unbemerkt heran und als Akako Aoko diesen Schubs gab und Aoko die Treppe runter fiel, war Shiro zur Stelle um Schlimmeres zu verhindern. Ich wusste nichts von der Aktion, war aber auch zu geschockt um irgendwas tun zu können. Akako ging und Shiro kümmerte sich um Aoko.“ Sie zögerte. „Ich hörte wie er Aoko den Treffpunkt mitteilte. Um nicht aufzufallen bin ich gegangen und ihm nach der Schule wieder gefolgt. Ich blieb an der Türe stehen. Ich konnte alles verstehen. Jedes Wort und als er Aoko gestand, dass er immer nur sie liebte bin ich schnell weggerannt, bevor er mich noch entdeckte.“ Sie sah unsicher zu Aoko. „Ich habe dich in diesem Moment gehasst. Erst im Laufe der Woche wurde mir bewusst, dass du überhaupt nichts dafür kannst.“

Hakuba mischte sich nun ein: „Hilfst du uns Akako und Shiho zu melden?“

Hitomi blickte unsicher auf.

„Wir werden ein gutes Wort für dich einlegen. Ich denke mal du wirst ermahnt werden, aber es sollten keine schlimmen Konsequenzen folgen.“

Hitomi senkte den Kopf, brauchte eine Weile für sich.

Aoko sah zu ihren Freunden auf. Das war also der Plan. Sie brauchten einen Insider, um Akako und Shiho ihre Strafe zukommen zu lassen.

„Ja, ich helfe euch“, flüsterte Hitomi.

Große Erleichterung und Dankbarkeit brach unter den Anwesenden aus.

Als sie die Rothaarige wenig später verabschiedeten fanden sich die Freunde zusammen und planten nun das weitere Vorgehen. Sie würden zum Direktor gehen und ihm alles sagen und mit Hitomis Hilfe würde er Akako und Shiho die gerechte Strafe zukommen lassen.

Auch Keiko und Hakuba gingen bald. Jedoch drehte Hakuba sich Kaito zu und musterte ihn misstrauisch. „So ganz vertraue ich dir noch nicht, aber ich bin bereit es zu versuchen. Solltest du allerdings ein falsches Spiel treiben, wirst du das bereuen.“

Kaito sah seinen Rivalen mit seinem Pokerface an.

Aoko, die zwischen den Jungs stand beobachtete die beiden nur und mit großen Augen verfolgte sie die Situation.

Hakuba hob seine Hand und streckte sie ihm den Oberschüler hin.

Kaito schlug ein und sie reichten sich die Hand um Frieden zu schließen. „Ich treibe kein falsches Spiel“, bestätigte Kaito ernst.

Beide Jungs sahen sich noch einen Moment stumm an, dann trennten sie sich. Hakuba und Keiko verabschiedeten sich noch und verschwanden Händchen haltend in den Abend.

Aoko schloss die Türe hinter ihren Freunden und strahlte Kaito glücklich an. Mit einem gehauchten Danke umarmte sie ihren Freund fest. Es bedeutete ihr viel, dass die beiden diesen Schritt aufeinander zutraten.

Kaito erwiderte Aokos Umarmung.

„Wow, auf diesen Anblick warte ich seit Monaten“, lachte Ran und drückte sich an Shinichi.

Die beiden Oberschüler lösten sich voneinander und grinsten dem Pärchen entgegen. „Was lange währt wird endlich gut“, zitierte Aoko grinsend.

In diesem Moment ging die Türe auf und Ginzo erschien im Flur. Er erfasste sofort die Situation: „Welch Überraschung. Da sind ja alle beide. Wir müssen reden!“

Kapitel XLIV - fehlende Beweise

Ginzo sah die vier Jugendlichen ernst an. „Wie schön, dass du schon hier bist. Deine Mutter kommt später auch noch. Ich dachte eigentlich du kommst mit ihr zusammen.“ Er sah Kaito streng an. „Geht schon mal ins Wohnzimmer. Ich komme gleich nach.“

Kaito und Aoko, die sich voneinander gelöst hatten, folgten der Aufforderung.

„Wir gehen spazieren“, bemerkte Ran unsicher und Ginzo nickte. „Aber seid vorsichtig. Shinichi pass gut auf sie auf.“

Der Oberschüler nickte und die beiden zogen sich Schuhe an und Jacken über. Dann verschwanden sie nach draußen.

Es dämmerte als das Pärchen hinaus trat. Shinichi und Rans Hände fanden sich und gemeinsam schlenderten sie durch die Straßen. „Wird Hitomi uns wirklich helfen?“

„Ich hoffe es. Wir haben keine Beweise gegen Akako und Shiho. Nur gegen Shiro, der auf frischer Tat ertappt wurde, liegt etwas vor.“

„Wir haben nur die Drohungen“, überlegte Ran.

„Ja, aber auch hier fehlt der Beweis, dass Akako und Shiho dahinter stecken. Eine Nachricht könnte jeder verfasst haben. Fotos könnte jeder gemacht haben und verteilt wurde es im Sportunterricht an dem Akako und Shiho wie auch Hitomi anwesend waren. Und selbst als sie Aoko bloß stellten, waren andere Mädchen involviert. Akako und Shiho waren zwar auch dabei, aber sie haben nicht einen Finger gerührt.“

„Es ist schwer ihnen überhaupt irgendwas nachzuweisen“, stimmte Ran nachdenklich zu. „Die Mathearbeit wurde gefälscht, dazu müssten sie eingestiegen sein.“

„Wir können es ihnen nicht nachweisen.“ Shinichi rieb sich über die Stirn. „Sie haben sich alles gründlich überlegt.“

Ran zögerte. „Das Mädchen damals...“

Shinichi blickte auf.

Sie sah ihren Freund unsicher an. „Kann sie nicht erzählen, was ihr widerfahren ist?“

„Auch hier gibt es keinen Beweis wer dahinter steckt.“

Ran nickte. „Also müssen wir uns morgen auf Hitomi verlassen, dass sie mit uns zum Direktor geht.“

„Ja“, stimmte Shinichi zu. „Wenn sie nicht redet, haben wir nichts in der Hand.“

Ran überlegte. „Shiro hat sie sehr verletzt.“

„Das müssen wir für uns nutzen.“

Gemeinsam gingen sie noch ein wenig, ehe sie wieder den Heimweg einschlugen.
 

Kaito und Aoko setzten sich auf die Couch. Aoko stellte vor lauter Nervosität die Gläser auf ein Tablett.

Er beobachtete sie erst, doch dann legte er seine Hand auf ihre Schulter und zog mit dieser simplen Geste ihre Aufmerksamkeit auf sich. Er zog sie zu sich und drückte ihr einen Kuss auf die Schläfe. „Ich bin bei dir“, flüsterte er.

Ginzo setzte sich dazu und betrachtete die beiden Oberschüler vor sich lange Zeit schweigend.

Den Jugendlichen wurde zunehmend unwohl unter diesem Blick.

„Seid ihr jetzt offiziell zusammen?“

Ein unsicherer Blick ging zu Kaito, denn Aoko wusste darauf keine Antwort. Natürlich sagte er ihr, dass er sie liebte, dass er an ihrer Seite stand, aber war es offiziell?

„Ja“, antwortete Kaito ernst. „Entschuldige bitte, dass wir nicht schon früher etwas gesagt haben. Aber nach den letzten Jahren“, er sah zu Aoko und lächelte liebevoll. „Wir mussten uns selbst erst einmal aussprechen.“

„Zumindest ist euer Streit beendet“, stimmte Ginzo zu. Ernst lehnte er sich an der Couchlehne an und musterte die beiden aufmerksam. „Und das ihr schon intim geworden seid, ist wohl auch etwas was ich akzeptieren muss.“ Er seufzte. „Ich hatte immer gehofft, ihr würdet bis nach eurer Hochzeit damit warten.“ Seine Augen suchten seine Tochter, dann die von seinem Ziehsohn. „Ihr sollt auf keinen Fall etwas überstürzen und ich will auch kein Großvater werden, zumindest nicht in den nächsten Jahren.“

Kaito und Aoko nickten, während er Aokos Hand umfasste und sie zärtlich anlächelte. „Wir haben auch noch Zeit. Zuerst machen wir unseren Schulabschluss und dann sehen wir weiter.“

Aoko sah auf und lächelte verliebt zurück.

Ginzo beobachtete die liebevollen Blicke und Berührungen und schloss erleichtert seine Augen. „Ich hätte ja nicht mehr dran geglaubt, dass ihr mal zueinander findet.“ Er sah wieder zu Kaito und beugte sich erneut vor. Seine Arme legte er auf den Oberschenkeln ab und musterte den Nachbarjungen aufmerksam. „Du bist immer wie ein Sohn für mich gewesen. Als dein Vater, mein bester Freund, so plötzlich verunglückte, schwor ich mir für dich da zu sein. Dir zu helfen und zur Seite zu stehen, wenn du einen Vater brauchst. Ich hätte dir vielleicht mehr auf die Füße treten sollen, besonders in den letzten Jahren.“

Die beiden Oberschüler lauschten überrascht den Worten.

„Ich mag diese Heimlichtuerei nicht. Dass was ihr euch letztens geleistet habt, war ein starkes Stück. Und wie du dich auch die letzte Woche jede Nacht zu Aoko geschlichen hast, ist mir nicht entgangen. Dieses Versteckspiel hat nun ein Ende. Du kommst durch unsere Haustür und verlässt dieses Haus auch wieder durch diese. Shinichi macht das auch nicht anders.“

Kaito nickte unsicher. „Sagst du es meiner Mutter?“

Ginzo stutzte. „Was soll ich ihr sagen? Dass du dich über den Zimmerarrest hinweg gesetzt hast und hier warst?“ Er schüttelte den Kopf. „Ich werde ihr nichts sagen, sofern du dich natürlich an meine Regeln hältst.“

Kaito nickte.

Die Haustüre ging auf und Eri trat mit Chikage ins Haus. Wenig später erschienen die beiden im Wohnzimmer. „Da sind sie ja schon“, stellte Eri fest und deutete Chikage sich zu setzen.

Eri, die die beiden Jugendlichen skeptisch musterte, setzte sich zu Ginzo. „Ich nehme an du hast ihnen schon den Kopf gewaschen?“

Chikage strahlte hingegen äußerst erfreut. „Das ich das noch erleben darf und wie glücklich ihr beide mich damit macht. Ich hoffe doch sehr, dass es bald Enkelkinder gibt.“

Kaito und Aoko erröteten verlegen.

Eri starrte entsetzt zu Chikage und Ginzo schüttelte entschieden den Kopf. „Das haben wir schon geklärt! Keine Enkelkinder in den nächsten zehn Jahren“, verkündete er entschieden.

„Schade“, kicherte Chikage und zwinkerte den beiden zu: „Ihr müsst aber nicht wirklich zehn Jahre warten.“

„Chikage!“, ermahnte Ginzo. „Setz den Kindern keine Flausen in den Kopf.“

Kaito sah seine Mutter entsetzt an, blickte kurz zu Ginzo, der schmunzelnd seinen Kopf schüttelte und fragte vorsichtig. „Dürfen wir gehen?“

„Eins noch“, stoppte Eri ernst und sah die beiden streng an. „Was war das mit Shiro? Ran sagte, du warst der Erste bei Aoko.“

Schlagartig änderte sich die gesamte Stimmung. „Als ich dazu kam, hatte er sie ziemlich bedrängt. Ich riss ihn nur von ihr weg und schlug auf ihn ein. Erst später sah ich das viele Blut und das Aoko bewusstlos am Boden lag.“

„Warum hat er das getan? Was hat Aoko ihm denn angetan?“

Kaito senkte betroffen den Blick, dann sah er zu seiner Freundin. „Er war in dich verliebt.“ Er verschränkte ihre Finger mit den seinen. „Ich hab es nicht bemerkt.“

„Wie denn auch? Er hat mir nie ein Zeichen gegeben, dass er etwas anderes für mich fühlt als Hass“, entgegnete Aoko leise.

„Er war mein bester Freund, mir hätte das auffallen müssen.“

„So ein Quatsch, er ist ein Lügner und Schauspieler. Du hast doch gesehen was er für einen miesen Charakter hat.“

„Ist er dir nochmal begegnet?“ Eri sah ihre Stieftochter ernst an.

Aoko schüttelte den Kopf. „Kaito und meine Freunde lassen mich nicht mehr allein.“

„Sollte er sich der Strafauflage widersetzen, so sag mir das umgehend.“

Kaito sah ebenso ernst auf. „Ich lasse ihn nicht mehr in Aokos Nähe.“

„Das ist mein Sohn“, verkündete Chikage stolz. „Du wirst deinem Vater immer ähnlicher.“

Eri nickte bedächtig. „Ich muss mein Urteil über dich wohl korrigieren“, sagte sie und lächelte Kaito versöhnlich zu. „Ich bin froh, dass Aoko einen Freund wie dich hat. Sie hatte mir ja schon mal gesagt, dass sie für dich ihre Hand ins Feuer legen würde.“

Überrascht über diese Worte sah Kaito zu seiner Freundin.

Aoko fühlte sich dazu gedrängt etwas äußern zu müssen: „Schließlich kenne ich dich besser als du denkst.“

Kaito grinste. „Damit könntest du recht haben.“ Und er küsste sie, zum ersten Mal überhaupt vor ihren Eltern.

Eri und Chikage lächelten, wobei Chikage sich einen quietschigen Laut nicht verkneifen konnte. Ginzo hingegen senkte den Blick und räusperte sich.

Die Teenager lösten sich voneinander und strahlten verliebter denn je.

Ginzo stand auf: „Ihr bleibt sicherlich zum Abendessen.“ Und mit diesen Worten ging er in die Küche. Eri und Chikage würden ihm beim Kochen helfen und folgten dem Mann.

Aoko sah den Erwachsenen nach und runzelte die Stirn. Früher hatten sie und ihr Vater in der wenigen gemeinsamen Zeit zusammen gekocht.

Allerdings zog Kaito ihre Aufmerksamkeit schnell wieder auf sich. „Ich wüsste etwas wie wir die Zeit vertreiben“, grinste er sie überheblich an.

Aoko schüttelte schmunzelnd den Kopf. „Du denkst auch nur an das eine.“ Dabei stupste sie an seine Nase.

Ruckartig zog Kaito sie auf seinen Schoß und drückte ihren Unterleib auf seinen. „Ich bekomme eben nicht genug von dir.“

Sie spürte wie er wieder hart in seiner Hose wurde und fühlte ihn zu deutlich an ihrem Slip. Der Rock ihrer Schuluniform war für diese Position äußerst praktisch. Aoko saß auf ihm und tadelte flapsig, während ihre Finger sich in seinem unzähmbaren Haarschopf verfingen. „Das kannst du gleich wieder vergessen. Nicht so lange unsere Eltern nebenan sind.“

„Was du schon wieder denkst“, grinste er amüsiert. „Ich dachte eher an das hier.“ Und schon zog er sie wieder an sich und küsste sie innig.

Ran erschien im Zimmer und kicherte. „Und jetzt können sie nicht mehr die Finger voneinander lassen.“

Shinichi grinste.

Aoko und Kaito lösten sich voneinander, während Aoko ihren Blick hob und ihre Stiefschwester angrinste. „Als könntet ihr euch benehmen.“

„Oh, definitiv mehr als ihr“, lachte Ran.

Chikage erschien in der Türe und strahlte absolut erfreut. „Ach, wegen mir müsst ihr nicht so lange mit den Kindern warten.“

„Mama!“ Kaito drehte sich um, während Aoko von seinem Schoss stieg und zu Ran ging.

Chikage lachte laut auf. „Schon gut, ich habe verstanden. Ich mische mich nicht ein. Das Essen ist fertig.“

Alle aßen noch zusammen zu Abend, ehe Shinichi wie auch Kaito und Chikage sich verabschiedeten.
 

Am nächsten Morgen gingen Ran, Kaito und Aoko wieder gemeinsam zur Schule. Sie waren früher dran als sonst, denn sie hatten noch etwas wichtiges zu erledigen. Auf dem Schulhof warteten bereits die Freunde. Nach der Begrüßung teilten sie sich auf. Keiko, Hakuba und Shinichi begleiteten Aoko zum Direktor, während Ran und Kaito nach Hitomi suchten, die nicht wie vereinbart am Treffpunkt erschien.

„Wo ist sie denn?“, hakte Ran bei ihrem Nachbarn nach, der sich aufmerksam umsah war.

„Ich weiß nicht.“ Gemeinsam suchten sie das gesamte Schulgelände ab und fanden die Rothaarige letztendlich unter einem Baum sitzen.

Sie tauschten einen unsicheren Blick aus und traten auf die Mitschülerin zu. „Hey, Hitomi“, begrüßte Ran sie freundlich. „Wie geht’s dir?“

Hitomi blickte nicht auf und sagte nichts.

„Wir haben dich gesucht. Du bist nicht zum Treffpunkt gekommen.“

Hitomi wandte den Blick ab.

Ran sah unsicher zu Kaito auf, der misstrauisch Hitomi musterte.

„Du willst uns gar nicht helfen“, stellte er fest.

Ran sah überrascht zu Hitomi, die immer noch nichts sagte.

„Haben sie dich bedroht?“

Ran sah entsetzt zu Kaito auf, dann wieder auf das Mädchen hinab.

Hitomi rührte sich, sie blickte wütend zu ihm auf. „Warum sollte ich euch helfen?! Immerhin hat Aoko meine Beziehung zerstört! Ich hatte nie vor ihr zu helfen. Besser wäre es für uns alle gewesen, sie hätte die Schule gewechselt.“

Kaito trat auf Hitomi zu und riss sie an ihrem Arm hoch, damit sie vor ihm stehen blieb. „Sag so etwas nie wieder“, knurrte er. „Shiro hat dich nicht geliebt, da kann Aoko aber nichts dafür. Das eure Beziehung nicht mehr ist, hast du allein deinem Ex zu verdanken! Aoko hat dir nie etwas getan und sie hat das nicht verdient!“

Hitomi riss an ihrem Arm, versuchte sich seinem festen Griff zu entziehen, aber sie schaffte es nicht. Mit Tränen in den Augen blickte sie zu ihm auf.

„Was haben sie dir angedroht?“, wiederholte Kaito dieses Mal fordernder. „Glaubst du nicht, dass du es mit uns jetzt beenden könntest? Wenn du auspackst kann der Direktor handeln.“

Hitomi fasste sich plötzlich und funkelte Kaito hämisch an. „Zu schade, dass ihr keinerlei Beweise habt und ohne meine Hilfe habt ihr überhaupt nichts.“

Kaito lockerte entsetzt seinen Handgriff und starrte Hitomi fassungslos an.

„Ihr könnt absolut nichts machen“, zischte Hitomi bösartig, schüttelte Kaitos Hand ab und drehte sich um.

Ran hörte fassungslos zu, rührte sich nun und rief der Rothaarigen hinterher: „Dass du dich überhaupt noch im Spiegel ansehen kannst!“

Hitomi blieb kurz stehen, lachte kurz auf und ging weiter.

Entmutigt suchten die beiden nun auch das Büro des Direktors auf und lauschten dem Gespräch der Freunde.
 

Ganz gefasst und ruhig hörte Direktor Hayato den Erzählungen. „Das sind schwerwiegende Vorwürfe. Haben Sie auch Beweise?“

Aoko schüttelte den Kopf. „Bis auf die Drohungen nichts. Aber Hitomi kann alles bestätigen.“ Erst jetzt sahen alle auf und sahen Ran und Kaito im Büro, ohne Hitomi. „Wo ist sie?“

Ran senkte den Kopf, während Kaito brummte. „Sie kommt nicht. Hat einen Rückzieher gemacht.“

Direktor Hayato sah seine Oberschüler mitleidig an. „Tut mir leid, solange ich keine Beweise vorliegen habe, kann ich nichts machen.“

Die Gruppe stand auf, bedankte sich für die Zeit und verließ geknickt das Büro.

Jeder ging schweigend in seinen Klassenraum und überlegte für sich, wie er all das nur beweisen könnte. Denn eines stand fest, solange sie diesen nicht in Händen hielten, würden Akako und Shiho ungestraft davon kommen.

Kaito schob Aoko einen Zettel zu. Überrascht faltete diese die Notiz auf und las die wenigen Worte. Was auch immer passiert, es ist nicht so wie es aussieht!

Aoko blickte zu ihrem Freund, runzelte fragend die Stirn und wusste nicht was sie mit dieser Nachricht anfangen soll. Jedoch äußerte sich Kaito nicht weiter, weder nach der Schulstunde noch nach der Schule. Somit blieb ihr nichts anderes als zu abzuwarten.

Kapitel XLV - Winterball

Die Tage zogen ins Land. Akako, wie auch Shiho verhielten sich ausgesprochen still. Aoko kam es vor als wäre dies die Ruhe vor dem Sturm. Wobei natürlich das Augenmerk der beliebtesten Schülerinnen auf dem kommenden Winterball lag. Es ging um die Wahl zur Ballkönigin und Akako wollte um jeden Preis gewinnen. Aoko sollte sich damit eigentlich zufrieden geben, aber ein inneres Alarmsignal regte sich mehr und mehr, je näher dieser Ballabend kam.

Aoko und Ran betraten das Haus und wurden von einer glücklichen Eri empfangen. „Kommt schnell her! Die Fotos der Hochzeit sind endlich gekommen.“

Die drei Frauen versammelten sich im Wohnzimmer und stöberten durch die Fotos und das Fotoalbum, die schöne Erinnerungen an einen wundervollen Tag hervorriefen. Ran hielt die Brautjungfernfotos in den Händen, auf denen sie mit Shinichi und Kaito zu sehen waren, wie auch pärchenweise. Sie war hin und weg von den wunderschönen Fotos und entschied Shinichi eines davon zu Weihnachten zu schenken – sie müsste nur noch einen wunderschönen Bilderrahmen besorgen. Mit einem neckischen Grinsen reichte sie Aoko die Fotos mit Kaito. „Und du wolltest mir damals wahrhaft verklickern, dass er nicht in dich verliebt ist?“

Aoko betrachtete die Fotos aufmerksam und diese knisternde Anspannung, die zu dem Zeitpunkt der Fotoaufnahme schon deutlich zu spüren war, wurde auf dieses Bild regelrecht übertragen.

Eri seufzte in Erinnerung schwelgend. „Es war ein wundervoller Tag.“ Doch plötzlich stutzte sie. „Mädchen, ihr müsst euch fertig machen. Wir müssen schon bald los.“

Aoko stand auf und ließ die Fotos bei Eri, die noch weiter durch die Bilder blätterte.

Beide Oberschülerinnen zogen sich in ihre Zimmer zurück und bereiteten sich auf den Abend vor. Anders als auf der Hochzeit trugen sie dieses Mal ihre Haare offen.

Ran trat als erstes in den Flur und Eri musterte sie aufmerksam. „Du siehst wieder mal wunderschön aus.“ Ran zog sich eine Jacke über und beide warteten auf Aoko. Diese kam auch herunter, schlüpfte in ihre Jacke und grinste ihre Stiefmutter und Stiefschwester an. „Fertig, wir können los.“

Eri nickte, zog sich ebenfalls ihre Jacke an und strich Aoko über die Wange. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich euch so auf die Jungs los lassen kann.“

„Shinichi und Kaito kennen unsere Kleider schon“, lachte Ran und öffnete die Haustüre. Überrascht sah sie Kaito in seinem anthrazitfarbenen Anzug vor der Türe stehen, den Finger auf Klingelknopfhöhe haltend.

Auch er blickte überrascht auf, dann grinste er. „Wusste gar nicht, dass du hellsehen kannst.“

„Oh, ich kann noch viel mehr als das“, flachste Ran und trat an ihrem Nachbarjungen vorbei.

Auch Eri trat nun heraus und begrüßte Kaito freundlich. „Guten Abend, Kaito.“

„Guten Abend“, begrüßte Kaito charmant und deutete eine Verbeugung an.

Zuletzt trat Aoko heraus und der Oberschüler musterte seine Freundin aufmerksam. „Ich dachte, wir waren uns einig.“

„Einig in was?“, sah Aoko überrascht auf.

„Du ziehst einen Kartoffelsack an?“

Sie lachte plötzlich. „Ja klar, du Spinner.“

Er beugte sich zu ihr vor und raunte: „Ich hab das ernst gemeint.“

Aoko ließ sich nicht einschüchtern: „Ich weiß! Ich hab es auch ernst gemeint.“ Sie drückte ihm ein Küsschen auf die Wange, zog die Haustüre zu und schnappte sich im nächsten Moment seine Hand. Gemeinsam gingen sie den Weg zum Gehsteig und stiegen wenig später in Eris Auto. Dann fuhren sie zur Schule.

„Wie kommt ihr nach Hause?“, hakte Eri nach. „Holt Chikage euch ab?“

Kaito stimmte zu. „Ja, und wir nehmen Shinichi nachher auch noch mit. Er übernachtet bei mir.“

Eri nickte. Dann hielt sie vor der Schule und ließ die Oberschüler aussteigen. „Ich wünsche euch einen wunderschönen Abend.“

„Danke“, antworteten die Drei wie aus einem Mund und sahen Eri nach, die auch schon wieder los fuhr.

Ran konnte es kaum erwarten, denn sie entdeckte Shinichi der am Schultor wartete. Ein kurzer Blick nach rechts und ein Blick nach links die Straße entlang, dann rannte sie schnell über die Straße und ihrem Freund in die Arme.

Kaito hielt Aoko zurück. „Ich hab noch etwas für dich“, sprach er geheimnisvoll und zog im nächsten Moment ein Blumenarmband hervor und half Aoko es anzuziehen.

Mit großen strahlenden Augen, beobachtete sie die Bewegungen und küsste ihn dankbar.

Kaum löste sie sich von ihm, flüsterte er sehr ernst: „Vertraust du mir?“

Überrascht hielt Aoko inne. „Ja“, antwortete sie zögerlich und verwirrt.

„Bitte, Aoko, es ist mir sehr wichtig! Vertraust du mir?!“

„Ja“, kam es nun fester. „Aber warum...“

„Sollte heute irgendwas geschehen was dein Vertrauen zu mir erschüttert, urteile nicht voreilig. Ich werde dir alles erklären!“

„Ich versteh nicht...“, doch dann stutzte sie und sah ihn misstrauisch an. „Was hast du vor?“

Er schüttelte den Kopf und lehnte seine Stirn an ihre. „Ich habe nur ein ungutes Gefühl“, murmelte er, dann löste er sich von Aoko und umfasste ihre Hand. Auch sie überquerten die Straße, nachdem sie sich versichert hatten, dass diese auch frei war, und schlossen zu Shinichi und Ran auf. Auch Ran trug inzwischen ein Blumenarmband an ihrem Handgelenk und die Jungs begrüßten sich mit ihrem eigenen Handschlag.

Ran zwinkerte Aoko zu. „Wir sollten uns auch mal einen eigenen Gruß zulegen.“

Shinichi beugte sich zu ihr. „Also mir reicht unser Begrüßungskuss.“ Und schon platzierte er seine Lippen auf Rans.

Aoko lästerte: „Und zu uns sagen sie ständig wir können die Finger nicht voneinander lassen.“

Kaito legte grinsend seinen Arm um Aokos Schulter und schob sie zur Turnhalle, in welcher der Winterball stattfand.

Shinichi löste sich von seiner Freundin und folgte mit ihr dem anderen Paar.
 

Die Turnhalle war bunt geschmückt. Luftballons schwebten an der Decke. Ein DJ sorgte für die Musik. Das große Hallenlicht war abgestellt, dafür sorgten bunte Scheinwerfer für angenehme Lichtverhältnisse. An den Seiten standen viele Tische, aufgebaut mit Stühlen drum herum oder Stehtische. Überall waren Schüler. Viele tanzten zur Musik, holten sich am großen Buffet etwas zu essen, saßen oder standen zusammen und unterhielten sich. Alle anwesenden Oberschüler und Lehrkräfte amüsierten sich auf dem Winterball.

Aoko suchte in der Menge nach ihrer besten Freundin. Kaum entdeckt, zog sie Kaito mit sich. Die Freundinnen fielen sich in die Arme.

Kaito, der sich ebenfalls nach bekannten Gesichtern umsah, bemerkte erst nicht wie Hakuba sich ihnen näherte und Keiko ein Getränk reichte. „Hey, Aoko, gut siehst du aus.“ Er nickte auch Kaito zu: „Kuroba.“

Aokos Freund drehte sich dem Halbjapaner zu und nickte zurück. Dann beugte er sich zu Aoko: „Ich hab ein paar Kumpels entdeckt. Ich bin gleich wieder zurück.“ Schon drehte er sich um und ging auf eine Gruppe Fußballer zu und begrüßte diese.

Die Freunde sahen ihm überrascht nach und Aoko schluckte. Warum nahm er sie nicht mit und stellte sie endlich seinen Freunden vor? Das Fünkchen Misstrauen in ihr schwoll an. Sie schüttelte ihren Kopf über diese dummen Gedanken, denn wenn er es nicht ernst meinen würde, warum hatte er sich dann vor ihren Eltern zu ihr bekannt? Warum kümmerte er sich um sie in der Schule und suchte ständig ihre Nähe?

„Sehr schönes Kleid“, zog Keiko die Aufmerksamkeit ihrer Freundin wieder ihnen zu. „Kein Wunder, dass Kaito auf der Hochzeit über dich hergefallen ist.“

„Du siehst auch wunderschön aus“, gab Aoko das Kompliment zurück und stieß ihren Ellbogen in Sagurus Bauch. „Ich hoffe sehr, dass du sie auf Händen trägst!“

Der Halbjapaner grinste zurück und legte seinen Arm um Keiko. „Nicht nur das.“ Sein Blick glitt zu den Fußballern. „Und Kaito?“

Aoko sah unsicher zu ihrem Freund, der sich amüsiert mit den Fußballern unterhielt.

„Hör mal, wenn du denkst er nutzt dich aus, dann bin ich der erste, der sich diesen Idioten zur Brust nimmt.“

Sie schüttelte den Kopf. „Es ist alles in Ordnung.“

Plötzlich verstummte die Musik und Direktor Hayata trat auf eine provisorisch aufgebaute Bühne. Er griff sich ein Mikrofon und begrüßte die Schülerschaft, wie auch die Lehrer. „Herzlich Willkommen auf unserem diesjährigen Winterball. Ein besonderer Dank geht an das Komitee, welches sich um die gesamte Vorbereitung kümmerte um diesen Abend überhaupt erst zu ermöglichen. Bevor wir uns weiter dem Vergnügen widmen, gibt es noch eine wichtige Verkündung und zwar die Wahl unseres diesjährigen Winterballkönigspaar.“ Er zog einen Briefumschlag aus seiner Jackeninnentasche hervor und öffnete diesen. „Unser diesjähriger Ballkönig mit nur einem sehr knappen Vorsprung ist...“, er hielt inne sah in die angespannten Gesichter der Schülerschaft und verkündete: „Kuroba Kaito. Herzlichen Glückwunsch!“

Aoko starrte überrascht zu ihrem Freund hinüber, der immer noch bei seinen Fußballkumpels stand und gerade beglückwünscht wurde. Schon wurde er von den Jungs zum Direx geschoben wurde, während alle Schüler in tosendem Applaus verfielen. Aoko hatte in den letzten Wochen diese gesamte Ballvorbereitungszeit ausgeblendet oder ignoriert. War einzig und allein dankbar, dass ihre schlimmsten Befürchtungen nicht wahr wurden und hegte so langsam die Hoffnung, dass es wirklich vorbei war, ihr Albtraum endlich geendet hatte. Ihre Augen folgten ihrem Freund, der durch die Masse geschoben wurde, dabei von sämtlichen Oberschülern angesprochen wurde, die Mädchen begeistert quietschten und ihm hier und da ein Küsschen auf die Wange drückten. Auch wenn Kaito offiziell zu ihr stand und ihr auch in der Schule nicht mehr von der Seite wich, so spürte Aoko in diesem Moment zu deutlich, dass keine Mitschülerin sie an Kaitos Seite ernst oder überhaupt wahr nahm.

„Dass er nach allem immer noch so beliebt ist.“ Keiko schüttelte ihren Kopf. „Gerade nach den Fotos hätte sein Ruf einen Knacks bekommen müssen.“

Hakuba beobachtete besorgt Aoko, korrigierte aber seine Freundin: „Kaito kam bei den Fotos perfekt weg. Seinem Ruf hat das keineswegs geschadet. Aoko war die Leidtragende und wurde beschimpft oder geschnitten.“

Inzwischen stand Kaito beim Direktor und Frau Konno, eine Lehrerin und die stellvertretende Leitung der Schule, setzte ihm die Krone auf.

Der Direktor gratulierte dem diesjährigen König und wandte sich wieder der Schülerschaft zu. „Und nun, meine lieben Damen, kommen wir zu unserer diesjährigen Ballkönigin. Wie es Tradition ist, wird der König seine Königin zum ersten Tanz auffordern und dabei die Tanzfläche offiziell eröffnen. Nun bleibt nur noch die Frage: Wer ist die glückliche Dame, die an der Seite diesen gutaussehenden jungen Mann stehen wird?“ Er pausierte mit Absicht um wieder eine künstliche Spannung zu erzeugen, jedoch warteten sowieso alle Mädchen bereits mit anhaltendem Atem. Jede Oberschülerin wünschte sich an Kaitos Seite, als die diesjährige Winterballkönigin. „Unsere diesjährige Ballkönigin ist Koizumi Akako. Herzlichen Glückwunsch!“

Alle Schüler applaudierten wieder, während Aoko sich wie im falschen Film vorkam. Wie konnte Akako nur Ballkönigin werden? Doch im nächsten Moment schüttelte sie über sich selbst den Kopf. Akako war für alle Schüler in diesem Raum immer noch das Idol.

Direktor Hayata setzte Akako die Krone auf und deutete mit einer Handbewegung in den Saal.

Kaito lächelte Akako an, beglückwünschte sie und reichte ihr seine Hand um sie zwischen den Schülern zur Mitte der Turnhalle zu führen.

Aoko, die mit Keiko und Saguru sowieso seitlich am Rand stand, musste nicht zur Seite gehen, während die Schüler einen Gang bildeten und sich anschließend um das Ballkönigspaar versammelten.

Kaito nahm Tanzhaltung an, zog Akako in seine Arme und gemeinsam warteten sie auf die ersten Takte der Musik, ehe er Akako in einen Walzer führte. Und wie auf der Hochzeit schon mit Aoko, lenkte er Akako durch den Tanz, als würden sie den ganzen Tag nichts anderes machen. Das gesamte Lied gehörte nur ihnen allein und die Aufmerksamkeit aller Anwesenden lag auf diesem Paar, welches ein überaus gutes Bild abgab. Und wie Akako Kaito anstrahlte, zeigte nur zu deutlich, dass sie noch an ihm interessiert war. Was Aoko aber noch einen fieseren Stich verpasste, war seine Reaktion. Denn ihr Freund konzentrierte sich komplett auf Akako und lächelte sie unentwegt an.

Eine Ewigkeit verging bis das Lied endlich endete, aber Kaito und Akako blieben zusammen auf der Tanzfläche und warteten auf das nächste Lied, während sich ihre Mitschüler um sie herum versammelten um ebenso das Tanzbein zu schwingen.

Saguru und Keiko fanden sich ebenso auf der Tanzfläche ein, wie auch Shinichi und Ran. So beschloss Aoko sich etwas zu Trinken zu holen. Und mit dem Getränk in der Hand beobachtete sie das tanzende Paar inmitten der anderen Paare, wie sie sich amüsiert unterhielten. Sie wusste nicht ob es eine trügerische Täuschung war oder ob Kaito Akako wirklich enger als unbedingt nötig an seinen Körper herangezogen hatte. Das Misstrauen in ihr wuchs stetig an. Es nagte in ihr, ließ sie an seinen Worten und Gefühlen für sie zweifeln.

Unbemerkt trat Hitomi an Aoko heran und auch Shiho stellte sich an ihre andere Seite. „Wie muss sich dieser Verrat nur anfühlen?“

Aoko schluckte, versteifte sich kaum merklich.

„Du hast Shiro nicht glauben wollen, dabei war er nur ehrlich zu dir“, bemerkte Shiho.

„Etwas zu ehrlich“, murrte Hitomi immer noch verletzt.

„Du musst damit klarkommen, dass er für Aoko mehr empfindet“, wies Shiho eiskalt Hitomi in ihre Schranken.

Hitomi hingegen sah wütend auf.

Aokos Augen hingen die gesamte Zeit an Kaito. Akako näherte sich seinem Ohr, flüsterte ihm etwas zu und schon verschränkte Kaito seine Hände mit Akakos und zog sie durch die tanzende Paare aus der Turnhalle hinaus.

Shiho nickte Hitomi zu und beide Mädchen schnappten sich je einen Arm von Aoko und zogen sie ebenfalls mit sich mit.

„An deiner Stelle wäre ich jetzt sehr ruhig, Nakamori“, warnte Shiho und Hitomi nickte zustimmend. „Nun erfährst du die ganze Wahrheit.“

Aokos Herz raste in ihrer Brust. Sie hatte Angst davor was sie nun erwarten würde. Sie führten Aoko in ein Klassenzimmer und zu einer anderen Türe, auf der gegenüberliegenden Seite. Sie öffneten diese. Überrascht erkannte Aoko den Schulflur, in dem Kaito über sie hergefallen ist. Kaito und Akako standen genau an der Stelle, wo sie selbst vor einigen Wochen mit Kaito stand. Und erst jetzt fiel ihr auf wie der Winkel von diesem Standpunkt aus war. Von hier entstand also das Foto. Sie hatten einen guten Blick auf das Paar im Flur und verstanden hier auch sehr genau worüber die beiden redeten. So konnten sie damals auch ungesehen kommen und verschwinden.

„Woher soll ich wissen, dass du es ernst meinst?“

„Ich bitte dich, Akako, dass mit Nakamori und mir hat doch keine Zukunft.“

„Also hast du es dir doch nochmal überlegt?“, wagte Akako einen hoffnungsvollen Einwurf.

Kaito beugte sich zu ihr vor. „Würde ich sonst hier stehen?“ Akako sprang ihm um den Hals, aber er löste sich von ihr. „Ich hab es immer noch nicht verstanden, wie du es geschafft hast, Aoko eins auszuwischen.“

Akako kicherte. „Dummerchen, das war doch ein Kinderspiel. Nakamori hat es mir ja auch viel zu leicht gemacht.“ Sie lehnte sich an der Wand an und verschränkte selbstgefällig ihre Arme vor der Brust. „Es war so leicht ihr die Drohungen ins Fach zu legen. Shiho kümmerte sich darum, während ich das weitere Vorgehen plante. Dummerweise war sie überhaupt nicht einsichtig. Ich dachte sie hätte es dieses Mal eher verstanden, als beim letzten Mal, ich meine selbst die andere hat es geschnallt.“ Und Akako erzählte ihm alles. Jeden einzelnen Schritt von der Planung bis zur Ausführung. Jede kleinste Gemeinheit gegenüber Aoko und dem anderen Mädchen. Sie ließ nichts aus, weder aus der Anfangsoberstufenzeit, wie auch die Erlebnisse der letzten Wochen. Und auch verschwieg sie nicht, dass Shiro jemanden organisierte, der das Bremskabel des Wagens zerschnitt.

Aokos Vater wurde die damalige Fahrt zur Arbeit zum Verhängnis. Ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Wenn die Umstände etwas anders gewesen wären, hätte Aoko nach dem Unfall ihres Vaters zur Vollwaisen werden können. Ob das diesen verzogenen Mädchen überhaupt bewusst war? Ihre Augen trafen auf Shiho und Hitomi, die ebenso schweigend neben ihr standen und zuhörten. Aoko kämpfte mit den Tränen. Alles, was ihnen Hitomi bereits erzählte, nochmal ausgeschmückter und detaillierter aus Akakos Mund zu hören, traf sie sehr. Aber das Verhalten ihres Freundes verletzte sie umso mehr. Seine Augen klebten an Akako, er hörte schweigend zu und unterbrach sie nicht ein einziges Mal. Aoko musste ihren Blick abwenden.

„Sieh hin, jetzt wird es doch erst richtig spannend“, zischte Shiho hämisch.

Aoko folgte der Aufforderung nur zögerlich, aber was sie nun sah, ließ sie schluchzen.

Akako endete mit ihrer Erzählung und schmiegte sich an Kaito. „Ich wusste, dass du noch zur Vernunft kommst.“ Im nächsten Moment drückte sie ihm einen Kuss auf die Lippen.

Für Aoko war das aber zu viel. Sie stürmte ohne nachzudenken aus ihrem Versteck und rannte den Gang entlang.

Kapitel XLVI - Vorbei

Aoko rannte mit Tränenüberströmten Gesicht aus dem Schulhaus hinaus und auf den großen nur spärlich beleuchteten Schulhof. Wie entsetzt Kaito ihr nachstarrte als sie davon rannte, bekam sie nicht mit. Wie denn auch, wenn er in ihrem Rücken stand und ihr die Augen von Tränen verschleiert wurden.

Die Nacht hüllte alles in Dunkelheit, abgesehen davon sah Aoko durch die Tränen eh nicht sonderlich viel. Sie wollte nur raus. Weg von Akako, weg von diesen falschen Schlangen und weg von Kaito. Wie konnte er sie nur so hintergehen? Sie achtete nicht auf den Weg und stieß schlagartig mit einer Person zusammen, die sie vermutlich nicht einmal wahrgenommen hätte, wäre sie normal über den dunklen Hof gegangen.

„Hoppla!“

Diese Stimme trieb ihr einen schockierenden Schauer über den Rücken. Ein fester Griff umfasste ihre Schultern und das hämische Grinsen spürte sie zu deutlich, auch wenn sie es nicht wirklich erkennen konnte. Ängstlich blickte sie auf, versuchte sich aus den starken Händen zu befreien, aber der junge Mann ließ sie nicht los. „Shiro“, ihre Stimme versagte ihr.

„Hallo, meine Schöne! Hast du mich vermisst?“

Aoko starrte ihren Erzfeind ängstlich an, dann versuchte sie ihr kleines bisschen Selbstsicherheit noch zusammen zu kratzen und sah ernst auf: „Ganz sicher nicht!“ Die Oberschülerin versuchte sich wieder zu befreien. Aber sein Griff war eisern. Ihre Nase lief von der Heulerei, aber sie kam mit ihrer Hand nicht hin, also zog sie gar nicht ladylike die Nase hoch.

„So ein hübsches Gesicht voll mit Tränen. Hast du es endlich kapiert, dass dein Kaito die Intrigen spinnt? Er ist doch Schuld an deinen Tränen, nicht wahr?“ Shiro sah sie eindringlich an. „Tja, ich wäre wohl die bessere Wahl gewesen, aber du wolltest es ja nicht sehen.“

Aoko schüttelte angewidert den Kopf.

„Nakamori, ob du es mir glaubst oder nicht, ich hätte dich auf Händen getragen, aber du wolltest ja lieber den Bad Boy.“ Er seufzte gespielt auf und drückte ihr noch eins rein. „Das alles hätte ganz anders ausgehen können. Aber du scheinst immer die harte Tour zu bevorzugen.“

„Du darfst gar nicht hier sein“, erwiderte Aoko. „Und du darfst mich nicht einmal berühren.“

Er lachte überheblich auf. „Glaubst du ernsthaft, eine gerichtliche Auflage würde mich davon abhalten Rache zu nehmen?“

„Rache?“ Aoko starrte ihn mit großen ängstlichen Augen an.

Er beugte sich zu ihr und sein Atem streifte ihre Lippen: „Dieses Mal kommst du mir nicht davon. Ich werde mir nehmen was mir zu steht.“ Und schon presste er seine Lippen auf ihre und drückte seinen kräftigen, starken Körper gegen ihren. Hart und gefühllos bohrte sich seine Zunge zwischen ihre zusammengepressten Lippen hindurch.

Aoko wurde schlagartig schlecht. Sie wusste sich nicht anders zu helfen und biss ihn auf die Zunge, dass Shiro sich schmerzverzerrt und ruckartig von ihr löste. Um seinen ekligen Geschmack los zu werden, spuckte Aoko ihn an. Ein Fehler, wie ihr in diesem Moment bewusst wurde, denn schon landete eine Hand fest und ordentlich platziert auf ihrer Wange. Von dem festen Schlag wurde ihr Kopf zur Seite geschleudert. Und durch den wuchtigen Aufprall verlor sie ihr Gleichgewicht und stolperte, ehe sie hinfiel.

„Du miese kleine Schlange“, schimpfte er und setzte ihr sofort nach, als er aber ruckartig von ihr weggezogen wurde und sich zwei Oberschüler in seinen Weg stellten.

„Bist du wahnsinnig?!“, hakte Shinichi entsetzt und wütend zugleich nach. „Du hast ein Annäherungsverbot. Dir ist klar, was das für Konsequenzen nach sich zieht?“

Shiro lachte gehässig. „Du weißt genau, dass mein Alter mich da raus haut.“

„Damit kommst du nicht durch!“, drohte Makoto hinter Shiro, der ihn wieder mal fest im Griff hatte und ihn nicht mehr loslassen würde. „Du kannst dich nicht immer auf deinen Vater raus reden.“

„Das sehe ich genauso“, sprach Direktor Hayata plötzlich. „Sofern ich mich erinnere hab ich Sie dieser Schule verwiesen. Sie haben keinerlei Berechtigung sich hier aufzuhalten.“ Er gab ein Handzeichen und jemand löste sich etwas von der Gruppe und telefonierte kurz darauf mit der Polizei.

Unbemerkt traten Shiho, Akako, Hitomi und Kaito hinzu.

„Was hast du Aoko angetan?!“, knurrte Hakuba, der neben Shinichi stand und die Freundin vor Shiro abschirmte.

Dieser lachte wieder gehässig. „Ihr seid leider zu früh gekommen, sonst hätte ich noch etwas ganz anderes mit ihr gemacht.“

Aoko, die verwirrt alles verfolgte, rappelte sich nun auf. Dann trat sie zwischen ihren Beschützern hindurch und baute sich vor Shiro auf. „Du krankes Schwein! Eri wird dich ins Gefängnis bringen!“

„Deine Stiefmutter?“, lachte Shiro. „Die hat doch keine Chance. Jeder Richter kennt meinen Dad.“

Aoko setzte an um auf Shiro loszugehen, da wurde sie von Hakuba zurückgehalten.

Direktor Hayata baute sich vor dem ehemaligen Oberschüler auf. „Ich kann Ihnen versichern, dass Sie für solch schändliches Verhalten zur Rechenschaft gezogen werden.“

Von weitem näherten sich Polizeisirenen und wenig später hielt der Streifenwagen vor der Schule. Keine halbe Stunde später wurde Shiro in Handschellen abgeführt.

Mehr und mehr Schüler hatten sich zwischenzeitlich in dem von dem Blaulicht beleuchteten Schulhof versammelt und erst jetzt entdeckte Aoko Ran, Sonoko und Keiko, die unmittelbar neben Herrn Hino stand, der die Polizei verständigt hatte. Ihr Blick fiel auf Kaito und Akako und sofort stiegen ihr wieder die Tränen in die Augen.

Kaito trat entschlossen vor und stellte sich neben Direktor Hayata. „Akako hat ein volles Geständnis abgelegt und Shiho wie auch Hitomi und Shiro belastet.“

Der Schuldirektor stutzte. Aoko starrte ihren Freund fassungslos an.

Akako begann zu lachen. „Ich weiß nicht wovon er spricht“, widersprach Akako sofort. Dennoch warf sie einen finsteren Blick zu Kaito und dann unmittelbar auch zu Aoko.

Kaito blickte über seine Schulter zu seiner Ex-Freundin zurück und zog aus seiner Jackentasche ein Diktiergerät heraus. Er reichte es dem Direktor. „Es war zwar ein mieser Trick, dennoch wirksam.“ Seine Augen fixierten Akako, der alles vom Gesicht fiel. Dann suchte Kaito Aokos Augen. „Entschuldige bitte, dass ich dir nichts von diesem Vorhaben erzählt habe.“

Die Oberschülerin sah ihn immer noch fassungslos an. Ihre Wange brannte wie Feuer und ihr Kopf schmerzte. Sie schmeckte immer noch Shiro in ihrem Mund, was ihren Bauch zusätzlich rebellieren ließ und Ekel in ihr aufstieg.

Direktor Hayata drückte einen Knopf und sofort ertönte Akakos Stimme, die von ihren Schandtaten berichtete. Seine Augen wanderten zu den drei Mädchen, denen sämtliche Gesichtszüge entglitten. „Für Sie ist die Party für heute vorbei. Ich werde Ihre Eltern hierher einberufen. Sofort in mein Büro!“

„Aber...“, versuchte Akako einen Einwurf, doch der Direktor schüttelte vehement seinen Kopf.

„Frau Konno und Herr Hino, begleiten Sie bitte diese drei Damen in mein Büro. Ich komme sofort nach.“

Die beiden besagten Lehrkräfte folgten der Aufforderung umgehend.

„Das wirst du bereuen, Kuroba“, fauchte Akako wütend. Dann starrte sie Aoko nieder. „Wir sind noch lange nicht fertig, Nakamori!“

„Das denke ich schon“, erwiderte Direktor Hayata streng und drehte sich dem betroffenen Mädchen zu. „Sie haben wirklich gute Freunde! Und hier ist also der bisher fehlende Beweis.“ Dabei sah er auf das Diktiergerät in seiner Hand. „Gehen Sie zur Schulschwester und lassen Sie sich ein Kühlpack für Ihre geschwollene Wange geben.“ Direktor Hayata drehte sich der restlichen Schülerschaft zu. „Die Party findet in der Turnhalle statt, nicht hier draußen! Bitte gehen Sie alle wieder rein.“

Die Freunde blieben letztendlich alleine auf dem Schulhof zurück und sahen sich einander an.

„Es ist vorbei“, flüsterte Keiko und ein Stein fiel ihr vom Herzen.

Hakuba, der immer noch Aoko im Arm hielt drückte sie erleichtert. Schon hauchte er ihr einen Kuss auf den Haarschopf. „Es ist vorbei“, wiederholte er die Worte seiner Freundin.

„Danke, für alles“, flüsterte Aoko, die es immer noch nicht glauben konnte und drückte sich fester an die Brust des Halbjapaners.

Saguru löste sich von ihr und trat auf Keiko zu, um diese fest in die Arme zu schließen.

Auch Shinichi trat auf Aoko zu und umarmte sie. Er flüsterte: „Kaito hat dich nicht verletzen wollen. Aber wir hielten es für besser dir nichts zu sagen. Akako hätte sonst niemals alles gestanden.“

Aoko riss ihre Augen auf.

Shinichi löste sich von ihr und trat auf Ran zu, die sich sofort an ihren Freund kuschelte.

Makoto kam näher.

Aoko sah auf: „Ich danke dir, du hast mir zum zweiten Mal geholfen und das obwohl wir uns gar nicht richtig kennen.“

Makoto winkte ab, drückte ihr die Schulter und ging zu Sonoko, um seinen Arm um sie zu legen.

Aoko lächelte ihre Freunde an, die sich alle zu Pärchen zusammen fanden und inzwischen zu ihren besten Freunden zählten. „Danke!“

Ran nickte. „Du solltest jetzt zur Schulschwester, deine Wange muss doch weh tun.“

Aoko nickte und sah unsicher zu Kaito, der etwas Abstand hielt und sie einfach nur ansah.

„Wir sehen uns später“, bemerkte Sonoko und ging mit Makoto zurück zum Ball. Die anderen beiden Pärchen folgten und ließen Aoko und Kaito allein zurück.

„Aoko.“

„Du hast das alles geplant? Deswegen die Nachricht vor ein paar Wochen und die Frage ob ich dir vertraue?“

Er nickte niedergeschlagen, schien zu spüren, dass es dieses Mal nicht so leicht würde.

„Warum hast du es mir nicht gesagt?“

„Akako hätte es dir angesehen.“ Er sah sie eindringlich an. „Sie hätte mir dieses Schmierentheater nicht geglaubt. Du hättest dich niemals so verstellen können.“ Er trat auf sie zu. „Ich habe dich sehr verletzt und das tut mir unendlich leid.“

„Sie hat dich geküsst“, hauchte sie kraftlos.

„Ich habe meinen Kopf weggedreht. Es war nur der Mundwinkel.“

„Wie soll ich dir überhaupt noch glauben?“, fragte sie und die Tränen traten ihr wieder in die Augen. Je näher er ihr kam, desto mehr wich sie zurück.

Er sah sie geknickt an. „Ich habe dich nicht angelogen.“

„Du hast mir sehr, sehr weh getan“, flüsterte Aoko und die schlimmsten Minuten ihres Lebens zogen blitzartig vor ihrem inneren Auge vorbei. Kaito, der mit Akako so vertraut wirkte und abfällig über sie, seine Freundin, die er angeblich liebte, sprach. Es hatte sie tief verletzt.

„Aoko“, flehte er. „was ist mit ... uns?“

Sie drehte sich von ihm weg und ging ein paar Schritte davon, dann blieb sie nochmal stehen. „Ich muss mir selbst erst einmal die Frage stellen, ehe ich sie dir beantworten kann.“ Alleine ging sie zur Schulschwester, erhielt dort ein Kühlpack und ließ ihre Eltern anrufen, damit sie jemand abholte. Die Lust auf Feiern war ihr vergangen. Ran würde mit Kaito mitfahren, sie wollte ihrer Schwester nicht noch mehr den Abend verderben, als es sie es eh schon getan hatte.
 


 

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„Hey, Ahoko, du lahme Schnecke“, lachte Kaito und Aoko rannte ihm wie jeden Morgen zur Schule nach, versuchte ihn zu fangen.

Auf dem Schulhof der Grundschule trafen sie auf Shiro, der bereits auf Kaito wartete. „Aho, versuchst du wieder Kaito zu fangen? Das schaffst du doch nie!“

„Blödmann“, grummelte Aoko beleidigt und verschränkte ihre Arme vor der Brust.

„Selber Blödmann“, erwiderte Shiro und streckte ihr die Zunge raus. „Mädchen sind so was von doof.“ Er drehte sich seinem Freund zu. „Wollen wir Fußball spielen?“

Unsicher sah Kaito zwischen seinen Freunden hin und her. „Spielst du mit, Aoko?“

„Lass doch die dumme Kuh. Die trifft den Ball ja nicht mal wenn er direkt vor ihr liegt.“

„Glaubst du?!“ Aoko krempelte sich die Ärmel hoch und blickte ihm ehrgeizig entgegen. „Dir werde ich es zeigen!“

Shiro baute sich vor ihr auf: „Wir werden ja sehen. Immerhin bist du ein Mädchen und die können ja nichts.“

„Du bist so blöd“, fauchte Aoko.

Kaito stellte sich zwischen seine Freunde und versuchte die beiden zu beruhigen. „Wir können ja spielen, aber bitte nicht streiten.“ Doch er wurde schlichtweg ignoriert.

„Ich hasse dich“, fauchte Aoko Shiro an.

„Ich hasse dich“, erwiderte Shiro ebenso ehrlich. „Du dumme Gans. Mit dir will ich nicht spielen.“

Beide streckten sich nochmals herzhaft die Zunge entgegen und dann gingen sie jeder in eine andere Richtung.

Kaito blieb stehen und wusste nicht, wem er von beiden nachgehen sollte.
 

~~~***~~~´*`~~~***~~~
 

Im Sportunterricht sollten sie alle ihr Talent am Pferd zeigen. Dazu wurde ein Parcour aufgebaut, Sprungbrett, Pferd, dünne Matte. Die Mädchen und die Jungen kamen dem Alphabet nach dran. Aoko war nach Keiko dran, sie nahm Anlauf, hüpfte vom Brett, stützte sich mit den Händen auf dem Pferd ab und schwang seitlich die Beine vor. Sie landete auf den Füßen. Als sie über die Matte lief stolperte sie und knickte mit dem Fuß um. Shiro, der in ihrer Nähe stand, hockte sich vor sie und provozierte Aoko mit einem fiesen Spruch. „Na, zu dumm zum Laufen?“

Aoko funkelte ihn wütend an, während sie aufstand und von der Matte humpelte.

Kaito kam hinzu. Ohne ein weiteres Wort kniete er sich hin und untersucht ihren Fuß. „Scheint nichts passiert zu sein“, stellte er fest. Er blickte schelmisch zu ihr auf: „Du bist und bleibst ein Tollpatsch.“

Aoko zuckte unschuldig die Schultern und setzte sich auf die Bank. Alle warteten bis die erste Runde durch war, danach gab es die nächste Übung.
 

~~~***~~~´*`~~~***~~~
 

Kaito sprang über den Besenstiel hinweg und kicherte. „Zu langsam“, neckte er seine beste Freundin, die ihn wieder einmal durch die gesamte Klasse jagte. Sie schwang den Mopp und versuchte ihn zu erwischen. Nebenbei verlangte der Lehrer von ihnen die Rechenaufgaben zu lösen. Da ihnen Mathematik lag, lösten sie diese mit Bravour, sodass der Lehrkörper den Kopf hängen ließ. Eine angemessene Strafe für das Stören im Unterricht konnte er ihnen so nicht aufdrücken. Sie kamen trotz der ständigen Streiterei in der Schule gut mit, zählten besonders in Mathematik zu den besten Schülern der Klasse.

„Weiß, so rein und unschuldig“, lachte Kaito und duckte sich um dem Mopp auszuweichen. Schnell krabbelte er unter Shiros Tisch hindurch und blieb hinter seinem besten Freund stehen.

„Bakaito, du sollst mir nicht ständig unter den Rock schauen! Das macht man nicht.“ Sie kletterte auf Shiros Tisch, schob dabei unachtsam dessen Schulunterlagen zur Seite und holte mit dem Mopp aus um ihn auf Kaito niedersausen zu lassen. Eben wollte sie ihre Tat umsetzen da erklang Shiros belustigte Stimme: „Nette Aussicht!“

Ruckartig sprang sie vom Tisch und funkelte Shiro wütend an. „Spanner!“
 

~~~***~~~´*`~~~***~~~
 

Aoko saß auf der Couch und war bereit für den Filmabend, als es an der Türe klingelte.

Kaito ging und öffnete die Haustüre. Wenig später betrat er das Wohnzimmer. Ihm folgte Shiro.

Das Mädchen wusste nicht was sie von dessen Erscheinen halten sollte. Eigentlich wollten sie und ihr bester Freund sich einen Film ansehen, einen gemütlichen Abend verbringen, aber mit Shiro würde dieser Abend weder schön noch gemütlich werden.

Seit der ersten Klasse hassten sie sich. Und seit sie in der Mittelschule waren wurde ihre Situation nicht entspannter. Erst vor kurzem hatten Kaito und sie zueinander gefunden. Es waren schöne Momente und auch wenn sie anfangs Bedenken hatte, dass ihre Freundschaft diese Grenzüberschreitung nicht aushalten würde, so genoss sie die Momente in Zweisamkeit und gab sich vollends damit zufrieden mit dem was er bereit war ihr zu geben. Sie nahm sich fest vor diese Zeit, jede Sekunde mit Kaito, tief in sich aufzusaugen und für immer in Erinnerung zu behalten. Und sollte er es beenden, so schwor sie sich dies zu akzeptieren.

„Hey, Ahoko“, begrüßte Shiro sie und musterte sie aufmerksam.

Sie nickte ihm nur kurz zu und verschränkte die Arme vor der Brust. Auch zog sie ihre Beine an, nahm eine Decke und kuschelte sich ein.

Kaito setzte sich neben Aoko und ließ somit Shiro nur noch eine Möglichkeit sich auf die Couch zu setzen - neben ihm. Dann schnappte sich der Gastgeber die Fernbedienung und schaltete den Film an.

Schweigend starrten sie eine Weile in den Fernseher, bis Kaito sich zu Aoko drehte und sie fragte: „Ist dir kalt?“

Das einzige Mädchen in der Runde, das sich immer noch zum Schutz in der Decke eingekuschelt hatte, murmelte: „Ein bisschen.“

Kaito rutschte näher, legte seinen Arm um sie und zog sie an seine Schulter. Eine freundschaftliche Geste, die so liebevoll und fürsorglich zugleich war, dass sich das Mädchen sicher und wohl fühlte.

Shiro beobachtete das missmutig, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder auf den Film richtete.

Nachdem der Film zu Ende war, musste Shiro nach Hause. Er war verwundert warum Aoko nicht auch nach Hause ging. Denn das Mädchen verdrückte sich noch schnell ins Bad und kam nicht mehr heraus.

Sie wartete dort bis Shiro weg war. Erst als die Haustüre zufiel, kam sie wieder hervor und zog sich ebenfalls an.

Bevor sie gehen konnte, zog Kaito sie nochmals an sich heran und küsste sie liebevoll zum Abschied.

„Wofür war denn das?“, fragte sie überrumpelt.

„Ein Dankeschön, dafür dass ihr euch heute nicht gestritten habt. Das bedeutet mir sehr viel.“

Mit großen Augen sah sie ihn an und zum ersten Mal bekam sie eine Vorstellung wie Kaito sich ständig zwischen seinen besten Freunden fühlen musste. Er saß im wahrsten Sinne des Wortes zwischen den Stühlen.

„Ich kann es dir nicht versprechen, aber ich versuche nicht mehr so oft mit ihm zu streiten.“ Sie zweifelte selbst an ihren Worten, dennoch wollte sie es für ihren besten Freund versuchen.

Kaito strahlte übers ganze Gesicht, zog sie erneut an sich heran und küsste sie überglücklich.
 

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Kapitel XLVII - Happy End?

Auch Akako und Shiho wurden der Schule verwiesen, nachdem die beiden ein volles Geständnis ablegten, dabei aber überhaupt keine Reue zeigten und uneinsichtig blieben. Zudem wurden die beiden von Ginzo und Eri wegen Bedrohung, Beleidigung, Diebstahl, Nötigung, Verletzung des höchst persönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, sowie übler Nachrede angezeigt.

Auch Shiro erhielt eine weitere Anklage da er die gerichtliche Verfügung missachtete. Dass er sich unerlaubt auf dem Schulgelände aufhielt, würde ebenfalls noch Konsequenzen nach sich ziehen.

Hitomi wurde auf vier Wochen suspendiert. Sie war laut Akakos Geständnis nicht so involviert wie zu Beginn angenommen.

Aoko verbrachte in den letzten Tagen viel Zeit auf dem Polizeirevier und mit Eri bei den Anwälten und hatte dadurch kaum die Möglichkeit die gesamten Ereignisse zu verarbeiten. Zudem wich sie Kaito aber auch bewusst aus. Noch hatte sie keine Antwort auf seine Frage gefunden und sich mit ihm endgültig auszusprechen schaffte sie noch nicht. Sein Alleingang hatte sie zu sehr verletzt, auch wenn ihr mit jedem Tag bewusster wurde, dass er dies keinesfalls absichtlich machte, sondern ihr nur helfen wollte. Ihr Herz und ihr Kopf kämpften seit Tagen miteinander und solange sie sich nicht absolut sicher war würde sie ihm die Antwort noch schuldig bleiben.
 

Heute war ein trüber Tag. Dicke graue Wolken hingen am Himmel, die Temperaturen waren seit dem Winterball rapide gesunken und der erste Schneefall wurde angekündigt. Die gesamte Wetterlage spiegelte ihre Verfassung wieder. Aoko saß ganz in Gedankenversunken in der Schule, als sie über die Sprechanlage gebeten wurde den Direktor aufzusuchen. Unsicher folgte sie dem Weg zum Büro, in dem sie in den letzten Monaten etwas zu oft saß.

Direktor Hayata begrüßte sie wie immer freundlich und deutete ihr sich zu setzen. „Fräulein Nakamori, bitte schildern Sie mir doch nochmal für das Schulprotokoll Ihre Sicht der Dinge und danach hören wir uns die gesamte Aufnahme gemeinsam an.“

Aoko erzählte alles noch einmal, während der Direktor sich Notizen machte und am Ende das Band abspielte. Aoko hörte schweigend zu, bis zu den letzten Worten der gesamten Aussage. Jene Worte, die Akako so verheißungsvoll aussprach: „Ich wusste, dass du noch zur Vernunft kommst.“

Aoko erinnerte sich an diesen Moment, wie Akako sich an Kaito schmiegte und ihm einen Kuss aufdrückte. Es war der Moment in dem sie die Flucht ergriff.

Eine Weile hörte man nichts.

Aoko senkte traurig die Augen und wollte schon aufstehen, als Kaitos Stimme wieder auf dem Tonbandgerät erklang.

„Von wem waren die Knutschflecke? Wir beide wissen ganz genau, dass wir nicht zusammen auf dem Schulklo waren.“

Akakos gehässiges Lachen erklang. „Das hättest du aber ändern können, wenn du etwas schneller zur Vernunft gekommen wärst.“ Eine kurze Pause, dann sprach Akako weiter: „Shiro hat sie mir verpasst. Überhaupt hatte ich es einfach mal wieder nötig und Gott, weißt du wie gut er überhaupt ist? Nicht dass ich etwas mit ihm anfangen würde, aber dein bester Freund hat es voll drauf. Aoko wird auch gleich noch in den Genuss kommen.“

„Was?!“

Akako kicherte wieder. „Oh bitte, was tust du denn so besorgt? Ich dachte das Thema Nakamori wäre nun endlich durch!“

„Wie meinst du das?!“, forderte er harsch.

Akako klang nun wesentlich verstimmter: „Okay, wie es scheint ist das Thema doch nicht durch. Was treibst du hier für ein Spiel, Kuroba?!“

„Das könnte ich dich fragen, Akako! Raus mit der Sprache, wie hast du das eben gemeint?!“

„Dieses kleine Flittchen ist doch eben weggelaufen und genau das war der Plan. Sie läuft direkt in Shiros Arme und glaube mir, er ist nicht zu bremsen, denn er hat noch eine Rechnung mit ihr offen. Die wird sie wohl in diesem Moment begleichen!“

„Miststück!“, fluchte Kaito und man hörte schnelle Schritte im Schulflur hallen.

Akako lachte plötzlich und rief ihm nach: „Egal wie es da draußen endet, du hast verloren!“ Es wurde still auf dem Tonbandgerät, bis man das Geräusch von Highheels im Flur hallen hörte. Die Schritte näherten sich wieder dem Diktiergerät. „Nach allem hier, was deine kleine Freundin gesehen und gehört hat, ist sie weg und du hast gar nichts mehr!“

Eine Weile lief das Tonbandgerät noch weiter, man hörte schnelle Schritte, Stimmengewirr und aus der Ferne Polizeisirenen. Das Band stoppte.

Aoko starrte auf das kleine Tonbandgerät und krallte ihre Finger in ihren Rock. Akako hatte vollkommen recht und wusste wie verletzt Aoko reagieren würde. Sie wusste, dass nach all dem Erlebten noch Misstrauen in ihr war und dass sie Kaito noch nicht vollkommen vertrauen konnte. Alles war bis ins kleinste Detail geplant und Aoko hatte genauso reagiert, wie erwartet. Sie hatte Kaito abgewiesen und sprach seither kein Wort mehr mit ihm. War sie so leicht zu durchschauen? War sie so leicht zu manipulieren?

Direktor Hayata sah seine Schülerin besorgt an. „Ihre Aussage deckt sich mit den Erzählungen von Fräulein Koizumi. Ich danke Ihnen für Ihre Hilfsbereitschaft. So kann ich den Bericht abschließen. Wenn es Ihnen zu viel ist, kann ich Sie für heute vom Unterricht befreien. Sie haben mir sehr geholfen und Sie mussten in letzter Zeit einiges durchleben. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie sehr mir das alles leid tut, dass ich von solchen Intrigen nichts mitbekommen habe.“

Aoko nickte und nahm das Angebot an. Mit einer Entschuldigung in der Tasche kehrte sie wenig später dem Schulgebäude den Rücken und trat auf die Straße hinaus. Sie zog sich ihre Mütze auf den Kopf, blickte in den grauen Himmel und beschloss noch etwas spazieren zu gehen um ihren Kopf frei zu bekommen. Ihre Gedanken wanderten zu Akakos letzten Sätzen und im Nachhinein tat es ihr leid Kaito so schlecht behandelt zu haben. Er hatte sie vorgewarnt und um Vertrauensvorschuss gebeten und dennoch wandte sie sich von ihm ab. Von dem einzigen Jungen, den sie über alles liebte und eigentlich wusste, dass er ehrlich zu ihr sein würde. Ihre Gedanken glitten zu Kaito, den sie heute überhaupt noch nicht gesehen hatte. Die letzten Tage war der gemeinsame Weg bedrückend, aber heute hatte er sie weder zur Schule begleitet, noch war er ihr in der Schule begegnet. Ob er schwänzte? Aber warum? Wegen ihr? Sie könnte es ihm nicht einmal verübeln.

Doch dann kam ihr plötzlich ein anderer Gedanke und dieser würde erklären warum er heute nirgends anzutreffen war. Heute war schließlich ein ganz besonders trauriger Tag. Da ergab sich der Sinn nun von ganz allein. Heute jährte sich Toichi Kurobas Todestag zum zehnten Mal. Die letzten Tage war Kaito schon wesentlich ruhiger und in sich gekehrter und dass es nicht allein Aokos Schuld war, kam ihr bis jetzt gar nicht in den Sinn.

Sie schlug den Weg zum Friedhof ein und würde der Ruhestätte einen Besuch abstatten. Vielleicht fand sie auch in der stillen Einsamkeit die Antworten, die sie für sich suchte.

Aoko besorgte unterwegs noch eine Rose.

Als sie durch das große Friedhofstor schritt, folgte sie dem Weg zum Grab des Magiers. Überrascht blieb sie stehen, beobachtete sorgenvoll Kaito, der bereits traurig davor stand.

Das alles war auch für ihn sicherlich zu viel.

Sie musterte seine Silhouette, die hängenden Schultern, den gesenkten Kopf, die wilden unzähmbaren Haare. Für Aoko stand in diesem Moment fest: Sie würde ihm an diesem, für ihn schweren Tag, zur Seite stehen. Niemand kannte ihn besser und wusste seine Stimmung besser einzuordnen. Aoko wollte ihm Kraft spenden.

Langsam trat sie näher. Sie blieb neben ihrem Freund stehen, betrachtete den Grabstein mit den goldenen Lettern. Sie verbeugte sich vor der Ruhestätte und bückte sich um die Rose auf den im Boden eingelassenen Grabstein zu legen. Danach richtete sie sich wieder auf und faltete ihre Hände zum Gebet.

Schweigend standen die beiden Oberschüler und einst beste Freunde allein auf dem großen Friedhof. Jeder schwelgte für sich in den Gedanken und den Erinnerungen an den hier in Ewigkeit Schlafenden.

Die ersten Schneeflocken lösten sich aus dem grauen wolkenverhangenen Himmel und segelten lautlos auf den Boden hinab.

„Ich war ein Riesenidiot und du hast jeden Grund dazu mich jetzt zu hassen“, durchbrach Kaito plötzlich die Stille. Er klang traurig und verletzt.

Aoko zog sich das Herz zusammen. So hatte sie ihn bisher nicht oft erlebt. „Ich hasse dich nicht.“

Überrascht sah er sie an und dennoch schien er ihr nicht ganz glauben zu können. Er senkte wieder die Augen zum Grabstein und ballte seine Hände zu Fäusten. „Ich wünschte, ich könnte all das rückgängig und ungeschehen machen was Shiro und die anderen dir erneut angetan haben. Ich wünschte, ich wäre nicht so blind gewesen und hätte dich nicht solch einer großen Gefahr ausgesetzt. Ich wünschte, ich hätte einen anderen Weg gefunden um einen Beweis zu erhalten.“

Aoko sagte nichts, denn genau das wünschte sie sich ebenso sehr wie er selbst. Warum sollte sie ihm sagen, das es nicht mehr ungeschehen machen ging? Das wussten sie schließlich beide. „Ich war ein genauso großer Idiot! Ich hätte dir wirklich vertrauen müssen.“

Er stutzte überrascht, hatte wohl mit diesen Worten nicht gerechnet.

Aoko sah ebenso zu ihm auf. „Direktor Hayata hat mir heute das gesamte Band vorgespielt. Nur eine Frage hab ich noch: wie hat Akako das gemeint: Hast du es dir doch nochmal überlegt?“

Kaito schluckte, dann schien er zu verstehen: „Akako wollte mich zurück haben. Nicht nur weil sie mich liebt, sondern auch und besonders, weil wir sicherlich Ballkönigin und Ballkönig würden und zusammen zum Winterball gehen sollten. Das war an dem Tag, an dem Shiro und du auf dem Schuldach standet. Du müsstest uns gesehen haben, wenn du zu dem Zeitpunkt schon auf dem Dach warst.“ Er sah das Mädchen neben sich an. „Ich war noch auf dem Fußballplatz trainieren.“ Er korrigierte sich selber: „Eher um den Kopf frei zu kriegen. Akako kam hinzu. Ich habe ihr gesagt, dass es keine Chance mehr für uns gibt. Sie wollte es nicht verstehen und akzeptieren. Wir haben uns gestritten, bis sie plötzlich in Tränen ausbrach und mir um den Hals fiel. Du weißt ja, dass ich nicht besonders gut darin bin Mädchen weinen zu sehen, also hab ich versucht sie zu trösten.“ Er sah von Aoko wieder zum Grabstein seines Vater: „Ich habe ihr nochmal alles in Ruhe erklärt und sie verstand es letztendlich.“ Er schüttelte seinen Kopf. „Ich dachte wirklich sie hätte es akzeptiert.“ Er ballte wütend seine Hände zu Fäusten und mit schmerzhaftem Blick suchte er Aokos blauen Augen. „Ich habe mich getäuscht. Als Hitomi uns hat hängen lassen entschieden Shinichi und ich Akako eine Falle zu stellen. Aber während ich ihr etwas vorspielte, hat sie mich reingelegt. Sie war mir einen Schritt voraus und hat letztendlich gewonnen.“ Tieftraurig sah er Aoko an. „Ich habe den wichtigsten Menschen in meinem Leben verloren.“

Aoko hörte anhand seiner Stimmlage wie sehr ihn alles mitnahm, wie groß die Vorwürfe waren, die er sich selbst machte. Sie sah zu ihm auf, blickte in den verletzten Gesichtsausdruck, die traurigen und doch sehnsuchtsvollen ozeanblauen Augen. Entschieden schüttelte sie den Kopf. Ihre Stimme klang fest und überzeugt und das spiegelte sich in ihren kommenden Worten: „Hast du nicht und merke dir eins: Akako wird niemals gewinnen!“

„Aber...“ Wieder überraschte sie ihn sichtlich.

Aoko nickte bestätigend. „Entschuldige bitte, dass ich dir nicht vertraut habe. Shinichi hat mir alles erklärt und auch wenn ich mir wünschte du wärst ehrlich gewesen, so hätte Akako dir wohl niemals vertraut, wenn ich davon gewusst hätte. Und dann wäre es vielleicht niemals zu einem Ende gekommen.“

Hoffnungsvoll drehte sich Kaito ihr ganz zu. „Ich verspreche dir, dass ich alles tun werde um dich nur noch glücklich zu machen. Ich liebe dich, Aoko! Du kannst dir gar nicht vorstellen wie sehr.“ Schon beugte er sich zu ihr. Dennoch zögerte er sie zu küssen. Unsicher hielt er inne, hatte Bedenken etwas zu überstürzen oder sie zu überfordern.

Aoko lauschte in sich selbst, aber es gab keine Zweifel mehr. Sie lächelte ihn an und nickte. „Worauf wartest du noch?“ Und schloss erwartungsvoll ihre Augen.

„Nur bei dir...“,immer noch verharrte er, jedoch betonte er sehr ernst die folgenden Worte: „... fühle ich mich wohl,...“ Er legte seine Lippen auf ihre, nur kurz und löste sich wieder. „...kann ich so sein wie ich bin,...“ Wieder ein kurzer sanfter Kuss. „... bin ich zuhause!“ Und nun folgte der wohl zärtlichste Kuss, der all die Liebe ausdrückte, die sie füreinander empfanden.
 

Unweit von ihnen stand eine dunkel gekleidete Person, versteckt hinter einem großen Grabstein. Aufmerksam beobachtete der dunkle Schatten alles und lauschte jedem einzelnen Wort. Die Hände zu Fäusten geballt, die Augen wütend zusammengezogen, die Lippen zu einem dünnen Strich gepresst. Ungesehen verschwand die verhüllte Gestalt ebenso wieder.
 


 

ENDE...


Nachwort zu diesem Kapitel:
Lieber Leser, liebe Leserin,

ich hoffe du hattest ebenso viel Spaß beim Lesen, wie ich beim Schreiben. Diese FF ist mit Abstand eine meiner aktuell längsten Geschichten, die in kürzester Zeit, für meine Verhältnisse sogar sehr kurzer Zeit, beendet wurde. Ich spiele mit dem Gedanken eine Fortsetzung zu schreiben. Sobald ich genug Ideen gesammelt habe, kann es also sein, dass es mit unseren Lieblingscharakteren weiter geht.

Ich bedanke mich ganz besonders bei meinen treuesten Lesern!
Alle, die mir noch ein Wort hinterlassen möchten, dürfen dies auch jederzeit noch gerne tun.
Ich melde mich auch ganz bestimmt mit einer Antwort zurück. :-)

Ganz liebe Grüße
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Von:  Mayachan_
2019-02-06T10:27:16+00:00 06.02.2019 11:27
Mir ist gerade aufgefallen das ich vergessen hab dein letztes Kap zu Kommentieren ..... Wie unangenhem.
Ich hole es jetzte nach!

Also zunächst einmal war das Kap - deine ganze FF einfach toll^^
Spannend, gefühlvoll, dramatisch und schön.
Ich hab mich sehr über diese FF gefreut und hab sie sehr gerne gelesen, und werde sie imemr mal wieder lesen^^

Außerdem würde ich mich sehr über eine Fortsetzung freuen oder über eine andere FF :)
Du mahcts das so spannend das ich am liebsten irgendwo reinbeißen möchte xD Furchtbar hahahaha


Ich wünsche dir eine schöne Woche und freue mich auf mehr^^

glg Mayachan
Antwort von:  Kittykate
07.02.2019 10:59
Hallöchen :-),
wie lieb dass du dich nochmal meldest zum Abschluss.
Danke schön für das Lob, das freut mich sehr!

Ja, ich arbeite aktuell weiter an Kid zieht nach Osaka. So ganz rund läufts aber noch nicht, ansonsten sind noch ein paar andere Projekte in Planung. Eine Fortsetzung aber aktuell nicht. Ich sammel noch Ideen :-)

Vielen lieben Dank. Wir lesen uns sicherlich mal wieder. :-)

Viele Grüße
Kitty
Von:  Wm_2015
2019-01-30T20:04:03+00:00 30.01.2019 21:04
Hallo,

Wow ein tolles Ende für eine geniale Geschichte. *Daumen hoch*

Ich bin froh das die beiden sich wieder gefunden haben.
Bin schon auf die Fortsetzung gespannt. 😍😍😍

Liebe Grüße

Antwort von:  Kittykate
30.01.2019 22:39
Hallo :-),
vielen Dank für deine lieben Worte und dass du mich durch die Geschichte begleitet hast.

Da freue ich mich :-)
Viele Grüße
Kitty
Von:  Hallostern2014
2019-01-27T00:07:57+00:00 27.01.2019 01:07
Huhu.

Beide Kapitel sind der Hamma geworden.

Kaito hätte also doch alles aufgenommen. Aber anderes hätte er es wohl auch nicht geschafft einen Beweis zu bekommen. Die Begründung warum er es ihr nicht gesagt hat ist nun verständlich.

Das die Biestern aber auch einen Plan verfolgen. Und Aoko in Shiros Armen trieben war so unter allee Sau. Aber anders hat man es von denen auch nicht erwartet. Zum Glück waren Shinichi und Makoto da um das Schlimmste zu verhindern. Dieses mal wird er nicht so leicht davon kommen. Da ist es egal wer sein Vater ist.


Das die Mädels die verdiente Strafe bekommen haben bzw noch bekommen werden ist gut. Auch das die für die anderen Straftaten noch Ärger bekommen.

Jetzt wissen wir auch wer die Knutschflecken gemacht hat. Und was Kaito und das Biest auf dem Feld geredet haben.

Ich freue mich sehr für die beiden. Dass Aoko ihn doch verziehen hat. Er hat es ja auch alles nur für sie getan. Nun können beide in Ruhe (eigentlich) ihre Beziehung neu aufbauen. Endlich in Ruhe zusammen sein es offen zeigen.
Sie braucht keine Angst mehr zu haben. Ich fand die Szene am Friedhof so schön. Auch was er zu ihr zum Schluss gesagt hat. War einfach nur wow.

Eigentlich sind alle offene Fragen beantwortet.

Aber wer hat die beide beobachtet? War es Shiro oder doch das Biest. Ich hoffe stark auf eine Fortsetzung. Dass wäre ja die letzte offene Frage und klinkt sehr nach Drama. Denn egal wer das war. Die Person ist auf jedenfall nach Rache aus.

Ich würde mich auf jedenfall freuen und wäre gerne wieder dabei.

Ich wünsche dir ein schönes rest Wochenende. Und ganz liebe Grüße
.
Antwort von:  Kittykate
27.01.2019 12:36
Hallo,
das freut mich.
Ja, natürlich. Anders kann man es ihnen ja nicht nachweisen. Ja, die Begründung ist sehr nachvollziehbar und wäre nicht so viel vorher vorgefallen, so wäre Aoko sicherlich auch nicht ganz so abweisend.
Ja, auch diese hatten einen Plan. Ja, das war sehr gemein von den Biestern. Und Shiro, ich mag ihn irgendwie, darum musste er auch nochmal kommen. Er hätte mir irgendwie gefehlt. Zum Glück sind Shinichi und Makoto aber auch Hakuba gekommen. Alle drei konnten das Schlimmste verhindern. Hoffen wir mal, dass er dieses Mal richtig bestraft wird.

Ja, es muss Konsequenzen geben. Alles andere wäre nicht richtig. Ja, und die letzten offenen Fragen wurden nun auch geklärt.

Ja, nun können sie gemeinsam an ihrer Beziehung arbeiten.

Ja, die Friedhofszene am 10. Jahrestag, das hatte ich von Anfang an fertig, musste nur das ganze drumherum immer wieder anpassen :-)
Gut, dass es keine offenen Fragen mehr gibt, ich hab auch nichts ungeklärtes mehr gefunden.

Das ist eine gute Frage, wer der Schatten war... Ja, wenn ich genug Ideen gesammelt habe, aktuell schwebt mir schon was vor, aber so ganz dramatisch ist das bis jetzt noch nicht. Muss mal in mich gehen und überlegen ^_^

Ich würde mich auch sehr freuen, wenn du wieder mit dabei bist. Aber wann das sein wird... vorerst nicht. :-)

Vielen lieben Dank, dass du mich hier durch begleitet hast.

Lg
Kitty
Von:  Hallostern2014
2019-01-23T19:25:34+00:00 23.01.2019 20:25
Huhu.

Beide Kapitel sind wieder super geworden..wobei dieses wohl im nächsten kein gutes Ende nehme wird. Ich habe da auch ein schlechtes Gefühl wie Kaito.

Aber erstmal zum dem Kapitel davor.

Ich finde es super, dass Kaito die Antwort auf die Frage ob die beiden Officel zusammen sind gegeben hat. Und klar, kommt danach die Regel. Keine Kinder vor 10 Jahren. So sind Väter halt. Aber ich glaube wenn's halt früher passiert ist es halt so. ( ich wollte auch mit 30 erst Kinder haben, jetzt bin ich 28 Und bekomme Anfang März mein 2. Kind). Also Planen kann man es hält kaum. Da kann ja so vieles passieren. Die Mutter will natürlich sofort Oma werden.

Das Hitomi so feige war ist scheiße. Sie hätte alles Beenden können aber Nein. Sie muss ja Angst haben.
Das Kaito, Aoko warnen wollte finde ich gut dennoch.. hätte er ihr den Plan sagen sollen. Denn wäre es nicht so gekommen wie in dieses Aktuellen Kapitel.

Ich denke er hat das Gespräch aufgenommen. Um so den Beweis zu haben. Auch was sie vor einem Jahr schon mal durchgezogen haben.. Dass, die Weiber was geplant haben dachte ich mir..

Ich hoffe nur das Kaito wirklich es so gemacht hatte wie ich es mir gedacht habe. Ich bin wie Aoko auch verwirrt. Man will zwar jemanden glauben, dennoch kann genau das passieren was gerade passiert ist. Und man weiß sofort nicht mehr was man glauben soll.

Ich hoffe Aoko passiert jetzt nicht. Sie ist verletzte und verwirrt und da über sieht man schnell was.

Ich bin sehr gespannt aufs nächste Kapitel.
Ganz liebe Grüße
Antwort von:  Kittykate
24.01.2019 01:16
Huhu zurück :-)
danke schön! Nein, sieht wohl nicht so gut aus. Es ist übrigens das letzte Kapitel vor dem Epilog! Wir habens bald geschafft. Ja, Kaito geht da grad so seinen eigenen Weg.

Ja, das stimmt. Er steht zu ihr. Das sind die Papas, besonders in der Situation, er war ja ewig alleinerziehend mit einer Tochter, die auch die Pubertät durchlaufen hat. Ich denke mal in Ginzos speziellem Fall ist es wirklich nicht böse gemeint mit den 10 Jahren, aber er will ja damit nur sagen, dass sie nichts überstürzen sollen. Und Chikage wiegelt das ganze ja auf ihre charmante Art wieder auf :-)

Ich wollte auch immer erst mit 30 und bin mit 28 zum ersten Mal Mama geworden ^^, früher hätte es bei uns auch einfach nicht gepasst, da war ich noch zu sehr auf die Karriere fixiert und wollte mich erst noch weiter entwickeln.

Ja, definitiv ist Hitomis Art nicht in Ordnung. Tja, die Warnung ist wirklich gut, aber warum er sie nicht eingeweiht hat klärt sich im nächsten Kapitel.
Ein interessanter Gedanke ^^, ja irgendwie musste da ja nochmal was kommen seitens der Biester.

Tja, und das erfährst du dann im nächsten Kapitel. Entweder er hilft Aoko oder er zieht doch alle Fäden :-)
Das ist die nächste Frage. Sie ist sehr aufgelöst und verwirrt, verletzt und in solch einer Situation kann alles passieren.

Du darfst gespannt sein auf das finale Kapitel :-)

Vielen Dank für deine Worte.
Lg
Kitty
Von:  Wm_2015
2019-01-23T05:39:58+00:00 23.01.2019 06:39
Guten Morgen,

endlich wissen es auch die Eltern 😊.
Das war ja klar das Hitomi eine rückzieher macht.
Jetzt stellt dich natürlich die Frage. Was hat Kairo vor umd hoffentlich gelingt das auch.

Sehr tolle Story. Kann es kaum abearten bis das nächste Kapitel da ist.

Schönen statt in den Tag und liebe Grüsse.
Antwort von:  Kittykate
23.01.2019 10:20
Hi :),
ja - endlich ist es richtig offiziell.
Ja, irgendwie war das vorauszusehen. Oh, das wird euch wahrscheinlich allen nicht gefallen, was er tun wird, und ob es gelingen wird bleibt auch noch fraglich.

Vielen Dank, es wird jetzt nochmal was auf euch zukommen, besonders auf Aokos Gefühle...

Und dann ist das ganze hier leider, leider schon vorbei :-)

Lg
Kitty
Von:  Hallostern2014
2019-01-21T05:22:05+00:00 21.01.2019 06:22
Huhu guten Morgen..

Ich kann Hakuba verstehen das er so Misstrauisch war. Bzw ist. Er will halt nicht das Aoko verletzt wird.

Das Kaito sich so zu Aoko steht auch in der Schule finde ich toll. Er zeigt mir somit, dass er wirklich ernst meint.

Shinichi und Hakuba haben endlich einen Beweis gefunden. Mal sehen ob sie mit Hitomi Aussage was erreichen. Aber gut, dass Kaito sie überreden konnte mit zu kommen um alles zu erzählen.

Oje, der Vater will reden. Na das wird lustig. Aber jedenfalls müssen Kaito und Aoko nicht mehr lügen, dass sie gar nicht zusammen sind. Ich bin sehr gespannt was auf den vier jetzt zu kommt.

Freue mich sehr aufs nächste Kapitel.
Ganz liebe Grüße und ein schönen Wochenstart
Antwort von:  Kittykate
23.01.2019 10:18
Hi,
ja, das Misstrauen ist absolut berechtigt und er sorgt sich um seine neugewonnene Freundin.
Ja, er steht zu ihr. :-)
Naja, Beweise als solche ja nicht. Eben nur Hitomis Aussage, das klärt sich ja gleich im neuen Kapitel, das schon da ist. Aber sie hoffen sehr dass durch die Bestätigung alles geklärt wird und Akako wie auch Shiho ihre Strafe bekommen.

Ja, der liebe Papa will reden. ^^ Worüber liest du im neuen Kapitel :-)

Viele Grüße und vielen Dank
Kitty
Von:  Hallostern2014
2019-01-18T14:11:39+00:00 18.01.2019 15:11
Huhu

Beide Kapitel sind der Hamma..

Mir ist so ein Stein von Herzen gefallen, dass Kaito nichts mit den Sachen zu tun hat.

Und endlich redet er mit Aoko über seine Gefühle. Beide hätten es sofort tun müssen. Es wäre wohl alles anders abgelaufen. Dennoch finde ich er muss es ihr beweisen, dass er es ernst meint.

Wir wissen jetzt auch warum die anderen dieses mal so krass waren. Weil Kaito Schluss gemacht hat. Und die Schlange damit nicht klar kam. Shiro hat sich Eifersucht gehandelt und tat es schon früher.

Ich bin jetzt gespannt wie es zwischen den beiden weiter geht. Und was Kaito mit der Schlange am Fußballplatz beredet hat. Dennoch wird Kaito wohl von nun an nicht mehr von ihrer Seite weichen. Und sie beschützen.

Ich freue mich schon aufs nächste Kapitel.
Ganz liebe Grüße 😁
Antwort von:  Kittykate
19.01.2019 11:51
Hi,
danke schön :-)
Ja, das stimmt. Zum Glück hat er nichts mit allem zu tun.
Ja, das war längst überfällig. Ja und ein Beweis wäre angebracht.
Ja, das spielt sicherlich eine große Rolle warum sie dieses Mal so extrem fies waren. Und Shiro ja, er war eifersüchtig.

Das ist die Frage, hoffen wir doch mal harmonisch. Im nächsten Kapitel gehts dann schon wieder in die Schule :-)
Und worüber am Fußballplatz gesprochen wird wird noch nicht geklärt ;-)

Ich danke dir für deine Worte.
Ganz viele Grüße
Kitty
Von:  Mayachan_
2019-01-17T19:24:45+00:00 17.01.2019 20:24
Hallo ^^
Sorry das ich wieder nicht alle kaps kommentiert habe.
Ich hab sie zwischendurch immer gelesen und fand alle mega toll^^

Gut das kaito nichts mit der Sache zu tun hatte.
Ha ich wusste das dieser shiro ein falscher Sack ist! Dem hätte ich so gerne eine reingehauen das glaubst du gar nicht !
Und den anderen Mistkäfern auch!

Jetzt ist die Sache hoffentlich ein für alle mal abgeschlossen und Aoko und kaito können glücklich zusammen sein.
Schön das er nach all den Jahren endlich seine Gefühle gestehen konnte. Soooo süß^^

Mach weiter so!

Liebe Grüße Mayachan
Antwort von:  Kittykate
18.01.2019 10:43
Hi,
ja wir befinden uns hier auf der Zielgeraden. Jetzt noch 3-4 Kapitel oder so, dann ist es leider schon vorbei. T_T
Aber ob es das wirklich schon war? Hoffen wir es mal für unsere Aoko ;-)

Danke dir und ja, du hattest Recht - oh das glaube ich dir zu gerne :-)

viele Grüße
Kitty
Von:  Hallostern2014
2019-01-14T19:35:01+00:00 14.01.2019 20:35
Huhu.

Also echt. Entweder weiß Kaito wirklich nicht was die anderen meinen. Oder er kann verdammt sehr gut Schauspieler.

Zu Glück, hat er nach oben gesehen. Kaum vorzustellen was sonst passiert wäre.

Die beiden waren wohl von jetzt an beste Freunde. Der Typ hat die Schläge von Kaito wirklich verdient. Er hat sogar mehr verdient als das. Aber sowas wird wohl auch noch kommen. Damit kommt er nicht durch.

Aber zum Glück waren die andern da. Sonst hätte wohl Kaito ihn noch umgebracht.

Gut das Aoko die Untersuchungen zu gestimmt hatte. Wir wissen ja eigentlich nicht ob er wirklich so weit kam oder nicht. Ich hoffe ja das Kaito es noch verhindern konnte.

Ich freue mich sehr aufs nächste Kapitel. Und wie immer kann ich kaum erwarten.
Ganz liebe Grüße 😘❤
Antwort von:  Kittykate
15.01.2019 12:21
Huhu :-),
das ist die Frage. Ist er involviert oder nicht? :-) Im nächsten Kapitel wird sich das nun endlich klären.
Ja, das war wirklich Glück, auch dass alle noch auf Aoko gewartet haben, trotz ihrer Aussage ich gehe allein nach Hause.
Das waren sie jetzt wohl wirklich. Jepp und das hat Shiro auch wirklich verdient. Mal sehen ob und was es für Konsequenzen nach sich zieht.

Vermutlich hätte Shiro es nicht überlebt. Ja, und für Aoko bringt es die Gewissheit ob oder nicht.
Ein bisschen musst du dich noch gedulden. Das Kapitel ist zwar schon fertig, aber ich bin nicht zufrieden und werde es in den nächsten Tagen nochmal überarbeiten!

Lg
Kitty
Von:  Hallostern2014
2019-01-13T12:53:39+00:00 13.01.2019 13:53
Huhu.

Du hast recht, dieses Kapitel hat es echt in sich.

Ich weiß jetzt wirklich nicht mehr wie ich über Kaito denken soll. Steckt er wirklich damit drinne. War alles was er gemacht hat nur wegen der Wetter. Wenn ja ist er für mich auf jedenfall wie die anderen gestorben. Es wäre mehr als das Letzte vor allem weil Aoko ihn zu verstehen gegeben hat, dass sie sich in ihn verliebt hat.

Diese dumme Pute ist echt das letzte. Woher weiß was zwischen Aoko und ihn vorgefallen ist. Wurden beide beobachtet oder wenn Kaito wirklich dahinter steckt wusste sie es von ihn. Leider spricht gerade alles gegen ihn.

Aber das Schlimmste was jetzt passiert ist was dieser Arsch von Shiro macht. Er wollte sie vergewaltigen. Und das nur weil sie ihn nicht beachtet hat und er in seinen Stolz verletzt ist. Man kann sich nicht aussuchen in dem man sich verliebt.. Aber da war meine Vermutung richtig.

Ich bin gespannt wer ihr davor gerettet hat, bevor der Mistkerl den letzten Schritt machen konnte. Ich hoffe stark auf Kaito. Mein letzte Hoffnung ist ja immer noch, dass er nichts damit zu tun hat.

Die Verletzung hört sich schlimm an. Ich hoffe so sehr, dass sie nicht so stark verletzt ist. Und Natülich, dass sie nicht auf die Bedingungen von den Arsch eingeht und abhaut. Die 3 bzw 4 ( wenn Kaito damit auch zu tun hat 5) müssten die Schule und Stadt verlassen..

Ich denke auch nach diesen Vorfall wird Aoko nun auch alles ihren Vater sagen bzw muss es ihn sagen. Denn es bleibt wohl nicht aus das sie ins Krankenhaus kommt.

Ich bin sehr gespannt auf nächste Kapitel. Jetzt sogar noch mehr. Viel mehr. Kann es kaum erwarten. Es ist echt Gemein von dir dort aufzuhören..

Ich wünsche dir aber erstmal einen schönen Rest Sonntag und ganz liebe Grüße
Antwort von:  Kittykate
13.01.2019 16:03
Hi,
ja das hat es wirklich in sich.

Ich habe euch gewarnt in eurem Optimismus ^^ Tja, und das ist immer noch die Frage. Steckt Kaito wirklich und ganz ernsthaft mit drinnen? Das wäre echt fies von ihm und unverzeihlich. Dann wäre er auf keinen Fall bessr als all die anderen, die mit drinnen stecken.

Akako ist und bleibt ein Rätsel. Und ob Kaito hier es gesteckt hat liegt zumindest wegen der Wette nahe. Ja, das stimmt - alles spricht gegen ihn.

Ja, das ist echt das aller verabscheuungswürdigste. In seiner Ehre gekränkt und unerwiderte Liebe... Sein Charakter ist obermies und abgrundtief schlecht. Ja, das stimmt, da hattest du richtig vermutet. ^_^

Auch das ist die Frage und klärt sich wirklich schon im nächsten Kapitel. Oh, bist du optimistisch :-) Na dann hoffen wir mal das Kaito der Held der Stunde sein wird und nicht Hakuba ;-)

Ja, das hört sich wirklich schlimm an. Hoffentlich hat sie das soweit gut überstanden. Und das ist die Frage, ob sie sich der Bedingung nachgibt. Und da hast du recht, wenn es jemand verdient die Schule und Stadt verlassen zu müssen, dann die anderen und nicht Aoko.

Ja, wird womöglich nicht ausbleiben. Aber es ist vielleicht besser so wenn er alles weiß. Das wird sie wohl wirklich müssen.

Ein bisschen Spannung muss ja sein ^^ :-)

Danke ich wünsche dir auch einen schönen restlichen Sonntag.
Viele Grüße
Kitty


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