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Last Desire 6

L x BB
von

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Eine Kindheitserinnerung

Es war ein verregneter Herbsttag und es goss wie in Strömen. Zwischendurch donnerte es sogar und ängstlich zuckte der 4-jährige L Lawliet zusammen, als er den lauten Krach hörte und klammerte sich ängstlich an seinen Teddybären. Doch selbst dieser vermochte seine Angst nicht zu besänftigen. Da öffnete sich die Tür und Frederica kam ins Zimmer. Sie sah den verängstigten kleinen Jungen, ging zu ihm hin und streichelte sanft seinen Kopf. „Was hast du denn, L? Hast du Angst vor dem Gewitter?“ Er nickte und drückte seinen Teddybären noch fester an sich. „Es ist so laut und ich hab Angst…“ „Weißt du, warum es so donnert?“ Er schüttelte den Kopf und so erklärte sie es ihm. „Das kommt daher, weil der Himmel zornig ist. Aber weißt du, ich kenne da eine Geschichte über den Zorn, der allen immer nur wehgetan hat und vor dem sich alle gefürchtet haben, sodass niemand ihn bei sich haben wollte. Aber es gab da jemanden, der es geschafft hat, den Zorn zu besänftigen und zu erkennen, wieso er so zornig war.“

„Meinst du damit Eva?“ Sie nickte und setzte sich, dann platzierte sie L auf ihren Schoß und begann ihm das erste Märchen von Eva zu erzählen, welches sie ihm immer erzählte, wenn er Angst vor dem Gewitter bekam.
 

„Es war einmal ein Mädchen, das hieß Eva.

Eva besaß wundersame Kräfte und konnte besondere Dinge tun. Sie war in der Lage, Leben zu nehmen, aber auch neues zu erschaffen. Ihr Haar war schneeweiß, ihre Haut wie von Porzellan und ihre Augen rot wie Rubine. Sie war so anders als die anderen Menschen und unterschied sich auch sonst sehr von ihnen. Denn obwohl sie noch so jung aussah, war sie älter, als je ein Mensch zu träumen gewagt hätte. Sie war nämlich unvergänglich. Die Menschen wussten, dass sie anders war und fürchteten sie um ihre Kräfte. Denn obwohl sie Leben erschaffen konnte, so war sie mächtig genug, um alles Leben zu zerstören, wenn sie es gewollt hätte. Doch Eva war nicht böse und sie wollte das auch nicht tun. Sie liebte die Menschen und war für jene da, die ihre Hilfe brauchten. Sie schenkte den Frauen Kinder, die keine bekommen konnten und sie erlöste die Menschen, die alt, krank und schwach waren und nicht mehr leiden wollten. Und so hatte sie, auch wenn die Menschen sich vor ihr fürchteten, dennoch viele Freunde, die für sie da waren. Sie hatte treue Anhänger und wurde teilweise sehr einflussreich. Aber sie wurde dennoch schnell sehr, sehr einsam. Denn da sie unvergänglich war, sah sie all ihre Freunde alt werden und sterben. Sie konnte nichts dagegen tun und wurde sehr traurig. Und dann gab es Menschen, die sagten, Eva sei gefährlich und sie dürfe nicht weiter in dieser Welt existieren. Denn niemand dürfe die Macht haben, über Leben und Tod zu herrschen. Also trachteten sie ihr nach dem Leben und jagten sie fort. Eva floh und egal wohin sie ging, die Menschen wandten sich irgendwann gegen sie und behandelten sie wie ein Monster. So hatte Eva niemanden mehr und sie wurde wütend über die Ungerechtigkeit der Menschen. Nichts wünschte sie sich sehnlicher, als eine liebevolle Familie, damit sie nicht mehr alleine war. Sie war für die Menschen da, wenn diese ihre Hilfe brauchten, doch dann jagten sie sie fort, schimpften sie eine Hexe und wollten sie töten. „Was habe ich denn Falsches getan, dass ich so etwas verdiene?“ fragte sie sich und verstand es nicht. Manchmal wollte sie liebsten sie in einer Welt ohne die Menschen leben, doch sie entschloss sich dagegen. Denn obwohl viele der Menschen grausam zu ihr waren, so gab es doch viele, die gütig zu ihr waren und sie bei sich aufnahmen und ihr Brot gaben, wenn sie ziellos umherwanderte und zu schwach wurde. Die Menschen, die um ihre Güte wussten, nahmen sie bei sich auf und waren für sie da, deshalb wollte Eva die Menschen nicht töten. Sie liebte die Gutherzigen unter ihnen dafür zu sehr. Aber unter ihnen leben konnte sie auch nicht. Denn die Menschen lebten nicht sehr lange und wurden alt, vergesslich und schwach. Sie aber würde immer jung bleiben, da sie unvergänglich war. Doch sie wollte nicht alleine sein in dieser Welt, in der alles vergänglich war, nur sie selbst nicht. Also erschuf sie aus ihrer Furcht vor dem Alleinsein ein kindliches Abbild, das sie ihre Tochter nannte. Sie und diese Tochter lebten versteckt in einer Hütte, wo niemand sie finden würde, denn Eva fürchtete, dass die Menschen ihrer Tochter etwas tun könnten. Aber schon bald merkte Eva, dass ihre Furcht Gefährten brauchte, denn sie wusste, dass auch diese einsam sein würde, so wie sie. Und da die Furcht einen Gegenpart brauchte, um nicht mehr so furchtsam zu sein, erschuf sie als Gefährten die Gelassenheit, die immer fröhlich und auch ein wenig sorglos war und der Furcht Halt geben und ihr Mut machen konnte. Die Gelassenheit wurde aus dem Wunschtraum Evas erschaffen von dem Leben, welches sie selbst niemals würde führen können. Und da die Furcht einen Spielgefährten hatte, der ihr immer zur Seite stand, da wünschte sich Eva auch einen solchen Begleiter. Also erschuf sie als nächstes den Beschützer. Einen immer ruhigen, ernsten aber dennoch sehr fürsorglichen und bedingungslos loyalen Beschützer, damit sie selbst jemanden an ihrer Seite hatte und der auch sie und ihre kleine Familie beschützen konnte. Doch Eva wollte auch ihrer zornigen Seite ein Zuhause geben, denn sie sah es nur als gerecht an, wenn auch diese zu einem Teil ihrer Familie wurde und sie wollte sie nicht ausschließen. Und damit der Zorn stets jemanden an seiner Seite hatte, der sich um ihn kümmerte, schenkte sie ihm die Liebe als Mutter und die Gutmütigkeit als Vater.
 

So war Eva nicht mehr alleine und deshalb auch sehr glücklich. Sie brauchte keine Angst zu haben, dass sie je wieder einsam sein könnte, denn da sie ihre Familie erschaffen hatte, alterte diese auch nicht und so entfernte sich Eva immer weiter von den Menschen und lebte isoliert, aber sehr glücklich bei ihrer Familie. Doch es kam schnell zur Unruhe in ihrer Familie, denn der Zorn wurde zu einem ernsthaften Problem. Die anderen hatten Angst vor ihm, denn selbst die Liebe und die Gutmütigkeit konnten den Zorn nicht immer unter Kontrolle halten. Deshalb mieden sie ihn und so wurde der Zorn sehr einsam. Er wurde daraufhin noch zorniger und machte alles kaputt und verletzte jeden, der ihm zu nahe kam. Das alles wurde immer schlimmer und auch die Gelassenheit konnte nichts ausrichten. Die Ausbrüche des Zorns gingen irgendwann so weit, dass der Beschützer sich an Eva wandte und ihr sagte „Es kann nichts Gutes entstehen, wenn der Zorn in der Familie bleibt. Er ist böse und gefährlich. Er wird uns verletzen und nur Leid und Kummer hervorbringen. Für das Wohl der Familie bitte ich dich also: vernichte den Zorn! Er gehört nicht dazu und darf nicht mehr existieren!“

Als der Zorn das hörte, da wurde er noch zorniger und griff den Beschützer an. Die Liebe ging dazwischen und versuchte den Zorn zu besänftigen, doch sie wurde schwer verletzt und selbst die Gelassenheit vermochte nichts gegen den Zorn auszurichten und konnte nichts tun, als die Furcht vor ihm zu beschützen. Und auch der Gutmütigkeit blieb nichts anderes übrig, als die Liebe vor dem grausamen Zorn zu schützen. Der Unmut gegen den Zorn wuchs immer mehr, je gefährlicher er wurde. Sie alle waren der Meinung, dass es das Beste wäre, wenn der Zorn für immer verschwinden möge. Es schien so, als könne nichts und niemand ihn unter Kontrolle bringen. Also hofften sie darauf, Eva würde dem ein Ende bereiten und den Zorn ein für alle Male auslöschen. Aber dann, als Eva auf den Zorn zuging, da tötete sie ihn nicht, sondern schloss ihn in den Arm und dann geschah etwas, womit keiner gerechnet hätte: der Zorn begann zu weinen. Er weinte so bitterlich, dass es ihnen das Herz brach und sie fühlten sich elend, dass sie sich gewünscht hatten, der Zorn möge vernichtet werden. Eva tröstete den Zorn und konnte ihn besänftigen. Die Liebe und die Gutmütigkeit waren verwundert und ratlos und fragten „Wie kommt es, dass du den Zorn besänftigen kannst, wenn unsere Liebe und unsere Gutmütigkeit nicht ausreichte?“ Daraufhin wandte sich Eva der Gelassenheit, der Furcht, dem Beschützer, der Gutmütigkeit und der Liebe zu und erklärte „Zorn erzeugt Leid, das stimmt. Aber der Zorn wird auch aus Leid geboren. Warum ist der Zorn denn so zornig geworden? Er war einsam und fühlte sich unverstanden und ungeliebt. Ihr habt ihn gemieden, anstatt zu lernen, ihn zu verstehen und ihn zu fragen, wieso er zornig ist. Der Zorn kann nichts dafür, dass er so ist und er will auch eigentlich nicht zornig sein. Aber weil er es ist, ist er noch lange nicht böse. Zorn zeugt nicht unbedingt von Bosheit. Und in dem Fall wurde der Zorn so stark, weil er sich ungeliebt fühlte und einsam war. Er ist anders als ihr, deshalb müsst ihr auch versuchen, ihn zu verstehen und zu erkennen, was er will und wieso er so zornig ist. Zorn gehört dazu, genauso wie die Liebe, die Gutmütigkeit, die Furcht und die Gelassenheit. Es gibt für alles Gute auch etwas Negatives als Gegenpol. Ohne den Zorn könnte die Liebe nicht bestehen, deshalb dürfen wir den Zorn auch nicht aus unseren Reihen ausschließen, sondern müssen lernen, mit ihm zu leben. Wenn wir den Zorn als Teil dieser Familie akzeptieren, dann wird es auch Frieden in dieser Familie geben. Keiner von euch hat es geschafft, den Zorn zu besänftigen, weil ihr alleine gegen ihn gekämpft habt. Hättet ihr euch gemeinsam dem Zorn gestellt und wärt ihm mit Verständnis und nicht mit Feindseligkeit und Abneigung gegenübergetreten, dann wärt ihr erfolgreich gewesen. Solange wir nicht alle zusammen den Zorn akzeptieren, wird er wieder stärker werden und neues Leid hervorbringen, weil er selbst neues Leid erfahren musste.“ Doch einige von ihnen zögerten noch, dann aber gingen die Liebe und die Gutmütigkeit zu dem Zorn hin und sagten „Es ist wohl wahr: du und wir, wir sind ein Teil dieser Familie wie jeder andere. Du bist nicht böse, du warst nur unverstanden. Deshalb werden wir dich auch nie wieder alleine lassen, das versprechen wir dir.“ Und so machte die Gelassenheit, gefolgt von der Furcht als nächste den Schritt und es blieb nur der Beschützer übrig. Er stand eine Weile da und schwieg, dann aber nahm er den Zorn in den Arm und sagte „So wie ich diese Familie beschützen werde, so werde ich auch dich beschützen. Vor allem aber werde ich dich vor dir selbst beschützen, damit du nicht mehr einsam sein wirst, weil du zu zornig geworden bist. Ich werde an deiner Seite bleiben und dafür sorgen, dass du den anderen nichts tun wirst. Und somit werde ich damit ermöglichen, dass du nicht mehr so einsam bist.“

Damit war der Zorn zu einem Teil der Familie geworden. Sie hatten keine Angst mehr vor ihm, auch wenn er anders war als sie. Denn sie wussten nun, wie sie mit ihm umzugehen hatten und wenn er dann zu zornig wurde, da waren es vor allem Eva und der Beschützer, die den Zorn besänftigen konnten. Aber weil sie gelernt hatten, den Zorn als Teil der Familie zu akzeptieren und sie erkannt hatten, dass die Ausbrüche des Zorns nur ein Schrei nach Liebe waren, da sah der Zorn auch keinen Grund mehr darin, anderen wehzutun. Und so lebten sie glücklich zusammen und niemand musste je wieder vor dem Zorn Angst haben.“
 

Damit hatte Frederica die Geschichte beendet und sah zufrieden, dass sie L seine Angst nehmen konnte. „Du siehst also“, erklärte sie schließlich, „dass der Himmel zornig ist, weil er sich unglücklich fühlt. Deshalb regnet es auch, weil er weint. Wenn du Angst vor dem Donner hast, wird er noch trauriger. Deshalb werden wir jetzt beide unsere Angst ablegen und dem Himmel zeigen, dass wir für ihn da sind.“ Als L das hörte, wischte er sich seine Tränchen weg und nickte. „Okay“, sagte er und sah nun viel entschlossener und mutiger aus als sonst. „Dann werde ich keine Angst mehr vor dem Gewitter haben. Denn dann wird sich der Himmel irgendwann beruhigen, oder?“ „Ganz genau“, antwortete Frederica und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. „Wenn du dem Himmel zeigst, dass du keine Angst vor ihm hast, wenn er zornig ist und ihm auch nicht böse deswegen bist, dann hört das Gewitter auf und dann scheint auch irgendwann wieder die Sonne.“ Und tatsächlich dauerte es nicht lange, bis das Gewitter endlich aufhörte. Der kleine L war begeistert, als er das sah und war überglücklich. Er schnappte sich seine Jacke und seine Gummistiefel und wollte gerade nach draußen, da fiel ihm noch eine Frage ein und so lief er noch einmal zu Frederica zurück. „Warum hat Eva den Zorn überhaupt erschaffen?“ „Na weil es zu allem, was gut ist, auch etwas schlechtes geben muss. Denn ohne das Schlechte würden wir das Gute nicht erkennen. Denn du erkennst das Licht auch nur deshalb, weil es irgendwo Dunkelheit geben muss. Und Eva wollte gerecht sein und dem Zorn ein Zuhause geben, weil er genauso dazugehört wie die Liebe.“

„Trotzdem ist Zorn nicht schön.“

„Das stimmt. Aber wenn man lernt, mit ihm umzugehen, dann kann er auch niemanden verletzen. Und wenn du eines Tages jemandem begegnest, der zornig ist, dann darfst du ihn nicht von dir wegstoßen, sondern musst versuchen, ihn zu verstehen. Denn dann kannst du ihm helfen, den Zorn zu besänftigen.“ „Okay, das mache ich!“ rief L und nickte. Dann schnappte er sich seine Sachen und lief nach draußen zum Spielen. Auch Frederica zog Jacke und wasserfeste Schuhe an und folgte ihm. Dabei traf sie auf Nastasja, die gerade aus ihrem Arbeitszimmer kam. „Na wo gehst du denn hin?“ fragte sie überrascht. „Ich bin mit L draußen ein bisschen spielen. Ich hab ihm auch vorhin eine Geschichte erzählt, damit er keine Angst mehr vor dem Gewitter haben muss.“

„Danke Frederica, das war sehr lieb von dir. Aber sag mal, könntest du nachher bitte ins Labor kommen? Ich wollte noch ein paar Untersuchungen durchführen.“

„Klar doch. Nach dem Mittagessen komme ich gerne vorbei. Sag Henry übrigens Bescheid, er soll mit der U-Bahn fahren. Es wird nachher noch ein riesiges Verkehrschaos geben, weil ein paar Bäume umgekippt sind.“ Damit verabschiedete sich das Albinomädchen von ihr und lief nach draußen, um L noch rechtzeitig einzuholen, der wie ein kleiner Blitz davongerannt war, um sich noch rechtzeitig vor ihr zu verstecken, bevor sie ihn noch vorzeitig finden konnte. Sonst würde das Spiel doch zu langweilig werden.

Wartezeit

Es waren inzwischen acht Tage vergangen, seit sich der Zwischenfall auf dem Highway ereignet hatte, bei dem Beyond ums Leben gekommen war und Andrew ihm daraufhin den elektrischen Gedankenschaltkreis eingesetzt hatte, um ihn wiederzubeleben. Alles hatte problemlos funktioniert und auch die Werte waren in den letzten Tagen stabil, dennoch hatte Beyond noch im künstlichen Koma gelegen und L wartete unruhig darauf, dass sich endlich etwas tat und der Serienmörder endlich die Augen öffnen würde. Hester hatte ihm mehrmals versprochen, sich sofort zu melden, wenn sich etwas tun sollte. Die Warterei war quälend und umso dankbarer war er, dass Rumiko und die anderen oft bei ihm waren und ihn aufmunterten. Insbesondere Jamie war die meiste Zeit ein Optimist und sagte „Es wird alles gut werden. Beyond ist am leben und wird schon bald aufwachen, wenn er lange genug geschlafen hat.“ Schön und gut, er hatte ja auch eigentlich Recht, aber L beschlich so diese Sorge, dass der Serienmörder wahrscheinlich noch monatelang im Koma liegen würde. Vielleicht wachte er ja auch gar nicht mehr auf! Aber diese Sorge konnte Andrew ihm nehmen, der selber knapp ein Jahr im Koma gelegen hatte. „Jetzt mach dir mal keine Sorgen, L. Beyond ist ja nicht vom Dach des dritten Stocks gesprungen so wie ich damals. Seine Verletzungen sind vergleichsweise sehr gering und er wacht schon bald aus dem künstlichen Koma auf. Oliver und ich haben die letzten Einstellungen vorgenommen, jetzt liegt es einzig und allein an ihn.“

„Dann ist der Schaltkreis also fertig eingestellt?“

„Nicht ganz. Wir haben erst mal einen First Fit vorgenommen. Das ist ähnlich wie bei… Hörgeräten zum Beispiel. Wir testen die erste Einstellung und wenn irgendetwas nicht richtig sein sollte, wird es immer weiter optimiert und das so lange, bis alles fehlerfrei läuft. Bei mir hat es ja nur deshalb so lange gedauert, weil mein Körper völlig hinüber war und sich die Reha deshalb so in die Länge gezogen hat. Außerdem trage ich den allerersten Schaltkreis, da hat es eben mehr Macken und Probleme gegeben. Mach dir keine Sorgen, es wird schon alles gut werden. Es ist sogar höchstwahrscheinlich, dass er heute wieder aufwachen wird.“ „Na Gott sei Dank“, rief Rumiko, als sie die Neuigkeiten hörte und setzte sich. Das gestaltete sich als etwas umständlich, denn durch die Tatsache, dass ihr Bauch durch die Schwangerschaft beachtlich geschwollen war, war sie bei weitem nicht mehr so beweglich wie sonst. Deshalb war sie umso dankbarer, dass sie ihren Mann Jamie bei sich hatte, der ihr helfen konnte. „Ich mach mir nämlich sonst echt Sorgen, dass ich mir da unten tatsächlich einen Korken reinstopfen muss, um die Geburt noch irgendwie hinauszuzögern. Ich will nämlich nicht, dass Beyond aufwacht und es ist alles vorbei!“ „Es zwingt dich ja keiner dazu, dich zurückzuhalten“, gab L ein klein wenig trocken zurück, woraufhin Rumiko beleidigt eine Schmollmiene zog. Aber sie kannte ihn schon gut genug und wusste, dass solche Kommentare von L ja nicht böse gemeint waren. Das war eben sein Charakter. „Hat sich eigentlich schon mit diesem Sam etwas ergeben?“

„Leider nein. Er ist wie vom Erdboden verschluckt und da er ja seine wahre Identität komplett ausgelöscht hat, ist es auch fast unmöglich, ihn aufzuspüren. Ebenso hab ich noch keine Spur von Dr. Brown.“ Oliver saß jetzt schon seit Stunden an seinem Laptop und versuchte erfolglos, irgendeine Spur zu den beiden zu finden. Aber L wusste, dass niemand von ihnen die beiden finden würde. Zumindest noch nicht jetzt. Ihm war nämlich schon längst aufgefallen, dass die Armbanduhr mit dem Sender, die Andrew Beyond vor dem Unfall gegeben hatte, verschwunden war. Da sie bei Clears Leiche nicht gefunden worden war und Sam der Einzige bei Beyond gewesen war, ließ das nur den Schluss zu, dass Sam die Uhr mitgenommen hatte. Wozu er sie mitgenommen hatte, konnte er nur spekulieren. Aber allein die Tatsache, dass er Clear verfolgt und getötet, Beyond aber nicht mitgenommen hatte, ließ einige Fragen offen. Womöglich hatte er seine Pläne geändert und hatte kein Interesse mehr daran, Beyond zu entführen und ihn für seine Verhaltensforschungen zu benutzen. Nur was er genau plante, ließ sich noch nicht erkennen, dazu müsste man ihn näher beobachten. Dumm nur, dass er untergetaucht war. Somit würde es mehr als schwierig sein, ihn zu finden. Aber irgendein Gefühl sagte ihm, dass sie Sam nicht das letzte Mal gesehen hatten. Nein, er würde wieder auftauchen, wenn die Zeit gekommen war. Und dann würde sich auch endlich zeigen, was er eigentlich vorhatte und welches Ziel er verfolgte. „Wenigstens müssen wir uns wegen Clear keine Sorgen mehr machen. Der Kerl hat den halben Highway in Schutt und Asche gelegt und bei der Bombenaktion knapp elf Menschen getötet und mindestens drei Mal so viele verletzt. Dann haben wir zumindest ein Problem weniger.“ Dem konnte L nur zustimmen. Zwar war es mehr als frustrierend, dass der Plan schief gelaufen war und Sam immer noch auf freiem Fuß war, aber wenigstens machte Clear ihnen keinen Ärger mehr. Nachdem er die Kontrolle über den Wagen verloren und den Unfall gebaut hatte, war er mit Sam in eine Schießerei geraten und von ihm schließlich hinterrücks durch einen Kopfschuss getötet worden. Es schien so, als wäre Sam gar nicht hinter Beyond, sondern einzig und allein hinter Clear her gewesen. Vor allem aber stellte sich für L die Frage, was ihn selbst mit Sam verband, der mit wahrem Namen „Jeremiel Lawliet“ hieß. War er tatsächlich sein Bruder bzw. Halbbruder? Warum nur hatte er nie etwas von ihm erfahren und wieso war Sam im Waisenhaus aufgewachsen? Das alles waren Fragen, die er auch persönlich gerne beantwortet haben wollte. Watari zufolge war seine Mutter nicht in der Lage gewesen, lebende Kinder zur Welt zu bringen, da sie an einem Gendefekt litt. Sie hatte L nur deshalb zur Welt bringen können, weil Frederica ihr geholfen hatte. Also musste es sich eigentlich logischerweise um seinen Halbbruder oder aber um einen entfernten Verwandten handeln. Watari jedenfalls hatte keine Ahnung von Jeremiel Lawliets Existenz gehabt, also musste vielleicht Sam bzw. Jeremiel selbst die Antwort kennen. Irgendwie ließ ihm diese Geschichte einfach keine Ruhe und es machte ihn fast verrückt, dass er nicht wusste, wer Sam war. Rumiko hatte sich zurückgelehnt und wirkte etwas müde und erschöpft. Die Aufregung hatte ihr nicht sonderlich gut getan und zwischendurch hatten L und die anderen wirklich Angst, dass es vielleicht zu Komplikationen kommen könnte. Das Letzte, was sie wollten war, dass ihr oder ihren ungeborenen Kindern noch etwas passierte. Schließlich aber lächelte sie und legte eine Hand auf ihren Bauch. „Wisst ihr, ich hätte mir nie träumen lassen, dass wir alle so gute Freunde werden. L und Andrew haben sich endlich vertragen, Zweiterer ist mit Oliver verlobt und beide werden bald heiraten und Beyond ist am leben. Ich weiß nicht, wie es euch so geht, aber seit wir alle zueinander gefunden haben, komm ich mir vor, als hätte ich endlich eine richtige Familie.“

„Da bist du nicht die Einzige“, meldete sich Oliver und schaltete schließlich den Laptop aus. „Wir alle haben früh unsere Familien verloren. L ist mit 5 Jahren Waise geworden, Beyond und Andy mit 8, ich mit 12 und du hattest nie eine richtige Familie. Und Jamie hat seine Mutter verloren, als er klein war und sein Vater hat ihn scheiße behandelt. Und obwohl wir alle irgendwie unsere Startschwierigkeiten hatten, sind wir durch diese ganzen Probleme immer mehr zusammengewachsen. Und wenn Beyond erst einmal wieder auf dem Damm ist, dann können Andy und ich heiraten und du kannst dich auf deine Mutterrolle stürzen. Einzig und allein bei Beyond und L würde eigentlich alles immer noch wie beim alten ablaufen: Ermittlungen und schmutziger Sex.“ L hätte sich beinahe an seinem Kaffee verschluckt, als Oliver das sagte und starrte ihn mit einem schon fast tödlichen Blick an. Rumiko prustete vor Lachen und nur Jamie behielt sein gutmütiges, kindliches und auch naives und unwissendes Lächeln. Andrew stieß seinem Verlobten strafend in die Seite und sagte ganz klar „Jetzt ist aber genug, Olli. Du bringst L ja noch in Verlegenheit.“

„Na und? Die berühmte Mama Ruby kann doch gar nichts mehr schocken und anhand ihres Mangas lässt sich ja sowieso erkennen, dass sie über so einiges im Bilde ist. Also brauchen wir uns doch mit solch intimen Sachen nicht zurückhalten.“

„Eben! Und außerdem ist Sex nur dann schmutzig, wenn er auch richtig gemacht wird!“

„Dann machen wir also auch schmutzigen Sex?“ fragte Jamie, der in seinem unschuldigen Denken als erwachsenes Kind nicht wirklich verstand, was Oliver damit sagen wollte und sich auch nichts dergleichen vorstellen konnte. Sogleich erklärte Rumiko ihm, was genau damit gemeint war und was man darunter verstand. Nun ja, in seiner Gegenwart redete sie nicht so locker daher, sondern erklärte es in einer etwas kinderfreundlicheren Version, da Jamie es sonst nicht ganz verstehen würde. Denn dieser war mit seinem IQ von gerade mal 75 der Einzige in der Gruppe, der nicht zu den Hochbegabten zählte, sondern als Lernbehinderter die Ausnahme machte, der zudem bei Stress ins Stottern geriet und als Kind erhebliche motorische Schwierigkeiten hatte. Deshalb wurde er auch anders behandelt, da er im Geiste ein Kind war, das zu keinem bösen Gedanken fähig war. Eine Art Forrest Gump eben. „Nun ja“, sagte L schließlich, um eine Antwort auf Olivers Bemerkung zu geben. „Ich werde mich verstärkt auf die Suche nach Sam konzentrieren um herauszufinden, ob wir wirklich miteinander verwandt sind und wenn er tatsächlich mein Halbbruder ist, dann will ich wissen, wieso ich nie etwas von ihm erfahren habe. Aber da ist noch etwas anderes, was mir seit Tagen nicht mehr aus dem Kopf geht.“

„Und was?“

„Das, was Beyond vor seinem Tod gesagt hat, nämlich dass er Evas Zorn ist. Das erinnert mich an diese Geschichten, die Frederica mir damals immer erzählt hat. Es waren Märchen von Eva und ihrer Familie. Ich weiß nicht mehr genau, wie sie alle gingen, aber ich weiß, dass alle aus Evas Familie keine Namen hatten, sondern Eigenschaften verkörperten. Evas Kind war die Furcht vor dem Alleinsein. Die Furcht hatte als Ausgleich einen Gefährten, nämlich die Gelassenheit und diese verkörperte Evas Wunsch nach dem sorglosen Leben, das sie niemals führen kann. Dann gab es die Liebe und die Gutmütigkeit, die sich um den Zorn gekümmert haben und der Beschützer war der Partner an Evas Seite. Und dann gab es noch zwei weitere Personen in anderen Geschichten, an die ich mich aber nicht mehr erinnern kann. In einer von Fredericas Geschichten ist Evas gesamte Familie getötet worden und daraufhin verschwand Eva und wollte erst wieder zurückkehren, wenn ihre Familie zurückgekehrt und wieder vereint ist. Was ist, wenn das, was Beyond gesagt hat, eine tiefere Bedeutung hatte und er tatsächlich den Zorn Evas verkörpert? Dementsprechend müssten irgendwo die anderen Personen aus Fredericas Geschichten existieren. Das würde erklären, wieso Eva wieder aktiv geworden ist.“ Oliver und Andrew zeigten deutliches Interesse an L’s Geschichte, doch Rumiko schüttelte nur den Kopf und hatte da so ihre Zweifel. „Das passt doch gar nicht zu dir, dass du dich so ernsthaft mit solchen Kindergeschichten beschäftigst.“

„Tu ich ja für gewöhnlich auch nicht. Aber Frederica steht mit Eva in direkter Verbindung oder aber sie ist Eva selbst! Und letzte Nacht, da habe ich von dem Tag geträumt, als sie mir die Geschichte über den Zorn erzählt hat. Sie sagte mir, dass ich den Zorn besänftigen kann, wenn ich versuche, ihn zu verstehen und ihm nicht mit Angst oder Misstrauen begegne. Irgendwie musste ich daran denken, als ich Beyond getroffen habe. Ich wollte ihn verstehen und bin hartnäckig geblieben und nur deshalb ist es mir gelungen, dass er endlich seinen Hass ablegen konnte. Ich habe irgendwie das Gefühl, als hätte Frederica mir diese Geschichten damals nicht grundlos erzählt. Wenn sie schon so vorausschauend handeln kann und diese Gedankenschaltkreisforschung tatsächlich zu einem bestimmten Zweck diente und zum Plan dazugehörte, dann ist es doch möglich, dass Frederica genau weiß, wie sie vorgehen muss. Vielleicht hat sie mir diese Märchen erzählt, weil sie wollte, dass ich mich an sie erinnere, wenn der Zeitpunkt kommt und ich dann weiß, was zu tun ist, auch wenn es ganz unbewusst ist. Anfangs hatte ich ja so meine Zweifel, was Olivers Theorie angeht, aber im Nachhinein denke ich doch, dass da ein wahrer Kern ist. Immerhin hat diese Gedankenschaltkreisforschung nicht nur Andrew ein neues Leben ermöglicht, sodass er endlich sein Glück finden konnte, Beyond konnte auch damit gerettet werden. Jedenfalls muss ich sie finden und mir endlich Antworten holen. Ich will wissen, warum sie meiner Mutter geholfen hat, ob sie wirklich Eva ist und was sie vorhat.“

„Tja, scheint wohl als hättest du viel aus deiner Kindheit aufzuarbeiten“, kommentierte der Hacker und durchwanderte das Wohnzimmer. „Welche Geschichten hat die gute Frederica denn erzählt? Kannst du dich so ungefähr erinnern?“ Doch leider waren L’s Erinnerungen an seine früheste Jugend sehr lückenhaft. Immerhin war er da nicht älter als vier oder fünf Jahre gewesen und das war vor knapp zwanzig Jahren! Da war es ohnehin nicht verwunderlich, dass er sich kaum erinnerte. „Also da war einmal die Geschichte, wie Eva den Zorn besänftigte, dann gab es noch jene, als sie ihre Familie verlor und verschwand. Aber dazu gab es auch noch eine Geschichte, die ich aber nicht mehr im Kopf habe. Irgendwie handelte es von einem Wunsch. Dann gab es noch eine, in der Eva die Leere erschuf und ihr einen Inhalt gab, indem sie mit dieser ihr Herz teilte. Dann hat mir Frederica noch dieses Märchen erzählt, wo Eva gegen jemanden kämpfte, bis sie einen Weg fand, um Frieden zu schließen. Und dann erzählte sie mir eine Geschichte, wie die Leere auf jemanden traf und wieder zu ihm zurückkehrte, nachdem sie ein Herz bekam. Aber wie schon gesagt, ich kann mich nicht mehr an den genauen Inhalt erinnern.“

„Aber gewisse Parallelen sind da“, meinte Andrew und nickte bedächtig. „Jeremiel ist ein „leerer“ Mensch, weil er keine Gefühle empfinden kann. Und es war schon immer sein größtes Bestreben gewesen, Gefühle zu erlernen. Und wenn es wirklich stimmt und es gibt Parallelen zu Fredericas Geschichten, dann wäre es doch möglich, dass er die Leere verkörpert, wenn Beyond Evas Zorn ist. L, wie ging denn ungefähr die Geschichte?“ Da musste L wirklich überlegen, denn so ganz konnte er sich nicht erinnern und es fiel ihm wirklich schwer, sich an den genauen Inhalt zu erinnern. „Soweit ich weiß ging es darum, dass die Leere von niemandem verstanden wurde und deshalb fortging und die Familie verließ. Sie wanderte überall umher und letztendlich wurde sie von Eva gefunden. Diese teilte ihr Herz mit der Leere, damit diese nicht mehr ganz so leer war.“

„Und wenn wir bedenken, dass Eva eigene Pläne verfolgt und Jeremiel urplötzlich nicht mehr hinter Beyond her ist, dann könnte es doch sein, dass er gemeinsame Sache mit Eva macht. Denn wenn diese tatsächlich in der Lage ist, den Defekt in seinem Gehirn zu beheben und ihm Gefühle zu geben, dann ist es für ihn absolut logisch, dass er für sie arbeitet!“ L ließ sich diese Sache durch den Kopf gehen und konnte nachvollziehen, was Andrew damit sagen wollte. Demnach stand Sam in Kontakt mit Eva und das würde auch sein seltsames Verhalten erklären: er hatte sich auf ihre Seite geschlagen, weil sie in der Lage war, ihm zu helfen. Aber was genau plante Eva denn nun und was würde denn noch folgen? Das war die große Frage und für L stand fest, dass er es unbedingt herausfinden musste und das am besten schnellstmöglich, bevor es noch dazu kam, dass jemand erneut in Lebensgefahr geriet. „Also ich verstehe das alles noch nicht so wirklich“, seufzte Rumiko und schüttelte den Kopf. „Ist diese Frederica, die Andrew im Institut kennen gelernt hat, denn nun diese Eva oder nicht?“

„Das wissen wir nicht, aber es sprechen einige Dinge dafür. Eva ist unvergänglich, folglich also wird sie niemals aufhören zu existieren. Und Frederica besitzt Fähigkeiten, die ähnlich denen von Eva sind.“

„Und wieso ist sie unvergänglich und nicht unsterblich?“

„Wenn ein Mensch stirbt, dann geht die Seele ins Jenseits über und das Bewusstsein erlischt. Deshalb ist das Jenseits für uns das Nichts, weil alles verschwindet, was uns ausgemacht hat. Sowohl unsere Erinnerungen, als auch unsere ganze Persönlichkeit. Vielleicht stirbt Evas Körper immer wieder, aber ihr Bewusstsein bleibt intakt, was also bedeutet, dass sie immer die eine Eva bleiben wird und niemals ihre Erinnerungen verliert, wenn sie wiedergeboren oder wie auch immer sie zurückkehren wird. Dann macht sie das unvergänglich, aber nicht unsterblich.“ Trotzdem hatte Rumiko noch deutliche Skepsis, was diese ganze Eva-Theorie betraf, aber sie wollte sich da lieber raushalten. Sie musste sich auf ihre zukünftige Mutterrolle konzentrieren und deshalb war es nicht gerade ratsam für sie, sich da in irgendwelche eventuelle Gefahren zu begeben, auch wenn es sie nervte. „Das alles ist echt kompliziert. Also lass uns diese ganze Sache erst einmal auf später verschieben, ja? Ich hab echt das Gefühl, mir raucht hier noch der Schädel.“

„Na dann frag erst mal, wie es wohl Jamie gehen soll.“

„Mir geht es gut!“ antwortete er mit seinem typischen Sonnenscheinlächeln, aber so ganz schien er nicht verstanden zu haben, was Oliver damit sagen wollte. Also beendeten sie vorerst das Thema und Andrew und Oliver erzählten ein wenig von ihren Reisen und was sie sonst noch geplant hatten. „Wenn wir beide heiraten, wollen wir unsere Flitterwochen in Italien verbringen. Ich wollte schon immer den venezianischen Karneval besuchen, Rom und den Vatikan besichtigen und vielleicht auch noch nach Sizilien reisen. Eigentlich wollten wir das zusammen mit unserer fünfmonatigen Reise mit abhaken, aber dann kamen Thailand und China dazwischen und dann kam Andy ja in Japan mit der Idee an, dass wir das für unsere Flitterwochen einplanen sollten. Natürlich wollen wir dann auf jeden Fall im Lovely Evening noch richtig Party machen und die berühmte Mama Ruby auch hoffentlich mal in Aktion erleben.“

„Wenn ihr mit eurer Hochzeit noch so lange warten könnt, bis ich die beiden zur Welt gebracht habe, dann dürfte das kein Problem sein.“

„Ja, wir wollen auch nichts überstürzen. Erst einmal ist es wichtig, dass wir dafür sorgen, dass Beyond wieder auf die Beine kommt.“ Sie unterhielten sich noch eine ganze Weile und gerade wollte Rumiko aufstehen und zusammen mit Jamie nach Hause gehen und das Mittagessen vorbereiten gehen, da klingelte plötzlich eines von L’s Handys und er sah sofort, dass es Hester war. Ihr Anruf konnte nur eines bedeuten: es war etwas mit Beyond! Sofort nahm er ab und fragte „Ja Hester, was gibt’s?“ Die Ärztin klang ein wenig aufgeregt am Telefon, allerdings hörte es sich nicht danach an, als wäre es irgendetwas Problematisches. „Ich hab eine gute Nachricht, L! Beyond wird bald aufwachen. Seine Werte sind eindeutig gestiegen und es kann sich wahrscheinlich nur um ein oder zwei Stunden handeln, bis er aufwacht.“ Diese Nachricht sorgte für eine allgemeine Aufbruchstimmung. Kaum, dass die Nachricht verkündet war, schnappten sich alle ihre Sachen und wollten sofort zum Krankenhaus fahren. Rumiko und L waren wohl diejenigen, die am meisten aufgeregt waren. Die hochschwangere Musiklehrerin war kaum zu bremsen und auch L konnte es kaum erwarten, dabei zu sein, wenn Beyond endlich aufwachte. Es wird alles wieder gut werden, dachte er sich und hatte Mühe, sich seine Gefühle nicht anmerken zu lassen. Beyond wird gesund werden und wir können wieder glücklich werden.

Gedächtnisverlust

Sie erreichten das Krankenhaus eine halbe Stunde später und trafen sich dann auch direkt mit Hester, die ihnen entgegenkam und sich selber über alle Maßen freute, dass Beyond aufwachte. Während sie die Gruppe begleitete, erklärte sie ihnen, dass er gerade wieder zu Bewusstsein kam, allerdings dürften sie ihn nur kurz besuchen, weil er noch Ruhe brauchte. Die Ärztin führte sie durch die Gänge in Richtung der Intensivstation, wo Beyond noch lag. Als sie das Zimmer betraten, sahen sie, dass der Seriemörder die Augen geöffnet hatte und zur Decke starrte. Er sah aus, als wäre er gerade erst aufgewacht und als sie das sahen, da brach Rumiko vor Erleichterung in Tränen aus, lief zu ihm hin und nahm ihn in den Arm. „Gott sei Dank, du bist wach! Beyond, wie geht es dir denn?“ Er blinzelte und wirkte etwas orientierungslos und verwirrt. Etwas langsam fragte er „Wo… wo bin ich denn?“ „Im Krankenhaus.“ Langsam drehte er den Kopf und sah sie an. Immer noch wirkte er etwas verwirrt und schien nicht ganz zu verstehen, was denn eigentlich los war und was passiert war. Rumiko jedenfalls konnte sich scheinbar gar nicht mehr beruhigen. Sie weinte hemmungslos und hielt dabei seine Hand fest. So erleichtert war sie, wieder seine Stimme zu hören und zu sehen, dass er tatsächlich lebte und wach war. Schließlich legte Jamie tröstend einen Arm um sie und sprach ihr beruhigend zu. Langsam trat schließlich L heran und hatte Mühe, seine Fassung zu wahren. Auch er hätte am liebsten vor Freude geweint und seinen Gefühlen genauso freien Lauf gelassen wie Rumiko, aber er konnte sich beherrschen. „Beyond, ich bin so froh, dass du lebst. Ich hatte wirklich Angst, dich für immer zu verlieren. Es tut mir Leid, dass das alles passiert ist. Das war alles nur meine Schuld.“ Etwas regte sich in Beyonds Augen. Kaum, dass er L sah, kehrte Leben in seine rubinroten Augen zurück und zuerst sah es danach aus, als würde er wieder gänzlich zu Sinnen kommen und sich erinnern, doch dem war nicht so. Obwohl er nach einem einwöchigen Koma aufgewacht war und zudem eine schwere Operation hinter sich hatte, sprang er regelrecht auf, drückte L aufs Bett und begann seine Hände um seinen Hals zu legen. Blanker Hass funkelte in seinen Augen und begann wie ein Feuer zu lodern. „DU VERDAMMTER DRECKSKERL!!! Ich bring dich um dafür, was du mir angetan hast. Du Mörder!!!“ schrie er und drückte immer weiter zu, mit der Absicht, ihn zu erwürgen. Sie alle waren so überrascht und erschrocken, dass sie erst gar nicht realisierten, was da gerade passierte. Es war einfach so plötzlich geschehen… Rumiko war die Erste, die reagierte und versuchte, Beyond von L wegzuzerren. „Beyond, beruhige dich doch! Hör auf! Du bringst ihn ja noch um. Lass den Scheiß und komm wieder…“ Sie versuchte so gut es ging, die beiden voneinander zu trennen, doch da wurde sie brutal weggestoßen und stürzte zu Boden. Jamie und Oliver eilten sofort zu ihr hin, um ihr zu helfen, während Andrew nun seinerseits versuchte, Beyond wegzuzerren und irgendwie zu verhindern, dass dieser L noch erwürgte. Aber es hatte keinen Sinn. Beyond war wie von Sinnen und reagierte auf rein gar nichts mehr. Und das ließ nur einen einzigen Schluss zu: er war wieder in seine andere Seite verfallen. Das Monster in ihm war erwacht und nun lief er komplett Amok. Während Andrew versuchte, L da irgendwie aus dieser Lage zu befreien, versuchten die anderen Rumiko zu helfen. Diese hatte das Gesicht vor Schmerz verzerrt. Sie atmete schwer und stöhnte, während sie eine Hand auf ihren Bauch presste. Irgendetwas stimmte da nicht und Jamie stand die Angst ins Gesicht geschrieben. „Ruby, was ist mit dir? Sag doch was.“ Doch sie brachte kaum ein Wort zustande, sondern schrie nur. Sofort war Hester zur Stelle und rief die Krankenschwestern. Gemeinsam brachten sie die Hochschwangere aus dem Zimmer, damit sie schnellstens medizinisch versorgt werden konnte. Jamie ging mit ihr mit und sagte zu Oliver „Du hilfst L und Andrew, ich bleibe bei Ruby.“ Und daraufhin kehrte der Hacker zurück und schaffte es gemeinsam mit Andrew, Beyond von L herunterzuzerren, der dann wieder halbwegs atmen konnte und erst mal nach Luft rang und husten musste. Doch selbst Andrew und Oliver waren nicht in der Lage, Beyond in den Griff zu bekommen. Alle beschwichtigenden Worte prallten einfach an ihm ab und schließlich bekam er eine Flasche in die Hand, zerbrach sie und ging mit dieser Waffe direkt auf die beiden zu. „Ich schlitz euch alle einzeln auf und verteile eure Eingeweide auf dem Boden!“ Er brach in ein wahnsinniges Gelächter aus und wollte Andrew angreifen, den er in seinem Zustand gar nicht wiedererkannte, doch sofort stellte sich Oliver schützend vor ihn und versuchte den Angriff abzuwehren. „Beyond, hör auf! Beruhige dich doch endlich, es will dir keiner etwas tun.“ Doch selbst Andrew schien nicht mehr in der Lage zu sein, seinen besten Freund zu beruhigen. Dieser war völlig durchgedreht und würde erst aufhören, wenn er sie alle umgebracht hatte. Wenn er dann überhaupt noch aufhören konnte. Dabei war es ihm doch früher immer gelungen, dieses rasende Monster zu besänftigen. Warum nur gelang es ihm denn jetzt nicht? Und wieso war es überhaupt wieder erwacht? Was war der Auslöser gewesen und wieso hatte er ausgerechnet L attackiert? L kam wieder auf die Beine, rang aber immer noch nach Luft und sah, wie der BB-Mörder dabei war, seinen besten Freund anzugreifen und ihn schlimmstenfalls zu töten. Er sah, wie Andrew verzweifelt versuchte, ihn wieder zu beruhigen, doch es klappte nicht. Und sogleich wurde er von dieser tiefen Angst ergriffen, die er bis jetzt immer erfolgreich verdrängt hatte. Nämlich die, dass nichts und niemand dieses Monster unterdrücken und Beyond damit wieder zur Vernunft bringen konnte. Und immer noch klangen diese Worte in seinem Hinterkopf. „L… sollte es jemals dazu kommen, dass ich mich gar nicht mehr unter Kontrolle bringen kann und die anderen in Gefahr bringe, dann müsst ihr mich töten, ja? Ich könnte es mir niemals verzeihen, wenn ich dir, Rumiko oder den anderen etwas antun würde.“ Nein, dachte er und seine Brust schnürte sich zusammen. Ich werde nicht zulassen, dass ich dich noch mal verliere. Ich werde dich wieder zu Verstand bringen und wenn ich dich dafür monatelang wieder in den Keller sperren muss! Ich werde dich nicht aufgeben! „BEYOND!“ rief er und als der Serienmörder sich zu ihm umdrehte, eilte er zu ihm hin und umarmte ihn. Er drückte ihn fest an sich und ließ nicht locker. „Ich werde nicht zulassen, dass du gänzlich zu einem Monster wirst, okay? Und wenn ich dich mit Gewalt dazu zwingen muss, ich lass dich nicht im Stich. Ich liebe dich und ich bin für dich da, das habe ich dir versprochen.“ Beyond versuchte noch erst, sich irgendwie zu befreien, aber er verlor immer mehr an Kraft und dann schwand dieser wahnsinnige Glanz in seinen Augen, seine Arme hingen schlaff nach unten, dann sank er zusammen. L atmete erleichtert durch, als er sah, dass Beyond sich wieder beruhigte und wandte sich an Andrew und Oliver. „Bei euch alles in Ordnung?“ „Ja, alles noch dran. Aber was zum Teufel ist bloß in ihn gefahren und wieso hat er dich plötzlich attackiert? Und warum nennt er dich einen Mörder?“ Doch da war L auch überfragt. Er wandte sich an Beyond, der wohl seine ganze Kraft eingebüßt hatte und durch seine frisch vernähten Wunden erheblich gebremst wurde. Mit einem schmerzverzerrten Gesicht presste er eine Hand auf seine Verletzung, die ihm das Leben gekostet hatte und schien wieder einigermaßen klar im Kopf zu sein. L hockte sich vor ihm hin und starrte ihn an. „Geht es dir besser? Was war denn gerade mit dir los?“ Er wollte eine Haarsträhne aus Beyonds Gesicht streichen, doch dieser schlug seine Hand weg und sah ihn hasserfüllt an und blanke Verachtung und Abscheu loderte in diesen Augen. Diesen Blick kannte L und umso mehr schmerzte es ihn, diesen Blick noch einmal sehen zu müssen. So hatte Beyond ihn angesehen, als sie damals vor neun Monaten aufeinandergetroffen waren. „Fass mich nicht an!“ warnte er ihn und das mit einer Stimme, die wirklich abschreckend sein konnte. Eine Stimme, die nichts als Kälte und Verbitterung und Verachtung in sich trug. „Fass mich nie wieder an, hörst du? Wenn du das nur ein Mal machst, dann bringe ich dich um.“

„Was redest du da für einen Schwachsinn, Beyond?“ rief Andrew, der nicht ganz begreifen konnte, was denn mit seinem besten Freund los war, doch Oliver hielt ihn zurück. Mit einem mordlustigen Funkeln in den Augen sah Beyond den Detektiv an und ballte seine Hände zu Fäusten. „Was zum Teufel hast du mit mir gemacht? Und wieso bin ich hier?“

„Jetzt bleib mal ruhig. Wir kriegen das schon gemeinsam hin.“ Doch sofort packte Beyond ihn wieder an der Kehle und drückte zu. „Du wagst es allen Ernstes, mir mit so was zu kommen, nachdem du mir mein ganzes Leben zerstört hast? Reicht es dir nicht schon, wenn du mir alles genommen hast, was mir wichtig war? Reicht es dir denn nicht, dass du mich bereits so gedemütigt und den einzigen Menschen in den Tod getrieben hast, den ich liebe? Du verdammter Bastard hast A auf dem Gewissen und dafür bringe ich dich um.“ So war das also. Jetzt endlich wurde L alles klar und nun verstand er auch diese heftige Reaktion von Beyond bei seinem Anblick. Er leidet an Amnesie. Er kann sich an nichts mehr erinnern, was in den letzten neun Monaten passiert ist. Deshalb glaubt er noch, wir wären verfeindet und Andrew sei tot. Aber wieso kann er sich nicht erinnern? Ist es, weil der Gedankenschaltkreis noch nicht hundertprozentig eingestellt ist und es ein Problem sein könnte, welches noch behoben werden musste? „Beyond, jetzt beruhige dich erst mal und lass mich die Sache erklären.“

„Da gibt es nichts zu erklären und ich habe auch keine Lust, mir deine fadenscheinigen Lügen anzuhören.“

„Ich will dir keine Lügen erzählen. Beyond, du hast eine Amnesie und erinnerst dich nicht mehr. Andrew ist gar nicht tot, er ist am leben und wir beide haben unsere Differenzen längst beigelegt und wir leben zusammen. Bitte beruhige dich erst einmal und lass mich alles erklären.“ Doch Beyond schüttelte nur den Kopf und wollte das gar nicht hören. Es war auch in dieser Situation unmöglich für ihn, das zu glauben. „Ehrlich L, ich hätte wirklich eine bessere Lüge von dir erwartet. Als würde ich freiwillig jemals mit einem so herzlosen und arroganten Dreckskerl wie dir zusammen sein. Und ich war selbst dabei gewesen, als mein bester Freund vom Dach gesprungen ist. Ich habe seine Leiche gesehen, also hör auf, mir etwas anderes sagen zu wollen.“

„Aber es stimmt doch. Beyond, sieh mich an. Ich bin es: Andy, dein bester Freund.“ Beyond sah zu ihm auf und durch sein Shinigami-Augenlicht konnte er eigentlich sehen, dass es tatsächlich Andrew Asylum war, der da etwas weiter weg stand. Doch er verstand es einfach nicht. Sein Augenlicht sagte ihm, dass es ganz eindeutig Andrew war, aber wie war das möglich? Er erinnerte sich doch fest daran, dass dieser gestorben war und Tote konnten nicht wieder zum Leben erwachen. Das war einfach unmöglich und vor allem war dieser Mensch da ganz anders als der A, an den er sich erinnern konnte. Sein bester Freund war schwer depressiv, äußerst sensibel, still und unsicher, aber dieser da wirkte so selbstsicher und entschlossen. Das war nie und nimmer der Andrew Asylum, den er damals kannte, auch wenn sie beide die gleichen grünen Augen und dieselben dunkelroten Haare hatten. Die beiden hatten einfach nichts gemeinsam. Und überhaupt: wieso sollte er mit L zusammenleben, wenn er ihn doch so hasste und ihn am liebsten umbringen würde? Das alles machte keinen Sinn. Ein rasender Schmerz durchzuckte seinen Kopf und ihm wurde mit einem Mal schwarz vor Augen. Er verlor die Kontrolle über seinen Körper und versank in eine tiefe schwarze Finsternis. Und irgendwo aus dieser Tiefe rief da unaufhörlich diese Stimme. Eine leise vertraut klingende Stimme, die immerzu „Komm her…“ sprach und vor der er sich instinktiv fürchtete. Wer bist du, hätte er am liebsten gefragt, doch dazu war er nicht mehr in der Lage. Wer bist du und wieso rufst du mich?
 

„Komm her und ich werde sie dir zeigen… die Wahrheit…“
 

Welche Wahrheit?
 

„Die Wahrheit darüber, wer du wirklich bist.“
 

Vorsichtig legten L und Oliver den ohnmächtig gewordenen Beyond aufs Bett und tauschten nachdenkliche Blicke aus. Dann schließlich fragte der Detektiv „Wieso kann er sich nicht mehr erinnern, was in den letzten neun Monaten passiert ist?“ Auch da musste Oliver überlegen, denn er kannte sich mit der neuen Gedankenschaltkreistechnologie noch nicht ganz so gut aus, da war Andrew der bessere Ansprechpartner, also wandte man sich mit der Frage an ihn. Auch er war verwundert darüber und vermutete „Wahrscheinlich liegt es an einer Einstellung, dass er Gedächtnisstörungen hat. Das ist bei mir auch schon mal aufgetreten, als ich aus dem Koma aufgewacht bin. Aber was mich verwundert ist, dass ich es nicht geschafft habe, ihn wieder zu beruhigen, aber dafür du, L. Ich meine, er hat doch gesagt, dass er dich hasst und mich noch lieben würde, weil er sich ja nicht mehr erinnern kann, was nach der Konfrontation mit Jeremiel passiert ist. Aber… Beyond hat doch immer die Fassung zurückgewinnen können, wenn ich bei ihm war, weil er mich geliebt hat. Und Anscheinend ist es das, was bei ihm tatsächlich wirkt. Und weil er mich nicht mehr liebt, bin ich anscheinend nicht mehr in der Lage, ihn in den Griff zu bekommen.“

„Ja aber er erinnert sich doch nicht und hätte mich am liebsten umgebracht, weil er mich hasst.“

„Aber er hat dich doch schon damals geliebt, als er dich im Waisenhaus gesehen hat. Deshalb konntest du ihn damals auch beruhigen, als er bei dir im Keller war und ihr noch Feinde ward. Ich glaube, dass tief in seinem Herzen noch Gefühle für dich existieren und er mich auch nicht mehr liebt, auch wenn er sich das Gegenteil einredet. Lassen wir ihn erst einmal wieder ein wenig zur Ruhe kommen.“ Auch wenn es sich vielleicht nur um eine kleine Macke am Gedankenschaltkreis handeln konnte, tat es L doch im Herzen weh, dass Beyond ihm so etwas gesagt hatte und ihn am liebsten fast umgebracht hätte. Er war so unendlich froh gewesen, dass er lebte und jetzt das. Was, wenn sich Beyond nie wieder erinnern würde? „Was glaubt ihr? Wird Beyond sich jemals wieder erinnern können?“

„Das lässt sich nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen. Die Amnesie könnte von der Einstellung des Schaltkreises herkommen, oder aber es handelt sich um eine durch den Unfall bedingte Amnesie. Auch das wäre möglich. Wir müssten uns das gleich mal ansehen, dann wird sich das klären.“ Wenig später kam Hester wieder zurück, die ein klein wenig gehetzt war und sich bis gerade eben noch um Rumiko gekümmert hatte, die durch die ganze Aufregung und den Sturz starke Schmerzen erlitten hatte. Besorgt fragten die anderen, wie es ihr denn inzwischen ging, aber Hester konnte zum Glück Entwarnung geben. „Es ist nichts Ernstes gewesen. Glücklicherweise ist sie günstig gestürzt, sodass es den Zwillingen gut geht. Ich werde sie aber trotzdem noch zwei Tage zur Beobachtung hier behalten, nur um sicherzugehen. Ihr Mann Jamie bleibt noch bei ihr.“ Große Erleichterung bei den anderen. Insbesondere L atmete auf, denn als er gesehen hatte, dass Rumiko plötzlich starke Schmerzen hatte, da hatte er wirklich befürchtet, sie könnte die Kinder verlieren. „Und die Schmerzen?“ „Durch die Aufregung können frühzeitige Wehen eintreten. Das ist nicht ungewöhnlich bei Hochschwangeren. Zwar hat sich ihr Zustand recht schnell wieder stabilisiert, aber vermutlich wird es in den nächsten zwei oder drei Tagen soweit sein.“ Na super. Wirklich ein gutes Timing für eine Zwillingsgeburt, wenn es auch noch mit Beyond Probleme gab. Aber daran ließ sich ja leider nichts ändern. Wenn es soweit war, dann war es eben so und Rumiko konnte ja nun wirklich nichts dafür. Aber wenigstens war sie bei Hester in den allerbesten Händen und solange sie im Krankenhaus unter Beobachtung blieb, konnte ihr ja nichts passieren. „Also gut. Wenn irgendetwas sein sollte, dann sag uns Bescheid. Wir kümmern uns derweil um Beyond.“

„Was ist denn jetzt mit ihm? Wisst ihr schon etwas?“

„Er hat eine Amnesie und kann sich anscheinend an rein gar nichts mehr erinnern, was in den letzten neun Monaten gewesen ist. Fraglich ist aber, ob diese Gedächtnislücke jetzt vom Chip oder vom Unfall herrührt. Andrew, könnten wir sein Gedächtnis irgendwie wiederherstellen?“ Tatsächlich hatte der 25-jährige Engländer schon eine Idee und suchte sogleich nach. Er öffnete einige Programme auf seinem Laptop und geriet zwischendurch ins Grübeln. „Also es könnte sein, dass der Hippocampus nicht richtig mit Energie versorgt wird. Dadurch können einige Fehler auftreten, was das Gedächtnis betrifft. Auch emotionale Störungen wären dann erklärbar, weil im limbischen System auch Gefühle wie Angst entstehen, näher gesagt in der Amygdala. Dort und auch in anderen Gehirnregionen hat auch Jeremiel erhebliche Schäden. Ich habe mich sehr intensiv mit der Neurologie beschäftigt, damit ich Hester helfen konnte, den GSK bei Beyond einzusetzen. So konnte ich auch herausfinden, dass Jeremiel am Urbach-Wiethe-Syndrom leidet. Also nun ja, da im Hippocampus die Erinnerungen gespeichert sind, dürfte es kein Problem sein, etwas mehr Energie in dieses Areal zu senden und damit die Erinnerungen wieder wachzurufen. Und gleichzeitig könnte ich dann auch versuchen, einen Weg zu finden, diese Störung in den Griff zu bekommen und den Chip zu nutzen, um Beyonds aggressive Persönlichkeit gänzlich zu unterdrücken. Das wäre jedenfalls mein Plan und ich denke, es wäre einen Versuch wert. Aber nach der heftigen Aufregung würde ich jetzt eher sagen, dass Beyond sich noch etwas ausruht, bevor er wieder durchdreht und dann schlimmstenfalls noch seine Wunden aufreißen. Wenn seine Hirnaktivitäten zu stark sind, könnte eine Veränderung dazu führen, dass er vielleicht noch Schäden davonträgt. Versuchen wir erst mal so in Ruhe mit ihm zu reden. Es bringt nichts, wenn wir ihn mit Gewalt zu allem zwingen und ich würde gerne noch beobachten, ob noch andere Hirnareale betroffen sind. Schlimmstenfalls ist nicht nur sein Erinnerungsvermögen beeinträchtigt, sondern auch sein Denkvermögen. Ich würde ihn erst näher untersuchen wollen, bevor ich irgendetwas leichtfertig ändere und damit vielleicht noch riskiere, dass irgendwo anders ein Problem auftreten könnte. Schlimmstenfalls könnte es dazu führen, dass noch einige Fehler im Motorcortex auftreten könnten. So hätten wir eine komplette Fehleranalyse und ich könnte diese dann beheben.“ L nickte bedächtig und war neugierig. Er guckte Andrew über die Schulter und fragte „Und du hast Näheres zu Sams Krankheit herausfinden können?“

„Ich bin eher zufällig darauf gestoßen. Es gab eine Frau, die durch einen Defekt in der Amygdala nicht in der Lage war, Angst zu empfinden. Also habe ich mich näher damit beschäftigt und bin schließlich auf das Urbach-Wiethe-Syndrom gestoßen. Es ist ein extrem seltener vererbbarer genetischer Defekt, der zu Störungen im limbischen System führen kann, wodurch die Betroffenen entweder nur eingeschränkt oder überhaupt gar nicht erst fähig sind, Gefühle zu empfinden und zu verstehen und sie haben erhebliche Schwierigkeiten mit der Gesichtsmimik. Dieses Krankheitsbild passt eigentlich genau zu ihm und wer weiß: vielleicht könnte man diesen Defekt beheben, wenn man auch ihm einen elektrischen Gedankenschaltkreis einsetzt. Das ist nur so eine Theorie von mir, aber es könnte vielleicht funktionieren. Stellt sich dann für mich aber die Frage: wenn Eva tatsächlich in der Lage sein sollte, ihm Gefühle zu geben, wie will sie das anstellen? Ist sie vielleicht fähig dazu, unser Gehirn zu verändern und uns damit nach ihrem Willen zu formen? Wenn man bedenkt, dass wir erst durch unser Hirn erst wir selbst sind, wird mir ganz anders bei dem Gedanken, dass vielleicht jemand dazu in der Lage ist, es zu steuern oder zu verändern. Woher wollen wir dann noch wissen, dass wir wirklich wir selbst sind und nicht schon längst von Eva beeinflusst werden? Was ist Realität und was ist Fiktion? Jemand sagte mal, dass die Realität nichts Weiteres ist als eine Fiktion von uns. Denn unser Gehirn kann nicht zwischen Fantasie und Realität unterscheiden, es kann sich täuschen lassen. Deshalb wachen wir manchmal mit rasendem Herzen schweißgebadet und noch voller Angst aus unseren Alpträumen auf, weil das Gehirn den Unterschied nicht kennt, was wirklich passiert und was nicht. Darum gibt es eigentlich keine Realität und auch keine Fiktion.“

Flucht

Nach ein paar Minuten kam Beyond wieder zu sich und war nun deutlich ruhiger als vorher. Er hatte zudem noch ein Beruhigungsmittel verabreicht bekommen und konnte sich auch deshalb nicht mehr allzu stark aufregen. Dennoch war er immer noch sehr überfordert mit der Situation und verstand das alles nicht. „Was war denn eigentlich vorhin mit Rumiko? Wieso ist sie hier in Los Angeles zusammen mit Jamie?“

„Wir sind nicht in L.A., sondern in Boston. Und Rumiko hatte stressbedingte Wehen, weil die Aufregung vorhin zu viel für sie war.“

„Wehen?“

„Sie ist schwanger. Sie erwartet Zwillinge und sie ist auch schon seit fünf Monaten mit Jamie verheiratet. Wir waren bei der Hochzeit dabei und du warst ihr Trauzeuge.“ Fassungslos schüttelte Beyond den Kopf und konnte es nicht glauben. Er erinnerte sich nur daran, dass er mit Sam aneinander geraten und dann von ihm angeschossen worden war. Danach war er hier in diesem Zimmer aufgewacht und erfuhr, dass seine Adoptivschwester hochschwanger und verheiratet war. „Wie… wie viel Zeit ist denn seit der Sache mit Sam Leens vergangen?“ „Neun Monate.“

„Neun Monate? Ihr wollt mich wohl verarschen, oder? Ey, ich erfahre, dass Rumi schwanger und verheiratet ist und dann sind neun Monate vergangen? Was zum Teufel ist denn mit mir passiert? Könnte mir das mal einer bitteschön sagen?“ Sie tauschten kurz Blicke aus, als wollten sie im Stillen abklären, wer ihm die Wahrheit sagen wollte. Da L es als Einziger geschafft hatte, ihn vorhin zu beruhigen, wollte er diese Aufgabe übernehmen, auch wenn Beyond ihn momentan abgrundtief hasste. „Wir haben versucht, Sam und Clear gegeneinander auszuspielen und sie dann festzunehmen. Du hast dabei den Köder gespielt. Doch die Sache ist eskaliert und es kam zu einem Unfall. Dabei bist du an den Folgen deiner Verletzungen gestorben und daraufhin haben wir dir einen künstlichen Gedankenschaltkreis eingesetzt, um dich wiederzubeleben.“ Doch immer noch schüttelte Beyond und verstand das nicht so wirklich. Er ertastete den Verband und die vernähten Wunden. Konnte das alles wirklich stimmen und er war gestorben? Aber wieso konnte er sich an nichts erinnern? Und warum verhielt sich L so merkwürdig und sah ihn mit diesem komischen Blick an, der so seltsam wirkte und gar nicht zu ihm passte? Zumindest nicht zu einem legendären Phantomdetektiv wie ihn. Tief in seinem Inneren spürte er etwas, wenn er ihn so sah. Irgendein vergessener Herzenswunsch, der ihm aber nicht mehr einfallen wollte. Warum nur fühlte er diesen Schmerz in seinem Inneren, wenn er L so sah? Er verstand es nicht. Egal wie sehr er sich auch zu erinnern versuchte, da war einfach nichts. Als hätte es in seinem Kopf diese neun Monate nie gegeben. Was war denn nur in diesen neun Monaten alles passiert, dass er angeblich bei L lebte und sein verstorbener Freund Andrew plötzlich wieder lebte? Wie konnte das nur passiert sein? „Wieso kann ich mich an nichts erinnern?“

„Vermutlich eine fehlerhafte Energieversorgung des Hippocampus, oder aber eine Amnesie bedingt durch den Unfall“, erklärte Andrew und legte eine Hand auf seine Schulter. „Mach dir mal keine Sorgen, Beyond. Wir kriegen das wieder hin und dann wird alles wieder gut werden. Wir müssen wahrscheinlich noch ein paar Einstellungen vornehmen und dann wirst du dich wieder an alles erinnern. Auch daran, dass du L liebst.“ Als er das hörte, weiteten sich die Augen des Serienmörders und er sah aus, als hätte er Andrew am liebsten eine reingehauen und fassungslos starrte er die anderen an. „Wie bitte?“ rief er und für einen Moment loderte wieder der Zorn in ihm auf. „So einen wie den liebe ich nie und nimmer, klar? Ich hasse ihn und der einzige Mensch, den ich liebe, ist mein bester Freund Andy.“

„Beyond, du belügst dich doch gerade selbst. Tief in deinem Inneren spürst du doch schon längst, dass du keine Gefühle mehr für mich hast. Und es ist okay so. Wir haben das längst geklärt und ich bin jetzt mit Oliver zusammen. Ich habe weder für dich, noch für L irgendwelche Gefühle und du liebst L. Du hast vor anderen um diese Liebe genauso gekämpft wie er und du wolltest für immer bei ihm bleiben und niemals jemand anderen so lieben wie ihn. Also beruhige dich erst mal. Wenn ich die restlichen Einstellungen vorgenommen habe, dann wirst du dich wieder erinnern.“ Doch das Ganze klang für Beyond in seiner jetzigen emotionalen Verfassung nicht gerade danach, als wäre das wirklich so gemeint. Denn für ihn klang insbesondere die Tatsache in den Ohren nach, dass man ihm einen Chip im Hirn eingesetzt hatte und mit diesem sein Gehirn quasi steuern konnte. Und genau das passte ihm überhaupt nicht. Niemand fummelte ihm ungefragt am Oberstübchen herum. Wer weiß, was die noch alles mit ihm anstellen würden. Mit Sicherheit irgendetwas wie Gehirnwäsche. „Warum zum Teufel habt ihr mir einen Mikrochip in mein Hirn eingepflanzt und was habt ihr sonst noch mit mir angestellt? Muss ich etwa mit einer Aliensonde in meinem Arsch rechnen, oder was?“ Er regte sich schon wieder auf, was in seiner Verfassung mehr als ungesund war. So durcheinander wie er war, schien es schon quasi vorprogrammiert zu sein, dass er gleich wieder durchdrehte. Selbst die Beruhigungsmittel schienen da nicht sonderlich weiterzuhelfen. „Wir haben den Chip einsetzen müssen, weil es die einzige Chance war, dich wieder zurückzuholen. Und wir haben nichts mit dir gemacht. Wir wollen dir bloß helfen, dass du dich wieder erinnern kannst, was wirklich passiert ist. Du bist mit L glücklich zusammen und das schon seit Monaten. Wir wollen dir doch nichts Böses!“

„Verarschen kann ich mich selbst“, entgegnete der Serienmörder und funkelte sie misstrauisch und feindselig an. Es war erstaunlich zu sehen, wie verschieden die beiden Beyonds waren, wenn man sie so miteinander verglich. Der Beyond vor diesem Unfall war viel aufgeschlossener, ruhiger und vor allem humorvoller und ausgeglichener gewesen. Aber dieser hier war eine tickende Zeitbombe, der nur Feinde um sich herum sah und niemandem vertraute außer sich selbst. Es schien für ihn nichts anderes zu existieren als Hass und Verachtung. „Woher soll ich wissen, dass ihr nicht versucht, mir irgendwelche falschen Erinnerungen einzusetzen und mich nur glauben zu lassen, ich wäre mit dem da zusammen? Ums Verrecken werde ich niemals mit diesem Dreckskerl zusammenkommen und Gefühle für ihn entwickeln. Meinetwegen kann er ruhig verrecken, ihr alle könnt verrecken!“ Das war nicht mehr Beyond, der da sprach. Es schien so, als hätte irgendetwas gänzlich von ihm Besitz ergriffen und würde ihn vollständig beherrschen. Der Zorn beherrschte ihn und selbst auf seinen besten Freund schien er aggressiv und feindselig zu reagieren, was vorher nie geschehen war. Wieso also verhielt er sich so? Wieder musste L an Beyonds letzte Worte denken. Evas Zorn… er hatte furchtbare Angst davor gehabt, gänzlich zu Evas Zorn zu werden und damit jedem wehzutun, der ihm etwas bedeutete. War das wirklich noch Beyond oder stimmte es wirklich und er war gänzlich von Evas Zorn vereinnahmt worden? Das wollte L nie und nimmer zulassen, egal was dafür nötig war. „Du musst endlich zur Vernunft kommen. Andrew ist dein bester Freund und als solcher würde er dir niemals so etwas antun.“

„Der da ist nicht der Andy, den ich kenne. Ich weiß nicht, wie ihr das angestellt habt, mein Shinigami-Augenlicht auszutricksen, aber das da ist nie und nimmer Andy und ich lass mir keinen verdammten Doppelgänger vorsetzen.“ Beyond steigerte sich immer mehr in seine Wut rein und während seine ganze Aufmerksamkeit L galt, beobachtete Andrew ihn genau, um aus seinem Verhalten schließen zu können, ob noch irgendwelche Auffälligkeiten zu erkennen waren. Aber außer, dass Beyond Amnesie hatte und ziemlich sauer war, ließ sich kaum etwas Ungewöhnliches erkennen. Wahrscheinlich mussten sie ihn betäuben, um die Einstellungen zu ändern. „Jetzt steigerst du dich aber langsam in Wahnideen rein. Das ist dein bester Freund Andrew. Er ist nur deshalb verändert, weil er dank Oliver mehr Selbstvertrauen dazugewonnen hat und nun seinen eigenen Weg geht. Wenn du uns nicht glaubst, kannst du gerne Jamie oder später vielleicht Rumiko fragen.“

„Was hast du mit meiner Schwester und Jamie zu schaffen?“

„Wir wohnen direkt nebenan und sie sind gute Freunde geworden.“

„Du lügst. Rumiko würde sich nie und nimmer mit dir abgeben!“

„Doch, das tut sie. Und sie hat uns beiden mehr als oft genug helfend zur Seite gestanden. Ich würde ja gerne mit dir zu ihr gehen, aber sie braucht jetzt erst mal Ruhe.“ Doch es zeigte sich deutlich, dass mit Beyond einfach nicht zu reden war. Er weigerte sich stur, sich auf irgendetwas einzulassen und schien wirklich überall ein falsches Spiel zu wittern. Er war völlig verbohrt und es war in dieser Situation unmöglich, mit ihm irgendwie vernünftig zu reden. „Du hältst dich gefälligst von meiner Schwester fern, klar? Ihr könnt meinetwegen weiterhin so einen unsinnigen Müll reden, aber ich werde niemanden an meinem Gehirn herumfummeln lassen, das könnt ihr vergessen!“

„Aber wir wollen dir doch nur helfen, dich wieder zu erinnern.“

„Ich will mich aber nicht erinnern, ja? Ich will nichts davon wissen, dass ich irgendwann mal in meinem Leben mit L zusammen war. Das ist kompletter Schwachsinn und ums Verrecken will ich nicht mit dem da überhaupt in einem Haus wohnen.“ Es hatte wirklich keinen Sinn. Egal was sie auch sagten oder taten, Beyond stellte sich komplett quer und war alles andere als kooperativ. Und in seinem Zustand war es alles andere als ratsam, ihn jetzt gleich schon zu überfallen und ihn mit Gewalt zu zwingen, sich zu erinnern. Damit verhindert werden konnte, dass er vielleicht auf dumme Gedanken kam, wurde seine rechte Hand mit einer Handschelle ans Bett gefesselt und man ließ ihn erst einmal allein. L, der das alles erst mal verdauen musste, setzte sich schließlich auf einen Stuhl und starrte nachdenklich ins Leere. Besorgt nahm Andrew neben ihm Platz und sagte „Nimm es dir nicht so zu Herzen, L. Beyond meint es nicht so. Er hat es nur gesagt, weil er sich nicht erinnern kann und weil er völlig überfordert mit der Situation war. Tief in seinem Herzen liebt er dich noch!“ Das wusste er ja, aber trotzdem tat es ihm so unendlich weh, was Beyond gesagt hatte. Und seine größte Angst war, dass Beyond sich nie wieder erinnern könnte. Was würde er dann tun? Schließlich stand er auf und verließ die Intensivstation. Er ging hinauf in die vierte Etage und fand dort Rumiko, die im Bett lag. Jamie saß bei ihr und hielt ihre Hand. „Wie geht es dir?“ fragte L und trat näher. Die schwangere Halbjapanerin schaute zu ihm herüber und lächelte. „Ganz gut soweit. Es war nur die Aufregung, sonst nichts. Jamie fährt gleich nach Hause und holt noch ein paar Sachen für mich. Wie es scheint, muss ich erst mal hier bleiben. Aber sag schon, wie geht es Beyond und was war mit ihm los?“

„Er hat sich wieder eingekriegt, allerdings ist er völlig durcheinander und reagiert ziemlich aggressiv und abweisend. Wie es scheint, leidet er unter Amnesie und kann sich an rein gar nichts mehr erinnern, was in den letzten neun Monaten passiert ist. Deshalb dachte er noch, wir beide wären verfeindet. Wir wollen ihn erst einmal zur Ruhe kommen lassen, dann wollte Andrew noch mal ein paar Einstellungen am Schaltkreis vornehmen, um Beyonds verlorene Erinnerungen wachzurufen.“ Rumiko sagte nichts, sie sah deutlich, dass L sehr darunter litt, dass der wichtigste Mensch in seinem Leben, den er durch tragische Umstände verloren und wie durch ein Wunder zurückgewonnen hatte, sich nicht mehr an die gemeinsame Zeit mit ihm erinnern konnte. Sie setzte sich auf und sah ihn mit ihren rubinroten Augen an. „Das war schon ziemlich schlimm für dich, nicht wahr? Ich meine, du hast so sehr gelitten, als er gestorben ist und konntest es kaum erwarten, ihn wieder in die Arme zu schließen und jetzt seid ihr wieder genau da, wo ihr zu Anfang gewesen seid. Und da er in dieser Verfassung nicht gut auf dich zu sprechen ist, glaubt er dir auch kein Wort. Vielleicht ist es besser, wenn ich mal mit ihm rede. Immerhin bin ich seine ältere Schwester und auf mich hört er ja wenigstens ein bisschen.“ Gerade wollte sie aufstehen, doch da drückte L sie sanft aber entschieden wieder zurück und versuchte ihr diese Idee schnell wieder auszureden. „Du darfst dich nicht schon wieder so einem Stress aussetzen. Hester sagte, dass es jederzeit soweit sein könnte und deshalb musst du in erster Linie auf dich und deine Kinder achten. Wir kriegen das schon hin.“

„Ja aber er ist doch mein kleiner Bruder…“ Doch L ließ nicht mit sich reden. Das letzte, was er wollte war, dass er Rumikos Gesundheit und die ihrer ungeborenen Zwillinge aufs Spiel setzte. Auch wenn es der Musiklehrerin nicht gefiel, sie musste sich da raushalten! „Ich sag es dir noch mal in aller Deutlichkeit: du hältst dich da raus und schonst dich oder ich werde dich noch mit Handschellen am Bett fesseln. Das ist mein Ernst, Rumiko. Du kannst in deiner Verfassung nichts ausrichten, also überlass das uns und denk nicht mal dran.“ Diese deutlichen Worte von L waren Argument genug gewesen und so gab sich die Halbjapanerin geschlagen. „Also gut, wenn ihr ohne mich zurechtkommt, dann will ich euch nicht aufhalten. Aber bitte sagt mir Bescheid, wenn es irgendetwas Neues gibt, okay? Versprecht es mir!“ Sie versprachen es und damit war Rumiko beruhigt. Jamie verabschiedete sich und wollte nach Hause fahren, um ein paar Sachen für seine Frau zu packen und er selbst war ja auch nicht wirklich in der Lage, großartig zu helfen. Es war auch die einzig vernünftige Entscheidung gewesen, die beiden aus der Sache rauszuhalten, denn Jamie war das schwächste Glied und Rumiko erwartete Zwillinge und dabei konnte es sich nur noch um Stunden oder wenige Tage handeln, bis es endlich soweit war. „Was genau habt ihr denn jetzt eigentlich vor?“

„Nun, wir werden Beyond erst mal ein wenig Ruhe gönnen. Immerhin muss er sich von einer schweren Operation erholen und er lag zudem im künstlichen Koma. Wenn wir Glück haben, erinnert er sich schnell wieder von alleine und damit hätte sich die Sache erledigt. Aber wenn nicht, dann müssten wir noch mal den Gedankenschaltkreis neu einstellen, sollte der Hippocampus nicht genügend Energie bekommen.“

„Hippo-was?“ fragte Rumiko verständnislos, die nicht viel über Neurologie wusste. Andrew erklärte es ihr. „Der Hippocampus ist der Teil des Gehirns, in welchem sämtliche Erinnerungen abgespeichert sind und wo auch in einigen Unterregionen Gefühle entstehen. Es ist wahrscheinlich, dass er nicht genügend mit Energie gespeist wird, sodass es deshalb zu Gedächtnisstörungen gekommen ist.“

„Nun, ich vertrau einfach mal eurer Diagnose. Wenn ihr das wieder hinkriegt, dann kann doch nicht viel schief gehen. Aber passt bitte ein wenig auf Beyond auf, ja? In seinem Zustand ist er unberechenbar.“

„Keine Sorge, wir haben ihn erst mal mit Handschellen ans Bett gefesselt. Der haut uns so schnell nicht ab.“

„Mit Handschellen?“ rief Rumiko und sah ihn entsetzt an. Über diese Reaktion war L etwas verwirrt. „Ja, oder ist das irgendwie schlecht?“

„Und ob das schlecht ist, du Dösbaddel! Schon vergessen, dass er aus dem Knast ausgebrochen ist und seinen Tod vortäuschen konnte? Handschellen zu öffnen ist für ihn die reinste Kinderstunde, verdammt! Geht schnell nachsehen, ob er noch da ist! Wenn wir Pech haben, ist er schon längst abgehauen.“ Verdammt, daran hatten sie überhaupt nicht gedacht. Aber dabei hatte Rumiko doch vollkommen Recht. Beyond war nicht dumm, er wusste mit Sicherheit, wie er problemlos Handschellen öffnen konnte. Sofort eilten sie zurück zur Intensivstation und trafen dabei auf Hester, die wohl gerade in einem anderen Zimmer Visite machen wollte. „Hey, was ist denn los?“ „Ist Beyond noch auf seinem Zimmer?“

„Das weiß ich nicht. Ich war gerade bei meinen Patienten zur Visite, deshalb war ich auch nicht bei ihm. Ist irgendetwas?“ Doch sie antworteten nicht, sondern eilten weiter und hofften, dass sie noch nicht zu spät gekommen waren. L hätte sich am liebsten selbst dafür in den Hintern getreten, dass er nicht daran gedacht hatte. Solch peinliche Fehler waren ihm noch nie unterlaufen. Warum ausgerechnet jetzt? Etwa vielleicht, weil er wegen dem, was Beyond gesagt hatte, neben der Spur war? Das war gut möglich… aber das hätte ihm nie und nimmer passieren dürfen. Immerhin war Beyond in diesem Zustand unberechenbar und es war nicht auszuschließen, dass er gefährlich werden könnte. Er hatte ja erst vor knapp ein bis zwei Stunden einen Rückfall gehabt. Oliver, der der schnellste Läufer von ihnen war, hatte sie kurzerhand abgehängt und das Zimmer als Erster erreicht. Er riss die Tür auf und hoffte natürlich, Beyond immer noch ans Bett gefesselt vorzufinden, doch was er da fand, war ein leeres Bett. Die Handschellen lagen auf dem Fußboden, genauso wie die Bandagen. Sie waren zu spät. Beyond hatte es geschafft, innerhalb der kurzen Zeit die Handschellen zu öffnen und zu fliehen. Aber er konnte doch nicht einfach so abgehauen sein, ohne dass jemand ihn bemerkt hätte. Oliver ging zum Schrank hin und als er ihn öffnete, fiel ihm auch sogleich ein bewusstloser junger Mann entgegen, dem die Kleidung fehlte. Beyond hatte in der kurzen Zeit nicht nur die Handschellen geöffnet, sondern auch noch einen der Ärzte überwältigt und seine Kleider angezogen, um unbemerkt das Krankenhaus verlassen zu können. Sofort wandte sich der Hacker an L und Andrew. „Beyond hat sich aus dem Staub gemacht. Sagt Hester, sie soll Alarm schlagen und sämtliche Ärzte und Pfleger prüfen lassen!“ Und sofort wurde Alarm geschlagen. Sie wussten, dass sie schnell handeln mussten, da sie es immerhin mit einem höchst cleveren und trickreichen Serienmörder zu tun hatten, der es verstand, komplett unterzutauchen und seine Spuren zu verwischen. Der bewusstlose Mann, den Oliver gefunden hatte, war Hesters Kollege Dr. Bloom. Dieser war zum Glück nicht schwer verletzt. Beyond hatte seinen Kopf mehrmals gegen die Wand gerammt, bis dieser bewusstlos wurde und außer einer Gehirnerschütterung und einer Platzwunde am Kopf fehlte ihm ansonsten nichts. Aber wahrscheinlich hätte Beyond ihn auch umgebracht, wenn er ein Messer oder ein Skalpell zur Hand gehabt hätte. Blieb nur zu hoffen, dass sie ihn rechtzeitig finden konnten, bevor er das Krankenhaus verließ. L und Hester begannen sich im Krankenhaus umzufragen, Andrew und Oliver teilten sich auf und gingen jeweils zum Haupteingang als auch zum Hintereingang, in der Hoffnung, den flüchtigen BB-Mörder dort irgendwie abpassen zu können. Doch wie schon befürchtet war Beyond nirgends zu finden. Egal wo sie auch suchten, es fehlte jegliche Spur von ihm und keiner konnte sich erklären, wo er abgeblieben war. Es war schon fast zum Verzweifeln. „Er kann doch nicht einfach so verschwunden sein“, seufzte Hester und fuhr sich durch ihr Haar. „Ich kapier es nicht. Wir haben überall nach ihm gesucht, aber es gibt nirgends eine Spur von ihm. Wie zum Teufel macht er das bloß?“

„Er ist eben ziemlich gerissen und einfallsreich. Schlimmstenfalls hat er das Krankenhaus schon längst verlassen und ist schon über alle Berge.“

„Und was sollen wir tun?“

„Wir sprechen mit Oliver und Andrew. Vielleicht können sie sich in die öffentlichen Kameras einhacken und eine Möglichkeit finden, Beyond aufzuspüren. Andrews GSK hat ein einprogrammiertes GPS, vielleicht haben sie Beyond auch eines einprogrammiert und somit wäre es ein Leichtes, ihn wiederzufinden.“

„Hm, hoffen wir nur, dass er bis dahin nichts Dummes tut.“

Beyonds Entführung

Beyond hatte das Krankenhaus problemlos verlassen und gleich darauf den Arztkittel und die Brille abgelegt. Als er den Parkplatz erreichte, schlug er eine Frau nieder, schnappte sich die Wagenschlüssel und fuhr mit einem schwarzen Chevrolet davon. Doch er merkte selbst, dass er alles andere als fit war. Die Wirkung der Schmerzmittel ließ allmählich nach und er spürte einen schmerzhaften Stich in seiner Seite, wo eine Wunde vernäht worden war. Er atmete tief durch und presste eine Hand auf die Stelle. Nicht nur das machte ihm zu schaffen, sein Kopf schmerzte höllisch und sein Kreislauf war ziemlich unten. Diese ganze Aufregung war echt ungesund gewesen und er brauchte jetzt dringend Ruhe. Na was soll’s, dachte er und startete den Motor. Wenigstens bin ich diese Verrückten losgeworden. Was fällt denen auch ein, mir an meinem Hirn herumfummeln zu wollen, nachdem sie mir einen Chip eingesetzt haben? Die können ja behaupten was sie wollen, aber ich werde das ganz sicher nicht mit mir machen lassen. Ich bin ja nicht bescheuert. Hinterher unterziehen die mich noch einer Gehirnwäsche! Sicherlich haben sie es schon versucht und ich hab deshalb so eine dicke Gedächtnislücke. Aber nicht mit mir! Ich bin doch nicht bescheuert und lass mich zu irgendwelchen perversen Versuchszwecken missbrauchen. Na warte. Wenn ich wieder fit bin, dann werde ich L für das zur Rechenschaft ziehen, was er mir und Andrew damals angetan hat. Ich werde ihn ganz langsam töten und diesen bescheuerten Andrew-Doppelgänger auch. Und dann werde ich… Beyond brachte den Gedanken nicht zu Ende, denn ein brennender Stich durchfuhr seinen Kopf und er presste eine Hand gegen seine Schläfe. Es tat so entsetzlich weh, dass für kurze Zeit sogar sein Sichtfeld verschwamm. Er brauchte jetzt dringend Ruhe, um sich von seinen Verletzungen zu erholen. Er brauchte ein gutes Versteck, damit er nicht so schnell gefunden wurde. Beyond fuhr erst mal auf die Hauptstraße und wollte erst mal so weit weg wie möglich von L, bevor dieser ihn noch fand und ihn irgendwo einsperrte. Zuzutrauen war das diesem Mistkerl ja alle Male. „Komm her…“ Die ganze Zeit hörte er diese Stimme, die ihn rief. Die Stimme, die ihn zu sich holen wollte. Wer war das nur, der ihn da rief und wieso hörte er sie ständig? Und warum fühlte er sich so… so hin und her gerissen? Irgendwie fühlte er sich schrecklich und würde am liebsten heulen und er konnte sich einfach nicht die Ursache dafür erklären. Er hatte das Richtige getan und er hatte ganz klar gesagt, was er dachte. Nämlich, dass L ein eiskalter Mistkerl war, der seinen besten Freund in den Tod getrieben hatte. Seine große Liebe… Merkwürdig. Warum nur fühlte er denn da nichts mehr, wenn er an Andrew dachte? Immerhin hatte er ihn doch so sehr geliebt und ihn auf solch schreckliche Weise verloren. Er hatte seinen Tod nicht verhindern können und sich immer die Schuld gegeben, bis der Zorn in ihm erwacht war und er nichts anderes mehr wollte als Vergeltung. Andrew war der einzige Mensch in seinem Leben gewesen, der ihm helfen konnte, warum nur fühlte er denn da plötzlich nichts mehr, wenn er an ihn dachte? Und wieso fühlte er sich stattdessen so mies, dass er gesagt hatte, L könne ruhig krepieren? Als er diesen verletzten Ausdruck in diesen pechschwarzen Augen gesehen hatte, da hatte er gespürt, wie sich tief in seinem Inneren etwas geregt hatte. Und auch als L ihn umarmt hatte, um ihn zu beruhigen… da hatte er sich so seltsam gefühlt. Als käme ihm das irgendwie vertraut vor. Kann es wirklich sein, dass es stimmt, was er sagte? Bin ich wirklich mit dem Menschen zusammen, den ich am meisten auf der Welt hasse? Aber wie kann das sein? Ich verstehe das einfach nicht. Wie komme ich denn dazu, ausgerechnet mit L etwas anzufangen, wenn Andy ihn doch geliebt hatte und ich doch eigentlich in meinen besten Freund verliebt sein sollte? Und warum sind da plötzlich gar keine Gefühle mehr, wenn ich an Andy denke? Was ist denn nur mit mir passiert, dass sich alles so verändert hat, was meine Gefühle betrifft? Wieder bohrte sich ein brennender und stechender Schmerz durch seine Schläfe und lähmte für einen Moment seinen gesamten Körper. Er ging vom Gaspedal herunter und bog in eine Seitenstraße ein. Wenig später erreichte er das Industriegebiet und wieder begann es vor seinen Augen zu flimmern. Ihm wurde schwindelig und sein Kopf dröhnte entsetzlich. Es brachte nichts, er schaffte es nicht mehr. Also hielt er am Straßenrand, blieb aber noch eine Weile sitzen, um seine verbliebenen Kräfte zu sammeln. Seine Verletzung schmerzte höllisch und als er in den Spiegel sah, bemerkte er, dass er kreidebleich im Gesicht war. Na super, ich sehe echt katastrophal aus. Wenn das so weitergeht, kipp ich noch komplett aus den Latschen und dann findet mich L schlimmstenfalls noch. Und der ist der Letzte, den ich wieder sehen will.
 

„Beyond… du musst herkommen.“
 

Nein, er wollte nicht. Er wollte diese Stimme nicht hören und schon gar nicht ihr folgen. Wohin denn auch bitteschön? Er versuchte sie zu ignorieren und stieg schließlich aus dem Auto aus, um ein wenig frische Luft zu schnappen in der Hoffnung, dass dies seine Kopfschmerzen lindern würde. Aber dem war nicht so. Stattdessen schienen sie stärker zu werden, je mehr er versuchte, diese Stimme in seinem Kopf zu verdrängen und sie zu überhören.
 

„Du brauchst keine Angst zu haben… Ich will dir helfen…“
 

Ich will keine Hilfe, von niemandem! Ich bin schon immer alleine zurechtgekommen und werde das auch in Zukunft. Einen wie mich will doch sowieso niemand haben. Die Menschen haben mich so schon immer einen gruseligen Freak genannt, nur weil ich anders bin. Also warum sollte ich mir denn helfen lassen, wenn die Menschen mich doch sowieso immer verstoßen? Keiner wollte mich je haben. Mein Vater hat mich gehasst und mich ständig verprügelt und meine Mutter wollte mich umbringen. Ich will alleine sein und niemanden haben, der mich nervt. Es ist besser so, wenn ich ganz alleine bin. So kann ich wenigstens niemandem wehtun. Ich bin dazu bestimmt, alleine zu bleiben, weil ich dazu neige, immer den Menschen wehzutun. Zorn kann nun mal keine Menschen retten. Er verletzt sie nur. Beyond spürte, wie ihm kalt wurde, obwohl die Sonne schien und es gefühlte 25°C waren. Er war müde und erschöpft. Höchste Zeit, dass er sich irgendwo ein Versteck suchte, wo er fürs Erste nicht gefunden wurde und sich ausruhen konnte. Danach würde er wohl weitersehen, was er als Nächstes tun würde. Beyond wollte gerade gehen, da nahm er einen eiskalten Schauer wahr, der ihm über den Rücken lief. Er spürte deutlich, dass jemand ihn beobachtete und er wusste, dass es jene eisblauen leeren Augen waren, vor denen er sich am allermeisten fürchtete. Sein Innerstes verkrampfte sich und er hatte einfach nur Angst. Dabei hatte er sich doch sonst nie so gefürchtet, wenn er spürte, dass Sam Leens ihn beobachtete. Nun gut, er war dann schon ziemlich unruhig, aber dieser Zustand grenzte schon fast an wachsender Panik. Er drehte sich um und sah den namenlosen Killer auf ihn zugehen. Keine Gesichtsregung, kein Glanz in diesen blauen Augen… kein Leben. Beyond überlegte zuerst, ob er weglaufen sollte, aber er wusste, dass er es in seiner Verfassung nicht schaffen würde und er war kein Feigling. Er würde niemals einfach so weglaufen, ohne sich vorher wenigstens ordentlich zur Wehr gesetzt zu haben. Aber Kämpfen sah auch nicht gerade gut aus. Das schaffte er nie und nimmer. „Was willst du hier, Sam? Wenn du hergekommen bist, um mich zu töten, dann lass dich nicht aufhalten. Aber ich sag dir eines: einfach werde ich es dir nicht machen.“

„Hast du es aufgegeben, wegzulaufen?“ Beyond runzelte irritiert die Stirn und verstand nicht, was Sam denn damit wollte. Weglaufen? Was wusste der denn schon? „Was willst du damit sagen?“ „Dass es sinnlos ist, vor den Tatsachen zu fliehen. Der Tatsache, dass du der Zorn bist und du gestorben bist. Ebenso die Tatsache, dass du die Wahrheit nicht erkennen willst und deshalb auch vor dir selbst davonrennst.“

„Willst du mir eine Predigt halten, oder was? Von einem gefühllosen Killer wie dir, der nicht mal die Mundwinkel verziehen würde, wenn man ihm eine Kugel in die Eier schießt, brauch ich mir das nicht sagen zu lassen. Also was ist? Willst du mich denn jetzt nun umbringen oder nicht? Dann mach es bitte schnell, ja? Ich hab keine Lust auf ein Kaffeekränzchen.“ Irgendetwas stimmte mit diesem Kerl nicht. Normalerweise sagte Sam nichts, weil er es hasste, zu reden. Immerhin war er aufgrund seiner Gefühllosigkeit kaum in der Lage, Worte zu verstehen, die keine festen Gegenstände beschrieben. Solche Reden passten überhaupt nicht zu Sam. „Ich werde dich nicht töten.“

„Und wieso bist du dann hier?“

„Weil ich dich mitnehmen werde.“ Damit ging Sam auf ihn zu und schaffte es mit Leichtigkeit, den angeschlagenen Beyond zu überwältigen, ihn zu fesseln und dann in seinen Wagen zu verfrachten. Schließlich setzte sich Sam hinters Steuer, fuhr aber noch nicht los, sondern starrte mit diesem leeren und nichts sagenden Blick aus dem Fenster. Beyond verstand das alles nicht, vor allem nicht, was Sam jetzt eigentlich von ihm wollte. Und so langsam ging ihm das alles richtig auf die Nerven. „Was zum Teufel willst du von mir? Antworte gefälligst!“ „Von dir nichts. Ich habe mit Eva eine Vereinbarung getroffen. Ich liefere dich aus, dafür wird sie mir das geben, was ich will.“

„Wie bitte? Ich kapier hier gar nichts. Wer ist Eva und was will sie dir denn schon geben?“

„Eva ist ein höheres und unvergängliches Bewusstsein, aber du wirst es noch früh genug erfahren. Ich bin lediglich ihr Bote. Und sie wird mir endlich Gefühle geben können. Sie wird mich aus diesem Zustand befreien, in dem ich nichts hassen oder lieben kann. Ich, Evas Leere, werde ein Herz bekommen und damit menschlich werden. Diesen Zustand kann ich schon lange nicht mehr ertragen, in welchem ich nicht einmal sagen kann, dass ich es hasse, leer zu sein. Denn ich empfinde so etwas nicht. Ich hasse und liebe nichts, ich kann nichts Schönes oder Schlechtes finden und Eva hat mir daraufhin angeboten, mir meinen Wunsch zu erfüllen. Mein Dasein als Sam Leens wird enden und damit wird mein jetziges Ich für immer aus dieser Welt verschwinden und sterben. Und als Ausgleich dafür soll ich dich mitnehmen und ausliefern.“

„Und was habe ich mit der ganzen Sache zu tun?“

„Du bist ebenso wie ich ein Teil von Eva. Du bist ihr Zorn und es gibt da jemanden, der Pläne mit dir hat.“ Pläne? Was denn für Pläne? Irgendwie verstand Beyond nur Bahnhof und blickte in dieser ganzen Sache überhaupt nicht mehr durch. Er hatte immer noch nicht ganz kapiert, wer denn nun Eva war und was er mit ihr zu tun hatte. Sam startete den Wagen und fuhr los. Da Beyond zwischen den Sitzen lag, war es für ihn unmöglich zu sehen, wo die Fahrt denn nun hinging. Und noch etwas beschäftigte ihn: Sam hatte gesagt, er wäre Evas Leere und ein Teil von ihr. „Wer oder was bist du wirklich?“ Eigentlich rechnete er nicht wirklich damit, dass er eine Antwort bekam. Besonders nicht von Sam. Doch dieser erwies sich erstaunlicherweise als äußerst gesprächig und antwortete „Mein Name ist Jeremiel Lawliet.“ Lawliet? Moment mal, hieß L denn nicht auch mit Nachnamen Lawliet? Aber wie konnte das sein? „Sag bloß, du bist mit L verwandt.“

„Er ist mein Bruder.“ Nun war Beyond sprachlos und wusste jetzt erst mal nicht, wie er das einzuordnen hatte. Ausgerechnet Sam Leens war L’s Bruder? Seit wann hatte der Kerl überhaupt Geschwister? Noch wichtiger war die Frage, wie so ein Monster mit dem größten Detektiv verwandt sein konnte. Das musste ein Scherz sein. „Willst du mich für dumm verkaufen? Ihr beide seht euch doch überhaupt nicht ähnlich.“

„Du wirst es noch früh genug erfahren.“

„Und wo bringst du mich hin?“

„Wirst du sehen, wenn du wieder wach bist.“ Und damit holte Sam eine Pistole hervor, drehte sich um zielte damit direkt auf Beyonds Hals, dann schoss er einen Betäubungspfeil ab, der den gefesselten Serienmörder sofort schlafen schickte. „Sehr gut, Sam. Nicht mehr lange, dann ist es endlich vorbei und dann werde ich mein Versprechen einlösen.“ Inzwischen stand er fast ständig mit Eva in Kontakt, seit sie ihn das erste Mal gesprochen und ihm aufgetragen hatte, Clear zu töten und zu verhindern, dass dieser mit Beyond abhauen konnte. Alles war so gekommen, wie sie es gesagt hatte und er hatte genauestens ihre Anweisungen befolgt. Nun gab es nicht mehr viel zu tun, bevor er sterben würde. Sam wusste, dass sein jetziges Dasein bald vorbei sein würde. Und wenn Eva ihm seinen Wunsch erfüllte, würde er für immer verschwinden und nie wieder derselbe sein, der er vorher war. Sam Leens würde einfach vom Angesicht dieser Welt verschwinden, als hätte er niemals existiert. Er bedauerte dieses Schicksal nicht, welches nichts Besseres für ihn bereithielt, als den Tod. Zwar wusste er, dass sein Leben mehr als trostlos war und eigentlich nicht lebenswert genannt werden konnte. Aber er war nicht traurig darüber oder sah einen Grund, darüber zu klagen. Er war leer, er war es schon immer gewesen und hatte niemals so lachen können wie die anderen Kinder. Er hatte nie Angst im Dunkeln gehabt, oder nach einem Alptraum heftig geweint. Auch war ihm als Teenager die Liebe immer fremd gewesen und er verstand auch rein gar nichts vom Sozialverhalten der Menschen. Er hatte sich niemals als einen der ihren gesehen und es stimmte ja auch: er gehörte einfach nicht dazu. Er würde niemals in diese Welt dazugehören, weil er anders war. Im Grunde war er ein Fremder in einer Welt, die ihm für immer fremd sein würde. Egal wie sehr er es sich auch wünschte, er könnte niemals seinen größten Wunsch aus eigener Kraft erfüllen und dieser inneren Leere entkommen, die es ihm unmöglich machte, ein normales Leben zu führen. Glücklich war er damit nicht, aber hassen konnte er diesen unerträglichen Zustand auch nicht. Jeder andere Mensch, der vorher Gefühle gehabt hätte, der hätte vielleicht den Verstand verloren oder sich schon längst selbst die Kugel gegeben. Ein Leben ohne Freude und Traurigkeit, ohne Liebe und Hass. Er konnte sich nie über die kleinen Dinge freuen wie andere Menschen oder sich über die simpelsten Sachen ärgern, auch wenn er es wollte. Sein Leben war eine niemals enden wollende Hölle und seine Welt war genauso inhaltslos wie sein Herz. Denn es existierte nichts darin, was man mit Gefühlen hätte verbinden können. Und deshalb war es nur notwendig, wenn der identitätslose Sam Leens ohne Herz für immer aus dieser Welt verschwand. Nichts würde von ihm zurückbleiben, weil er eben nichts war. Nur eine Hülle ohne Inhalt, die er seit dem Tag seiner Geburt irgendwie zu füllen versuchte. Wie er diesen Zustand doch leid war, natürlich auf eine emotionslose Art, die aber nicht anders zu beschreiben war, da die menschliche Sprache sowie das nötige Verständnis dafür nicht ausgereicht hätten. Aber mit den Augen eines fühlenden Menschen hätte man wirklich sagen könnten, dass Sam Leens dieses Leben hasste. Er ertrug es einfach nicht mehr, leer zu sein und wünschte sich nichts sehnlicheres, als endlich menschlich zu werden und damit zu dieser Welt dazuzugehören. War es denn so falsch, mit allen Mitteln dafür zu kämpfen, endlich nicht mehr ein namenloses Nichts zu sein, das weder Wärme noch Kälte ausstrahlte? Er hatte doch nie etwas anderes gewollt und jetzt endlich stand er kurz davor, sich seinen sehnlichsten Traum zu erfüllen. Wenn Eva wirklich ihr Wort hielt, dann war sie in der Lage, ihm endlich Gefühle zu geben und dann würde Sam Leens aufhören zu existieren. Sein jetziges Ich, dem niemand auf dieser Welt eine Träne nachweinen würde (nicht mal er selbst), welches 25 Jahre lang auf der Suche gewesen war, würde sterben. Er würde sterben. Aber… es war notwendig. Er musste sterben, denn Sam Leens selbst würde niemals ein Herz haben. Also war es nur logisch, dass er sterben musste. Deshalb war er auch nicht sonderlich überrascht gewesen, als Eva ihm dies gesagt hatte. Und selbst wenn er Entsetzen oder Fassungslosigkeit oder sogar Angst hätte empfinden können, hätte er nur genickt und gesagt „Es ist gut so“. Im Grunde unterschied ihn nicht sonderlich viel von Beyond. Auch dieser war anders und lebte deshalb auf Distanz zu den anderen Menschen. Und auch er hatte sein Kreuz zu tragen, denn er war der Zorn und als solcher konnte er auf Dauer nicht mit anderen zusammenleben, ohne dass er diese durch seine Ausfälle in Gefahr brachte. Aber darum würde sich jemand anderes kümmern. Er würde ihn einfach dorthin bringen, wie Eva es ihm aufgetragen hatte, ohne großartig Fragen zu stellen. Und damit hatte sich die Sache.

Sam ließ sich die Richtung von Eva nennen und dachte nach. „Was genau wird passieren, wenn alle zusammengefunden haben und Sophies Wunsch erfüllt wurde?“

„Nun, darüber habe ich noch nicht ganz so sehr nachgedacht. Vielleicht werde ich dieser Welt noch ein Mal eine Chance geben und mein Glück suchen. Aber wichtig ist erst einmal, dass meine Familie wiedervereint ist und alle glücklich werden, so wie es sich Sophie damals gewünscht hat. Aber ich glaube, da gibt es noch jemanden, dem ich danach ein wenig helfen muss. Ich habe ihn damals im Stich gelassen, als ich fortgegangen bin und er war ziemlich verletzt deswegen. Ich will mich mit ihm versöhnen und auch ihm sein Glück zurückgeben.“ „Verstehe.“

„Hm, irgendwie bist du redseliger als sonst, Sam. Kann das sein?“

„Womöglich liegt es daran, weil ich sterben werde.“

„Bedauerst du es?“

„Nein, dazu bin ich einfach nicht in der Lage. Und vielleicht ist es auch gut so, sonst könnte ich mich nicht zu diesem Entschluss durchbringen.“ Manchmal hatte es schon seine Vorteile, emotionslos zu sein. So konnte er wenigstens immer eine objektive Entscheidung treffen. Aber dennoch war er diesen Zustand mehr als leid und wollte einfach nur so schnell wie möglich die ganze Sache hinter sich bringen, um aus seiner inneren Leere befreit zu werden und zu dem Menschen zu werden, als der er eigentlich geboren werden sollte. „Da hast du wohl recht. Aber mach dir keine Sorgen. Es wird schon alles klappen. Dieses Mal klappt es ganz bestimmt, dass alle ihr Glück finden, auch du.“

„Ich mach mir keine Sorgen. Ich kann so etwas auch nicht.“

„Ich weiß. Es sollte auch nur eine Redewendung sein.“

„Redewendung?“

„Du weißt nicht mal, was eine Redewendung ist?“

„Das sollte ein Scherz sein.“

„Na du hast ja eine komische Auffassung von Scherzen. Und wenn du schon anfängst, Scherze machen zu wollen, muss ich mir ja noch wirklich Sorgen um dich machen, mein lieber Sam.“

Die Angst wächst

Sie trafen sich alle zusammen bei L zuhause, um zu überlegen, was sie tun sollten. Die Suche nach Beyond war erfolglos geblieben und als sie auch noch erfuhren, dass eine Frau niedergeschlagen worden war, da lag die Vermutung nahe, dass es sich um Beyond handeln musste. Er war mit einem Wagen abgehauen und nun war Oliver dabei, die Satelliten und Kameras anzuzapfen, um so irgendwie eine Möglichkeit zu finden, den entflohenen Serienmörder zu finden. Dummerweise hatten Andrew und Oliver nicht daran gedacht, das GPS-Programm einzustellen, da sie ja nicht wirklich damit rechnen konnten, dass Beyond einfach so das Weite suchen würde. Aber etwas anderes machte dem Rothaarigen Sorgen: der Gedankenschaltkreis war noch nicht optimal eingestellt und wenn Beyond sich übernahm, konnte das zu einer Störung der Energieversorgung führen und dann waren Kopfschmerzen sein geringstes Problem. Warum nur hatten sie nicht dran gedacht, ihn gleich richtig zu fesseln, damit er nicht abhauen konnte? Jetzt hatten sie den Salat und mussten schauen, dass sie ihn schnellstmöglich wiederfanden, bevor ihm noch etwas passierte. L dachte nach, wohin der Serienmörder denn verschwunden sein könnte. „Also ich vermute, er wird sich irgendwo ein abgelegenes Versteck suchen. Wenn er noch nicht wieder fit ist, dann wird er auch nicht so dumm sein und sich großartig übernehmen. Es muss irgendwo ein Ort sein, wo er nicht so schnell gefunden wird.“

„Ich hab noch zusätzlich den Polizeifunk angezapft. Wenn der Wagen irgendwo gefunden wird, erfahren wir es als erste. Andy, könntest du dich darum kümmern?“

„Klar!“ Damit verschwand Andrew mit den Gerätschaften in ein Nebenzimmer, um ungestört arbeiten zu können. Oliver blieb zusammen mit L im Arbeitszimmer, um die Monitore zu überwachen. Der Hacker war hochkonzentriert und überlegte selbst, was sie noch tun konnten, um Beyond schnellstmöglich wiederzufinden. Aber eines beschäftigte ihn noch. „Was ist denn eigentlich mit Sam? Ich meine, er ist noch auf freiem Fuß und was ist, wenn er auch hinter Beyond her ist?“ „Dann hätte er ihn doch schon vorher mitgenommen. Aber andererseits… wenn man in Betracht zieht, dass er für Eva arbeitet und diese weiß, was passieren wird, dann ist es vielleicht möglich. Nehmen wir mal an, Sam und Eva wussten, dass Beyond sterben wird, dann haben sie ihn vielleicht zurückgelassen, damit er mit dem Gedankenschaltkreis wiederbelebt werden kann. Also ist der Gedanke nicht ganz so abwegig, dass Sam wieder zurückkommen könnte, um Beyond zu entführen. Aber was hat Eva mit ihm vor? Das ist hier die Frage. Wenn er und Sam tatsächlich ihre Fragmente sind, dann gibt es zwei Möglichkeiten: 1. Eva will ihre Familie wieder zusammenführen, so wie es in Fredericas Geschichten erzählt wird. 2. Sie will wieder den Zorn vereinnahmen, genauso wie alle anderen, um ihre Kraft wiederherzustellen. Aber die zweite Möglichkeit erscheint mir wenig logisch, denn dann hätte sie es doch schon viel früher getan. Eva will an Beyond heran und gehen wir mal davon aus, dass die Gedankenschaltkreisforschung auch von ihr geplant war, dann wäre es auch möglich, dass Eva ihre Familie zurückholen will. Und dazu braucht sie unter anderem Beyond, weil er den Zorn verkörpert. Demnach also würde sie sein eigenes Selbst zerstören und durch ein anderes ersetzen.“

„Klingt ja schrecklich. Fast so, als würde sie einfach eine andere Seele in Beyonds Körper einpflanzen.“

„Wenn diese Option zutrifft, dann leider ja. Dann wird Beyond für immer verschwinden und jemand anderes würde in seinem Körper weiterleben. Sollte das wirklich zutreffend sein, dann hat sie mit Sam das Gleiche vor.“ Oliver sah ihm an, dass ihm dieser Gedanke wirklich zu schaffen machte. Normalerweise würde er ja sagen, dass es absoluter Blödsinn war und so etwas nicht möglich sein konnte. Aber wenn man die Tatsache hinzuzog, dass Eva in der Lage war, Sam Gefühle zu geben, dann musste sie über die Fähigkeit verfügen, den Verstand der Menschen zu beherrschen. Schließlich öffnete sich die Tür und Watari kam herein. Er hatte einen alten Karton bei sich, den er auf den Tisch stellte. „Ich habe Nastasjas Forschungsarbeiten aufbewahrt und sicher versteckt gehabt. Aber ich denke, dass es Zeit ist, dass Sie sich die Arbeiten durchlesen können, L.“

„Danke, Watari.“ Während Oliver weiter die Bildschirme überwachte, durchstöberte L den Karton und fand alte Notizen mit der Handschrift seiner Mutter. Aber nicht nur Forschungsarbeiten und Aufzeichnungen waren darin zu finden, sondern auch die eine oder andere Zeichnung. Und dann fand L ein Bild. Es war mit Buntstiften gemalt worden und sah aus, als würde es von einem Kind stammen. Es zeigte eine sonnige Landschaft und ein Haus mit rotem Dach und davor Hand in Hand mehrere Personen. Ganz rechts war ein schwarzhaariger Mann, über den „Papa“ geschrieben stand. Daneben war eine Frau mit blondem Haar und einem langen weißen Kittel. Über ihrem Kopf stand „Mama“ geschrieben. Dann kam ein kleiner Junge, den L trotz des mehr als dürftigen und groben Zeichenstils als sich selbst wiedererkannte, als er noch klein war. Daneben war ein Mädchen mit ganz langen weißen Haaren, einem fliederfarbenen Kleid und leuchtend roten Augen. Und über ihrem Kopf hatte L statt „Frederica“ „große Schwester“ geschrieben. Frederica… Als er dieses Bild sah, erinnerte er sich an einen heißen Sommertag, als sie einen Ausflug gemacht hatten. Er war vier Jahre alt gewesen und sie waren einer sehr belebten Stadt gewesen, wo zu der Zeit ein Fest gefeiert wurde. Frederica hatte ihr Haar zu einem langen Zopf geflochten und die ganze Zeit Nastasjas Hand gehalten, während L von seinem Vater auf dem Rücken getragen wurde. Aber dann hatten sie sich in dem Gedränge aus den Augen verloren und L hatte seine Mutter nicht mehr festhalten können, als er selbst gelaufen war. Er hatte sie überall gesucht, aber weder sie noch seinen Vater finden können, woraufhin er in Tränen ausgebrochen war. Er hatte bitterlich geweint und immer nach seinen Eltern gerufen. Und dann… als er schon geglaubt hatte, es würde niemand kommen, da hatte Frederica ihn gefunden und ihn in den Arm genommen, um ihn zu trösten. Was hatte sie noch mal zu ihm gesagt gehabt, als sie ihn gefunden hatte? „Du brauchst nicht zu weinen, L. Egal was auch ist, ich passe immer auf dich auf. Und wenn du verloren gehst, werde ich dich wieder finden. Ich bin mit jedem Menschen auf dieser Welt verbunden, auch mit dir. Deshalb werde ich deine Stimme überall hören können, egal wie weit weg du bist.“ Wieso nur hatte er sie vergessen? Sie hatte sich so liebevoll als eine große Schwester um ihn gekümmert und er konnte sich nicht mal an ihr Gesicht erinnern. Wohl aber an das Lied, welches sie und seine Mutter immer für ihn gesungen hatten. L legte das Bild weg und fand schließlich das Notizbuch seiner Mutter, in welchem sie all ihre Entdeckungen und Gedanken zur Eva-Forschung festgehalten hatte. Angefangen von der Idee, dass die Seele biologischen Ursprungs sein könnte bis hin zu den ersten groben Anfängen zu den Konstruktionsplänen. Er überflog die Aufzeichnungen und fand schließlich auf den letzten Seiten etwas Interessantes:
 

„Meine Forschungen zu Eva haben allmählich einen toten Punkt erreicht. Es ist mir nicht möglich, ihren Körper zu finden, um so wenigstens auf diese Weise ihre Existenz zu belegen. Ob Frederica wirklich die unvergängliche Eva ist, die die Quelle der Seele verkörpert, schließe ich inzwischen zu knapp 60% aus. Ich habe mich näher damit beschäftigt und mich gefragt, was Unvergänglichkeit überhaupt bedeutet. Unsterblichkeit? Nein, Unvergänglichkeit bedeutet, dass etwas niemals enden wird. Es stirbt nicht, weil es nicht lebt. Also warum ist Eva unvergänglich? Ich beginne langsam zu glauben, dass „Eva“ selbst kein Lebewesen in dem Sinne ist. Zwar ist meine Theorie noch sehr löchrig und muss näher untersucht werden, aber was ist, wenn Eva kein Wesen aus Fleisch und Blut ist? Es könnte sich um ein überirdisches Bewusstsein handeln, welches jenseits unserer Vorstellungskraft existiert. Dieses Wesen, das wir in unsere Religion „Gott“ nennen, ist ein unvergängliches Bewusstsein, welches körperlos ist und die Macht besitzt, das Schicksal und das Gefüge in dieser Welt zu beeinflussen und über die Menschen zu richten. Was, wenn Eva ein solch gottähnliches Bewusstsein ist und damit weit über dem steht, was für uns Menschen zu begreifen ist? Aber was hat es dann mit Frederica auf sich, die ja eigentlich die direkteste Verbindung zu Eva darstellt und vermutlich sogar Eva sein könnte? Ist sie eine Art Abkömmling von ihr? Meine Theorie ist, dass es sich bei „Eva“ um eine Art überirdisches aber auch gleichzeitig parasitäres Bewusstsein handelt, das sich in einen Körper einnistet und ihn systematisch nach ihren eigenen Bedürfnissen und Vorstellungen ändert. Doch was passiert dann mit dem Wirt und seinem eigenen Bewusstsein? Bleibt es erhalten oder wird es gänzlich zerstört? Kann es sein, dass es sich bei Frederica um einen ehemaligen Wirt Evas handelt? Das wäre zumindest eine Theorie, welche ich aber noch prüfen will. Ich hoffe, dass Frederica mir mehr Antworten geben kann. Fraglich ist aber, ob sie sich überhaupt erinnern kann und ob sie auch mehr darüber sagen will.“
 

Und auf der letzten Seite hatte seine Mutter nur drei Worte geschrieben und daneben waren Blutflecken zu sehen. Dies musste sie geschrieben haben, als sie getötet worden war:
 

„Tempus est Luxatus“
 

„Die Zeit ist aus den Fugen?“ murmelte er und runzelte die Stirn. Das war doch ein Zitat aus Hamlet, allerdings in Latein. Wieso hatte seine Mutter dies im Augenblick ihres Todes geschrieben? L wandte sich Watari zu und fragte ihn diesbezüglich, doch auch der alte Mann konnte damit nichts anfangen. „Nastasja hat mir leider nicht immer alles erzählt, deshalb kann ich da leider nicht helfen. Aber ich erinnere mich noch, dass sie nach einem Gespräch mit Frederica sehr verändert war. Sie wirkte sehr ernst und gefasst und ich habe mir wirklich Sorgen um sie gemacht. Und als ich sie fragte, was denn los sei, da sagte sie „Henry und ich werden dafür sorgen, dass es dieses Mal klappen wird. Auch wenn einige Opfer erforderlich sein werden.“ Ich habe mich immer gefragt, was sie damit gemeint hat und bis heute habe ich keine Antwort darauf.“ Tja, auch L war überfragt und nach alledem, was er aus den Notizen seiner Mutter schließen konnte, schien sein Verdacht nahe zu liegen, dass Eva ihre Familie zurückholen wollte und dazu brauchte sie unter anderem auch Beyond. Und wenn er an die alten Geschichten von Frederica zurückdachte, konnte er sich auch schon denken, was es mit Evas Familie auf sich hatte: Eva hatte Teile ihres Bewusstseins abgespalten und sie in die Körper von Menschen eingepflanzt, um sich so eine eigene Familie zu erschaffen. Und nun, da sie wieder aktiv geworden war, wollte sie ihre Familie zurückholen, die sie damals verloren hatte. Und dazu wollte sie Beyonds Bewusstsein durch ein anderes ersetzen. Ein schrecklicher Gedanke und es würde bedeuten, dass er Beyond für immer verlieren würde. Dann würde nicht einmal der künstliche Gedankenschaltkreis ihn zurückholen können. Er würde einfach für immer aufhören zu existieren. L spürte einen schmerzenden Stich in seiner Brust und wie sich alles zusammenschnürte. Am liebsten hätte er geweint, wenn er nur daran dachte, dass Beyond dabei war, für immer zu verschwinden und dann jemand in seinem Körper weiterlebte, der so anders war. Die Angst wuchs in ihn und das sah auch Watari. „L, was haben Sie?“

„Wir müssen Beyond schnellstmöglich finden, bevor Eva und Sam ihn in die Finger kriegen und ihm etwas antun. Im schlimmsten Fall werden sie sein Bewusstsein gänzlich durch ein anderes ersetzen und damit würde er für immer aufhören zu existieren. Wir…“ Er sprach nicht weiter, denn da legte Watari eine Hand auf seinen Kopf und lächelte mild. Wie ein Großvater, der seinen Enkel beruhigen wollte. „L, es wird alles gut werden. Es bringt nichts, wenn Sie sich selbst verrückt machen und den Überblick über die Situation verlieren. Wir werden Beyond schon finden und ich denke nicht, dass etwas dergleichen passieren wird.“

„Was macht Sie da so sicher?“

„Die Armbanduhr. Erinnern Sie sich denn nicht mehr, dass Sam Leens oder besser gesagt Jeremiel die Armbanduhr mit dem Sender mitgenommen hat, als er Clear erschossen hat? Nennen Sie es ruhig meine Intuition, aber ich denke, dass er sie mitgenommen hat, weil Sie Beyond finden sollen. Ich glaube kaum, dass ihm ernste Gefahr droht.“ Na, Watari hatte ja einen wirklich gesunden Optimismus. Aber L war da schon deutlich skeptischer. Zugegeben, das mit der Uhr war schon merkwürdig, das stimmte. Dennoch war er nicht wirklich überzeugt, dass Beyond keine Gefahr drohte. Ein solches Denken konnte er sich einfach nicht erlauben. Er musste ihn schnellstmöglich finden und sicherstellen, dass ihm nichts passieren konnte. Noch einmal wollte er ihn nicht verlieren und ebenso wenig wollte er, dass Sam ihm irgendetwas antat. „Oliver, hast du schon was gefunden?“

„Ich bin noch dabei, aber bis jetzt hab ich noch nichts.“ Doch schon kurz darauf kam Andrew zu ihnen und hatte Neuigkeiten zu melden: der Chevrolet, mit dem Beyond sich abgesetzt hatte, war gesichtet worden. Sofort hackte Oliver die entsprechenden Überwachungskameras und konnte tatsächlich sehen, wie Beyond aus dem Wagen ausgestiegen war. Er schien ziemlich neben der Spur zu sein und dann wandte er seinen Blick in eine bestimmte Richtung und schien mit jemandem zu sprechen. Oliver konnte noch zwei weitere Kameras anzapfen und erkannte, dass es Sam Leens war. Also doch. Er war gekommen, um Beyond mitzunehmen. L sah, wie Sam es mühelos schaffte, Beyond zu überwältigen, ihn zu fesseln und dann in den Wagen zu verfrachten. Normalerweise hätte der namenlose Schrecken von Amerika nicht so ein leichtes Spiel gehabt, aber da Beyond eine schwere Operation hinter sich hatte und der Chip zudem noch sehr anfällig für Stress war, sah die Sache wiederum ganz anders aus. „Dann hat Sam ihn also tatsächlich entführt. Moment, ich werde mal sehen, ob ich den Wagen nicht irgendwo wieder finden kann. Andy, du prüfst in der Zwischenzeit, auf wen der Wagen zugelassen ist. Ich versuch, ihm auf der Spur zu bleiben und herauszufinden, wo er hingefahren sein könnte.“ Doch L bezweifelte, dass es so einfach werden könnte, Sam aufzuspüren. Immerhin war er nicht dumm und wusste, wie er seine Spuren verwischen konnte. Nein, Sam würde mit Beyond von der Bildfläche verschwinden und dann gab es folgende Optionen: 1. er würde dann den Sender auf der Armbanduhr betätigen, wenn der Zeitpunkt für ihn geeignet war oder 2. er würde Beyond an Eva ausliefern und dann würde sie ihn schlimmstenfalls zerstören und ein anderes Bewusstsein in seinen Körper einpflanzen. Aber noch etwas beschäftigte L, als er an den allerletzten Eintrag im Notizbuch seiner Mutter gelesen hatte. Die Worte, die sie geschrieben hatte, als sie wahrscheinlich schon im Sterben lag. Tempus est luxatus. Die Zeit ist aus den Fugen. Warum nur beschlich ihn das Gefühl, als hätte sie eine Botschaft hinterlassen wollen? Irgendwie wurde das immer rätselhafter und so ganz verstand er noch nicht, warum ausgerechnet Beyond Evas Zorn war und wieso sie ihn ausgerechnet jetzt haben wollte und nicht schon viel früher. Und was hatte Frederica mit der ganzen Sache zu tun? Er musste die Antworten unbedingt haben und Licht in die Sache bringen. Und vor allem wollte er auch endlich wissen, wer Jeremiel Lawliet war und was es mit seiner Existenz auf sich hatte.
 

„Verdammte Hacke“, kam es von Oliver und er seufzte genervt. „Hat der etwa einen Tarnmodus im Wagen, oder was? Der kann doch nicht einfach so verschwunden sein.“ L sah auf, zeigte sich aber nicht sonderlich erstaunt, als er das hörte. Also doch, Sam war untergetaucht und Oliver hatte seine Spur verloren. Damit hatte er schon gerechnet und nun hatten sie den Salat. „Du hast ihn verloren?“ „Ja Mensch. Er ist in eine Straße abgebogen, die nicht mit Überwachungskameras ausgestattet ist. Und genau da verlier ich seine Spur und selbst der Satellit kann ihn nicht finden.“ Natürlich nicht. Eva wollte nicht, dass Sam und Beyond gefunden werden konnten, also mussten die beiden verschwinden und mit Sicherheit hatte sie so ihre Möglichkeiten um eine geeignete Fluchtroute für Sam zu finden, wo selbst Oliver ihn nicht aufspüren konnte. Und wenn Watari Recht hatte, dann würden sie erst wieder ein Lebenszeichen von Beyond bekommen, wenn der Sender auf der Armbanduhr aktiviert wurde. Aber wozu? Auch hier sah L wieder zwei Möglichkeiten, die zutreffen könnten. 1. Sie wollte, dass Beyond gefunden wurde oder 2. es handelte sich um eine Falle. Es war wirklich eine schwierige Situation, doch selbst wenn es eine Falle sein sollte, L wollte Beyond unbedingt retten, bevor ihm etwas passieren konnte. Allein den Gedanken, ihn ein zweites Mal und damit wahrscheinlich für immer zu verlieren, konnte er einfach nicht ertragen. „Du musst keine Angst haben, L. Ich passe auf unsere Familie auf und ich werde immer für dich da sein. Das ist ein Versprechen unter Geschwistern, ja?“ Warum klangen ihm in diesem Moment Fredericas Worte von damals so im Kopf? Konnte es vielleicht sein, dass Watari doch Recht hatte und die Sache ganz anders war, als er selbst befürchtete? Frederica hatte ihm damals versprochen gehabt, dass sie ihn beschützen werde und dass sie dafür sorgen würde, auf seine Familie aufzupassen. Aber welche Familie? Seine Eltern waren tot und das schon seit zwanzig Jahren. Sie waren gestorben, weil sie Frederica beschützen wollten. Diese Familie konnte sie unmöglich gemeint haben. Aber welche dann? Etwa jene, die sich aus Rumiko, Jamie, Beyond, Oliver und Andrew zusammensetzte? Was plante sie und hatte sie genau dasselbe Ziel wie Eva, oder versuchte sie stattdessen, Eva aufzuhalten? „…und aus dieser Verzweiflung und Trauer wurde ein kleiner Wunsch geboren. Ein einfacher, aber dennoch so starker Wunsch, dass er einen eigenen Willen entwickelte. Dieser Wunsch sagte „Ich werde Evas Traum erfüllen.“ Und so wartete dieser Wunsch all die Jahre. Er war sehr einsam und hatte nichts und niemanden auf der Welt. Aber das machte ihm nichts aus. Denn er lebte einzig und allein dafür, diese selbstlose und verzweifelte Bitte und damit sein Schicksal zu erfüllen.“ Ja richtig, dachte L und erinnerte sich wieder an dieses eine Märchen, das Frederica ihm kurz vor dem Tod seiner Eltern erzählt hatte, nachdem er so bitterlich weinen musste, als er die Geschichte über den Tod von Evas Familie gehört hatte. Frederica hatte ihm gesagt, dass dieser kleine Wunsch auch die Wünsche der anderen erhören würde. Und wenn er sich etwas ganz sehnlich wünschte, dann würde dieser kleine Wunsch seine Bitte erhören. Was wünschte er sich denn so sehnlich? Ja, dies war einfach: ich will, dass Beyond und die anderen glücklich werden. Und ich will, dass Beyond und ich zusammenbleiben. Aber… er wusste doch selbst, dass es Unsinn war, an so etwas zu denken. Wünsche gingen nicht in Erfüllung, das hatte er schon recht früh lernen müssen. Märchen waren Märchen und er glaubte kaum, dass es so etwas wirklich gab. Er musste schon selbst um sein Glück kämpfen. Und so einfach würde er Beyond gewiss nicht aufgeben!

Sam's Konfrontation

Sam hatte das Gebäude erreicht und sich problemlos Zutritt verschafft. Zugegeben, es war ein wenig schwierig mit zusätzlichem Gewicht auf dem Rücken, aber auf Eva war Verlass. Sie lotste ihn in die richtige Richtung, ohne dass er von irgendjemandem gesehen wurde und schließlich ging er zu einem Fahrstuhl, fuhr ins tiefste Untergeschoss und ging zu einer Zelle, die statt Betonwänden aus solidem knapp 30cm dickem Panzerglas bestand. Nachdem er den Zahlencode eingegeben hatte, öffnete sich die Tür und er ging hindurch. Gleich schon als er den Raum betrat, hörte er das Piepsen eines EKGs und das Geräusch einer Beatmungsmaschine. Im Bett lag ein Mädchen mit schneeweißem Haar und ebenso weißer Haut. Wie eine Tote lag sie da und gab kein Lebenszeichen von sich, aber dann drehte sie ihren Kopf zu ihm und starrte ihn an. Ihre Augen besaßen dasselbe Rot wie Beyond, nur leuchtete in der Iris ihres linken Auges ein goldener Ring. Sam starrte sie ausdruckslos an, dann lehnte er den immer noch bewusstlosen Serienmörder gegen eine Wand und legte ihm dann die Armbanduhr an, die er vor knapp einer Woche an sich gebracht hatte. Nachdem das erledigt war, wandte er sich dem Mädchen zu und sagte „Er gehört jetzt dir“, dann wandte er sich wieder zum Gehen. Die Tür ließ er offen und ging zielgenau zum Fahrstuhl. Was mit Beyond passierte, brauchte ihn jetzt nicht weiter zu kümmern. Dieser Teil seiner Arbeit war nun erledigt, jetzt brauchte er nur noch eine letzte Sache zu tun. Ein letztes Mal sah er noch zurück, bevor er den Fahrstuhl betrat, dann wählte er das gewünschte Stockwerk auf dem Tastenfeld fuhr wieder nach oben. Aus der Innentasche seiner Jacke holte er seine Smith & Wesson hervor und nachdem sich die Fahrstuhltür geöffnet hatte, steuerte er zielgerade den Kontrollraum an. Er erschoss kurzerhand die zwei Männer, schloss die Tür hinter sich und setzte sich selbst ans Pult und öffnete die Daten zu Frederica. Dabei überflog er alle medizinischen Informationen. Soweit er alles richtig las, schien das Mädchen ohne die lebenserhaltenden Maschinen nicht länger als zehn Minuten überleben zu können. Um ihre Kraft zu unterdrücken, wurden ihr in regelmäßigen Abständen von 2,5 Sekunden Stromstöße direkt in ihr zentrales Nervensystem geleitet, um sie starken körperlichen Schmerzen auszusetzen und es ihr gleichzeitig so gut wie unmöglich zu machen, sich vernünftig bewegen zu können. Und wenn ihre Hirnaktivitäten einen gewissen Wert übersteigen sollten, wurde die Voltzahl verdoppelt was also hieß, dass das Mädchen fast gegrillt wurde. Das wurde jetzt mal geändert. Kurzerhand schaltete Sam dies ab und begann als nächstes damit, sämtliche Daten auf dem Zentralcomputer zu kopieren und auf eine Diskette zu ziehen, die er mitgebracht hatte. Alles, was Frederica und die Gedankenschaltkreisforschung betraf. Auch sämtliche Informationen zu Eva wurden kopiert und schließlich fand er noch andere Aufnahmen. Sie zeigten Dr. Brown, wie dieser einen Mann misshandelte, den Sam als Beyonds Freund Andrew Asylum wiedererkannte. Stimmt ja, Andrew war in Dr. Browns Institut gewesen und war auch ein GSK-Träger. Auch sämtliche Daten und Videoaufnahmen bezüglich Andrew Asylum zog er auf die Diskette, zog sie danach heraus und beschriftete sie mit „Für L“ und versteckte sie dann dort, wo Eva ihm den Platz genannt hatte. Schließlich schloss er einen USB-Stick an und öffnete das Programm, welches sich darauf befand. Um sicherzugehen, dass auch alles restlos gelöscht wurde, hatte er ein sehr wirksames Computervirus entwickeln lassen, mit dem er die ganze Anlage lahm legen konnte. Wichtig war, dass die Informationen zu Eva nicht an die Öffentlichkeit drangen und auch nichts mehr auf Fredericas Existenz hindeuten könnte.

Nachdem Sam noch ein paar letzte Einstellungen vorgenommen hatte, erhob er sich und wollte wieder gehen, doch da hörte er schon, wie jemand die Tür öffnete und eine Waffe entsicherte und als er sich umdrehte, erkannte er Dr. Brown. Dieser zielte mit einer Magnum auf ihn und war auch bereit, sofort zu schießen, wenn Sam sich auch nur eine unüberlegte Bewegung erlaubte. „Wer sind Sie und was zum Teufel haben Sie hier verloren?“ Sam erhob sich und Dr. Brown sah, dass dieser Mann nicht mal im Geringsten so etwas wie Furcht zeigte. Nein, sein ganzes Gesicht war leer und ausdruckslos, genauso wie seine Augen. Und als er diese eisblauen und leeren Augen sah, da konnte er es erst nicht glauben und schüttelte den Kopf. „Das kann nicht sein, das ist völlig unmöglich.“ „Doch, ich bin es. Jeremiel Lawliet. Und wie es scheint, erinnern Sie sich daran, obwohl Sie vor 25 Jahren erst 10 Jahre alt waren.“

„Wie könnte ich auch jemals diese Augen vergessen? Du, das gescheiterte Experiment meines Vaters, der Evas DNA mit der eines Menschen kreuzen wollte, um somit den ultimativen Menschen zu erschaffen. Dabei war ich all die Jahre im Glauben gewesen, man hätte dich sofort getötet, als man erkannt hat, dass du ein Fehlschlag gewesen warst.“

„Ich wurde aus dem Institut gebracht und in einem Waisenhaus versteckt. Ich habe sämtliche Spuren bezüglich meiner wahren Identität vernichtet und mir eine neue erschaffen, nämlich die von Sam Leens.“ Dr. Brown hob die Augenbrauen, als er das hörte und lachte verächtlich. „Sam Leens? Sehr kreativ, deinen Namen aus dem Anagramm für Nameless zu bilden. Und was hast du nun vor, hä? Willst du deine wahre Mutter befreien?“

„Meine Mutter Nastasja ist tot und dieses Mädchen, das Sie seit Jahren einsperren und foltern, ist nicht einmal Eva. Das, was Sie da haben, ist lediglich ihr Körper, den sie vor Jahren zurückgelassen hat und das Mädchen, das in diesem lebt, ist nur eines von Evas Bewusstseinsfragmenten, genauso wie ich eines bin.“ Entgeistert sah der Neurologe ihn an und konnte es nicht glauben. Frederica war gar nicht Eva? Aber wie konnte das möglich sein? Er hatte doch selbst gesehen, wie sein Vater durch eine von ihr ausgelöste Resonanzkatastrophe getötet wurde, als sie seinen Gedankenschaltkreis regelrecht zerfetzt hatte. Sie besaß dieselben Fähigkeiten, warum also behauptete dieses minderwertige Laborprodukt denn plötzlich, sie wäre es nicht? Der blufft doch nur, weil er mich verwirren will, um seinen Arsch zu retten. Er spekuliert darauf, dass ich unachtsam werde und dann abgelenkt bin, damit er mich überwältigen kann. Aber da hat er sich geschnitten. So leicht trickst er mich nicht aus. „Was redest du da für einen Unsinn? Alle Werte sprechen dafür, dass es sich um die unvergängliche Eva handelt! Was weiß denn schon ein wertloses Versuchskaninchen wie du denn schon?“

„Sie sind ein Dummkopf. Selbst Nastasja hat damals erkannt, dass Eva keinen Körper besitzt. Es handelt sich um ein überirdisches Bewusstsein, welches sich in einem Körper einnistet wie ein Parasit und sich von dort aus ausbreitet und ihn nach seinen eigenen Ansprüchen verändert. Was Sie im Untergeschoss eingesperrt haben, war ihr letzter Wirtskörper, den sie zurückgelassen hat, als sie verschwand. Deshalb bin ich auch nicht mit denselben Fähigkeiten ausgestattet wie Eva, weil sie nur ein winziges Fragment ihres Bewusstseins auf mich übertragen hat, weil ich das fehlende Glied der Kette war. Ich bin die Leere und momentan Evas Werkzeug, um die Zusammenführung zu Ende zu bringen. Dieses Mal wird alles enden und Sie werden es auch nicht verhindern können. Fredericas Gefangennahme, der Tod von Henry Lawliet und Nastasja Kasakowa und die Gedankenschaltkreisforschung gehörten alle zum Plan dazu. Auch, dass Ihr Vater mich als Embryo aus dem Körper meiner Mutter herausoperierte, um mich dann heimlich genetischen Experimenten zu unterziehen, war auch alles geplant. Ebenso wie die Tatsache, dass Sie jetzt hier vor mir stehen und mit einer Pistole auf mich zielen. Sie glauben, Sie könnten sich retten, indem Sie mich gleich hier erschießen werden. Aber in Wahrheit wissen Sie nicht einmal, dass jede unserer Bewegungen von Eva geplant ist.“ Doch das konnte der Wissenschaftler nicht so wirklich glauben und hielt es immer noch für einen echt schlechten Witz oder einen Trick, um Zeit zu gewinnen. Er lachte herablassend und erwiderte „Das ist ja lächerlich! Woher sollte sie das alles denn wissen?“

„Weil all das hier schon passiert ist.“ Nun verstand er rein gar nichts mehr und wurde aus diesem gefühllosen Menschen einfach nicht schlau. Nicht nur, dass dieser nicht einmal einen Gesichtsmuskel bewegte, er schien irgendetwas zu wissen. Und das irritierte ihn noch mehr. „Was willst du damit sagen?“

„Evas Bewusstsein und das von Frederica funktionieren unabhängig vom Zeitgefüge. Der Ring in der Iris ist auch als das Zeichen der Unvergänglichkeit bekannt und so bleibt ihr Erinnerungsvermögen unberührt, ganz im Gegensatz zu unserem. Und Fakt ist, dass Eva und Frederica nicht nur Leben und Tod beherrschen, sondern als Unvergängliche auch das Gefüge der Zeit beeinflussen können. All das hier ist schon unzählige Male geschehen. Tempus est luxatus, das waren Nastasja Kasakowas letzte Aufzeichnungen gewesen, bevor sie an ihren diversen Schussverletzungen starb. Sie wusste, dass wir uns alle in einer von Frederica erschaffenen Zeitschleife befinden und nach Ende dieses Tages, wenn Frederica scheitern sollte, alles in dieser Welt um 26 Jahre zurückversetzt wird, um von Neuen zu beginnen, damit Frederica noch mal einen Versuch starten kann, Evas Willen zu erfüllen.“ Fassungslosigkeit, Verwirrung und Ungläubigkeit… das war alles, was Dr. Brown in diesem Moment erfüllte. All das hier sollte wirklich schon einmal passiert sein, weil Frederica eine Zeitschleife erschaffen hatte? Aber wozu das alles? Was versprach sie sich davon, so etwas zu tun und in einer Welt zu leben, in der sich alles immer wieder aufs Neue wiederholte? „Und wozu das alles? Was verspricht sich Frederica oder Eva davon, die Zeit immer wieder zurückzudrehen, wenn das denn wirklich stimmen sollte?“

„Weil sie ihre Familie wieder zusammenführen will, die sie damals während des Nowgorod Massakers verloren hat. Die Leere „Nikolaj“, der Zorn „Anja“, die Furcht „Sophie“, die Gelassenheit „Chasov“, der Beschützer „Jasha“, die Liebe „Maria“ und die Gutmütigkeit „Dimitrij“. Die Gedankenschaltkreisforschung diente einzig und allein zu, um diesen Plan zu vollbringen und Sie, Dr. Brown, sind nur ein winziges Puzzleteil von vielen. Eine Schachfigur, die nun langsam ausgespielt wurde und deshalb sind Sie für Eva nicht mehr von Wert. Stattdessen werden Sie sich nun für das verantworten müssen, was Sie getan haben.“

„Weißt du überhaupt, in welcher Lage du dich hier eigentlich befindest, Junge? Glaubst du allen Ernstes, du kommst hier überhaupt lebend heraus oder willst du dich darauf verlassen, dass deine Eva dich retten kommt?“ Eigentlich wollte Dr. Brown ihn irgendwie provozieren, aber er stieß bei Sam auf Granit. Er konnte ihn nicht provozieren, denn Sam besaß ja keine Gefühle. Dieser blieb die Ruhe selbst und schien die Pistole gar nicht zu sehen. „Ich weiß genau, was passieren wird. Ich werde für immer vom Angesicht dieser Welt verschwinden und nichts außer meinem Körper wird zurückbleiben. Aber da ich dieses Leben ohnehin leid bin, kommt mir das auch sehr gelegen.“

„Willst du unbedingt sterben, oder was?“

„Um ehrlich zu sein, ja.“ Diese nüchterne Antwort entwaffnete Dr. Brown kurz, denn damit hätte er jetzt nicht gerechnet. Eigentlich hätte er erwartet, dass Sam um sein Leben betteln oder zumindest sagen würde, er wolle nicht sterben und dass er von Eva beschützt werden würde. Irgendwie so etwas in der Art. Aber das hier war nun doch etwas unerwartet gekommen. „Ich wusste schon immer, dass ich nicht in diese Welt gehöre. Streng genommen bin ich nicht mal vollkommen menschlich, sondern ein Hybrid oder ein genetisch veränderter Mensch ohne Gefühle. Ich bin innerlich leer und empfinde rein gar nichts. Und ich will diese Leere nicht mehr. Ich will dazugehören und so leben können wie andere Menschen. Deshalb habe ich mich erst auf diesen Deal mit Eva eingelassen. Mein Tod wird mir ein neues Leben ermöglichen, in welchem ich die Menschen endlich verstehen kann.“ Der meint es tatsächlich ernst, dachte Dr. Brown und seine Hand umschloss die Pistole fester. Dieser verdammte Dreckskerl macht tatsächlich Ernst! Der will ja nicht einmal um sein Leben betteln, stattdessen würde er sogar bitten, dass ich ihn erschieße. Meine Güte, der hat sie ja nicht alle! Sam wurde ihm nur noch unheimlicher und am liebsten hätte er ihn sofort erschossen, aber so schnell wollte er ihn nicht töten. Vorher wollte er noch etwas wissen. „Und wieso bist du überhaupt hier?“

„Wie ich schon sagte: um Evas Willen Folge zu leisten. Ich habe die Versorgung deaktiviert, die Fredericas Macht unterdrückt und wenn sie mit Beyond fertig ist, dann wird sie sich um Sie und Ihre Komplizen kümmern.“ Entsetzen machte sich in dem 35-jährigen breit, als er das hörte. Großer Gott, das war doch nicht wirklich wahr, oder? „Bist du des Wahnsinns? Weißt du überhaupt, was geschehen wird, wenn Frederica ausbricht? Sie wird in der Lage sein, die gesamte Menschheit auszurotten! Sie wird uns alle umbringen und alles in Schutt und Asche legen!“

„Das kümmert mich nicht“, antwortete Sam trocken. „Solange Eva ihr Versprechen mir gegenüber einhält, werde ich tun, was dafür nötig ist.“

„Du Wahnsinniger!“ schrie Dr. Brown und schoss. Er traf Sam in die Brust und in dem Moment erwiderte der Getroffene das Feuer und schoss zurück. Die Kugel durchbohrte Dr. Browns rechte Schulter und daraufhin ließ er die Pistole fallen. Sam brach zusammen und blieb regungslos liegen, während sich unter ihm auf dem Fußboden eine Blutlache ausbreitete. Dr. Brown schaffte es nur mit Mühe, wieder aufzustehen und mit schmerzverzerrtem Gesicht presste er eine Hand auf die blutende Wunde. Großer Gott, dachte er als er realisiert hatte, in welcher Gefahr sie sich alle befanden. Sie mussten sofort die Systeme wieder hochfahren und die Zufuhr wieder in Gang setzen, um Fredericas Kraft zu unterdrücken, sonst würden sie alle sterben! Wenn das Mädchen erst mal loslegte, würde sie jeden töten, der in ihr Blickfeld geriet und gegen den sie Groll hegte. Schlimmstenfalls würde sie ganz Boston oder sogar das ganze Land verwüsten, um Rache zu nehmen. Das durfte er nie und nimmer zulassen. Insbesondere weil er dann der Erste war, der daran glauben musste. Und er hatte keine Lust zu sterben so wie sein alter Herr. Er versuchte die Computer irgendwie zum Laufen zu kriegen, musste aber feststellen, dass diese einfach nicht mehr funktionierten und sich nicht mehr richtig bedienen ließen. Nichts zu machen, der Dreckskerl hatte das ganze System lahmgelegt und nun blieb nur noch, Alarm zu schlagen und Frederica unschädlich zu machen. Ihr größter Schwachpunkt waren die externen Nervenstränge in ihren Haaren. Wenn sie zu starken Schmerzen ausgesetzt wurde, war sie nicht in der Lage, ihre Kräfte einzusetzen. Sie mussten also schnell handeln. An einem Schaltpult fand Dr. Brown den Alarmknopf und betätigte ihn. Eine laute Sirene ertönte und er betätigte daraufhin die Sprechanlage. „Achtung! Roter Alarm im U3. Sofort Wachpersonal schicken und scharfe Munition verwenden. Ich wiederhole: roter Alarm im U3. Wachpersonal umgehend dorthin schicken und scharfe Munition verwenden.“ Sein Blick wanderte zu Sam Leens, der immer noch auf dem Boden lag und sich nicht regte. Um sicherzugehen, stieß der Neurologe ihn noch mal mit dem Fuß an, aber so wie es aussah, war der Kerl mausetot. Geschah ihm ganz recht. Ein wertloses Fehlexperiment hatte ohnehin keine Berechtigung zum Leben. Unfassbar, dass er damals tatsächlich überlebt hatte. „Würde mich interessieren, wer dich damals weggebracht hat. Nastasja kann es ja schlecht gewesen sein. Die Gute wusste ja nicht mal, dass sie mit eineiigen Zwillingen schwanger gewesen war. Stattdessen hat mein Vater ihr einfach den einen einfach entfernt, als sie operiert werden musste. Während Nastasja unbedingt einen künstlichen Gedankenschaltkreis konstruieren wollte, hatte Vater den Plan gehabt, einen Eva-Hybriden zu erschaffen, um somit Menschen die Kraft zu geben, über Leben und Tod zu herrschen. Du warst der Einzige von knapp 300 Versuchen gewesen, der überhaupt lebensfähig gewesen war, weil du bereits zu dem Zeitpunkt 3 Monate alt warst. Ganz im Gegensatz zu den anderen Experimenten, die allesamt aus puren Zellen bestanden hatten und sich zu Monstrositäten entwickelt hatten, die teilweise nicht mal im Ansatz wie menschliche Lebensformen ausgesehen hatten. Und selbst du warst ein einziger Fehlschlag gewesen, weil du ja diese schweren Hirnschäden entwickeln musstest und nicht über dieselben Kräfte verfügtest wie Eva.“ Eigentlich hätte er im Krematorium verbrannt werden sollen so wie all die anderen Versuchskaninchen, die nicht mehr von Wert gewesen waren. Na was soll’s, dachte er sich und blickte herablassend auf den leblosen Körper hinunter. Letzten Endes hat’s ja auch nicht viel gebracht. So konnte ich wenigstens das tun, was eigentlich vor 25 Jahren hätte geschehen sollen. Damit erhob sich Dr. Brown und verließ den Kontrollraum. Es wurde still in dem Raum… doch dann öffnete sich die Tür erneut und das Geräusch von Schuhen mit harten Sohlen war zu hören. Jemand pfiff eine Melodie und blieb direkt vor Sam Leens stehen. „Tja, so sieht man sich wieder“, ertönte eine Stimme und sogleich packten zwei Hände den leblosen Körper und hoben ihn vorsichtig hoch. „Wie lange ist es wohl her, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben, Nikolaj? Nein falsch, dein Name ist ja jetzt Jeremiel. Du bist groß geworden in den letzten 25 Jahren. Nun ja, eigentlich ja auch ganz logisch. Ihr altert eben sehr schnell. Was soll’s, ich bring dich erst mal von hier weg, bevor die Party hier noch losgeht. Zugegeben, ich würde mir den ganzen Spaß ja noch nur zu gerne mit ansehen, wenn Frederica ein Massaker anrichten wird, aber man kriegt ja nicht alles im Leben. Schade, aber leider wahr.“ Und damit wollte die schwarz gekleidete Gestalt den Kontrollraum verlassen, da erklang das Geräusch von Holzsandalen und eine Stimme rief „Mensch Liam, wo bleibst du? Wir sollten besser gehen, bevor wir noch in das ganze Chaos mit reingezogen werden. Hast du ihn denn wenigstens?“

„Ja hab ich. Okay Delta, dann lass uns von hier verschwinden. Ich hab eh, was ich wollte. Den Rest kann ich ja getrost Frederica und Eva überlassen. Kümmert mich eh herzlich wenig, wenn die alle hier nachher krepieren. Hauptsache ist, dass ich endlich bekomme, was mir gehört. Bleibt nur zu hoffen, dass Eva auch keinen Fehler macht und ihr Versprechen einhält. Es reicht schon, dass sie schon ein Mal ihr Wort gebrochen hat und wenn sie es noch ein Mal wagen sollte, dann werde ich ihre ganze Familie dafür töten.“

„Na, na!“ rief Delta beschwichtigend. „So weit muss es ja nicht kommen. Wir haben Nastasjas zweites Kind und damit hat sich die Sache ja erst mal. Was mit den anderen ist, das hat uns doch nicht zu kümmern. Lass sie doch in Ruhe, die können ja nun wirklich nichts dafür, was Eva getan bzw. nicht getan hat. Sei doch froh, dass alles dieses Mal geklappt hat. Immerhin hat Frederica oft genug die Zeit zurückgesetzt, damit auch du bekommst, was dir zusteht. Also gib dich doch wenigstens ein Mal zufrieden und überleg mal, ob es nicht vielleicht langsam mal an der Zeit ist, Eva zu verzeihen und wieder Frieden mit ihr zu schließen. Immerhin ward ihr beide mal ein gemeinsames Individuum, bevor ihr euch voneinander gelöst habt.“

„Erinnere mich nicht daran. Ich werde Eva niemals vergeben und daran wird sich auch nie etwas ändern. Das alles hier hätte doch gar nicht passieren müssen, wenn sie damals da gewesen wäre, um Nikolaj und die anderen zu beschützen. Stattdessen sind sie alle ihretwegen gestorben und das hat sie jetzt davon. Sie hat uns alle im Stich gelassen, da braucht sie auch kein Mitleid zu erwarten. Dieses Miststück kann meinetwegen für immer wegbleiben. Die ganze Welt ist ohne sie wesentlich besser dran.“

„Ach, und du als ihre schlechtere Hälfte meinst, die Welt wäre mit dir besser dran?“

„Pass auf was du sagst! Immerhin spiel ich hier nicht Gott so wie meine Schwester.“

Frederica und Jeremiel

Ein rhythmisches Piepen… ein EKG? Und da war noch etwas… das Geräusch einer Beatmungsmaschine. Das war das Erste, was Beyond wahrnahm, als er langsam wieder zu sich kam. Sein Kopf schmerzte und als er die Augen öffnete, nahm er alles noch ziemlich verschwommen wahr. Wo zum Teufel war er und was war passiert? Ja richtig: Sam hatte ihn überwältigt und dann mitgenommen. Und dann hatte dieser Dreckskerl ihn schlafen geschickt. Beyond versuchte irgendwie aufzustehen, doch er hatte keine Kraft in den Beinen und konnte sie nicht bewegen. Ja, er konnte nicht mal seine Zehen bewegen. Was zum Teufel war denn jetzt kaputt? Hatte Sam irgendetwas mit ihm angestellt, während er geschlafen hatte? Warum zum Teufel konnte er seine Beine denn nicht mehr bewegen? Nun ja, auf jeden Fall hatte er noch Gefühl darin, zumindest war da alles in Ordnung. Aber trotzdem konnte er sich nicht erklären, wieso sich seine Beine nicht mehr bewegen ließen. Moment mal… ob es vielleicht etwas mit diesem Chip zu tun hatte, den dieser Schmalspurdetektiv ihm hatte einsetzen lassen? Möglich wäre es vielleicht. Ein Geräusch schreckte ihn plötzlich auf, eine unbewusst wahrgenommene Bewegung. Er hob den Blick und erstarrte vor Schreck als er sah, wie jemand auf ihn zukam. Ein leichenblasses Mädchen von knapp 14 oder 15 Jahren, mit schneeweißem langem Haar und roten Augen. In der Iris ihres linken Auges leuchtete ein goldener Ring und aus ihrem Körper hingen diverse Schläuche. Irgendetwas Unheimliches ging von ihr aus und sie wirkte schon fast geisterhaft auf Beyond. Sie ging langsam und mit unbeholfenen Schritten auf ihn zu und schien sich nur mit Mühe auf den Beinen halten zu können. Sie ging barfuß und trug nichts Weiteres als ein Hemd und Bandagen. Obwohl sie nicht allzu furchterregend aussah, bekam Beyond einen Heidenschreck, als er sie sah und wich entsetzt vor ihr zurück. In diesem Moment überkam ihn die nackte Todesangst, als er dieses Mädchen sah, von dem er nicht mal den Namen sehen konnte, geschweige denn die Lebenszeit. Sie wankte ein wenig, schien das Gleichgewicht oder die Kraft in den Beinen zu verlieren, doch sie fing sich wieder und in dem Moment wurden dabei mehrere Schläuche aus ihrem Körper gerissen und hinterließen blutige Stellen. Doch das Mädchen ging einfach weiter auf Beyond zu, der da in der Ecke kauerte und am ganzen Körper zitterte wie ein verängstigter kleiner Junge. „Nein, bleib weg von mir!“ rief er und versuchte instinktiv, aufzustehen, doch seine Beine ließen sich einfach nicht bewegen und er versuchte daraufhin wegzukriechen. „Komm nicht näher!“ „Hab keine Angst, ich will dir nichts tun.“ Diese Stimme. Sie war… anders als die andere, die er sonst hörte. Aber wem gehörte diese Stimme, die in seinem Kopf erklang? Etwa von diesem Mädchen da? Wer oder was war sie überhaupt? „Wer… wer bist du und was willst du von mir?“ „Ich bin eine Freundin und will dir helfen. Du brauchst keine Angst haben, ich werde dir nichts tun.“ Doch Beyonds Angst war einfach zu groß. Er konnte sich selbst nicht erklären, warum er so eine Heidenangst vor diesem Mädchen hatte, aber es kam ihm so schrecklich bekannt vor. Als hätte er diese Szene schon mal erlebt… oder geträumt. Schließlich rissen noch weitere Schläuche und das Mädchen stand nun direkt vor ihm. Sie kniete sich hin, dann streckte sie ihre Hände nach ihm aus. Beyonds Herz raste, kalter Schweiß bildete sich auf seiner Stirn und er hatte solche Angst, dass ihm ungewollt sogar die Tränen kamen. „Nein, lass mich! Bleib weg!“ rief er und hätte sie am liebsten weggestoßen, doch er war vor Angst wie gelähmt. Er konnte sich nicht mehr bewegen und sah, wie das Mädchen ihm immer näher kam. „Bitte…“, flehte er schon und Tränen rannen seine Wangen hinunter. „Ich… ich will nicht…“ Doch da legte sie ihm ihre eiskalten von blauen Adern durchzogenen Hände an die Schläfen und legte dann ihre Stirn auf die seine und ein stechender Schmerz durchfuhr seinen Kopf. In dem Moment wurde ihm wieder schwarz vor Augen.
 

Beyond fand sich in der absoluten Dunkelheit wieder und hatte keine Ahnung, was mit ihm passiert war und was dieses Mädchen mit ihm gemacht hatte. Wo zum Teufel war er jetzt schon wieder und warum war er denn überhaupt an diesem Ort? Irgendwie verstand er rein gar nichts mehr. Er sah in dieser absoluten Finsternis überhaupt nichts und wusste auch nicht, wie er hier wieder raus kam. Er wollte einfach nur raus hier und sonst nichts. „Hey! Hallo, ist hier jemand?“ „Nicht so laut, ich hör dich auch so ganz gut.“ Beyond erschrak und drehte sich um, da sah er plötzlich Sam vor sich stehen. Nein, das war nicht Sam, auch wenn er genauso aussah. Er wirkte viel lebendiger und seine Augen wirkten auch nicht so leer und ausdruckslos. Deshalb wusste er auch nicht so wirklich, ob er seinen Augen überhaupt trauen sollte und wen er da überhaupt vor sich hatte. „Wer bist du?“ fragte Beyond und wich einen Schritt zurück. Der Sam-Doppelgänger lächelte und erklärte „Ich bin Jeremiel, L’s älterer Zwillingsbruder.“ Wie bitte? Zwillingsbruder? Hatte Sam nicht auch so etwas in der Richtung gesagt gehabt, bevor er seine Geisel schlafen geschickt hatte? Ja, das könnte gut möglich sein. Aber wieso stellte er sich denn jetzt unter einem anderen Namen vor und wirkte auf einmal so… so menschlich? Irgendwie wurde das alles immer verwirrender für Beyond und er blickte beim besten Willen nicht mehr durch. „Ich verstehe langsam überhaupt nichts mehr. Wieso zum Henker nennst du dich denn jetzt plötzlich Jeremiel und wo sind wir hier eigentlich? Kannst du mir das mal erklären?“

„Klar. Ich bin der wahre Jeremiel. Zumindest wäre das hier mein wahres Ich, wenn ich unter normalen Umständen geboren worden wäre. Und wir beide befinden uns quasi im Inneren von Eva.“

„Eva, Eva. Ich höre immer nur Eva. Kann hier bitte mal einer Klartext reden?“

„Natürlich. Dieses Mädchen, was du gesehen hast, war Frederica. Sie ist mit Evas Fähigkeiten ausgestattet und hat eine Art mentale Verbindung aufgebaut, wodurch du direkt mit Eva verbunden bist. Deshalb können wir momentan miteinander sprechen, weil ich ein Teil von Eva bin, genauso wie du. Weißt du, die ganze Welt ist wie eine Art System aufgebaut. Wir alle sind die Server und Eva ist der Administrator, der auf uns zugreifen und uns verändern kann. Sie ist ein so genanntes parasitäres Bewusstsein, das sich in den Körpern der Menschen einnistet und deren Bewusstsein durch ihr eigenes ersetzt und den Körper ihres Wirts nach ihren Vorstellungen ändert. Deshalb besitzt Frederica auch diese Fähigkeiten, weil ihr Körper Evas letzter Wirt war. Und Frederica ist nichts Weiteres als ein abgespaltenes Fragment von Evas Bewusstsein, das einen eigenen Willen entwickelt hat und nun versucht, die einzelnen Mitglieder ihrer Familie wieder zusammenzuführen. Streng genommen ist Frederica damals aus dem Wunsch von Evas „Tochter“ Sophie geboren worden, bevor diese starb. Ein kleiner Wunsch, der einfach lautete „Ich will, dass wir alle zusammenbleiben und glücklich werden“. Das war das Einzige, was Eva von ihrer Tochter hatte retten können. Sie verlor ihre gesamte Familie und es blieb nichts außer diesem kleinen verzweifelten Wunsch, den Eva in sich aufnahm und ihn in dieser Welt zurückließ, bevor sie verschwand. Sie gab diesem Wunsch ein eigenes Leben und schließlich wurde aus diesem Wunsch ein eigenständiges Bewusstsein. So wurde Frederica geboren.“ Allmählich begann die Finsternis zu weichen und sie fanden sich in einer Art riesigen gotischen Halle wieder. Alles wirkte so hell und er hörte irgendwo das Läuten der Glocken einer Kapelle. So langsam verstand Beyond zwar, was es mit diesem Mädchen auf sich hatte, aber leider immer noch nicht so wirklich, was das alles mit ihm zu tun hatte. „Und was soll ich hier denn? Warum hast du mich hierher gebracht? Und wer war diese Stimme, die mich die ganze Zeit gerufen hat?“

„Ganz schön viele Fragen auf einmal“, bemerkte Jeremiel und verschränkte die Arme, wobei er den Kopf ein wenig zurücklegte, um nachzudenken, wie er das alles am Besten erklären sollte. „Nun, was deine Entführung anbelangt, habe ich persönlich nicht viel damit zu tun. Sam und ich sind zwei verschiedene Persönlichkeiten und wir existieren unabhängig voneinander. Naja, streng genommen existiere ich ja nicht einmal richtig, weil ich nicht lebe. Aber was die Stimme anbelangt, die du gehört hast, das war ich gewesen. Ich habe schon seit längerem versucht, dich zu sprechen, weil Eva ein besonders großer Wunsch am Herzen liegt und ich ihr dabei helfen soll. Weißt du, dass du deine Erinnerungen verloren hast, geschah nicht ganz ohne Grund. Als du gestorben bist, da ist ein Teil von dir ebenfalls gegangen. Du bist nämlich anders als die anderen, weil du nicht bloß eine, sondern zwei Seelen in dir trägst. Und als die eine gegangen ist, da ist auch ein Teil deines alten Selbst verschwunden und deshalb erinnerst du dich an vieles nicht mehr. Deshalb hat Sam dich auch zu Frederica gebracht. Weil Eva momentan keinen Körper besitzt, kann sie nicht viel ausrichten. Aber Frederica ist in der Lage, dir zu helfen, deine Erinnerungen zurückzugeben und mit dir selbst ins Reine zu kommen.“

„Wird das jetzt irgendwie so ein abgefuckter Scheiß wie in Star Trek?“ Jeremiel musste lachen, als er das hörte. „Ich fand deinen sarkastischen Humor schon immer klasse. Ich kann schon verstehen, wieso mein kleiner Bruder dich so liebt. Aber keine Sorge, das geht kurz und schmerzlos. Naja… fast schmerzlos. Ein wenig wird es wehtun, aber das geht schnell wieder vorbei.“ Und ohne Vorwarnung durchfuhr ein brennender Stich Beyonds Kopf und es fühlte sich für einen Moment an, als würde eine glühende Nadel durch sein Auge gestochen werden. Vor seinem Auge rasten Bilder vorbei. Stimmen erklangen in seinem Kopf und er hatte das Gefühl, nicht mehr atmen zu können. Es wurde immer schlimmer und war kaum noch zu ertragen. Er geriet ins Wanken und sank in die Knie, während er sich stöhnend eine Hand gegen seine Schläfe presste. Sein Herz raste und sein Verstand wurde von unzähligen Bildern geflutet. Und dann war es endlich vorbei. Jeremiel kniete sich neben ihm hin und legte ihm einen Arm um die Schultern. „Alles in Ordnung?“ Doch Beyond antwortete nicht, sondern rang nach Luft. Er zitterte am ganzen Körper und konnte es nicht fassen. L hatte die Wahrheit gesagt. Sie alle hatten die Wahrheit gesagt. Er und L waren ein Paar und er liebte ihn. Und er hatte es einfach vergessen und L so schreckliche Dinge an den Kopf geworfen und ihm so wehgetan… „Ich bin so ein Vollidiot.“ Beyond musste sich setzen und verbarg sein Gesicht. „Wieso nur habe ich ihm nicht geglaubt und ihm so schlimme Dinge gesagt? Dabei habe ich ihm doch versprochen, dass ich ihn niemals verletzen oder im Stich lassen werde. Und was habe ich getan? Ich hab versucht, ihn umzubringen! Ich hätte fast den Menschen umgebracht, den ich doch so sehr beschützen wollte.“

„Du kannst doch nichts dafür, Beyond. Du konntest dich nicht erinnern und L ist dir auch nicht böse deswegen.“ Jeremiel nahm fast die gleiche Sitzposition wie sein Zwillingsbruder ein, wobei aber sein Rücken nicht so krumm war. Es wirkte irgendwie befremdlich an ihn, weil Beyond in ihn immer noch Sam Leens sah und nun hatte er in diesem Moment eine etwas verrückte Mischung aus L und Sam vor sich und war einfach nur überfordert mit der gesamten Situation. „Deswegen hat Sam dich in Evas Auftrag zu Frederica gebracht: damit du dich wieder erinnern und an L’s Seite leben kannst, so wie du es dir gewünscht hast. Und es ist ja zum Glück nichts Schlimmes passiert. L ist gesund, genauso wie alle anderen auch und selbst Rumiko und den Babys ist dieses Mal nichts passiert.“ Beyond sah auf und blickte Jeremiel fragend an. „Was meinst du mit dieses Mal?“

„Nun, es ist ein wenig kompliziert das Ganze. Am besten ist, ich fange ganz von Anfang an, dir die ganze Geschichte zu erzählen, wie das alles hier angefangen hat. Deswegen bist du ja auch hier, damit ich es dir erklären kann. Also hör zu: das Ganze fing vor gut über 400 Jahren an. Eva hatte sich schon vor langer Zeit in den Körper eines Mädchens eingenistet und versuchte ihren Platz in der Welt zu finden. Zwar wusste sie, dass sie niemals normal unter Menschen leben konnte, aber sie suchte dennoch immer ihre Nähe. Doch als sie erkannte, dass die Menschen nicht lange leben würden und sie deshalb immer alle anderen überleben würde, spaltete sie Fragmente ihres Bewusstseins ab und pflanzte diese in die Körper von Verstorbenen, um sich so eine eigene Familie zu erschaffen. Zuerst erschuf sie sich eine Tochter aus ihrer Angst vor dem Alleinsein und ihrer tief verborgenen Unsicherheit und nannte sie Sophie. Um Sophie einen Gefährten zu geben, der ihre Furcht besänftigen konnte, kam Chasov hinzu. Er war ein immerzu leichtherziger und lebenslustiger Geselle, stets fröhlich und machte nur das, wozu er gerade Lust hatte und was ihm Spaß machte. Im Grunde verkörperte er Evas Wunschtraum von dem Leben, welches ihr immer verwehrt bleiben würde. Er und Sophie verliebten sich schließlich ineinander und waren sehr glücklich zusammen. Da Eva nun auch einen Gefährten an ihrer Seite wünschte, erschuf sie Jasha. Einen ernsten, etwas kühl erscheinenden Zeitgenossen, der aber eine ungebrochene Loyalität besaß und bereit war, jederzeit sein Leben zu opfern, um seine Familie zu beschützen. Er wurde zu Evas Mann und Sophies Vater. Schließlich erschuf Eva den Zorn. Ein Mädchen, das sie Anja nannte. Anja war ein destruktiver Geist, impulsiv, äußerst feindselig gegenüber Fremden und neigte sehr schnell dazu, in Hass und Aggressionen zu verfallen. Insbesondere dann, wenn die Menschen sie und ihre Familie bedrohten. Da sie schwer zu kontrollieren war und nicht jeder ein solches Kind haben wollte, spaltete Eva einen weiteren Teil von sich ab. Sie gab ihr eine Mutter namens Maria, die sich durch ihre ungebrochene Liebe und Fürsorge auszeichnete. Maria liebte Kinder über alles und bewies nicht nur Humor und Lebensfreude, sondern auch sehr viel Verständnis und hatte immer einen guten Rat. Der Vater Dimitrij war ein gutmütiger Mann. Ein wenig zu naiv und nicht gerade der Intelligenteste, aber er war stets ehrlich und war nicht fähig, schlecht über andere zu denken. Besonders nicht über Anja. Das war Evas Familie.“ Beyond dachte gerade nach, als er das hörte und runzelte die Stirn. Irgendwie klang das ziemlich vertraut. „Das… das hört sich ja ganz verdächtig nach Andrew, Oliver, Jamie und Rumiko an!“ Jeremiel ging nicht direkt darauf ein, sondern erzählte weiter. „Als letztes erschuf Eva die Leere, einen jungen Mann namens Nikolaj, der aber nicht so wirklich dazugehörte. Er war nicht fähig, die anderen zu verstehen, weil er nichts empfinden konnte. Also ging er fort und Eva machte sich auf die Suche nach ihm. Und als sie ihn fand, gab sie ihm Gefühle und er fand seinen Platz in der Welt. So lebten sie alle glücklich und ungestört. Zumindest bis zu jener Nacht, als Iwan der Schreckliche die Opritschnina in das kleine Städtchen Nowgorod schickte und 10.000 Menschen in einer Nacht abschlachtete und zu Tode folterte. Eva war zu dem Zeitpunkt im Wald gewesen, um Holz zu sammeln, während ihre Familie zuhause blieb. Als sie zurückkehrte, waren sie alle getötet worden und Sophie war schwer verletzt, da der Huf eines Pferdes sie am Kopf getroffen hatte. Für sie war bereits jede Hilfe zu spät und Eva konnte sie nicht mehr retten. Stattdessen konnte sie nur noch Sophies letzten Herzenswunsch in sich aufnehmen und in ihrer unendlichen Trauer und Verzweiflung verschwand sie gänzlich aus dieser Welt und ließ ihren Körper und Sophies Wunsch zurück, der daraufhin zu Frederica wurde. Diese fasste den Entschluss, Sophies Wunsch und damit auch Evas Willen zu erfüllen und harrte lange Zeit aus um zu warten, bis die anderen wiedergeboren wurden. Zwar erinnerten sie sich nicht mehr an ihr altes Leben, aber dennoch waren sie immer noch ein Teil von Eva, auch wenn sie nicht mehr unvergänglich waren, sondern als gewöhnliche Menschen lebten. Und auch ein Teil von Eva wurde in dem Körper eines Kindes geboren, um bei dieser Familie zu bleiben. Doch leider kam es nicht wie erhofft. Die Familie fand nicht zusammen. Die einen starben zu früh, die anderen lernten sich nie kennen und damit drohte Sophies Traum zu platzen. Also beschloss Frederica, die Zeit zurückzudrehen und einen Weg zu finden, alle Familienmitglieder zusammenzuführen. Also begann sie Vorkehrungen zu treffen, doch selbst da kam immer wieder etwas dazwischen. Selbst wenn sie es schaffte, den Tod des einen zu verhindern, so würde ein anderer sterben. Das Ganze entwickelte sich zu einer ausweglosen Situation, bis Frederica auf die Idee kam, Nastasja Kasakowa, L’s Mutter ins Boot zu holen und sie dazu zu bringen, die Gedankenschaltkreisforschung zu beginnen. Zwar konnte sie keine Wunder bewirken und alles Unglück verhindern, aber dadurch gewann sie die Chance, die Verstorbenen zurückzuholen und somit die Zusammenführung zu vollbringen, was sie in den letzten 58 Versuchen nicht geschafft hatte.“ Beyond schüttelte den Kopf und konnte es nicht fassen. Das alles klang so verrückt und abgedreht wie in einem Science-Fiction-Film. Das alles hier war schon 58 Mal passiert? „Und wie lange geht jede Zeitspanne?“ „Exakt 26 Jahre. Beginn ist Fredericas Begegnung mit Nastasja und es endet mit dem heutigen Tag, wenn Frederica entweder erfolgreich ist oder scheitert. Sollte sie scheitern, wird die Zeit wieder um 26 Jahre zurückgedreht und sie wird wieder von Neuen beginnen. So lange, bis sie erfolgreich ist.“

„Und wenn sie es schafft?“ Jeremiel antwortete nicht darauf, sondern wich Beyonds Blick aus. Offenbar wollte er nicht darauf antworten. Also stellte der Serienmörder ihm eine andere Frage. „Diese Familie… das sind nicht zufällig wir, oder? Ich meine, die Gemeinsamkeiten sind doch offensichtlich. Oliver ist genauso ein leichtlebiger Kerl wie dieser Chasov und das mit Maria klingt genau nach Rumiko und Dimitrij hört sich auch mehr als deutlich nach Jamie an. Und was Sophie angeht, kann ich mir schon denken, wer das sein könnte. Und ich… ich bin Anja. Der Zorn Evas, der nichts anderes will als pure Zerstörung.“

„Du hast sie schon kennen gelernt, oder?“ Beyond nickte, als er sich wieder an seinen Traum zurückerinnerte. Er hatte gesehen, wie Anja ganz Boston in Schutt und Asche gelegt und alle Menschen getötet hatte. „Ich habe auch von der Nacht geträumt, als Evas Familie getötet wurde. Und Anja sagte, dass ich nicht mehr vor mir davonlaufen, sondern endlich akzeptieren sollte, wer oder was ich wirklich bin. Aber… ich will das nicht. Ich will damit nichts zu tun haben, verdammt. Warum muss ausgerechnet ich damit gestraft sein und immer alle in Gefahr bringen? Wieso nur? Wieso muss ich das sein und warum ist es mir nicht vergönnt, normal unter Menschen zu leben, ohne ständig Angst haben zu müssen, dass ich wieder rückfällig werde und L eines Tage wirklich umbringe?“ In diesem Moment gingen mit Beyond endgültig die Gefühle durch. Er war mit den Nerven am Ende und fühlte sich vollkommen hilflos. Was sollte er denn tun? Er liebte L und er wollte so gerne bei ihm und den anderen bleiben, aber er war Evas wiedergeborener Zorn und als solcher würde er immer eine Gefahr für andere sein. Es war ihm als solcher einfach nicht vergönnt, glücklich zu werden. „Vielleicht ist es das Beste, wenn ich niemals existiert hätte. Auch schon damals nicht. Wer will denn sich schon freiwillig mit einem Monster wie mir abgeben? Egal was ich auch tue, ich werde für den Rest meines Lebens eine Gefahr für andere sein und allen nur wehtun. Das war schon damals immer so gewesen. Immerhin habe ich sogar Rumiko fast getötet und habe ihr ein Messer in den Bauch gerammt, als ich die Kontrolle verloren habe. Und im Krankenhaus hätte sie meinetwegen beinahe ihre Kinder verloren. Ich kann niemanden beschützen. Ich bin eine Gefahr für alle um mich herum…“ Jeremiel nahm ihn in den Arm, um ihn zu trösten. Es fühlte sich seltsam an. Ein klein wenig erinnerte diese Umarmung an L, aber es war wiederum auch anders. Diese Umarmung hatte etwas sehr Freundschaftliches und schon fast Brüderliches an sich. Jeremiel fühlte mit ihm und er konnte seinen Schmerz verstehen. „Genau deswegen habe ich dich auch die ganze Zeit zu mir gerufen, Beyond. Ich will dir helfen, dein Problem ein für alle Mal in den Griff zu bekommen, damit du nie wieder Angst haben musst, du könntest andere in Gefahr bringen. Ich weiß, was zu tun ist, damit du ohne Angst weiterhin bei meinem Bruder leben und glücklich sein kannst. Das ist es auch, was Frederica und Eva sich für dich wünschen. Komm mit, ich werde dir zeigen, wie du endlich mit dir selbst ins Reine kommen kannst.“

Ein Schrei nach Liebe

„Du… du kennst einen Weg, dieses Monster loszuwerden? Ist das dein Ernst?“ Beyond konnte nicht glauben, was er da hörte und wusste nicht, was er davon halten sollte. Konnte das wirklich stimmen und gab es doch eine winzig kleine Hoffnung? Jeremiel stand auf und half ihm hoch. „Naja, von loswerden hab ich jetzt nicht gesprochen. Fakt ist, dass Anja ein fester Teil von dir ist, aber zumindest gibt es Wege, dass du keine Ausbrüche mehr hast und in Wahnsinn verfällst. Komm mit, ich erkläre es dir unterwegs.“ Sie gingen weiter die Halle entlang, die scheinbar kein Ende hatte und wo es mehrere schwere Holztüren gab. Doch an all diesen ging Jeremiel vorbei und es war Beyond ein Rätsel, wie man sich hier zurechtfinden sollte. Aber wahrscheinlich hatte dieser schon so lange hier gelebt, dass er sich hier bestens auskannte. „Ich sagte ja vorhin, dass du zwei Seelen in dir trägst und deshalb anders bist als die anderen. Das kommt daher, weil nicht bloß Anja ein Teil von dir ist. Eva wusste, dass Anja niemals in der Lage sein würde, als normaler Mensch ein glückliches Leben zu führen, weil sie eben den Zorn verkörpert. Und sie war eben gefährlich, deshalb gab Eva dir auch Jashas Seele. Er sollte als eine Art ausgleichender Pol dienen, damit Anja nicht allzu stark dominieren kann und damit es auch jemanden geben konnte, der in der Lage war, dich zu beruhigen, sollte der Zorn in Wahnsinn umschlagen. Jasha ist quasi Ryuzaki. Er wurde nicht von Andrew erschaffen, sondern war schon immer da. Er ist lediglich erwacht und war lange in der Lage, zwischen Anja und deiner „menschlichen Seite“ zu vermitteln und somit zu verhindern, dass es wieder passieren könnte. Aber je mehr du versucht hast, vor dieser zornigen und wahnsinnigen Seite in dir zu fliehen, desto stärker wurde sie im Grunde genommen.“

„Aber wenn ich wirklich Jashas Seele in mir trage, warum gelingt es dann kaum jemanden, mich wieder zu Verstand zu bringen?“

„Weil Jasha momentan nicht stark genug ist, sich gegen Anja durchzusetzen, weil sie mit aller Macht versucht, die Kontrolle zu übernehmen. Deshalb konntest du auch nur noch auf L reagieren, weil dieser Evas menschliche Wiedergeburt ist. Jasha war Evas Mann und sie beide haben sich aufrichtig geliebt. Deshalb hat diese Nähe zu L dafür gesorgt, dass dieser andere Teil in dir stärker werden konnte. Und so warst du nicht nur der verbitterte und einzelgängerische Menschenhasser, sondern entwickeltest auch den starken Wunsch, L und die anderen zu beschützen, auch vor dir selbst. Eben deshalb hat Eva ja auch ein Teil ihres Ichs auf L übertragen, damit er leben konnte: damit du eines Tages die Kraft findest, auch deine andere Seite zu bestärken und glücklich mit deiner wahren Familie zusammenzuleben. Dass du dich in L verliebt hast, war also kein Zufall. Eben weil du nicht nur Anja, sondern auch Jasha bist, hattest du schon unterbewusst Gefühle für ihn entwickelt, genauso wie L für dich. Ebenso wie Rumiko und Jamie oder Oliver und Andrew zueinander gefunden haben. Das alles hängt mit ihrem früheren Leben zusammen. Und deshalb war auch die Freundschaft zwischen Andrew und Frederica so stark: weil Frederica ein Teil von Andrew ist, oder besser gesagt von Sophie. Auch dein Beschützerinstinkt deinem Freund gegenüber hat damit zu tun, weil Sophie Jashas Tochter war.“

„Aber wieso konnte ich mich dann in ihn verlieben? Und wieso er sich in mich?“

„Tja, Sophie und Eva hatten sehr viele Gemeinsamkeiten und im Grunde genommen war Sophie eine Art kindliche Version ihrer Mutter. Deshalb kann es zu gewissen Irritationen gekommen sein. Aber was dein Problem mit Anja betrifft, werde ich es dir erklären: Weißt du, Frederica hat L damals immer Geschichten aus eurem früheren Leben erzählt, um ihn auf seine zukünftige Rolle vorzubereiten. Denn die Tatsache, dass ihr euch alle um L zusammenversammelt habt, war kein Zufall. Es gibt im Leben keine Zufälle, nur die Illusion des Zufalls. Es war vorherbestimmt, dass ihr zueinander findet und da L Evas menschliche Wiedergeburt ist, ist er derjenige, der diese Familie zusammenhält und sie auf den richtigen Weg führt. Und er sollte wissen, wie er mit dir umzugehen hat, wenn du dich nicht mehr unter Kontrolle bekommen solltest.“ L war Eva? Beyond konnte das nicht glauben und schüttelte den Kopf. Aber andererseits klang das auch irgendwie logisch, wenn man es von der Seite aus betrachtete. Sie alle waren Evas Familie, die vor über 400 Jahren starb und als gewöhnliche Menschen wiedergeboren wurden, um ein normales Leben führen zu können. Das würde so einiges erklären und auch wenn die ganze Geschichte echt verrückt war, so schien doch alles ganz logisch zu sein, wenn man es aus der Perspektive betrachtete. Nur wie sollte er seine zornige Seite vollständig unter Kontrolle bringen? Das war ihm immer noch ein Rätsel. Sie blieben schließlich vor einer Tür stehen, die sich nicht sonderlich von allen anderen unterschied. Jeremiel öffnete sie und ging mit Beyond hindurch. Sie betraten keinen Raum, sondern kamen in einer verschneiten und kalten Landschaft heraus. Vor ihnen erstreckte sich ein entsetzliches Schlachtfeld. Häuser brannten, andere waren bereits zusammengestürzt und überall lagen die Leichen von Menschen. Frauen, Kinder, Alte… es war ein schrecklicher Anblick und erinnerte Beyond an seinen Traum von der Nacht des Massakers. Und schließlich fand er auch mehrere der schwarz gekleideten Reiter, deren Köpfe regelrecht zerfetzt worden waren. Das war Anja gewesen. Beyond sah sich um und vernahm von irgendwo her ein Schluchzen. Er und Jeremiel folgten dem Geräusch und fanden Anja, die im Schnee kniete und die Leiche ihrer Mutter im Arm hielt und bitterlich weinte, wobei sie immer „Mama! Mama!“ rief. In diesem Moment hatte sie nichts mehr mit dem unheimlichen Kind gemeinsam, welches ihm in seinem Traum begegnet war. Nein, sie war ein einsames kleines Kind, das seine Eltern verloren hatte… ihre Familie. Vorsichtig ging Beyond zu ihr hin, doch als er nahe genug war, änderte sich plötzlich das Bild. Er sah nun nicht mehr Anja vor sich, sondern sich selbst als kleinen Jungen, der weinend in einer Ecke kauerte und er fand sich nicht mehr in Nowgorod, sondern in seinem Elternhaus wieder. Sein jüngeres Ich war in einer schlechten Verfassung und hatte am ganzen Körper blaue Flecken. Und er hörte einfach nicht auf zu weinen. Er spürte, wie Jeremiel eine Hand auf seine Schulter legte und sah, wie dieser den kleinen Jungen mit einem fast traurigen Blick betrachtete. „Traurigkeit wird zu Hass, der Hass verwandelt sich in Zorn und der Zorn eskaliert irgendwann in Wahnsinn. Der Grund, warum du dich nicht unter Kontrolle bekommen kannst, liegt einfach darin, weil du vor dir selbst davonläufst. Du wolltest mit aller Macht dein anderes Ich aus deinem Leben verdrängen, sodass es umso stärker versuchte, sich wieder zurückzukämpfen. Im Grunde waren diese Ausbrüche, die du gehabt hast, ein verzweifelter Hilferuf von Anja, die sagen wollte: ich bin hier und ich will nicht verschwinden. Ich will leben! Anja ist nicht bösartig. Die Trauer über den schrecklichen Verlust ihrer Familie hat ihren Zorn in blinde Zerstörungswut umgewandelt und sie wollte nur noch alles zerstören und töten, um irgendwie den Schmerz zu kompensieren. Genauso wie du es all die Jahre getan hast. Und nun sehen wir das, was dich all die Jahre so zornig gemacht hat: Ein kleiner Junge, der von den Eltern nie geliebt wurde. Vom Vater verprügelt und von der Mutter fast umgebracht. Von der Welt missverstanden und von allen gemieden und gefürchtet.“

„Hör auf…“ Beyond wollte nicht mehr hören, was Jeremiel da sagte. Er wollte auch diesen kleinen Jungen nie wieder sehen, der ihn an diese schreckliche Zeit bei seinen Eltern erinnerte. Er wollte ihn aus seinem Leben verdrängen und einfach vergessen. „Was soll dieses ganze Psychogelaber? Was weißt du denn schon davon, wie ich wirklich bin und was mir durch den Kopf geht?“

„Weil Eva es weiß. Sie ist mit jedem Menschen auf dieser Welt verbunden, genauso wie Frederica. Beyond, merkst du denn nicht, was du da machst? Du rennst vor der Wahrheit weg und machst damit alles nur noch schlimmer. Jetzt hör mir gut zu: dieser kleine verzweifelte Junge ist ein Teil von dir und du musst endlich akzeptieren, dass er genauso ein Recht zum Leben hat. Anja hat ein Recht zum Leben und der Zorn gehört genauso zu unserem Leben dazu wie die Liebe. Und es ist nun mal Fakt, dass du deshalb solch einen enormen Groll in dir hast, weil du als Kind niemals geliebt worden bist.“

„Das ist nicht wahr!“ rief Beyond und packte Jeremiel am Kragen, als wollte er ihn gleich verprügeln, doch dieser blieb ruhig und sah ihn mit einem forschenden Blick an, der irgendwie an L erinnerte. „Was ist nicht wahr?“

„Dass mich nie jemand geliebt hat. Das ist gelogen. Meine Mutter hat mich geliebt. Sie war nur überfordert mit mir und Rumiko, deshalb hat sie die Nerven verloren.“

„Sie hat dir an deinem achten Geburtstag gesagt, dass es ein Fehler war, dass sie dich nicht abgetrieben hat und sie hat dich bewusstlos gewürgt.“

„Hör auf!“

„Und dein Vater hat dir mit einem Baseballschläger fast den Schädel eingeschlagen, hätte Rumiko den Schlag nicht abgefangen und wäre dann im Krankenhaus gelandet.“

„Hör sofort auf!“

„Und Rumiko hatte Angst vor dir, weil du dich nicht unter Kontrolle hattest und auch sie grün und blau geschlagen hast, als du ausgerastet bist.“ Beyond schlug ihn ins Gesicht und stieß ihn zu Boden. Er war sauer und wollte sich diese ganze Scheiße nicht mehr anhören und wäre spätestens jetzt in seine andere Seite verfallen, doch es tat sich nichts. Stattdessen kamen ihm unaufhaltsam die Tränen. Er wollte es einfach nicht wahrhaben. „Siehst du? Genau das ist es, wovor du all die Jahre davonläufst. Es ist nicht schlimm, die anderen zu hassen und dass du damals deinen Eltern den Tod gewünscht hast. Sie waren furchtbare Eltern, die dich niemals geliebt haben und du hast schlimme Dinge erlebt. Du kannst sehen, wann Menschen sterben und auch das ist eine unglaubliche seelische Belastung. Aber du darfst nicht versuchen, deine Vergangenheit und den Zorn in dir mit Gewalt von dir zu halten. Sonst wirst du genauso wie Andrew immer nur mit Problemen zu kämpfen haben.“ Beyond wich einen Schritt zurück und wollte einfach nur weg. Weit weg… er wollte das alles nicht und vor allem wollte er sich diese ganze Scheiße nicht mehr anhören. Das war doch alles totaler Schwachsinn. Wenn er sein anderes Ich nicht weiterhin unter Kontrolle hielt, würde er den anderen wieder etwas antun. „Wenn ich dieses Monster freilasse, dann werden die anderen dafür bluten, verdammt. Ich kann nicht zulassen, dass es mir die Menschen nimmt, die mir wichtig sind. Ich habe dieses Monster nie gewollt und will es auch nicht haben.“ Als er das sagte, hörte der kleine geprügelte Junge in der Ecke auf zu weinen, sondern hob den Kopf und starrte ihn an. Er erhob sich und sah ihn zuerst fassungslos, dann aber wütend an und hatte immer noch Tränen in den Augen. „Warum hasst du mich so?“ rief er und packte Beyond am Shirt. „Du bist so gemein zu mir! Du hast alles, was du dir gewünscht hast. Du hast Freunde, eine Familie und einen Menschen, der dich liebt. Ich habe das alles nicht. Ich hatte nie irgendjemanden, der mich geliebt hat. Keine Mama, keinen Papa… niemand will mich haben. Warum? Warum hasst du mich so, obwohl ich doch nichts weiter will, als auch das zu haben, was du hast?“

„Weil du mir all das wegnimmst, was mir lieb ist. Darum! Du bist gefährlich und ich will die anderen vor dir beschützen.“

„Aber ich will doch niemandem wehtun! Ich will doch nur, dass mich jemand lieb hat!“ Diese Worte trafen Beyond in sein Innerstes und schnürten seine Brust zusammen. Das waren genau seine Worte gewesen. Immer, wenn er alleine war und sich so einsam und verloren gefühlt hatte, da hatte er auch diesen verzweifelten Wunsch in die Welt hinausgeschrieen: „Ich will niemandem wehtun. Ich will doch einfach nur, dass mich jemand liebt.“ Aber es war nie jemand gekommen, der ihn so geliebt hat, wie er es wollte. Selbst Rumiko hatte ihm nicht die Art der Liebe geben können, nach der er sich sehnte. Denn er wusste tief in seinem Inneren, dass auch sie Angst vor ihm hatte. Immerhin hatte er sie damals auch geschlagen und mit einer Schere attackiert, wenn er die Beherrschung verloren hatte. Und er hatte ihr ein Messer in den Bauch gerammt. Er hätte in seinem Wahn L beinahe getötet. Konnte es etwa sein, dass… „Das ist so ungerecht von dir. Ich bin doch auch ein Teil von dir, warum darf ich denn nicht auch glücklich werden? Ich kann doch nichts dafür, dass ich so bin. Aber ich will auch jemanden haben, der mich liebt und den ich lieben kann und ich will auch dieses Glück erfahren, was du hast. Warum sperrst du mich aus deinem Leben aus? All die Jahre habe ich die Menschen ferngehalten, die dir wehgetan haben und dir wehtun wollten und dich beschützt. Da habe ich es doch auch verdient, glücklich zu sein.“ Beyond sah in die verweinten Augen des kleinen achtjährigen Jungen und begann so langsam zu verstehen. Die Rückfälle, als er nicht nur in Zorn, sondern in Wahnsinn verfallen war… dieser Angriff auf L im Keller vor neun Monaten. Das war auch dieser Junge gewesen. Das Monster wollte nichts Weiteres, als ebenfalls Liebe zu erfahren und hatte L deshalb angegriffen. Es kannte nichts anderes als Hass und Zerstörung. Deshalb war auch diese Art der Liebe und Sehnsucht von destruktiver Natur gewesen. Es war eigentlich nur ein Schrei nach Liebe und Zuwendung gewesen. Wahrscheinlich hatte er auch deswegen die Kontrolle verloren, als er sich in Clears Gewalt befunden hatte. Das alles war deshalb geschehen, weil er sein anderes Ich aus seinem Leben ausgeschlossen hatte? War das die Antwort darauf?
 

Er ist kein Monster… er… er war einfach nur sehr einsam. Ich war einsam…
 

Beyond sah auf diesen kleinen verzweifelten Jungen hinunter, welcher wieder in Tränen ausgebrochen war und sein Gesicht in sein Shirt vergraben hatte. In diesem Moment kniete sich der Serienmörder zu ihm herunter und nahm ihn in den Arm. Schluchzend klammerte sich der kleine Junge an ihn und zitterte am ganzen Körper. Und dann begann alles wieder zu verschwinden… sie waren wieder in Nowgorod und er hielt die weinende Anja im Arm, deren Kleidung blutbefleckt war. Sie weinte bitterlich und war völlig aufgelöst. „Du wolltest auch nur deine Familie beschützen, nicht wahr? Du wolltest nie etwas anderes, als bei ihnen zu bleiben und geliebt zu werden. Und du warst deshalb so zornig, weil niemand dich verstanden hat, oder?“

„Mama…“, schluchzte sie und klammerte sich an Beyond fest. „Ich will meine Mama zurück. Ich will nicht mehr allein sein. Ich hab Angst…“ Tröstend streichelte er ihr den Kopf und hielt sie im Arm. Es stimmt, dachte er sich und erinnerte sich an damals zurück, als er sich mit L ausgesprochen hatte. L hat mich nicht einfach so von sich gestoßen, sondern versucht, mich zu verstehen, weil er gespürt hat, dass da mehr hinter diesen Hass und Zorn in mir steckt. Er hat es gesehen und konnte deshalb verstehen, wie es wirklich in mir drin aussah. Und deshalb konnte er mein anderes Ich besänftigen, weil er wusste, dass es nichts anderes wollte als Liebe und Zuwendung. Er hat keine Angst vor mir gehabt, sondern war für mich da und hat mich nie aufgegeben. War das wirklich die Antwort auf sein Problem? Bedeutete es wirklich, dass er lernen musste, sein anderes Ich auch zu akzeptieren und lieben zu lernen, anstatt es mit aller Macht verdrängen zu wollen? Im Grunde genommen war es nie ein Monster gewesen, sondern einfach nur sein verletztes Ich, das nichts anderes erfahren hatte als Zorn und Abneigung. „Anja, ich kann dir deine Familie nicht wieder zurückgeben. Aber… wenn du willst, dann kannst du ein Teil meiner Familie werden, damit du nicht mehr so alleine bist.“

„Wirklich?“ Anja sah zu ihm auf und konnte nicht fassen, was sie da hörte. Und sogleich war sie so überwältigt, dass sie wieder anfangen musste zu weinen. „Aber wenn du zu einem Teil meiner Familie werden willst, dann musst du damit aufhören, anderen Menschen wehzutun, ja? Ich will die anderen beschützen und wenn wir sie verletzen, dann verlieren wir sie wieder und sind dann eines Tages ganz alleine. Es stimmt vielleicht und ich kann nichts daran ändern, dass es dich gibt und du den Zorn Evas verkörperst. Aber wenn wir beide uns vertragen und keiner von uns mehr einen Grund hat, den Menschen wehzutun, die wir lieben, dann können wir einen Weg finden, beide glücklich zu werden.“

„Ich werde niemandem mehr wehtun, versprochen! Aber… bitte lass mich nicht alleine.“

„Das werde ich nicht. Wenn du brav bist, dann habe ich auch keinen Grund dazu.“ Damit begann sich Anja zu beruhigen und schließlich löste sie sich wieder von Beyond. Mit ihrem Ärmel wischte sie sich die Tränen weg und lächelte überglücklich. „Okay. Dann werde ich unsere Familie beschützen!“ Und damit sah sie zu Jeremiel, der während der ganzen Zeit im Abseits gestanden und die Szene schweigend beobachtet hatte. „Danke für alles.“

„Hab ich gern gemacht. Aber jetzt wird es Zeit, dass wir zurückgehen. Wir hängen ein klein wenig mit der Zeit hinterher und wollen doch hoffen, dass es dieses Mal klappt.“ Damit half er Beyond hoch und verabschiedete sich von Anja. Sie kehrten zurück in die Halle und als die Tür sich hinter ihnen wieder geschlossen hatte, da bekam Beyond schon ein schlechtes Gewissen. „Sorry, dass ich dir eine reingehauen habe. Ich hab wohl ziemlich überreagiert.“ „Schon gut, ich kann ja auch verstehen, dass das alles echt hart für dich war. Immerhin hattest du eine echt schwere Kindheit und das hinterlässt nun mal Spuren. Und deshalb war Jasha bis vor deinem Treffen mit Andrew auch nicht stark genug, Anja unter Kontrolle zu bringen. Deshalb haben wir ja auch beschlossen, dich hierherzubringen, damit du mit dir selbst ins Reine kommst und einen Weg findest, dein anderes Ich zu verstehen. Somit wärst du endlich in der Lage, auch ein inneres Gleichgewicht zu finden, damit du nie wieder manische Anfälle haben wirst.“ Beyond konnte das einfach nicht glauben. Er war von Sam entführt und zu diesem unheimlichen Mädchen Frederica gebracht worden, damit er sein Problem für immer in den Griff bekommen würde? „Ich fasse es nicht, dass jemand so etwas für mich tun würde.“

„Eva und Frederica wünschen sich, dass die ganze Familie ihr Glück findet. Und dazu gehört auch Anja. Du trägst sowohl ihre Seele als auch die von Jasha in dir. Den Zorn und den Willen, die anderen um jeden Preis zu beschützen. Die letzten Male war es nicht ganz einfach gewesen und ich hatte schon echt befürchtet, ich müsste härtere Maßnahmen ergreifen wie mein Bruder, aber es hat doch funktioniert. Nun wird es langsam Zeit, dass du zurückkehrst. Frederica wird nicht sehr lange durchhalten, deshalb müssen wir uns ein wenig beeilen. Also hör mir gut zu, ich erkläre dir, was zu tun ist: wenn du wieder zurück bist, betätigst du sofort den Sender auf der Armbanduhr, welche mein anderes Ich dir wieder umgelegt hat. Frederica wird dich sicher aus dem Institut rausbringen. Auf den PCs sind sämtliche Daten bezüglich der Eva-Forschung vernichtet worden, aber Sam hat alles vorher noch auf eine Diskette gespeichert. Diese ist unter dem Tisch von PC Nr. 13 festgeklebt und mit „Für L“ beschriftet. Bitte denke immer daran, dass du diese andere Seite in dir nicht aus deinem Leben ausschließen darfst und dass du gut auf die anderen aufpasst. Und bitte versprich mir, dass du dich gut um meinen Bruder kümmern wirst.“

Beyond versprach es und betrachtete Jeremiel. Er war schon ein anständiger Kerl. Ein wenig wie L, allerdings nicht ganz so verschroben. Aber was würde aus ihm werden? Er hatte keinen eigenen Körper, er lebte ja nicht einmal. Er war nur eine Schöpfung Evas, welche niemals als normaler Mensch geboren werden konnte. Er war der Einzige in dieser Geschichte, der leer ausging. „Was wird aus dir werden? Sehen wir uns nie wieder?“

„Tja, wer weiß… Auch ich weiß nicht alles und kann nicht sagen, was die Zukunft für mich bereithalten wird. Vielleicht werde ich in einem neuen Körper wiedergeboren und ein ganz neues Leben beginnen können. Dann habe auch ich die Chance, endlich zu leben. Ich werde einfach auf das vertrauen, was Eva mit mir vorhat und was sie als das Beste für mich erachtet. Sie und Frederica haben immer auf uns alle aufgepasst und werden uns nicht im Stich lassen. Also dann, mach’s gut und pass auf dich auf. Es war schön, endlich mal den Freund meines jüngeren Bruders kennen zu lernen.“ Damit nahmen sie voneinander Abschied und daraufhin verschwand alles um Beyond herum in eine tiefe Dunkelheit. Und damit verschwand auch Jeremiel Lawliet.

Das Ende eines Wunsches

Beyond öffnete die Augen und fand sich in diesem komischen Raum wieder. Vor sich sah er dieses Mädchen, welches sich nun von ihm löste und zusammenbrach. Einen Moment brauchte er um sich zu sammeln, bis er dann realisierte, dass er sich wirklich wieder an alles erinnerte. Und auch die Kopfschmerzen waren fort, selbst seine Beine konnte er wieder bewegen. Er erinnerte sich wirklich an alles. An L, mit dem er zusammen war, an seinen besten Freund Andrew und Rumikos Schwangerschaft. Die Zeit in L.A., Japan und Boston. Wirklich alles, was er vergessen hatte, war wieder zurück. Und er erinnerte sich auch an sein Treffen mit Jeremiel und wie er mit seinem inneren Monster Frieden geschlossen hatte. Ja richtig, er hatte das alles Jeremiel, Eva und Frederica zu verdanken. „Hey!“ rief er und versuchte das abgemagerte Mädchen aufzufangen, welches offenbar ihre letzten Kraftreserven aufgebraucht hatte. „Frederica, was ist mit dir?“ „Es… es geht mir gut…“, antwortete diese Stimme in seinem Kopf und sogleich versuchte sie alleine wieder aufzustehen. „Es ist nur ziemlich anstrengend, nach 20 Jahren Bewegungsunfähigkeit wieder zu laufen. Wir haben nicht viel Zeit. Ohne die lebenserhaltenden Maschinen bleiben mir nur knapp zehn Minuten und wenn ich dich bis dahin nicht sicher rausgebracht habe, wird sich die Zeitschleife wiederholen und die Zeit wird erneut um 26 Jahre zurückgedreht. Deshalb müssen wir uns ein wenig beeilen und hier rauskommen.“ „Okay.“ Beyond stand auf und half ihr hoch, dabei bemerkte er die Armbanduhr, die Andrew ihm kurz vor der Aktion mit Clear und Sam gegeben hatte. Die Uhr mit dem Sender… Jeremiel hatte doch gesagt, er müsse den Sender sofort betätigen. Also tat er dies und wollte Frederica auf seinem Rücken tragen, doch diese hatte sich wieder gefangen und ging zur Tür. „Du bleibst hinter mir, Beyond. Und pass bloß auf, ja? Die werden gleich scharfe Munition verwenden und deshalb musst du die ganze Zeit über dicht hinter mir bleiben.“

„Ist gut.“ Sie verließen die Zelle und gingen in Richtung Fahrstuhl, doch da ertönte in diesem Moment auch schon das Alarmsignal. Na super, dachte Beyond und sah sich um. Das kann ja noch richtig heiter werden. Hoffentlich artet das alles nicht zu sehr aus und ich kann wieder zu L und den anderen zurück. Sie stiegen in den Fahrstuhl, der sich nach kurzer Zeit in Bewegung setzte und nach oben fuhr. Beyond betrachtete das Mädchen und dachte daran, dass sie 58 Mal diese 26 Jahre miterlebt hat. 26 Jahre, von denen sie 20 Jahre in diesem Zustand verbracht hat. Was für ein unglaublich starker Wille musste hier am Werk gewesen sein, dass sie das immer und immer wieder aufs Neue ertragen hatte? Und das nur, damit Evas Familie wieder zueinander fand. „Frederica, ich wollte mich noch bei dir bedanken für das, was du für uns alle getan hast. Für L und Andrew, aber auch für mich.“ „Das mach ich doch gerne“, antwortete sie und lächelte. „Und außerdem bin ich aus diesem Grund erschaffen worden.“ Mit einem Ruck kam der Fahrstuhl zum Stehen, dann öffnete sich langsam die Tür. Und gleich schon empfing sie ein Dutzend schwer bewaffneter uniformierter Männer, die mit Maschinengewehren auf sie beide zielten. „Halt! Stehen bleiben! Auf die Knie und Hände hinter dem Kopf.“

„Bleib hinter mir“, wiederholte sie und ging voran. Mit etwas wankenden Schritten ging sie vorwärts und schenkte den Gewehren überhaupt keine Beachtung. „Stehen bleiben!“ forderte einer von ihnen auf und legte den Finger an den Abzug. Doch Frederica ignorierte ihn und kam einfach auf die Männer zu. Diese eröffneten das Feuer und es wurde von allen Seiten auf Beyond und Frederica geschossen. Sofort ging der BB-Mörder in Deckung und versuchte sich vor dem Kugelhagel zu schützen, doch seltsamerweise flogen keine Projektile herum. Seltsam, dachte er und hob den Blick. Wieso… fliegen da keine Kugeln durch die Gegend? Auch die bewaffneten Männer schienen sich zu wundern und verstanden nicht, was los war. „Jetzt bin ich an der Reihe.“ Ein leises, aber dennoch hörbares Surren war zu hören. Beyond sah, wie die Männer vor Schmerz aufschrieen und die Waffen fallen ließen, um sich stattdessen die Hände gegen die Schläfen zu pressen. Blut lief ihnen aus der Nase und die Augen verdrehten sich in den Höhlen und dann geschah es ganz plötzlich. Blut spritzte und Knochensplitter und Fleischstücke schossen durch die Luft und irgendetwas zerfetzte den Männern regelrecht die Köpfe. Einigen zerriss es den ganzen Körper und der Serienmörder konnte nicht glauben, was er da sah. Wie um alles in der Welt war das passiert? War das etwa Frederica gewesen? Im selben Moment, als den Männern die Körper von innen heraus zerrissen wurden, explodierten sämtliche Glasscheiben und Scherben flogen durch die Gegend. Frederica hob eines der Gewehre auf und gab es Beyond. „Hier, das brauchst du, um dich notfalls selbst zu verteidigen.“ „Aber… es funktioniert doch nicht.“

„Doch, tut es. Und es ist noch die ganze Munition drin. Weißt du, es ist ziemlich einfach, auch individuelle Zeit zurückzusetzen. Die normale Zeit läuft weiter, aber die der Kugeln wird sofort zurückgesetzt, wenn sie abgefeuert werden. Zugegeben, diese Fähigkeit musste ich erlernen, weil ich nicht wusste, wie man sie einsetzt, aber inzwischen habe ich es nach 58 Versuchen perfekt gemeistert.“

„Und die Männer?“

„Eine Resonanzkatastrophe. Alle festen Körper haben eine Eigenresonanz und durch meine Haare verlaufen Nervenstränge, durch die ich über deutlich mehr Sinne verfüge und meine anderen werden zusätzlich verstärkt. Dadurch kann ich dank Evas Kräfte die Eigenresonanz von Körpern so stark in Schwingung setzen, dass sie zerstört werden. Ist also nichts anderes als wenn man mittels seiner Stimme ein Glas zerbricht.“ Beyond musste wirklich über dieses Mädchen staunen. Er hatte nie an solchen Science-Fiction-Kram geglaubt, wo Menschen übernatürliche Kräfte besaßen, aber hier bekam er das eindeutig zu Gesicht. Frederica verfügte über übermenschliche Fähigkeiten und sie konnte anscheinend durch ihre Willenskraft Menschen umbringen. Die ist ja fast noch gefährlicher als das Death Note. Sie gingen weiter und erreichten nach einer Weile den Kontrollraum. Beyond ging hinein und suchte die Stelle, wo sich die von Sam versteckte Diskette befinden sollte. Tatsächlich fand er sie, allerdings bemerkte er noch etwas: eine große Blutlache auf dem Boden. Offenbar hatte jemand Sam überrascht und ihn dann erschossen. Aber wo war seine Leiche? Tja, darüber konnte er sich später Gedanken machen. Er wollte lieber raus hier, bevor es noch richtig unangenehm wurde. „Okay, ich hab die Diskette, lass uns abhauen.“ Frederica lief weiter den Gang entlang und zunächst sah es danach aus, als könnten sie es schaffen, doch da versperrte eine Stahltür ihnen den Weg. Und sie wirkte ziemlich massiv. Beyond blieb davor stehen und sah sich das genauer an. „Na super, eine Sackgasse. Und was jetzt?“ Das Albinomädchen ergriff seinen Arm und zog ihn mit sich. Sie schlug eine andere Richtung ein, doch sofort griffen mehrere Männer an, um sie festzunehmen. Beyond hob das Maschinengewehr und schoss, Frederica selbst machte einen Satz nach vorne, packte einen der Männer am Schopf und schlug seinen Kopf mit solcher Wucht gegen die Wand, dass es ihn regelrecht zerschmetterte. Einen anderen schleuderte sie mit einem Tritt durch den ganzen Gang, bis er hart gegen die Wand prallte und zusammenbrach. Jeden, der sich ihr näherte und versuchte, sie anzugreifen, wurde Opfer dieser unmenschlichen Kraft, die sie in diesem Moment freisetzte. Sie schlug sie regelrecht zusammen und Beyond war vollkommen sprachlos, als er sie so sah. Vor nicht gerade mal ein paar Minuten hatte dieses Mädchen sich kaum auf den Beinen halten können und jetzt setzte sie so eine enorme Kraft frei, dass sie einem Menschen den Kopf zerschmettern konnte. Fredericas Angriffe waren gezielt und blitzschnell. Sie hatte binnen kürzester Zeit alle Angreifer niedergerungen und lief weiter. Beyond folgte ihr und nach einer Weile erreichten sie schließlich weitere Korridore. Verdammt, das Gebäude war ein einziges Labyrinth und so langsam begann sich Beyond zu fragen, wie sie denn hier wieder rauskommen sollten. Ob Frederica überhaupt wusste, wohin sie gehen musste? „Sag mal, hast du überhaupt einen Plan, wie wir hier rauskommen?“ „Klar doch. Ich muss mich nur kurz sammeln und das richtige Timing abwarten. Das ist alles.“ Na wenn das so war… Schließlich stiegen sie die Treppen hoch in ein oberes Stockwerk und wurden wieder von bewaffneten Männern aufgehalten, die sie aber mühelos ausschalten konnten. Doch dann erfassten Beyonds Shinigami-Augen etwas. Ein bekanntes Gesicht… „Du!“ rief er wutentbrannt und stürmte die Treppen rauf, rannte den Flüchtigen hinterher und bekam dann Dr. Brown am Kragen zu fassen, dann stieß er ihn gegen die Wand und drückte ihm die Mündung des Gewehrs ins Gesicht. „Du dreckiger Bastard! Ich werde dich umbringen für das, was du Andy angetan hast!“

„Nein, bitte… ich…“, doch da schlug Beyond ihm das Gewehr gegen den Kopf und stieß ihn zu Boden. Wie sehr er diesen Menschen hasste, der Andrew all diese schrecklichen Dinge angetan und ihm zehn Jahre das Leben zur Hölle gemacht hatte. Er wollte ihn umbringen und das am liebsten so schmerzvoll und grausam wie möglich. Dr. Brown sah mit Entsetzen, dass Frederica sich bewegen konnte und direkt auf ihn zukam. An ihren Händen, ihrer Kleidung und ihren Bandagen klebte Blut und es war wieder Leben in ihre Augen zurückgekehrt. Sie sah ihn mit einem eiskalten Blick an, der nur allzu deutlich verriet, dass sie dasselbe wollte wie Beyond. „F-Frederica… du wirst doch nicht…“

„Ich habe es dir doch gesagt, James. Wenn die Zeit gekommen ist, dann werde ich wieder wie damals Blut vergießen. Du hast Andrew und mir so viele schlimme Dinge angetan. Wegen deinem Vater hat Jeremiel nie ein normales Leben führen können und L hat seine Familie verloren. Du und dein Vater, ihr seid das Allerletzte und ich würde dich am liebsten noch mal 58 Male umbringen. Aber dieses Mal wird es das letzte Mal sein. Ich werde dafür sorgen, dass die Zeitschleife enden wird und die Welt wieder in ihren normalen Rhythmus zurückkehrt. Ich werde meine Familie beschützen und dafür sorgen, dass sich Sophies Wunsch erfüllt. Und du wirst für immer sterben, James.“

„Nein… bitte nicht…“ Zum ersten Mal hatte der Neurologe richtig Angst. Frederica und Andrew all die Jahre lang grausam zu foltern und zu quälen war einfach gewesen, solange Frederica an diese Maschinen angeschlossen war. Aber nun war sie frei und nun würde nichts und niemand sie noch aufhalten können. Denn sie besaß Evas Kräfte. Doch dann kehrte ein letzter Gedanke zurück. Einer, mit dem er sie vielleicht noch treffen konnte. „Selbst wenn du mich tötest, du wirst auch sterben. Ohne die lebenserhaltenden Maschinen wird dein Körper nicht lange überleben. Ohne mich wirst du krepieren!“

„Ich werde nicht sterben, James. Ich werde nur aufhören zu existieren, denn ich lebe nicht. Ich habe noch nie gelebt, weil ich nur ein Fragment aus Sophie und Eva bin. Ein Wunsch, der zum Leben erweckt wurde, um die Familie wieder zusammenzuführen. Ich kenne mein Schicksal sehr gut und ich habe keine Angst vor dem Nichts. Du kannst mir nichts mehr anhaben James, genauso wenig wie Andrew. Und nun wirst du endlich ein für alle Male aus dieser Welt verschwinden.“ Angsterfüllt starrte Dr. Brown sie an, dann aber griff er urplötzlich an und bekam Fredericas Haare zu fassen. Diese verzog vor Schmerz das Gesicht und hätte geschrieen, wenn ihr die Stimmbänder nicht schon längst herausgenommen worden wären. Er wusste, dass sie nicht in der Lage war, ihre Kräfte einzusetzen, wenn sie Schmerzen hatte. Und diese Tatsache wollte er nutzen, um sich irgendwie herauswinden zu können. Er packte sie und hielt sie wie einen Schutzschild vor sich. „So meine Liebe, du hast da leider vergessen, dass ich deine Schwachstellen sehr gut kenne. Und nun werde ich dir deine verdammten Haare abschneiden. Mal sehen, wie schmerzhaft das dann für dich wird.“ Damit holte Dr. Brown ein Skalpell hervor und wollte sein Werk beginnen, doch da trat Frederica ihm auf den Fuß und schaffte es, den infernalischen Schmerz in ihren Haaren zu ignorieren und sich zu befreien. Sie stieß ihn gegen die Wand und taumelte zurück, Beyond riss daraufhin Dr. Brown das Skalpell aus der Hand und rammte es ihm in die Halsschlagader. Blut spritzte und der Neurologe begann nach Luft zu schnappen, während er seine Hände auf die blutende Wunde drückte. Doch Beyond war noch nicht fertig. Er stach ihm in sein linkes Auge und dann vollführte er einen tiefen Schnitt vom Bauch bis hinauf zum Brustkorb. „Fahr zur Hölle, du Mistkerl. Das war dafür, dass du Andy und Frederica wehgetan hast. Und das hier…“ Und damit rammte er ihm das Skalpell unter die Gürtellinie, wobei Dr. Brown vor Schmerz aufschrie, wobei es sich aber mehr wie ein ersticktes Gurgeln anhörte, da unaufhörlich Blut in seine Lunge floss. „Das war dafür, dass du Andy vergewaltigt hast.“ Damit brach Dr. Brown zusammen und bot einen wirklich erbärmlichen Anblick. Beyond hatte seine Rache bekommen und dieser widerwärtige Sadist würde Andrew und Frederica nie wieder etwas antun können. Er wandte sich wieder seiner Begleiterin zu, die in die Knie sank und offenbar am Ende ihrer Kräfte war. Oder aber die Schmerzen wirkten noch irgendwie nach. Sofort ging er zu ihr hin und versuchte, ihr wieder hochzuhelfen. „Hey, was hast du?“ „Ich… ich hab nicht mehr viel Zeit. Wir müssen uns beeilen.“ Da sie anscheinend nicht mehr lange durchhielt, legte Beyond kurzerhand das Maschinengewehr ab und nahm sie auf den Rücken. „Glaubst du, du schaffst es noch bis zum Ausgang?“ „Ich denke schon. Aber… wir müssen uns beeilen. L und die anderen werden auch gleich hier sein und wenn ich es nicht schaffe, dich zu ihnen zu bringen, dann wird sich die Zeit wieder zurücksetzen und dann fängt alles wieder von vorne an. Dieses Mal muss es einfach funktionieren.“

„Okay, dann werde ich mal einen Zahn zulegen und du versuchst, mir den Rücken freizuhalten.“ Beyond eilte die Gänge entlang und ließ sich von Frederica den Weg weisen. Sie schaffte es, die Männer zu töten oder anderweitig lahmzulegen, aber es war nicht zu übersehen, dass sie nicht mehr lange durchhalten würde. Ihr Körper begann langsam den Geist aufzugeben und es würde nicht mehr lange dauern, bis sie starb. Sie wusste es, sie hatte es die ganze Zeit gewusst. Aber das war der Preis dafür, dass sie Sophies Wunsch erfüllte. Allein dafür existierte sie ja und deshalb hatte Eva ihr ihren Körper überlassen. Aber das war okay so. Sie hatte von Anfang an gewusst, dass sie sterben würde, wenn ihre Familie wieder zueinander gefunden hatte, wenn nicht schon vorher so wie jetzt, da ihr Körper durch die Operationen nicht mehr lebensfähig war. Zugegeben, es war schon schade, weil sie gerne bei ihrer Familie gelebt hätte, aber es war in Ordnung so. Solange es den anderen gut ging, war es okay. Beyond bog schließlich um eine weitere Ecke und stand vor einer Weggabelung. Nun stellte sich die Frage, wohin er gehen musste. „Also, wo muss ich jetzt hin?“ Doch es kam keine Antwort. Fredericas Arme erschlafften und sie konnte sich nicht mehr an ihn festhalten. Sofort setzte Beyond das Mädchen ab und sah, dass sie das Bewusstsein verloren hatte. „Frederica! Hey, jetzt mach nicht schlapp, ja? Komm schon, wach auf.“ Er rüttelte sie mehrmals durch, doch es brachte nichts. Zumindest lebte sie noch, aber wie lange, das konnte keiner sagen. Da die Zeit drängte, blieb Beyond keine andere Wahl, als drastische Methoden zu ergreifen, damit sie wieder aufwachte. „Sorry, aber anders geht es nicht.“ Und damit zog er sie grob an den Haaren. Und der höllische Schmerz, der dabei ausgelöst wurde, brachte schlagartig ihr Bewusstsein zurück. Sofort ließ er ihr Haar wieder los und hob sie hoch. „Entschuldige, aber ich musste das tun. Sag schon: in welche Richtung muss ich gehen?“

„Rechts… dann… dann ist da auch schon der Ausgang.“ Damit nahm er sie wieder auf seinen Rücken und lief los. Er rannte nun noch schneller als zuvor und sah tatsächlich schon den Ausgang vor sich. Endlich… sie hatten es fast geschafft. Doch in dem Moment verließ Frederica der Rest ihrer Kräfte. Sie konnte sich nicht mehr an Beyond festhalten und stürzte zu Boden. Sie blieb regungslos liegen und sofort blieb er stehen, um ihr zu helfen. Er hörte, wie sie schwer atmete und sah, wie ihre Lippen gänzlich weiß wurden. Es ging mit ihr langsam zu Ende, das sah er deutlich. Sie war völlig entkräftet und musste dringend von einem Notarzt ins Krankenhaus gebracht werden, damit man sie retten konnte. „Frederica, halt noch ein bisschen durch. Wir haben es fast geschafft.“

„Nein…“, antwortete sie und ihre Stimme war kaum noch hörbar, so schwach war sie inzwischen schon. „Ich… ich kann nicht mehr. Mein Körper gehorcht mir einfach nicht mehr. Aber… es ist auch schon so gut wie vorbei. Sie kommen.“ Sie hob schwach den Blick und Beyond wandte sich zur Tür, die sich öffnete. Und er sah, dass Andrew, Oliver und L hereinkamen. Beyond konnte es nicht fassen und als sich L’s Blick mit dem seinen traf, da lief der Serienmörder zu ihm hin und schloss ihn in die Arme. Der Detektiv wusste nicht, wie ihm geschah und war viel zu überrascht, als dass er die Umarmung hätte so schnell erwidern können. „L!“, rief Beyond und drückte ihn fest an sich. „Ich bin so froh, dass du da bist. Es tut mir Leid, es tut mir alles so Leid, was ich zu dir gesagt habe und dass ich dich beinahe erwürgt hätte. Ich wollte das nicht tun.“

„Dann kannst du dich wieder erinnern?“

„An alles. Frederica und Jeremiel haben mir geholfen. Sie…“

„Frederica!“ Andrew rannte an ihnen vorbei und eilte direkt zu ihr. Sie lag da, mit aufgerissenen Augen, die allerdings langsam ihren Fokus zu verlieren begannen. Ihr Atem war eher ein Keuchen und sie schien nicht mehr lange durchhalten zu können. Und doch schien wieder ein klein wenig Leben in sie zurückzukehren, als sie ihn sah. „Andrew…“ Sie lächelte und Tränen sammelten sich in ihren Augenwinkeln. „Du siehst gut aus. Hast du endlich dein Glück gefunden?“ „Ja, aber versuch dich zu schonen. Wir werden dich ins Krankenhaus bringen. Hester wird dich schon retten können und…“

„Nein“, unterbrach sie und nahm seine Hand. Doch sie fühlte sich an wie eiskalter Marmor und wirkte so abgemagert. Und dieser schneeweiße von blauen Adern durchzogene Körper wirkte in diesem Moment so kränklich und zugleich abstoßend und unnatürlich. So wie der einer Leiche. „Ich kann nicht mehr, Andrew. Ich habe mein Bestes gegeben, um euch alle zusammenzubringen und euch alle zu retten. Mein Daseinszweck ist erfüllt und es gibt nun mal Dinge, die sich nicht ändern lassen. Es tut mir Leid, aber… ich werde sterben.“ Als Andrew das hörte, sah er sie fassungslos an und konnte es nicht glauben. Natürlich wusste er, wie katastrophal ihr Zustand war und dass sie sich eigentlich nicht mal bewegen konnte. Man hatte ihren Körper zu oft Experimenten und Operationen unterzogen, dass sie ohne die lebenserhaltenden Maschinen nicht überleben konnte. Und selbst wenn sie sie retten konnten, sie würde für immer in diesem Zustand bleiben. Und damit stellte sich die Frage, ob man ihr das überhaupt antun konnte, oder ob es nicht besser war, sie gehen zu lassen. Doch Andrew konnte das nicht akzeptieren. Er wollte sie nicht verlieren, nachdem sie ihm zehn Jahre lang eine so treue Freundin gewesen war, die so viel auf sich genommen hatte, um ihm zu helfen. Er brach in Tränen aus und schloss sie in die Arme. „Das ist nicht fair. Du sollst doch auch glücklich werden so wie ich und die anderen. Das ist nicht gerecht!“

„Aber ich bin doch glücklich. Die Zeit mit Nastasja und ihrer Familie war die schönste in meinem Leben. Ich hatte zum ersten Mal eine eigene Identität und ein Zuhause. Und ich habe meine Aufgabe erfüllt. Die Zeitschleife wird endlich aufgelöst werden und damit wird auch die Zeit normal weiterlaufen. 58 Male habe ich versucht, dass es für euch ein Happy End gibt und die Familie wieder zusammenfindet. Und nun habe ich es geschafft, deshalb werde ich auch nicht mehr weiter gebraucht.“

„Aber ich brauch dich doch. Wir… wir können dich mit dem elektrischen Gedankenschaltkreis retten und dann kannst du mit uns zusammenleben. Du kannst dann auch ein Teil unserer Familie werden.“ Doch sie schüttelte nur den Kopf und hielt seine Hand fester. Ihr Lächeln wirkte traurig, genauso wie Andrews damals, wenn er versucht hatte, sich seine Depressionen nicht anmerken zu lassen. „Nein Andrew. Der elektrische Gedankenschaltkreis war dazu da, damit ich dich zurückholen und damit ich Beyond helfen konnte. Für mich ist es einfach zu spät. Mein Körper kann nicht ohne lebenserhaltende Maschinen weiterfunktionieren. Ich habe 418 Jahre in Einsamkeit gewartet und 58 Male die letzten 26 Jahre wiederholt. Ich habe lange genug gelebt und ich bin eh kein richtiges Lebewesen. Ich bin nur ein Fragment… Sophies Wunsch, der lebendig geworden ist. Dein Wunsch, Andrew. Ich bin ein Teil von dir und wenn ich sterbe, dann kann ich wieder zu dir zurückkehren. Wenn ich sterbe, kann ich dir meine Seele geben, damit du noch mal richtig leben kannst, ohne diesen Chip in deinem Kopf. Deshalb solltet ihr hierher kommen. Damit ich die Chance bekomme, zu dir zurückzukehren und wieder zu einem Teil von dir zu werden, wenn ich sterbe. Und ich wollte dich ein letztes Mal sehen, L.“ Damit wandte sie sich L zu, der sich nun von Beyond gelöst hatte und zu ihr ging. In seinen Augen war Schmerz zu sehen. Er erinnerte sich an damals, als Frederica ihm Geschichten erzählt und mit ihm gespielt hatte. Sie hatten zusammen gelacht und sie hatte ihn getröstet, wenn er traurig war, weil seine Eltern nicht da waren. Sie hatten so viele schöne Erlebnisse miteinander geteilt, an welche er sich so lange Zeit nicht erinnert hatte. Frederica war seine beste Freundin gewesen… seine große Schwester. „Ich wollte dir noch sagen, dass es mir Leid tut, dass Nastasja und Henry gestorben sind. Und ich wollte mich entschuldigen, dass ich nicht für dich da war. L, ich hab dich sehr lieb und du wirst für mich immer mein kleiner Bruder bleiben. Deine Mutter bat mich noch, dir etwas auszurichten, wenn ich es eines Tages schaffen sollte:
 

L, ich werde dich niemals aufwachsen sehen… niemals den Menschen persönlich kennen lernen, mit dem du glücklich wirst und ich werde dich auch nicht auf deinen Weg begleiten können, so gerne ich das auch gewollt hätte. Aber damit du und die anderen leben könnt und damit vor allem Evas Familie wiedervereint wird, werden Opfer nötig sein, um das eines Tages zu schaffen. Es tut mir und deinem Vater von Herzen weh, dass wir dir Lebwohl sagen müssen, aber vergiss nicht, dass wir beide dich sehr lieben. Egal welchen Weg du auch einschlagen wirst und welcher Mensch es sein wird, mit dem du dein Glück gefunden hast, wir sind sehr stolz auf dich. Du bist unser größtes Glück gewesen und wir hoffen, dass du gut auf deine Familie aufpassen wirst. Es ist nicht leicht, aber wenn ihr alle zusammenhaltet, werdet ihr alles schaffen können. Und du darfst niemanden aus der Familie jemals ausschließen. Weder den Zorn, noch die Leere, auch wenn es nicht leicht mit ihnen ist. Es ist deine Aufgabe, auf diese Familie aufzupassen und sie zusammenzuhalten und ich bin mir sicher, dass du es schaffen wirst. Denn du bist wirklich wunderbarer Mensch und du bist unser größter Stolz.
 

Das waren die Abschiedsworte deiner Mutter.“ L senkte den Blick und konnte seine Tränen nicht zurückhalten. Diese Worte zu hören, die seine Mutter damals vor ihrem Tod gesagt hatte, trafen ihn sehr und er wünschte sich in diesem Moment, sie noch ein allerletztes Mal sehen zu können und ihr zu sagen, wie sehr er sie lieb hatte. Und umso glücklicher war er zu hören, wie stolz sie auf ihn war. Tröstend legte Beyond einen Arm um seine Schultern. „Ihr müsst nachher meinen Körper zerstören. Ich will nicht, dass irgendjemand wieder so grausame Experimente macht und Menschen ins Unglück stürzt so wie James und sein Vater. All die Daten zu Eva sind vernichtet worden und ich vertraue dir die einzigen Kopien an, L. Mach damit, was du für richtig hältst. Aber bitte lass nicht zu, dass jemand meinen Körper zu Versuchszwecken nimmt, um weitere Experimente zu machen. Ich will das nicht!“

„Mach dir keine Sorgen, ich kümmere mich persönlich darum.“ Damit war sie beruhigt und wandte sich Andrew zu. Dieser hielt immer noch ihre Hand und weinte. Er wollte das alles nicht. Es konnte doch nicht sein, dass sie alle leben durften und sie sterben musste. Das war nicht gerecht! Sie hatte doch auch eine Chance verdient. Er wollte sie nicht verlieren. „Bitte Frederica, es muss doch eine Möglichkeit geben. Du darfst nicht fortgehen, ich brauche dich doch!“

„Nein“, antwortete sie und strich sanft über seine Wange. „Du brauchst mich jetzt nicht mehr. Du hast Oliver und wunderbare Freunde an deiner Seite. Meine Aufgabe war es, dich zu deiner wahren Familie zurückzubringen und dir beizustehen. Also bitte lass mich das hier jetzt tun.“ Und damit legte sie ihre Hände an seine Schläfen und legte dann ihre Stirn auf die seine. So wie sie es bei Beyond getan hatte, damit er Jeremiel und Anja begegnen konnte. Doch lange dauerte es nicht an, denn da sank Frederica zusammen und Andrew fing sie auf. „Frederica? Hey, bleib bei mir. Frederica!“ Er rüttelte sie durch und versuchte noch verzweifelt ein Lebenszeichen von ihr zu bekommen. Tränen flossen seine blass gewordenen Wangen hinunter und er zitterte am ganzen Körper. „Frederica! Bitte mach die Augen auf!“ Als sie immer noch keine Lebenszeichen von sich gab, begann er zu schreien und versuchte es schließlich mit Reanimation. Aber sie alle wussten, dass es zwecklos war. Frederica war tot.

Trauer

Nachdem sie den Schock über Fredericas Tod einigermaßen verdaut hatten, nahmen sie die Tote mit und verließen das Institut auf dem schnellsten Weg. Andrew war völlig aufgelöst und wollte seine Freundin unbedingt retten und musste von Oliver beruhigt werden. „Wir können sie doch nicht einfach im Stich lassen“, rief er und kämpfte mit den Tränen. „Wenn wir ihr einen künstlichen Gedankenschaltkreis einsetzen, dann…“ „Andrew, jetzt sei vernünftig“, unterbrach ihn L und gemeinsam stiegen sie in den Wagen. „Du hast doch gehört, was sie gesagt hat: ihr Körper war eh nicht mehr lebensfähig. Sie würde so oder so nicht lange durchhalten, wenn wir sie zurückholen würden. Akzeptier doch, dass sie fort ist und wir nichts daran ändern können.“

„Aber das ist nicht fair. Beyond und ich haben eine zweite Chance bekommen und sie war die ganzen Jahre immer alleine. Sie hat 20 Jahre in diesem Zustand leben und so viele Schmerzen erleiden müssen. Sie hat es doch auch verdient, glücklich zu werden. Wir können es doch zumindest versuchen!“ Doch sie alle wussten, dass es nichts bringen würde. Beyond senkte niedergeschlagen den Blick und schwieg. Ihn plagte das schlechte Gewissen und irgendwie hatte er das Gefühl, als wäre er schuld an Fredericas Tod. Aber dem war doch nicht so. Es war so geplant gewesen, dass sie starb, damit sie alle zusammen glücklich weiterleben konnten. Er hatte seine Erinnerungen wieder und musste nie wieder Angst vor einem Rückfall haben und Andrew hatte dank Frederica eine neue Seele. Sie hatte so viel für ihn und die anderen getan und es war schon sehr belastend zu sehen, dass niemand sie retten konnte. Und es würde noch eine Weile dauern, bis sie gänzlich diesen Schock überwunden hatten. Für L war Frederica eine große Schwester gewesen, die immer auf ihn aufgepasst hatte und immer für ihn da gewesen war, wenn ihn Sorgen und Ängste geplagt hatten. Für Beyond war sie eine Retterin, die ihm eine neue Chance gegeben hatte. Aber vor allem für Andrew war sie eine enge Freundin gewesen, die ihm immer beigestanden und ihn getröstet hatte, ohne an sich selbst zu denken. Sie hatte sie alle zusammengebracht und ihnen mit der Gedankenschaltkreisforschung das Leben gerettet. Und nun war sie einfach gestorben und keiner konnte sie retten? Das war einfach schwer zu akzeptieren. Und vor allem Beyond musste daran denken, dass Frederica 58 Mal diese Hölle erlebt hatte. Welch unfassbar starker Wille musste hier am Werk gewesen sein, dass sie bereit war, es immer wieder aufs Neue zu ertragen? „Was ich allerdings gerne wissen würde wäre, was Frederica gemeint hat, dass sie die 26 Jahre wiederholt hat“, sagte L schließlich und wandte sich an Beyond, der ja bei Frederica gewesen war. Dieser seufzte und stützte seinen Kopf auf seiner Hand ab. Ihm tat ein wenig der Kopf weh und er wollte sich am liebsten einfach nur hinlegen. „Frederica hat die Zeit mehrmals zurückgesetzt, um somit einen Weg zu finden, uns allen zu helfen. Die Zeitschleife begann immer wieder an den Tag, als sie deine Mutter in Russland kennen gelernt hat und endete dann an diesem Tag. Immer, wenn sie gescheitert ist, wurde die Zeit automatisch zurückgesetzt und nun, da sie ihr Ziel erreicht hat, läuft die Zeit ganz normal weiter. Sie hat 58 Mal diese 26 Jahre wiederholt und da sie diesen Ring in der Iris hatte, war sie noch ein direkter Teil von Eva und damit unvergänglich. Das bedeutete, dass ihr Bewusstsein ganz normal funktionierte und sie sich an alles erinnern konnte. Und Eva hat mich von Sam entführen lassen, damit ich zu Frederica gebracht werde. Diese hat eine Art mentale Verbindung erschaffen, damit ich mit dem Monster in mir endlich Frieden schließen und die Wahrheit herausfinden konnte.“

„Und welche Wahrheit?“

„Dass wir alle eine Familie sind. Wir alle sind die menschlichen Wiedergeburten von Evas Familie und Frederica wurde aus dem Wunsch von Sophie, Evas Tochter erschaffen, als diese starb. Eva wollte, dass wir ein glückliches Leben führen können und darum wurde ich entführt, damit ich mit meiner zornigen Seite ins Reine kommen und einen Weg finden konnte, mit euch zusammenzuleben, ohne Angst haben zu müssen, dass ich euch etwas antun könnte.“ Also habe ich die ganze Zeit falsch gelegen, dachte L und senkte den Blick. Die ganze Zeit habe ich gedacht, Eva wolle Beyond für irgendwelche Zwecke benutzen, um ihre Familie zurückzuholen. Doch stattdessen hat sie sie alle beschützt und ihnen geholfen, genauso wie Frederica. „Aber was hat Eva denn davon, wenn sie dann gar nicht bei uns lebt?“

„Doch, das tut sie. Ein Teil von ihr ist auch als Mensch wiedergeboren worden. Nämlich in dir, L. Es war kein Zufall, dass wir beide uns ineinander verliebt haben, genauso wenig wie Oliver und Andrew oder Rumiko und Jamie. Das alles hat mit unserem früheren Leben zu tun, da wir charakteristisch noch dieselben geblieben sind. Wir haben nur unsere Erinnerungen verloren und sind auch nicht mehr unvergänglich. Aber dennoch existiert immer noch ein unsichtbares Band zu Eva und das ist auch der Grund, warum wir uns nach und nach um dich versammelt haben: weil wir deine Familie sind… Evas Familie.“ In diesem Moment musste sich der Detektiv wieder an damals erinnern, als seine Eltern noch gelebt hatten. Manchmal, wenn Frederica ihm wieder eine Geschichte erzählte, dann hatte er sich gewünscht, er könnte auch ein Teil von Evas Familie sein. Und nun erfuhr er, dass er schon immer ein Teil davon war. Und auch seine Eltern hatten davon gewusst. Sie hatten gewusst, dass sie alle in einer Zeitschleife feststeckten und welche Rolle L dabei spielte. Und sie waren gestorben, damit sie sein zukünftiges Glück gewährleisten konnten. L stand kurz davor, in Tränen auszubrechen, weil er von diesen ganzen Gefühlen überwältigt war. Er verbarg sein Gesicht und versuchte sich irgendwie zu beherrschen, doch er konnte seine Tränen nicht zurückhalten. „Und… was ist mit Sam?“ Beyond schwieg und überlegte sich, ob er es wirklich sagen sollte. Er sah, dass L durch Fredericas Tod und den von ihr übermittelten letzten Worten seiner Mutter sowieso schon völlig durch den Wind war. Da musste er doch nicht noch eine solche Schocknachricht kriegen. Aber er schuldete ihm die Wahrheit und erklärte „Sam… also ich meine Jeremiel… er war dein älterer Bruder. Ihr seid oder ward eineiige Zwillinge. Als deine Mutter schwanger wurde, musste sie operiert werden. Sie wusste nicht, dass sie Zwillinge erwartete und Joseph Brown entnahm ihr einen der Embryos und benutzte ihn für seine eigene Forschung, um Evas DNA mit der eines Menschen zu kreuzen. Dabei kam es auch zu diesen Gehirnschäden bei Jeremiel und deshalb sieht er dir auch äußerlich überhaupt nicht ähnlich, weil er ein Hybrid ist. Eine Mischung aus Eva und Mensch. Ich weiß nicht genau, was aus ihm geworden ist. Er hat mich schlafen geschickt und als ich aufgewacht bin, war er schon verschwunden. Aber an dem Platz, wo er etwas für dich versteckt hat, da war eine große Blutlache und ich glaube, dass er gestorben ist. Aber ich habe seine Leiche nicht finden können.“

„Woher willst du wissen, dass er tot ist?“ fragte nun Oliver, der den Wagen fuhr und die meiste Zeit geschwiegen hatte. „Na weil ich das Shinigami-Augenlicht habe und wenn ich seine angezeigte Lebenszeit richtig berechnet habe, dann kommt das ganz gut hin. Er hat sich auch irgendwie seltsam verhalten, als er mich entführt hat. Er war viel redseliger als sonst und ich glaube, er hat selbst gewusst, dass er sterben würde.“ Eine niedergeschlagene Stille machte sich breit und schließlich hatten sie das Krankenhaus erreicht. Beyond musste noch mal untersucht werden und Hester wollte auch noch mal einen Blick auf Fredericas Körper werfen um zu sehen, ob es wirklich ausweglos war oder ob es nicht doch noch einen kleinen Hoffnungsschimmer gab. Oliver blieb die ganze Zeit an Andrews Seite, um ihm beizustehen, während Beyond bei L blieb. Insgeheim hofften sie ja alle, dass da noch eine winzig kleine Chance bestand, dass Frederica wiederbelebt werden und bei ihnen leben konnte, aber tief in ihrem Inneren wussten sie schon, dass da nichts zu machen war. Andrew wusste es genauso wie Beyond. Und L ebenso. Schließlich kam Hester nach der Untersuchung zu ihnen und ihr Gesichtsausdruck zeigte mehr als deutlich, dass sie in der Tat keine guten Nachrichten überbringen konnte. „Es tut mir leid, aber da ist nichts zu machen. Ihr fehlen nicht nur Organe, ihr ganzer Körper weist irreversible Schäden auf und sie hat eine schwere Gehirnblutung erlitten. Selbst wenn sie wiederbelebt wird, könnte sie ohne Beatmungsmaschinen und Sonden unmöglich überleben. Und durch die schweren Gehirnblutungen wird sie wahrscheinlich ins Koma fallen. Wir würden ihr nur noch mehr Schmerzen und Leiden bereiten, wenn wir sie wiederbeleben. Auch wenn es schwer fällt, aber es ist das Beste, wenn wir sie nicht wiederbeleben. Damit würde niemand ihr einen Gefallen tun.“ Das zu hören war insbesondere für Andrew ein schwerer Schock und er vergrub schluchzend das Gesicht in den Händen. Er war völlig am Boden zerstört und konnte einfach nicht glauben, dass es keine Hoffnung für Frederica gab. L, der inzwischen wieder seine Selbstbeherrschung wiedergefunden hatte, stand auf und ging zu Hester hin. „Könnte sie solange hier bleiben? Ich denke, ich werde auch Watari benachrichtigen und wahrscheinlich will er sich auch noch von ihr verabschieden.“ „Ist gut. Aber was passiert denn jetzt mit ihr?“

„Wir werden sie angemessen bestatten. Das ist das Mindeste, was wir für sie tun können. Ich werde mich schon um alles kümmern.“ Die Ärztin nickte und wandte sich an Beyond. „Und wie geht es dir?“

„Ich erinnere mich wieder an alles. Tut mir übrigens wirklich leid, dass ich so viel Ärger verursacht habe. Ich war nicht ganz bei Sinnen. Aber wie geht es meiner Schwester?“

„Das blühende Leben. Aber es deuten schon alle Anzeichen darauf hin, dass es sich nur noch um einige Stunden handeln könnte, bis die Wehen einsetzen. Bis dahin haben wir ein Auge auf sie.“ Wenigstens eine gute Nachricht für Beyond, der sich schon ernsthaft Sorgen gemacht hatte, Rumiko könnte durch sein Verschulden etwas passiert sein. Nachdem die Untersuchungen abgeschlossen waren und auch Beyonds Verletzung zum Glück nicht aufgerissen war, erlaubte Hester ihm, dass er nach Hause gehen durfte. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass er sich schonte. Immerhin hatte er eine schwere Operation hinter sich und es war sowohl ihr als auch Beyond selbst ein Rätsel, wieso er die Verletzung gar nicht gespürt hatte, als er im Institut gewesen war. Vermutlich, weil Frederica irgendwie seine Schmerzen genommen hatte? Konnte gut möglich sein. Aber zumindest war soweit alles in Ordnung und wenn er sich noch etwas schonte, würde es schon bald wieder bergauf gehen. Hester gab ihm noch ein paar Medikamente mit, die er nehmen sollte. Gleich schon als sie wieder zuhause waren, ging er ins Schlafzimmer und legte sich ins Bett. Er war einfach nur müde und erschöpft von der ganzen Aufregung und Hektik und war froh, dass es endlich vorbei war. Und zum Glück war alles gut ausgegangen. Er hatte eine zweite Chance bekommen und sich mit Anja ausgesprochen. Nun, da er verstanden hatte, wieso sie das alles getan hatte, würde es hoffentlich keine Anfälle mehr geben. Er musste nie wieder mit der Angst leben, dass er L und den anderen eines Tages etwas antun könnte, wenn er die Kontrolle verlor. Solange er nicht vergaß, wieso Anja das alles getan hatte, konnte er sein inneres Gleichgewicht bewahren und ein halbwegs normales Leben führen. Unglaublich das alles. Er war gestorben und lebte wieder, genauso wie Andrew. Er hatte seine Erinnerungen wieder und hatte eine richtige Familie. Eine Familie, die ihn liebte und die ihn nicht im Stich ließ. Insbesondere nicht L. Auch wenn es einige sehr schmerzvolle Momente in den letzten neun Monaten gab und ihn die Sache mit Frederica schon mitnahm, so war er dennoch sehr glücklich. Es hatte sich alles zum Guten gewendet und dieser Dr. Brown hatte auch das bekommen, was er verdient hatte.

Es brauchte nicht lange, da war Beyond auch schon eingeschlafen, doch er wachte auch bald schon wieder auf, denn da hörte er jemanden und sah L im Türrahmen stehen. „L, was ist?“ „Entschuldige, ich wollte dich nicht wecken.“ Müde rieb sich der BB-Mörder die Augen und blinzelte. „Schon gut. Aber sag schon, was ist denn?“ Der Detektiv sagte nichts, sondern wandte den Blick ab. Etwas verlegen kratzte er sich am Kopf und antwortete „Ich wollte nur nach dem Rechten sehen.“ Beyond ahnte schon, was los war und wies den Detektiv mit einer stummen Handbewegung an, näher zu kommen. L folgte dieser Einladung und setzte sich zu ihm aufs Bett. Schließlich nahm der Serienmörder ihn in den Arm und eng umschlungen lagen sie einfach da. „Beschäftigt dich irgendetwas?“

L schwieg und betrachtete Beyond eine Weile. Er musste wieder an diesen furchtbaren Anblick denken, als der Mensch, den er mehr als alles andere auf der Welt liebte, vor seinen Augen gestorben war. Es war der wohl schlimmste Schock in seinem Leben gewesen und so schnell würde er es auch nicht vergessen. „Ich hatte wirklich Angst gehabt, dich für immer verloren zu haben. Und als du verschwunden bist, da dachte ich zuerst, Eva würde deinen Körper benutzen wollen, um ihre Familie zurückzuholen.“ Auch wenn L’s Stimme ruhig blieb, spürte Beyond, wie aufgewühlt er innerlich noch war. Das alles musste wirklich viel für ihn gewesen sein und da war es auch kein Wunder, warum er vorhin geweint hatte. Diese ganze Aufregung war einfach zu viel für ihn gewesen und er war dann einfach zusammengebrochen. Auch jemand wie L hatte Grenzen. „Du brauchst keine Angst zu haben, L. Du hast Frederica ja gehört: sie wird unsere Familie beschützen, genauso wie Eva. Und nun ist das alles endlich vorbei. Andrew und ich brauchen die elektrischen Gedankenschaltkreise eigentlich nicht mehr. Weißt du, als ich gestorben bin, da habe ich eine Stimme gehört, die mich immer wieder gerufen hat. Auch schon vorher habe ich sie gehört und im Institut habe ich herausgefunden, dass Jeremiel mich gerufen hat. Jetzt nicht Sam, sondern der echte Jeremiel, der nie gelebt hat. Ich glaube, dass es einen Grund gehabt hat. Zwar hat er mir das nicht gesagt, aber ich glaube, dass er und Eva mir meine Erinnerungen genommen haben, um daraus eine neue Seele für mich zu erschaffen, damit ich ohne den Gedankenschaltkreis leben kann und damit ich nach wie vor derselbe Mensch bleibe, den du liebst. Denn ich trage als Einziger von uns zwei Seelen in mir. Als ich gestorben bin, da muss wahrscheinlich Jasha fortgegangen sein, weil ich ja während meiner Amnesie so aggressiv war. Weil Eva gewusst hat, dass ich mit Anjas Seele allein niemals vernünftig in dieser Familie hätte leben können, gab sie mir noch eine zweite, damit eine Art Ausgleich herrscht. Jasha war quasi Ryuzaki. Er war der Mann an Evas Seite und hat die Familie beschützt. So wie ich jetzt an deiner Seite bin und unsere Familie beschützen will.“

„Du hast Jeremiel getroffen? Wie… wie war er denn?“ Beyond lächelte und strich L sanft eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Er hat gewisse Ähnlichkeiten mit dir, das hab ich sofort gesehen. Genauso hartnäckig und mit demselben Blick und er bewegte sich auch fast genauso wie du. Allerdings war er nicht ganz so verschroben. Und er scheint sich zudem sehr viele Gedanken um dich gemacht zu haben. Zumindest hat er auf mich den Eindruck gemacht, als würde es ihm sehr am Herzen liegen, dass du glücklich wirst. Er konnte mir allerdings nicht sagen, was aus ihm wird. Wahrscheinlich wird er selber in einem neuen Körper wiedergeboren werden und dann ein eigenes Leben führen können. Er schien jedenfalls ein guter Mensch zu sein.“ L schwieg und lag einfach nur in Beyonds Armen, während er seinen Gedanken nachging. Immer noch war dieser Gedanke seltsam, dass er einen Bruder gehabt hatte… einen älteren Zwillingsbruder, den er nie kennen lernen durfte und den er wohl auch nie kennen lernen würde. Zugegeben, er hatte damals Frederica gehabt, die ihm eine wunderbare große Schwester war. Aber wenn er selber die Zeit zurückdrehen könnte, dann hätte er schon gerne seinen Bruder kennen gelernt und zwar als den Menschen, der er wirklich war und nicht dieses namenlose Grauen Sam Leens. Zwar waren sie alle die großen Gewinner in dieser Geschichte, aber Frederica und Jeremiel waren eindeutig die Verlierer. Frederica war tot und sie hatte ein nur recht kurzes Glück erleben dürfen, nämlich in L’s Familie und Jeremiel hatte nie wirklich gelebt. Aber dann erinnerte er sich an die Worte seiner Mutter, die Frederica ihm übermittelt hatte. Sie hatte gesagt, er dürfe weder den Zorn noch die Leere aus der Familie ausschließen. Aber wenn Sam tot war und Jeremiel nicht lebte, wie sollte er dann die Leere aus der Familie ausschließen können? Ob die ganze Sache vielleicht noch nicht ganz zu Ende war und es womöglich sogar noch eine Fortsetzung geben könnte? Bislang hatten sich die letzten 26 Jahre immer wieder wiederholt und jetzt wurde ein neues Kapitel geschrieben. Und nun lag es an ihn, dafür zu sorgen, dass die Familie zusammenhielt und es allen gut ging. Er war Evas menschliche Wiedergeburt und damit war es seine Aufgabe, die Familie zusammenzuhalten und auf sie aufzupassen. Auf jeden einzelnen von ihnen. Das war auch die Bitte seiner Mutter gewesen.

„Beyond, jag mir nie wieder so eine Angst ein, ja? Versprich mir, dass du nie wieder etwas tust, was dich in solch eine Lebensgefahr bringt. Ich könnte es nicht ertragen, dich noch ein Mal zu verlieren.“

Das werde ich schon nicht, keine Angst. Ich werde für immer an deiner Seite bleiben und ich bin auch froh, dass ich diese zweite Chance bekommen habe. Und wenn meine Verletzung verheilt ist, dann haben wir wieder genug Zeit für uns beide.“ L schwieg und sah ihn mit einem fast schon lauernden Blick an, als würde er auf irgendetwas warten. Das irritierte den Serienmörder ein wenig und so fragte er nach. „Ist was?“

„Nun… ich hatte eigentlich mit irgendeinem perversen Kommentar gerechnet, mit dem du mich wieder auf die Palme bringen willst.“

„Keine Sorge, das kommt noch. Aber nicht heute. Ich fühl mich ziemlich gerädert und diese Geschichte mit Eva und Frederica und dieser Zeitschleife sitzt bei mir noch ein klein wenig schwer im Magen. Momentan bin ich einfach noch nicht in der Stimmung, dich zu ärgern. Sei mir deshalb nicht böse, Pandabärchen.“ Damit kniff er ihm scherzhaft in die Nase. Na, zumindest war er jetzt nicht vollkommen verändert. L hatte schon insgeheim Sorge gehabt, dass Beyond ein anderer Mensch sein könnte, aber es sah wohl so aus, als hätte er sich da unnötig Sorgen gemacht. Wahrscheinlich war es wirklich nur die ganze Anstrengung, dass er nicht so herumblödelte wie sonst. „Sag mal, wo ist denn eigentlich Watari abgeblieben?“ „Er ist im Krankenhaus, um sich von Frederica zu verabschieden. Sie war für ihn quasi wie eine Enkelin gewesen und die Nachricht über ihren Tod hat ihn ziemlich getroffen.“

„Und wie geht es Andy inzwischen?“

„Nicht sehr gut, aber Oliver ist ja bei ihm.“

„Und was ist mit dir?“ L dachte nach und legte seinen Kopf auf Beyonds Brust ab, als wolle er auch sichergehen, dass sein Herz auch wirklich schlug und es nicht nur vielleicht ein Traum sein könnte. Doch es schlug ganz deutlich in seiner Brust und es fühlte sich einfach real an. Es war kein Traum, sondern Realität und wenn es ein Traum wäre, wollte L nie wieder daraus aufwachen. „Für mich ist das natürlich auch nicht gerade leicht. Auch wenn ich mich all die Jahre nicht erinnern konnte, inzwischen kehren immer mehr Kindheitserinnerungen zurück und ich weiß, dass Frederica ein sehr liebevolles und fröhliches Mädchen war. Ich hab sie als sehr lebensfroh und aufgeweckt und fürsorglich in Erinnerung gehabt. Deshalb war es auch ein großer Schock für mich, sie in solch einem schlechten Zustand vorzufinden. Und natürlich bin ich sehr traurig darüber, dass sie tot ist. Wenn ihr Körper nicht so in einer schlechten Verfassung wäre, würde ich sie ja auch gerne zurückholen. Aber ich will sie nicht leiden sehen und ich habe gesehen, wie sie gelitten hat, als es mit ihr zu Ende ging. Deshalb denke ich, es ist das Beste, wenn wir sie gehen lassen. Und außerdem ist sie ja ohnehin ein Teil von Andrew gewesen und ist ja wieder zu ihm zurückgekehrt. Also versuch ich einfach daran zu glauben, dass sie in ihm weiterlebt und sie deshalb immer noch bei uns ist. Das ist so zumindest mein Gedanke und ich glaube, dass ich damit nicht mal so falsch liege.“

„Da hast du wahrscheinlich Recht. Auch wenn wir Eva nicht wirklich kennen und nicht viel über sie wissen, sie scheint doch sehr besorgt um uns alle zu sein und ich denke, dass sie für uns alle das Beste im Sinn hat. Und das gilt mit Sicherheit auch für Jeremiel. Bleibt nur zu hoffen, dass diese ganze Aufregung auch endgültig vorbei ist, sonst muss ich noch in Frührente gehen.“

„In Rente? Du? Wovon willst du denn in Rente gehen?“

Die Geburt

Gleich schon in der Früh wurden sie durch ein Klingeln geweckt und müde rieb sich L die Augen. Es klingelte offenbar schon eine ganze Weile, aber bis jetzt hatte er einfach zu tief und fest geschlafen, als dass er es hätte sofort hören können. Und außerdem hatte er so bequem gelegen, dass er auch nicht wirklich Lust hatte aufzustehen. Nachdem er so viele Nächte allein gewesen war, wollte er es wenigstens noch ein wenig genießen, dass er jetzt hier bei Beyond lag und wie sonst immer hatte er den Kopf auf seine Brust gelegt, während Beyond selbst ihn dabei schlafend im Arm hielt. In dieser Position hatte er immer am besten schlafen können, weil er dann so geborgen fühlte. Am liebsten hätte er noch länger so gelegen, wenigstens noch ein paar Minuten. Aber das verdammte Handy hörte einfach nicht auf zu klingeln und ignorieren konnte er es ja auch schlecht. Wenn es etwas Wichtiges war, dann musste er wohl oder übel rangehen. Beyond wälzte sich noch ein wenig umher und grummelte leise vor sich hin. „Ach Mensch“, murmelte er und klang genervt. „Welcher Arsch ruft denn um 5 Uhr morgens an? Der kann was erleben.“ Da er keine Anstalten machte aufzustehen, stand L auf und ging an sein Handy ran und sah, dass es Hester war. Also musste es etwas Wichtiges sein und so ging er ran. „Hester, was gibt es denn?“ „Ich rufe für Jamie an. Er ist gerade so aufgeregt, dass er kaum noch sprechen kann, ohne zu stottern. Die Wehen haben eingesetzt und die Zwillinge kommen gleich zur Welt.“ Sofort war L hellwach als er das hörte und ging zum Bett hin, um den im Halbschlaf liegenden Serienmörder aufzuwecken. „Beyond, steh auf! Na los!“ „Will nicht… will schlafen…“ Er konnte auch so ein Morgenmuffel sein, wenn er nicht lange genug geschlafen hatte. Na warte, dich krieg ich noch aus dem Bett, dachte L und zog die Decke weg. Doch der Serienmörder grummelte nur leise und drehte sich einfach auf die andere Seite. „Leg dich wieder hin, L. Es ist doch noch so früh. Oder lass mich wenigstens noch etwas schlafen, ja? Ich bin echt kaputt.“

„Hester hat gerade angerufen. Rumiko bringt jeden Augenblick die Zwillinge zur Welt! Also steh jetzt auf!“ Als Beyond das hörte, war er schlagartig hellwach und setzte sich auf. „Wie bitte?“ rief er und sprang aus dem Bett, was sich aber als keine sonderlich gute Idee erwies, da ein bohrender Schmerz seine Seite durchfuhr, sodass er eine Hand auf seine vernähte Wunde presste. „Verdammte Hacke…“, stöhnte er und presste die Zähne zusammen. L gab ihm eine von den Schmerztabletten und sammelte seine Klamotten vom Boden auf. „Du solltest wirklich ein wenig mehr auf dich achten und wissen, dass du dich nicht so sehr bewegen sollst, weil sonst die Nähte aufreißen. Wenn du nicht aufpasst, wird die Wunde noch aufreißen und dann hast du den Salat. Dann wird der Heilungsprozess nur noch länger dauern.“ L rief noch bei Andrew und Oliver an, um ihnen Bescheid zu geben, dann gingen er und Beyond ins Bad um sich fertig zu machen. Wenig später klingelte es an der Haustür und Andrew und Oliver waren da, um die beiden abzuholen. Sie schienen schon etwas länger wach gewesen zu sein und hatten auch Coffee to Go mitgebracht, um die beiden besser wach zu kriegen. „Wieso zum Teufel seid ihr denn schon hier?“

„Wir konnten nicht so wirklich schlafen und waren deshalb schon etwas eher wach. Also dann, seid ihr abfahrtbereit?“ Nachdem sie sich mit einem Kaffee gestärkt hatten, gingen sie zu Olivers Wagen und fuhren zum Krankenhaus. Immer noch war Beyond ziemlich müde und hatte seinen Kopf auf L’s Schulter gelegt und die Augen geschlossen. Er wäre gerne noch im Bett geblieben. „Warum haben sich die beiden nicht einen anderen Zeitpunkt ausgesucht, um zur Welt zu kommen? Wenigstens zwei oder drei Stunden später…“

„Zur Rush Hour? Dann würden wir nie im Krankenhaus ankommen. Jetzt sind die Straßen ja wenigstens noch frei und wir kommen problemlos durch.“ Auch wieder wahr. Aber trotzdem hätte der Serienmörder noch gerne etwas geschlafen, immerhin hatte er genug Aufregung gehabt und musste sich immer noch von den ganzen Strapazen und von seinen Verletzungen erholen. Naja, er hätte ja auch im Bett liegen bleiben können, wenn man es so recht bedachte. Doch die Geburt von Rumikos Kindern wollte er nicht verpassen, denn immerhin wurde er Onkel, auch wenn Rumiko ja streng genommen nur seine Adoptivschwester war. Aber um nichts in der Welt wollte er die Geburt der Zwillinge verpassen und er hoffte nur, dass Jamie wenigstens die Nerven behielt. Wenn der schon so heftig am Telefon stotterte, dass Hester für ihn anrufen musste, dann war er mit Sicherheit furchtbar aufgeregt. Na, eigentlich auch kein Wunder. Immerhin wurde er Vater! Unglaublich, dass ausgerechnet Jamie Vater wird, dachte Beyond und musste lächeln, als er daran dachte, wie unglaublich stolz sein Sandkastenfreund gewesen war, als er Rumiko geheiratet hatte. Und dabei hat sein Vater damals zu ihm gesagt gehabt, er wäre einfach zu dumm, um selbst die einfachsten Sachen zu machen. Aber im Grunde genommen hat er alles richtig gemacht. Er hat trotz seiner geistigen Beschränkung einen Job, eine wunderbare Frau und er wurde jetzt Vater. Und mit Sicherheit würde er ein großartiger Vater sein. Auch wenn er wie ein erwachsenes Kind war, konnte man ihm vertrauen, dass er es schaffen würde und Rumiko war ja auch bei ihm. Es würde schon alles gut werden. Denn Frederica hatte ja gesagt, dass die Zeitschleife beendet werden würde, wenn sie alle gerettet waren. Also war es doch anzunehmen, dass es keine Probleme geben würde. Und so leicht würde sich Rumiko auch nicht unterkriegen lassen. Sie war eine wahre Kämpfernatur. Wäre doch gelacht, wenn sie sich von so einer Kleinigkeit in die Knie zwingen ließ. Blieb nur zu hoffen, dass es keine Komplikationen bei der Geburt gab. Man hörte ja manchmal von Geschichten, wo es dann dramatisch wurde, weil sich die Nabelschnur um den Hals des Kindes gewickelt hatte oder weil es dann der werdenden Mutter plötzlich schlechter ging. Aber selbst wenn so etwas passieren würde, es gab genügend Ärzte und würden schon wissen, was zu tun war, wenn es dazu kommen sollte.
 

Nach knapp einer Viertelstunde Fahrt hatten sie das Krankenhaus erreicht und gingen direkt zur Entbindungsstation, wo Hester sie schon erwartete. Sie wirkte ein klein wenig blass, schien aber ansonsten noch fit zu sein. Aber der Energy Drink in ihrer Hand war eigentlich schon das allererste Anzeichen dafür, dass sie schon eine lange Zeit auf den Beinen war. Als sie die Ankömmlinge sah, hob sie erstaunt die Augenbrauen und bemerkte „Meine Güte, ihr seht ja verschlafen aus…“ „Schon mal auf die Uhr geguckt?“ murmelte Beyond, der immer noch gewisse Schwierigkeiten hatte, die Augen offen zu halten, kratzte sich am Kopf und blickte sie etwas griesgrämig an. Die soll sich mal ihre Kommentare sonst wohin stecken, dachte er sich und schwieg. Wenn es nicht um Rumiko gehen würde, dann würde ich mich sofort wieder ins Bett legen.

„Ja hab ich und ich bin schon seit 24 Stunden im Dienst und beschwer mich nicht, mein lieber Beyond. Jamie ist noch bei seiner Frau und die Ärzte kümmern sich um alles Weitere. Es geht ihr soweit ganz gut, sie hält sich ziemlich wacker.“ Doch ihr Gesichtsausdruck ließ anderes erahnen und so steckte Beyond die Hände in die Hosentaschen und sah sie forschend an. „Sei ehrlich…“ Die Ärztin räusperte sich und ergänzte „Sie schreit gerade das ganze Zimmer zusammen und fragte lauthals, wie man zum Henker eine Wassermelone durch eine zitronengroße Öffnung pressen soll. Dann hat sie noch ein paar Worte auf Japanisch geschrieen und sagte wortwörtlich „Wenn ich ein Kerl wäre, dann hätte ich jetzt dieses Scheißproblem nicht. Was denkt sich die Evolution bei so einer Scheiße?““ Ja, dachte sich Beyond, als er das hörte. Das klang schon eher nach Rumiko. Sie war eben ziemlich temperamentvoll, da passten solche Sprüche deutlich mehr zu ihr. Da es noch etwas dauerte, holten sie sich noch alle einen Kaffee und warteten. Knapp eine Stunde warteten sie in der sich nicht viel tat, bis es schließlich hieß, Rumiko dürfe jetzt Besuch empfangen. Beyond ging voran und betrat das Zimmer, wo die erschöpfte, aber dennoch glücklich lächelnde Rumiko im Bett lag. Jamie stand neben ihrem Bett, mit Tränen in den Augen, während er einen der Zwillinge im Arm hielt und sein Glück noch gar nicht fassen konnte. „Rumiko“. Beyond ging zu ihr hin und sah dieses kleine Wesen in ihrem Arm, welches gerade eben erst das Licht der Welt erblickt hatte. „Guck mal Faith, das ist dein Onkel.“ Blind streckte der Kleine seine Hand aus und gähnte leise. Und dann umschloss sein winziges Händchen Beyonds Finger. „Er ist so klein…“, murmelte der Serienmörder und konnte nicht glauben, wie winzig dieses kleine Händchen war, welches allerhöchstens seinen Zeigefinger umschließen konnte. Er hatte nie einen großen Wert auf das Leben anderer Menschen gelegt und sich nie sonderlich um sie gekümmert. Aber jetzt dieses kleine, zerbrechliche Leben vor sich zu sehen und zu spüren, wie es sich an ihn klammerte, ließ Gefühle in ihn wach werden, die er wahrscheinlich noch nie gehabt hatte. Faith… Rumikos Sohn und sein Neffe.

Nun kam L hinzu, um sich das ebenfalls anzusehen und sogleich kam Jamie auf ihn zu und gab ihm das andere Kind, damit er es halten konnte. „Das ist Eden. Wir haben uns für sie einen neuen Namen ausgesucht, weil er schöner klingt und zu Faith passt.“ Zuerst zögerte L noch, denn er fühlte sich nicht ganz wohl dabei, so ein kleines Baby im Arm zu halten. Er hatte ein klein wenig Angst davor, denn er hatte noch nie ein Baby gehalten und wusste, wie vorsichtig man sein musste. Doch als er es so hielt, da war diese Angst verschwunden und er konnte nicht glauben, dass er gerade tatsächlich ein Neugeborenes in den Armen hielt. Er sah das kleine Gesichtchen, die noch zugekniffenen Augen und die kleinen Ärmchen. So habe ich also auch ausgesehen, als ich geboren wurde. So klein und zerbrechlich… und genauso hat mich Mum damals in den Armen gehalten. Und mit Sicherheit hat sie auch so vor Freude geweint. Beyond sah sich nun auch seine kleine Nichte an und fragte schließlich „Aber wie kann es sein, dass wir Junge und Mädchen haben, wenn die beiden doch eineiige Zwillinge sind?“

„Das kommt vor, allerdings extrem selten“, erklärte Andrew, der in Genetik besser aufgepasst hatte als Beyond. „Wenn bei einer unvollständigen Zellteilung das Y-Chromosom verloren geht und damit nur die X-Chromosomen bleiben, wird es ein Mädchen.“

„Ganz richtig. Und der kleine Faith konnte unmöglich warten und wollte sofort als Erstes Hallo sagen.“

„Und wie geht es dir?“ Rumiko seufzte und versuchte ein wenig, ihr langes goldblondes Haar irgendwie halbwegs zu richten, aber da war nicht mehr viel zu retten. Die Frisur war endgültig hin und da ließ sich auch nicht mehr viel schönreden. Und sie sah auch so aus, als hätte sie nicht genug geschlafen. Ihre Nacht war sicherlich auch viel zu kurz gewesen. „Ich bin noch ziemlich müde und die Geburt hat mich echt ganz schön geschlaucht, aber ich bin so froh, dass die beiden endlich da sind. Irgendwie habe ich das Gefühl, als hätten sie gespürt, dass ich noch warten wollte, bis wir alle wieder zusammen sind und es Beyond wieder besser geht. Wer weiß, Babys kriegen ja mehr mit, als man selbst zu ahnen glaubt und eigentlich wäre der Geburtstermin schon letzte Woche gewesen. Aber da hat er ja noch im Koma gelegen und ich wollte nicht, dass er diesen Moment verpasst. Immerhin gehört er genauso zur Familie dazu wie ihr. Und jetzt sind wir alle hier… eine große Familie…“ Rumiko brach in Tränen aus und strich ihrem Sohn zärtlich über sein kleines Köpfchen. „Ich bin so froh, dass wir hier alle zusammen sind. Mein Bruder ist nicht mehr einsam und hat einen wunderbaren Menschen an seiner Seite und selbst Andrew hat sein Glück gefunden. Jamie und ich haben geheiratet und wir sind endlich Eltern geworden. Ich bin jetzt Mutter!“ Obwohl Beyond ja für gewöhnlich nicht so der Emotionale war, war er doch sehr ergriffen von diesen unglaublich starken Gefühlen, die diesen Raum erfüllten und den anderen erging es ganz genauso. Auch Andrew und Oliver durften die kleine Eden mal halten, bis Jamie sie wieder an sich nahm. Die Trauer über Fredericas Tod war für diesen Moment vergessen. Die Geburt von Eden und Faith ließ sie all diese schlimmen Dinge vergessen und mit einem Male herrschte eine so gelöste Stimmung, als wäre nun endlich der Augenblick gekommen, wo all der Stress und die Ängste von ihnen abfielen. Sie waren alle so froh, dass es sich zum Guten gewendet hatte und dass trotz der ganzen Probleme und Gefahren Faith und Eden ohne Komplikationen zur Welt gekommen und auch gesund und munter waren. Und auch Rumiko ging es gut. Diese seufzte schließlich und lehnte sich zufrieden zurück. „Endlich ist der ganze Terz vorbei. Keine Gefühlsschwankungen mehr, keine Fressattacken und keine Morgenübelkeit mehr. Und ich sehe jetzt zum Glück auch nicht mehr aus, als hätte man mich mit einer Luftpumpe aufgeblasen. Wir alle sind gesund und wohlauf und das haben wir Frederica, Eva und auch Jeremiel zu verdanken. Und wisst ihr was? Jetzt, da die beiden jetzt da sind, kann ich ja endlich damit anfangen, euch bei eurer Hochzeitsplanung zu helfen, ihr beiden. Ich hab es versprochen und Mama Ruby hält ihre Versprechen.“ Oliver und Andrew sahen sich überrascht an und schienen bei der ganzen Aufregung um Beyond völlig vergessen zu haben, weshalb sie in erster Linie nach Boston zurückgekehrt waren. Ja stimmt doch, dachte Beyond und erinnerte sich wieder. Andy und Oliver wollten doch heiraten, wenn das mit Sam nicht dazwischengekommen wäre. „Im Ernst? Denkst du nicht, es wäre besser, wenn wir noch warten?“

„Ich habe eine Kollegin, die für den einen Tag sicherlich auf die beiden aufpassen würde. Für jedes Problem gibt es eine Lösung und wenn ich etwas verdammt noch mal will, dann ist das eine richtig schöne Hochzeit unter Männern!“ Eine andere Antwort hätte man von der berühmten Mama Ruby auch nicht erwarten können. Wenn sie für etwas Feuer und Flamme war, dann für schwule Beziehungen und keiner kannte eine Frau, die sich mehr für so etwas engagierte als sie. Sie war ja schon quasi eine weibliche Botschafterin für Schwule und sie konnte es natürlich kaum erwarten, auch Andrew und Oliver bei ihrer Hochzeit zu unterstützen. Vor allem, weil sie jetzt auch Oliver ins Herz geschlossen hatte, nachdem sie erfahren hatte, was für ein großes Herz er wirklich besaß. Sie lachten schließlich alle und Andrew nahm nach einer Weile Olivers Hand und legte den Kopf auf seine Schulter ab. „Ja, das wird noch richtig schön werden. Und dann sehen wir zu, dass wir Beyond und L auch noch unter die Haube kriegen.“ Als die beiden das hörten, sahen sie Andrew entgeistert an und entgegneten einstimmig „Schlag dir das mal aus dem Kopf, du Knalltüte!“ Rumiko lachte und klopfte Beyond auf die Schulter. „Ich glaube, ihr beide seid für so etwas nicht geschaffen. Aber das ist ja nicht schlimm. Heutzutage gibt es genug unverheiratete Paare und man muss ja nicht unbedingt heiraten. Ich finde es ja schon romantisch genug, dass ausgerechnet zwei Erzfeinde sich ineinander verlieben. Tja, jetzt muss ich nur gucken, wie ich das die nächste Zeit unter einem Hut kriege… die Babys und meine Mangas. Aber ich bin ja zum Glück nicht alleine und ich krieg das schon ganz gut hin.“

„Dir ist aber schon klar, dass da noch viele schlaflose Nächte auf euch beide zukommen werden, oder?“

„Ich weiß, aber Jamie und ich haben uns ganz gut organisiert. Und ich hab ja gewusst, worauf ich mich da einlasse. Auch wenn die Schwangerschaft eigentlich nicht so ganz geplant war. Ich bin ja auch mal gespannt, ob dieser Aberglaube wirklich stimmt, dass die Intelligenz von Babys frühzeitig gefördert wird, wenn sie während der Schwangerschaft klassische Musik zu hören bekommen. Ich hab denen alles von Beethoven bis Tschaikowski heruntergeleiert, bis ich selbst noch einen Kulturschock gekriegt habe und mir fast schon die Ohren geblutet hätten. Aber selbst wenn die beiden eher den Intelligenzlevel von Jamie haben werden, ist das nicht schlimm. Die Hauptsache ist, dass sie gesund sind.“

„Ja, da hast du vollkommen Recht. Und ich habe auch viel geschafft, obwohl ich nicht so schlau bin wie ihr alle. Und ihr behandelt mich auch nicht wie einen Dummen, nur weil ich etwas langsamer bin.“

„Würden wir ja auch nie tun“, erklärte Oliver und gab ihm einen freundschaftlichen Stoß in die Seite. „Im Grunde bist du hier doch der größte Glückspilz von uns allen. Du hast eine tolle Frau und jetzt auch noch zwei Kinder. Du kannst wirklich stolz auf dich sein.“

„Das bin ich!“ Jamie strahlte übers ganze Gesicht und hatte immer noch Tränen in den Augen. Überglücklich betrachtete er seine kleine Tochter und schwieg. Er schien über etwas nachzudenken und etwas Melancholisches lag plötzlich in seinen Augen. „Ich wünschte, meine Mama wäre hier und könnte das jetzt sehen. Und ich frage mich, ob mein Papa immer noch sagen würde, dass ich unfähig bin, wenn er die beiden sieht. Er hat gesagt, dass mich keiner lieb haben wird so wie Ruby, weil ich einfach zu dumm bin und keiner dumme Menschen mag. Aber… ich glaube, dass man auch als dummer Mensch jemanden finden kann, der einen lieb hat. Das hat doch bei Sam auch geklappt.“

„Er spricht auf den Film „Ich bin Sam“ an“, erklärte Rumiko, um Missverständnisse vorzubeugen. Jamie nickte und erzählte „Sam war sogar noch weniger schlau als ich und war ganz alleine. Er hat es dank einer Anwältin geschafft, seine Tochter zu behalten und ich denke, ich kann das auch schaffen. Denn Ruby ist an meiner Seite und ich habe ganz tolle Freunde, die mir helfen.“ Jamie muss man einfach lieben, dachte Beyond und legte einen Arm um seinen Sandkastenfreund, der sowohl im Geiste als auch im Herzen ein unschuldiges Kind war, das keinen bösen Gedanken fassen konnte. „Und wisst ihr“, sagte Rumiko schließlich nach einer Weile. „Selbst wenn mir etwas passieren sollte, weiß ich wenigstens, dass die beiden gut aufgehoben sind. Und mit dem Vermögen der Karasumas müsste Jamie sich auch keine finanziellen Sorgen machen.“

„Jetzt hör aber auf“, warf L ein. „Du hast gerade zwei Kinder zur Welt gebracht und sprichst schon davon was sein wird, wenn du sterben solltest. Niemand stirbt hier so schnell, okay?“ Rumiko lächelte und nickte. „Ja stimmt. Darum sollte ich mir wirklich als letztes Gedanken machen. Es ist nur so, dass ich wegen meines Shinigami-Augenlichts einfach nicht weiß, wie lange ich lebe. Dass Jamie uns noch lange erhalten bleiben wird, das sehe ich ja und das Gleiche gilt auch für euch. Nun gut, bei Beyond sehe ich auch nichts, aber ich gehe einfach mal davon aus. Aber ich habe ja auch nicht erkennen können, dass seine Lebenszeit abgelaufen war und ich habe deshalb Angst, dass ich vielleicht meine Kinder nicht aufwachsen sehen werde und Jamie dann ganz alleine da steht.“

„Das wird nicht passieren“, erklärte L und schien felsenfest überzeugt zu sein. „Frederica sagte uns, dass sie die Familie beschützt und dasselbe wird auch Eva tun. Dessen bin ich mir sicher und selbst wenn es dazu kommen sollte, Frederica hat uns die Möglichkeit der elektrischen Gedankenschaltkreise gegeben. Sie waren dazu da, um Beyond und Andrew zu retten, weil sie ihren Tod nicht verhindern konnte. Also reden wir doch nicht weiter über den Tod, wenn hier gerade zwei Kinder zur Welt gekommen sind.“ Damit hatte L sein Machtwort gesprochen und damit war dieses Thema auch beendet. Sie unterhielten sich noch ausgelassen miteinander, doch Beyond schwieg plötzlich und blickte zur Tür. Irgendwie hatte er das komische Gefühl, dass sie beobachtet wurden…
 

Die Krankenschwester Tabitha kam gerade aus dem Schwesternzimmer und wollte eigentlich gerade in Richtung der Aufzüge gehen und ins Erdgeschoss fahren, da kam sie an dem Zimmer vorbei, wo Rumiko Miller lag. Gleich schon von weitem sah sie eine Person da stehen, die durch die Tür lugte. „Kann ich Ihnen helfen?“ fragte sie und kam näher. Die Person, eine schlanke etwas blass wirkende schöne Frau mit fast weißen langen Haaren und kristallblauen Augen wandte sich ihr zu und sah sie an. Sie wirkte ein klein wenig fremd, als wäre sie nicht von dieser Welt. Und ihre Haut wirkte wie weißer Marmor. Die Frau lächelte und hatte eine eigenartige Ausstrahlung an sich. „Ich wollte nur bei meiner Familie nach dem Rechten sehen, das ist alles.“

„Wollen Sie nicht reingehen?“

„Nein, schon gut. Ich habe sowieso noch einiges zu tun. Es gibt da noch jemanden, um den ich mich noch kümmern muss.“ Und damit ging diese fremdartige schöne Frau und Tabitha sah ihr noch hinterher. Irgendwie war ihr gerade so, als hätte sie eine Art Erscheinung gehabt. Schon verrückt… Wer war diese Frau nur? Kurz darauf öffnete sich die Tür und ein schwarzhaariger Mann mit unheimlichen roten Augen kam heraus und sah sich um. Er wandte sich der Krankenschwester zu und fragte „Haben Sie jemanden hier weggehen sehen?“ „Ja“, antwortete Tabitha ein wenig überrascht. „Eine Frau war gerade hier und sagte, sie wollte bei ihrer Familie vorbeischauen.“

„Wohin ist sie gegangen?“ Tabitha zeigte ihm die Richtung und sofort lief er los.
 

Beyond durchsuchte das ganze Krankenhaus in der Hoffnung, diese Frau zu finden, die da an der Tür gestanden hatte. Aber egal wo er auch suchte, sie schien spurlos verschwunden zu sein. Aber das konnte doch nicht sein. Wo konnte sie denn nur hingegangen sein? Schließlich verließ er das Krankenhaus und lief auf den Parkplatz. Dort sah er eine weißhaarige Frau zu einer schwarzen Limousine gehen. Sie hatte ihm den Rücken zugewandt, sodass er sie nicht sehen konnte. Doch dann blieb sie stehen, wandte sich zu ihm um und als er den goldenen Ring in der Iris ihres linken Auges sah, da erkannte er, wen er da vor sich stehen hatte. Die Frau lächelte herzlich und sagte „Pass gut auf die anderen auf.“ Dann stieg sie in die Limousine und fuhr davon. Beyond blieb noch eine Weile stehen, dann kehrte er wieder zurück. Als die anderen ihn verwundert fragten, wo er denn gewesen war, da antwortete er nur „Ich habe nur eine gute Freundin getroffen.“

Eine weitere Kindheitserinnerung

Nun kam es eines Tages, dass Nastasja und Henry den ganzen Tag im Labor beschäftigt waren und keine Zeit hatten, zuhause zu übernachten. Deshalb blieb Frederica bei L und verbrachte die Zeit mit ihm. Trotzdem war er unglücklich und vermisste seine Eltern schrecklich und saß dann meist am Fenster und schaute auf die Straße in der Hoffnung, dass seine Eltern bald zurückkommen würden. Aber egal wie lange er auch wartete, sie kamen und kamen einfach nicht und er hatte Angst, dass sie vielleicht gar nicht mehr zurückkommen würden. Was, wenn er dann ganz alleine war? Dieser Gedanke war einfach zu traurig und er wollte nicht daran denken. Er war unglücklich und fragte sich, wie lange seine Eltern wohl wegbleiben würden. Den ganzen Tag? Tagelang? Wochen? Irgendwie kam es ihm wie eine Ewigkeit vor, dass seine Eltern zum Institut gefahren waren. Die Tür öffnete sich und Frederica kam mit einer Tasse heißen Kakao herein und setzte sich zu ihm. Sie trug heute ihr Lieblingskleid. Das fliederfarbene mit den Schleifen, aber ihr Haar trug sie wie immer offen. Sie mochte es nicht, wenn man ihr Haar berührte. Liebevoll strich sie über seinen Kopf und sah, dass ihn etwas bedrückte. „Warum sitzt du denn am Fenster?“ Er senkte unglücklich den Blick und antwortete „Na weil ich warten will, bis Mama und Papa zurück sind.“ Frederica wusste, dass er oft am Fenster auf seine Eltern wartete. Es war auch wirklich hart für ihn und seine Eltern, dass sie so oft weg waren und manchmal nicht viel Zeit hatten, sich um ihn zu kümmern. Aber da ließ sich leider nicht viel ändern, denn die Gedankenschaltkreisforschung war sehr zeitaufwendig und vor allem äußerst wichtig. Aber das konnte sie ihm nicht sagen. Zumindest noch nicht. „Ach L, du weißt doch, dass sie viel zu tun haben. Aber sie kommen wieder, mach dir da keine Sorgen. Und solange bin ich doch als deine große Schwester da! Wenn du willst, können wir zusammen spielen.“ Doch er hatte keine Lust dazu und wollte lieber warten. „Es ist so einsam ohne sie.“ „Das kommt, weil du dich ohne sie leer fühlst, nicht wahr?“ Er dachte kurz nach und nickte. Frederica reichte dem 4-jährigen seine Tasse und streichelte ihm liebevoll durchs Haar. „Die Leere ist wirklich kein schönes Gefühl, das stimmt. Aber weißt du, da fällt mir eine Geschichte ein, als Eva die Leere erschuf und wie diese Leere fortging, um einen Inhalt für sich selbst zu finden.“ Als L das hörte, wurde er neugierig und mit großen Augen sah er das Albinomädchen an. „Erzählst du mir die Geschichte?“ „Klar doch.“ Und so setzte sich Frederica wie schon so oft auf den Stuhl und L auf ihren Schoß, so wie sie es immer tat, wenn sie ihm eine Geschichte erzählte. Und dann hörte L zum ersten Mal die Geschichte davon, wie Eva die Leere erschuf und ihr einen Inhalt gab.
 

„Eines kam es, dass ein neues Mitglied zu Evas Familie dazu kam. Es war etwas, das sie noch nie zuvor gesehen hatten und was sie nicht einzuordnen wussten. Sie war so anders als der Zorn, die Liebe und Gutmütigkeit und hatte auch nichts mit der Furcht oder mit der Gelassenheit gemeinsam. Es war niemand anderes als die Leere. Die Leere war ihnen fremd und niemand konnte mit ihr etwas anfangen. Weder der Beschützer, noch die Furcht, geschweige denn die Liebe oder der Zorn. Die Leere besaß nichts, weder Angst noch Liebe, oder irgendein anderes Gefühl. Sie war präsent und doch war sie nichts. Die Liebe versuchte zwar, die Leere mit ihrer Liebe zu füllen, doch es änderte sich nichts. Die Leere hatte immer noch nichts, denn sie konnte mit der Liebe nichts anfangen und somit auch keine Liebe zurückgeben. Und die Gutmütigkeit verstand nicht, was die Leere brauchte und ihre Hilfsbereitschaft blieb unerwidert, da die Leere die Gutmütigkeit nicht verstehen konnte. Hierauf versuchte die Furcht nach einigem Zögern, sich mit der Leere anzufreunden und herauszufinden, wonach die Leere denn strebte. Doch die Leere sagte nur „Ich will etwas, das mich ausfüllt!“ Also suchten sie nach etwas, was diese Leere füllen konnte. Doch weder Furcht, noch Gelassenheit, Gutmütigkeit oder Liebe vermochten der Leere einen Inhalt zu geben. So versuchte der Zorn sein Glück und wollte die Leere herausfordern und in ihr Wut und Hass wecken. Er dachte nämlich, dass vielleicht negative Gefühle etwas bewirken können, wenn es die guten schon nicht vermögen. Aber auch hier blieb die Leere unberührt und konnte keine angemessene Reaktion auf den Zorn geben. Denn sie verstand den Zorn einfach nicht und der Zorn wurde ratlos. Weder gute noch schlechte Gefühle vermochten der Leere irgendetwas zu entlocken oder ihr einen Inhalt zu geben. Und der Beschützer traute der Leere nicht. Sie war ihm unheimlich und er wusste sie nicht einzuordnen. Denn sie war weder gut noch böse. Auch zeigte sie niemals Freude oder Trauer und fühlte auch nichts, außer der Leere. Keiner vermochte der Leere einen Inhalt zu geben und da auch niemand die Leere verstehen konnte, distanzierten sie sich von ihr. So war die Leere einsam und unverstanden. Sie war nicht glücklich darüber, aber traurig war sie auch nicht. Da sie keinen Inhalt hatte, verstand sie auch nicht, warum die anderen sich von ihr abwandten und doch begann sie zu erkennen, dass etwas an ihr anders war. Doch was war es denn, was sie von den anderen unterschied? Was machte die Leere denn so anders, dass niemand mit ihr etwas anfangen konnte und wollte? Die guten Gefühle hatten ihr Bestes gegeben und waren genauso gescheitert wie der Zorn, der ja selber anders war und seine Schwierigkeiten haben konnte. Insgeheim hatte die Leere sogar gehofft, der Zorn könnte stark genug sein, um ihr einen Inhalt zu geben. Aber selbst er vermochte rein gar nichts auszurichten. Aber wie nur konnte die Leere gefüllt werden, damit sie nicht mehr so leer war? Sie wollte es herausfinden und ging daraufhin fort. Die Leere ging weit weg, ohne ein Wort zu sagen und wollte herausfinden, warum sie anders war und wie sie denn gefüllt werden konnte. Zwar war sie nicht traurig darüber, dass sie leer war, aber glücklich war sie auch nicht und von dem Wunsch angetrieben, nach einem Inhalt für ihr Innerstes zu suchen, wollte sie nichts unversucht lassen. Sie war sich sicher, dass es eine Möglichkeit geben musste, um nicht mehr leer zu sein. Und wenn sie an die entferntesten Winkel der Welt reisen musste, um die Antwort zu finden. Also ging sie an ferne Orte, entdeckte und erlebte vieles und traf auf unzählige Menschen und Tiere. Von ihnen erhoffte sich die Leere, dass diese ihr eine Antwort geben könnten auf die Frage, was ihr leeres Innerstes zu füllen vermochte. Nichts wollte die Leere mehr, als nicht mehr leer zu sein. Es war unerträglich und sie wollte nicht eher ruhen, bis sie sich ihren Wunsch erfüllt hatte. Doch egal wohin sie auch ging, welche Menschen und Tiere sie auch traf, sie blieb dennoch leer und wusste nicht weiter. Sie war noch nicht mal fähig dazu, Verzweiflung zu empfinden und sie wünschte sich so sehr, sie könnte es. Denn dann könnte dieses leere Herz wenigstens etwas fühlen. Schließlich, als sie eine sehr lange Zeit umhergewandert war und vieles gesehen und erlebt hatte, ließ sie sich an einen Ort nieder, wo sie ganz alleine war. Sie war ratlos und wusste nicht, warum sie existierte. „Warum“, fragte sie sich und verstand es nicht. „Warum existiere ich denn überhaupt? Keiner kann etwas mit mir anfangen und niemand will mich haben. Sie alle haben etwas und deshalb bin ich nicht erwünscht. Ich gehöre nicht in diese Welt, ich gehöre nirgendwo dazu und keiner versteht mich. Und ich verstehe die anderen nicht, weil sie etwas haben, was ich nicht besitze. Also dürfte ich doch eigentlich nicht existieren. Ich bin nichts, rein gar nichts. Darum bin ich auch nichts wert für die anderen. Niemand will leer sein, nicht mal ich selber. Also wäre es das einzig Sinnvolle, wenn ich verschwinde.“ Die Leere blieb lange alleine, sehr lange Zeit und wurde von der ganzen Welt vergessen. Zumindest glaubte sie das. Denn eines Tages, als sie dachte, es würde sich niemand mehr an sie erinnern, da erschien ihr plötzlich Eva. Die Leere verstand das nicht und fragte „Warum bist du hier?“ „Ich habe überall nach dir gesucht“, antwortete sie und gesellte sich zu der Leere dazu. Doch diese verstand es immer noch nicht, denn sie konnte ja keine Gefühle verstehen und deshalb fragte sie „Wieso bist du nicht bei deiner Familie?“

„Na weil du auch meine Familie bist.“ Sie schloss die Leere in ihre Arme und war so froh, sie gefunden zu haben. Doch die Leere konnte diese Geste nicht erwidern, weil sie nichts fühlte. Sie wollte es gerne, aber sie konnte es nicht. Und das verschlimmerte ihre Misere nur. „Wieso existiere ich überhaupt?“ fragte die Leere schließlich. „Ich bin nichts, war nichts und werde auch nie etwas sein. Nichts vermag mein Herz zu füllen, weil ich keines besitze. Die Menschen und Tiere gehen mir aus dem Weg, weil sie mich nicht leiden können und Angst vor mir haben. Sie wollen nichts mit mir zu tun haben, weil ich ihnen fremd bin. Und was ihnen fremd ist, stoßen sie von sich. Ebenso stoße ich alles von mir, weil mir alles hier so fremd ist und ich es nicht verstehen kann. Wieso existiere ich überhaupt, wenn ich doch nichts bin?“

„Weil alles ein Gegengewicht hat. Wo Licht ist, da ist auch Schatten. Und wo Inhalt ist, da wird es auch immer Leere geben. Und so wie die Furcht, die Liebe und die Gutmütigkeit, die Gelassenheit, der Zorn und der Beschützer ein Teil von mir sind, so bist auch du ein Teil davon. Und deshalb liebe ich dich nicht weniger als die anderen.“ Damit brachte Eva die Leere wieder nach Hause, doch die anderen waren nicht sehr erfreut darüber. Immer noch war die Leere ihnen unheimlich und sie konnten sie nicht verstehen. Auch die Leere konnte nicht erkennen, was es denn ändern sollte, wenn sie wieder zu ihrer Familie zurückkehrte, wenn es doch immer noch so bleiben würde wie zuvor. Schließlich sagte der Beschützer „Die Leere gehört nirgends dazu und wird immer einsam sein. Sie wird niemals einen Freund haben, weil niemand auf der Welt leer sein will. Und wer sie hat, der wird ins Unglück stürzen und dieses Dasein wieder aufgeben wollen. Eben weil niemand diese Leere will, wird auch niemand sie lieben können.“ Doch Eva lächelte nur und erklärte „Eben weil die Leere niemanden hat und nichts besitzt, werde ich ihr meine größte Liebe zuteil werden lassen. Es stimmt schon, dass die Leere niemals gänzlich schwinden wird. Genauso wie auch niemals der Zorn oder die Furcht, geschweige denn die Gelassenheit, die Gutmütigkeit und die Liebe für immer aus dieser Welt verschwinden werden. Aber Kummer kann gelindert werden, wenn man ihn teilt. Glück kann man teilen, genauso wie Liebe. Und wenn man sein Herz teilt, dann kann man auch die Leere damit füllen. Deshalb werde mein Herz mit der Leere teilen und ihr damit einen Inhalt geben.“ der Beschützer wollte sie davon abhalten. „Wenn du das tust, wirst du nicht mehr dieselbe sein. Du wirst die Hälfte deines Herzens verlieren, das kannst du nicht wollen.“ Aber Eva hatte ihre Entscheidung getroffen und sagte „Doch, ich will das. Die Leere wird niemals gefüllt werden, wenn niemand bereit ist, sein Herz mit ihr zu teilen. Und da die Leere ein Teil von mir ist, will ich ihr helfen und ihr einen Teil meines Herzens geben. Denn nur so wird die Leere nicht mehr ganz so leer sein und fähig sein, andere zu verstehen und selbst verstanden zu werden. Ich möchte der Leere ihren größten Wunsch erfüllen und ihr Gefühle geben. Sie soll Freude und Leid empfinden, genauso wie ich und alle anderen Lebewesen auf dieser Welt. Mein Wunsch ist es, dass die Leere nicht mehr einsam ist und dass sie genauso glücklich werden kann wie ich und der Rest meiner Familie. Und wenn ich mein Herz teile, wird es dadurch nicht kleiner, sondern nur größer und stärker. Denn nichts ist wunderbarer, als sein Herz mit jemandem zu teilen.“ Und so teilte Eva ihr Herz mit der Leere. Dadurch nahm auch sie einen Teil dieser Leere an, doch da sowohl sie als auch die Leere dennoch etwas besaßen, spürten sie diese Leere gar nicht mehr. Denn das Glück darüber, dass sie gemeinsam ein Herz teilten, war viel zu stark dafür. Und als Eva einen Teil ihres Herzens verschenkte, da empfand die Leere, die nun keine ganze mehr war, unendliches Glück und brach vor Freude in Tränen aus. Und auch Eva weinte, als sie die Leere so glücklich sah und schloss sie in den Arm. „Du warst immer ein Teil dieser Familie, aber nun gehörst du von ganzem Herzen mit dazu. Nun wirst du auch nie wieder einsam sein müssen oder dich unverstanden fühlen. Denn da du jetzt ein Herz hast, wird dich niemand mehr meiden, weil du ihm fremd bist. Jetzt besitzt du einen Teil davon und brauchst dich nie wieder unerwünscht und wertlos fühlen. Denn das bist du nicht und du warst es auch nie. Alles in dieser Welt ist wichtig und wertvoll. Auch der Zorn und die Leere. Man muss nur wissen, wie man den Zorn besänftigen und die Leere füllen kann.“ Und so wurde die Leere zu einem festen Teil der Familie. Und alle akzeptierten sie, weil sie sie endlich verstehen konnten.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Wer sich das hier genau durchliest und eins und eins zusammenzählen kann, der wird schnell merken, dass Fredericas Geschichte einige Parallelen zu den bisherigen Geschehnissen in Last Desire 1 aufweist! Und wer richtig schlau ist, kann ja schon mal anfangen zu kombinieren. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
So, Praxisschulung ist vorbei und ich kann mich jetzt endlich wieder um Teil 6 kümmern. Und während meines Aufenthalts in Hannover sind mir sogar noch mehr Ideen eingefallen, weshalb es vielleicht sein könnte, dass Teil 6 nicht der letzte Teil bleiben könnte! Aber versprechen kann ich noch nichts. Ich guck erst einmal, wie sich Teil 6 entwickelt. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
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Für weitere Informationen bitte lesen!

Ach Mensch, jetzt ist Teil 6 auch schon durch und alles ging so schnell. Zugegeben, in den letzten beiden Teilen sind die Liebesszenen mit L und Beyond zu kurz gekommen, aber die Story musste auch mal langsam vorangehen. Also bitte reißt mir nicht den Kopf ab! Dafür gab es genug Emotionen in den letzten beiden Teilen. Es gab Action, Humor, Tiefenpsychologie, große Emotionen und natürlich ein Happy End. Nun gut, nicht für alle gab es ein richtiges Happy End. Frederica ist tot und für immer fort, daran ist leider nichts zu ändern. Aber dafür hat Rumiko zwei gesunde Kinder zur Welt gebracht, Clear ist weg vom Fenster und Dr. Brown hat auch das bekommen, was er verdient hat. Ich hoffe, ich hab damit die kleinen Mordgedanken meiner treuen Leserin San-Jul, die sie in ihrer ENS angedeutet hat, vollends befriedigt. Große Folterszenen mit ihm hätten ja nicht so wirklich hineingepasst und außerdem hatten Beyond und Frederica sowieso keine Zeit dafür gehabt. Sonst hätten sie die Zeitschleife ja nicht beenden können und dann hätte sich die ganze Scheiße noch mal wiederholt.

Nun habe ich aber folgendes Dilemma gehabt: ich war letzte Woche zur Praxisschulung in Großburgwedel gewesen und hatte während der Abende ohne Fernseher und Handyempfang genügend Zeit gehabt, um mir neue Ideen einfallen zu lassen. Meine Matt x Mello FF hab ich ja noch nicht gänzlich verworfen, aber ich hatte da noch einige Ideen für Last Desire. Für Teil 6 war ja schon alles fertig geplant, aber es gab da einen Haken: WAS ZUM HENKER PASSIERT MIT JEREMIEL?! Tja… die Tatsache ist ja, dass Sam Leens tot ist. Der gute Doktor hat ihn abgeknallt und er wusste selbst, dass er sich bald die Radieschen von unten ansehen wird. Nun ja, aber da ist ja noch sein wahres Ich Jeremiel und zuerst hatte ich geplant, einen einfachen Spin-Off mit einer Alternativzukunft zu schreiben, in der Jeremiel ganz normal aufgewachsen ist und seinem Bruder helfend zur Seite steht. Und dann dachte ich mir: das hat doch irgendwie Potential. Solange die Ideen noch gut sind, kann Last Desire meinen lieben Lesern ja nicht so schnell zum Hals raushängen (zumindest hoffe ich das). Und solange habe ich ja noch Spaß am Schreiben. Ja ich weiß, ich habe nur sechs Teile angekündigt. Wem das nicht passt, der kann sich gerne bei mir beschweren. Ich bin eben für geplante Spontanität, deshalb muss man bei mir immer damit rechnen, dass ich etwas Unberechenbares tue (Jetzt kling ich schon wie Oliver xD).

Jedenfalls hab ich beschlossen, erst einmal die Last Desire Reihe weiterzuführen, da ja noch ein Mitglied in Evas Familie fehlt und das ist die Leere alias Sam Leens alias Jeremiel Lawliet. Es würde einfach nicht zu Evas Charakter passen, wenn sie ihn einfach vergessen würde, nachdem er Beyond geholfen hat und ja auch zur Familie dazugehört. Also kann ich schon mal zwei (eventuell drei) weitere Teile versprechen. Für diejenigen, die sich extra noch die Mühe machen, meine superlangen und endnervigen Abschlusskommis zu lesen, denen kann ich schon mal erste Informationen geben:

Teil 6.5 „Just Another Desire“: Jeremiel wacht auf und trifft auf Liam, Evas Bruder, der ihn aus dem Institut geholt hat (siehe Last Desire 6 Kapitel 6 „Sam’s Konfrontation) und erfährt nicht nur von seiner dunklen Vergangenheit als Sam Leens, sondern auch mehr über die wahren Umstände seiner Existenz und welche Rolle Liam in seinem Leben spielt.

Teil 7: Jeremiel will Kontakt zu seinem Zwillingsbruder L aufnehmen in der Hoffnung, auf diese Weise eine Familie zu haben. Aber leider wird das nicht einfach, denn 1. Beyond sieht in ihn immer noch Sam Leens und 2. Andrew hat panische Angst vor ihm und 3. seine mangelnde Sozialkompetenz und sein absolutes Unwissen in Gefühlsdingen sorgen noch für viel Durcheinander und Missverständnisse.

Teil 8 (eventuell): Jeremiel hat sich nach anfänglichen Schwierigkeiten bei L eingelebt und lernt immer mehr über Gefühle dazu. Da er aber der Einzige in der Familie ist, der angeblich ganz alleine ist, kommt Rumiko auf den Trichter, ihn irgendwie zu verkuppeln. Da Jeremiel aber nicht sonderlich viel von Liebe versteht, ist das Chaos vorprogrammiert und dann trifft er sich auch noch mit geheimnisvollen Personen (nämlich Liam und Delta aus Teil 6.5). Das bleibt nicht unbemerkt und so beginnt L seinem Bruder heimlich hinterherzuspionieren um herauszufinden, ob er nicht vielleicht doch was am Start hat und natürlich weil er ihn vor irgendwelchen dubiosen Gestalten beschützen will.

So, das wären jetzt meine Ideen. Ich werde einfach mal schauen, wie sich das entwickelt, dann sehe ich weiter. Aber so zumindest muss Last Desire nicht allzu früh enden, auch wenn sechs Teile schon eine stolze Zahl ist. Aber es ist leider wie eine Sucht: Man kommt total schwer davon los!!! Wer sich entweder auf die Fortsetzungen freut oder einfach nur sagen will „Hast du sie noch alle? Das sind inzwischen mehr als genug Teile!“, der kann gerne einen Kommi dazu schreiben. Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (14)
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Von:  San-Jul
2014-12-07T17:03:30+00:00 07.12.2014 18:03
Wirklich genial, voor allem die idee mit dem nun endlich endenden kreislauf (was für ein Satz;))
Von: abgemeldet
2014-10-31T15:09:45+00:00 31.10.2014 16:09
Wow wieder mal wow. Die Story war fantastisch und super spannend. Ich habe alles Teile sehr gerne gelesen und freue mich schon auf die Fortsetzungen.
Von: abgemeldet
2014-10-31T15:06:20+00:00 31.10.2014 16:06
Wow ein tolles Kapi
Sorry das ich erst jetzt kommentiere.
Von: abgemeldet
2014-10-25T13:32:25+00:00 25.10.2014 15:32
Ein großartiges Kapitel
Ich freue mich schon auf das nächste.
Von: abgemeldet
2014-10-24T06:57:38+00:00 24.10.2014 08:57
Das Kapitel war der hammer. *-*
Ich freue mich schon auf das nächste Kapi^^
Von: abgemeldet
2014-10-23T07:40:48+00:00 23.10.2014 09:40
Hey da bin ich wieder ^-^
Das war wieder ein spannendes Kapi^^
Freue mich schon auf das nächste.
Von: abgemeldet
2014-10-23T07:37:09+00:00 23.10.2014 09:37
*-* Ein spitzen Kapi^^
Von: abgemeldet
2014-10-23T07:35:31+00:00 23.10.2014 09:35
*grins*
Ein echt super Kapitel^^
Von: abgemeldet
2014-10-23T07:33:46+00:00 23.10.2014 09:33
Wow ein cooles Kapi^^

Von: abgemeldet
2014-10-23T07:27:55+00:00 23.10.2014 09:27
Wieder mal ein klasse Kapi^^



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