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Krieger, Magier und Diebe

AU, Science Fantasy
von

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Tisetahdieb

Titel: Krieger, Magier und Diebe

Teil: 1/24

Autor: Lady Silverwolf

Anime: Beyblade

Warning: OOC

Disclaimer: Die Hauptcharaktere gehören nicht mir und ich verdiene kein Geld mit dieser Fanfic.
 

"..." reden

//...// denken
 

~~~~~~~
 

Meine erste Beyblade-FF. Wenn die Charas nicht IC sind, liegt das daran, dass ich Beyblade eigentlich nicht kenne. Ich hoffe, ihr stört euch nicht allzu daran.
 

Weil einige Namen nicht in die FF passen, hab ich sie umgenannt.

Bitbeast = Tisetah

Blader mit Bitbeast = Hatesit
 

~~~~~~~
 

Tisetahdieb
 

Die gelben Augen der Raubkatze fixierten ihn. Leicht wurden die mächtigen Zähne des Tigers entblößt; sie blitzten weiß und gefährlich im Sonnenlicht. Ein tiefes Grollen drang aus der Kehle, dann herrschte wieder Stille, bis auf das leise Rauschen des Windes in den Baumwipfeln und manchmal Rascheln im Gebüsch.

Er hielt den Atem an. Zitternd vor Anspannung und Konzentration hielt er den Tiger im Blick. Gleich, gleich würde die Raubkatze losschlagen, ihre mächtigen goldenen Klauen in ihre Beute schlagen, sie zerfetzen bis nur noch kleine Schnitzel übrig waren. Das Sonnenlicht fiel durch die Blätter der Bäume und zeichnete tanzende Muster auf den Boden und das weiße Fell des Tieres, unter dem mächtige Muskeln spielten, wenn es sich bewegte.
 

Doch jetzt stand es still wie eine Statue, nur auf den goldenen Klingen an den Beinen spiegelte sich die Sonne, so das kurze Lichtblitze über die kleine Lichtung huschten. Leise zischend stieß er den Atem aus. Als hätte der Tiger nur darauf gewartet, sprang er mit einer einzigen anmutigen Bewegung los.

Man konnte kaum das unmerkliche Anspannen der geschmeidigen Muskeln sehen, als das riesige Tier aus dem Stand lossprang und mit einem einzigen Satz die Lichtung überquerte und vor seiner Beute aufkam. Der Tiger schlug noch im selben Augenblick zu und traf genau die richtige Stelle. Krachend und splitternd barst der mächtige Stamm des uralten, umgestürzten Baumes auseinander. Kleine Holzsplitter sausten als gefährliche Geschosse über die Lichtung.
 

Rasch duckte sich der Junge hinter einen Stein. Dem Tiger mit dem dichten Fell mochten die Splitter nichts anhaben können, aber für ihn wären sie zwar nicht gefährlich, aber doch recht schmerzhaft. Der Tiger hob ein zweites Mal die Pfoten und verarbeitete den Rest des Baumstammes zu Kleinholz. Dann drehte er sich mit einer geschmeidigen Bewegung, die seine Zufriedenheit deutlich zeigte, um und kam zu dem Jungen hinüber. Aus seiner Kehle kam ein Laut, der beinahe einem Schnurren glich, und sein zuckender Schwanz und die goldenen Augen zeigten, dass er lobende Worte wollte, die seiner Tat gerecht wurden.

Lächelnd ging der Junge auf ihn zu und legte die Hand auf den großen Kopf, um den Tiger an der Stelle zu kraulen, von der er wusste, dass er es dort am liebsten mochte. "Das hast du gut gemacht, Driger."
 

Driger grollte als Antwort aus tiefster Kehle. Natürlich hatte er es gut gemacht. Er machte es immer gut. Der Junge ließ ein kurzes Lächeln auf seinem katzenhaft hübschen Gesicht aufblitzen, das zwei ebenmäßige Reihen weißer Zähne mit langen, spitzen Eckzähnen entblößte und sah den Tiger aus Augen an, die wie die des Tigers waren. Groß, golden, mit senkrechten Pupillen und umrahmt von langen, dunklen Wimpern.

Er war schlank und zierlich, aber unter der beinahe goldenen Haut, die aus der weiten Kleidung herausschaute, konnte man den deutlichen Ansatz von stahlharten, durchtrainierten Muskeln erkennen. Das schwarze Haar war mit einem weißen Band umwickelt worden, so dass es einen langen Zopf bildete, der ihm bis zu den Kniekehlen hinunterfiel und bei jeder Bewegung hin und her schwang. Einige kurze Strähnen umrahmten sein Gesicht und fielen ihm beinahe in die Augen, wenn sie nicht von einem breiten Stirnband zurückgehalten werden würden. Zwei spitze Ohren lugten zwischen den Strähnen hervor.
 

"Rei! Reeei!" Er hob den Kopf, als er seinen Namen hörte. "Reeeei! Wo steckst du jetzt schon wieder?"

Ein leises Lächeln schlich sich auf seine Gesichtszüge. "Die suchen uns schon wieder, was?", fragte er Driger. Das geschah öfter.

"Ich bin hier!", rief er zurück und kurz darauf sprang ein schlankes, athletisches Mädchen über ein Gestrüpp und trat zu ihm. Ihr hüftlanges, pinkes Haar war am Hinterkopf mit einer großen Schleife zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst und ihr schönes Gesicht mit ebensolchen goldenen Augen wie Reis verzog sich zu einem strahlenden Lächeln, als sie dem Jungen entgegenkam.

Die beiden sahen sich recht ähnlich, was daran lag, dass sie verwandt waren. Sie trug ähnliche, weite Kleidung wie er und um ihren Hals hing eine goldene, feingliedrige Kette, an der ein violetter Anhänger hing. Darauf war ein schwarzes Zeichen zusehen, zwei ineinander verschlungene Schriftzeichen, die Luchs und Galux bedeuteten.
 

Rei trug eine ähnliche Kette, allerdings war sie aus Silber, ebenso wie das Amulett, auf das in Grün geschrieben stand: Tiger und Driger. Diese Amulette wiesen die beiden als Hatesit aus, als Bündniskrieger, als Menschen, denen es gelungen war, sich den Respekt und die Treue eines Tisetah zu gewinnen, welches sich schließlich mit ihnen verbunden hatte. Ohne diese Amulette war die Verbindung zwischen Krieger und Tier unterbrochen, so dass sie ihre gesamten Kräfte nicht ausspielen konnten.

Niemand in Reis Dorf wusste genau, wer oder was die Tisetah waren, man wussten nur, dass sie sehr mächtig und gefährlich waren und das nur besondere Menschen, die die richtigen Erbanlangen und das richtige Wesen hatten, ein Teshita, ein Bündnis, schließen konnten. Die Tisetah wählten ihre Bündnispartner sorgfältig und mit Bedacht aus, denn eine Verbindung, die einmal geschlossen war, wurde nicht einmal durch den Tod getrennt, so sagte man.
 

"Hier bist du also, Rei!", fauchte das Mädchen den anderen an, aber um ihre Lippen spielte ein Lächeln.

"Was ist los, Mao?", wollte er wissen. "Schon wieder irgendwelche Schwierigkeiten?" Driger rieb seinen Kopf, der gut die dreifache Größe von Reis hatte, an dessen Schulter und warf ihn damit beinahe um. Rei lachte. "He, lass das!"

Mao zuckte die Schultern. "Keine Ahnung.", antwortete sie. "Aber der Ältestenrat möchte dich sehen."

Erstaunt blickte Rei auf. "Wie? Warum?" Hatte er irgendwas angestellt? Nach kurzem Überlegen entschied er sich dagegen. Nein, in letzter Zeit hatte er sich nichts zuschulden kommen lassen. Also, warum wollten ihn die Ältesten sonst sehen?

"Keine Ahnung.", brummte Mao wieder. "Aber sie wollen auch Gaou, Kevin, Lee und mich sehen. Es scheint etwas wichtiges zu sein."

"Das merke ich auch.", murmelte Rei und drehte sich zu Driger um. "Kommst du mit?", wollte er von seinem Tisetah wissen. Der Tiger grollte, dann schien es, als würde er sich in grünes Licht verwandeln. Es war nur ein kurzer Moment, dann war er verschwunden. Er war nicht wirklich weg, das wusste Rei, denn er konnte Driger ja noch immer fühlen.
 

Wo die Tisetah hingingen, wenn dies geschah, wusste niemand, aber Rei fühlte, dass Driger seit der Teshita einen Teil seiner Seele bewohnte und sich in solchen Situationen dort aufhielt. Bei den anderen Hatesit musste es ebenso sein. Auch Galux, Maos schöner, roter Luchs, war in diesem Moment an jenem Ort in Maos Seele. Die Tisetah waren immer in der Nähe ihrer Partner zu finden. Anders konnten sie gar nicht überleben.

"Komm schon!" Mao drehte sich um und verließ die Lichtung, wohl wissend, dass Rei ihr folgen würde. Bald erreichten sie den schmalen Trampelpfad, der sie ins Dorf zurückbrachte. Das Dorf lag in einem kleinen, abgelegenen Seitenarm in der Nähe der Insel Canih. Die Inseln; das waren die Flecken Erde, die von der Großen Katastrophe verschont geblieben waren, die kein Teil der Wüste geworden waren, die beinahe die gesamte Oberfläche des Planeten - oder zumindest dieses Kontinents - bedeckte.
 

Meistens lagen die Inseln in geschützten Tälern, umgeben von hohen Steilwänden, oder in Kesseln, die von hohen Bergen umgeben waren, seltener auf Hochebenen oder Plateaus. Die Große Katastrophe war ein Kapitel unter sich. Sie hatte viele verschiedene Namen - Erste Apokalypse, der Untergang der Alten Welt, die Zweite Sintflut, der Niedergang der Zivilisation, der Zusammenbruch der Technik, aber auch der Neubeginn, der Zweite Anfang, der Ursprung, das Neue, die Geburt, die Zweite Chance - aber jeder wusste, was sie war: das Ereignis, das die alte, große Zivilisation, die einst auf diesem Planeten geherrscht hatte, vernichtet hatte.

Aus den Ruinen war eine neue Zivilisation heraufgestiegen, aber nichts konnte die Opfer verbergen, die dies gefordert hatte. Milliarden Lebewesen waren gestorben, viele Rassen, Tiere und Pflanzen, waren zu Grunde gegangen, Wissen war verloren und vielleicht würde nie wieder gefunden werden, unvergleichbare Schätze waren vernichtet worden - und nichts würde dies wieder rückgängig machen können.
 

Rei war sich bewusst, dass die Entstehung seiner eigenen Rasse ebenfalls auf die Große Katastrophe zurückzuführen war. Die Zhaon'El waren eine Kreuzung zwischen Mensch und Katze. Zwar war der größte Teil von ihnen menschlich, aber die goldenen Augen, die katzenhaften Gesichtszüge, die leicht spitzen Ohren, die scharfen Eckzähne, die Sinne und auch die Fähigkeit, aus dem Stand ohne Mühe auf einen drei, vier Meter hohen Felsblock zu springen, gehörten eindeutig zum Erbe der Katzen.

So wie die Zhaon'El waren noch mehr Rassen und Lebewesen aus der Katastrophe hervorgegangen. Aber auch andere Dinge waren entstanden - zum Beispiel die Kräfte der Magie. Natürlich war dies nicht diese Magie, welche die Hexen aus den alten Märchen hatten - man hatte die geheimnisvollen Kräfte, die manche Menschen besaßen, einfach so genannt, weil sie den Zauberkräften doch sehr nahe kamen.

Rei schüttelte sich bei den Gedanken an die Magier. Hier in Canih waren sie beinahe etwas wie Geächtete. Magier und Hatesit war seit jeher verfeindet, auch wenn der Grund dafür schon lange vergessen war. Vor Rei und Mao tauchte jetzt der Waldrand auf und kurz darauf konnten sie über den Felsvorsprung in das große Tal sehen, in dem das Dorf lag. Gegenüber befanden sich die großen, unter Wasser stehenden Terrassen, auf denen die Reisfelder lagen.
 

Am Talgrund war das Dorf; sorgfältig gebaute und gepflegte Hütten aus Bambus, die sich um den großen Dorfplatz mit dem Brunnen scharten. Ein reißender Wildbach durchfloss das Tal, er kam aus der Wüste, floss unter dem Felsvorsprung, auf dem sie sich befanden und der sich weit über das Tal beugte, hindurch, am Dorf vorbei und warf sich schließlich am anderen Ende des Tals über eine Klippe in einen großen See weit unter ihnen.

Hinter ihnen befand sich das kleine Wäldchen, das einst die gesamten Hänge des Tales bedeckt hatte, bis hinauf zur Wüste, und jetzt nur noch die Ostseite des Tales. Rechts von ihnen verlief der Pfad weiter, wurde am Fuße der Steilwand, auf deren Kuppe sie standen, breiter und führte von dort ins Dorf um in der Straße zu münden. Die Straße führte am Fluss entlang, in der einen Richtung zu den Reisfeldern, in der anderen nach Norden, wo er neben dem Wasserfall nach unten führte und sich dort mit der Hauptstraße vereine, die durch ganz Canih führte. Ein sachter Wind fuhr durch das Tal und beugte den Reis gegenüber, das kleine Bambuswäldchen im Süden und das hohe Gras. Hinter Rei rauschten die Wipfel der Bäume in einer sanften Melodie.
 

"Was ist?", fragte Mao. Sie war schon längst weitergelaufen, als er am Rand des Felsvorsprungs stehen geblieben war, um den Wind im Gesicht zu spüren. "Willst du da Wurzeln schlagen? Die Dorfältesten warten auf uns!"

"Ich komm ja schon.", murmelte Rei und beeilte sich, zu ihr aufzuschließen. Mao schlug einen flotten Gang an und bald waren sie im Dorf. Der Rat tagte immer in der großen Gemeinschaftshütte, in der - auch wenn es dann eng wurde - alle Mitglieder des Dorfes passten. Aber jetzt befand sich in dem großen und einzigen Zimmer der Hütte niemand, außer dem Ältestenrat - vier Männer und drei Frauen - und Lee, Gaou und Kevin. Der Rat saß in einem Halbkreis dem Eingang gegenüber, die anderen drei vor ihnen. Sie alle hockten auf Sitzkissen.
 

Lee grinste, als er die beiden eintreten sah. Er war Maos älterer Bruder und damit Reis Cousin. Neben ihm warteten zwei freie Kissen auf die Eintretenden. Anscheinend wartete man schon auf sie. Eilig hockten sich Mao und Rei auf die für sie vorgesehenen Plätze. "Da bist du ja endlich, Rei.", sagte einer der Ältesten, ein großer, dünner Mann mit stahlgrauem Haar und einem dünnen Bart. Er hatte den Vorsitz des Rates inne und sein Name war Seijo.

Rechts neben ihm saß der alte Greis, der von allem im Dorf die meisten Jahre hatte gehen sehen, daneben Mui, die alte Seherin und Großmutter von Mao und Lee. Der letzte auf dieser Seite war ein älterer Mann mit graumeliertem, schwarzem Haar, der schon weit in Canih herumgekommen war. Er war Händler. Auf Seijos rechter Seite saß der Hatesit, der die Bündniskrieger der Umgebung sozusagen anführte, neben diesem die beiden anderen Frauen, eine von ihnen eine weitere Hatesit.
 

Seijo eröffnete ohne weitere Vorrede das Gespräch: "Wir haben euch gerufen, weil Canih eine große Gefahr droht." Bitte? Beinahe hätte Rei laut ausgerufen. Aber er konnte sich gerade noch halten. Es war nicht höflich, einem Ältesten das Wort abzuschneiden. "Besser gesagt, den Hatesit droht Gefahr, aber da Canih sein Schicksal eng mit den Bündniskriegern verknüpft hat, ist die Insel ebenfalls bedroht."
 

Die fünf Hatesit - auch Lee, Gaou und Kevin hatten eine Teshita geschlossen - lauschten aufmerksam. Was betraf sie das? Natürlich, sie waren Hatesit, aber warum waren sie die einzigen hier? Alle hätten kommen müssen! "Mui hat Botschaft erhalten, dass ein seltsamer und überaus mächtiger Magier durch die Wüste zieht, von Insel zu Insel, und den Hatesit ihre Amulette abnimmt."

"Wie bitte?", fuhr Lee auf. Er war zwei Jahre älter als seine Schwester - also der Älteste unter den Fünf - und weitaus aufbrausender. Sein langes, schwarzes Haar hatte er im Nacken zu einem Zopf zusammengefasst und seine buschigen Augenbrauen verliehen seinem Gesicht etwas drohendes. Jetzt blitzten seine goldenen Augen im matten Licht der Hütte wütend. "Wer wird es wagen?!"
 

Mui hob beruhigend die Hände. "Enkel, setz dich und hör zu.", sagte sie mit ihrer ruhigen, sanften Stimme. "Ich weiß nicht genau, wer es ist, noch weiß ich wo er herkommt oder wo er hingeht. Ich weiß auch nicht, was er mit den Amuletten will, aber ich weiß, dass er die Kraft der Tisetah anzapfen kann und das auch tut." Jetzt runzelten auch die anderen Jugendlichen die Stirn. Wütend, verwirrt, etwas ängstlich vielleicht.

In Reis Kopf hallte Lees Frage wieder: "Wer wird es wagen?!" Ja, das war eine gute Frage. Die Amulette der Hatesit zu stehlen, damit man die Kräfte der Tisetah bekam - das war Frevel. Er wusste, dass die Hatesit außerhalb Canihs meist gefürchtet und gehasst wurden, vor allem von Magiern, aber trotzdem wäre es auch für diese Menschen Frevel, das zu tun, was dieser eine Magier anscheinend tat - die Tisetah zu missbrauchen. Das war einfach unvorstellbar!

Gleichzeitig bekam er Angst. Was geschah, wenn der Dieb hierher kam und Driger...? Nein, dass durfte er nicht einmal denken! Driger würde immer bei ihm bleiben, bis in den Tod und darüber hinaus! Rei vernahm tief in sich das beruhigende, tiefe Grollen des Tigers und atmete auf. Ja, Driger würde bei ihm bleiben. Anscheinend waren die anderen vier auch zu einem solchen Ergebnis gekommen, denn sie beruhigten sich. Nur Lees Augen blitzten noch.

"Dagegen...dagegen muss man doch etwas tun können!", sagte Kevin leise. Er war der Jüngste von ihnen, erst vierzehn, aber trotzdem sollte man ihn niemals unterschätzen.
 

"Ja.", antwortete Mui einfach. "Und genau darum seid ihr hier. Ich habe eine Ahnung, wie man ihn besiegen - oder zumindest aufhalten kann." Sie sah ihnen nacheinander in die Augen. "Kennt ihr die Sage der Vier Göttlichen?"

Alle nickten. Natürlich! Wer kannte sie nicht? Die Vier Göttlichen waren die vier Mächtigsten unter den Tisetah. "Trotzdem werde ich sie ein weiteres mal erzählen.", meine Mui und fuhr mit singender Stimme fort:
 

"Am Anfang waren die Elemente. Erde und Wasser, Luft und Feuer. Nicht einmal die Götter existierten. Dann kam das Licht und mit ihr die Finsternis, denn ohne Schatten kann Licht nicht sein. Dadurch gerieten die Elemente in Bewegung und jedes von ihnen gebar ein Wesen.

Aus der Erde entstieg der Weiße Tiger. In seinen Pfoten ruht die Macht der Erde, die Kraft Leben zu geben und Leben zu nehmen.

Aus dem Wasser kam die Schwarze Schildkröte. In ihren Händen ruht die Macht der Wellen, die Kraft Leben zu ermöglichen und Leben zu verhindern.

Aus der Luft entstand der Blaue Drache. In seinen Klauen hielt er die Macht des Windes, die Kraft Leben zu schützen und Leben zu zerstören.

Aus dem Feuer schließlich entfloh der Rote Phönix. In seinen Krallen ruht die Macht der Flammen, die Kraft Leben zu vernichten und Leben zu erwecken.
 

Und nachdem die Elemente jene vier Wesen erschaffen hatten, herrschte lange Zeit Ruhe. Dann...kam die Musik. Woher? Niemand weiß es. Sie war plötzlich da. Durch sie entstanden die Götter. Und die Götter erschufen das Universum. Und mit dem Universum die Planeten. Unter diesen Planeten war auch unserer. Erst waren alle öd und leer, aber das gefiel den Göttern nicht. Also machten sie sich an das Werk und weckten die Gestirne zum Leben. Mit Hilfe der vier Elemente und dem Licht und der Finsternis schufen sie Tausende verschiedene Welten, die sich in keine Weise glichen. Manche von diesen Planeten würden uns wie Paradiese erscheinen, manche wie die Hölle selbst, manche sind dem Unseren ähnlich. Aber keiner ist wie der Andere und schon gar nicht wie der Unsere, denn der Unsere wurde anders geschaffen.
 

Der Unsere entstand unter den Händen des Weißen Tigers, der Schwarzen Schildkröte, des Blauen Drachen und des Roten Phönix. Denn als diese vier sahen, was die Götter machten, entschlossen sie sich, es ihnen gleichzutun. Sie formten unseren Planenten.

Im Inneren war das Feuer, geschmolzenes, brennendes Gestein. Darum wickelten sie die Erde, formten Täler und Berge, Wälder, Wiesen und Ebenen. Dann füllten sie die Meere, Seen und Flüsse mit dem Wasser. Und außen herum legten sie die Luft.

So hatte jeder etwas zu dem Planeten beigetragen und sie blickten auf etwas, das ein Paradies und eine Hölle zugleich war. Aber sie sahen, dass etwas fehlte. Darum schufen sie die Tiere und die Menschen. Beides gefiel ihnen, denn jene Wesen verstärkten den Eindruck von Paradies und Hölle, vor allem die Menschen.

Dann ließen die Vier Göttlichen von dem Planeten ab und wendeten sich den Arbeiten der Götter zu, um zu sehen, was diese geformt hatten. Was sie sahen, gefiel ihnen. Als sie zu ihrem Planeten zurückkehrten, sahen sie, dass sich kaum etwas verändert hatte. Sie begannen, etwas neues zu schaffen: die Tisetah.

Jene Wesen sollten die Mächtigsten unter denen sein, die auf dem Planeten leben. Allerdings fehlte den Tisetah die Fähigkeit, ihre Gaben anzuwenden, darum legten die Vier Göttlichen einen Riegel vor. Dann gaben sie manchen Menschen die Gabe, sich mit jenen neuen Wesen zu verbünden und den Riegel zu entfernen. Durch diese Verbindung, die wir heute Teshita nennen, werden die wahren Kräfte der Tisetah geweckt und können von den Hatesit und den Tisetah angewendet werden.
 

Die Vier Göttlichen achteten darauf, dass ihre Welt im Gleichgewicht blieb. Wurde etwas erschaffen, entstand sofort das Gegenstück dazu ohne Zutun von einem von ihnen. Sie waren zufrieden und kehrten ihrem Planeten wieder den Rücken um zu sehen, was die Götter getan hatten.

Während ihres Streifzuges kam ein Gott auf ihren Planeten. Azulon war sein Name und er war neidisch. Neidisch auf das Werk der Vier Göttlichen, denn sie schienen ihm nicht so vollkommen wie er und seine Brüder und Schwestern und doch hatten sie die perfekte Welt erschaffen. Er säte die Gefühle unter den Menschen. Gefühle wie Hass, Neid, Missgunst, Bosheit, Geiz und Selbstherrlichkeit.

Was er nicht wusste, war, dass im selben Moment, in dem er diese Gefühle schuf, auch ihre Gegenstücke entstanden. So kamen Liebe, Wohlwollen, Gunst, Freundlichkeit, Selbstlosigkeit und Freundschaft auf die Welt. Azulon bemerkte es aber nicht und schuf noch etwas anderes: die Magie. Er gab sie wenigen Menschen ein und lehrte sie, sie zu benutzen.
 

Dann sah Azulon sich um und sah mit Schrecken, was er getan hatte. Es war nicht das, was er wollte - wo kamen diese Gefühle her, die er nicht erschaffen hatte? Warum war es nicht nur eine Magie, sondern Weiße und Schwarze? Azulon verschwand ohne zu verstehen.

Als die Vier Göttlichen wiederkamen, sahen sie sofort, was anders war, denn auf dem Planeten hatten sich Kriege ausgebreitet, aber inmitten dieser Kriege herrschte auch Frieden. Denn das Gegenstück des Krieges ist der Frieden. Die Vier Göttlichen sahen, dass der Krieg schlimm war, aber dass der Frieden gut war und darum beließen sie es bei Azulons Werk und taten nichts dagegen. Denn wie sonst hätten die Bewohner ihres Planet erkannt, was gut war, wenn sie nicht wussten, was schlecht war?
 

Sie kehrten dem Planeten wieder den Rücken zu. Azulon war damit nicht zufrieden. Er hatte ihr Werk zerstören wollen, dabei hatte er es nur noch mehr perfektioniert. Er war wütend und stachelte einige andere Götter gegen die Vier auf. Als die Vier wieder auf ihren Planeten zurückkehrten, wurden sie von den zornigen Göttern getötet und ihre Körper auf den Planeten geworfen.

Die Götter ächteten die Tisetah und sperrten sie an verborgenen Orten ein, legten einen Bann auf die Vier und gingen wieder. Die Menschen beteten trotzdem zu ihnen. Was die Götter aber nicht wussten, war, dass der Planet ein Teil der Vier Göttlichen war. Darum waren sie nicht wirklich tot.

Es dauerte allerdings viele Jahre, ehe die Vier gesund aus ihrem Schlaf erwachten. Während dieser Zeit hatte sich viel verändert. Durch ihren langen Schlaf und ihre Genesung war das Gleichgewicht gestört. Der Mensch war der Herrscher des Planeten geworden, die Tisetah waren verschwunden und die Götter vergessen. Technik herrschte und die Magie war verloren gegangen.
 

Durch den Bann der Götter wurde die Kräfte der Vier Göttlichen unterdrückt und konnte nicht mehr genutzt werden - nur wenn die Vier zusammen sind, können sie für einen kurzen Moment in eine andere Dimension wechseln, wo sie ihre Macht gänzlich entfalten könne, wo der Bann seine Wirkung verlor.

Die Vier traten nach langer Suche nach einander zusammen und taten nach langer Beratung genau dies. Und aus dieser Dimension trieben sie die zerstörerischen Kräfte an, die schließlich die Erste Apokalypse herbei führten. Und aus dem Planeten, der einst Paradies und Hölle war, dann zur Selbstzerstörung getrieben wurde, wurde eine Einöde, eine Einöde mit wenigen Oasen.

In diesen Oasen leben die letzten Lebewesen; Lebewesen, die entweder die Große Katastrophe überlebt oder nach ihr neu erschaffen wurden. Denn in der Wüste konnte man nicht leben, sie war verseucht und verderbt und nur wenige können über einen langen Zeitraum in ihr leben.
 

Als die Vier Göttlichen sahen, was geschehen war, waren sie zufrieden. Die Götter und die Magie, aber auch die Tisetah kehrten zurück. Doch bevor sie in die unsere Dimension zurückkehrten, legten sie sich selbst einen weiteren Bann auf. Einen Bann, der den der Götter unterlief und ihnen ermöglichte, zumindest einen Teil ihrer Kräfte zu gebrauchen: sie machten sich selbst zu Tisetah.

Und so geschah es, dass aus den Vier Göttlichen die vier stärksten Tisetah wurden. Weil sie nun Tisetah waren, konnten sie den Planeten nicht mehr verlassen und wanderten herum. Und schließlich schlossen auch sie, wie alle anderen ihrer Rasse, eine Teshita. Durch ihre Hatesit konnten sie ihre Macht zum Teil wieder nutzen und wenn sie zusammen sind - die Vier Göttlichen und ihre Hatesit - können sie ihre wirkliche Macht wieder nutzen."
 

Es herrschte Stille nachdem Mui geendet hatte. Diese Legende war uralt und jedem bekannt, aber man lauschte ihr immer wieder gerne aufs Neue. Schließlich unterbrach Rei die Stille mit einem Räuspern. "Und was hat die Legende mit diesem Magier zu tun?"

Seijo sah ihn ernst an. "Mui glaubt, nur die Vier Göttlichen hätten genug Macht, den Magier aufzuhalten, denn er sei mit Azulon im Bunde."

Ein erschrockenes Keuchen ging durch die fünf jungen Hatesit. Azulon! Schon allein der Name genügte um sich ängstlich über die Schulter zu sehen. Niemand sprach ihn ohne Grund aus, den Azulon war überall, lauerte auf Opfer, die er in den tiefen Strudel des Bösen reißen konnte, wartete auf Beute, die er zum Schlechten verführen konnte. Niemand war vor Azulon sicher, denn in jedem herrschte die dunkle Seite, es war ein Teil des Gleichgewichts und das musste um jeden Preis gewahrt werden. Nein, der Gott des Bösen, des Schlechten war niemand, der unbedacht beim Namen genannt wurde.
 

Mui nickte bekräftigend. "Wir möchten, dass ihr aufbrecht um die Vier Göttlichen und ihre Hatesit zu vereinen." Sie griff hinter sich und holte etwas hervor. Es war ein Pfeil, kaum größer als ihre Hand, aber aus reinstem Silber. "Dieser Pfeil ist mit einem Zauber belegt. Er weißt euch den Weg. Ich weiß nicht, wohin genau er euch führen wird, aber er wird euch helfen. Wenn ein Göttlicher in der Nähe eines anderen ist, so spüren sie sich gegenseitig. Das wird euch ebenfalls helfen."

"Aber...", begann Mao, doch Seijo schnitt ihr das Wort ab. "Ihr werdet morgen aufbrechen; es wurde bereits alles vorbereitet. Der Magier muss um jeden Preis aufgehalten werden, hört ihr? Keiner weiß, wie dieser Kampf ausgehen wird, aber wenn der Magier siegt, wird das Gleichgewicht beträchtlich gestört sein. Das muss verhindert werden. Der Magier hat Macht, sehr viel Macht und sie wächst mit jedem Tag, mit jedem Amulett, dass er erhält, mit jedem Tisetah, das er fängt. Vielleicht - vielleicht wird er eines Tages zu stark sein, um ihn aufzuhalten. Darum sollte es rasch geschehen, was auch immer wir tun." Mui nickte und wieder herrschte Schweigen.
 

"Warum gerade wir?", wollte Lee schließlich wissen. Den Anderen kam diese Frage gerade recht, denn auch sie sahen verständnislos drein.

Mao nickte bestätigend und fügte hinzu: "Wir meinen, wir sind zwar geehrt, aber es gibt sicher Krieger, die besser geeignet und erfahrener sind als wir. Wir sind ja noch alle sehr jung und erst seit wenigen Jahren Hatesit. Kevin hat seine Teshita erst letztes Jahr geschlossen."

Seijo lächelte und nickte. Er hatte diese Frage erwartet. "Nun, das hat einige Gründe. Zum einen, weil ihr noch so jung seid und dadurch voller Energie und Elan, euch zu beweißen. Außerdem habt ihr Canih noch nie verlassen. Das bringt einige Vorteile, da ihr der Welt außerhalb unserer Insel ohne Vorbehalte entgegentreten werden. Der wichtigste Grund ist allerdings die Tatsache, dass ihr Reis Freunde seid."
 

Verdutzt starrten sie ihn an, dann wandten sie sich Rei zu. Aber der sah genauso verwirrt aus. "Und was hat das Ganze mit mir zu tun?", wollte er wissen. Er hatte wirklich nicht die geringste Ahnung.

"Es ist Driger, der wichtig ist.", erklärte Mui. "Er ist einer der Vier Göttlichen." Nach dieser Eröffnung herrschte erst einmal atemloses Schweigen.

"Das...das heißt also, ich muss sowieso aktiv an diesem Kampf teilnehmen?", fragte Rei leise.

Seijo nickte. "Ja. Und da dachten wir, wir geben dir deine Freunde mit, die Personen, mit denen du aufgewachsen bist und die dir in jeder Lage zur Seite stehen werden."

"Oh.", machte Lee. "Das erklärt es natürlich."

"Wir helfen dir, Rei.", bekräftigte Gaou und lächelte freundlich. Auf den gutmütigen Hatesit mit dem Hahnenkammhaarschnitt würde Rei sich bedenkenlos verlassen können. Ebenso wie auf die anderen, sogar auf den kleinen Kevin.

"Natürlich!" Entrüstet schnaubte Mao durch die Nase und schlug Rei kräftig auf die Schulter. "Niemand wird je behaupten, dass wir unsere Kameraden im Stich lassen!"

"Das haben wir uns gedacht und deshalb auch euch gewählt.", wiederholte Seijo und erhob sich. "Ihr werdet morgen aufbrechen.", wiederholte er sich selber. "Wenn ihr persönliche Dinge mitnehmen wollt, so packt sie ein, aber nehmt nicht zu viel mit, denn ihr müsst es selber tragen. Am besten ihr lasst es alles hier. Um euer restliches Gepäck werden wir uns kümmern. Und jetzt geht hinaus und denkt nicht an morgen!"
 

Die Fünf standen auf und verbeugten sich ehrerbietig vor dem Rat, ehe sie sich umdrehten und aus der Hütte traten. Rei warf einen Blick zur Sonne. Sie hatte den Zenit schon lange überschritten - natürlich - aber sie hatten noch einige Stunden Zeit, ehe sie unterging.

"Man, Rei!" Lee klopfte ihm so hart auf die Schulter, dass er einige Schritte nach vorne taumelte. Aber seinen Cousin störte das nicht, er sprach einfach weiter: "Ich hätte nie geglaubt, dass Driger und du eine solche Rolle spielen! Ich meine, der Weiße Tiger und so, dass wusste ich schon, aber kann man ahnen, dass damit Driger gemeint ist?"

Rei schüttelte langsam den Kopf. Nein, er wusste es nicht - und er hatte es noch nicht begriffen. Driger, einer der Vier Göttlichen? Einer von jenen, die diese Welt erschaffen hatten? Wie konnte das sein? Driger war doch...einfach Driger, oder nicht? Er lauschte in sich hinein auf Driger und der Tiger grollte und Rei wusste, es war wahr. Driger war der Weiße Tiger. Driger war einer der Vier Göttlichen. Und er war sein Hatesit.
 

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Ich würde mich über ein paar Kommis freuen.
 

Bye

Silberwölfin

Neue Freunde

Titel: Krieger, Magier und Diebe

Teil: 2/24

Autor: Lady Silverwolf

Anime: Beyblade

Warning: OOC

Disclaimer: Die Hauptcharaktere gehören nicht mir und ich verdiene kein Geld mit dieser Fanfic.
 

"..." reden

//...// denken
 

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Neue Freunde
 

Laut ratterten die Räder der großen Karren auf dem gepflasterten Weg, der in die Stadt führte. Beinahe übertönten sie das monotone Geräusch der Pferdehufe. Max war von Anfang an begeistert von der riesigen Handelskarawane gewesen, die sie bei ihrem alten Haus abgeholt hatte.

Jetzt hatten sie eine lange, anstrengende Reise hinter sich inmitten von Händlern, Soldaten und anderen Reisenden und waren in der Insel Nijan. Judy Mizuhara, seine Mutter, drehte sich zu ihm um. Die Sonne schimmerte auf ihrem blonden Haar, das ihr Sohn von ihr geerbt hatte, und auf ihrem hübschen Gesicht lag ein freudiges Lächeln. "Na, wie gefällt es dir hier?"
 

Max sah sich unschlüssig um und zuckte mit den Schultern. "Ich weiß nicht.", antwortete er unschlüssig. Nijan war so anders als die Insel, in der sie bisher gewohnt hatten. Hier war alles grüner, es wuchsen mehr Bäume und Sträucher, die Straße war nur gepflastert, nicht geteert. Ob sie hier überhaupt Elektrizität hatten? Mussten sie wohl, wenn sie Techniker unterhielten.

Das war ja auch der Grund, warum sie hier waren. Judy und ihr Mann Enishi waren sehr bekannte Techniker, die man für die Forschungen in Nijan brauchte. Enishi war in Nijan aufgewachsen, allerdings weit entfernt von ihrem neuen Wohnort. Judy kam aus Emerna, wo die Familie bisher gelebt hatte. Die Forschung war aus technischen Gründen nach Nijan verlegt worden und die Familien, von denen jemand an dem Projekt beteiligt war, zogen jetzt um.
 

Max und Judy hatten die lange, gefährliche und schwere Reise von über drei Wochen angetreten, Enishi würde ihnen nächsten Monat folgen, sobald in Emerna alles erledigt war. Max hatte viel zurücklassen müssen, seine Freunde, seine Heimat, seine restliche Familie.

Die Karawane wurde von Händlern geführt, Wesen, die den Großteil ihres Lebens in der verstrahlten, verseuchten Wüste verbringen würden. Anders als ,normale' Leute sahen sie kaum mehr menschlich aus, sondern erinnerten eher an Bestien. Da sie das auch selber wussten, trugen sie ihre Gesichter und Körper meist unter viel Stoff verborgen.

Aber andererseits: war es nicht ein aufregendes Abenteuer, eine neue Insel kennen zu lernen? Neue Freunde finden, eine zweite Heimat? Das würde bestimmt toll werden! "Ich freue mich schon!", grinste er dann seine Mutter an, die zurück lächelte. "Sehr schön. Ich bin sicher, es wird dir gefallen. Hier in Nijan gibt es mehr Kinder und Jugendliche als in Emerna. Hier leben Bauern und Viehzüchter; der Boden ist fruchtbar. Emerna ist ja nur eine Industrieinsel. Du wirst sehen, du wirst hier schnell viele Freunde finden."

Max grinste noch breiter. "Da bin ich sicher. Wann sind wir endlich da?" Judy zuckte mit den Schultern.
 

Der Soldat, der neben ihnen ritt und dem Gespräch zugehört hatte, drehte sich zu Max um und meinte: "Siehst du die Hügel da hinten?" Der Junge nickte. "Dahinter ist die Stadt. Sepun ist ihr Name und sie ist die größte Ansiedlung in dieser Insel. Am anderen Ende gibt es noch eine zweite Stadt, aber sie ist kleiner und eigentlich nur ein Bauerndorf. Die ganzen Industriegebäude und Fabriken sind alle hier in Sepun."

"Unser Haus ist am Rande von Sepun.", mischte sich Judy ein. "Ich bin sicher, es wird uns gefallen." Max nickte und starrte erwartungsvoll auf den Hügelkamm, der langsam immer näher ruckte. Vor sich sah er schon die ersten Wagen und Soldaten die Anhöhe hinaufrollen. Ob die Stadt so aussah wie die, aus der er kam? Wahrscheinlich nicht. Es würden bestimmt nicht so viele Fabriken und hässliche Betonklötze herumstehen.
 

Verträumt ließ er den Blick schweifen, bis ihm etwas ins Auge viel. "Was ist das?", fragte er den Soldaten und streckt den Arm aus, um das zu zeigen, was er entdeckt hatte. Es sah aus...wie die Spitze eines Turmes. Ein Turm? Aber nur Magier durften in Türmen leben!

"Das ist der Turm der Donnersteine.", erklärte der Krieger. "Es ist eine Magieschule. Es gibt noch zwei weitere Türme in Nijan. Wusstest du nicht, dass dies eine Magierinsel ist?"

Max schüttelte den Kopf. Er fühlte sich, als hätte man ihn geschlagen. Warum hatten seine Eltern ihm das nicht gesagt? Unwillkürlich griff er nach dem Anhänger, der an einer goldenen Kette, die er von seiner Großmutter geschenkt bekommen hatte, um seinen Hals hing. Er war sein größtes Geheimnis und nur seine Eltern wussten davon. Wenn jemand anderes das herausbekam, dann war er so gut wie tot.
 

Judy schüttelte den Kopf, als er sie vorwurfsvoll ansah. Auch sie hatte das nicht gewusst. In Emerna hatte es keine Magier gegeben, höchstens ein paar, die durchgereist waren. Ob Enishi und Judy die Stelle angenommen hätten, wenn sie gewusst hatten, dass hier Magier lebten? Bestimmt nicht. Hier war die Gefahr für Max größer, dass sie ihn entdeckten. Dass sie entdeckten, was er war. Und Magier mochten solche wie ihn nicht. Sie mochten die Bündniskrieger nicht und bekriegten sie, wo sie nur konnten.

Max hatte plötzlich Angst. Die Magier würden ihn töten. Er konnte niemandem vertrauen. Er... Judy legte ihm die Hand auf den Arm. "Mach dir keine Sorgen.", sagte sie leise, so dass nur er sie verstand. "Magier können nicht sehen, was du bist. Wenn du das Amulett versteckt hältst, wird dir nichts geschehen."

"Und wenn doch?"

"Dann fliehst du. Mit Draciel als Beschützer hast du große Chancen, zu überleben." Sie zwinkerte. "Außerdem wissen sie es nicht und du bist vorsichtig genug, dass sie es auch nicht erfahren. Was meinst du?"
 

Er sah sie an und nickte dann. Ja. Sie hatte Recht. Seine Mutter hatte immer Recht. Wenn er aufpasste, würde niemand erfahren, dass er ein Bündniskrieger war. Sie lächelte noch einmal aufmunternd und wandte sich wieder nach vorn. Inzwischen waren sie den Hügel beinahe ganz hinaufgefahren und kurz darauf hatten sie den Kamm erreicht. Von hier hatten sie eine überwältigende Sicht über das Tal und das sich darin befindende Sepun.

Max riss vor erstaunen beide Augen auf. Sepun war tatsächlich ganz anders, als seine Heimatstadt. Wo bei letzterer trostlose Reihenhäuser und Fabrik- und Firmengebäude das Bild dominiert hatten, konnte man hier gar keine Betonbauten finden. Die Industriebauten beschränkte sich auf das westliche Viertel und waren ansehnlicher als die Wohnhäuser in Emerna.

Der Großteil von Sepun aus kleinen, heimeligen Wohnstätten bestand, die meist Doppelhäuser und mindestens zweistöckig waren. Die Dächer waren alle mit roten Ziegeln gedeckt, die sich reizvoll vom grünen und grauen Untergrund abhoben. Im Norden des Industrieviertels standen sieben Wolkenkratzer, kleiner als Türme, aber groß genug für Dutzende Wohnungen für die normalen Arbeiter.
 

Im Westen und Osten - aus dem sie kamen - waren mehr oder weniger hohe Hügel, im Norden erhob sich sogar eine steile Steinwand aus dem Boden. Im Süden dagegen war das Land flach und bestand nur aus Wiesen, Feldern und Weiden bis sie an einen Waldrand stießen, der nur als dunkelgrüne Linie zu erkennen war.

Wie ein blaues Band zog sich ein reißender Wildfluss durch Sepun und das südlich gelegene Land, ehe er knapp vor dem Waldsaum einen 90-Grad-Schlenker zu machen und parallel zu diesem zu fließen.

Die Straßen in Sepun und der Weg, der nach Süden führte, waren alle gepflastert und rechts und links von ihnen erhoben sich Bäume wie bei Alleen. Immer wieder öffneten sie sich zu großen Plätzen. Menschen und Tiere tummelten sich auf den Straßen, auf zwei Plätzen wurde Markt abgehalten und weiter im Norden hinter der Steilwand konnte Max den Turm der Donnersteine sehen, der sich wie ein drohender Schatten dort erhob. Schnell wandte er den Blick ab und starrte angestrengt auf die Stadt.
 

"Wo werden wir wohnen?", wollte er neugierig wissen.

Judy zeigte nach links. "Dort unten am Stadtrand. Da, wo die Häuser nicht so dicht stehen."

Der Soldat neben ihnen lachte. "Da habt ihr aber Glück gehabt. Dort ergattert man schwer eine Wohnung, da sie teuer sind oder der Regierung gehören. Sie gehören zu den ersten Gebäuden, die hier errichtet wurden. Sozusagen Ur-Sepun."

Judy schüttelte den Kopf. "Nein. Das hat nichts mit Glück zu tun. In Emerna hat man uns Privilegien versprochen, weil sie uns locken wollten, die Projekte nach Nijan zu verlegen. Mein Mann und ich gehören zu den wichtigsten Technikern. Darum brauchten sie uns unbedingt."

"Darf ich mir nachher die Gegend ansehen?", fragte Max aufgeregt. "Oder soll ich helfen?"

Seine Mutter lachte. "Du kannst ruhig gehen. Heute werden wir dich sicher nicht brauchen. Einige Arbeiter werden mir helfen, die Sachen ins Haus zu bringen." Max stieß einen Freudenschrei aus und erwartete sehnlichst, dass sie endlich ankamen. Sepun und seine Umgebung sahen auch zu verlockend aus.
 

Es kam ihm vor, als würden die Zugtiere nur schleichen, obwohl sie ein recht schnelles Tempo angeschlagen hatten. Sie witterten die nahen Ställe und ihre wohlverdiente Rast. Am Stadtrand von Sepun löste sich die Karawane auf. Während die Händler und ihre Soldaten am zu den langen Handelshäusern gingen, die am östlichen Stadtrand erbaut worden waren, wurden die emernaer Techniker von einigen Mitgliedern der nijaner Regierung erwartet, die sie herzlich begrüßten, sie zu dem Bankett einluden, dass am Abend im Rathaus stattfinden würde und ihnen einige Männer und Frauen mitschickten, die ihnen beim Ausladen der Wagen behilflich sein sollten.

Die Mizuharas und drei weitere Familien hatten ihr neues Domizil im südöstlichen Viertel, das der Soldat so gelobt hatte. Man führte sie auf direktem Wege dorthin. Die Einwohner, an denen sie vorüberfuhren, grüßten sie freundlich und lächelnd. Anscheinend wussten sie, welche Bedeutung die neuen Techniker für Nijan und seine Bedeutung in der Inselpolitik hatten. Schließlich stoppte Judy den Wagen vor einem recht großen Haus.
 

Es war von einem großen, umzäunten Garten umgeben, in dem mehrere Beete angebracht waren und Bäume und Sträucher wuchsen, die mindestens so alt wie das Haus waren. Vom Gartentor führte ein gekiester Weg zur Haustür, die über drei Stufen zu erreichen war. Das Haus war weiß verputzt und das Glas der Fenster spiegelte die Sonne wie frisch gereinigt.

Max musterte das Gebäude von oben bis unten. Es gefiel ihm. "Mama, darf ich mich jetzt umsehen?", wollte er ungeduldig wissen.

Die Angesprochene nickte. "Geh nur. Aber merk dir den Weg. Ich möchte dich nicht suchen müssen!"

"Klar!" Max sprang vom Wagen und sah sich genauer um. Ihr neues Haus befand sich in einer Straße, die sozusagen ins Leere lief, in einer Sackgasse. Max überlegte, ob er sich erst das Viertel oder die Wiesen ansehen sollte und entschied sich dann für letzteres. In Emerna hatte es so viel Natur nicht gegeben, darum faszinierte sie ihn ganz besonders. In den nächsten Tagen würde er noch genug Zeit haben, sich in Sepun umzusehen.
 

Er winkte noch einmal fröhlich seiner Mutter, die schon damit beschäftigt war, die Helfer anzuweisen, wie sie den Wagen abzuladen hatten, ehe er davon rannte. Die Gegend gefiel ihm ausnehmend gut. Er wusste nicht, wie lange er beschäftigt war, über Wiesen zu rennen, Felder zu umgehen und durch den Wald zu stapfen, aber es mussten Stunden sein. Irgendwann stand er plötzlich am Rande des Steilhangs im Norden der Stadt und konnte ganz Sepun überblicken.

Wie auch schon auf dem Hügelkamm bot die Stadt einen beeindruckenden Anblick, der Max für einige Minuten in den Bann zog. Eine Stimme riss ihn aus dem Staunen. "Schöner Anblick, nicht wahr?"

Max fuhr erschrocken herum. Hinter ihm stand ein hochgewachsener Junge mit dichtem schwarzen Haar, das er am Hinterkopf zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte. Er hatte ein markantes Gesicht mit ausdrucksstarken, dunklen Augen, in denen der arrogante Ausdruck der Magier lag, und trug die Robe eines Magieschülers.
 

Jetzt hob er die Hände und meinte: "Entschuldige, ich wolle dich nicht erschrecken." Er lächelte freundlich, doch Max blieb misstrauisch. Der Junge gehörte bestimmt zu diesem Turm der Donnersteine. Ein Magier. Max bemühte sich zu einem freundlichen Lächeln und antwortete: "Ja. Wirklich."

Er drehte sich wieder halb um, um die Stadt wieder ansehen zu können, behielt aber den Magieschüler im Blick. Nie würde er so jemanden aus den Augen lassen. Dazu saß das Bewusstsein zu tief, dass er Bündniskrieger und damit ein Feind aller Magier war.

Der Junge aber wusste nichts davon, darum blieb er freundlich, wenn auch etwas hochmütig. Er streckte Max die Hand hin. "Ich bin Toki Fuma und lerne im Turm der Donnersteine."

Max nahm die Geste nach einigem Zögern an. "Max Mizuhara."

Toki ließ seine Hand wieder los. "Ich habe dich noch nie hier gesehen. Gehörst du zu den neuen Technikern?"

Max nickte. "Ja. Wir sind heute erst gekommen."

"Und da musstest du dir gleich die Gegend ansehen, was?" Toki lachte, aber etwas Gönnerhaftes schwang in seiner Stimme mit. Max würde am liebsten weggehen, aber das wäre unhöflich gewesen. Darum lachte er auch und nickte. "Ja. Es ist viel schöner hier als in Emerna. Alles hier ist grün und braun und voller Pflanzen. Zuhause hatten wir nicht so viele Pflanzen." Er merkte selber, dass er sich anhören musste wie ein Schwachkopf. Gleichzeitig aber beruhigte ihn der Gedanke. Einem Schwachkopf würde man niemals zutrauen, ein Bündniskrieger zu sein. Denn Bündniskrieger waren bekannt für ihren hohen Intelligenzquotienten.
 

Toki lächelte nachsichtig. Anscheinend war er zum Schluss gekommen, Max wäre ein Idiot. Das war diesem nur recht. Dann musste er sich nicht länger mit dem arroganten Nachwuchsmagier beschäftigen. "Sag.", begann er in seinem trotteligsten Tonfall. "Gibt es hier viele schöne Plätze? Gibt es hier wilde Tiere? Ich habe von Inseln gehört, wo viele freie Tiere herumlaufen. In Emerna gab es keine. Da war zuviel Industrie. Das fand ich wirklich schade; ich hätte nämlich gerne wilde Tiere beobachtet und..." So plapperte er munter eine Weile weiter. Er merkte schnell, dass es Toki langweilig wurde und er bereute, den blonden Jungen angesprochen zu haben. Bald hätte der Magier genug.
 

Wirklich unterbrach Toki ihn nach kurzer Zeit und meinte höflich: "Entschuldige, Max, aber ich muss wieder gehen. Ich bin eigentlich nur hier, weil ich eine bestimmte Pflanze holen muss, die nur in freier Natur wächst. Ich brauche sie für einen Zauber, weißt du? Darum muss ich jetzt gehen und weitersuchen."

"Oh. Soll ich dir helfen?", wollte Max wissen.

Natürlich lehnte Toki ab. "Nein, nein, ich werde sie alleine finden. Aber du solltest vielleicht wieder nach Hause gehen? Deine Eltern vermissen dich sicher schon."

"Nein, nein. Das tun sie nicht. Meine Mutter ist noch mit unserem Gepäck beschäftigt und mein Vater kommt erst nächsten Monat. Ich habe also viel Zeit. Brauchst du wirklich keine Hilfe? Wie sieht die Pflanze denn aus? Was bringt sie? Ich..."

"Jaja, ich bin sicher, du könntest eine große Hilfe sein, aber ich muss die Pflanze selber suchen. Auf Wiedersehen. Wir treffen uns bestimmt wieder." Die letzten beiden Sätze hatte Toki schon im Weggehen gesprochen. Er winkte mit einer Hand, sah aber nicht zurück.
 

Max streckte ihm die Zunge heraus, ehe er sich selber umdrehte und um Wald verschwand. Toki würde ihn zwar für den Rest seines Lebens für einen trotteligen Schwachkopf halten, aber das war Max egal. Immerhin wäre er so sicher, dass weder Toki noch seine Freunde - vielleicht keiner aus dem Turm der Donnersteine - etwas mit ihm zu tun haben wollte. Und das war nur nützlich für ihn. Keine Magier in seiner Nähe bedeutete keine Gefahr, dass sie das Amulett finden würden, dass ihn als Bündniskrieger auszeichnete.

Zufrieden mit sich und der Welt machte er sich auf den Rückweg. Allerdings war der Weg schwerer zu finden, als er gedacht hatte. Schließlich beschloss er, zur Stadt zu gehen und sich dann zum seinem Viertel durchzufragen. Verträumt wanderte er einen Waldpfad entlang. Neben ihn ging es steil nach oben, auf der anderen Seite ebenso steil nach unten. Am Fuße des Abhangs befand sich ein kleiner, aber reißender Bach. Eine laute Jungenstimme, die Warnrufe brüllte, riss ihn aus den Gedanken.
 

"Achtung! He! Weg da!" Aber da war es schon zu spät. Erschrocken sah Max auf und konnte gerade noch eine Person erkennen, die von oben kam und etwa ebenso groß war wie er, dann wurde er auch schon umgerannt. Max stieß einen erstaunten Schrei aus und verlor das Gleichgewicht. Der Schwung des anderen stieß ihn um und zusammen kollerten sie den Abhang hinunter um mit einem lauten Platschen in dem eiskalten Fluss zu landen.

"Uff!", stöhnte der Blonde, als er als Erster wieder aus dem Wasser auftauchte und sich aufsetzte. Der Andere - war es wirklich ein Junge? Er hatte so lange Haare - lang noch flach im Wasser, ehe er sich aufrichtete. Die Kleidung klebte ihnen nass und kalt am Leib und Max fröstelte, trotz der Sonne, die vom Himmel knallte. Es war eben noch Frühling und der Fluss nicht gerade warm.

"Entschuldigung, Entschuldigung, das tut mir Leid, das wollte ich nicht." Lautstark um Verzeihung bittend stand der Andere auf. Es war tatsächlich ein Junge, mit so schwarzem Haar, dass es schon wieder blau war, völlig durchnässter Kleidung und einem freundlichen Gesicht mit großen, blauen Hundeaugen, die Max jetzt um Verzeihung heischend anblickten. Er hielt ein blaurotes Käppi in der behandschuhten Hand und wirkte recht kräftig.
 

Max ließ sich von ihm aufhelfen und versuchte die ganze Zeit, dem Jungen zu sagen, dass es schon okay sei, aber dieser hörte gar nicht auf ihn, also gab Max es nach einiger Zeit auf. Schließlich verstummte der Langhaarige und der Blonde meinte mit einem freundlichen Lächeln: "Ist schon okay, ist ja nichts schlimmes passiert."

Der Andere sah ihn schuldbewusst an. "Ich habe dich den Abhang hinunter gestoßen und wegen mir hast du ein Bad genommen und du ha..." Er verstummte abrupt und starrte Max an. Nein, er starrte nicht Max an, sondern seine Brust oder besser - was darauf lag. Unwillkürlich griff Max danach. Das Amulett. Oh, nein! Das Bündnisamulett! Der Junge hatte es gesehen, er würde ihn verraten, an die Magier verraten, die hier ganz in der Nähe waren, er würde...

Panik stieg in Max auf. Vor kurzem war alles noch in Ordnung gewesen, er hatte sich die Magier vom Hals geschafft und wollte nach Hause. Das konnte er jetzt wohl vergessen. Hastig rannte er an dem fremden Jungen vorbei, der wie er starrt stand und wollte weg.
 

Doch dann kam Leben in den Anderen. "He! He, warte, ich..." Max hörte nicht auf ihn, sondern rannte weiter, der Andere hinterher. Aber dann fühlte er plötzlich, wie kalte Finger sich um sein Handgelenk schlossen. Damit hatte er nicht gerechnet und stolperte. Mit einem lauten Platschen landeten sie wieder im Wasser. Sofort wollte Max sich aufrichten und weiter laufen, aber der Fremde war schneller. Er packte Max und drückte ihn mit geübten Griffen in den Fluss zurück.

"He, nicht so schnell, ich tu dir doch nix!", beteuerte er, aber Max wollte nicht hören. Der Junge würde ihn verraten, jetzt, wo er wusste, dass Max ein Bündniskrieger war! Der Blonde strampelte und schlug um sich, aber es half ihm nichts. Der Andere war stärker als er und zudem schien er Kampfsportler oder so zu sein, denn er hatte keine Mühe, Max' Schlägen und Tritten auszuweichen und ihnen Einhalt zu gebieten.

"He, he, sei still, ich werde dich nicht verraten, ich werde..." Erst nach kurzer Zeit bemerkte Max, was der Junge sagte. Er hörte auf, sich zu wehren und runzelte die Stirn. "Warum?", wollte er misstrauisch wissen. "Ich bin Bündniskrieger. Du weißt, was die Magier über uns sagen." Den letzten Satz sprach er so verächtlich aus, wie er nur konnte.
 

Er erhielt ein hämisches Grinsen zur Antwort, das aber nicht ihm galt, sondern eher denen, von denen er sprach. "Ich weiß. Aber was die Magier sagen, kümmert mich einen Dreck. Schau." Der Junge zog einen seiner fingerlosen Handschuhe aus. Darunter trug er ein schmales, silbernes Armband, an dem etwas hing. Ein Amulett! Ein Bündniskriegeramulett! Es war blau und trug ein grünes Zeichen.

Max riss die Augen auf. Der Junge...der Junge war also auch ein Bündniskrieger! So wie er! Der Andere lachte, während er seinen Handschuh wieder anzog, und stand auf. Wieder half er Max auf die Beine. "Du solltest das Amulett besser wieder verstecken, sonst sieht es noch jemand. Wir sind hier nah am Magierturm."

Max nickte und ließ die Kette wieder unter sein Hemd gleiten. "Ich weiß. Ich habe vorher einen Schüler getroffen."
 

"Du hast mein Beileid.", beteuerte der Dunkelhaarige lachend. "Tut mir wirklich Leid, das mit dem Abhang. Du bist mit den neuen Technikern gekommen, oder?" Er streckte die Hand aus, als Max nickte. "Takao Kinomiya.", stellte er sich vor.

Max schlug freudig ein, diesmal nicht nur aus Höflichkeit wie bei Toki, sondern weil ihm Takao wirklich gefiel und sympathisch war. "Ich bin Max Mizuhara. Wir sind erst heute gekommen."

"Ich weiß, ich habe die Karawane gesehen." Takao lachte wieder und zog sich das klitschnasse Käppi verkehrt herum über den Kopf, so dass der Schild nach hinten zeigte.

Max zog die Schultern zusammen und fröstelte. "Sollten wir nicht langsam aus dem Fluss heraus? Mir ist kalt."

"Komm. Weiter hinten gibt es eine gute Stelle, wo man hochklettern kann." Takao winkte ihn und stiefelte den Fluss entlang auf die Biegung zu, die etwas flussabwärts lag.
 

Max beeilte sich, zu ihm aufzuschließen. "Wo fließt der Bach hin?"

Takao nickte nach Süden. "In den Teishen, den großen der durch Sepun führt.", erklärte er. Er musterte Max von der Seite. "Duhu? Wann bist du...na ja, wann hast du das..." Er deutete auf das Amulett unter Max' Hemd. Solche Dinge sprach man lieber nicht laut aus. Man wusste nie, wer zuhörte.

"Letztes Jahr."

"Erst?"

Max nickte. "Ja. Noch gar nicht so lange her, wie? Und du?"

"Ich war elf.", sagte Takao stolz. "Also vier Jahre."

"He, dann bist du ja so alt wie ich! Gibt es hier noch mehr...du weißt schon?"

Takao nickte. "Hin und wieder kommen Reisende vorbei. Und noch ein Freund von mir. Aber bei ihm ist das eine andere Geschichte. Vielleicht erzählt er sie dir irgendwann. Soll ich ihn dir vorstellen?"

"Gerne. Aber nicht heute. Meine Mutter wartet sicher schon. Ähm...woher weißt du, wer so ist wie wir? Ich mein, die werden dir das sicher nicht auf die Nase binden."

"Ich weiß das gar nicht. Normal erkennt man das nicht, aber Kenny sieht es. Es ist eine Gabe von ihm."

"Aha.", machte Max unsicher. Ob es noch mehr Menschen mit dieser Gabe gab?
 

Takao bemerkte seine Bedenken und erklärte: "Kenny meinte, dass hätte er erst gelernt, als es er selber war. Er sagt, dazu bräuchte man die Bindung." Die letzten Worte hatte er leise geflüstert.

"Ach so.", meinte Max erleichtert. Also konnten nur ihresgleichen diese Gabe haben. Welch ein Trost! Bündniskrieger verspürten zwar keine besonders starke Loyalität einander gegenüber, aber andererseits würden sie sich niemals gegenseitig verraten. Takao schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. "Gut, nicht?" Er blieb plötzlich stehen. "Schau, hier geht es leichter hoch als da hinten."

Max nickte und folgte dem Langhaarigen. Oben blieb Takao stehen und drehte sich zu ihm um. "Du, Max, wollen wir nicht Freunde sein?"

Max' Augen leuchteten auf. Er hatte noch nie einen anderen Bündniskrieger zum Freund gehabt. Genauer gesagt, er war noch keinem Anderen begegnet, zumindest keinem, von dem er es wusste. Es wäre schön, einen Freund zu haben, der ebenfalls die Bindung durchgemacht hatte. Jemand, der ihn verstand. Außer seinen Eltern wusste niemand davon und so sollte es bei Möglichkeit auch bleiben. "Klar, warum nicht?"

"Schön!", jubelte Takao. "Morgen stelle ich dich den anderen vor, in Ordnung?"

"Warum nicht? Wollen wir nicht weiter gehen?"

"Doch. Wo wohnst du?"

"Im alten Kern der Stadt.", antwortete Max.

"Ich auch. Und die anderen auch. Mein Opa leitet einen Dojo."

"Ach, deshalb bist du so leicht mit mir fertig geworden.", verstand Max die Situation vorhin im Fluss.

Takao nickte. "Komm. Ich bring dich auf 'nem Schleichweg zurück. Das geht schneller." Den Rest des Weges legten sie schweigend zurück. Dann standen sie plötzlich am Ende der Straße, in der Max wohnte. Vor dem Gartentor verabschiedete er sich. "Bis Morgen!", rief Takao und wandte sich zum Gehen. "Ich hol dich ab, ja?"
 

Max nickte und winkte kurz, ehe er zum Haus ging. Er klingelte und kurz darauf öffnete Judy die Tür. "Max, bist du..." Sie verstummte und musterte ihn von oben bis unten. "Warum bist du so nass?"

"Ich bin in einen Bach gefallen."

"Komm rein und geh gleich ins Bad." Max betrat den kurzen, breiten Hausflur. Am Ende befand sich eine Tür, ebenso wie rechts von Max und ein paar Meter weiter. Letzterte Tür führte anscheinend in die Küche. Links neben der Haustür befand sich eine Treppe, die nach oben führte, dahinter befanden sich zwei weitere Türen in geringem Abstand zueinander.

"Hoch und die erste Tür nach der Treppe.", befahl ihm Judy. "Und versuch so wenig wie möglich nass zu machen, ich bring dir frische Sachen." Max nickte und folgte ihrem Befehl.

Nur eine halbe Stunde später saßen sie gemeinsam auf der breiten Veranda, die an der hinteren Hauswand angebracht war und Max erzählte, was er erlebt hatte. Allerdings sagte er weder, dass Takao von seinem Bündnis wusste, noch, dass der andere Junge ebenfalls ein Bündniskrieger war. Wenn Takao wollte, dass Judy es wusste, würde er ihr es selber sagen müssen. Dieses Geheimnis war keine Kleinigkeit.
 


 

Takao holte ihn am nächsten Morgen aus dem Bett. Es war erst neun Uhr, wie Max nach einem Blick auf seinen Wecker festgestellt hatte, nachdem Takao ihm laut und unsanft die Decke weggenommen hatte und ihn fröhlich anstrahlte. "Ich dachte nicht, dass du mich so früh holst.", murrte Max, während er seine Kleider zusammensammelte und in einer Tasche nach frischer Unterwäsche suchte.

Derweil sah Takao sich in dem unordentlichen Zimmer um, das Max nun für unbestimmte Zeit sein eigenen nennen würde. Es lag ganz hinten und durch die Fenster konnte man auf das Verandadach und den Garten blicken. Unter einem Fenster standen ein alter Schreibtisch und ein Stuhl, ansonsten befand sich nur noch ein Möbelstück im Zimmer, nämlich das Bett in der von den Fenstern entferntesten Ecke.

Der größte Teil des Zimmerbodens nahmen Kisten und Kartons, in denen sich Max' gesamte Habe befand, ein. Rasch zog der Blonde sich an und wurde dann von Takao in die Küche geschleift. Judy befand sich darin und war damit beschäftigt, ihr Geschirr in die Schränke einzuräumen.
 

Die Küche, das Bad und die Toilette neben der Eingangstür, sowie die Vorratskammer gegenüber des WCs waren bereits möbliert, der Rest der Räume war noch leer, sah man von den Umzugskisten der Mizuharas ab.

"Guten Morgen.", grüßte Judy ihren Sohn lächelnd. "Dein Freund stand vorhin plötzlich vor der Tür.", erklärte sie und deutete auf den kleinen Tisch neben der Tür, vor dem drei zusammenklappbare Stühle standen. "Essen steht auf dem Tisch, du kannst dich ruhig auch bedienen, Takao." Anscheinend hatten sich die beiden schon bekannt gemacht.
 

"Danke, gerne." Takao nahm dieses Angebot sofort an. "Ich habe erst vor zwei Stunden gefrühstückt, aber ich habe jetzt schon wieder Hunger", erzählte er dem noch etwas verschlafenen Max, der ebenfalls zugriff. "Mein Opa sagt immer, ich könne rund um die Uhr essen." Wahrscheinlich stimmte das auch.

Nach dem Frühstück zog Takao ihn sofort mit sich. "Komm, die Anderen warten schon auf uns. Sie wollen dich unbedingt kennen lernen."

Unsicher schlüpfte Max in seine Schuhe und ließ sich mitschleifen. "Wer sind denn ,die Anderen'?", wollte er wissen.

"Na, Kenny und Hiromi, natürlich!"

Nur zwei? Takao hatte nur zwei Freunde? Oder waren das nur seine engsten? Der langhaarige Junge führte ihn durch die Straßen in einen kleinen Park. Dort suchte er sich anscheinend den hintersten Winkel, aber als sie endlich ankamen, war Max angenehm überrascht. Sie befanden sich hinter einigen dichten, undurchdringlichen Hecken. Der Boden war mit dichtem, hohen Gras bewachsen und ein Großteil der Hecken war mit Rosen verziert.
 

Takao führte Max durch eine kleine, beinahe unsichtbare Lücke in diese versteckte Lichtung. Zwei große Bäume spendeten Schatten, der allerdings von flimmernden Lichtpunkten unterbrochen war, und unter einem davon stand eine alte Laube aus einigen Holzstreben und verzierten Geländern. Drei Stufen führten hinein und darin befanden sich ein Tisch und einige Bänke.

Auf diesen Bänken saßen zwei Personen; ein hübsches Mädchen mit etwas länger als schulterlangem, dichten, braunem Haar, das etwa so alt war wie Max und Takao, und ein Junge, klein und schmächtig, mit dichtem, braunem Haar, das ihm über die Augen fiel, und einer riesigen Brille. Er trug einfache Kleidung, aber darüber die lange Weste eines Priesterschülers. Am Gürtel hing neben einem kleinen Beutel ein Seherspiegel, der die doppelte Größe einer Hand hatte. Auf dem Tisch lag der Novizenstab des angehenden Cuallarionpriesters und um den Hals trug er das Amulett mit Cuallarions Zeichen, dem zerbrochenen Rad. Cuallarion war der Gott der Toten, der Zukunft und des Schlafes und einer der Mächtigsten.
 

Beide begrüßten Takao und Max freudig und reichten dem Blonden freundlich die Hände. Das Mädchen stellte sie vor. "Das ist Kenny Kyoujyu und ich bin Hiromi Tachibana. Seinen Eltern gehört der Silberne Löwe, das beste Gasthaus im Ort."

"Ich bin Max Mizuhara."

Kenny lächelte freundlich. "Das wissen wir. Takao hat mir von dir erzählt. Komm, setzt euch." Das ließen sie sich nicht zweimal sagen und kurz darauf saßen alle um den Tisch herum.

"Takao hat gesagt, dass du auch ein...ähm..."

"...Bündniskrieger bist?", beendete Kenny Max' Satz. Der Blonde wurde rot und nickte. Dabei sah er sich um. Konnte sie auch niemand hören? Wenn das jetzt jemand mitbekommen hatte, wären sie alle so gut wie tot.
 

Hiromi winkte ab. "Keine Sorge, hier können wir nicht belauscht werden. Die Hecken wirken wie schalldichte Wände. Wenn uns jemand belauschen will, muss er schon auf der Lichtung sein und das wüssten wir!" Sie lachte. "Deshalb sind wir so oft hier. Es ist schön sicher."

"Ach so.", machte Max. Er sah sie an und fragte sich, ob er die Frage stellen sollte, die ihm auf der Zunge lag.

Hiromi bemerkte seine Verlegenheit. "Wenn du fragen willst, ob ich auch ein Bündnis geschlossen habe; nein, habe ich nicht."

Warum war sie dann hier? Die Frage ging Max durch den Kopf, kurz bevor Kenny sagte: "Wir kennen uns schon seit Kindesbeinen. Erst haben wir ihr unsere Bündnisse verschwiegen, aber als sie es dann herausgefunden hat, ist sie fuchsteufelswild geworden und hat uns angebrüllt, ob wir ihr so wenig vertrauen, dass wir es ihr nicht sagen konnten." Die drei lachten bei der Erinnerung. "Ich habe meine Bindung schon mit sieben gehabt.", erzählte Kenny weiter. Er zog eine Goldkette aus seinem T-Shirt und zeigte das blaue Amulett mit dem schwarzen Zeichen. "Na ja. Seit dem trage ich das Ding."
 

"He, wie freundlich du heute wieder bist.", fuhr eine dunkle Frauenstimme genervt dazwischen.

"Ach, Dizzy, du weißt, wie ich das meine."

"Ja, ja, darum sagst du auch ,das Ding'", schnappte die Frau zurück.

Verwundert sah Max sich um. "Wer...?"

Takao lachte über sein verdutztes Gesicht. "Das ist Dizzara, die Bündnispartnerin von Kenny."

"Aber...sie...", begann Max, doch Dizzara - oder Dizzy, wie Kenny sie nannte - fuhr dazwischen: "...kann nicht sprechen? Oh doch, mein Lieber. Kenny, ich will ihn sehen!"
 

Kenny seufzte und löste den Spiegel von seinem Gürtel. "Weißt du, Max, kurz nachdem wir unser Bündnis geschlossen haben, ist ein Unfall passiert." Max sah verwirrt von einem zum anderen. Er lächelte nicht mehr, genauso wenig wie die anderen. Das schien ein sehr ernstes Thema zu sein.

"Die Magier haben damals ein Experiment gemacht.", erklärte Hiromi leise und bedrückt. "Es ist total schief gegangen und viele Leute sind dabei gestorben."

Takao ballte die Hände zu Fäusten. Es schien ihm schwer zu fallen, seine Tränen zu unterdrücken. "Meine Eltern auch. Ich hasse die Magier dafür!" Die letzten Worte brüllte er beinahe hinaus.

Hiromi nickte. "Meine große Schwester und meine Großmutter kamen dabei auch ums Leben.", flüsterte sie mit zitternder Stimme. "Es hätte verhindert werden können, wenn die Magier besser aufgepasst und einen anderen Ort gewählt hätten. Sie wusste, dass es gefährlich war, dass Menschen dabei hätten sterben können - so wie es eben geschehen ist."
 

"Aber weil sie das ignoriert haben", fuhr Kenny fort. "ist dieses Unglück geschehen. Nun ja, jedenfalls wurde Dizzy dabei in meinen Seherspiegel gesperrt. Wir wüssten nicht, wie wir sie wieder herausholen können, deswegen wohnt sie jetzt da drin. Ich denke, ein Magier könnte helfen, aber wir können uns natürlich an keinen Zauberer wenden."

Takao lachte bitter auf. "Da könntet ihr genauso gut gleich vom Turm springen. Das wäre wahrscheinlich um einiges schmerzloser und ihr wüsstet wenigstens, wie sich der freie Fall anfühlt." Max sah bedrückt von einem zum andern. Das war ja schlimmer, als er sich hatte vorstellen können! Er wusste, dass die ,normalen' Menschen manchmal unter der Willkür der ,magischen' Menschen zu leiden hatten, aber dass es so schlimm war, hatte er nicht geahnt.
 

"Nun ja, es hat auch seine Vorteile.", meinte Hiromi mit gezwungenem Lächeln.

"Vorteile?", keifte Dizzy. "Welche Vorteile? Ich möchte frei sein, wieder fliegen, die Welt von oben sehen. Aber was ist? Ich sitze in einem engen Spiegel gefangen und muss Kenny anbetteln, damit ich dein Gesicht sehen kann, Max. Na los, Kenny, wird's heut noch was?"

Kenny lächelte. "Natürlich, Moment." Er hob den Spiegel und drehte ihn um, so dass Max hineinsehen konnte. Allerdings konnte er kein Spiegelbild sehen, weder von ihm noch von etwas anderem. Die eigentlich silberne Glasfläche war total weiß. Dann bildeten sich langsam Schatten und formten sich zu einem Bild.

Kenny seufzte. "Sie liebt große Auftritte.", erklärte er und stützte den Arm ab, mit dem er den Spiegel hielt. Bald konnte Max erkennen, dass es ein Vogel war, der im Spiegel hockte. Große, nachtblaue Schwingen mit riesigen Schwungfedern zeichneten sich ab, die zum Körper hin immer heller wurden. Die Füße waren groß und schwarz, nur die Krallen elfenbeinweiß.
 

Der Bauch und die prächtigen Schwanzfedern schimmerten in hellen Blautönen, allerdings nahmen die Federn in Richtung Brust immer mehr ab und gingen langsam in kohlschwarze Haut über. Das war gar kein Vogel! Das war eine Harpyie! Statt eines Vogelkopfes trug sie das Haupt einer überaus schönen, menschlichen Frau mit nachtschwarzer Haut, dunkelblauem, vollen, gelocktem Haar, das ihr über den Rücken fiel, und großen hellblauen Augen. Als sie lächelte, zeigte sie blendendweiße, aber spitze Zähne mit raubtierartigen Fängen.

Max wurde leicht rot, als er sie ansah, denn sie trug nichts, aber ihre nackte Brust zeigte deutlich, welches Geschlecht sie hatte. Hiromi, die direkt neben ihm saß und ebenfalls in den Spiegel sah, klopfte ihm auf die Schulter. "Keine Sorge, daran gewöhnst du dich noch."
 

Jetzt bildete sich unter der Harpyie eine schwarze Stange, auf der sie sich niederließ. Max schätzte, dass sie das gar nicht brauchte, aber anscheinend war es bequemer für sie. Dizzy betrachtete ihn eingehend, dann lächelte sie freundlich. "Guten Tag, Max. Es freut mich, deine Bekanntschaft zu machen."

"Äh...ganz meinerseits.", murmelte Max automatisch. Er wusste nicht, wie er sich gegenüber ihr verhalten sollte, die ein Bündnistier war und dazu noch in einen Spiegel eingesperrt. Er wusste, dass die Bündnistiere keine Tiere waren, wie man sagte, sondern mindestens genauso intelligent wie ihre menschlichen Partner, aber sie konnten aufgrund ihrer Mundwerkzeuge normal nicht sprechen.
 

"So, da ihr euch nun bekannt gemacht habt, kann ich ja...", begann Kenny und machte Anstalten, Dizzy wieder an den Gürtel zu hängen, aber die protestierte lautstark.

"Wag es ja nicht!"

"Aber Dizzy, ich will dich nicht die ganze Zeit halten!"

"Nimm den Bügel!"

"Der ist doch abgebrochen."

"Dann reparier ihn gefälligst. Und häng mich jetzt an die Decke oder so. Aber wehe du machst den Spiegel an den Gürtel!"

"In Ordnung.", gab sich der Kleine geschlagen und stand auf. Er sah sich nach einem geeigneten Platz um, an den er den Spiegel hängen konnte, dann meinte Takao: "Wie wär's mit dem Nagel da?"

Er deutete an Max vorbei auf einen der Pfosten, die das Dach der Laube trugen. Ein verrosteter Nagel ragte heraus. Kenny nickte beigeistert und setzte sein Vorhaben sofort in Tat um. Dizzy starrte zufrieden nach draußen die vier Jugendlichen an.
 

"He, Max, was ist dein Partner?", wollte Hiromi plötzlich wissen.

Verdutzt sah Max sie an, ehe er begriff, was sie meinte. "Draciel ist eine Schildkröte."

"Eine Schildkröte?!", wiederholten Takao und Kenny wie aus einem Mund.

Max sah die beiden an und wurde leicht rot. "Ja. Ist das ein Problem?"

"Äh, nein, natürlich nicht.", beeilte sich Kenny zu versichern und Takao setzte in leicht angeberischen Ton hinterher: "Mit Dragoon kann er deins nicht mithalten!"

"Es ist eine Drachenschildkröte.", sagte Max leicht gekränkt, der das Bedürfnis verspürte, seinen Draciel zu verteidigen.

Takao lachte. "Nimm' s nicht so schwer, war nicht so gemeint. Dragoon ist ein Drache! Er ist toll!" Dabei spielte er an seinem Handschuh, unter dem er das Amulett verborgen trug.

Max lächelte schon wieder. "Ein Drache? Echt? Das glaube ich dir. Drachen sollen selten sein."

"Das sind sie auch.", meinte Dizzy von der Wand. "Es gibt nur wenige, die Drachen zum Partner haben."

"Dragoon ist der Beste!", rief Takao lachend.

Kenny sprang auf. "Dizzy ist besser."

"Das will ich wohl meinen.", sagte die dazu.

"Draciel ist mir lieber.", sagte Max dazu. Das ganze artete langsam in eine Albernheit aus, wie Hiromi fand, aber sie machte gerne mit. Über diese Sache konnten sie selten lachen. Bis Mittag blieben sie in der Laube, dann gingen sie zum Essen heim.
 

Als sie wieder auf der Straße standen, fragte Kenny: "Du kommst doch nachher auch wieder, Max?"

Max lächelte. "Klar. Wenn ihr nichts dagegen habt."

Takao legte ihm den Arm um die Schultern. "Natürlich nicht. Jetzt gehörtst du zu uns!"

Hiromi meinte mit einem leichten Lächeln: "So ein gefährliches Geheimnis hält zusammen. Wir warten nachher auf dich!"
 

~~~~~~~
 

Bitte ein paar Kommis.

Bye

Silberwölfin

Herberge

Titel: Krieger, Magier und Diebe

Teil: 3/24

Autor: Lady Silverwolf

Anime: Beyblade

Warning: OOC

Disclaimer: Die Hauptcharaktere gehören nicht mir und ich verdiene kein Geld mit dieser Fanfic.
 

"..." reden

//...// denken
 

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Herberge
 

Funkensterns Hufe klapperten hart auf dem gepflasterten Boden unter ihr. Die schwarze Stute trabte den Weg rasch entlang, denn sie wollte - ebenso wie ihr Reiter - so schnell wie möglich einen Platz finden, an dem sie rasten konnten, am besten wäre natürlich ein schöner warmer Stall. Das würde ihr gefallen. Da wäre es warm, hätte sie genug und gut zu fressen und wäre nicht allein, denn in einem Stall waren meist noch andere Pferde oder zumindest Tiere. So sehr sie ihren Herrn auch liebte, eine Herde konnte er ihr nicht ganz ersetzen.
 

Aber vielleicht hatte sie Glück. Sie war auf einer Straße, das bedeutete, hier lebten Menschen und wo Menschen lebten war immer ein Stall zu finden. Rechts und links zog dichter Wald vorbei, aber das irritierte sie nicht. Irgendwann würde der Wald sich plötzlich öffnen und den Blick auf eine menschliche Siedlung freigeben.
 

Es war zwar schon dunkel, aber das störte sie nicht. Über ihr funkelten die Sterne und der Vollmond tauchte die Welt in ein silbernes, helles Licht. Sie sah zwar nicht viel, aber das brauchte sie auch nicht. Sie hatte andere Sinne, mit denen sie sich orientieren konnte. In menschlichen Siedlungen war es heller. Da konnte sie auch mehr sehen.

Das einzige, was sie an menschlichen Siedlungen störte, war der Lärm und der Gestank - ach ja, und der harte Boden. Das tat ihren Beinen nicht gut. Trotzdem lief sie brav weiter, denn ihr Herr erwartete das von ihr.
 

Sie bemerkte, wie der Wald neben ihr abnahm und dann war er gar nicht mehr da. Sie konnte über weite Felder und Weiden sehen. Auf einer grasten einige Pferde, die neugierig ans Gatter kamen. Funkenstern ignorierte sie und lief weiter. Bald, bald würde sie in einem Stall stehen. Sie konnte die Siedlung vor sich schon riechen. Auch ihr Reiter atmete auf und entspannte sich. Auch für ihn war es eine Erleichterung, wenn er nicht auf dem harten Boden schlafen musste, nicht die alten Vorräte essen oder jagen musste.
 

Funkenstern lief noch einmal schneller. Sie wollte ihm eine Freude machen. Er ließ es zu, also strengte sie sich an. Bald tauchten vor ihnen Tausende von Lichten auf und schließlich die Silhouetten der Häuser. Sie schnaubte und wurde langsamer. Wo war der Stall? Ihr Herr entdeckte ihn vor ihr und lenkte sie darauf zu. Es war ein großes Haus mit drei Stockwerken und einem Anbau, in dem sich der Stall befand.

Der Reiter zügelte die schwarze Stute und musterte das Gebäude. Es war gut in Stand, kein Putz bröckelte, die Fenster waren sauber und halb von Vorhängen verdeckt. Über der Tür waren ein Schild und darüber eine elektrische Lampe angebracht. ,Zum Silbernen Löwen' stand darauf, unter der Schrift war eine ungeschickte Zeichnung zu sehen, die man mit etwas Mühe als Löwen deuten konnte.
 

Die Lampe beleuchtete das Schild. Eine ganz normale Herberge, auch wenn sie in dieser Insel anscheinend Elektrizität hatten. Der Fremde rutschte aus dem Sattel und band die Stute an einen Ring, der an der Hauswand angebracht und für eben diesen Zweck vorgesehen war. Er zog den Umhang enger um sich und stieg die wenigen Stufen zu der Tür hoch.

Einen Moment zögerte er. Sollte er wirklich da hineingehen? Er hatte gern seine Ruhe und da drin war - dem Lärm, der nach draußen drang nach zu schließen - sehr viel los. Doch dann gab er der Vorstellung nach einem frischen, weißen Bett und etwas Warmen zu Essen nach und stieß die Tür auf.
 

Der Duft von Gebratenen, gekochtem Gemüse, Nudeln und Kartoffeln kam ihm entgegen, zusammen mit einer enormen Welle an Geräuschen. Das Klappern von Geschirr, das Scharren von Stühlen auf dem Boden, leise Musik, die aus den Lautsprechern an den Wänden drang, und natürlich das ständige Geplapper und Gerede der Menschen.

Der Fremde fragte sich manchmal, warum sie so viel redeten. Sie hatten sich ja sowieso nichts zu sagen. Nichts, was wirklich wichtig wäre. Über das Wichtige wurde nicht gesprochen, denn das Wichtige war meist unangenehm. Und alles Unangenehme wurde einfach totgeschwiegen. Vielleicht redeten sie deshalb soviel. Damit sie nicht wissen mussten, über was sie nicht sprachen.
 

Der Fremde schüttelte den Kopf und sah sich um. Es war ein einfacher, großer Raum, der beinahe das gesamte Stockwerk einnahm. Nur die rechte Ecke war durch eine Wand abgetrennt. Anscheinend lag dahinter die Küche. Lang und schmal, so dass die eine Wand nur fünf Meter von der Eingangstür entfernt war. Davor war der Tresen angebracht, der sich an der gesamten Wand entlang zog. Der Rest des Raumes war mit Tischen und Stühlen angefüllt.

An den Wänden zogen sich einige Regale entlang, auf denen diverse Dinge standen und von den Decken hingen große, elektrische Lampen. Links von der Eingangstür befand sich eine Treppe, die nach oben führte, vermutlich zu den Gästezimmern. Der größte Teil der Menschen waren einfache Leute, wahrscheinlich die Bewohner des Dorfes.
 

Der Fremde konnte eine Gruppe erkennen, die offenbar Händler und ihre Wachen aus einer anderen Insel waren. Der Rest waren die Angestellten des Hauses, die in einer einfachen Uniform, damit man sie erkennen konnte, zwischen den Tischen herumwuselten und ihrer Arbeit nachgingen.

Der Neuankömmling wurde beinahe sofort entdeckt. "Guten Abend!", strahlte ihm eine Bedienung entgegen und er fragte sich, wie sie nur so fröhlich sein konnte. Machte es so viel Spaß, irgendwelchen Leuten irgendwelche Sachen hinterher zu tragen? Er ließ sich nicht zu einer Antwort herab, also fuhr sie fröhlich fort: "Wollen Sie hier rasten? Wir haben genug Zimmer frei."
 

Er sah sich noch einmal um und nickte dann. Sie lächelte. "Kommen Sie."

Sie ging auf die Theke zu und wandte sich an eine Frau dahinter. Sie war schon etwas älter, eine Matrone mit ausladenden Hüften und langem, zu einem straffen Zopf gebundenem Haar. "Mikako, dieser Gast möchte ein Zimmer."

Die Frau wandte sich der Kellnerin zu und lächelte dann den Fremden an. Dieser starrte mit einem scharfen Blick zurück, auch wenn die Frau diesen nicht sehen konnte, da sein Gesicht im Schatten der Kapuze lag. Sie konnte nur eine hochgewachsene, schlanke Gestalt erkennen, die in einen weiten, schweren Kapuzenmantel gehüllt war, der leicht auf dem Boden schleifte.
 

"Ich bin Mikako Kyoujyu.", erklärte sie. "Die Wirtin." Sie zog ein Buch unter dem Tresen hervor. "Ein Zimmer? Sie sind allein, nicht wahr?" Der Fremde nickte.

"Tiere?"

"Ein Pferd.", grummelte er.

"Der Bursche wird es versorgen. Einzelzimmer kosten fünfzig Silberstücke. Wenn Ihnen das zu teuer ist, können sie auch den Schlafsaal benutzen. Da kostet ein Bett nur zehn Silberstücke. Aber Essen und alles ist dabei." Die Gold-, Silber- und Bronzemünzen waren in allen Inseln anerkannte Währung. Manche Inseln hatten noch zusätzlich ihre eigenen Prägungen, aber die meisten Leute - vor allem die Reisenden - stützten sich auf die allgemeine.

"Den Schlafsaal."

"In Ordnung. Wie war gleich Ihr Name?"

"Hiwatari."
 

Mikako sah ihn erwartungsvoll an, aber der Fremde blieb stumm. Was ging die sein Vorname an?! Schließlich beugte sie sich über ihr Buch und trug ihn ein. "Wie lange bleiben Sie?"

Er zögerte einen Moment. "Fünf Tage." Er würde sich ausruhen. Anscheinend ließ es sich hier leben, es war sauber, das Essen sah nicht aus wie einmal gegessen und dann wieder ausgekotzt, die Leute waren freundlich. Wenn er Glück hatte, gab es in der Stadt einen Schmied, der ihn seine Waffen nachbessern ließ, er konnte seine Vorräte aufstocken und seine Ausrüstung ausbessern. Außerdem brauchte Funkenstern ein paar Tage Ruhe.
 

"Zahlen Sie sofort?" Die Stimme der Wirtin riss ihn aus den Gedanken.

Kai, der Fremde, griff unter seinen Umhang und zog einen Beutel hervor. Sorgfältig zählte er sieben silberne Münzen auf den Tisch, drei Zwanziger, vier Zehner. Mikako betrachtete sie kurz, ehe sie sie in die Kasse legte und ihre Eintragungen vervollständigte. "Zum Saal müssen Sie einmal die Treppe hoch und durch den Gang. Die letzte Tür ist es. Oben, gleich neben der Treppe, sind die Toiletten und Bäder, aber das ist ja ausgeschildert. Suchen Sie sich eines der freien Betten aus, ein paar sind schon belegt. Und bringen Sie Ihr Pferd in den Stall. Der Bursche wird es versorgen."
 

Kai nickte und drehte sich wieder um. Er spürte die leicht irritierten Blicke der Wirtin und der Kellnerin im Nacken, aber das interessierte ihn nicht. Wenn sie mit ihm auskommen wollten, mussten sie einsehen, dass er kein Freund großer Worte war.

Funkenstern wartete noch geduldig vor dem Haus. Er nahm die Zügel und führte sie um die Hausecke, wo sich der Stall befand. Das große Stalltor war geöffnet, so dass heller, goldener Lichtschein nach draußen fallen konnte. Die leisen Geräusche von Pferden drangen heraus und vor dem Stall saß ein junger, blonder Bursche auf einer Bank und schnitzte gelangweilt an einem Stock herum. Er sah auf, als Kai näher trat, und lächelte freundlich. "Guten Abend!"
 

Beinahe hätte der Andere genervt aufgestöhnt. Mussten die hier alle so dermaßen fröhlich sein? "Soll Ihr Pferd in den Stall?"

Was sollte diese dumme Frage? Warum war er wohl sonst hier? Um einen Plausch zu halten?! Kai nickte und ließ sich wortlos Funkensterns Zügel abnehmen. Er klopfte der Stute auf den Hals und flüsterte ihr einige Worte zu, ehe er sein Gepäck vom Sattel schnallte und sich über die Schulter warf. Dann blickt er den Jungen noch einmal kurz an und ging. Von hinten hörte er noch ein kurzes: "Der ist ja gesprächig.", aber darum kümmerte er sich nicht. Solange er seine Ruhe hatte, war es ihm egal, was die Leute über ihn sagten.
 

Er betrat das Wirtshaus wieder und stieg die Treppe hinauf. Der Gang zog sich durch das gesamte Gebäude und in der hinteren Wand war ein großes Fenster eingelassen, daneben befand sich eine Treppe, die in das nächste Stockwerk führte. Links und rechst befanden sich in regelmäßigen Abständen Türen, an den vier Ersten in diesem Gang waren Schilder für Mann, Frau, WC und Bad angebracht. Letzte Tür rechts, hatte die Wirtin gesagt.

Kai stieß die Tür auf und trat in den hell beleuchteten Raum. Er war groß und an den Wänden standen in regelmäßigen Abständen Betten, kleine Kommoden und schmale Schränke. In der Mitte des Raumes befanden sich ein Tisch und jede Menge Stühle. Die meisten Betten waren mit großen Decken bedeckt, die bis zum Boden fielen, nur sieben wurden zur Zeit benutzt.
 

Auf einem lag ein großer, blonde Mann, der gelangweilt an die Decke starrte und kurz aufblickte, als Kai hinein kam, in einem zweiten befand sich noch jemand, allerdings hatte die Person die Decke bis zur Nase hochgezogen, so dass man nur einen braunen Haarschopf erkennen konnte.

Kai steuerte nach einem kurzen Blick das unbenutzte Bett in der hinteren Ecke an und warf seine Taschen darauf, ehe er nach der Umhangspange an seiner Schulter griff und sie öffnete. Unter dem Mantel trug er einfache, dunkle Kleidung aus Leder und Baumwolle. Sie war verschmutzt und schon öfters geflickt, aber gut instand gehalten. Die Ärmel der Oberbekleidung reichten ihm bis kurz über die Ellbogen und an den Unterarmen trug er Armschoner, die einen krassen Gegensatz zu der beinahe schwarzen Kleidung bildeten, denn sie waren rot und die Klingen an den Ellbogen.
 

Das Auffälligste an seiner Kleidung war allerdings der lange weiße Schal, den er um den Hals trug und der bis auf den Boden reichte. Unter dem Stoff konnte man durchtrainierte Muskeln erkennen und auf dem Rücken trug er zwei Kurzschwerter. Die Waffengurte überkreuzten sich auf seiner Brust und an jedem war ein langer Dolch befestigt. Ein weiterer Dolch am Gürtel und eine in ein Halfter gepackte, große Armbrust auf dem Bett unterstrich die Ausstrahlung des Kriegers.

Sein Gesicht war uneingeschränkt als gutaussehend zu beizeichnen, sogar weit mehr als das. Eine gerade Nase über vollen Lippen unter zwei großen, von langen Wimpern umrahmten Augen, die eine außergewöhnliche Farbe hatten: rot; rot wie Rubine oder wie Feuer. Auf den Wangen trug er je zwei markante, blaue Streifen, die einem Betrachter sofort ins Auge fielen.
 

Eine weitere Ungewöhnlichkeit in Kais Aussehen war wohl das Haar. Vorn waren sie silbergrau und vielen ihm ins Gesicht oder standen nach allen Seiten ab. Hinten allerdings waren sie eher blauschwarz und waren zu einem kurzen Zopf zusammengebunden.

Das Bett quietschte, als sich der große Blonde erhob. Kai drehte sich zu ihm um. "Krieger?", fragte der Mann. Kai warf ihm einen kurzen Blick zu. Er war muskulös und hatte eine hässliche Narbe im Gesicht. Anscheinend gehörte er zu den Soldaten der Händlergruppe. Kai schüttelte den Kopf und deutete auf das Bett, wo gut sichtbar in eine Lederhülle gepackt eine Balalaika lag. "Barde."

Ein kurzes Schnauben von dem Anderen folgte. Der Mann glaubte ihm nicht, aber dass hatte Kai auch nicht erwartet. Jemandem wie ihm sah man den Krieger auf hundert Meter an und er mochte sagen, was er wollte, es würde ihm niemand glauben, dass er keiner war. Wie auch immer, Kai hatte beschlossen zumindest in den Inseln der Barde zu sein, auch wenn er selten seinem Beruf nachkam, sich in irgendeinen Raum setzte und irgendwelchen Leuten etwas vorsang. Natürlich, er konnte es - sonst hätte er den Beruf nicht gewählt - und er wusste, dass er es gut konnte.
 

Vor ein paar Jahren war er auf einen herumreisenden Barden getroffen und hatte ihm einige Monate begleitet, ehe der Mann herausgefunden hatte, was er wirklich war. Er hatte sofort Kais musisches ,Talent' entdeckt und hatte es natürlich fördern müssen. Kai hatte viel von ihm gelernt, zumindest was die Musik anging und er war ihm auf eine verdrehte Art und Weise dankbar; obwohl er ihn getötet hatte.

Die einzige Aufgabe des Barden, der er regelmäßig nachkam, war das überbringen von Nachrichten, Botschaften oder Päckchen. Im Moment trug er auch ein paar Pakete für jemanden mit sich herum. Manchmal fragte er sich, warum er das überhaupt tat, aber diesen Gedanken schob er immer schnell von sich.

"Soso.", machte der andere. "Und was gibt's für Neuigkeiten?"
 

Kai warf ihm einen kurzen Blick zu, ehe er sich an seinen Taschen zu schaffen machte. Erst brauchte er ein Bad, dann ein Essen und dann ein warmes Bett. "Komm morgen wieder.", wies er den Soldaten ab und griff sich seine frische Kleidung. Ehe er das Zimmer verließ, fragte er noch: "Welche Insel ist das hier?"

Der Krieger warf ihm einen kurzen, verwunderten Blick zu, sagte dann aber: "Insel Nijan." Kai nickte und ging. Nach einem Bad und einem warmen Essen fühlte er sich wieder gestärkt genug, um nicht sofort ins Zimmer zurück zu fliehen. Die Kellnerin, die ihn vorher begrüßt hatte, lächelte ihm zu und fragte, während sie sein gebrauchtes Geschirr zusammenstellte: "Darf es noch etwas sein? Kaffee oder Tee vielleicht?"
 

"Kaffee.", antwortete er ohne Zögern. Sie lächelte und ging. Kai ließ seinen Blick durch den Gastraum schweifen. Er war noch voller als vorher, jeder Tisch war besetzt, beinahe jeder Stuhl. Manche Leute - vor allem die Einheimischen - erwiderten seinen Blick neugierig und es dauerte nicht lange, bis sich ein paar Jugendliche erhoben und zu ihm herüberkamen.

Einer von ihnen war blond und auf seinem Gesicht lag ein breites Grinsen, das wie festgewachsen schien. Seine Kleidung war farbenfroh gehalten und um den Hals trug er eine Goldkette mit einem Anhänger, der allerdings unter dem Hemd verborgen war.
 

Der Zweite war ein etwas größerer Junge mit blauschwarzem Haar, das er ihm Nacken zu einem Zopf zusammengefasst hatte. Er trug einen Teller in der Hand und aß selbst beim gehen. Irgendwie kam er Kai bekannt vor, aber er wusste nicht, woher.

Der Letzte im Bunde war ein kleiner, braunhaariger Junge, der gewisse Ähnlichkeit mit der Wirtin hatte. Vielleicht ihr Sohn? Die Kette mit dem großen, runden Anhänger, den er um den Hals trug und auf dem ein zerbrochenes, altmodisches Wagenrad zu sehen war, wiesen ihn als Priesterschüler von Cuallarion, dem Gott der Toten und des Schicksals, aus.

Priester! Das hatte ihm gerade noch gefehlt! Wenn er gegen irgendetwas eine Abneigung hatte, dann waren es Priester! Auch wenn das hier nur ein Schüler war, der wahrscheinlich nicht einmal wirklich Pfaffe werden würde... das reichte ihm voll und ganz!
 

"Hallo.", grüßte der Blonde überfröhlich. "Dürfen wir uns setzten?"

"Hn.", antwortete Kai. Eigentlich war es ihm lieber, wenn sie so schnell wie möglich wieder verschwanden. Aber er konnte sie nicht einfach so abweisen. Das wäre aufgefallen und Aufmerksamkeit wollte er vermeiden. Vielleicht begriffen diese Kinder von selber, dass er seine Ruhe haben wollte. Die ,Kinder' allerdings ignorierten seinen abweisenden Blick und setzten sich.

Der Blonde lächelte. "Sie sind Barde, nicht wahr?" Ein Dauergrinser. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Kai nickte. In diesem Moment kam der Kaffee. Die Kellnerin setzte ihn vor Kai ab, der ihr dankend zunickte.

"Haben Sie was für uns in Nijan?", wollte der mit dem Teller wissen. Kai nickte. "Echt? Was denn?"

Der Angesprochene warf dem Jungen einen kurzen, eisigen Blick zu. "Morgen.", brummte er. "Alles morgen."

Der Junge verzog enttäuscht das Gesicht und sah zu, wie Kai genüsslich an seinem Kaffee nippte. Nach einiger Zeit sah Kai die drei an. "Ist es so interessant, mir beim Kaffee trinken zuzusehen?" Sie zuckten erschrocken zusammen und entfernten sich mit einer Entschuldigung. Wenn die ihm noch öfters so auf die Pelle rückten, würde er kürzer bleiben als gedacht!
 


 

Am nächsten Tag sah er sich in der Stadt - Sepun - um. Sie war recht groß, besaß eigene Fabriken und große Handelskontoren und sogar ein paar Hochhäuser. Kai war noch nie in Nijan gewesen, aber er hatte davon gehört. Vor allem von den drei Magiertürmen, die sich hier befanden. Einen davon konnte man von der Stadt aus sehen. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch sah er die Spitze des Turmes kurz an, ehe er sich abwandte.

Der Silberne Löwe befand sich am südöstlichen Stadtrand, dem Teil der Stadt, der am ältesten war. Das sah man ihm auch an, denn die Häuser hatten noch einen anderen, weitaus älteren Baustil als der Großteil der Siedlung. Hier würde er sicher einen Waffenschmied oder -bauer finden, wenn nicht, ging er eben in den Kern der Stadt. Dort würde er auch sonst alles finden, was er brauchen würde; Vorräte, eine neues Seil mit Haken, vielleicht einen neuen Sattel, denn sein alter war bei dem letzten Kampf arg in Mitleidenschaft gezogen worden.
 

Die Wirtin brachte ihm das Frühstück und meinte: "Mein Sohn hat mir erzählt, Ihr hättet Botschaften und Nachricht und wolltet sie verteilen?"

Kai nickte: "Ich gehe nachher zum Rathaus." Desinteressiert wandte er sich seinem Mahl zu. Die Frau verschwand, was ihm ganz recht war.

Eine halbe Stunde später saß er wieder an der Theke, seine Waffen und eine große Tasche vor sich liegen, in der er die Briefe und Geschenke bei sich trug, die man ihm mitgegeben hatte. Sofort war die Wirtin wieder da, diesmal aber mit Anhang, der aus einigen Bediensteten, ihrem Sohn - diesem Priesterschüler - und seinen beiden Freunden bestand, die diesmal noch ein Mädchen mitgebracht hatten.

Abschätzend starrte Kai die Gruppe an. "Erwartet ihr irgendwas? Wenn nicht, glaube ich nicht, dass ich etwas für euch habe." Unsaft kippte er die Tasche auf der Theke aus. Rasch sortierte er alles aus, wo ,Nijan' draufstand, den Rest packte er wieder ein. "Nun?" Die Leute standen immer noch um ihn herum.

Eine Kellnerin zuckte mit den Schultern. "Das können wir doch nicht wissen. Lest die Namen vor, vielleicht ist jemand dabei?"
 

Kai zuckte die Schultern und griff nach dem Päckchen Briefe, die in Nijan abgeliefert werden mussten. Laut las er die Namen vor, aber wie er erwartet hatte, reagierte niemand. Fünf der Briefe waren für einen der Magiertürme. Das hätte er sich sparen können. Drei Päckchen waren lagen neben ihm; zwei davon sehr klein und rechteckig - wahrscheinlich enthielten sie Bücher und sie waren auch für den ,Turm der Donnersteine', das dritte war unförmig, aber man konnte erkennen, dass es eine Kugel enthielt. Es war das schwerste, was er in seiner Tasche gehabt hatte. "Takao Kinomiya.", las er den Namen vor.

"He!", grölte der langhaarige Junge ihm ins Ohr. "Das bin ich!"

Mit einem eisigen Blick gab Kai das Päckchen weiter. "Du brauchst mich nicht so anzuschreien.", zischte er wütend. Schuldbewusst und etwas ängstlich nahm der Junge das Päckchen entgegen. "Entschuldigung.", murmelte er, dann war er schon davon gerannt, seine Freunde hinter ihm.
 

Wütend vor sich hinmurmelnd brachte Kai seine Posttasche wieder ins Zimmer zurück, dann nahm er seine Sachen und machte sich auf den Weg in die Stadt. Einen guten Waffenhändler hatte er bald gefunden. Er einigte sich schnell mit dem Mann auf einen guten Preis, den er zahlen würde, wenn der Händler seine Armbrust, die Schwerter und die Dolche ansah, ausbesserte, schliff und reparierte. Der Mann schickte ihn davon und erklärte, er solle am nächsten Tag wieder kommen und seinen Kram wieder abholen. Aber gefälligst mit dem abgemachten Bezahlung!

Dann zog Kai weiter zum Rathaus, wo er die Briefe und Päckchen abladen wollte. Die zickige Empfangsdame nahm die Briefe - außer die für die Magier - und erklärte, zu den Magier müsse er selber gehen, es sei ganz leicht, er müsse nur diesem und jenem Weg folgen. Genervt zischte Kai die Frau an, er sei hier nicht der Laufbursche, aber diese schickte ihn beinahe ungerührt weiter.
 

Innerlich kochend machte sich der Krieger schließlich auf den Weg zum Turm der Donnersteine, der Magierschule, an die alles gerichtet war. Er folgte der Wegbeschreibung der Rathausfrau und stiefelte missmutig erst durch die gesamte Stadt, dann durch den Wald. Plötzlich stand er auf einer riesigen, kreisrunden Lichtung, dessen Mittelpunkt der enorme Turm war. Die Wände waren aus grauem Stein, fugenlos, nur ein riesiges Holztür mit zwei Flügeln und die Fenster und Balkone durchbrachen die Mauer, die Turmspitze konnte er von dem Platz, an dem er stand gar nicht mehr sehen.

Magiertürme. So protzig und hässlich und von einer steten Gefahr umgeben. Vor allem für ihn oder seine Leidensgenossen. Mit einem leisen Fluch griff er nach dem enganliegenden, schwarzen Halsband aus weichem Wildleder, das er unter seinem Schal trug, und dem Anhänger, der daran hing. Kai wusste genau, wie er aussah, rot, mit einem goldenen Zeichen, welches bedeutete: Phönix und Dranzer.

Sein Tisetah, seine Süße, das prächtigste Wesen, das je auf diesem Boden gewandelt war. Dranzer war die einzige, die er liebte, seine ständige Begleiterin und Freundin, seine Vertraute, die einzige, die stets für ihn da gewesen war, da war und immer da sein würde.
 

Er war ein Hatesit, darum näherte er sich nicht gerne den Magiertürmen, die Zentren der magischen Kräfte waren. Er wusste, dass ein Zauberer nicht sehen konnte, ob er nun ein Bündniskrieger war oder nicht. Aber es gab gewisse Zauber, mit denen man seine Identität entlarven konnte und dann würde nicht einmal er mehr fliehen können. Mit fünf oder sechs Magiern wurden er und Dranzer fertig, vielleicht sogar mit noch mehreren. Sie waren ein eingespieltes Team, dass sich schon seit Jahren kannte.

Aber nicht einmal sie hatten gegen einen gesamten Turm auch nur die geringste Chance. Auch nicht, wenn der Großteil der Turmbewohner noch Nachwuchsmagier waren und somit kaum eine Gefahr darstellten. Aber schon allein die Lehrer würden reichen, ihn zu töten.
 

Zögernd begann Kai, zu dem großen Tor hinüberzugehen. In seinem Inneren spürte er Dranzers Unruhe. Oder war es seine eigene? Egal, sie beide waren in Gefahr, mit jedem Schritt, den er ging, mehr und mehr. Seine Gesichtszüge erstarrten zu einer eiskalten Maske, dann stand er vor dem Tor. Es war mehrere Mannslängen hoch, aber in einem Flügel war eine kleine Tür angebracht, an die er jetzt klopfte. Nach einem kurzen Moment öffnete sich eine kleine Luke und ein altes, runzliges Gesicht sah ihm entgegen. "Ja?", quäkte eine Stimme.

Kühl sah Kai das Gesicht an. "Ich bin Barde und bringe einige Briefe und Päckchen.

"Ah!", machte das Gesicht und es hörte sich an, als jammere die Person. Kai konnte nicht erkennen, ob es ein Mann oder eine Frau war, aber es war ihm auch egal. Die Luke wurde geschlossen. Er hörte, wie ein Riegel zurückgeschoben wurde, dann öffnete sich die Tür. Er konnte eine kleine, gebeugte Gestalt erkennen, die in weite Gewänder gehüllt war und sich auf einen knorrigen Stab stützte. Kai reiche ihr die beiden Pakete und die Briefe. Sein Gegenüber nahm sie an und musterte sie nacheinander. Dann entwickelte sich ein breites Grinsen auf dem runzligen Gesicht.
 

"Ah! Ah!", machte der Zauberer. "Wir haben das schon erwartet. Gute Arbeit, gute Arbeit. Warte, junger Mann, warte, du sollst eine Belohnung erhalten!"

Barden wurden für einen solchen Dienst normal nicht entlohnt, aber von den Magiern eben doch. Der Greis verschwand und kam kurz darauf mit einem kleinen Beutel wieder. "Hier, hier.", sagte er und reichte ihn Kai. Dankend nahm dieser ihn an und ließ ihn in seiner Kleidung verschwinden. "Guten Tag noch und schöne Weiterreise.", quäkte der Magier, ehe er Kai die Tür vor der Nase zuknallte.
 

Kai drehte sich um und ging zurück. Als er außer Sichtweite des Turms war, zog er den Beutel heraus und schüttete sich den Inhalt auf die Handfläche. Geld, darunter einige Goldmünzen, kamen zum Vorschein. Er ließ die Münzen wieder zurückgleiten und beschloss das ,Magiergeld' hier in Sepun auszugeben.

Den Rest des Tages verbrachte er in der Stadt, wo er seine Ausrüstung vervollständigte und verbesserte. Er fand einen Sattel und neue Wurfdolche. Am nächsten Tag holte er seine Waffen ab. Jetzt hatte er beinahe das gesamte Magiergeld ausgegeben, was ihn unglaublich erleichterte, auch wenn er es niemals zugeben würde, auch nicht vor sich selbst.
 

Am Abend des zweiten Tages saß er in der Wirtsstube und ließ sich ausfragen. Er erzählte von dem Krieg, den zwei Inseln vor kurzem beendet hatten, von der neuen Entdeckung, die man in Kelon gemacht hatte und berichtete über einige kleinere Ereignisse. Diese ganzen Sachen ließen ihn kalt. Was interessierte es ihn, welche Insel gerade mit einer anderen im Krieg lag? Es gab ständig irgendwo Streit und Zoff und irgendwann artete so etwas eben in offenen Kampf aus. Na und? So war das Leben eben.
 

Die einzige Nachricht, die er mit sich trug und ihn auch betraf, behielt er länger für sich. Sollte er wirklich damit anfangen? Aber andererseits: es gab hier vielleicht auch andere Hatesit. Sie sollten gewarnt werden.

"Habt ihr schon von dem Dieb gehört?", wollte er schließlich wissen.

"Dieb?", fragte eine junge Frau zurück. "Es gibt recht viele Diebe, aber hier in Nijan wurde die Kriminalität erfolgreich eingedämmt. Sie brauchen nichts zu befürchten haben, hier wird nicht gestohlen."

"Natürlich nicht!", rief Mikako, die Wirtin dazwischen. "Dies ist ein anständiges Gasthaus!"

Kai schüttelte den Kopf. "Ich rede nicht von einem normalen Dieb.", stellte er kühl klar. "Sondern von einem Dieb, der Bündnistiere stiehlt und ihre Kräfte benutzt."

Einen Moment herrschte verblüffte Stille, dann brüllte der Junge, dem er heute morgen ein Päckchen mitgebracht hatte und dessen Name Takao war, wenn er sich recht erinnerte: "Waaas? Er stiehlt Bündnistiere, aber..."
 

Dann redeten alle Leute durcheinander. Anscheinend hatten sie noch nichts gewusst. Wie auch immer, das hatte er jetzt geändert. Takao und seine Freunde streckten sofort die Köpfe zusammen und flüsterten miteinander. Nun, das war keine normale Reaktion auf diese Nachricht. Das Getratsche der anderen Wirtshausbesucher viel eher. Kai nippte an seinem Kaffee und schnappte hier und da einige Wortfetzen auf:

"...geschieht ihnen recht..."

"...darf das nicht..."

"Vielleicht hauten die Hatesit dann endlich ab."

"...Magier hätten schon viel früher..."

"Sollen sich bloß...!"

"...Göttliche Vier haben aber..."

"...ch eine gute Nachricht."

"...nicht machen..."

"...warm anziehen."
 

Mit finsterem Blick sah er sich die Leute an. Niemand beachtete ihn mehr, was ihm nur ganz recht war. Die meisten von ihnen sprachen sich gegen die Hatesit aus. Nur wenige meinten, dies sei gegen die Natur und die Gesetze der Götter und der Göttlichen Vier, womit sie natürlich recht hatten.

Kai war, als er von dem Tisetahdieb gehört hatte, beinahe explodiert, was bei seiner Selbstbeherrschung ein Weltwunder war. Auch jetzt, nachdem es schon Wochen her war, dass er davon gehört hatte, brachte ihn der Gedanke daran zum kochen, auch wenn er sich nichts anmerken ließ. Aber das es jemand wirklich wagte, die Tisetahamulette zu stehlen um mit ihnen die Kräfte der sagenhaften Wesen zu missbrauchen, war eine Sünde und grenzte schon an Blasphemie, Blasphemie gegen die Vier Göttlichen.
 

Kai bemerkte aus den Augenwinkeln, wie Takao und seine Freunde verschwanden. Was hatte das zu bedeuten? Waren die etwa auch... Nein, das konnte nicht sein. Das waren Kinder; niemals würden Hatesit so kindisch sein wie die. Rasch trank er seinen Kaffee aus, dann verschwand er auf sein Zimmer.

Zwei Tage später brach die Katastrophe auf ihn herein. Der Tag begann ganz harmlos und verlief ebenso unschuldvoll, aber dann kam das Desaster. Er war allein im Zimmer und saß auf seinem Bett. Sorgfältig packte er seine Satteltaschen wieder ein, denn er hatte beschlossen, schon am nächsten Tag weiterzureisen. Gerade schloss er die letzte Schnalle an seinem Gepäck, als die Tür aufflog und mit einem lauten Knall gegen die Wand krachte. Im Rahmen standen Takao und der blonde Grinsejunge. Jetzt grinste er allerdings nicht, sondern sah eher abgehetzt aus.
 

Mit gerunzelter Stirn sah er sie an und knurrte: "Könnt ihr nicht woanders spielen?"

Takao schüttelte den Kopf und sah sich um. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass niemand außer ihnen anwesend war, kam er näher und flüsterte: "Rasch, kommen Sie mit! Und nehmen Sie Ihr Gepäck. Die Magier wissen, was Sie sind, wir..." Weiter kam er nicht, denn Kai hatte die Gefahr sofort erkannt. Der Junge wusste also, dass er ein Hatesit war.

Mit einer blitzschnellen Bewegung zog er einen Dolch und gleichzeitig zerrte er den Jungen am Kragen zu sich. Die Klinge lag kühl und glatt auf Takaos Hals und Kais Stimme war schärfer als ein Messer, als er zischte: "Woher weißt du, was ich bin?"

"D...die Ma...Magier!", flüsterte er und seine angstgeweiteten Augen starrten auf den Dolch. "Wir...wir..." Der Andere unterbrach seinen Freund nervös, aber wesentlich gefasster: "Wir haben ein Gespräch belauscht. Die Magier haben irgendwie herausgefunden, dass Sie ein Bündniskrieger sind. Wir sind sofort her um Sie zu warnen. Rasch, kommen Sie mit uns, Sie müssen verschwinden, sonst werden die Sie töten!"
 

Nach kurzem Zögern ließ Kai den Jungen los. Er wusste nicht, warum die beiden das taten, aber er wusste, dass sie die Wahrheit sagten. "Kommen Sie.", sagte Takao, der sich wieder gefasst hatte. "Wir werden Ihnen helfen. Im Dojo von meinem Großvater..."

Kai schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab. Er griff nach seinem Mantel. "Ich reise weiter. Die werden mich in Ruhe lassen, sobald ich Nijan verlassen habe."

Takao schüttelte den Kopf. "Nein, ich glaube nicht. Hier gibt es ein paar Magier, die wollen alle Bündniskrieger auslöschen. Sie werden Sie verfolgen bis Sie oder sie selber tot sind."

"Und was soll mir dann eure Hilfe bringen? Ich würde euch nur in Gefahr bringen." Was redete er da? Seit wann machte er sich Sorgen um andere? Rasch schob er den Gedanken beiseite. Jetzt musste er über etwas anderes nachgrübeln. Und zwar, wie er so schnell wie möglich hier heraus kam.

"Aber...", begann der Blonde, doch Kai sah ihn mit einem seiner Mörderblicke an und der Junge verstummte sofort. Der Andere war etwas dreister: "Sie können nicht alleine überleben. Kommen Sie schon!"
 

Erst wollte Kai wieder ablehnen, aber dann kam ihm ein Gedanke. "In Ordnung.", grummelte er. Takao wollte schon nach einer Hand greifen, um ihn hinter sich herzuziehen, aber Kai wandte sich ab und griff nach seinem Gepäck. "Aber wir tun das auf meine Art. Geht runter und lenkt die Wirtin ab und wer sonst noch alles da ist. Mich soll niemand sehen. Dann haut ab, möglichst bevor die Magier kommen. Wir treffen uns im Osten, dann könnt ihr mich verstecken." Er stieß ein kurzes Lachen aus. "Falls euch das gelingt." Die beiden nickten und rannten sofort davon. Hoffentlich waren sie klug genug, es nicht zu auffällig zu machen!

Kai warf einen letzten, prüfenden Blick über das Bett, das er in den letzten Nächten benutzt hatte, und folgte dann Takao und dem Blonden, dessen Namen er nicht einmal kannte und der ihm trotzdem selbstlos Hilfe angeboten hatte, obwohl er wissen musste, dass bei dieser Aktion auch sein Leben auf dem Spiel stand.
 

~~~~~~~~
 

Also, mir gefällt Kai als Barde. Und die Balalaika musste einfach sein.
 

Bye

Silberwölfin

Alte Spuren

Titel: Krieger, Magier und Diebe

Teil: 4/24

Autor: Lady Silverwolf

Anime: Beyblade

Warning: OOC

Disclaimer: Die Hauptcharaktere gehören nicht mir und ich verdiene kein Geld mit dieser Fanfic.
 

"..." reden

//...// denken
 

~~~~~~~
 

~~~~~~~
 

Alte Spuren
 

Keuchend hievte Rei sich über die Steinkante des Plateaus. Er drehte sich um, um Mao zu helfen. Das Mädchen nahm seine Hilfe gerne an. Kevin saß in der Nähe und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Gaou kraxelte hinter dem einzigen Mädchen der Gruppe auf die schmale Plattform und ließ sich dann schlapp auf den Boden plumpsen. Einzig Lee versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, aber das ging gründlich schief. Er war genauso erschöpft wie sie alle.

Seufzend setzte Rei sich auf und hielt sein erhitztes Gesicht in den kühlen Wind, der an der Steilwand entlang fuhr. Vor zwei Wochen waren sie aufgebrochen und hatten Canih verlassen. Seitdem stiefelten sie in der Wüste herum, immer dem Pfeil nach. Sie waren weder auf eine weitere Insel gestoßen noch auf irgendwelche anderen Ansiedlungen. Nicht einmal einen weiteren Reisenden hatte sie zu Gesicht bekommen. Langsam glaubte Rei, der Pfeil würde absichtlich an allem vorbeilotsen, aber das war natürlich Unsinn.
 

Während den zwei Wochen waren Rei ein paar Dinge aufgefallen, die mit ihrem Auftrag zu tun hatten. Zum einen, dass es gar nicht so einfach war, in der Wüste irgendwelche Leute zu finden. Sie waren ja noch gar niemandem begegnet. Wie sollten sie da drei ganz bestimmte finden und diese auch noch weismachen, sie wären mit einem der Vier Göttlichen verbunden?

Aber das war noch die kleinere Schwierigkeit, so schien ihm. Die weit größere war, den Tisetahdieb selbst ausfindig zu machen. Immerhin wussten sie so gut wie nichts über ihn. Nur, dass er die Amulette stahl. Wie konnte man aus all den Leuten, die auf diesem Planeten lebten, den Dieb finden? Sie konnten ja noch nicht einmal sicher sein, dass es nur eine Person war! Es war zum Verzweifeln!

Von der Steinplattform, auf der sie gerade Rast machten, hatte man einen hervorragenden Ausblick über die Umgebung. Viel zu sehen gab es allerdings nicht. Bis zum Horizont erstreckte sich nur die Wüste, überspannt von einem scheinbar endlosen, blauen Himmel, auf dem keine Wolke, aber dafür die unbarmherzig brennende Sonne zu sehen war.
 

Risse, Schluchten, Spalten und sich auftürmende Felsen, Erd- und Steinbrocken bildeten ein verwirrendes, aber uninteressantes Landschaftsbild, auf dem kein Ort wie der andere war, aber sich alles irgendwie glich.

Am Anfang mochte ihn die Steinsformationen und die weite Landschaft mit Luft, die vor Hitze flirrte, beeindruckt haben, aber jetzt nach zwei Wochen in der heißen Einöde langweilte ihn jetzt alles nur noch. Er würde viel dafür geben, mal wieder auf eine Insel zu treffen. Dort gäbe es Schatten, Wasser im Überfluss, vielleicht sogar Bewohner. Er mochte seine Begleiter, es waren seine besten Freunde, aber Tag für Tag immer nur die gleichen Gesichter zu sehen war auf die Dauer langweilig und sogar nervenaufreibend.

Heute morgen waren sie nach ein paar Stunden strammen Marsches auf die Steilwand getroffen, an der sie nun hockten. Sie hatten sie schon von Weitem gesehen, aber der Pfeil führte sie direkt darauf zu.
 

Als sie schließlich davor standen, konnten sie links und rechts kein Ende sehen, aber der Pfiel verlange weiterhin von ihnen, geradeaus zu gehen. Lee kam auf die glorreiche Idee die Steilwand nicht zu umgehen - das hätte ja viel zu viel Zeit in Anspruch genommen - nein, er meinte, eine kleine Klettertour käme ihnen gerade recht.

Also hatten sie sich angeleint und ihr Gepäck festgeschnürt und waren die Wand hochgekrochen wie Fliegen. Diese ganze Aktion war weit schwerer, als es ausgesehen hatte, und viel kraftraubender als alle geglaubt hatten. Jetzt hatten sie etwa zwei Drittel des Weges hinter sich und waren bereits vollkommen ausgepowert.
 

Die Sonne hatte den Zenit längst überschritten und Rei fühlte sich ganz flau vor Hunger. Wenn er jetzt weiterklettern würde, würde er spätestens nach zwei Metern entgültig schlapp machen und abrutschen. Den anderen ging es bestimmt nicht besser.

In diesem Moment kam Kevin zu ihm gekrabbelt und setzte sich an die Steinkante, so dass er seine Beine baumeln lassen konnte. "Ich bin total kaputt!", jammerte er.
 

"Lee, das war eine deiner besten Glanzideen.", maulte Mao sarkastisch und sah ihren Bruder vorwurfvoll an. Sie hielt einen ihrer Fächer in der Hand, mit dem sie normalerweise kämpfte, und fächelte sich Luft zu. Die Fächer waren so gefertigt, dass sie kleine, scharfe Eisenkrallen zwischen den doppelten Lagen von Tuch und Holz verborgen hatten. Legte man am Griff einen Hebel um, so klappten sie beim Öffnen auf. Neben ihr lagen ihre Tasche und die lange Lanze.

Lee, der an die Wand gestützt da stand, sah sie kurz an und senkte seinen Blick. "Du hast ja Recht.", murmelte er schuldbewusst. "Aber ich dachte wirklich nicht, dass die Wand so...so hoch ist." Abschätzend richtete er seinen Blick nach oben. "Wir machen jetzt Pause.", erklärte er und nahm seinen Rucksack und den Kampfstab vom Rücken. Dann ließ er sich neben seiner Schwester auf den Boden sinken. "Zwei oder drei Stunden. Und ruhen uns aus."
 

"Gibt es was zu essen?", fragte Gaou, sofort wieder hellwach, nachdem er beinahe weggedöst wäre.

"Wenn du was holst, schon.", antwortete ihr Anführer. Seijo hatte Lee diese Stelle gegeben, da er glaubte, Lee wäre der Verantwortungsvollste unter den Fünfen. Damit hatte er wohl recht, aber manchmal hatte Lee eben doch ein paar absonderliche und auch total bescheuerte Ideen und Vorschläge, wie eben das Hinaufkrauchen einer riesigen Steilwand. Trotzdem würde er alles für seine Freunde tun, wirklich alles.
 

Gaou hatte inzwischen ein paar Vorräte ausgepackt und verteilte sie an alle. Rei rutschte an den Rand neben Kevin und schwang die Beine über die Kante. "Schöner Ausblick, was?", fragte er leise.

Kevin nickte kauend. Neben ihm lagen sein Rucksack und die beiden Nunchaku, mit denen er hervorragend umzugehen verstand. Sie alle trugen ihre Waffen griffbereit. Nur Gaou hatte keine, aber er benötigte auch keine. Ohne Waffe kam er viel besser zurecht.

Rei dagegen benutzte sehr viele Waffen, Messer und Dolche, die er an seinem gesamten Körper versteckt trug. Außerdem hatte er die Katzenklauen an seinem Handschuh. Das waren drei lange, leicht gebogene Klingen, die an der Spitze nach unten abknickten und so gefährliche Krallen bildeten. Sie waren beidseitig geschliffen und so an seinem Handschuh befestigt, dass sie ausgeklappt länger als seine Finger waren. Meistens trug er sie jedoch an seiner Hand befestigt, so dass sie ihn nicht behinderten.
 

Plötzlich zeigte Kevin nach Süden. "Da! Siehst du das?"

Angestrengt blickte Rei in die angegebene Richtung. Erst wollte er den Kopf schütteln, aber dann sah er einen Schatten. Was...war das? Es war groß. Oder doch nicht? Nein, es waren viele. Sehr viele. "Lee...", begann er drängend, aber der Andere hörte ihn nicht. "Lee...!"

Jetzt sah der Angesprochene auf. "Was ist?", wollte er von Rei wissen.

"Lee, schau!" Rei deutete nach vorn. "Da! Siehst du?" Auch die anderen beiden waren aufmerksam geworden und starrten angestrengt in die Richtung, in die Rei deutete.

"Wa...?", begann Mao und unterbrach sich dann selbst. "Das...das sind Njeedan!", flüsterte sie entsetzt. Lee fuhr herum und Kevin verschluckte sich.

"Njeedan?", wiederholte Gaou leise.

Mao nickte. "Ja."

"Lasst uns von hier verschwinden, verdammt!" Lee sprang auf und suchte hastig ihr Gepäck zusammen. Njeedan waren hässliche, gefährliche Monster, die mindestens doppelt so groß waren wie ein Mann und die am liebsten Menschenfleisch aßen. Ihre riesigen Schwingen verdunkelten beinahe den Himmel, so viele waren es.
 

"Na los, worauf wartet ihr noch? Wir sitzen hier doch wie auf dem Präsentierteller! Wenn die uns hier erwischen haben wir nicht die geringste Chance! Rasch!" Jetzt kam auch Bewegung in die anderen vier. Ebenso hastig wie ihr Anführer brachten sie das Gepäck wieder in Position.

Diesmal verzichteten sie auf Anleinung. Jeder musste so schnell wie möglich und ohne irgendwelche Störfaktoren klettern. Njeedan waren keine Gegner, die man ruhig sitzend erwarten konnte. Vor allem nicht auf einem doch recht schmalen Sims an einer Felswand, von denen man sie nur herunterzuklauben brauchte.

Rei sah noch einmal nach Süden, ehe er sich an die Kletterei machte. Der Großteil des aufflatternden Schwarmes war nach Süden gezogen. Aber einige kamen direkt auf sie zu! "Vielleicht haben sie uns schon bemerkt.", sagte Lee neben ihm, der seinen Blick bemerkt hatte. "Rasch!", brüllte er dann und begann zu klettern.
 

Rei tat es ihm nach. Er wollte nicht von den hässlichen Bestien hier erwischt werden nur um an ihre Kinder verfüttert zu werden. Die Kletterei war nicht nur kräftezehrend, sondern auch noch zermürbend. Sie wussten, wenn sie nicht schnell genug waren, würden sie sterben. Die Njeedan schienen sie zum Glück noch nicht bemerkt zu haben, denn sie flogen in einem gemächlichen Tempo auf sie zu. Aber irgendwann würden sie sie bemerken und die Geschwindigkeit drastisch erhöhen. Ein schriller Schrei riss ihn aus den Gedanken. "Mao!" Lees erschrockener Ausruf folgte sofort darauf.

Hastig suchte Rei nach dem Mädchen, aber er fand sie erst nach einigen Augenblicken. Sie hing baumelnd an einem Vorsprung. Unter ihren Füßen war ein Stein abgebrochen und sie krallte sich mit beiden Händen an den Felsen. Kevin, der ihr am nächsten war, kletterte schon geschickt wie ein Affe zu ihr hinüber. Rei starrte die beiden an. Angst ballte sich als Knoten in seinem Magen zusammen. Wenn Mao jetzt abstürzte...
 

Er wusste, dass er nichts tun konnte, um ihr zu helfen. Verzweifelt starrte er in Maos vor Anstrengung verzerrtes Gesicht, dann war plötzlich Kevin bei ihr. Rei atmete auf. Gut, dass sie den schmalen, geschickten Jungen mit dem Affentisetah dabei hatten. Die beiden passten perfekt zusammen.

Kevin gelang es rasch, Mao zu helfen, so dass sie wieder festen Felsen unter beiden Händen und Füßen hatte. "Weiter!", befahl Lee und warf einen besorgten Blick über die Schulter. Die Njeedan waren noch näher gekommen. Aber die Steinkante über ihnen ebenfalls.

Hastig zog sich Rei weiter, sprang von einem Plateau zum nächsten und versuchte, weder abzurutschen noch an die gefährlichen Wesen hinter ihnen zu denken. Über ihm erreichte Kevin als erster den Rand und drehte sich sofort um. Mit einem Schreckensschrei deutete er auf die Njeedan.
 

"Sie...sie sind gleich da!", brüllte er. "Beeilt euch!" Jetzt konnte Rei das Rauschen der riesigen Schwingen hören. Angsterfüllt warf er einen Blick über die Schulter. Sie waren weiter weg, als er gedacht hatte. Oder täuschte das nur?

"Träum nicht, klettere!", forderte Lee von der Seite und Rei folgte seinem Befehl. Oben zog Kevin gerade Mao über die Kante, kurz darauf folgte Gaou. Die beiden riefen sofort ihre Tisetah. Gaous Partner war ein großer, blauer Bär mit Hörnern und riesigen Klauen und sein Name war Gallzly.

Galux, Maos roter, gescheckter Luchs mit dem langen Schwanz und den blauen Klingen an den Vorderbeinen, fauchte die Njeedan laut und herausfordernd an, doch die kümmerten sich nicht um ihn. Sie wussten, dass er ihnen nicht gefährlich werden konnte, sofern sie der Kante nicht nahe kamen. Und das mussten sie nicht, weil Rei und Lee noch immer an der Steilwand hängen.

"Verflucht!", brüllte Lee. "Los, Rei beeil dich!" Sieben Njeedan waren es und jetzt waren sie da. Rei konnte ihren heißen Atem im Nacken förmlich spüren. "Nein.", murmelte er und verdoppelte seine Anstrengungen. Aber der befürchtete Hieb der Klaue, die ihn das Leben nehmen würde, blieb aus.
 

Dafür hörte er einen lauten, durchdringenden Schrei. Er drehte sich nicht um. Dann fühlte er plötzlich Maos Hand, die ihm über die Kante half. Gaou stand neben ihr und hielt einen riesigen Felsbrocken über den Kopf. Er warf den Stein und traf den Njeedan, der Lee am nächsten war. Wieder erklang ein Schrei und der Njeedan kam ins Taumeln. Beinahe wäre er abgestürtz.

"Rasch!", rief Kevin und streckte dem Ältesten von ihnen die Hand hin. Lee nahm sie an und war nun ebenfalls über die Kante.

"Ha!", rief Mao. "Jetzt sind wir an der Reihe!" Sie sprang zu Galux und griff ihm in das Nackenfell. Das Tosen der Njeedanschwingen wurde lauter, als die Wesen höher flogen und nun über ihnen waren.
 

"Schön.", murmelte Lee. "Sie wollen also Streit? Können sie haben!" Er und Rei riefen ihre Tisetah. Lees Partner Galeon war ein riesiger, schwarzer Löwe mit wallender weißer Mähne und einer Art Krone auf dem Kopf. Herausfordernd brüllte das mächtige Tier die Njeedan an. Driger neben Rei fauchte leise.

"Kommt zusammen.", befahl Lee. "Kevin, du bleibst bei mir. Bildet einen Kreis, einen Kreis!" Rasch wurden die Befehle befolgt. Die geflügelten Wesen über ihnen beobachteten sie dabei aufmerksam.

"Wollen...wollen die uns nicht angreifen?", fragte Kevin unsicher. Galman war kein Kämpfer, deshalb hielt er sich bei solchen Sachen meist zurück. Lee duckte sich, wie zum Sprung bereit. "Doch. Aber sie passen den richtigen Augenblick ab. Sie wissen, dass wir sie töten können. Rei, mach dich bereit, wir greifen an. Gaou, Mao, ihr gebt uns Rückendeckung."
 

Rei nickte, auch wenn er wusste, dass Lee ihn nicht ansah, und trat näher zu Driger. "Hast du gehört?", fragte er leise. "Machen wir uns bereit." Er wusste, was für einen Angriff Lee wollte. Nicht den Normalen mit Klauen und Zähnen, sondern den, bei dem sie die Kräfte der Tisetah benutzten.

Dafür wurde höchste Konzentration benötigt, man musste im Einklang mit sich und seinem Partner sein und die machtvollen Kräfte lenken können, die in den Tisetah steckten. Zudem kosteten sie von beiden Partnern Kraft, nicht körperlich, dafür geistig.

Rei schloss die Augen und sammelte sich. Rasch hatte er seinen Herzschlag gefunden, dann öffnete er den Geist, um Driger zu fühlen. Ihre Herzen schlugen im Gleichklang, die Seelen der Bündnispartner standen sich offen. "In Ordnung, Driger."
 

"Fertig?", drang Lees Stimme an seine Ohren. "Los!" Rei fixierte die Njeedan am Himmel und entfesselte für einen Moment die Kräfte des Tisetahs, die dieses sofort nutzte. Driger spang auf, so dass er nur noch auf den Hinterbeinen stand und hieb mit den Vordertatzen in die Luft. Blitze zuckten über sein Fell und sprangen um die Klingen an seinen Beinen herum, dann wurde die Energie über die Krallen freigesetzt.

Sie traf zwei der Njeedan und fegte sie regelrecht vom Himmel. Hart und mit einem unüberhörbaren Krachen und Bersten von Felsgestein schlugen sie auf dem Boden auf. Ein dritter Geflügelter wurde nur kurz herumgeschleudert, fing sich dann aber wieder und ging direkt zum Angriff über.
 

Driger kauerte sich am Boden zusammen und ein roter Schatten sprang über ihn hinweg und prallte gegen das fliegende Wesen. Galux' Schwung ließ ihn noch ein paar Meter weiter kollern. Sofort war der weiße Tiger wieder auf den Beinen und stürzte sich auf den wehrlos am Boden liegenden Njeedan. Die riesigen Zähne gruben sich in den Hals des Wesens, während seine Klauen den Leib zerfetzten.

Donner grollte, als Galeon zum zweiten Mal angriff. Galux war schon längst wieder auf den Beinen, als Driger zu Rei zurück kehrte, der seine Aufmerksamkeit inzwischen den anderen Kämpfen zugewandt hatte. Der Löwe hatte bei seinem ersten Angriff ebenfalls zwei Njeedan erwischt, beim zweiten die letzten. Lee erhob sich gerade wieder aus dem Dreck und fragte: "Und was soll an denen so gefährlich sein?"
 

Um sie herum lagen die monströsen Leichen von sieben Njeedan. Ratlos sahen die anderen sich an. Keiner wusste, warum man sie vor den Geflügelten gewarnt hatte. Dieser Kampf war doch nicht schwer gewesen und außerdem sehr kurz!

"Keine Ahnung.", gab Rei schließlich zu. Er rieb sich die Arme. "Wie auch immer, ich möchte nicht hier sein, wenn denen ihre Verwandten kommen. Lasst uns weiter gehen."

"Natürlich. Und zwar rasch." Schweigend nickten die anderen. Sie riefen die Tisetah zurück und machten sich auf den Weg. Mao holte den Pfeil heraus. Sie war einstimmig zu dessen Hüterin ernannt worden, auch aus dem Grund, da sie das Zweite Gesicht hatte wie Mui.

"Da lang.", sagte sie und deutete von der Steilwand weg. Was hatten sie anderes erwartet? Der Pfeil lenkte sie schon seit Tagen in diese Richtung. "Ich möchte mal wieder in eine Insel!", jammerte Kevin, nachdem sie schon einige Stunden gewandert waren. "Ich möchte etwas anderes Essen als trockene Vorräte, ich möchte mal wieder Leute sehen und ich möchte in einem richtigen Bett schlafen!"
 

"Denkst du, wir nicht?", fragte Lee zurück "Aber der Pfeil hat uns bis jetzt noch nicht in eine Insel gebracht."

"Das macht der extra!", beschwerte sich Kevin. "Wir sollten die Karte herausholen und zu nächsten Insel gehen."

"Nein, der Pfeil lenkt uns geradeaus. Wir dürfen keine Zeit verlieren. Wer weiß, wie schnell der Dieb immer mehr und mehr Amulette sammelt und immer stärker und stärker wird."

"Kevin hat recht, Lee.", mischte sich Mao ein. "Wir alle sind erschöpft und zerschlagen. Wir brauchen mal wieder eine richtige Unterkunft."

"Aber die Zeit..."

"...können wir uns nehmen.", meine Rei. "Ich glaube nicht, dass der Dieb so schnell zu neuer Macht kommt."

"...läuft uns davon."

"Woher willst du das wissen?", schnappte Mao. "Ich will ein Bad nehmen!"

"Und ich möchte wieder etwas Warmes essen.", erklärte Gaou. Der große Junge sagte selten etwas und war nicht der Klügste(was er selber auch wusste), aber er hatte ein Herz aus Gold und war sanft wie ein Lamm.

"Das wollen wir alle.", gab Kevin zu und Lee warf die Arme in die Luft.

"Also gut. Pack den Pfeil weg." Er lud seinen Rucksack ab und kramte die Karte heraus, die er sorgsam darin verwahrte. Er breitete sie auf dem Boden aus und studierte sie aufmerksam. "Schaut, hier sind wir." Lee deutete mit dem Finger. Wenn wir jetzt nach Nordwesten laufen, müssten wir bald eine Insel erreichen."
 

Er sah auf und blickte sie nacheinander an. "Aber so eine Insel birgt auch Gefahren. Wir haben zwar Geld, aber wir sind immer noch Hatesit. In den meisten Inseln herrschen aber Magier. Wir müssen die Amulette verstecken." Er und Gaou trugen die Anhänger an einem Ohrring, die anderen drei an Ketten um den Hals. "Sie dürfen nicht wissen, dass wir Hatesit sind."

Die vier nickten und Gaou fummelte sofort an seinem Ohr herum. "Warte, jetzt brauchst du das doch noch nicht zu tun. Wir brauchen mindestens fünf Tage, bis wir die Insel erreicht haben."

"Fünf Tage?", stöhnte Mao enttäuscht auf.

"Was?", fragte Lee leicht spöttisch. "Hast du erwartet, sie würde sich jetzt gleich vor unseren Augen auftun?"

"Nun...das nicht gerade. Aber etwas näher könnte sie schon liegen!"

"Falsch gehofft.", murmelte Rei. Auch er hatte erwartet, die nächste Insel etwas früher zu erreichen. Aber besser spät als gar nicht.

"Also?" Lee verstaute die Karte wieder. "Worauf warten wir noch?"
 


 


 

Zwei Tage später erreichten sie die Stadt. Natürlich war es nicht das, was sie erwartet hatten und schon gar keine Insel. Sie lag in einem großen Tal und war bereits halb zerfallen. Die Gebäude waren aus Stahl und Beton und ragten wie Gerippe in den Himmel. Sie waren riesig und vor allem hoch, aber man erkannte sofort, dass es nur noch Ruinen waren und ein Großteil bereits fehlte und eingestürzt war. Es musste wahrlich beeindruckend ausgesehen haben, als noch alles unversehrt gestanden hatte.

"Was...was ist das?", rief Rei erstaunt aus. Für lange Zeit herrschte Schweigen, in der die vier weiterhin die Ruinenstadt anstarrten. Kein Lebewesen war zu erkennen. Nicht einmal Pflanzen, auch keine Tiere. Für wie lange war die Stadt wohl unbetreten gewesen?
 

"Ich...ich glaube, dass ist eine Stadt der Alten.", murmelte Mao schließlich. Die Alten waren die, die auf dieser Welt gelebt hatten, ehe die Vier Göttlichen sie zu dem gemacht hatten, was sie heute war: die von Inseln und kleinen Oasen durchsetzte Wüste.

"Wollen wir uns das näher ansehen?", fragte Kevin aufgeregt und Gaou stimmte zu: "Na los, kommt."

"Wir könnten da unten sicher unser Nachtlager aufschlagen.", gab der praktische Lee zu. "Morgen ziehen wir weiter."

Lee setzte sich an die Spitze der kleinen Gruppe und führte sie über einen alten, zerrissenen Weg, der einst glatt gewesen war, in die Stadt hinunter. Von Nahem sah sie noch viel größer aus. Rechts und links ragten riesige Gebäude in den Himmel. Die Schluchten zwischen den Häusern waren größer als die meisten Risse im Wüstenboden.
 

"Irgendwie...", flüsterte Mao. "...gefällt mir das nicht." Es war unheimlich. Sie hatte Recht, durch und durch. Rei fühlte sich schlecht. Sie hatten hier keinen Zutritt. Die Stadt war längst ausgestorben und verlassen, tot. Niemand hatte mehr das Recht, hier zu sein. Auch nicht neugierige Wanderer, wie sie das waren. Es war nicht ihre Stadt. Sie lebten noch. Dies hier war ein Ort der Toten. Tot, wie die Stadt es selber war.

"Lasst uns...lasst uns das Lager außerhalb der Stadt aufschlagen.", flüsterte Kevin. Er war jetzt nicht mehr so aufgekratzt.

Lee nickte. "Ja. Ist wohl besser so."

Ein Geräusch von polternden Steinen ließ sie herumfahren. "Ist da wer?", flüsterte Mao.

"Du solltest rufen. So kann dich niemand hören. Vielleicht meldet sich jemand.", murmelte Lee ebenso leise.

"Du flüsterst doch auch!", schimpfte Mao schwach zurück.

"Wahr...wahrscheinlich nur ein Tier.", meinte Rei, obwohl er wusste, dass das nicht sein konnte. Hier waren keine Tiere. Kevin klammerte sich an ihn und Gaou sah sich beunruhigt um. Er sah aus, als wolle er im nächsten Moment abhauen.
 

"Wir...wir sollten besser gehen.", sagte Lee in normaler Lautstärke. "Und zwar schnell." Zügig eilte er davon. Die anderen beeilten sich, ihm hinterher zu kommen. Rei warf noch einem Blick zurück. Da! War da nicht jemand? Er bildete sich ein, einen Schatten gesehen zu haben, aber dieser war beinahe sofort wieder verschwunden. Also doch nicht. Beruhigt atmete er auf.

Es war die reinste Horrortour, bis sie die Stadt, die sich als größer erwies als gedacht. Sie atmeten auf, als sie das Tal wieder verlassen hatten. "Das hätten wir uns sparen können.", murmelte Lee.

"Für das nächste Mal wissen wir Bescheid.", erklärte Rei gutgelaunt. Jetzt, wo sie die Stadt verlassen hatten, mussten sie sich keine Sorgen mehr machen. Die anderen nickten und Lee suchte nach der Karte.
 

"Was hast du vor?", wollte Mao wissen.

"Ich werde die Stadt eintragen."

"Warum?"

"Weil Mui gesagt hat, ich solle alles, was noch nicht drauf ist, eintragen. Und das ist die Stadt nicht."

"Aber sie hat sicher nicht an so etwas gedacht!"

"Wer weiß. Jedenfalls gehört ich die Stadt zu ,alles'. Darum trage ich sie ein."

"Wie du meinst." Mao sah zurück und rieb sich die Arme. "Ich denke aber nicht, dass das nötig ist. Die Stadt will bestimmt niemand freiwillig besuchen."

"Wer weiß, was die Zukunft bringt?", fragte Lee grinsend zurück und Mao schnaubte.

"Hör auf, mich zu zitieren!", fuhr sie ihn an.
 

Schweigend hörte Rei auf einem Ohr zu, während er sich auf die Stadt konzentrierte. Die Geschwister zankten sich ständig auf diese Weise; sie alle waren es gewohnt. Es war ihre Art, Stress abzubauen und mit ungewöhnlichen Situationen fertig zu werden.

Rei beschäftigte dagegen etwas anderes. Hatte er sich das nur eingebildet oder stimmte es tatsächlich, dass die Stadt nicht so leer war, wie es aussah? Jedes Mal, wenn er sich umgesehen hatte, hatte er einen Schatten gesehen. Er war immer schnell verschwunden, so dass es eine Sinnestäuschung sein konnte. Aber sicher war er sich nicht. Vor allem nicht, da er ständig einen stechenden Blick im Nacken gespürt hatte.
 

Ob dort unten doch jemand lebte? Wenn ja, dann bedauerte er ihn, in einer solchen Stadt leben zu müssen. Oder hatte sich dieser Jemand die Stadt als Wohnort gewählt um ungestört zu sein? Sollte er Lee von seiner Beobachtung erzählen?

"Lasst uns schnell weitergehen.", bat Kevin noch immer etwas ängstlich. "Die Stadt ist mir nicht geheuer. Ich fühlte mich so...beobachtet."

"Ach was.", winkte Lee ab. "Da ist niemand."

"Ich habe auch etwas gefühlt, Lee.", gab Rei zu. "Ich weiß nicht, ob da wirklich jemand ist, aber wir sollten kein Risiko eingehen. Kommt schon." Die anderen stimmten ihm zu, auch Lee. Rasch wanderten sie weiter.
 


 


 

Die Insel, die sie nach drei weiteren Tagen erreichten, war ebenso ungewöhnlich. Sehr klein, aber grün und mit einem blauen See in der Mitte. Nichts war es mit Bewohnern, anderen Menschen treffen. Hier lebte niemand.

Lee ordnete an, dass sie zwei Tage bleiben würden. Von hier konnte man gut jagen und die Vorräte auffrischen. Dann würden sie weiterziehen. Auch hier stießen sie wieder auf etwas, was sie nicht erwartet hätten.
 

Eine Höhle im Felsen. Das allein wäre noch nichts Ungewöhnliches. Es gab hier recht viele Höhlen, aber diese eine war etwas besonderes. Stahltüren versperrten den Eingang. Sie schienen schon sehr alt zu sein, denn sie hatten rotbraunen Rost angesetzt und teilweise schon Dellen, aber sie war noch fest verschlossen.

Lee und Gaou versuchten zwar, sie zu öffnen, aber mit wenig Erfolg. Lee trug die Tür gewissenhaft in seine Karte ein - man konnte ja nie wissen! - und ließ dann die Tür Tür sein. Sie hatten eine wichtige Aufgabe zu erledigen, bei der sie keine Türen in Höhlen stören durften. Nicht einmal, wenn es Stahltüren der Alten waren.

Ob er damals schon gewusst oder zumindest geahnt hatte, was sie erwarten würde?
 

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Ich würde mich über ein paar Kommis freuen.
 

Bye

Silberwölfin

Aller Anfang...

Titel: Krieger, Magier und Diebe

Teil: 5/24

Autor: Lady Silverwolf

Anime: Beyblade

Warning: OOC

Disclaimer: Die Hauptcharaktere gehören nicht mir und ich verdiene kein Geld mit dieser Fanfic.
 

"..." reden

//...// denken
 

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Aller Anfang...
 

Gelangweilt starrte Kai auf die weiße Wand des Zimmers. Takeru, der Großvater von Takao, hatte es ihm für einige Tage zur Verfügung gestellt. Durch die beiden Fenster fiel helles Sonnelicht und zeichnete goldene Vierecke auf den Boden, die mit dem Sonnenlauf wanderten.

Kais Hauptbeschäftigung an diesem Tag - ebenso wie an den letzten dreien - war es gewesen, eben diese Wanderung zu beobachten. Viel hatte er nicht zu tun, vor allem nicht, da ihn niemand sehen durfte. Sonst waren alle Mühen umsonst.

Aus dem Wirtshaus hatte er es unbemerkt geschafft. Max, der Blonde, dessen Namen er inzwischen erfahren hatte, sowie Takao hatten sich wirklich nicht dumm angestellt bei der Aufgabe, die Anwesenden abzulenken. Niemand hatte Verdacht geschöpft. Der Stalljunge war schnell ausgeschaltet gewesen und Funkensterns Hufe flink. Die Stute brannte darauf, wieder loszulaufen. Er hatte ihre Enttäuschen, so schnell wieder zu halten, beinahe spüren können.
 

Es hatte weit länger gedauert, bis Takao und sein Freund endlich da gewesen waren. Sie seien kurz davor gegangen, bevor die Magier gekommen waren, hatte Max erzählt, nachdem er sich vorgestellt hatte. Als sie zum Dojo gegangen waren, hatten sie Funkenstern im Wald gelassen, da es beim Takao keinen Stall gab. Takeru hatte Kai herzlich begrüßt, dem das Verhalten des Alten wie der Kinder sehr suspekt vorkam. Anscheinend wusste er über die ganze Aktion Bescheid.

In den letzten Tagen hatte Kai viel nachgedacht - über die Magier, die Hatesit, den Streit zwischen beiden, die Menschen an sich. Die wichtigste Frage, die ihn beschäftigte, war allerdings die, warum Takao, Max, Takeru und all die, die noch von der Sache wussten, ihm halfen. Das war unverständlich für ihn. Wäre er an ihrer Stelle gewesen, das Äußerste, was er getan hätte, wäre den Betroffenen zu warnen. Wenn überhaupt.
 

Im Allgemeinen scherte ihn nicht, was mit den Leuten um ihn herum geschah. Er war immer allein gewesen und er hatte auch nicht vor, das zu ändern. Andere Leuten hielten ihn nur auf und störten ihn. Dafür erwartete er auch keine Hilfe von ihnen. Er brauchte das nicht; er war stark genug.

Urplötzlich wurde die Tür aufgestoßen und krachte mit polterndem Getöse gegen die Wand. Kai sah auf. Er erschrak nicht. Zumindest nicht mehr. Takao betrat dieses Zimmer meist auf diese Art.

"Ich hab dir was zu essen mitgebracht!", trompetete der Junge und stellte das große Tablett, das über und über mit Tellern und Schüsseln vollgestellt war, auf dem Bett ab und hockte sich daneben. "Was ist?", fragte er, als Kai keine Anstalten machte, zuzugreifen. "Hast du keinen Hunger?"

"Hn.", machte Kai. Nein, er hatte keinen Hunger. Es war erst wenige Stunden her, dass Takao mit dem selben Getöse das Mittagessen gebracht hatte.

"Nicht?", fragte der Junge noch einmal und griff dann selber herzhaft zu. Bei den Göttlichen, der Kerl konnte wirklichrund um die Uhr essen! Kai schüttelte den Kopf.
 

"Kannst du eigentlich auch mal den Mund auftun?", maulte Takao. "Immerhin haben wir dir geholfen. Können wir da nicht etwas Höflichkeit erwarten?"

"Hn.", machte Kai statt der verlangten Antwort und starrte wieder auf das goldene Rechteck auf dem Zimmerboden.

"He!", explodierte Takao und hätte beinahe eine Schüssel Reis umgeworfen. "Was hab ich gerade gesagt?!" Der Angesprochene sah ihn kurz an und zog eine Augenbraue hoch, ließ sich aber nicht zu einer gesprochenen Antwort hinab. Dieses ,Gespräch' hatten sie in den letzten Tagen schon mehrmals geführt und es lief immer darauf hinaus, dass Takao wutschnaubend hinaus stapfte.
 

Aber heute schiene es anders zu sein. Immerhin stand ein großes Tablett mit Essen direkt vor seiner Nase und nach einigen Minuten sinnloses Geplapper von dem Langhaarigen erschienen Max, Hiromi und Kenny in der Tür. Kai hatte die drei erst einmal zu Gesicht bekommen, nämlich am Tage seiner Ankunft, und seitdem nicht mehr. Jetzt kamen sie alle drei freundlich herein und nahmen Platz. Max schloss die Tür hinter sich, ehe er sich auf die Fensterbank hockte.

Was sollte das werden? Allgemeine Fragestunde an den abweisenden Fremden, den man liebenswürdigerweise zu Hause aufgenommen hatte? Kai ignorierte sie, während Takao sie mit vollem Mund begrüßte. "Takeru sagt, du kannst bald weiter.", begann Kenny das Gespräch, was ihm sofort Kais Aufmerksamkeit einbrachte. Sie waren dazu übergegangen, ihn wie einen ihrer Freunde zu behandeln, nachdem sie herausgefunden hatten ,dass er nur zwei Jahre älter als Takao, Max und das Mädchen war.
 

"Die Magier sind heute zurückgekommen.", erzählte Kenny weiter. "Nachdem sie dich nicht ,eingeholt' haben." Kai nickte nachdenklich. Vielleicht konnte er schon heute los? Funkenstern wartete sicher schon auf ihn, begierig in der weiten Ebene der Wüste in langgestreckten Galopp zu fallen. Was sie wahrscheinlich den Hals kosten würde.

"Du.", begann Takao noch immer mit vollem Mund, aber erstaunlich verständlich. Kai sah ihn an. Also doch Fragestunde. Nun gut, er würde antworten, bald war er diese unreifen Kinder sowieso los. "Was hat es mit diesem komischen Dieb auf sich, der die Amulette klaut?"
 

Ernstes Thema. Das die sich darüber Gedanken machten, hätte er nicht gedacht. Aber wieso interessierte sie das? Betraf es sie etwa auch? Na, ihm konnte es egal sein. Er zuckte die Schultern. "Woher soll ich das wissen? Ich bin ihm glücklicherweise noch nicht begegnet."

"Aber du hast von ihm gehört?", bohrte Hiromi weiter.

Kai nickte. "Ich bin einem Hatesit begegnet, dem sein Amulett gestohlen wurde. Der hat mir davon erzähl." Allgemeine Verwirrung. Was begriffen die jetzt schon wieder nicht?

"Was ist ein ,Hatesit'?", wollte Max wissen. Das konnten sie tatsächlich nicht wissen.

"Bündniskrieger.", grummelte er. "Wir nennen uns selber Hatesit. Unsere Partner sind die Tisetah. Die Bindung selber nennen wir Teshita. Wisst ihr denn gar nichts darüber?"
 

Synchrones Kopfschütteln. Kai verdrehte die Augen, sagte aber nichts. Natürlich wussten solche Kinder nichts darüber. Er würde sie nicht ermutigen, noch mehr dumme Fragen zu stellen.

"Tu nicht so, als ob wir totale Trottel wären!", schimpfte Max. Der Junge hatte eine erstaunliche Menschenkenntnis.

"Beweiß mir das Gegenteil.", antwortete Kai spitz.

"Ich habe meine Bindung - wie sagtest du? Teshita? - erst letztes Jahr gemacht.", erklärte Max. "Und ich habe Draciel seitdem nicht einmal gerufen. Kenny und Takao sind die ersten...Hatesit, die ich getroffen habe. Woher sollen wir wissen, wie man uns nennt?" Hatesit? Diese Bengel waren alle drei tatsächlich Bündniskrieger?
 

"Jetzt bist du erstaunt, was?", triumphierte Takao mit vollem Mund. "Hn.", machte Kai und der Junge zuckte verärgert zusammen und sein Blick verfinsterte sich. Das hätte sicher bedrohlicher ausgesehen, wenn er sich nicht im selben Moment verschluckt hätte und versuchte, krampfhaft hustend wieder Luft zu bekommen. Hiromi klopfte ihm auf den Rücken, bis er sich wieder beruhigt hatte, und fragte: "Wann hast du deine Bindung gemacht? Und mit wem?"
 

Kai warf ihr einen Blick zu, der bedeutete, dass sie das alles nichts anging, antwortete aber trotzdem: "Ich war vier und sie heißt Dranzer." Er zog den Schal an seinem Hals etwas herunter um ihnen das rotgoldene Amulett zu zeigen. Warum erzählte er diesen Kindern das überhaupt alles? Sein Leben, seine Teshita und vor allem seine süße Dranzer gingen die nichts, aber auch gar nichts an! Warum hatte er das Bedürfnis, ihnen das trotzdem zu erzählen?

Verflucht! Manchmal war das Leben wirklich zum kotzen! Was hatte er getan, so etwas zu verdienen? Hatte er nach allem, was er durchgemacht hatte, nicht auch wenigstens kurz etwas Glück verdient?
 


 


 

Max beschäftigten derweil ganz andere Gedanken. Bildete er es sich nur ein, oder hatte die sonst kalte, emotionslose Stimme des Fremden einen warmen Unterton bekommen, als er von seinem Tisetah - wie schnell man sich an solche neuen Begriffe gewöhnte! - gesprochen hatte?

Wie auch immer, Max hatte schnell erkannt, anders als die anderen drei, dass Kai nicht so kalt und - ja, böse(wie Takao sich ausgedrückt hatte) war, wie er tat. Es war nur eine Maske. Max wusste nicht, warum gerade er so schnell dahinter gestiegen war.

War es, weil er selbst of seine wirklichen Gedanken hinter einer Hülle aus Trotteligkeit und Schwachsinn verbarg? Oder weil er eine gute Menschenkenntnis hatte? Oder weil er in den Gesichtern und Augen seiner Gegenüber lesen konnte wie in einem Buch? Zugegeben, letzteres war bei Kai beinahe unmöglich, da sein Gesicht die meiste Zeit vollkommen unbewegt war und sich in Kais Augen etwas wie eine geistige Mauer befand, die nichts nach außen dringen ließ.
 

Aber eben auch nichts hinein. Max wusste, wie idiotisch und unsinnig diese Gedanken waren, aber erst am letzten Abend hatte er sich gefragt, wann Kai das letzte Mal gelacht oder auch nur gelächelt hatte. Ob der fremde Hatesit überhaupt wusste, was ,Glück' bedeutete?

"Mit vier?", rief Takao erstaunt aus. "Aber... Ich hatte meine erst mit elf! Und Kenny mit sieben!"

"Vier ist früh, sieben auch.", gab Kai zu. "Die meisten schließen ihre Teshita in der Pubertät. Man kann sie theoretisch das ganze Leben über schließen." Wow! Das, was Kai in den letzten paar Minuten gesagt hatte, war mehr als in den letzten drei Tagen! Vielleicht erfuhren sie doch mehr, als er gedacht hatte.

"Ja, genau. Dieser Tisetahdieb. Was macht er? Wofür braucht er sie? Und was passiert mit den Hatesit? Wie sieht er aus? Hat er Verbündete? Wie...?"
 

Kai unterbrach Takaos Frageschwall ungehalten: "Was willst du eigentlich von mir? Dass ich hellsehe? Mir ist er noch nicht begegnet. Ich habe zwar mit jemandem gesprochen, dem sein Amulett gestohlen wurde, aber nicht einmal der hat den Dieb gesehen."

Takao stöhnte gequält auf und wandte sich wieder dem Tablett zu. Hiromi fing die ganze Sache geschickter an. "Was hört man denn so in der Wüste über ihn?"

"Verschiedenes."

"Bitte?"

"Verschiedenes.", wiederholte Kai. "Unter den Hatesit ist er Thema Nummer eins."

"Verständlich.", antwortete Kenny. "Ich meine, wenn da so ein Kerl herumläuft, der einem seinen Bündnispartner stehlen will." Er schüttelte sich. Max lächelte gedankenverloren. Auch die vier Freunde hatten in den letzten zwei Tagen nur zwei Themen gehabt: Kai und den Tistahdieb.
 

Kai seufzte. Anscheinend war er zum Schluss gekommen, die Informationen, die über den Dieb vorhanden waren, ihnen nicht vorenthalten zu können. Darum erklärte er jetzt mit leiser, dunkler und vor allem melodischer Stimme, was er über den Dieb gehört hatte: "Er lässt sich niemals blicken. Alle berichten, dass es sehr schnell gegangen ist. Sie wurden neidergeschlagen oder auf eine andere Art betäubt. Oder es war eben ein Taschendieb, jedenfalls war das Amulett von einen auf den anderen Augenblick nicht mehr da. Wegzaubern ist unmöglich, auch Magie kann nicht alles vollbringen. Jedenfalls ist es unklar, ob Mann oder Frau, welches Alter oder welcher Stand, man weiß eben so gut wie nichts über den Dieb selber. Es wird allerdings vermutet, dass es mehrere Personen sind. Manche sagen, es seien Techniker oder Krieger, andere sprechen von Magiern oder Verbundenen, also Leuten, die mit einem Dämon oder Teufel einen Pakt geschlossen haben, wieder andere behaupten, es seine Hatesit, aber das halte ich für unwahrscheinlich. Was er mit den Tisetah will - nun, es kursieren die wildesten Gerüchte. Es heißt, er wolle sie opfern, sie töten oder ihre Kräfte missbrauchen, was nicht nur eine Sünde, sondern auch sehr wahrscheinlich wäre. Er taucht überall auf und verschwindet wieder. Irgendwo hat er - so behaupten viele - ein Hauptquartier, von wo aus er auf Beutezug geht. Kein Hatesit ist vor ihm sicher."
 

Die letzten Worte klangen etwas bitter, hatten aber auch einen hämischen Unterton und Max hörte beinahe, wie Kai in Gedanken hinzufügte: "Wenn er mir meine Dranzer stiehl, lebt er nicht mehr lange."

Die vier Freunde hatten ernst und aufmerksam zugehört, sogar Takao, der extra die Essstäbchen weggelegt hatte. Jetzt griff er wieder danach und fragte: "Theoretisch könnte der Dieb auch in Sepun leben und niemand wüsste davon?"

Kai nickte, sagte aber nichts mehr. Er schien der Meinung zu sein, genug gesagt zu haben. Wahrscheinlich hatte er im letzten Jahr insgesamt weniger gesprochen.

"Kann man da nichts gegen tun?"

"Hn.", stimmte Kai zu und zuckte die Schultern.

"Wenn niemand weiß, wer es ist, woher er kommt und was er will - ich fürchte, eher nicht.", antwortete Kenny. "Wie willst du das anstellen? Ihn jagen?"

"Warum nicht? Man müsste doch..."

Hiromi unterbrach ihn: "Takao, ich glaube, du vergisst da etwas."

"Und das wäre?"

"Denk doch daran, dass da draußen ich-weiß-nicht-wie-viele Hatesit herumlaufen. Keine von ihnen möchte seinen Partner verlieren, aber manchen ist es eben doch geschehen. Und alle machen Jagd auf den Dieb oder halten zumindest die Ohren offen. Stimmt' s, Kai?"
 

Der Fremde nickte bestätigend und fügte hinzu: "Es verschwinden recht oft irgendwelche Hatesit. Der Dieb nimmt sie mit, um zu verhindern, dass sie sterben." Starb ein Hatesit oder ein Tisetah, starb der Bündnispartner mit, wusste Max.

"Sind...sind wir auch gefährdet?", wollte Kenny unsicher wissen. Kai nickte.

"Was können wir dagegen tun?"

Kai breitete die Hände aus. "Nichts. Nur unentdeckt bleiben."

Eine Weile herrschte Stille im Raum, nur unterbrochen von Takaos Schmatzen. "Was ist?", wollte Kai plötzlich wissen. "Ist es so interessant, hier herumzusitzen und mir auf den Geist zu gehen?"

Die Vier sahen den fremden Jungen an und erhoben sich. Der hatte ja keine hohe Meinung von ihnen. "Gehen wir.", murmelte Kenny. Takao nahm das Tablett mit und sie setzten sich in die Küche.

"Kai ist ja nicht sonderlich begeistert von uns.", murmelte Hiromi und Takao erklärte wütend: "Wir hätten ihn gar nicht herbringen sollen! Wäre er doch losgezogen, wie er es gewollt hatte!"
 

Max seufzte. "Dann wäre er jetzt wahrscheinlich tot." Er setzte sich wieder auf die Fensterbank. "Heut Nacht geht er."

"Woher willst du das wissen?", fragte Kenny. "Merkst du nicht, wie es ihn in den Fingern juckt, endlich wieder loszukommen?", fragte Max zurück, doch der andere schüttelte den Kopf. "Nein. Durch diese Steinmaske, die der ,Gesicht' nennt, dringt absolut nichts!"

"Ich wäre nach drei Tagen in diesem Zimmer schon lange verrückt geworden!", murmelte Takao. "Wer geht heut zu dem Pferd?"

"Du bist dran.", erklärte Hiromi.

"Oh je, nicht dein Ernst, oder?"

"Stimmt aber.", lächelte Max. "Ich schlage vor, du isst fertig und machst dich auf die Socken. Dann kommst du zur Laube."

"Okay, okay.", maulte der Langhaarige missmutig und schob sich den letzten Bissen in den Mund. "Ihr geht schon mal vor!"

Rasch stellte er das gebrauchte Geschirr in die Spüle, dann gingen sie hinaus. Takeru befand sich mit einigen Schülern in der Übungshalle. "Wir gehen, Opa!", rief Takao hinein und erhielt ein abwesendes Nicken als Antwort. Sofort rannte der Junge los.
 

Es wurmte ihn ganz schön, dass er zu der Stute musste, aber sie hatten es Kai nun mal versprochen. Und Takao hielt seine Versprechen immer. Funkenstern hatten sie tief im Wald in einer Höhle untergebracht, wo es genug zu fressen gab und einen Bach in der Nähe. Die letzten Tage war sie dort geblieben.

Auch jetzt befand sie sich unter einigen Bäumen, obwohl er sie erst nach kurzem Suchen entdeckte. Das schwarze Tier verschmolz beinahe perfekt mit den Schatten, vor allem, da es jetzt langsam dunkler wurde, weil die Sonne unterging. Er ging kurz zu ihr, prüfte, ob alles noch in Ordnung war und ging wieder.

Auf dem Rückweg stieß er mit jemandem zusammen. Fluchend gingen beide zu Boden, aber Takao war als Erster wieder auf den Beinen und als er erkannte, wer ihm gegenüber stand, fluchte er noch lauter. Jeder, der sie kannte, wusste von ihrer fortwährenden Feindschaft.
 

"Ah, sieh an, sieh an!", frotzelte der Junge am Boden und erhob sich geschmeidig. "Takao Kinomiya. Was für eine Überraschung!"

Takao starrte ihn wütend an. Die letzte Schmach hatte er nicht vergessen. "Lass mich in Ruhe, Toki!", brüllte er. "Ich hab kein Bock auf deine Gesellschaft!"

Toki und seine beiden Freunde, die ihn meistens überall hin begleiteten, grinsten nur. "Heute ohne deine Freunde? Niemand, der dicht tröstet, wenn du wieder am Boden bist?"

Allgemeines Gelächter. Takao fühlte Wut in sich aufsteigen. Ja, er erinnerte sich auch an den Vorfall. Und an Tokis gemeinen Trick, der ihn nicht mehr hatte aufstehen lassen, bis einer der Meister den Zauber von ihm genommen hatte. Ja, er erinnerte sich ganz genau daran, wie es war, vor Toki und diesen anderen aufgeblasenen Magierschülern im Dreck zu kriechen, Staub zu schlucken.

"Willst du nicht noch einmal einen Kniefall machen vor dem größten Magier der Zukunft?", hänselte Toki ihn weiter. Die Worte und Beleidigungen, die sich in Takao angestaut hatten, brachen hervor und Toki wurde mit einem Schwall der wüstesten Beschimpfungen überschüttet. Doch er lächelte die ganze Zeit über so, als wüsste er etwas, das Takao nicht wusste. Er reagierte in keiner Weise auf die Worte des Langhaarigen.
 

Erst als diesem die Luft ausging, klatschte er spöttisch in die Hände und höhnte: "Gut gemacht, Kinomiya. Wirklich, sehr gut gemacht. Aber jetzt Spaß beiseite, wir haben nicht ewig Zeit. Weißt du, dahinten ist ein schwarzes Pferd. Es gehört dem Bündniskrieger, der letztens da gewesen ist."

"Echt?", wollte Takao zähneknirschend wissen. "Keine Ahnung, ich war nicht dort." Im gleichen Moment, in dem er das sagte, wusste er, dass er einen Fehler gemacht hatte. Nicht umsonst hieß es, dass man Magier niemals anlügen sollte. Und genau das hatte er eben getan.
 

Prompt sprang Toki darauf an und seine Augen glitzerten gefährlich. Mit einem hämischen Grinsen fragte er: "Warum lügst du?" Eine Pause entstand, dann fügte er hasserfüllt zischen hinzu: "Bündniskrieger!"

Takaos Gesichtszüge entgleisten. Woher wusste Toki...? Aber das war egal. Toki wusste es und Takao war so gut wie tot, wenn ihm nicht schnell etwas einfiel. Denn weil Toki spätestens jetzt wusste, dass seine ,Beschuldigung' der Wahrheit entsprach, gab es keinen anderen Ausweg mehr als die Flucht.

Takao wusste nicht, was er tat, er handelte einfach und das war das einzig Richtige, was er in der Situation machen konnte. Mit einem lauten Schrei stürzte er sich auf einen von Tokis Freunden. Ein gutgezielter Schlag genügte und der Junge sackte ohnmächtig zusammen. Es hatte eben doch seine Vorteile, wenn der Großvater Kampflehrer war.
 

Der Zweite war nicht so einfach zu erledigen, aber drei, vier gut gezielte Schläge ließen den Angegriffenen keine Chance. Wimmernd krümmte er sich auf dem Boden zusammen. Toki jedoch hatte sich rasch gefasst. Als Takao auch ihn anspringen wollte, wurde er plötzlich zurückgeschleudert wie von einer unsichtbaren Hand.

Mit einem wütenden Schrei warf der Langhaarige die Beine in die Luft und sprang auf. Dem nächsten Zauber von Toki entkam er, indem er mit einem mächtigen Satz zur Seite sprang. Toki ignorierte den Fehlschlag und konzentrierte sich auf den nächsten Zauber, diesmal etwas Größeres.

Wieder reagierte Takao instinktiv und zum ersten Mal in seinem Leben rief er Dragoon, sein Tesitah. Ein heulender Wind fuhr plötzlich durch Wald, bog die Wipfel der Bäume, so dass es aussah, dass sie sich vor dem riesigen Wesen verbeugen würden, der plötzlich hinter Takao auftauchte, getaucht in ein grünes Licht.
 

Blitzschnell nahm der riesige Drache Gestalt an. Sein langer, schlanker Körper war mit blauen Schuppen bedeckt, die im Sonnenlicht schillerten, die vier riesigen Klauen, die vor allem vorn enorme Krallen zierten, gruben sich tief in das Erdreich, die langen Klingen an den Ellbogen blitzten kalt im Licht und der schmale Echsenkopf war Toki zugewandt. Die goldenen Augen der riesigen Echse fixierten den Magierschüler, der ihn mit angstgeweiteten Augen anstarrte, während der lange Schwanz Dragoons durch den Wald schnellte und Bäume umfegte.

Takao duckte sich ängstlich, dann schnellte Dragoons Schwanz plötzlich nach vorn. Er traf Toki vor die Brust und die Wucht des Schlages schleuderte den Jungen quer durch die Luft. Sein Flug fand ein abruptes Ende, als er gegen einen Baum krachte und besinnungslos auf den Boden fiel. Sofort verschwand der Drache wieder.
 

Einen Moment blieb Takao wie betäubt sitzen. Dann vernahm er ein tiefes, aufforderndes Grollen, als Dragoon Kontakt mit ihm aufnahm, und sprang auf. Er wusste nicht, was er tat, handelte einfach wie in Trance. Seine Beine trugen ihn rasch zu der Höhle zurück, bei der Funkenstern wartete. Mit zittrigen Fingern zäumte er die Stute auf, die freudig schnaubte, und schnallte Kais Gepäck, das sie hier gelagert hatten, hinter den Sattel. Dann schwang er sich auf den Rücken der Stute und lenkte sie nach Osten.

Dorthin, wo der Rand der Insel war.

Dorthin, wo die Wüste war.

Dorthin, wo er weiterleben konnte.

Dorthin, wo die Freiheit war.
 


 


 

Ruhe, so schöne Stille. Wie konnte es sein, dass so wenig Leute die Stille so schnell und so gründlich vertreiben konnten? Gerade mal vier Kinder! Kai erhob sich und ging zum Fenster hinüber. Von dort hatte man einen hervorragenden Ausblick nach hinten hinaus. Der Dojo der Kinomiyas stand direkt am Stadtrand. Dahinter waren nur noch Wiesen und Wald.

Kai bemerkte Takao, der auf dem Waldrand zurannte. Wo hatte er seine Freunde gelassen? Und wo wollte er hin? Nach einem Moment fiel es ihm ein. Funkenstern war dort hinten. Takao ging anscheinend zu ihr. Gut, das war das letzte Mal. Heute Nacht würde er wieder losziehen. Wenn er den Alten hörte, würde er mit ihm darüber sprechen, oder besser: es ihm mitteilen.

Nachdenklich starrte Kai auf den Wald. Dort, ganz weit entfernt, nur als eine dünne Linie erkennbar, befand sich der Rand der Insel. Und dahinter war die Wüste. Eine Weile stand er am Fenster und sah der Sonne zu, wie sie sich dem Horizont zuneigte und den Himmel langsam rot färbte, dann wandte er sich wieder ab.
 

Die plötzliche Bündelung von Macht ließ ihn wieder herumfahren. Was, bei den Göttlichen...? Dort, hinten im Wald, geschah etwas. Genaues konnte er nicht erkennen, aber er meinte etwas Blaues im schwindenden Sonnenlicht glitzern zu sehen, und Bäume, die unter der Wucht von etwas Starkem, Großen umknickten wie Zahnstocher.

Ein Tisetah, war ihm klar. Die Macht ,die das Wesen ausstrahlte, vibrierte in seinen Nerven und ließ seine Fasern zittern. Sie schmeckte nach Wind und Luft, nach Gewitter und Sturm. Sie kam Dranzers Kraft nahezu gleich, eine andere Art natürlich, aber bei einem Kampf zwischen beiden würde es keinen Sieger geben.

Hastig fuhr Kai auf. Das musste einer der Junge sein, denn ein Tisetah entlud solche Macht nur bei einem Anfänger, der sie nicht unter Kontrolle hatte. Verdammt, wie hatten die Magier das herausgefunden? Ansonsten wären diese Bengel doch nicht auf die dumme Idee gekommen, eines zu rufen, oder? Aber das würde bedeuten, dass Takao entdeckt worden war. Und mit ihm würden sie alle vier auffliegen, er, Takao, Max und Kenny. Sie würden fliehen müssen, weg von Nijan. Die anderen Beteiligten würden sich herausreden können, wenn sie es geschickt anstellten.
 

Unruhig lief Kai in dem engen Zimmer hin und her, bis er unten die Tür klappen hörte. War Takeru mit seinem Unterricht fertig? Hastig stürzte Kai aus dem Zimmer und stieß beinahe mit dem Alten zusammen, der gerade die Treppe herauf kam. Verdutzt blieb er stehen, als er Kai bemerkte. "Was ist passiert?", wollte er beunruhigt wissen.

"Takao ist aufgeflogen.", knurrte Kai. "Und wir anderen wahrscheinlich auch. Ihnen droht keine Gefahr, nur uns Bündniskriegern. Wo sind die Kinder?" Warum fragte er sich das?!

Takeru zuckte mit den Schultern. "Sie sind vorhin weg. Ich weiß nie, wohin sie verschwinden."
 

Kai fluchte und kehrte wieder in sein Zimmer zurück um das einzusammeln, was er mit in den Dojo gebracht hatte. Takeru stand nicht mehr auf dem Treppenabsatz, als er wiederkam, sondern hockte in einem Zimmer auf dem Boden und kramte in einer Truhe herum. "Ich gehe jetzt.", erklärte Kai. "Sagen Sie den Kindern ,sie sollen Nijan auf dem schnellsten Weg verlassen."

"Warte, Junge." Takeru eilte hinter ihm her. "Kannst du nicht auf die Drei aufpassen? Alleine haben sie keine Chance." Kai blieb auf der Treppe stehen und schüttelte den Kopf. Auf die Bengel aufpassen? Geht's noch?

"Wie...warum nicht? Helfe ihnen, wie sie dir geholfen haben! So läuft das normalerweise!"

Kai wiederholte seine Geste. "Nein, so läuft das gar nicht. Nicht bei mir." Dabei wusste er, dass das nicht stimmte. Er löste seine Schulden immer ein.
 

"Nimm sie mit!", donnerte der Alte. Dann hielt er ihm ein langes, schmales, in Stoff gewickeltes Päckchen hin. "Bring das Takao. Er wird es brauchen. Und warte kurz, ich pack ein paar Sachen für ihn ein." Ehe Kai antworten konnte, er würde sich weder mit Takao noch mit Max oder Kenny oder gar allen dreien plagen, war Takeru schon in einem weiteren Zimmer verschwunden.

Kai entschloss sich kurzerhand, den Alten einfach stehen zu lassen und stürmte die Treppe hinunter. Es war keine gut Idee, sich mit unerfahrenen Kindern zu belasten. Selbst nicht mit Kindern, die Hatesit waren und ihm geholfen hatten. Selbst nicht mit Kindern, die ihn vor dem sicheren Tod bewart hatten. Selbst nicht mit Kindern, denen er etwas schuldete. "Verflucht!", brüllte er und blieb stehen. Er konnte einfach nicht gehen. Hatten ihn die vier Tage hier so weich gemacht?!
 

Die auffliegende Haustür riss ihn aus seinen Gedanken. Herein platzen Max, Kenne und Hiromi, die ersten beiden vor Aufregung zitternd, letztere eher verwirrt. "Was...was ist passiert?", wollte Kenny wissen. Anscheinend hatten die beiden unerfahrenen Hatesit es ebenfalls mitbekommen.

"Takao ist erwischt worden.", gab Kai gleichgültig zurück. "Wir sind alle aufgeflogen, schätze ich."

"Das...", begann Kenny geschockt. "Das ist doch...unmöglich! Wie...?"

Max begriff wesentlich schneller und unterbrach den anderen einfach: "Wir müssen raus aus Nijan! Kenny, lauf nach Hause und hol ein paar Sachen. Hiromi, du auch, aber du kommst nicht wieder; das ist sicherer für dich. Kai, wir treffen uns an der Höhle, bei der wir Funkenstern gelassen haben."
 

Überrumpelt starrte Kai den Jugendlichen nach. Bildete er sich das nur ein oder hatte Max ihn tatsächlich gerade wie selbstverständlich eingespannt?! Zu Frage oder Widerspruch war er gar nicht mehr gekommen. Jetzt kam Takeru die Treppe hinunter, in einer Hand eine Tasche, in der anderen noch immer das Päckchen. "Rasch!", rief er. "Ich packe noch ein paar Vorräte ein, mach dich fertig!"

Kai starrte ihn an, dann fügte er sich seufzend und schnallte die Schwertgurte an, ehe er sich den Umhang überwarf, wobei er darauf achtete, rasch an die Schwertgriffe zu kommen. Takeru brachte Takaos Gepäck, dann sah er nach ob die Luft rein war und schickte Kai los, der sehr schnell und vor allem sehr unauffällig den Wald erreichte und darin verschwand.
 

Leise fluchend versuchte der Blaugrauhaarige, sich an den Rückweg zur Höhle zu erinnern, aber es brauchte eine Weile, ehe er sie fand. Zuvor hatte er bei dem Kampfplatz vorbei gesehen. Umgerissene Bäume und zerwühlte Erde zeugten von dem Kampf, aber keiner der Beteiligten war mehr anwesend. An einem Baum entdeckt er Blutspuren, die hoffentlich - hatte er das gerade wirklich gedacht? - nicht von Takao stammten. Ein kurzer Blick genügte ihm, dann lief er weiter.

Weder Funkenstern noch einer der Anderen befand sich an der Höhle. Entweder Takao war klug genug gewesen, die Stute mitzunehmen, oder sie und sein Gepäck waren unwiederbringlich in die Hände der Magier gefallen und damit für ihn verloren. Er hoffte auf erstere Möglichkeit, aber das wäre kein tödlicher Verlust. Das Wichtigste trug er immer bei sich.
 

Es dauerte nicht lange, bis Kenny und kurz darauf Max auftauchten. Was ihn dazu bewogen hatte, auf die beiden zu warten und sich nicht einfach aus dem Staub zu machen, wusste er nicht. Im gleichen Moment, in dem ihm das auffiel, wusste er auch schon, dass er die drei Jungen noch länger am Hals haben würde. Und das freiwillig. Welcher Dämon ritt ihn da nur? Er würde sie nicht einfach wegschicken können.

Schweigend bedeutete Kai den beiden, ihm zu folgen. Sie trugen schwere, aber nicht zu große Taschen auf dem Rücken. Hoffentlich hatten sie gut und nur das Nötigste gewählt. Beide trugen lange Dolche an den Gürteln, Kenny noch zusätzlich seinen Novizenstab in der Hand. Den könnte man tatsächlich gebrauchen.
 

Kai schlug ein sehr zügiges Tempo an und bald hörte er Max und Kenny hinter sich keuchen, aber sie beklagten sich nicht. Ob die beiden das durchhielten? Oder noch wichtiger, ob sie die Wüste und die Jagd, die die Magier auf sie veranstalten würden, überlebten?

Zwei Stunden später hatten sie die Inselgrenze erreicht. Es war ein sachter, aber steiniger Abhang, bei dem die Vegetation immer karger und weniger wurde, je mehr man hinaufstieg. Kein Problem, diese Insel zu verlassen. Da kannte er ganz andere. Er schickte Kenny und Max vor und sah sich noch einmal genau um. Konnte man die Verfolger schon sehen?
 

Verständigt waren die Magier wahrscheinlich schon. In der Ferne erkannte er das Dach des Magierturmes, an dessen Spitze ein goldener Schein leuchtete. Diesen hatte er schon die letzten Nächte bemerkt, er gehörte einfach zu einem Zaubererturm dazu. Jetzt allerdings veränderte sich die Farbe. Vermittelten sie so Nachrichten? Kai meinte, etwas in der Art einmal gehört zu haben, aber sicher war er sich nicht. Wie auch immer, Eile war geboten. Er konnte die hetzenden, hasserfüllten Stimmen der Hexenmeister schon beinahe hören. Ha, die würden eine unangenehme Überraschung erleben!

Rasch lief er hinter den beiden Jungen her und hatte sie bald ein eingeholt. Ärgerlich bemerkte er, dass sie viel zu langsam vorankamen. Wenn er alleine gewesen wäre - und dazu noch sein Pferd gehabt hätte - wäre er schon längst über alle Berge. Aber das ging natürlich nicht mit den Kindern an den Hacken. Kenny klappte benahe jetzt schon zusammen und Max ging es kaum besser. Und die wollten in der Wüste überleben? Und, verdammt noch mal, wo war Takao? Den mussten sie auch noch einsammeln!
 

Das plötzliche Geräusch einer Steinlawine ließ ihn herumfahren. Kenny war ausgerutscht und lag nun flach auf dem Boden. Im Mondschein wirkte sein Gesicht blass und ausgezehrt. Vorsichtig und mit schmerzverzerrtem Gesicht rappelte er sich wieder auf. "Können...können wir nicht kurz Pause machen?"

Wortlos nahm Kai dem Bebrillten den Rucksack ab und ging weiter. Hinter sich hörte er, wie Kenny sich mit weiterem Getöse erhob und wie Max sich ebenfalls wieder in Bewegung setzte. Ein paar Minuten später standen sie in der Wüste. Vor ihnen erstreckt sich das weite, flache Land. Hin und wieder zeichneten sich Silhouetten von aufgetürmten Felsformationen und Steinpyramiden vor dem dunklen Blau des Nachthimmels ab. Kai wusste, dass die meisten dieser Steinpyramiden sozusagen ,hohl' waren, leere Steingebilde, die kleine Burgen bildeten, in denen man sich perfekt verstecken konnte.
 

Die Nacht war jetzt entgültig hereingebrochen und am Himmel blühten die ersten Sterne auf. Zwischen ihnen stand ein abnehmender, aber noch recht großer Mond. Bei Vollmond, erinnerte er sich, war er in Nijan angekommen. Man konnte über die Wüste sagen, was man wollte, aber nicht, dass sie hässlich war. Nein, das war sie ganz und gar nicht.

Wenn man es darauf anlegte, konnte man in einem Blick tausend schöne Dinge erkennen. Bei Nacht war die Wüste noch schöner als am Tage. Bei Nacht, wenn der Mond alles in ein silbernes Licht getaucht hatte und die Felsen sich schwarz gegen den bereits dunklen, blauen Himmel abhoben. Nachts, wenn man nicht den Staub sehen musste, nicht, wie die Luft vor Hitze flirrte, nicht von der heißen Sonne gequält wurde, die wie ein Hammer auf den Köpfe der bedauernswerten Lebewesen am Boden schlug, die keinen Schatten finden konnten.
 

Kenny, der sich neben ihm keuchend auf den Boden plumpsen ließ, riss ihn aus den Gedanken. Max blieb stehen, obwohl auch er erschöpft war. "Wohin müssen wir jetzt?" Die Schönheit der Wüste bei Nacht schien ihn nicht zu interessieren. Kai ließ seinen Blick ein weiteres Mal über die Landschaft schweifen. Wo würde er sich verstecken, wenn er Takao wäre?

Kurzerhand steuerte er die nächsten Felsen an. Funkenstern hätte dort Schutz gesucht, wenn Takao ihr freie Zügel gelassen hatte. Vorausgesetzt, er hatte die Stute dabei. Wenn der Junge klug war, würde er ebenfalls einen der Felsen aufsuchen. Kenny und Max folgten ihm wieder hastig. Bald hatten sie die aufgeschichteten Felsen erreicht. Kai warf einen Blick zurück und musterte den Inselrand. Dann zwängte er sich durch einen Spalt und befand sich nun im Inneren der Felsen. Er hatte keine Ahnung, wie diese Gebilde zustande kamen, aber sie waren ganz nützlich.

"Kommt schon!" Kais Stimme riss Max und Kenny aus ihrer Lethargie. Hastig stiefelten sie hinter ihm her. "Bleibt hier." Kai lud das Gepäck ab. "Ich suche Takao." Rasch kletterte an den Felsen nach oben. Einen Moment verfluchte er sich, dass er sein Sichtglas bei seinem Gepäck gelassen hatte, aber das konnte er jetzt auch nicht mehr ändern. So musste er sich auf Dranzers weitsehende Augen verlassen, aber das würde genügen, hoffte er.
 

Oben fand er rasch einen guten Platz, von dem aus er alles um sich herum beobachten konnte. Zwar saß er hier auch wie auf dem Präsentierteller, aber wenn ihn jemand sehen würde, würde man ihn wahrscheinlich für einen Teil des Felsen halten.

Sein erster Blick galt wieder der Insel und diesmal konnte er mehr sehen bei den als die letzten beiden. Dutzende Menschen mussten auf den Beinen sein. Mehrer lange Züge heller Elektro- und Magielichter wälzten sich aus Sepun heraus, in verschiedene Richtungen. Ja, klar, sie wussten ja nicht, in welches Ziel sich die Hatesit gemacht hatten. Sie wussten noch nicht einmal, ob die Vier zusammen geblieben waren. Für einen Moment fragte er sich, was aus Takeru, Max' Mutter und Kennys Eltern geworden war, dann schob er den Gedanken beiseite.
 

Jetzt gab es wichtigeres. Zum Beispiel, Takao zu finden. Ob der Junge Ausschau nach ihnen hielt? War er überhaupt bis hierher gekommen? Eine rasche Bewegung lenkte Kais Aufmerksamkeit auf sich. Ob das...? Eine unförmige Gestalt kroch über die Ebene. Erst nach einiger Zeit erkannte Kai Pferd und Reiter. Also hatte Takao Funkenstern mitgenommen und die drei gesehen, als sie über die Ebene gelaufen waren.

Kai rutschte die Felsen wieder hinunter. "Kommt. Ich habe Takao gesehen." Er nahm wieder das Gepäck des Langhaarigen und verließ die Felsen. Max und Kenny folgten ihm, wieder einmal.
 

~~~~~~~
 

Das war das letzte Kapitel für heute. Die nächsten gibt's dann, wenn die hier oben sind. ^.~
 

Bye

Silberwölfin

...ist schwer

Titel: Krieger, Magier und Diebe

Teil: 6/24

Autor: Lady Silverwolf

Anime: Beyblade

Warning: OOC

Disclaimer: Die Hauptcharaktere gehören nicht mir und ich verdiene kein Geld mit dieser Fanfic.
 

"..." reden

//...// denken
 

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...ist schwer
 

Krampfhaft versuchte Takao, nicht zu niesen. Er presste sich beide Hände auf Nase und Mund und konnte so den Niesreiz unterdrücken. Die anderen waren ebenso ruhig wie er, es herrschte beinahe atemlose Stille. Kenny stand bei der Stute und hielt ihre Zügel. Selbst das Tier war still, gab kein Geräusch von sich. Ob sie solche Situationen bereits gewohnt war?

Kai hockte ein paar Meter über ihnen und behielt die Magier im Blick, ebenso wie Max, der durch einen Spalt zwischen den Felsen spähte. Sie hockten wieder innerhalb eines Felsens, diesmal war es jedoch sehr knapp gewesen, dass sie ihn erreicht hatten, und jetzt befanden sich die Magier direkt neben ihnen. Takao konnte sie hören. Es waren drei und sie waren keine drei Meter entfernt.

"Die sind nicht hier." Kannte er den? Diese Stimme war ihm so vertraut. "Sie wären ja schön blöd, wenn sie genau in diese Richtung gezogen sind. Oder haben kein Verständnis für Raffinesse."
 

//Wieso?//, schoss Takao durch den Kopf. Diese Frage stellte auch der zweite Magier, dessen Stimme Takao sofort erkannte. Es war einer der Lehrer, die im Turm der Donnersteine unterrichteten, ein alter, gemütlicher Kerl, der manchmal mit seinem Großvater Karten spielte und ihm dann immer eine Süßigkeit mit brachte wie einem kleinen Kind.

"Weil das der nächste Weg aus der Insel war, wenn wir Recht damit hatten, wem dieses Pferd gehört. Wenn ich sie gewesen wäre, hätte ich genau die andere Richtung gewählt. So etwas nennt man Verwirrtaktik, denn es ist ja ihr Bestreben, so schnell wie möglich abzuhauen."

Takao stutzte. //Hat der Kerl etwa Recht?// Aber Kai war niemand, der unüberlegt handelte, das hatte er in den letzten Stunden gemerkt. Kai war viel gerissener, als die Männer glaubten. Sonst hätte man die Flüchtenden schon längst entdeckt.

"Du meinst, dass wir hier herumstreunen, ist total sinnlos?", murrte der Lehrer. Gehörte der andere zu den Kampfmagiern? Das konnte sein. Und der Dritte? Wo war der überhaupt? Takao nahm die Hände von der Nase. Endlich war der Niesreiz weg.
 

Vorsichtig schob er das Schwert beiseite, das sein Großvater Kai für ihn mitgegeben hatte. Er war sehr erstaunt gewesen, als er in dem langen Päckchen die Waffe gefunden hatte. Das alte Katana, ein Familienerbstück, war Takerus Ein und Alles gewesen. Niemand durfte es unerlaubt berühren. Und jetzt hatte er es seinem Enkel übergeben? Das war ein großer Vertrauensbeweis. Takao war stolz darüber, aber auch etwas unsicher. Was, wenn er das Schwert verlor? Kai jedenfalls war erfreut gewesen, nicht der einzige zu sein, der richtig bewaffnet war. Die anderen trugen nur Dolche bei sich.

Leise kroch Takao zu Max hinüber. Der Blonde rutschte sofort zur Seite und machte ihm Platz. Schweigend starrten sie hinaus auf die drei Gestalten. Den Lehrer und den Kriegsmagier sah er sofort und der dritte war...einer von Tokis Freunden? Ja, das konnte sein. War das nicht der, den Takao erst am letzten Abend zusammengeschlagen hatte?
 

Besorgt sah der Langhaarige zu Max auf, der die Schultern zuckte und dann mit dem Kopf zu Kai hoch nickte. Der Blaugrauhaarige war ihr Anführer, er hatte die Erfahrung und das Wissen. Sie taten, was er tat, zumindest im Moment. Die drei Magier sahen sich aufmerksam um und bald verschwand der Magieschüler aus ihrem Sichtfeld.

"Sag mal, Yuki, was sind das für Felsen? Die sind sicher nicht natürlichen Ursprungs.", meinte der Lehrer plötzlich und trat näher. Erschrocken wichen Max und Takao zurück und spickten nur noch ums Eck, um die beiden im Blick zu behalten.

Yuki, der Kampfmagier, zuckte mit den Schultern. "Das weiß ich, aber... Keine Ahnung, wofür und von wem sie geschaffen worden sind. Wenn es überhaupt absichtlich geschah."

//Wahrscheinlich für solche Situationen wie jetzt.//, schätzte Takao, aber darauf schwören würde er nicht. //Hoffentlich gehen die bald! Dann können wir endlich weiter.// Er war ungeduldig und es juckte ihn in den Fingern, weiterzuwandern, so sehr er vorher auch eine Rast verlangt hatte.
 

Sie waren schon weit von Nijan entfernt; waren beinahe die gesamte restliche Nacht und ein paar Stunden des jetzigen Tages gewandert. Takao hatte schnell gemerkt, dass die Wüste diverse Gefahren barg, von denen man in den Geschichten, die die Inselreisenden erzählten, nie etwas hörte.

Zum Beispiel, die Unabschätzbarkeit der Entfernungen, die immer anders schienen, als sie tatsächlich waren. Oder die Tatsache, dass die Wüste flach wie ein gehobeltes Brett war, sah man von den Felsen ab, und nichts den Blick versperrte. Der Horizont war viel weiter weg als in den Inseln. Und jede Person, die nicht geschickt genug war, die Spalten und Ritzen zu nutzen, oder das Pech hatte, keine Schluchten zu finden, hoben sich vom hellen Himmel ab und waren so gut wie immer zu sehen.

Kai war geschickt genug, sie um die Magier herumzuführen, aber jetzt konnten sie nicht mehr weiter, denn die Magier waren zu nah, und ein Spalt, den sie nutzen konnten, nicht in Sicht.

"Ich klettere mal hoch.", sage der Junge plötzlich direkte neben Takao. Er musste beinahe vor dem Spalt stehen, durch den sie die ganze Zeit gesehen hatten! Max und Kenny sahen ihn mit weit aufgerissenen Augen an, als verlangten sie von ihm eine Erklärung. Aber er hatte doch selber keine Ahnung! Wenn der Junge sie entdeckte... Er würde sie sehen, wenn er hochstieg!

"Ach was!", meinte Yuki. "Das kannst du dir sparen! Die sind nicht hier."

"Nein, nein, lass dem Jungen seinen Spaß.", schaltete sich der Lehrer ein. Erleichterung und erneutes Erschrecken mischten sich, dann bekam Takao einen Kiesel auf den Kopf. Er fuhr auf und konnte sich nur knapp einen wütenden Fluch verbeißen. Über ihm tauchte kurz Kais Kopf auf. Der Ältere deutete auffordernd auf das alte Katana von Takao und verschwand ebenso leise wieder, wie er gekommen war.
 

Wie? Was? Er sollte sich zum Kampf bereit machen? Aber das war ein scharfes Schwert, geschaffen zum Töten! Und im gleichen Moment, in dem er das dachte, wusste er, dass Kai nichts anderes vorhatte. Wenn sie überleben wollten, mussten die drei sterben. Entschlossen nahm er die Waffe an sich und zog sie langsam aus der Scheide. Dabei ließ er die Klinge durch die Finger gleiten, so dass sie auf keinen Fall an der eisernen Schwerthülle schliff und dabei ein Geräusch verursachte.

Max und Kenny sahen ihn erschrocken an, dann zogen auch sie ihre Waffen. Auf Kais Kommando würden sie nach draußen stürmen um sich die Magier vorzuknöpfen. //Das haben sie auch verdient!//, schoss es Takao durch den Kopf. //Mit ihren Hetzjagden auf Hatesit und diesen leichtsinnigen Experimenten...sie haben nichts anderes verdient!// Der alte Hass, der in ihm schwelte, seit seine Eltern gestorben waren, kam wieder hoch. Ja, er war bereit sie zu töten!

Von draußen hörte man Steine, die von dem Felsen abbrachen und auf den Boden kollerten, als der Junge versuchte, ihr Versteck zu erklimmen. Leise Schab- und Kratzgeräusche drangen nach drinnen. Der brauchte aber lange! Kai hatte das in ein paar Sekunden geschafft.

"Rutsch bloß nicht ab!", rief der Lehrer. Und dann: "Schön, gleich hast du es geschafft." Takao spannte sich. Gleich, gleich würde es losgehen. Ein Schlag, gefolgt von einem hässlichen Knacken und einem dumpfen Schrei folgten, dann schlug der Körper des Schülers unten auf, während Kai ihm nachsetzte und die beiden anderen Magier erschrocken aufschrieen.
 

Takao stürmte los. Beinahe wäre er über den leblosen Körper des Jungen gestolpert, aber er konnte gerade noch ausweichen. Yuki und der Lehrer starrten geschockt auf die plötzlichen Angreifer. Alles zog wie im Rausch an Takao vorbei. Kai warf einen Dolch; der Lehrer kippte einfach um, die Klinge in der Brust. Er hatte nicht einmal Zeit gehabt, sich von dem Schrecken zu erholen, seine Augen waren noch immer geschockt aufgerissen.

Yuki reagierte wesentlich schneller und Kais zweites Messer prallte von einer magischen Schutzwand ab. Der Rotäugige ließ sich davon aber nicht stören, sondern duckte sich unter einem von Yukis Zaubern weg und sprang nach vorn. Sein Schwert sirrte, dann drang es durch Yukis Brust.

Für was brauchte der Kerl eigentlich ihre Hilfe? Der war...eine Kampfmaschine. Jemand, der es gewohnt war, zu töten und das auch ohne Kompromisse tat. Zwei Messer, ein Schwert hatte Kai gezogen, das zweite Schwert steckt noch immer in der Scheide auf seinem Rücken und woher er die Messer gezaubert hatte, wusste Takao nicht, denn er konnte die leeren Hüllen nirgends entdecken.

Mit einem zufriedenen Geräusch ließ Kai Yukis Leiche auf den Boden sinken und reinigte an seiner Robe seine blutigen Waffen, ehe er sie in die Scheiden zurückschob. "Takao, klettere hoch und halte weiter Wache."
 

Der Angesprochene nickte, schob seine eigene Klinge in die Schwerthülle zurück und war innerhalb weniger Augenblicke oben.

Von dort hatte man einen enormen Ausblick, man konnte beinahe hinter den Horizont sehen. Der Wind pfiff um seine Ohren und wehte beinahe seine Mütze weg, aber Takao war das egal. Hier oben hatte man ein unglaubliches Gefühl von Freiheit. Von unten hörte er Kais Stimme: "Ist der Junge auch tot?"

Nach einer kurzen Stille antwortete Max leise: "Ja. Genickbruch."

Kai sagte nichts mehr dazu. "Was siehst du?", wollte er von Takao wissen, doch der schüttelte den Kopf. "Nichts. Keine Magier weit und breit. Ob die hier die einzigen in der Gegend waren?"

"Nein. Aber wir ziehen jetzt trotzdem weiter." Kenny führte Funkenstern, die ihrer aller Gepäck trug, und Takao rutschte wieder von seinem Beobachtungsposten hinunter. "Warum so eilig?", fragte er.

"Die Magier.", knurrte Kai wütend. Er nickte mit dem Kopf zu den Toten. "Ich denke, sie stehen in ständigem Kontakt miteinander. Und jetzt kommt."

"Ist ja schon gut.", nörgelte der Langhaarige und folgte hastig. Er würde sich jetzt sicher nicht mit Kai anlegen. Nicht bevor sie aus dem Gefahrengebiet herauswaren. Minuten verstrichen in tiefem Schweigen.

"Warum verstecken wir uns eigentlich vor den Magiern?", fragte Takao schließlich. "Ich meine, du wirst so schnell mit denen fertig!"

"Ich kann sie nicht alle töten.", grummelte Kai. "Außerdem werden sie Rache wollen. Es ist nicht so leicht, wie es aussieht. Die drei waren nicht auf uns vorbereitet und zudem noch überrascht. Genügt das als Antwort?"
 

Wieder herrschte ein paar Minuten Stille. Takao hielt das nicht aus. "Was ist mit den Tisetah?" Erst schien Kai nicht antworten zu wollen. Er war sehr schweigsam, dass hatten sie schnell herausgefunden, redete kaum das nötigste, und wenn, dann in einem Ton, der einem das Blut in den Adern gefrieren ließ.

Manchmal fragte sich Takao, warum er keine Angst vor Kai hatte. Jeder andere hätte das sicherlich. Aber weder er - noch Max oder Kenny, so schien es - fürchtete sich vor dem großen, durchtrainierten Krieger, obwohl er ihnen des öfteren Todesblicke zuwarf. Vor allem dann, wenn sie ihn nervten. So wie jetzt.

"Ich meine, Dragoon hat nur einen Schlag gebraucht und dann war Toki ausgeschaltet."

"Auch der Überraschungseffekt.", knurrte Kai. "Außerdem - was ist geschehen, als du ihn gerufen hast?"

"Nun. Ich habe...Kraft gefühlt. Sie ist durch mich hindurchgeschossen wie...wie ein Blitz über den Himmel. Und die Bäume um mich herum sind fast umgeweht worden. Und dann ist Dragoon gekommen, in grünem Licht und hat Bäume ausgerissen."

Kai nickte. "Die Kraft, die du gefühlt hast, war Dragoons, die durch dich freigesetzt wurde. Der Wind ist ein Teil von dieser Kraft. Anscheinend ist Dragoons Hauptelement die Luft. Hast du ihn zuvor jemals gerufen?"

Takao schüttelte den Kopf. "Nein. Ich meine, man hätte uns doch sofort entdeckt, oder?"
 

Kai nickte und warf Max und Kenny einen fragenden Blick zu. Der Blonde schüttelte den Kopf. "Ich auch nicht. Ich hatte keine Gelegenheit dazu. Es war immer zu gefährlich."

Kenny zuckte die Schultern. "Ich kann das ja gar nicht."

"Warum?"

"Na, weil Dizzy doch im Spiegel eingesperrt ist." Abrupt blieb Kai stehen. //Der weiß das ja noch gar nicht!//, fuhr es Takao durch den Kopf und grinste. Es durfte wohl nicht oft geschehen, dass Kai erstaunt war, auch wenn man es ihm selbst jetzt kaum ansah.

"Was ist geschehen?", fragte der Krieger. "Welcher Spiegel?"

Kenny deutete auf seinen Rucksack auf Funkensterns Rücken. "Ich habe ihn eingepackt." Rasch erzählte er die Geschichte von dem Unfall.

Perplex schüttelte Kai den Kopf. "So etwas habe ich noch nie gehört. Und deine Fähigkeit, Hatesit zu erkennen, solltest du besser für dich behalten. Das kann gefährlich werden für dich, vor allem wenn die Magier davon hören."

Hörte Takao richtig? Kai machte sich Sorgen um sie? Irgendwie hatte er gedacht, sie wären dem Krieger gleichgültig, oder eher lästig. Kenny nickte. "Lasst uns weiter.", bat Max und ging wieder los.
 

"Was meinst du mit ,Element'?", fragte Takao nach weiteren Minuten schweigenden Marschierens. Vielleicht wurde aus dem Gespräch ja doch noch etwas. Kai seufzte, sagte aber nichts. Erst als Takao ansetzte, seine Frage zu wiederholen - sie hatten ja ein Recht darauf, das zu erfahren, oder? - meinte er: "Jedes Tisetah hat ein Element, aus dem es seine Kräfte bezieht."

"Ach so. Und du glaubst, Dragoons Element wäre die Luft?"

"Das war doch offensichtlich. Bei dem Wind."

"Du hast aber ,Hauptelement' gesagt.", meinte Max.

"Die mächtigeren Tisetah haben zwei Elemente."

"Was ist mit drei? Oder vier?", fragte Takao aufgeregt.

"Nein, geht nicht. Es heißt, die Vier Göttlichen..." Kai unterbrach sich und sah sie an. "Kennt ihr die Geschichte?"

"Ja. Natürlich. Die Vier Göttlichen haben sich selbst zu Tisetah gemacht, um ihre Macht teilweise nutzen zu können.", meinte Max.

"Ja. Die Vier Göttlichen sollen drei Elemente haben, aber ob das stimmt, weiß ich nicht. Aber sie sollen das dritte nur nutzen können, wenn sie zusammen sind."

"Und Dragoon hat zwei?", wollte der Langhaarige wissen.

"Bei der Macht...sicherlich."

"Was ist mit unseren?", fragte Kenny.

"Woher soll ich das wissen?"

"Welches hat deines?", erkundigte sich Max neugierig.

"Feuer und Dunkelheit."

"Auch zwei?" Kai antwortete nicht. Die Antwort auf die Frage schien ihm zu offensichtlich.

"Wie viele Elemente gibt es?"

"Dreizehn. Feuer, Wasser, Erde, Luft, Dunkelheit, Licht, Eis, Elektrizität, Holz, Metall, Gift und Psyche. Die zwölf sollen unter den Vier Göttlichen aufgeteilt sein, wie, weiß ich allerdings nicht. Das Dreizehnte ist Nebel und ist der Magie sehr ähnlich. Manche behaupten, Nebel sei Magie. Es ist sehr selten und erst nach den Tisetah entstanden. Außerdem würde ich mich mit keinem anlegen, der Nebel beherrscht. Das ist immer unvorhersehbar."
 

Tisetah und Magie... das passte so sehr zusammen wie Feuer und Wasser, wie Eis und Hitze, wie...wie Takao und Magier - gar nicht. Aber anscheinend schienen da manche Leute anderer Ansicht zu sein. Kai selbst wahrscheinlich auch, aber so recht konnte er den rotäugigen Krieger nicht einschätzen.

Der hatte sowieso etwas an sich, was Takao nicht einordnen konnte. Er war anders als alle, die er bis jetzt getroffen hatte, auch als die anderen Hatesit, die er gesehen hatte. Vielleicht lag es an seiner emotionslosen Art, die sein Gesicht wie eine zu Eis erstarrte Maske wirken ließ. Oder an seiner kühlen Ausstrahlung, die vor Selbstbewusstsein und Stärke nur so strotzte.

Ob er als Barde erfolgreich war? Takao konnte sich Kai nicht mit der Balalaika in den Händen vorstellen, die Funkenstern trug, aber andererseits sah der Rotäugige auch nicht so aus, als würde er sich für etwas ausgeben, was er nicht wahr. Das hatte er gar nicht nötig.

"Wohin gehen wir?", fragte Kenny plötzlich. "Ich meine, wenn wir den Bereich um Nijan endlich verlassen haben."

Kai sah ihn an. //Ob der uns überhaupt noch weiter mitnimmt? Irgendwie kann ich mir vorstellen, dass der uns plötzlich sitzen lässt.//, dachte der Langhaarige, kurz bevor Kai meinte: "Ich habe Takeru versprochen, auf euch Acht zu geben."

//Wirklich? Wie schön, einen solchen Großvater zu haben!// Erleichtert atmete Takao auf. Er wusste nicht warum, aber es machte ihn irgendwie froh, dass der Rotäugige sie nicht wegschickte. Von tief aus seinem Inneren hörte er ein dumpfes, zufriedenes Grollen, das ihn erst irritierte. Dann wusste er, was das war. Dragoon. Der Drache konnte ihm so seine Gefühle mitteilen. Wie schön.

"Zuerst brauchen wir neue Ausrüstung.", erklärte Kai. "Ich weiß nicht, was ihr dabei habt, aber es wird sicher nicht genug sein. Außerdem braucht ihr Pferde. Und dann gehen wir zu Sturmvogel."

"Sturmvogel?", hackte Max verwirrt nach.

"Ein Händler. Wir müssen euch doch anständig bewaffnen."

"Ach so. Und dann?"
 

Kai zuckte die Schultern. Anscheinend war er keiner, der die Zukunft bis zum letzten durchplante. "Dafür werden wir einige Zeit brauchen. Dann sehen wir weiter."

"Wir könnten ja den Dieb suchen!", schlug Max begeistert vor, erhielt aber nur einen verständnislosen Blick von Kai. "Na, den Tisetahdieb. Dem muss doch jemand das Handwerk legen!"

"Und das willst du sein? Nein, danke. Ich hab schon genug Probleme. Zum Beispiel drei kleine Kinder, die mir an den Hacken hängen."

Gekränkt stoppte Max kurz, ehe er wieder zu Kai aufschloss. "Wenn du nicht willst, dass wir dich begleiten, dann musst du es sagen. Wir finden schon einen Weg."

"Ihr würdet hier verrecken, noch ehe die Sonne dreimal untergegangen ist."

"Warum? Wir sind auch Hatesit und mithilfe unserer Bündnispartner würden wir sicher überleben können. Wir sind nicht ganz so blöd, für wie du uns anscheinend hältst. Du hast es ja auch geschafft."

"Ich komme auch aus..." Kai unterbrach sich.

"Aus...?"

"Geht euch nichts an. Ihr seid vollkommene Anfänger, wenn es um das Bündnis geht. Hast du nicht gemerkt, wie Takao Dragoons Kraft freigesetzt hat? Das war die reinste Verschwendung!"

"Geht das auch anders?"

"Natürlich!" Kai war mehr als genervt.

"Zeigst du uns das?"

"Wofür bin ich sonst da?!" Der ging ja ganz schön ab.

"Ist ja schon gut. War ja nur eine Frage."

"Eine blöde Frage."

Max zog es vor, das Thema zu wechseln. "Wann haben wir die Magier abgehängt?"

"Keine Ahnung. Die meisten verlassen das Gebiet um ihre Insel nicht."

"Die meisten?"

"Denk doch mal selber nach!" Damit schien sich das Gespräch für Kai erledigt zu haben. Auch Max blieb still und hing seinen eigenen Gedanken nach.
 

Am Abend rasteten sie unter einem Felsvorsprung. Takao war froh, sich endlich einmal wieder hinsetzen zu können. Den ganzen Tag über waren sie gelaufen und dementsprechend erschöpft war er jetzt. Kenny war schon vor ein paar Stunden beinahe zusammengeklappt und seitdem saß er auf Funkensterns Rücken.

Kai verteilte die letzten Vorräte aus Takaos Tasche und ein paar Decken, ehe er ihnen befahl, auszuruhen und zu schlafen. Er selbst hockte sich auf den Vorsprung und hielt Wache. Mitten in der Nacht weckte er sie wieder. "Kommt. Wir ziehen weiter."

Alles Nörgeln - vor allem von Seiten Takaos - nutzte gar nichts, Kai blieb unerbittlich und schon kurz darauf hatte sich die Gruppe wieder in Bewegung gesetzt. Nach einigen Kilometern erklärte Kai: "Ich denke, sie werden die Verfolgung aufgegeben haben. Vor allem werden sie nicht denken, dass wir schon so weit gekommen sind. Wenn wir so weiter marschieren, erreichen wir gegen Mittag Skellten."

"Was ist das?", wollte Max verschlafen wissen."

"Eine Stadt."

"Hier? In dieser Gegend? Ich dachte, so nahe an Nijan gäbe es keine andere Insel!"

"Wer hat von einer Insel gesprochen? Ihr werdet sehen.", versprach Kai mit einem hinterhältigen Grinsen.
 

Und sie sahen. Kai hatte nicht zu viel versprochen. Skellten lag an eine Felswand geschmiegt mitten in der Wüste. Die Häuser waren aus dem Stein der Umgebung gebaut - Takao schätzte, dass mindestens die Hälfte der Häuser direkt aus dem Fels herausgehauen war - und fügte sich daher nahtlos in die Wüste ein. Die Steilwand war hoch, Skellten beinahe genauso. Die am höchsten Gebäude jedenfalls überragten sie.

Mehrere riesige Plattformen bildeten Teile der Stadt, wo sich Häuser um große Plätze sammelten. Ein unübersichtliches, verwirrendes Netz von Wegen führte durch die Stadt, an Gebäuden und Steinen vorbei, darunter hindurch und drüber hinweg. Menschen gingen überall ein und aus, wuselten durch die Straßen und sammelten sich auf den Plätzen.

Takao, Max und Kenny rissen beide Augen auf und starrten die Stadt an, die da mitten in der Wüste lag. Gab es so etwas überhaupt? Sie hatten schon viele Gesichten über Räuberstädte gehört, die Wohnorte der Händler und die Unterschlupfe der Bündniskrieger.

Es hieß, in der Wüste gäbe es Tausende Städte und Dörfer, die abseits der Handelsrouten lagen und zu denen niemand kam. Aber niemand glaubte die Geschichten. Warum auch? Es hieß ja, es wäre unmöglich, zu lange in der Wüste zu sein ohne bleibende Schäden davonzutragen. Aber jetzt standen direkt vor Skellten und sahen die Berichte darüber bestätigt.
 

Das sprach Max auch aus, aber Kai schüttelte den Kopf. "Macht euch keine Illusionen. Solche Städte wie Skellten gibt es nicht oft. Wir haben Glück, dass Skellten so nahe bei Nijan liegt, sonst wären wir noch lange unterwegs gewesen. Händlerdörfer sind öfter, aber sie gibt es auch nicht wie Strand am Meer. Aber passt auf, diese ,romantischen Wüstenstädte', wie sie in den Geschichten vorkommen, sind absoluter Schwachsinn. Die Wüstenstädte sind geschaffen von den Ausgestoßenen der Gesellschaft, von Dieben, Räubern und Mördern. Sie sind Sündenpfühle und auf eine bestimmte Art noch gefährlicher als die Wüste selber. Moral und Gesetz sind dort unbekannt. Skellten bildet da keine Ausnahme. Am besten, ihr tragt die Amulette offen, vor Hatesit haben die meisten Respekt."

"Werden Hatesit dort nicht gejagt?"

"Nein. Natürlich nicht. Magier haben dort nichts zu sagen. Bleibt immer aufmerksam und selbstsicher, dann geschieht euch nicht." Die drei nickten. Takao fühlte sich nicht wohl bei der Sache. Er zweifelte kein Augenblick an den Worten Kais, die mit einer einfachen Sachlichkeit ausgesprochen worden waren.

Ob Skellten wirklich so gefährlich war? Das Amulett sichtbar - was er noch nie getan hatte - und selbstsicher wirken. Takao hatte viel Erfahrung mit letzterem; jeden Tag hatte er selbstbewusst wirken müssen, vor den Magiern, den Menschen in der Stadt. Jetzt würde sich das auszahlen. Auch Max schien zuversichtlich wie immer, ein fröhliches Grinsen auf dem Gesicht und das Amulett deutlich sichtbar um den Hals. Kenny ging es schlechter. Er sah sich etwas ängstlich um und war nur noch unsicher, wie immer halt.
 

Takao schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. "Bleib einfach bei uns, dann passiert dir nichts." Kenny nickte nur. Kai stieß ein verächtliches Schnauben aus. Ob er etwas gegen den Jüngsten von ihnen hatte?

"Trag das Cuallarion-Amulett offen.", schlug er vor. "Pfaffen rühren die meisten nicht an." Das Wort ,Pfaffen' hatte er so verächtlich ausgesprochen, dass die drei anderen ihn erstaunt ansahen und Kenny meinte leise: "Ich bin aber kein Priester. Und ich wollte auch nie einer werden. Ich war nur in der Schule."

Kai zuckte nur die Schultern. "Das wissen die doch nicht. Das Amulett schützt dich noch besser als ein Tisetah. Vor allem, da deines eingesperrt ist." Kenny folgte unbehaglich seinem Ratschlag.

Dann hatten sie die Stadt erreicht und tauchten in die Menschenmenge ein. Es war laut, das Gebrüll von den verschiedensten Wesen hing in der Luft. Menschen, Tiere, Händler und anderes, was Takao nicht identifizieren und lieber auch nicht ansehen wollte. Es stank. Der Geruch von Tieren, Staub, Abfall, Extrementen und Schlimmeren hing in der Luft. Es war grauenvoll.

Kai grinste sie wieder hämisch an. "Habe ich euch zuviel versprochen?" Nein, nein, das hatte er nicht, ganz und gar nicht. "Kommt, ich kenn eine gute Herberge, die nicht ganz so dreckig ist wie der Rest der Stadt." Es wunderte Takao überhaupt nicht, dass Kai schon in einer solchen Stadt gewesen war. Wahrscheinlich kannte er den Großteil der Städte in der Wüste.
 

Neugierig sah er sich um. Die Leute in Skellten waren ganz anders als in Sepun. Sie sahen anders aus - manche waren es noch nicht einmal richtige Menschen - waren anders gekleidet, schwer bewaffnet und oft vernarbt. Ihre Gesichter hatten einen wilden und ungezähmten, aber auch gefährlichen und brutalen Ausdruck. Sie waren frei, aber sie wussten, was Leid hieß. Ihr Leben musste sehr grausam gewesen sein.

Ein Ruf riss Takao aus den Gedanken. Er wusste nicht, warum gerade dieser Ruf ihn aufschreckte, denn überall um sie herum herrschte Gebrüll. "Feuerrabe! He, Feuerrabe!" Kai blieb stehen und drehte sich um. Was interessierte ihn der Rufer?

Takao folgte seinem Blick und entdecke einen großen, jungen Mann. Er hatte sein dickes dunkelblondes Haar im Nacken zusammengebunden, nur eine Strähne fiel ihm ins Gesicht und verdeckte das rechte Auge. Das andere blitzte lebenslustig und etwas amüsiert.

Seine Kleidung war einfach, abgetragen, aber gut in Stand gehalten. Der schwere, lange Mantel schleifte im Dreck, an seinem Bein war ein breiter Dolch befestigt und an der anderen Seite trug er ein langes Schwert. Auf seiner Brust lag gut sichtbar und an einer dünnen Goldkette ein goldenes Tisetahamulett mit blauem Zeichen, das Takao aber nicht entziffern konnte.
 

Der Fremde drängte sich durch die Menge auf die kleine Gruppe zu und winkte fröhlich. "He, Feuerrabe.", begrüßte er Kai. "Mal wieder in Skellten?" Kai sah aus, als würde er ihm am liebsten den Kopf abreißen, sagte aber nichts. Der Andere schien das auch gar nicht zu erwarten. Anscheinend kannte er Kai recht gut. Er wandte sich sofort den drei Jungendlichen zu und fragte: "Tag, wie geht's denn so, Jungs? Seid ihr mit unserem gesprächigen Freund hier da?" Er nickte grinsend zu Kai.

Max nickte. "Ja. Er hat uns geholfen und jetzt reisen wir zusammen."

Diese Aussage rief einiges Erstaunen hervor. "Geholfen? Der? Feuerrabe?" Er drehte sich zu Kai um und sah ihm zweifelnd ins Gesicht. "Reden wir hier alle von dem altbekannten, freundlichen Kai ihr-geht-mir-alle-sonstwo-vorbei Hiwatari?" Er sah Max wieder an und meinte: "Was habt ihr mit dem gemacht? Kai hilft niemandem!"

Max wollte etwas antworten, doch Kai unterbrach ihn. "Es ist meine Sache, ob ich jemandem helfe oder nicht. Dir habe ich damals auch unter die Arme gegriffen."

"Ja. Aber nur, weil etwas für dich heraussprang."

Kai zuckte die Schultern. "Der Grund kann dir doch egal sein."

"Da hast du Recht. Geht ihr zum Blutigen Schädel?" Kai nickte. "Wie schön, dann können wir uns ja ein wenig unterhalten. Wer sind eigentlich deine neuen Freunde?"

"Max, Takao und Kenny.", erklärte Kai und zeigte nacheinander auf die drei. Der Fremde musterte sie nacheinander genau. Als er das Cuallarionamulett auf Kennys Brust bemerkte, zog er eine Augenbraue hoch, sagte aber nichts.

"Jungs, das ist Michael ,Himmelskönig' Scott.", stellte Kai ihn vor und ging dann weiter. Michael grinste die drei kurz an, meinte: "Freut mich, euch kennen zu lernen." und schloss sofort zu Kai auf, um ihn mit einem Redeschwall zu überschütten.
 

Takao verstand so gut wie jedes Wort, aber er begriff kaum die Hälfte von dem, was Michael erzählte. Er redete über verschiedene Tiere - die sich später als Menschen herausstellten, die man nur so nannte - Njeedan, Magier und Kämpfe, über diverse Entdeckungen, die man gemacht hatte, wer, war dabei schnurz egal.

Takao fragte sich, ob Michael auch etwas über den Tisetahdieb sagen würde, aber darüber schwieg sich der Dunkelblonde gänzlich aus. War das ein Thema, über das man besser nichts sagte? Oder hatte das Schweigen einen anderen Grund?

Kai allerdings schien das nicht zu stören. Er hörte Michael aufmerksam zu. Ob das wichtig war, was der Fremde erzählte? Vielleicht sollte das alles noch Konsequenzen haben. Takao warf Max und Kenny einen hilflosen Blick zu, aber die waren genauso verwirrt. Also folgten sie Kai und Michael schweigend durch die verwirrenden Gassen.
 

Irgendwann erreichten sie ein großes Haus, das direkt in den Felsen hineingehauen war. Die Fensterläden waren offen und ließen in einen großen Raum sehen, der vollgestellt war mit Stühlen, Tischen und Bänken. Über der Tür hing an einer Eisenkette ein menschlicher Schädel, der rot angemalt worden war - ein blutiger Schädel. Ob er vor oder nach der Namensgebung dort aufgehängt worden war? Kai lud das Gepäck ab und drückte es den dreien in die Hände, ehe er Funkenstern um das Haus herumführte.

Michael winkte ihnen. "Kommt. Wir gehen schon einmal rein. Ich bin sicher, der alte Rexxan freut sich, euch kennen zu lernen." Er schob die drei Jungen durch die Tür. Neugierig sah Takao sich um.
 

Der Raum bot keinen Vergleich mit der Herberge von Kennys Eltern. Es war nicht sauber und hübsch, sondern dreckig und muffig. Der Boden war mit durchnässtem Sand bedeckt, die Möbel hatten Flecken, Macken und tiefe Kratzer. In einer Ecke führte eine Treppe, die aussah, als würde sie bei der nächsten Person, die hoch stieg, einkrachen, ins nächste Stockwerk. Hölzerne Balken stützten die Decke und der Tresen, der sich neben der Tür befand, sowie der Mann dahinter sahen aus, als hätten sie schon bessere Tage gesehen.

Durch eine der Theke gegenüberliegende Tür, die nicht mehr richtig schloss, ging es in die Küche, aus der Fettgestank und der Geruch nach Essen drang. Den Blutige Schädel konnte man nicht mehr als Wirtshaus bezeichnen, sondern allenfalls als heruntergekommene Kaschemme.
 

Viele Leute waren nicht anwesend und die, die es doch waren, starrten stumm auf die Tische. In einer Nische spielten ein paar Männer schweigend Karten, einer saß neben dem Tresen an einem Tisch und rührte lustlos in einer Schüssel, deren Inhalt Takao nur entfernt an Eintopf erinnerte. Ob man das essen konnte?

"Gibt nicht so viel her wie die Herbergen in den Inseln.", gab Michael hinter ihnen zu. "Aber es ist das beste Gasthaus in Skellten und hier wird weder gestohlen noch geht irgendein durchgeknallter Kerl mit gezogener Waffe auf dich los, nur weil du neben ihm stehst."

"Da...da bin ich aber beruhigt.", stotterte Max.

"Wo ist Kai hin?", wollte Takao wissen und trat entgültig ein. Die anderen folgten ihm.

"Zum Stall.", antwortete der Dunkelblonde einfach und trat an den Tresen, wo er den Mann begrüßte.

Dieser sah sie kurz an und blickte dann zu Michael. "Wer sind die?", fragte er abweisend. "Du weißt, dass Neue hier nicht gern gesehen sind. Deine Freunde sind das nicht."

Michael grinste entwaffnend. "Nein, natürlich nicht. Sie gehören zu Feuerrabe."

Sofort herrschte Totenstille im Raum. Die Kartenspieler hatten ihre Partie eingestellt und sahen herüber, ebenso wie die anderen Männer und der Mann mit dem Eintopf hatte seine Rührerei eingestellt. War Kai wirklich so bekannt?

Michael schien die Aufmerksamkeit nicht zu stören. "Er kommt gleich, nachdem er sein Pferd weggebracht hat. Du kannst den drei Jungen hier und natürlich unserem guten, alten Feuerrabe sicher ein Zimmer mit ein paar Betten zur Verfügung stellen, oder, Rexxan?"

Der Wirt nickte. "Klar. Sie können das Hintere Zimmer haben. Bring die Kinder hoch und mach sie mit den Regeln des Hauses bekannt." Michael nickte und winkte sie, aber ehe sie sich in Bewegung setzen konnten, kam Kai herein. Er nickte Rexxan, dem Wirt, kurz zu und folgte ihnen nach oben.
 

Das Hintere Zimmer befand sich tatsächlich im hintersten Eck des Hauses und zwar im Dritten Stock. Nachdem sie an mehreren Türen vorbeigegangen waren, öffnete Michael eine Tür, die allerdings nicht in einen Raum, sondern in einen langen Gang führte. "Merkt euch die Tür.", befahl er den ,Neuen'. "Ihr werdet es brauchen. Hier kommen nur die ,Exklusiven' hin. Wir zum Beispiel. Es ist schön ruhig." Ein breites Grinsen zierte sein Gesicht, während er dem Gang folgte und erst am Ende anhielt. "Bitteschön, die Luxussuite für euch."

Von Luxus konnte man hier nicht sprechen. Der Raum war zwar lang, aber schmal und nur spärlich möbliert. Die Betten waren mit Tüchern abgedeckte Strohsäcke auf dem Boden unter einer Reihe Fenster. Gegenüber befand sich eine Reihe Regale. Drei wackelige Stühle standen bei einem ebenso wackeligen Tisch an einer der Schmalseiten des Zimmers.

Eines der Betten schien benutzt zu werden, denn neben ihm lag eine Tasche und darauf ein abgegriffenes Buch. Im Regal befand sich noch mehr Gepäck. "Macht es euch bequem.", forderte Michael sie spöttisch auf. "Wie ihr seht, bin ich auch schon hier einquartiert. Rexxan stellt die meisten Hatesit hier ab. Weil wir uns so gut vertragen."
 

Kai ließ sich neben Michaels ,Bett' auf einen Strohsack sinken, nachdem er Takao und Max sein Gepäck abgenommen hatte. Zögernd folgten die drei seinem Beispiel. Es sah mehr als ungemütlich aus. //Von wegen bequem...//, dachte Takao, als er sein Gepäck neben Kais Sack auf den Boden stellte und sich auf die danebenliegenden Matratze setze. Es war gar kein Vergleich zum Silbernen Löwen. Aber andererseits war es bestimmt bequemer als die Decken, in die sie sich in den letzten Tagen gewickelt hatten, wenn sie schlafen wollten.

"Gefällt es euch nicht?", fragte Michael zynisch und Kai setzte mit einem hämischen Grinsen hinterher: "Willkommen im Blutigen Schädel, dem besten Gasthaus der Stadt"
 

~~~~~~~
 

Ich würde mich über Kommis freuen. ^^
 

Bye

Silberwölfin

Pferdekauf

Titel: Krieger, Magier und Diebe

Teil: 7/24

Autor: Lady Silverwolf

Anime: Beyblade

Warning: OOC

Disclaimer: Die Hauptcharaktere gehören nicht mir und ich verdiene kein Geld mit dieser Fanfic.
 

"..." reden

//...// denken
 

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Pferdekauf
 

Mit der Behauptung es würde ruhig werden, hatte Michael Recht gehabt. In das Hintere Zimmer, in dem die fünf Hatesit untergebracht waren, verirrte sich nie jemand, nicht einmal der Wirt und seine drei Angestellten. Michael behauptete, Rexxan hätte dieses Zimmer und den dazugehörigen Gang noch nie betreten, womit er Recht haben könnte. So kam es Max zumindest vor.

Essen mussten sie im Schankraum, aber das war nicht weiter schlimm, nur abends, wenn er gerammelt voll war und noch mehr stank als tagsüber. Max war froh, dass Rexxan ihnen dieses Zimmer überlassen hatte, denn einmal hatte er in ein normales hineinschauen können und sofort begriffen, dass ihres wirklich die Luxussuite war. Wenn er an den Anblick dachte, wurde im beinahe jetzt noch schlecht.

Also ließ er es lieber blieben und verbrachte die Zeit damit, den lebenshungrigen, abenteuerlustigen Michael besser kennen zu lernen. Der dunkelblonde Hatesit war einer der Stärkeren und er wusste das auch. Nicht nur sein Tesitah war mächtig, er selbst war ein Überlebenskünstler, Krieger und Techniker in einem. Außerdem konnte man gut mit Michael reden; er wusste sehr viel über die Wüste und die Hatesit und er sprach viel lieber als Kai, der die meiste Zeit sowieso in Skellten war, den drei Jugendlichen allerdings verboten hatte, den Blutigen Schädel zu verlassen. Es sei besser für ihre Gesundheit, sagte er.
 

"Wie seid ihr eigentlich unter Kais Fittiche geraten?", fragte der Dunkelblonde plötzlich in die Runde.

Takao, der mit seinem Schwert beschäftigt war, Kenny, der sich über Michaels Buch hergemacht hatte, und Max, der gelangweilt aus dem Fenster gestarrt hatte, sahen auf. Dann sahen sie sich ratlos an. Ja, wie war das geschehen? "Nun.", begann Takao. "Vor ein paar Tagen, da waren wir noch in unserer Insel. Kai ist mit dem Vollmond gekommen, glaube ich."

"Ja.", meinte Kenny. "Er stand plötzlich im Gastraum und hat ein Zimmer gewollt. Nun ja, er war Barde - hat er zumindest behauptet - und Hatesit. Wir wollten mit ihm reden, aber das..."

"...wollte er wieder rum nicht.", vollendete Michael lachend. "Braucht ihr mir nicht zu sagen. Ich kenne ihn selber, zumindest so gut, wie man es eben kann. Aber eine Frage: Woher wusstet ihr, dass er Hatesit ist?"
 

Die drei sahen sich an. Hatte Kai nicht gesagt, sie sollten niemandem etwas von Kennys Gabe erzählen? "He, nicht so schüchtern. Mir kann man vertrauen. Fragt Kai."

Kenny zuckte mit den Schultern und Takao erklärte leise: "Kenny kann Hatesit erkennen."

Der Dunkelblonde pfiff durch die Zähne. "Interessant. Und gefährlich. Wenn die Magier das erfahren..."

"Wir wollen lieber nicht wissen, was dann passiert.", warf Kenny hastig ein. "Ein paar Tage später haben wir dann herausgefunden, dass die Magier durch Zufall herausgefunden haben, was Kai ist. Wir haben ihn gewarnt und versteckt."

"Kai hat sich verstecken lassen?"

"Nachdem wir ihn nicht in Ruhe gelassen haben, schon. Sonst wäre er jetzt tot.", lachte Takao.

"Das kann man nicht sagen. Ich habe viele Situationen erlebt, die eigentlich ausweglos sind, aber Kai kommt überall heraus. Keine Ahnung wie er das macht." Michael zuckte die Schultern.

"Als dann die Magier herausgefunden haben, wer wir sind, sind wir gemeinsam geflohen. Und jetzt sind wir hier. Wie gesagt, das alles ist erst ein paar Tage her."

"Ihr seid vollkommene Anfänger.", stellte Michael fest.

Takao schnaubte genervt. "Irgendwie hab ich das Gefühl, dass das alle sagen!"

"Es stimmt doch auch."
 

Eine Weile ging die Frotzelei zwischen den beiden weiter, aber Max hörte nicht mehr zu. Von dem Fenster hatte er einen hervorragenden Überblick über die Stadt und die Wüste. Der Lärm und der Gestank drangen nicht herauf und das ließ alles irgendwie idyllisch wirken. Aber Max wusste, dass es nur ein trügerischer Schein war.

"Michael, du hast vorhin gesagt, du kennst Kai, so gut man ihn kennen kann. Wie meinst du das?", wollte Kenny plötzlich wissen.

Michael unterbrach seine Kabbelei mit Takao, der wieder gespannt zuhörte. "Nun ja, über Kai ist nicht viel bekannt. Er ist irgendwann aufgetaucht mit seiner mächtigen Dranzer, von der niemand weiß, was genau sie ist. Jedenfalls war unser Feuerrabe schnell 'ne heiße Nummer und niemand hat sich mit ihm angelegt."

"Er erzählt nicht viel über sich, was?"

"Nein, ganz und gar nicht. Aber das macht niemand."

"Warum?", fragte Takao.

"Regel Nummer Eins: Frage niemals nach der Vergangenheit deines Gegenübers."

"Warum?"

"Das ist unhöflich."

"Du glaubst doch nicht, hier würde sich jemand um Höflichkeit scheren?"

"Nein. Du hast natürlich Recht. Aber es ist nun mal so, dass man niemanden nach der Vergangenheit fragt. Das mögen die Leute nicht und manche werden dir dafür an die Gurgel gehen. Ich werde euch auch nicht erzählen, warum ich hier bin. Bei den meisten verbirgt sich eine hässliche Geschichte dahinter, die im Falle von uns Hatesit oft mit Magiern verbunden ist. Wie bei euch."
 

Takaos Gesicht verfinsterte sich. //Er muss an das Experiment denken, das seinen Eltern das Leben gekostet hat.//, dachte Max. Er selbst hatte nie schlechte Erfahrungen mit den Zauberern gemacht, sah man von dem Erlebnis in Nijan ab, in dessen Folge sie hatten fliehen müssen. Auch Michael musste etwas Schreckliches mit Magiern erlebt haben, denn immer, wenn er von ihnen sprach, legte sich ein dunkler Schatten in seine Augen, der kaum zu erkennen war. Dann wurde die Lebensfreude kurz getrübt.

"Das einzige, was ich euch von Kai sagen kann, ist, dass es bei ihm nicht die Magier waren." Michael lachte. "Er ist den Zauberern recht gleichgültig gegenüber, glaube ich. Das, was er hasst, sind Priester."

"Warum?", fragte Kenny. Ihn betraf das, immerhin lief er die ganze Zeit mit einem Cuallarionamulett und einem Novizenstab herum. Michael zuckte die Schultern.

"Keine Ahnung, habe ich doch gesagt. Jedenfalls reagiert er auf Priester - oder, wenn man seine Worte benutzen will, Pfaffen - heftiger als auf Magier. Das ist lustig. Wenn alle Hatesit um ihn herum auf die Hexer losgehen, dann steht er ruhig da, aber es muss nur ein überzeugter Priester aufkreuzen und er geht ab wie eine Kanone." Der Dunkelblonde lachte. Anscheinend hatte er eine solche Situation bereits erlebt. "Er hasst sie wirklich." Kurz sah er Kenny an. "Mich wundert, dass er dich mitgenommen hat."
 

Der Bebrillte zuckte die Schultern. "Ich bin nur ein Schüler. Ich hatte nie die Absicht, Priester zu werden. Dazu fehlt mir die Überzeugung."

"Vielleicht hat er das gemerkt.", gab Michael zu. "Um zu unserem Thema zurückzukommen: lasst die Vergangenheit einfach ruhen. Wenn ihr den Leuten vertrauen könnt, merkt ihr das auch, ohne ihre Geschichte zu kennen. Ich zum Beispiel vertraue euch. Und ich weiß nicht, aus welcher Insel ihr kommt. Auch wenn ich es mir denken kann."

Max lachte. "Das ist nicht so schwer zu erraten. Nijan ist die einzige Insel, die nahe genug ist."

"Ja. Tatsächlich. Aber wenn ihr mir eure Erlebnisse nicht hättet berichten wollen, hätte ich das respektiert. Ich hoffe, ihr nehmt es mir nicht übel, wenn ich euch nicht erkläre, woher ich komme."

"Ach was!", winkte Takao ab. "Das benötigen wir nicht. Ebenso wenig wie bei Kai. Ich weiß, dass wir euch vertrauen und uns auf euch verlassen können."
 

"Diese Worte bekommen im Zusammenhang mit Kai eine ganz andere Bedeutung, wisst ihr das?", fragte Michael lachend. "Ich bin jemand, der sich schnell Freunde macht. Aber Kai tut so, als würde er niemanden brauchen. Dabei ist er ganz allein, nur Dranzer und das ist auf Dauer zu wenig. Seht ihn euch an. Kühl, verschlossen und emotionslos geht er seinen Weg - zumindest hat es den Anschein, als würde er das tun. Aber innerlich stolpert er über jeden kleinen Stein."

"Er hat wahrscheinlich nie gelernt, wie er mit Gefühlen umgehen kann.", flüsterte Max vom Fenster.

"Dann muss man es ihm beibringen.", meinte Takao praktisch.

"Wie willst du das tun? Wenn er dich nicht an sich heranlässt und verdrängt, dass er dich sympathisch findet und er dich deshalb mitgenommen hat - und nicht, weil für ihn etwas dabei herausspringt, oder weil er euch noch etwas schuldet.", wandte Michael ein und zuckte die Schultern. "Dieses Philosophieren bringt gar nichts. Wie wäre es, wenn ich euch zeige, wie ihr die Macht eurer Tisetah nutzen könnt? Kai hat da etwa verlauten lassen, dass ihr nicht einmal das wisst. Totale Anfänger."

Diesmal sprang Takao nicht darauf ein, sondern fragte begeistert: "Das willst du echt tun?"

"Klar, wenn ich es doch sage!"

"Gern. Was müssen wir tun?"

"Legt den Kram weg und kommt." Michael schob zwei Strohsäcke beiseite, so dass sie sich im Kreis auf den Boden setzen konnten. "Das wichtigste dabei ist die Verbindung zwischen euch und euren Partnern, versteht ihr? Wenn das nicht stimmt, ist alles vergebens. Ihr müsst eins sein mit euch und ihnen."

Verwirrt sahen sie ihn an. "Wie sollen wir das tun?"

"Horcht in euch hinein. Sucht nach dem Tisetah. Seit eurer Teshita sind sie mit euren Seelen verbunden, haben sich in einem kleinen Teil davon eingenistet, in Besitz genommen sozusagen. Eurer Partner wohnt dort und ist immer dort zu finden bis ihr ihn ruft." Michael sah auf. "Hat einer von euch sein Tisetah schon einmal gerufen?"
 

"Ja, ich. Kurz bevor wir geflohen sind. Wäre Dragoon nicht gekommen, wären wir vielleicht gar nicht hier.", erklärte Takao. "Er hat Toki gegen einen Baum geklatscht." Bei der Erinnerung musste der Junge grinsen.

"Dragoon?", fragte Michael. "Was ist er für ein Tisetah? Und welches Element hat er?"

"Drache. Seine Elemente sind Luft und..." Takao verstummte. Als sie mit Kai darüber gesprochen hatten, waren sie nicht weiter auf das zweite Element eingegangen. "Äh...keine Ahnung. Kai jedenfalls meint, er hätte zwei."

"Wie Trygle.", meinte Michael. Trygle, so hieß sein Partner. Er hatte gesagt, es wäre ein Adler, aber gesehen hatten die drei ihn noch nie. "Das werden wir dann herausfinden. Und ihr?"

Max und Kenny schüttelten die Köpfe und der Bebrillte meinte: "Ich kann Dizzy doch gar nicht rufen."

"Warum?"

"Sie...nun, sie ist in einen Seherspiegel eingesperrt."

"Wie bitte?!"

"Du hörst schon richtig. Soll ich sie dir vorstellen?" Kenny erhob sich und ging zu seiner Tasche, aus der er Dizzys Spiegel zog.

"Wurde ja auch langsam mal Zeit!", zeterte Dizzy sofort los. Max hatte in den Tagen in Nijan häufig genug erleben können, wie sich Kenny und Dizzy kabbelten. Das Tisetah schien es darauf anzulegen.

"Ja. Tut mir Leid, Dizzy. Aber es ging nicht früher."

"Ach ja und warum nicht?"

"Es war keine Zeit, sagte ich doch. Wegen der Flucht und allem."

"Flucht? Wovon redest du bitte? Und warum hast du mich in den letzten Tagen in diese Tasche eingesperrt? Sag mal, wo sind wir hier überhaupt?"

Kenny seufzte. "In einem Gasthaus in Skellten."

"Wie bitte? Warum sagt mir das keiner?"

"Weil keine Zeit war."

"Keine Zeit, keine Zeit, immer nur keine Zeit! Kannst du dir nicht einmal eine bessere Ausrede einfallen lassen?" Belustigt hörten die anderen drei dem kleinen Streit zwischen Hatesit und Tisetah zu. Michael zog die Augenbrauen hoch und fragte: "Ist das immer so?"
 

Takao und Max nickten, während Kenny herüberkam. "Schau, Michael, das ist Dizzara." Er zeigte dem Dunkelblonden die blanke Seite des Spiegels, aus der Dizzara hinausblickte. Einen Moment musterten sie sich gegenseitig, dann maulte Dizzy: "Wer ist der Kerl?"

"Michael Scott.", stellte sich der Hatesit selbst vor. "Schön, dich kennen zu lernen. Sag mal, macht das eigentlich Spaß, in dem Spiegel zu hocken?"

"Was denkst du? Natürlich nicht!"

"Wie bist du da rein gekommen?"

"Die Magier haben nicht aufgepasst.", moserte Dizzy gereizt. "Aber das stört sie natürlich nicht. Nein, mit den armen Normalsterblichen kann man alles tun. Man kann..."

"Dizzy, bitte.", schnitt Kenny ihr das Wort ab.

"Unterbrich mich nicht. Aber zurück zum Anfang: Wieso kommst du liebenswürdigerweise gerade jetzt auf die Idee, mich herauszuholen"

"Wir haben jetzt Zeit. Außerdem wollte ich dir Michael vorstellen."

"Kann man sie nicht da raus holen?", wollte der Himmelskönig wissen.

"Doch, doch, schon.", gab Dizzy zu. "Aber dummerweise können nur die Magier rückgängig machen, was sie verbrochen haben."

"Und die wissen nicht einmal davon, was?"

"Nein. Natürlich nicht. Denkst du, wir sind blöd?"
 

"So war das nicht gemeint." Er sah zu Kenny und dann wieder in den Spiegel zurück. "Es gibt Magier, die das vielleicht machen würden. Ihr solltet zu Sturmvogel gehen. Der hat überall hin Verbindungen und kann euch sicher weiterhelfen."

"Sturmvogel? Kai hat von ihm gesprochen.", warf Takao ein.

Max nickte zustimmend: "Er meinte, wir wollten zu ihm gehen um uns ,richtig' auszurüsten, was auch immer das heißen mag."

"Das werdet ihr dann sehen. Aber ich bin sicher, Kai hat da auch das Problem mit dem Spiegel in Betracht gezogen. Lasst es auf euch zukommen."

"Machen wir jetzt weiter? Ich will wissen, wie ich richtig kämpfen kann!", verlangte Takao aufgedreht.

"Ja, ja. Dizzy, welche Elemente?"

"Psyche.", antwortete die Harpyie. "Aber im Moment Nebel."

"Was heißt ,im Moment'?", fragte Kenny verwirrt und ließ sich wieder auf den Boden sinken. Er klappte den Bügel hinter dem Spiegel auf und stellte diesen auf den Boden.

"Im Spiegel. Ich kann meine normalen Kräfte nicht gebrauchen, aber dafür andere. Und das sind Nebel-Fähigkeiten, glaub mir."

"Okay. Darauf gehen wir später ein.", meinte Michael. "Ich denke nicht, dass der Spiegel dich daran hindern wird, die Grundsätze des Bündnisses zu lernen, Kenny. Also, hört mir zu..."
 


 


 

Der Pferdehändler Varaconn hatte seine Behausung am unteren Stadtrand von Skellten. Das eigentliche Wohnhaus war sehr klein, doch ihm schloss sich ein mindestens ebenso großer, überdachter Unterstand an, der von einer riesigen Weide, auf der kaum etwas wuchs, umgeben war. Die Tür zum Haus stand wie immer am Tag offen, nur von einem kurzen Vorhang verdeckt. Die Fenster waren kleine Schlitze und alles sah mehr oder weniger heruntergekommen und wie die Baracke eines Bettlers aus.

Alles - bis auf die Pferde. Sie waren langbeinig und muskulös, mit schwerem Körperbau wie Schlachtrösser oder feingliedrige Läufer. Es waren die unterschiedlichsten Rassen, für alle Zwecke geeignet, mit glänzenden, gepflegten Fellen und aufmerksamen Augen. Varaconn verkaufte die besten Pferde, die es in der Wüste zu finden gab. Kai hatte Funkenstern von ihm gekauft. Jetzt hatte er vor, auch für Takao, Max und Kenny gute Pferde zu besorgen.

Was Varaconn wohl dafür haben wollte? Der Händler nahm nur sehr selten Geld - was Kai sowieso nicht hatte - sondern ließ sich immer in Naturalien bezahlen. Für Funkenstern hatte Kai ihm die Hörner, Knochen, Zähne und die ledrige Haut eines Njeedan bringen müssen. Was Varaconn mit dem ganzen Kram anstellte, wusste niemand.
 

Mit einem lauten Räuspern schob Kai den Vorhang beiseite und trat ein. Das Haus hatte nur zwei Räume. Gegenüber der Eingangstür befand sich eine zweite, die direkt in ein weiteres Zimmer führte. Was sich in diesem Zimmer befand, wusste niemand, denn die Tür war immer verschlossen.

Das Zimmer, das man betrat, wenn man von der Straße herein kam, war der Wohnbereich Varaconns. Hier befanden sich sein Bett, seine Küche und alles andere. Eine dritte Tür in einer der Breitseiten des Hauses führte nach draußen auf die Pferdekoppel. Der Boden des Hauses bestand aus festgetretenem Lehm in dem offenen Herd brannte immer ein Feuer und darauf stand eine Kanne mit Kaffee, den Varaconn immer vorrätig zu haben schien.

Jetzt hockte der Pferdehändler auf einem Hocker davor und war damit beschäftigt, ein Lederhalfter zu fertigen. Varaconn machte alles selbst für seine Pferde. Er war ein großer, sehniger Mann mit langen, dürren Gliedern und erinnerte Kai immer wieder an ein Skelett. Sein Gesicht war eingefallen, so dass die große Nase und die spitzen Wangenknochen hervorstachen.

Über Varaconn konnte man vieles sagen, aber nicht, dass er ein sympathisches, angenehmes Äußeres hatte. Sehr wohl aber, dass er einen freundlichen, einnehmenden Charakter hatte. Niemand konnte lange mit dem Pferdehändler sprechen, ohne von ihm eingenommen zu werden. Dabei lag das noch nicht einmal an der Wortwahl, sondern eher, wie er sprach, die Betonung der Wörter und Sätze und die Art, wie er sich beim Sprechen bewegte.
 

Als Kai eintrat, sah er auf, und der Hatesit konnte erkennen, dass seine linke Gesichtshälfte eine riesige rote Schramme zierte und die rechte Wange blauviolett verfärbt war. Was war denn da los? Varaconn war niemand, der sich in Streit einmischte oder Streit provozierte oder anfing. Beim zweiten Hinsehen bemerkte Kai, dass der Händler anscheinend eine verletzte Schulter hatte, denn er bewegte sie komisch.

"Ah, Feuerrabe, was treibt dich hierher?", wollte er freundlich wissen und legte seine Arbeit beiseite. "Ist Funkenstern dir nicht mehr gut genug? Oder hast du sie verloren?" Varaconn warf ihm einen scharfen Blick zu und holte einen Becher aus einem Regel. "Kaffee?" Er wartete gar nicht auf eine Antwort, sondern schenkte ein und reichte das Gefäß an Kai weiter, der es mit einem dankenden Nicken annahm.

"Setz dich doch.", forderte Varaconn ihn auf, und der Rotäugige kam der Aufforderung nach und ließ sich vorsichtig auf einen wackeligen Stuhl sinken.

"Funkenstern geht es gut.", antwortete er dem Händler. "Ich kenne da ein paar Leute, die auch Pferde brauchen."

Ein erstauntes Aufblitzen in Varaconns Augen, dann meinte der Händler. "Ich denke, ich kann dir da weiter helfen. Wie viele und wer?"

"Jugendliche. Keine Erfahrung mit Pferden. Es sind drei und ich brauche zuverlässige Tiere, die mit Funkenstern mithalten können."
 

Varaconn nickte. Für einige Minuten herrschte Stille, während der Händler nachdachte und Kai an seinem Kaffee nickte. "Wie sind sie denn so, deine Freunde?"

Kai verkniff sich die Bemerkung, dass die drei nicht seine Freunde seien und meinte: "Einer ist total überdreht und immer unruhig. Der zweite grinst die ganze Zeit, nachdenklicher Typ. Der dritte ist eher still, aber handelt überlegt, wenn er das denn tut."

"Hmm." Wieder war es still im Raum, dann stand Varaconn auf. "Komm, ich glaube, ich habe da ein paar für dich." Kai folgte ihm nach draußen auf die Koppel. Mindestens zwei Dutzend Pferde suchten nach den letzten, dürren Gräsern oder rupften Stroh aus den Ballen, die überall herumlagen. Kai lehnte sich an das Gatter und nippte weiter an seinem Getränk, während der Händler über die Weide humpelte - humpelte? Den hatte es ja ganz schön erwischt - und die Pferde suchte, die er im Sinn hatte.

Als er wieder kam, brachte er eine kleine Stute mit. Im Verhältnis zu ihrer Gesamthöhe hatte sie sehr lange Beine, aber eine breite Brust und einen kleinen Kopf. Ihre Augen waren ruhig und gelassen und die Ohren drehten sich aufmerksam hin und her. Sie war ein ruhiges Tier, das keine Bewegung zuviel machte. Trotzdem hatte sie ausgeprägte Muskeln, die sich geschmeidig unter dem grauweißen Fell bewegten.
 

Kai stellte seinen Becher auf einen Pfosten und trat näher. Mit geübten Händen tastete er ihre Beine ab. Sie stand unbeweglich wie ein Fels. "Das ist Windschwester. Schnell wie der Blitz, aber dabei ruhig wie ein Esel, leider auch genauso störrisch.", erklärte der Händler. Beinahe hätte Kai genervt aufgestöhnt. Varaconn hatte die besten Pferde, aber er gab ihnen auch die seltsamsten Namen!

Nur Varaconn hatte einen solchen Hang zu poetischen Namen. Kai war es egal, wie seine Tiere hießen; er selbst hätte sich nicht die Mühe gemacht, sie zu taufen. Pferde starben sowieso eher früher als später. Im Laufe seines Lebens in der Wüste - immerhin fünf Jahre - hatte er schon sieben Pferde gehabt. Sie waren alle gestorben - von irgendwelchen Tieren gefressen oder im Kampf umgekommen - oder ihm gestohlen worden. Es hatte gar keinen Zweck, das Herz an sie zu hängen und ihnen dann auch noch einen Namen zu geben. Varaconn schien das anders zu sehen und jedes seiner Tiere hatte einen Namen wie Funkenstern, Windschwester, Silberflocke oder etwas ähnliches.

"Die könnte deinem Aufgedrehten gefallen."

"Ja.", antwortete Kai trocken. "Vor allem, weil der auch stur ist. Im Übrigen scheint sie meinen Anforderungen zu entsprechen."

Varaconn nickte und kehrte wieder in die Herde zurück. Diesmal brachte er einen großen Wallach. Er wirkte viel plumper als Windschwester und sein Fell leuchtete rot wie Blut in der Sonne. Unter der dichten, langen Mähne blitzten freche Augen hervor und er beschnupperte Kai sofort, ehe dieser sich über dem Zustand der Beine versicherte. "Das ist Flammenjäger.", erklärte der Händler. "Für den Fröhlichen. Bei ihm muss man aber aufpassen, manchmal ist er etwas ungestüm. Erst fünf Jahre."

Kai nickte. "Und das letzte?"

"Moment." Mondlied war eine kleine, schlanke Stute mit starken Muskeln und ruhigem Blick. Ihr Fell war cremeweiß und sie wirkte zuverlässig. "Hast du auch Sattelzeug für sie?"

"Was denkst du von mir, Feuerrabe? Natürlich. Willst du die drei? Oder doch lieber ein anderes? Es wäre besser, wenn du deine drei Freunde bringen würdest, dann kann ich besser beurteilen, ob die Pferde zu ihnen passen."

Kai schüttelte den Kopf. "Nein. Das geht schon."

"Gut. Dann besprechen wir jetzt den Preis. Du musst verstehen, das wird nicht ganz billig. Immerhin sind es drei meiner Besten und Liebsten Pferde." Kai nickte genervt. Das sagte Varaconn jedes Mal. Und jedes Mal konnten sie sich auf einen vernünftigen Preis einigen. Er nahm seinen Becher wieder an sich und folgte dem Händler, der sich schwer auf seinen Hocker fallen ließ und das halbfertige Halfter wieder an sich nahm.
 

Kai setzte sich und fragte ungeduldig, als Varaconn keine Anstalten machte, zu beginnen: "Nun? Ich habe nicht ewig Zeit!"

Der Andere lachte leise. "Noch immer so ungeduldig?"

Er sah Kai kurz an und zuckte die Schultern. "Nun, wie du bestimmt bemerkt hast, ist in letzter Zeit einiges schief gelaufen." Er strich sich gedankenverloren über die Schramme im Gesicht. "Das hier kommt nicht von ungefähr. Vor ein paar Wochen sind hier in Skellten ein paar junge Burschen aufgetaucht. Vernünftige Kerle, wie man annehmen sollte, aber dem ist nicht so. Sie haben Randale gemacht und viel Streit angefangen. Mehrere Leute sind dabei umgekommen."

Genervt stöhnte Kai auf. "Komm zur Sache."

"Interessieren dich die Neuigkeiten nicht?"

"Nein. Himmelskönig hat darüber nichts gesagt."

"Ach so, wenn du Himmelskönig getroffen hast, kann ich dir natürlich nichts Neues berichten, das für euereins wichtig ist. Aber für mich ist es wichtig, denn diese Jungs sind auch zu mir gekommen und haben behauptet, ich müsse ihnen Schutzgeld zahlen oder so etwas. Das konnte ich natürlich nicht tun, sieh mich an, sieh dich um, ich bin arm."

"Mit solchen Pferden vor der Haustür? Jaaa, klaaar.", meinte Kai ironisch. Er wusste, worauf diese Sache hinauslief. Er sollte zu diesen jungen Burschen gehen und ihnen sagen, sie sollten den guten Varaconn bitte schön in Ruhe leben lassen, er täte ihnen nichts und wenn sie ihm auch nichts täten, würde Kai sie sogar am Leben lassen. Keine große Sache also.

"Wo leben sie?", fragte er.

Varaconns Gesicht hellte sich auf. "Ich sehe, wir verstehen uns. Sie haben ihr Lager etwa außerhalb von Skellten. Kennst du die Bärenhöhle? In der vor ein paar Jahren diese mutierten Bären gehaust haben?"

Kai nickte. "Da haben die sich verkrochen?"

"Ja. Ganz genau. Es sind weder Magier noch Hatesit dabei, das Äußerste sind wohl Techniker. Ein Dutzend." Da man in Skellten nach dem Gesetz ,der Starke frisst den Schwachen lebte' gab es nur wenig Leute, die einander selbstlos halfen. Die meisten gehörten einer Bande an oder waren stark genug, sich selbst gegen eine Übermacht zu verteidigen. Solche Erpresser wie diese neue Bande gab es hier öfter.
 

Händler wie Varaconn wurden meist nicht behelligt. Zum einen, weil die Bande ihre Ware brauchte, zum anderen, weil die Händler reich genug waren, sich jemanden zu kaufen, der sie schützte.

Varaconn hatte das auf eine besondere Art angepackt, indem er Handlungen von seinen Käufern erforderte. Jemand wie Kai gab sich im Normalfall nicht mit solchen kleinen Aufgaben zufrieden. Hätte Varaconn ihm Geld geboten - wie viel auch immer - Kai hätte es nicht gemacht. Im Falle der Pferde sah die Sache natürlich anders aus.

"Es ist nur eine kleine Gruppe und sie haben sich nur Feinde geschaffen, die nicht der Rede wert sind. Außer mir natürlich. Kleine Händler und Leute, die schon tausend anderen Schutzgelder zahlen." Der Pferdehändler zuckte die Schultern. "Und?"

Kai nickte. "Mach die Pferde fertig bis ich wieder da bin. Ich will ausreichend Ausrüstung für sie, Sattel, Zaum, was halt dazugehört."

"Natürlich. Wie bei Funkenstern.", gab Varaconn zurück und stand auf um zu einer Truhe neben dem Schlafplatz zu gehen. Kai leerte seinen Becher und erhob sich ebenfalls. An der Tür hielt Varaconn ihn noch einmal auf.

"Warte, Feuerrabe. Reitest du zufällig bei Sturmvogel vorbei? Wo du deine neuen Freunde ausrüstest." Kai nickte. "Kannst du ihm dann etwas von mir mitbringen?"

"Pack es ein." Schon war Kai nach draußen verschwunden.
 


 


 

Die Bärenhöhle befand sich nur einen strammen Fußmarsch von einer halben Stunde von Varaconns Behausung entfernt. Sie war von hohen Felsen umgeben, aber eigentlich nur ein Loch in der Wand.

Kai war es schleierhaft, wie man sich freiwillig dort einquartieren konnte, wenn es in der Nähe eine Stadt gab, in der man ohne größere Schwierigkeiten ein Haus finden konnte. Wie auch immer, es war ihm egal, was die Bande hierher trieb, so würde er es leichter haben, denn es gab niemanden um sie herum, der sich nach erledigter Arbeit wegen verbrannter Häuser ärgerte.

Kai hatte die Höhle schon einmal als Lagerstätte genutzt und zwar bevor er das erste Mal nach Skellten gekommen war und nicht wusste, dass er nur um das nächste Eck zu biegen hatte. Darum hatte er in der Bärenhöhle sein Nachtlager aufgeschlagen, nur um festzustellen, dass die Stadt keine drei Kilometer entfernt lag!
 

Das Innere der Höhle war nicht sehr gemütlich, aber das konnte man mit einigen Möbel sicher beheben. Außerdem führte ein langer Gang tiefer in den Berg hinein. Kai hatte nur einen Versuch gemacht, ihm zu folgen, aber er war so lang, dass er bald wieder umgekehrt war. Was interessierte es ihn, wo dieser Gang hinführte?

Einige Pferde standen vor der Höhle, es waren fünf. Sie sahen nicht besonders gepflegt aus und auch nicht, als hätte Varaconn sie ihnen verkauft, denn ihre Knochen standen hervor und ihr Fell war stumpf. Kai sah sich um, dann ging er auf den Höhleneingang zu. Man hatte ihn mit einigen Tüchern abgehängt, so dass nur noch ein verhältnismäßig schmaler Spalt offen war, durch den man trotzdem bequem hinein konnte.

Die Höhle selbst war annähernd rund, der Boden beinahe eben. An einer Wand hatten die Bewohner ihre Lagerstätten aufgeschlagen, ein grob zusammengezimmerter Tisch und ebensolche Stühle standen in der Mitte. In der Nähe des Ganges befanden sich ein zweiter Tisch und eine große Truhe. Allerdings befand sich niemand darin. Wo die alle waren?
 

"He!" Die grobe Stimme riss Kai aus den Gedanken. Er drehte sich um und sah sich einer Gruppe ungeschlachter Männer gegenüber. Sie waren allesamt groß und muskulös und wirkten keinesfalls so, als wären sie besonders klug. Alle waren sie bewaffnet und die meisten trugen Rüstungen aus Leder, manche sogar eisenverstärkt. Einer hielt ein altes Gewehr in der Hand, das schon bessere Tage gesehen hatte. Mit Michaels Waffe war sie jedenfalls nicht zu vergleichen.

"Was willst du?", fragte einer von ihnen. "Wir mögen es nicht, wenn irgendwelche Leute in unserer Höhle herumstiefeln." Hatte Varaconn nicht von einem Dutzend geredet? Das waren nur zehn. Wo waren die anderen beiden?

"Ich bin nicht hier, um mit euch zu streiten.", erklärte Kai und kam gleich zur Sache: "Ihr verlangt Schutzgeld vom Pferdehändler. Lasst das bleiben."

"Sagt wer?", fragte der mit dem Gewehr.

"Ich." Kais Stimme klang kalt und emotionslos wie immer, aber sie hatte nicht die gewünschte Wirkung. Anscheinend reichte der IQ dieser Leute nicht dazu aus.

"Verschwinde!", blökte einer und stellte sich vor ihn. Der Mann überragte ihn um einen Kopf und Kai selber war nicht besonders klein. Der Kerl fühlte sich sicher, weil er aufgrund seiner Größe immer gefürchtet worden war. Wahrscheinlich hatte er sich nie mit Leuten angelegt, die ihre Kräfte nicht nur aus ihren Fähigkeiten und ihrem Körper bezogen. Ob sie überhaupt gemerkt hatten, dass Kai ein Hatesit war?
 

"Lasst Varaconn in Ruhe und ich lasse euch in Ruhe." Der Mann stieß ihn leicht vor die Brust, so dass Kai ein paar Schritte rückwärts taumelte.

"Du willst uns Befehle erteilen, Hühnerbrust? Was glaubst du, wer du bist?"

"Feuerrabe."

"Soso, du bist also dieser Feuerrabe.", murmelte einer und trat näher. U-oh, das hörte sich gar nicht gut an. Ob sie stärker waren, als man glaubte? Es war allgemein bekannt, dass Feuerrabe ein Hatesit war, auch wenn man nicht wusste, wie sein mächtiges Tisetah aussah. Wenn die so sicher blieben, dann weil sich hinter der Fassade als kleine Bande, die sich auf das pressen von Schutzgeldern spezialisiert hatte, etwas viel Größeres verbarg. Ob das die Schlägertypen vor ihm waren oder es mit den beiden Abwesenden zu tun hatte, konnte er nur raten, aber auf alle Fälle hieß es jetzt schnell handeln. Er würde sie alle töten. Varaconns Problem war damit auch gelöst, er würde am Leben bleiben und niemand würde ihnen nachweinen.

Mit einer blitzschnellen Bewegung zog er den Dolch an seinem Gürtel und schlug zu. Blut spritzte auf die Umstehenden, als die scharfe Schneide dem Mann die Kehle durchtrennte. Er sackte sofort zusammen. Als er auf dem Boden aufschlug, hatte Kai schon den nächsten angesprungen und ihm den Dolch in die Brust gerammt.
 

Dann reagierten die Männer, schneller als Kai geschätzt hatte. Die waren wirklich besser, als sie sich gaben. Also gab es nur noch einen Weg. Er ließ den Dolch fahren und griff nach seinen Schwertern, aber gleichzeitig rief er Dranzer.

Sie reagierte sofort und erschien in goldenem Schein. Ihre Schwingen waren weit gespreizt, den langen Hals stolz nach oben gereckt, den Körper gestreckt und die Krallen angezogen. Die weiße Mähne wallte im Wind und die Sonne blitzte auf dem Gold an ihrem Körper, ihrem Kopf und den Flügelrändern. Die drei langen Schwanzfedern peitschten durch die Luft, dann brachte der enorme Wind, den ihre Flügel verursachten, alle außer Kai ins Taumeln.

Die beeindruckenden Schwingen hatten mindestens sieben Meter Flügelspannweite und verdunkelten die Sonne. Die entsetzt aufgerissenen Augen der Männer zeigten ihm, dass sie nicht erwartet hatten, dass er sein Tisetah zur Hilfe nahm. Sonst hätten sie ihn erledigen können, da war er sich sicher. Auch wenn er schon zwei getötet hatte, acht waren trotzdem zu viel für ihn.

Kai brauchte sich nicht zu konzentrieren, um mit Dranzer Kontakt aufzunehmen und sie beide für den Angriff vorzubereiten. Dranzer und er waren eins, immer. Das war ein Geheimnis seiner Stärke. Er konnte sofort zuschlagen, während die anderen Hatesit meist einen Moment brauchten, um sich zu sammeln. Und er tat es jetzt auch.
 

Dranzer schlug noch einmal mit den Flügeln, dann brachen die Flammen auf die Männer herein und Kai stürzte hinterher. Die Bande hatte keine Chance, hatte nie eine gehabt, nachdem Kai sein Phönixweibchen gerufen hatte. Wer nicht in den Flammen umkam wurde von Kais Schwertern gefällt. Sein zweites Geheimnis: er kümmerte sich nicht darum, wie die Feinde starben, der Tod der Gegner ließ ihn vollkommen kalt.

Das Nächste, was er hörte, war ein Schuss und dann ein klagender Schrei Dranzers. Er schrie auf, wusste genau wo sie getroffen worden war. Durch ihre enge Bindung spürte Einer die Verletzung des Anderen. Der Phönix sackte sofort zusammen und krachte auf den Boden. Kai wurde herumgeschleudert und schlug hart auf dem Stein auf, als die Kugel Dranzer in der Schulter traf. Das rettete ihm auch das Leben, denn er hörte eine Kugel über sich hinweg pfeifen.
 

Kai rollte sich herum und sprang auf. Auch Dranzer war bereits dabei, sich wieder auf die Füße aufzurichten. In dem Höhleeingang standen drei Männer, zwei mit Gewehren bewaffnet, die weit besser waren als das, das der Krieger dabei gehabt hatte. Der dritte war ein Zauberer in Robe und mit dem Amulett des Turms der Drei Winde, einem der bekanntesten Magiertürme. Er hatte beide Arme erhoben und seine Lippen bewegten sich lautlos.

Die beiden Anderen hoben wieder ihre Waffen und zielten auf Kai. Sie würden ihn nicht treffen, aber was der Magier vorhatte, bereitete ihm Sorgen. Er schob die Schwerter in die Scheiden zurück und befahl Dranzer gleichzeitig die Verteidigung. Sofort schossen Flammen um das Phönixweibchen herum aus dem Boden. Kai tauchte darin ein; die Kugeln verglühten wirkungslos.

Dranzer schlug mit den Flügeln und ließ den Feuerwall aufbrechen und auf die drei Männer zurasen. Nur, dort standen nur noch zwei. Einer war sofort tot, der Magier hatte sich rechtzeitig geschützt, aber wo war der Dritte?

Der Zauberer ließ jetzt seine Hände nach vorne Zucken und Dranzer bekam noch gerade rechtzeitig die Flammenwand wieder hoch. Sie schrie auf und taumelte, hielt aber stand und das Feuer brach wieder auf.
 

Natürlich schützte sich der Magier erneut, aber diesmal hatte er nicht mit Kai gerechnet, der gleichzeitig angriff und ihm einen Dolch in die Brust stieß. Ein Geräusch und Dranzers erneuter Schrei ließen ihn herumschnellen, dann fuhr schon eine Klinge auf sein Gesicht zu. Kai warf sich nach hinten. Noch bevor seine Hände den Boden berührten, warf er schon die Beine hoch und traf den Mann am Kinn, der mit einem Schmerzensschrei zu Boden stürzte.

Elegant kam Kai nach einem Überschlag wieder auf den Füßen auf, während sein Gegner sich aufrappelte und das schmerzende Kinn rieb. Er hielt einen Dolch in der Hand und auf seiner Brust lag ein Anhänger, der Kai wütend machte. Waren diese Pfaffen denn überall? Mit einem zornigen Knurren sprang er vor und schlug zu, merkte kaum, wie die Klinge seines Gegners seinen Oberarm streifte und eine tiefe, blutige Schramme hinterließ.

Erst, als ihm bewusst wurde, dass der Priester tot war, spürte er das Brennen der Wunde und das Blut, das seinen Arm hinunterlief. Seufzend ließ er die Leiche fallen und fragte sich, warum er immer die Kontrolle verlor, wenn er einen Geistlichen sah?

Natürlich wusste er es, aber warum flippte er nicht auch bei Magiern, Ärzten, Technikern und Wer-wusste-denn-noch-alles aus? War es, weil die Priester die Wärter gewesen waren? Schlechte Erfahrungen hatte er mit ihnen kaum gemacht, aber sie waren es gewesen, die ihn hingebracht hatten. Vielleicht sah er sie nur als Vorboten der Schmerzen, Demütigungen, Folter und des Unglücks? Vielleicht verband er deshalb alles Schlechte mit ihnen? Er wusste es nicht und, ehrlich gesagt, war es ihm auch egal.
 

Seufzend griff er nach der Wunde. Sie war nicht sehr tief und hatte schon wieder aufgehört zu bluten, aber sie schmerzte. Dann sah er zu Dranzer, die als ein Bündel roter Federn auf dem Boden hockte. Sie musste noch mehr Schmerzen haben. Die Kugel hatte sie direkt in die Schulter getroffen. Rasch sammelte er seine Waffen wieder ein und ging zu ihr. Dranzer beugte den Kopf und rieb ihren Schnabel an seiner Wange.

"He, lass das.", flüsterte er zärtlich. "Lass mich lieber deine Wunde ansehen."

Bereitwillig ließ sie sich gänzlich auf den Boden sinken. Vorsichtig hob er ihren Flügel um näher an die Wunde zu kommen. Sie zuckte und gab ein krächzendes Geräusch von sich, hielt aber still. Kai redete leise und beruhigend auf sie ein. Sie liebte seine Stimme, wusste er, ebenso wie er ihre.

Der Phönix hatte die wunderbarste Singstimme unter allen Vögeln. Niemand konnte die melodischen, singenden Klänge und Töne nachahmen, die lieblich und leicht wie Federn durch die Luft schwebten. Aus dem Gesang eines Phönix' konnte man das Knistern und Tanzen von Flammen erahnen, den Geruch des Feuers und die magische Anziehungskraft, die für Kai mit einem Feuer, einem flammenden Inferno, verbunden war. Die Wildheit, die Kraft, die Anmut und Schönheit, die in einem Feuer steckte, alles war im Gesang des Phönix erhalten, aber gleichzeitig noch mehr. Der Phönix war das Leben pur, nicht umsonst hieß es, er würde aus seiner eigenen Asche wiedererstehen, nachdem er gestorben war.

Vorsichtig griff er nach der Wunde strich sorgsam die roten Federn beiseite. Die Kugel hatte Dranzer knapp unter dem Schulterblatt getroffen und glücklicherweise kaum verletzt, allerdings war es ein glatter Durchschuss.
 

Einen Moment zögerte er - er wusste, dass sie nicht mochte, was er vorhatte - aber dann tat er es doch. Er nahm die Wunde auf sich, wie er es immer tat. Das war eines der ungelösten Geheimnisse zwischen einem Hatesit und einem Tesitah, dass der Eine die körperlichen Schmerzen, Krankheiten und Wunden des Anderen auf sich nehmen konnte.

Kai schrie auf, als er einen brennenden Schmerz in der Schulter spürte, und griff unwillkürlich danach, während er auf Dranzer zusammensackte. Aber wenigstens ging es ihr wieder gut. Ihr durfte nichts geschehen, sie durfte nicht leiden. Er wollte, dass sie gesund und glücklich war, auch wenn er selbst dafür Schmerzen ertragen musste. Aber das war ihm egal, er hatte früher beinahe jeden Tag Schmerzen gehabt, überall, am ganzen Körper, und er hatte gelernt, sie zu verdrängen, zu ignorieren und nicht mehr zu spüren. Viel schlimmer waren die seelischen Wunden gewesen; körperliche verheilten, aber in der Seele blieben sie offen, kannten keine Linderung, nur Schmerz.
 

Dranzer blieb ruhig liegen, diente ihm kurz als weiches, warmes Lager, bis er sich erhob und mit auf die Wunde gepresster Hand in die Höhle stolperte. Er fühlte sich total kaputt, aber das würde sich wieder legen. Dort würde er sicher etwas aufstöbern, womit er sich die Wunde versorgen konnte. Nach einigem Suchen fand er es auch. Da er gewohnt war, sich selbst zu versorgen, brauchte er nicht lange und der Verband saß fest.

Dranzer hatte derweil draußen Wache gehalten. Kai sah sich von dem Stuhl, auf dem er hockte, genauer in der Höhle um. So ungemütlich, wie es auf den ersten Blick schien, war es gar nicht. In zwei Ecken standen Heizstrahler, die ihre Energie aus magischen Steinen bezogen, ebenso wie der Herd. Ob er diese Steine mitnehmen sollte? Sie würden in Skellten nicht wenig bringen und die Toten brauchten sie sowieso nicht.

Wenn er dann schon dabei war, konnte er sich auch um die Truhe kümmern. Er wickelte die Steine in eine Tasche, die er gefunden hatte, und ging zur Truhe hinüber. Mit dem Dolchgriff schlug er das Schloss auf und klappte den Deckel hoch. Darin lagen technischer Kram, ein Seherspiegel, ein Kristall, dessen Bedeutung er nicht einmal ahnen konnte, und ein kleines Kästchen, das sofort seine Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Er wusste nicht warum, denn es war klein und unscheinbar, nur mit einem kleinen Schloss gesichert.
 

Rasch packte er den Inhalt in die Tasche und trug diese zum Tisch hinüber, ebenso wie das Kästchen, das er darauf abstellte. Nachdenklich betrachtete er es von allen Seiten. Es strahlte Energie aus. Keine magische, auch nichts elektrisches oder etwas in der Art. Sie kam ihm bekannt vor, aber gleichzeitig vollkommen fremd.

Mit demselben Dolch wie vorher schon schlug er das Kästchen auf. Er schob die Waffe in ihre Hülle zurück und klappte den Deckel auf. Erschrocken keuchte er und riss die Augen auf.

Da hatte er ja etwas Interessantes entdeckt!
 

~~~~~~~
 

Würde mich über Kommis freuen!
 

Bye

Silberwölfin

Diebe

Titel: Krieger, Magier und Diebe

Teil: 8/24

Autor: Lady Silverwolf

Anime: Beyblade

Warning: OOC

Disclaimer: Die Hauptcharaktere gehören nicht mir und ich verdiene kein Geld mit dieser Fanfic.
 

"..." reden

//...// denken
 

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Das ist das nächste Kapitel heute. Nächstes Mal lade ich dann das 10.!
 

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Diebe
 

"Man, bin ich müde!", gähnte Takao. Wer hätte geahnt, dass herumsitzen und sich auf sein Tisetah konzentrieren so anstrengend war!

"Es ist auch schon spät.", erkläre Max. "Die Sonne ist schon untergegangen."

"Wo bleibt eigentlich Kai?", fragte Kenny plötzlich. Die vier sahen sich an.

"Keine Ahnung.", gab Michael zu. "Aber macht euch keine Sorgen. Der kann auf sich aufpassen. Wir sollten viel besser zusehen, dass Rexxan noch etwas zu essen für uns hat. Wartet hier." Er verließ das Zimmer.

"Ich mache mir trotzdem Sorgen um Kai.", sagte Kenny in die aufkommende Stille hinein. "Ich meine, er ist schon den ganzen Tag draußen. So lange war er nie weg."

"Mach dir nicht ins Hemd, Kenny.", meinte Max leichthin. "Der kommt schon. Du hast doch gehört, was Michael gesagt hat und, mal ehrlich, glaubst du wirklich, unser großer Krieger lässt sich so einfach töten?"

"Natürlich nicht. Aber er ist trotzdem unser Freund. Oder Begleiter oder was auch immer du sagen willst. Er gehört zu uns und darum mache ich mir Sorgen um ihn." Im gleichen Moment, in dem Kenny das sagte, ging die Tür auf und Kai kam herein. Er trug eine alte Tasche bei sich, sah müde und mitgenommen aus, außerdem war sein Hemd blutdurchtränkt.

"Kai!", rief Max sofort und sprang auf. Der Rotäugige warf ihm einen Blick zu und Takao fragte besorgt: "Was ist passiert?"

"Hn.", machte Kai und ließ sich auf sein Bett fallen. Die Tasche ließ er neben sich stehen.

"Nun?", fragte Kenny.

Kai winkte ab. "Ich habe euch Pferde besorgt."

"Bitte? Lenk nicht vom Thema ab!", rief Max energisch und stellte sich vor ihren Anführer. "Und lass mich die Wunde ansehen." Dafür bekam er nur einen seltsamen Blick von Kai, der gar nicht zu verstehen schien, was Max wollte. "Na los, zieh das Hemd aus und lass mich die Wunde ansehen. Ich habe da einige Erfahrung mit."

"Hn." Kai wandte sich ab und griff nach der Tasche. "Ich hab etwas Interessantes entdeckt."

"Ich sagte, du sollst nicht vom Thema ablenken!", pflaumte der Blonde und es entwickelte sich ein Gespräch, das aus Max' Gezeter und Kais "Hn." bestand. Schließlich gab sich Kai geschlagen und zog sein Hemd über den Kopf.
 

Was er freilegte, ließ Takao den Atem stocken und Kenny erschrocken aufkeuchen. Ein durchtrainierter Oberkörper, auf dem sich jeder Muskel deutlich abzeichnete, aber das war es nicht, was ihre Aufmerksamkeit auf sich zog, sondern eher die Narben, die Kais Brust und Schultern bedeckten. Viele kleine, die kaum zu sehen waren, und wenige große, die sich über die ganze Länge seines Oberkörpers zogen.

Kai drehte sich um und gab den Blick auf seinen Rücken frei, der kreuz und quer mit tiefen, breiten Narben bedeckt war. Prügelnarben, erkannte Takao sofort, auch wenn er noch nie welche gesehen hatte. Aber solch breite Striemen konnten nicht von Klingen herführen, sondern nur von Stöcken oder Peitschen.

"Was ist jetzt?", schnauzte der Rotäugige, als Max sich nicht rührte. Doch der Blonde fing sich schnell und nahm den Verband ab, den Kai sich anscheinend selber angelegt hatte.

"Takao, ich brauche frisches Wasser und Tücher. Kenny, in meiner Tasche müssten ein paar sein.", befahl Max. Die beiden reagierten sofort. Michael kam vor Takao zurück und sah auf eine seltsame Szenerie. Er stellte das Tablett mit dem Essen auf den Tisch und machte es sich gegenüber Kai bequem.

"Wie hast du das angestellt?"

"Pferde gekauft."

"Oh? Hab schon gehört, dass Varaconn Probleme mit einer Schutzgeldbande hat, aber die spielen wohl kaum in deiner Liga, oder?" Kai zuckte die Schultern und verzog das Gesicht.

"Was hat das eine mit dem anderen zu tun?", wollte Kenny wissen und öffnete Takao die Tür, der dagegen trat, weil er mit beiden Händen je eine Schüssel mit frischem Wasser trug. Wasser war das Einzige, was hier wirklich sauber war. Rexxan entnahm es einem Brunnen im Hinterhof des Blutigen Schädel.

"Varaconn handelt mit den besten Pferden der Wüste.", erklärte Michael bereitwillig. "Er lässt sich aber nicht mit Geld bezahlen - damit könne er nichts anfangen, behauptet er immer - und lässt sich alles in Handlungen auszahlen. Für meine Sturmrose wollte er den Kadaver eines Cejar. Ihr wisst schon, diese löwenähnlichen, hässlichen Viecher, mit denen man sich besser nicht anlegen sollte."
 

Max nickte und tauchte einen Lappen eine Schüssel ein. Sorgfältig reinigte er Kais Wunde, der alles über sich ergehen ließ ohne mit der Wimper zu zucken. Er musste wirklich viel aushalten können.

"Was wollte er für Funkenstern?", fragte Takao neugierig. Er nahm einfach an, dass Kai auch die Stute von diesem Pferdehändler hatte. Kais Antwort gab ihm Recht: "Zähne, Haut, Klauen und Hörner eines Njeedan."

"Und die Pferde für uns?", wollte Kenny wissen.

"Um die wir uns hätten selber kümmern müssen.", fügte Max schuldbewusst hinzu.

Doch Kai antwortete nicht, sondern fragte Michael: "Was weißt du über den Dieb?"

Überrascht sahen ihn alle an. Dieses Thema war in den letzten Tagen bewusst vermieden worden. Als Takao davon angefangen hatte, hatte Kai sofort abgeblockt, also hatte der Blauhaarige es aufgegeben. Dass jetzt gerade Kai damit anfing, war schon etwas seltsam. Michael sah den Rotäugigen an.

"Nun.", begann er.

"Sag schon.", drängte Kai. "Du hast nicht davon gesprochen, also nehme ich an, dass du etwas weißt? Ewig kann der sich nicht verstecken, vor allem nicht, wenn alle Hatesit Jagd auf ihn machen."

Michael nickte. "Ganz recht.", murmelte er. "Zum Ersten: Hier in Skellten soll der ein Lager eingerichtet haben. Außerdem ist jetzt sicher, dass es mehrere sind und zwar gut organisiert. Wo das richtige Hauptquartier ist, weiß noch niemand, aber man ist ihnen auf der Spur."

"Aha. Weiter."
 

Max begann inzwischen, Kai einen neuen Verband anzulegen. "Es sollen mehrere Gruppen sein, die beteiligt sind: Magier, Techniker und -" Er warf Kai einen Blick zu. "- Priester. Aber keine Ahnung, worum es dabei geht. Anscheinend kann man kurzzeitig die Macht der Tisetah nutzen, wenn man die Amulette hat. Was das bringen soll, frag mich nicht."

"Sonst weißt du nichts?"

Michael schüttelte den Kopf. "Nein. Warum?"

Kai ignorierte die Frage und meinte: "Varaconns Feinde hatten ihr Lager draußen in der Bärenhöhle aufgeschlagen."

"In der Bärenhöhle?", fragte Michael zweifelnd. "Ich meine, die hätten sich sicher 'ne bessere Unterkunft besorgen können."

"Auf jeden Fall. Trotzdem hab ich eine halbe Stunde laufen müssen."

"Ehe du sie hochgenommen hast. Lebt noch einer?"

Kai schüttelte den Kopf, während Max meinte: "Fertig."

Der Rotäugige nickte und ging zu seiner Tasche, um sich ein frisches Hemd herauszuziehen. Takao sah verwirrt von Michael zu Kai und zurück. Und was hatte diese komische Bande mit dem Dieb zu tun? Er verstand überhaupt nicht, worum es ging.

"Michael, in der Tasche ist ein Kästchen. Ich hab's aus der Höhle mitgebracht." Der Angesprochene nahm die kleine Box heraus.

"Schau rein." Kais Stimme klang dumpf aus dem Hemd hervor, das er sich gerade überzog. Michael zog die Augenbrauen hoch, folgte aber der Anweisung. Erschrocken keuchte er auf, als er hineinsah, und blickte auf.

"Aber...das ist doch nicht möglich! Das war doch nur eine kleine Presserbande! Wie können die..."

"Schau mich an, du Trottel.", unterbrach Kai unfreundlich. "Glaubst du, eine kleine Presserbande könne mich so zurichten? Immerhin war es Dranzer, die getroffen wurde."
 

Er ging zu der Tasche zurück und zog zwei Amulette daraus hervor. "Schau. Zwei von ihnen haben die getragen."

Michael klappte das Kästchen wieder zu und griff nach den Anhängern. "Das ist sehr interessant.", gab er zu. "Und es passt in unsere Vermutungen."

Kai nickte. "Ja. Wir reiten morgen zu Sturmvogel. Der weiß sicher auch ein paar interessante Dinge."

"Ganz sicher. Und wenn nicht, wird er etwas wissen, sobald du bei ihm bist."

"So, jetzt ist aber genug!", explodierte Takao. Alle sahen ihn erstaunt an.

"Was ist?", wollte Michael wissen.

Takao funkelte ihn und Kai wütend an. "Es ist schön und gut, wenn ihr wisst, wovon ihr sprecht, aber wir wissen es nicht. Was ist in dem blöden Ding?" Takao deutete auf das Kästchen in Michaels Hand, der die drei angrinste.

"Entschuldigung.", meinte er.

"Sollen sie es sehen?", fragte er dann Kai, der nickte. Michael drehte das Kästchen um und öffnete es. "Bitte schön. Aber nicht erschrecken."
 


 


 

"Das ist absoluter Schwachsinn!", meinte Mao vergnügt.

Rei lachte auch. "Ich weiß. Aber genauso hat Jun es mir erzählt. Es soll so passiert sein. Frag mich nicht, ob das stimmt."

"Es ist trotzdem Schwachsinn."

"Du wiederholst dich."

"So etwas kann man nicht oft genug sagen!"

"Wie auch immer. Hast du genug Holz?"

"Ja. Lass uns zurückgehen." Sie befanden sich mitten in einer Einöde mit karger Vegetation, die sie gerade ausräuberten um in ihrem Felsen ein Feuer zu entzünden. Rei hob sein Bündel auf den Rücken und ging los.

Mao folgte ihm. Plötzlich blieb sie stehen. "Du, hörst du das? Da ist jemand!" Sie sah sich um, konnte aber niemanden entdecken.

Der Junge sah sie kurz an und deutete dann auf eine Gruppe Steine. "Lass uns dahinter. Solange wir nicht wissen, wer es ist, ist Vorsicht angebracht."

Sie nickte und folgte ihm. Kaum hatten sie sich hinter den Steinen verdeckt, tauchte eine Gestalt auf einer weiteren Steingruppe auf. Anscheinend war er über die Felsen geklettert. Mao überlief ein Schauer, als sie den Mann ansah.

Sie wusste nicht wieso, aber sie hatte Angst vor ihm. Dieser Mann war gefährlich, sehr gefährlich. Sie zitterte. Hoffentlich bemerkte er sie nicht! Rei bemerkte ihre Aufregung und legte ihr die Hand auf die Schulter um sie zu beruhigen. Mao war dankbar für diesen Trost. Dieser Mann dort... Seine Aura war finster, dunkel und finster, grausam. Er war ein mächtiger Magier, das bemerkte Mao sofort, aber da war auch etwas anderes, etwas, das sich unter der magischen Aura verbarg.
 

Rasch kam er näher. Hatte er sie gesehen? Er hatte den gewandten, ausbalancierten Gang eines Kriegers und trug einfache Kleidung aus Leder und Wolle. Auf seinem Rücken unter dem Umhang, so dass nur noch das Heft heraus sah, trug er ein langes Schwert und an seinem Gürtel hing, neben einem kleinen Dolch, eine Streitaxt. Seine Stiefel waren schwer und verursachten kratzende Geräusche auf dem Boden.

Bald konnte sie sein schmales Gesicht sehen. Es war hager und eingefallen und bildete so einen starken Kontrast zu dem muskulösen, massigen Körper, der sich mit der Geschmeidigkeit eines wilden Tieres bewegte. Nase und Lippen schoben sich wie eine Schnauze aus dem Gesicht hervor und seine Augen unter den zusammengewachsenen Augenbrauen waren stechend und gelb, keine menschlichen Augen. Struppiges, graubraunes Haar fiel ihm ins Gesicht und schien sich nicht bändigen zu lassen.

Mao hielt den Atem an. Der Mann ging keine zwei Meter entfernt an ihnen vorbei, sie konnte ihn sogar riechen, ein schwerer, durchdringender Geruch nach Wald, Wildheit und ... Wolf.

Sie schauderte ein weiteres Mal und bekam eine Gänsehaut. Trotz der Hitze der Wüste fror sie. Was stellte der Kerl mit ihr an?

Dann war er vorbei, aber Mao rührte sich erst, als er schon lange außer Sicht war und ließ auch nicht zu, dass Rei aufstand. Als sie sicher war, dass der Fremde auf keinen Fall umkehren würde, stand sie auf und ging ohne ein Wort auf die Felsen zu, über die er geklettert war.

"Mao, he, Mao!" Rei kam hinter ihr her. "Jetzt warte doch mal." Dann hatte er sie erreicht, aber sie kümmerte sich nicht um ihn. "Was ist mit dir? Wer war das?" Sie schüttelte den Kopf und erklomm die Felsen mit ein paar Sätzen. "Wo willst du hin? Mao!" Rei klang etwas ungehalten. Trotzdem lief sie weiter. "Mao!" Er folgte ihr.
 

Von ihrem Standpunkt auf den Felsen konnte sie über den kleinen Talkessel sehen, der dahinter lag. Er war zur Hälfte von einem Tümpel bedeckt, an dessen Ufern hohes Schilfgras wuchs. Ein Pferd lag daneben auf dem Boden, Sattelzeug und einige Taschen nicht weit entfernt fein säuberlich aufgeschichtet und ein paar Meter weiter lag ein Mann auf dem Boden.

Erst auf den zweiten Blick bemerkte Mao, dass das Pferd tot war - eine riesige Blutlache hatte sich unter ihm gebildet und wurde gierig vom Boden aufgesogen - und der Mann nicht schlief. War er etwa auch...? Nein, tot war er nicht.

Rei hinter ihr schimpfte und sprang neben sie. Er wollte sie wütend anfahren, verstummte aber, als er das Bild im Tal bemerkte. Sie warfen sich einen Blick zu und dann in die Richtung, in die der unheimliche Fremde verschwunden war. Es konnte niemand anderes sein, der das angestellt hatte.

Nacheinander sprangen sie hinunter und Rei kniete sich neben dem Mann auf den Boden. Mao sah sich kurz um. Dem Pferd kam sie nicht zu nahe, es begann schon zu stinken und die Fliegen sammelten sich um den Kadaver.

Das Gepäck war nicht besonders viel, aber ihr fiel das Gewehr auf, das daneben lag. Es war gut gepflegt und obwohl Mao so etwas noch nicht oft gesehen hatte, merkte sie schnell, dass es ein hochwertiges Stück sein musste.
 

"Er lebt noch.", murmelte Rei. "Hat nur einen harten Schlag abbekommen. Den kriegen wir schnell wieder auf die Beine. Hast du ein Stück Stoff? Wir sollten seine Stirn kühlen." Mao nickte und zog aus dem kleinen Beutel, den sie immer am Gürtel trug, ein Tuch heraus, das sie kurz in den Tümpel tauchte und dem Mann dann auf die Stirn legte. Rei brauchte ihr nicht zu sagen, was sie zu tun hatte. Das wusste sie auch allein.

Während Rei sich um den Fremden kümmerte, sprang Mao noch einmal auf die Felsen zurück und beobachtete den Horizont. Sie hatte ein sehr schlechtes Gefühl bei der Sache und noch dazu wusste sie, dass sie sich das Gesicht des unheimlichen Mannes besser merken sollte. Sehr gut merken.

"Mao, er wacht auf." Reis Stimme riss sie aus den Gedanken und sie hüpfte wieder hinunter. Die Augenlider des Ohnmächtigen flatterten und öffneten sich dann ganz. Mao sah in freundliche, braune Augen, die sie verwirrt ansahen. Anscheinend konnte er sich nicht erinnern, was geschehen war.

"Guten Tag.", begann Rei mit einem freundlichen Tonfall. "Wie geht es Ihnen? Sie haben einen Schlag auf den Kopf bekommen."

Der Mann sah ihn noch verwirrter an und versuchte, sich aufzurichten. Rei half ihm. "Ich...verstehe dich nicht, Junge.", murmelte der Fremde dann und Rei schlug sich gegen die Stirn. Er - und auch Mao - hatte vergessen, dass man in der Wüste eine andere Sprache benutzte als in Canih.

So gut wie jede Insel hatte ihre eigene Sprache, aber nur wenige benutzten sie wirklich. Vor allem nicht in den großen, modernen Städten. Sehr oft sprach man die sogenannte Allgemeine Sprache, die beinahe jeder konnte. Die Kinder lernten sie von klein auf, wurden sozusagen zweisprachig erzogen, so auch die canihschen Sprösslinge.
 

"Tut mir Leid.", antwortete Rei in der in der Wüste gebräuchlichen Sprache. "Ich habe vergessen, dass man hier anders redet. Wie geht es Ihnen? Sie wurden überfallen und haben einen Schlag auf den Kopf bekommen."

Der Mann sah ihn einen Augenblick verwirrt an, dann kam Leben in ihn und er griff sich panisch an den Hals. Aber dort war nichts und seine Augen wurden groß und waren plötzlich voller Angst und Panik. "Nein...nein, das kann doch nicht sein..." Seine Stimme glich einem Wimmern.

"Was ist den?", wollte Mao freundlich wissen und wechselte einen verwirrten Blick mit Rei. Doch auch dieser schien nicht zu wissen, was das sollte.

Der Mann beruhigte sich nicht. Er stotterte unzusammenhängende Sätze vor sich hin, aber auf einer Sprache, die Mao nicht verstand. Leise und beruhigend redete Rei auf ihn ein, während sich das Mädchen abwandte. Wenn ihre Vermutung stimmte - was sie nicht hoffte - so waren sie ihrem Ziel ein Stück näher gekommen.

Endlich hatte sich der Mann beruhigt und antwortete auf Reis Frage, was denn nun los war, leise: "Mein Amulett...mein Amulett, es ist weg! Einfach weg! Umerna..." Mao verstand, im Gegensatz zu Rei. Also hatte sie Recht mit ihrer Vermutung.

"Von was reden Sie?", fragte Rei und Mao stellte sich neben ihn. "Sie sind ein Hatesit, ist das so richtig?"

Der Mann nickte. "Ja. Aber...aber..."

Jetzt begriff auch Rei. "Man hat ihnen das Amulett gestohlen." Wieder ein Nicken.

"Haben Sie den Dieb erkannt?"

"Nein. Ich...Es ging alles so schnell. Ich konnte nichts sehen. Ich kann nicht sagen, wie der Dieb aussieht."

"Aber wir.", rief das Mädchen triumphierend aus. Beide sahen sie verwirrt an.

"Was meinst du, Mao?", wollte Rei wissen, dann begriff er: "Dieser Kerl!"

"Wie...von was redet ihr?" Der Fremde schöpfte Hoffnung. Bis jetzt hatte niemand den Dieb gesehen und niemand hatte sein Amulett zurückerhalten. Es schien für immer verschwunden, weg von seinem eigentlichen Besitzer. Bis jetzt.
 

Aber diese Kinder meinten, sie hätten den Dieb erkannt? Das gab Hoffnung, Hoffnung und Kraft. Das pinkhaarige Mädchen drehte sich zu ihm um. "Wir haben vorhin einen Mann gesehen, der über diese Felsen geklettert ist. Er hat uns nicht gesehen, weil wir uns rechtzeitig versteckt haben. Aber er ist direkt vor unserer Nase vorbeigelaufen."

"Das heißt, wir haben ihn sehr gut erkennen können.", setzte Rei hinterher und grinste triumphierend. "Jetzt, wo wir wissen, wie er aussieht, wird alles vielleicht etwas leichter! Jemand anderes als der Dieb Ihres Amulettes kann er doch kaum gewesen sein. So viele Leute rennen hier auch nicht herum."

Mao nickte siegessicher. "Kommt, wir müssen Lee und den anderen Bescheid sagen!"
 


 


 

Lee, Gaou und Kevin waren aufs Höchste erstaunt, als sie den Fremden, der sich als Caras Rash-en vorgestellt hatte, sahen. Lee lud ihm zum Essen ein und die drei geduldeten sich mit der Erzählung der Erlebnisse bis nach der Mahlzeit. Erst, als das Geschirr gewaschen und wieder weggepackt war, ließ Lee sich berichten. Er hörte geduldig Maos Worten zu.

Rei hing derweil seinen Gedanken nach. Ob sie jetzt wirklich so weit voran gekommen waren? Während sie hier saßen, entfernte sich der Dieb immer weiter von ihnen. Sie kannten jetzt zwar sein Erscheinungsbild und wussten, dass er ein Magier und noch mehr war - viel im Gegensatz dazu, dass sie vorher nicht einmal das Aussehen gewusst hatten - aber wie viel nutzte ihnen das?

Sie hatten ihn schon vorher aus den Augen verloren. Eine Verfolgung würde jetzt kaum noch etwas bringen, denn sie würden ihn sicher nicht mehr einholen. Andererseits bot er keinen gewöhnlichen Anblick und mithilfe der Beschreibung würden sie ihn finden können. Hätten sie doch schon vorher gewusst, dass er der Dieb war! Sie hätten ihn aufhalten können! Aber hinterher war man immer klüger.
 

Lees Stimme riss Rei aus seinen Gedanken. "Jetzt wissen wir also, wie der Dieb aussieht.", murmelte er abwesend.

"Ob uns das viel nutzt?", fragte Kevin. "Ich meine, der ist doch schon über alle Berge."

"Da hast du Recht.", gab Lee zu und wandte sich an Mao: "In welche Richtung ist er weg?"

"Nach Nordwesten. Schnurstracks. Aber er könnte auch abgebogen sein, nachdem wir ihn aus den Augen verloren haben."

"Was würde ihm das bringen? Er wusste doch nicht, dass er beobachtet wurde."

"Wie kommst du darauf, dass er uns nicht doch bemerkt hat und einfach beschlossen hat, uns zu ignorieren?", wollte Rei wissen. Auf diesen Gedanken war er noch gar nicht gekommen.

"Denk nach, Vetter.", verlangte Lee. "Er ist so sehr darauf bedacht, dass ihn niemand sieht. Er wäre kein Risiko eingegangen und hätte euch getötet. Oder es zumindest versucht. Er konnte sich ja ausrechnen, dass ihr - oder wir - auf Caras stoßen könnten. Diese Chance ist noch nicht einmal so klein."

Rei nickte. Das war ja sehr knapp gewesen. Wenn Mao ihn nicht bemerkt hätte, bevor er die Felsen überklettert hatte, und sie sich nicht rechtzeitig oder gut genug versteckt hätten... vielleicht wären sie dann jetzt schon tot?

"Jedenfalls hat er keine Ahnung, dass man ihn bemerkt hat.", meinte Kevin grinsend. "Das könnten wir als Vorteil nutzen. Immerhin wiegt er sich in Sicherheit."
 

"Wenn wir nur wüssten, wie.", schmunzelte Rei. "Aber mir fällt da im Moment nichts ein, euch?" Alle schüttelten die Köpfe.

"Aber wir können es im Hinterkopf behalten. Fassen wir zusammen. Was wissen wir über den Kerl?", wollte Lee wissen.

"Magier. Sehr mächtig. Und da war noch etwas anderes.", antwortete Mao sofort.

"Krieger, bewaffnet mit Langschwert und Axt, so wie er sich bewegte und hielt, wahrscheinlich auch ein sehr geübter Kämpfer und damit gefährlicher Gegner.", warf Rei hinterher.

"Unheimliche Aura.", murmelte Gaou, der Mao ganz genau zugehört hatte. Gaou war jemand, dem eine unheimliche Ausstrahlung am Unangenehmsten war. Unerträglicher noch als ein guter Kämpfer oder mächtiger Magier.

"Sehr geschickt.", murmelte Kevin. "Sonst könnte er sich nicht von hinten an jemanden anschleichen, so dass weder das Opfer noch die Tiere - in Caras' Fall das Pferd - etwas mitbekommen."

"Harter Schlag.", murmelte das ,Opfer'. "Außerdem skrupellos. Er scheut es immerhin nicht, Tisetah zu stehlen."

"Er übt Blasphemie aus.", murmelte Lee. "Wenn Großmutter recht hat und das hat sie."

"Wie meinst du das?", fragte Caras scharf und die Zhaon'El warfen sich Blicke zu. Alle nickten.

Lee wandte sich wieder an Caras. "Unserer Dorfrat hat uns losgeschickt, damit wir dem Dieb Einhalt gebieten. Er stiehlt die Tisetah, um ihre Kräfte zu benutzen."

"Was?!", fuhr Caras auf, aber Gaou zog ihn wieder auf den Boden zurück.

"Beruhig dich. Wir wissen nicht, wofür er sie braucht, aber wir denken nicht, dass sie dabei zu Schaden kommen werden. Immerhin braucht er sie."

//Sollen wir ihm auch noch den Rest verraten?//, dachte Rei. //Dass der Dieb mit Azulon verbündet ist?//
 

"Aber...aber das...das ist eine Sünde!", rief Caras erschüttert aus und die anderen nickten.

"Ja.", ergriff Mao das Wort und Rei wusste, dass sie ihm sagen würde, mit wem der Dieb zusammenarbeitete. "Aber das ist noch nicht das Schlimmste. Er wäre nicht schwer aufzuhalten, wenn er nicht einen Pakt mit Azulon geschlossen hätte." Diese Neuigkeit ließ Caras Gesichtszüge entgleißen. Er sagte nichts mehr, stotterte nicht einmal, sondern saß einfach nur stumm da und starrte in das Feuer.

"Wir wissen, dass das ein Schock sein muss.", erklärte Mao mit sanfter Stimme. "Aber je mehr wir über den Dieb wissen, desto besser für uns." Caras nickte und hüllte sich in nachdenkliches Schweigen.

"Was machen wir jetzt?", fragte Gaou plötzlich. "Folgen wir ihm?"

"Ja.", grummelte Lee. "Wir nutzen den Pfeil später wieder. Wir dürfen ihn nicht verlieren. Vielleicht bekommen wir eine solche Chance nie wieder."

Rei wusste nicht, ob er das für eine gute oder für eine schlechte Idee halten würde. Zum einen war es gefährlich, wenn sie den Dieb trafen, ehe sie die Vier Göttlichen beisammen hatten. Ob man das überleben konnte? Er musste sehr stark sein und außerdem hatte er Azulon als Hilfe.
 

Zum anderen hatte Lee Recht. Außerdem mussten sie noch viel über den Dieb herausfinden. Er glaubte nicht mehr, dass es nur ein einzelner war. Zumindest der Fremde mit den zusammengewachsenen Augenbrauen sah nicht wie jemand aus, der mit Azulon einen Bund schloss und Tisetah stahl.

Das hieß - er sah schon so aus, aber aus irgendeinem Grund glaubte Rei nicht, dass er dazu in der Lage war. Daraus konnte man folgern, dass es mindestens zwei waren, wahrscheinlich aber mehr. Diesen Gedanken sprach er auch aus und erhielt dafür erstaunte Blicke. Sie hatten noch gar nicht daran gedacht.

Aber dann nickte Lee langsam. "Du hast Recht. Wir können nicht mit Sicherheit sagen, dass es nur eine Person ist. Höchstwahrscheinlich sind es sogar mehrere und der Kerl, den ihr gesehen habt, war nur ein Laufbursche."

"Nein, das war er nicht.", widersprach Mao. "Was auch immer er war, wenn auch nicht der Anführer, ein Laufbursche war er trotzdem nicht." Rei nickte bestätigend. Das glaubte er auch nicht. Wenn es tatsächlich mehrere Diebe waren - und je länger Rei darüber nachdachte, desto mehr glaubte er es - so nahm der unheimliche Kerl sicher einen hohen Platz in ihrer Hierarchie ein, falls es so etwas überhaupt gab.
 

"Caras, was liegt im Nordwesten?", fragte Kevin plötzlich. "Wohin gelangt man dort?"

Der Angesprochene sah verwirrt auf. Dann dachte er einen Moment nach und erklärte: "Dort liegt eine Stadt. Sie ist nur ein paar Tagesreisen entfernt. Zhekan nennt man sie und sie ist eine der ältesten Wüstenstädte überhaupt. Außerdem besteht sie zum großen Teil noch aus Bauten der Alten. Hört mal, ich habe noch einen Vorschlag zu machen."

Lee sah ihn auffordernd an. "Sprich. Wir haben nichts dagegen."

"Nun, ich möchte euch nicht zu nahe treten oder so...", begann er, aber Lee winkte ab. "Ihr seht mir nicht aus wie erfahrenen Wüstenreisende."

"Sind wir auch nicht. Wir reisen das erste Mal. Unsere Heimat ist Canih, wo wir Hatesit respektiert sind."

"Ich habe davon gehört, aber darum geht es jetzt nicht. Sagt euch der Name ,Sturmvogel' etwas?" Synchrones Kopfschütteln. "Habe ich mir gedacht. Hört zu, Sturmvogel ist Händler, aber eigentlich weit mehr als das. Er hat im Steinfeld eine alte Lagerhalle gefunden und sie wieder auf Vordermann gebracht. Dort wohnt er jetzt und handelt. Mit allem, was ihm so in die Hände fällt. Braucht ihr etwas, so geht zu Sturmvogel, der kann euch das meiste besorgen."

Lee nickte, aber er wirkte so verwirrt wie die anderen Zhaon'El. "Was hat das mit den Dieben zu tun?"
 

"Nun, zu Sturmvogel kommt jeder. Magier, Hatesit, Krieger, alle. Und jeder, der dort hinkommt, erzählt die Neuigkeiten. Ich gebe es nur ungern zu, aber ich bin nicht gerade für meinen Mut bekannt. Ehrlich gesagt bin ich sogar ziemlich feige. Als ich von dem Dieb hörte, bin ich abgehauen. Ich dachte, in einer so abgelegenen Gegend findet man mich nicht, aber das scheint ja nicht so zu sein. Kleine Sünden bestrafen die Götter eben sofort. Aber das tut nichts zur Sache. Jedenfalls bin ich schon lange nicht mehr unter Leuten gewesen. Ich bin abgehauen, da steckte die Sache mit dem Dieb noch in den Kinderschuhen, sozusagen. Ich weiß kaum etwas über ihn, wohl aber, dass die Hatesit Jagd auf ihn machen."

"So wie wir.", murmelte Rei und Kevin fügte hinzu: "Verständlich."

"Ja. Durchaus, durchaus. Jedenfalls haben die Hatesit bestimmt schon etwas über den Dieb herausgefunden, vielleicht sogar mehr als wir."

"Und du meinst, dieser Sturmvogel weiß darüber Bescheid?"

"Ja. Ganz genau. Wenn jemand etwas herausgefunden hat, wird Sturmvogel bestimmt informiert worden sein. Immerhin werden wir alle Kräfte brauchen, den Dieb unschädlich zu machen und man braucht eben einen Informanten, der die Neuigkeiten weiter gibt, ohne dass sie in der Welt herumposaunt werden. Wir sollten zu ihm."
 

"Hm.", machte Lee. Einige Minuten herrschte Stille, dann schüttelte der Älteste der Zhaon'El den Kopf. "Nein. Wir dürfen den Kerl nicht entkommen lassen. Ich habe einen anderen Vorschlag."

"Und der wäre?", wollte Mao wissen.

"Caras, du gehst zu Sturmvogel. Aber es dürfen nicht zu viele wissen, dass man einen der Diebe gesehen hat. Kevin, du begleitest ihn. Wir verfolgen den Kerl."

Kevin runzelte die Stirn. Man sah ihm an, dass er damit nicht ganz einverstanden war. Aber er sagte nichts. Caras nickte. "Das ist eine gute Idee." Er sah zum Himmel und meinte: "Wir haben noch einige Stunden Zeit, bis die Sonne untergeht. Ich schlage vor, wir brechen sofort auf."

"Keine Zeit zu verlieren.", fügte Gaou hinzu und sie packten ihr Zeug zusammen und hievten es auf den Rücken.

"Wenn ihr den Kerl gefunden habt, dann kommt zu Sturmvogel.", meinte Caras. "Ich werde wenn möglich dort auf euch warten um zu hören, ob ihr etwas erreicht habt."

Lee nickte. "Wie finden wir den Kerl?"

"Fragt einen Hatesit oder so. Die meisten kennen ihn und viele gehen auch zu ihm. Wenn ihr sagt, es ginge um den Dieb, wird euch sicher jemand freiwillig führen."

Lee nickte. "Also dann. Wir sehen uns sicher noch einmal." Caras erwiderte den Gruß und so trennten sie sich. Caras und Kevin zogen nach Südwesten, während die restlichen Zhaon'El nach Nordwesten wanderten.
 

~~~~~~~
 

Ich würde mich über Kommis freuen!
 

Bye

Silberwölfin

Sturmvogel

Titel: Krieger, Magier und Diebe

Teil: 9/24

Autor: Lady Silverwolf

Anime: Beyblade

Warning: OOC

Disclaimer: Die Hauptcharaktere gehören nicht mir und ich verdiene kein Geld mit dieser Fanfic.
 

"..." reden

//...// denken
 

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ES TUT MIR LEID UM EURE SCHÖNEN KOMMIS! KÖNNT IHR MIR VERZEIHEN, DASS ICH SO DUMM BIN UND ALLES GELÖSCHT HABE? Ich wollte eigentlich nur die Prozentzahl korrigieren. ;_; Und das kam dabei raus. ALLES WEG! *heul*

Ihr könnt gar nicht glauben, wie entsetzt ich war, als ich das gesehen habe. ;_; Ich hab gedacht, ich dreh gleich durch.
 

Ich werde das alles so schnell wie möglich wieder hochladen. Aber ihr müsst euch ein bisschen gedulden, okay? Ist schon ein bisschen Arbeit, aber für euch tu ich alles. (zumindest fast)
 

~~~~~~~
 

Sturmvogel
 

Zhekan war eine sehr alte Stadt, so alt, dass sie noch aus der Zeit der Alten stammte, vor der Katastrophe. Sie lag nicht in einer Insel, aber geschützt genug, dass nicht alles zerstört worden war.

Das, was Zhekan charakterisierte, war die Höhe. Scheinbar meilenweit ragten die Türme in den Himmel, verbunden durch Brücken und Plattformen. Das Leben spielte sich kaum auf dem Erdboden ab, alles geschah auf diesen Türmen. Natürlich waren nachträglich jede Menge Häuser um die alten Wolkenkratzer gebaut worden, doch im Gegensatz zu letzteren spielten sie kaum eine Rolle.
 

Rei, Mao, Gaou und Lee standen fassungslos vor der Stadt. In diesem Moment fragten sie sich alle dasselbe: Wie sollten sie hier eine bestimmte Person finden, deren Namen sie noch nicht einmal kannten und die nur zwei von ihnen wirklich gesehen hatten?

Als Mao diese Frage stellte, schweigen sie alle. Dann sagte Gaou: "Fragen." und setzte sich in Bewegung. Die anderen folgten schweigend.

Fragen. Das war leicht gesagt, aber ließ sich nur schwer in Tat umsetzen. Es gab nur wenig Leute, die ihnen überhaupt zuhörten. Von diesen wenigen verlangte der Großteil Geld - was sie natürlich nicht hatten - für eine Antwort, die wahrscheinlich erfunden worden wäre.
 

Sie blieben mehrere Tage und übernachteten hier und da, aßen bei verschiedenen Händlern und Wirten. Nirgends blieben sie lange. Die Wirte und manche Händler erwiesen sich als informativer und freundlicher als die anderen Bewohner der Stadt. Manche hatten den Mann schon gesehen - sie nannten ihn ,den Wolf' - aber keiner wusste, wo er sich einquartiert hatte. Also fragten sie weiter.

Plötzlich spürte Mao, wie jemand an ihrem Hemd zupfte. Blitzschnell griff sie nach ihrem Dolch und fuhr herum. Aber es war nur ein kleines Mädchen, das sie aus einem verdreckten Gesicht mit riesigen, ängstlichen Augen ansah.
 

Beruhigt schob Mao ihre Klinge wieder in die Scheide zurück und lächelte freundlich: "Entschuldige. Ich wollte dich nicht erschrecken."

Das Mädchen veränderte den Gesichtsausdruck nicht, sondern sagte: "Suchst du den Wolf, Tante?"

Verwirrt blinzelte Mao und nickte. "Ja. Ich suche den Wolf."

"Warum? Hat er dir weh getan?"

Einen Moment war Mao verwirrt, dann schüttelte sie den Kopf. "Nein. Das hat er nicht getan. Aber ich möchte mit ihm reden."

"Ich weiß, wo er ist!", triumphierte das Kind mit einem plötzlichen, strahlenden Lächeln. "Soll ich ihn dir zeigen? Es ist nicht weit von hier. Er kommt immer hierher und..."

"Nun mal langsam, Kind.", fuhr Lee dazwischen. "Wie kannst du wissen, was andere nicht wissen?"

Das Lächeln des Mädchens verschwand und sie sah wieder so ängstlich drein wie vorher. "I...ich...ich krieche in Löcher.", murmelte sie dann verlegen. "Um...um mich zu verstecken vor den bösen Männern."

Mao warf ihrem Bruder einen wütenden Blick zu und dieser zog brummelnd ab. Zusammen mit Gaou und Rei hockte er sich auf eine niedrige Mauer und starrte zu seiner Schwester hinüber. Diese hatte sich wieder dem Kind zugewandt. "Böse Männer?"

Das Mädchen nickte. "Ja. Sie kommen und schlagen uns Kinder. Aber das ist nicht wichtig. Wir können uns meistens verstecken und in Löcher kriechen. Willst du den Wolf sehen?"

"Kannst du uns hinführen?", fragte Mao leise. "Du bekommst auch was dafür."

Die Augen des Kindes leuchteten auf und es nickte. "Ja. Gerne, Tante." Es zögerte einen Augenblick, ehe es sagte: "Aber ich gehe nicht nahe dran. Ich zeige euch nur das Loch!"
 

"In Ordnung." Mao winkte ihren drei Begleitern und zusammen folgten sie dem Mädchen durch ein paar Gassen, bis sie vor einem Loch in einer Hauswand standen. Es war nicht besonders groß - selbst Lee würde Schwierigkeiten bekommen, hindurchzuschlüpfen, für Gaou war es zu klein - und einige dicke, verrostete Eisendrähte standen heraus.

"Hier ist es.", erklärte das Kind. Vorsichtig spähte Lee hindurch. Dahinter befand sich ein riesiger Raum. Kreuz und quer zogen sich Metallstangen und Stahlträger hindurch. Anscheinend war das Hochhaus ansonsten leer. Keine Decken, keine Böden, keine Wände.

"Und hier sind sie?", fragte Lee zweifelnd und das Kind nickte. "Ganz unten." Lee warf seiner Schwester einen Blick zu. Sie nickte und er sagte zu Gaou: "Du wartest hier. Pass auf das Kind auf. Wenn das stimmt, was sie gesagt hat, schulden wir ihr was."
 

Das Mädchen strahlte über sein ganzes verdrecktes Gesicht und sah zu, wie Lee, Rei und Mao nacheinander durch das Loch stiegen und dahinter im Halbdunkel, das im Gebäude herrschte, verschwanden.

Reis Augen brauchten nur einen kurzen Moment, bis sie sich an das Dämmerlicht gewöhnt hatten. Dann sah er zwar nur noch schwarzweiß, aber trotzdem gestochen scharf. Staunend blickte er sich um.

Der Raum war hoch und lang, wenn er auch im Gegensatz dazu keinen großen Umfang hatte. Er konnte weder den Erdboden unter ihnen noch die Decke, die das Gebäude von der Sonne absperrte, sehen. Zu weit weg lagen sie und zu viele Balken aus Eisen und Stahl versperrten die Sicht.
 

"Das ist gigantisch!", hauchte Mao ergriffen und ging ein paar Schritte in den Raum hinein. Es schien, als würde sie nicht auf einem kaum zwei Handbreit schmalen Stahlbalken laufen, sondern auf festem Boden, so scher war ihr Gang. Bei Rei und Lee verhielt es sich ähnlich. Das waren die Katzengene.

Lee nickte langsam, sagte aber dann: "Wie auch immer, lasst uns nach unten." Er sah sich noch einmal um und dann nach unten. Mit einem kurzen Sprung landete er sicher auf einem niedriger gelegenen Balken. Kurz darauf sprang er schon weiter. Rei und Mao folgten.

Wie die Katzen hüpften, sprangen, kletterten und balancierten sie weiter und weiter in die Tiefe. Keiner von ihnen kam einmal ins Staucheln, keiner zögerte oder wankte. Rei folgte Maos tanzendem Zopf; wenn er zur Ruhe kam, so blieb auch Rei stehen.
 

Plötzlich hob Lee die Hand. "Psst! Hört ihr das?" Rei legte den Kopf schief und lauschte. Gerade wollte er verneinen, als er glaubte, Stimmen zu vernehmen. Er nickte und Mao flüsterte: "Da ist jemand."

"Jetzt müssen wir leise sein.", murmelte Lee. "Achtet darauf, so wenig Geräusche wie möglich zu machen."

Das hätte er nicht zu sagen brauchen, aber Rei und Mao nickten trotzdem, ehe sie so lautlos wie vorher weiterkletterten. Aber jetzt interessierten Rei Maos Haare nicht mehr. Jetzt achtete er auf seine Umgebung.

Bald konnten sie Licht unter sich erkennen. Die Stimmen waren immer lauter geworden, aber sie konnten trotzdem kein Wort verstehen. Dann verstummten sie und das nächste, was sie hörte, war lautes Hundegebell. Rei lief ein Schauer über den Rücken. Er hasste Hunde. Zwar würde das Tier sie wahrscheinlich nicht entdecken, aber schon die Nähe reichte aus, in ihm Abscheu aufsteigen zu lassen. Aber zum Glück würde das Tier nicht zu ihm kommen können.
 

Lee befahl ihnen mittels einer Bewegung, sich im Raum zu verteilen und getrennt weiterzuklettern. Bald konnte Rei unter sich eine große Halle erkennen. Er war zum Großteil mit Kisten und Säcken vollgestellt, die nicht interessant waren, da sie schon seit Ewigkeiten hier zu stehen schienen.

Ein Teil des Bodens aber war freigeräumt worden und sah aus wie eine kleine Insel inmitten von altem Gerümpel. In einer Ecke waren einige Deckenlager aufgebaut, in der Mitte standen ein Tisch und einige Stühle, in der Nähe waren fein säuberlich einige Taschen aufgestapelt. Daneben lagen ein paar Sättel und Halfter. Eine Art Gang führte durch die Kistenstapel zu dem Ausgang.
 

Drei Männer saßen nahe des Ganges auf dem Boden und würfelten. Zwei weitere saßen am Tisch. Der bellende Hund hockte aufmerksam neben einem von ihnen und bellte wie verrückt in Richtung des Ausgangs. Alle fünf Männer sahen zum in diese Richtung, durch den einige Gestalten näher kamen.
 

Einer davon war ohne Zweifel ein Magier, dessen Kraft sogar Rei spüren konnte. Es war ein großer, schlanker Mann etwa Mitte zwanzig. Er hatte sein glattes, schwarzes Haar zu einem kurzen Zopf gebunden und trug eine lange, blaue Robe. Sein Gesicht war durchaus als gutaussehend zu bezeichnen, wären da nicht die stechend blauen Augen, die zu alt und zu weise für ihn wirkten und einen hinterlistigen, fiesen Ausdruck hätten.

Die zweite Person bei den Ankommenden, die Rei sofort ins Auge fiel, war ein Junge von etwa siebzehn Jahren. Er war nicht besonders groß, aber schlank und schmal. Sein hübsches Gesicht, in das das Pony des dichten, grünen Haares fiel, und sein gesamtes Aussehen wirkten sehr feminin.

Seine Kleidung war zwar für die Reise durch die Wüste gemacht, sehr robust und widerstandsfähig, aber man sah ihr deutlich den Reichtum des Besitzers an. Um den Hals erkannte Rei eine dünne, goldene Kette, die unter seinem Hemd verschwand.
 

Wer das wohl war? Wahrscheinlich ebenfalls ein Magier, aber genau konnte Rei das nicht sagen. Der Junge sowie der Magier in der blauen Robe mussten ebenso wie der unheimliche Mann hoch oben in der Hierarchie dieser Diebesbande stehen.

Der Zhaon'El warf einen kurzen Blick auf die anderen Männer. Sie waren uninteressant, grobschlächtige, narbige Krieger in abgewetzter Kleidung, die wahrscheinlich einfache Söldner der Wüste waren, die die Diebe angeworben hatten. Nur die beiden Personen am Tisch unterschieden sich von ihnen. Einer war ein Magier mit langer, grüner Robe und dichtem, silberdurchzogenem Haar. Die Zweite war der Wolf. Er hatte seine Waffen abgelegt, aber trotzdem wirkte er gefährlicher als die anderen Krieger zusammen.
 

Jetzt stand er auf und trat den Ankommenden entgegen. Vor dem blau gewandeten Magier sank er in die Knie und neigte den Kopf. "Willkommen in Zhekan, Mylord Karmaat."

"Lass das, Scaramak. Wir sind hier nicht zu Hause, wie oft sollen wir dir das noch sagen?"

Scaramak, der Wolf, erhob sich mit einer geschmeidigen Bewegung und lud Karmaat und seinen jungen Begleiter mit einer Bewegung auf, sich an den Tisch zu setzen. Die Krieger luden ihr Gepäck ab und setzten sich zu den Würfelspielern.

Scaramak nahm neben Karmaat Platz, welcher fragte: "Hattet ihr Erfolg?"

"Ja und nein.", antwortete der Unheimliche. Er wandte sich an den grüngekleideten Magier, der sich sofort erhob und ein kleines Kästchen holte. Er stellte es vor Karmaat auf den Tisch und öffnete. Rei hielt den Atem an, als er bemerkte, dass es mit Tisetahamuletten gefüllt war.
 

//Das darf doch nicht wahr sein! Wir sind ihnen auf der Spur, aber die klauen munter weiter! Wie lange soll das noch gehen?!// Am liebsten wäre Rei hinuntergesprungen und hätte das Kästchen an sich gerissen. Er wusste, dass es Mao und Lee nicht anders ging. Aber die Geschwister rissen sich ebenso wie er zusammen und blieben still und heimlich auf ihren Beobachtungsposten sitzen.

"Schön.", meinte Karmaat zufrieden. "Ich werde sie dem Meister überbringen." Er klappte das Kästchen zu und schob es in die Mitte des Tisches zurück. "Wo gab es Probleme?"

Scaramak wirkte plötzlich nervös. "Der...der Stein. Er war nicht am angegebenen Platz."

"Was?!", fuhr der Magier auf. "Was hat das zu bedeuten, Wolf?!"

Scaramak zuckte zurück. Schweiß stand auf seiner Stirn und er leckte sich nervös über die Oberlippe. Auch die anderen Männer, die mit ihm in der Halle gewartet hatten, wirkten ängstlich. "Wir...wir haben den Eingang gefunden. Waren in den Katakomben. Und auch in der Halle."
 

"Und wo ist dann das Problem?", wollte Karmaat lauernd wissen. Sein Blick ließ Rei schaudern. "Willst du mir etwa erzählen, der Stein wäre nicht mehr da gewesen?"

Scaramak nickte hastig. "Genauso war es! Wir haben jeden Stein fünfmal umgedreht. Aber der Sein war nicht da!"

Die Anderen murmelten zustimmend und der grüngewandete Magier meinte: "Der Wolf hat Recht. Ich habe die Halle mit Magie abgesucht. Das einzige Ergebnis war, dass wir nun wissen, dass die Katakomben vor drei Monaten schon einmal besucht waren. Wahrscheinlich hat sich jemand darin verirrt und ist zufällig in die Halle geraten. Da der Stein nicht gerade billig aussieht, hat der Besucher ihn wohl mitgenommen."

"Wir haben die Krypta abgesucht.", versicherte der Wolf. "Aber nur uralte Gerippe gefunden. Der Besucher hat wohl den Ausgang entdeckt."

"Rach!", brüllte Karmaat plötzlich und alle außer der Jungen neben ihm fuhren zurück.
 

"Beruhige dich.", meinte der Grünhaarige belustigt. "Der Stein ist nicht lebenswichtig. Man wird einen Ersatz finden."

"Aber kein Ersatz ist so gut wie das Original! Der Meister wird unzufrieden sein!" Diese Tatsache schien außer Karmaat selbst nur einen zu stören: Scaramak, der noch mehr in sich zusammensackte. Wer der ,Meister' wohl war?

So ein Begriff wurde in der Wüste und Inseln selten in der Bedeutung verwendet, wie Karmaat es jetzt tat, nämlich als ,Herr' oder ,Gebieter'. In Canih nannte man seinen Lehrer ,Meister'. In der Wüste wurde so allgemein jemand bezeichnet, der sein Fach beherrschte.

Aber Herr? Nein, das hatte Rei noch nie gehört. Irgendwie jedoch passte es, dass Karmaat und Scaramak ihren Herrn ,Meister' nannten und damit aus dem Rahmen fielen. Da waren noch mehr Unstimmigkeiten. Karmaats Auftreten. Die Verbeugung von Scaramak. Die Unterwürfigkeit, mit der der Wolf den Magier behandelte. Niemand, der hier in der Wüste oder einer der Insel aufgewachsen war, würde sich so verhalten.
 

Aber...woher sollten sie kommen, wenn das stimmte? Die Wüste war doch überall! Alles, was nicht Wüste war, waren die Meere und die Inseln. Und wie Wasserwesen sahen die Beiden sicher nicht aus.

"Schön.", beruhigte sich Karmaat und atmete tief ein. "Sonst noch etwas?"

Scaramak schüttelte den Kopf und war sichtlich erleichtert, die Sache hinter sich gebracht und ohne größeren Schaden überstanden zu haben. "Nein. Keine Neuigkeiten."

"Nun gut. Aber ich habe welche. Oder, besser gesagt, Olivier." Dabei deutete er auf den Grünhaarigen, der Scaramak ein freundliches Lächeln zuwarf und meinte: "Vor Kurzem war der Kater bei uns. Er hat gemeint, man wäre uns auf die Schliche gekommen."
 

Rei richtete sich auf. Das hörte sich mehr als gut an! Dann waren sie nicht die Einzigen, die etwas wussten! Wenn sie herausfanden, wer es war, konnten sie sich zusammenschließen. Aber wer war der ,Kater'? Die schienen ein Faible für Decknamen zu haben. Erst Scaramak, den sie ,Wolf' nannten, und jetzt ein Kater? Wie wohl die anderen hießen?

"Die Seherin in seinem Dorf hat irgendetwas spitz gekriegt."

Seherin? Wie Mui? Was war denn das? An solche Zufälle glaubte Rei nicht.

"Jedenfalls haben sie eine Gruppe Hatesit losgeschickt um uns - und Azulon, wohlgemerkt - zu bekämpfen."

Rei hatte plötzlich ein mulmiges Gefühl im Bauch. Es schien so, als wären sie selbst damit gemeint, er und seine Freunde. Zögernd warf er Mao, die beunruhigt aufblickte, und Lee, dessen Hände sich um einen Balken krallten, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten, einen Blick zu. Anscheinend hatten sie dieselben Gedanken wie er. Aber...das konnte doch nicht sein! Das würde bedeuten, dass sie einen Verräter in Canih hatten. Jemand aus dem Rat! Nur der Rat wusste, wohin Lee die fünf Freunde führte.
 

"Die Seherin hat gleich die Lösung für ihr ,Problem' mitgeliefert: Die Vier Göttlichen müssen zusammenfinden."

Jetzt gleich würden sie erfahren, ob es ein Verräter aus Canih war, oder ob alles nur ein riesiger Zufall war. Rei biss sich auf die Lippen, wusste die Antwort aber schon.

"Außerdem war der, der der Hatesit des Weißen Tigers ist, in diesem Dorf."

//VERRÄTER!//, schallte es in Reis Kopf, laut und durchdringend. Wer war es? Wer?! Lee stieß einen unterdrücktes Keuchen aus. Für ihn war so etwas unvorstellbar und damit eine der größten Verfehlungen, die man begehen konnte. Maos Augen waren dunkel vor Trauer, Wut und Angst.
 

Rei wusste nicht, was er davon halten sollte. Er begriff es nicht wirklich. Einer in ihrem Dorf - aus dem Rat! - war ein Verräter! Jemand, der die Hatesit und sein Volk dem Verderben, dem Untergang auslieferte. Das konnte und wollte er nicht glauben. Aber tief in sich wusste er, dass es stimmte und das füllte ihn mit Bitterkeit.

War denn alles eine Lüge? Alles, woran er geglaubt, wofür er gekämpft und gearbeitet, von was er geträumt hatte? Denn nichts anderes bedeutete ein solcher Verrat.
 

"Wir wissen zwar nicht, wie weit die fünf Hatesit schon gekommen sind, aber da sie mehr wissen als alle Anderen sind sie eine große Gefahr für uns.", erklärte Karmaat sachlich. "Vor allem, wenn sie weitererzählen, was sie wissen und noch mehr, wenn sie die Vier Göttlichen zusammen führen. Sie werden dem Meister und seinem Verbündeten erheblichen Schaden zufügen können."

"Wir werden ein paar Jäger auf sie ansetzen.", erklärte Scaramak sofort. "Am Besten, ich selbst mache mich auf den Weg."

Der Magier nickte. "Das wäre wohl das Beste. Olivier hier wird einen Platz in Zhekan übernehmen." Der Wolf zuckte zusammen. Vertrauensentzug. Und dann auch noch ersetzt durch einen viel Jüngeren! Wie bitter. Trotzdem widersprach er nicht, sondern nahm alles stillschweigend mit einem Nicken und zusammengekniffenen Lippen hin.
 

"Wenn das geklärt ist, Scaramak, habt ihr hier nichts zu essen? Wir haben eine lange Reise durch die Wüste hinter uns und sind dementsprechend müde."

"Natürlich!", beeilte sich der Angesprochene und hastete zu einer Kiste. Rei sah zu Lee hinüber, der ihm und Mao ein Zeichen gab, den Rückzug anzutreten. Etwas wichtiges würden sie jetzt wohl nicht mehr erfahren. Aber was sie gehört hatten...!
 


 


 

Varaconns Pferde hielten, was sie versprachen. Sie kamen jetzt viel schneller voran als auf dem kuren Weg zwischen Nijan und Skellten. Nach anfänglichen Schwierigkeiten hatte es sogar Max geschafft, sich auf Flammenjäger zu halten. Kenny war sofort mit seiner Stute zurecht gekommen, bei Takao hatte es etwas länger gedauert.

Zwei Tage nach ihrem Aufbruch aus Skellten rief Max Draciel, zum ersten Mal. Er war eine riesige, schwarze Schildkröte mit ledriger, violetter Haut an Schwanz, Hals und Kopf. Sie hatte riesige Klauen aus Elfenbein und ihr Panzer war von Hörnern gekrönt. Seine Elemente waren Wasser und Licht und Max hatte die Kraft - dank Michaels Hilfe - unter Kontrolle.
 

Takao wollte da natürlich nicht hinterherhinken. Auch er hatte gelernt, mit Dragoons Macht umzugehen stellte sich schnell heraus. Das zweite Element des Drachen war Metall. Dizzy war ein Kapitel für sich und Kai erklärte Kenny, Sturmvogel könne vielleicht einen Magier auf das Problem ansprechen.

Max, Kenny und Takao waren gespannt auf den Händler, den anscheinend alle kannten und schätzten. Oft fiel sein Name in einem Gespräch und wenn jemand etwas Außergewöhnliches benötigte oder ein Problem wie Kenny und Dizzy hatte, hieß es: "Frag Sturmvogel."

Michael hatte sie ein paar Tage begleitet und war dann abgebogen um nach Teshnan zu reiten. In Teshnan befand sich der Turm der Drei Winde. Kai hatte sie weiter durch die Wüste geführt, bis sie in das Felsenfeld erreicht hatten. Hier befanden sich weit mehr Steine; aus der flachen Landschaft wurde ein verwirrendes Labyrinth aus hohen Felsen und Steinen.
 

Bald fanden sich weder Takao noch Max noch zurecht, nur Kenny und Kai, der schon oft hier gewesen war, behielten den Überblick. Immer öfters trafen sie auf andere Reisende, die ihnen entgegenkamen und höflich grüßten. Viele waren Hatesit oder Magier, alle bewaffnet und beritten. Oft sprachen die Bündniskrieger Kai an und bei diesen Gelegenheiten merkten die drei aus Nijan erst, wie bekannt Feuerrabe wirklich war. Dieser antwortete kurz und knapp wie immer und stellte seine Gefährten vor, die immer erstaunte Blicke einfingen.

Einmal hatte Takao Michael gefragt: "Warum nennt man ihn Feuerrabe?"

Der andere Hatesit hatte die Schultern gezuckt. "Keine Ahnung, ich habe ihn nicht so benannt. Er war eben plötzlich Feuerrabe. Ein Freund hat eine sehr interessante Erklärung geliefert, die auch stimmen könnte: Feuer, weil das Dranzers Hauptelement ist, außerdem weil Kai das Feuer liebt und scheinbar ebenso wild ist. Auch wenn man davon wenig spürt."

Takao lachte. "Nein, dazu hat er sich zu sehr unter Kontrolle."

"Genau. Und Rabe: nun, weil er seine Freiheit liebt. Allein und ungebunden wie ein Rabe im Himmel. Und weil der Rabe der Todesbote und neben dem zerbrochenen Rad Cuallarions Zeichen ist. Du verstehst?" Takao nickte und fragte nicht weiter. Ja, er hatte verstanden.
 

Schließlich erreichten sie einen riesigen Platz, der von hohen Felsen umgeben war und einen Durchmesser von mindestens dreihundert Metern hatte. Der größte Teil des Talkessels wurde jedoch von einer Lagerhalle eingenommen, die noch aus der Zeit der Alten zu stammen schien. Die Wände und das Dach sowie das riesige Rolltor waren aus Metall. Knapp unter dem Dach zog sich eine Reihe schmaler Fenster entlang und vor der Halle lagerten alte Technikteile, die Max als Fahrzeuge identifizierte.

"Hier lebt er?", wollte Takao neugierig wissen und sah sich interessiert um. Kai nickte und ließ sich von Funkensterns Rücken gleiten. Er winkte ihnen und führte die Stute zu einer kleinen Weide, in der schon drei andere Pferde standen. Sie ließen ihre Pferde ebenfalls hier zurück und betraten die Halle.

Sie schien kleiner zu sein, als sie wirklich war, aber dieser Eindruck kam von den vielen Regalen, Schränken und sonstigen Möbelstücken, die kreuz und war und ohne erkennbares System im Saal herumstanden. Die Fächer der Regale waren vollgestopft mit Zeug, ebenso wie die Schränke.
 

Der Großteil der anderen Möbel war ebenfalls vollgestellt, auf dem Boden stapelten sich Kisten und anderer Kram, den Kai zwar nicht identifizieren konnte, es aber auch gar nicht wollte. Max schien viel mehr damit anfangen zu können und der Rotäugige erinnerte sich, dass Max' Eltern beide erfolgreiche Techniker waren.

"Schaut euch um oder kommt mit. Aber fasst nichts an." Das war vor allem an Takao gerichtet, der bereits nach einem seltsamen Gerät mit vielen Drähten und Kabeln griff. Schuldbewusst zog er seine Hand zurück und meinte: "So sah es auch immer im Zimmer von meinem Bruder aus. Lauter technisches Zeug und niemand hat durchgeblickt, nur er." Dabei klang er etwas traurig und seine sonst so fröhlichen Augen hatten einen matten Schimmer.
 

Kai zuckte desinteressiert mit den Schultern, wobei er wieder schmerzhaft die Wunde spürte, und verschwand in den Tiefen der Halle. Er fand Sturmvogel vor seinem Wohnbereich, der mit sorgfältig zusammengezimmerten Holzbrettern von der restlichen Halle abgegrenzt war. Eine einfache Tür bildete den Eingang, doch sie war wie immer verschlossen. Was sich dahinter befand, wusste Kai nicht, interessierte ihn aber ebenso wenig.

Vor der Bretterwand war eine große, gemütliche Sitzecke aus diversen Sofas, Sesseln, Kissen und drei niedrigen Tischen aufgestellt. Der Boden war mit verschmutzten Teppichen bedeckt und an der Wand stand ein alter Elektroherd. Ein großer Tisch, der in der Nähe stand, wurde von Sturmvogel als Verkaufstresen genutzt. Darauf stapelten sich mehrer Bücher, eine Box als Kasse und diverses anderes, undefinierbares Zeug.
 

Sturmvogel selber war ein hochgewachsener, muskulöser Mann mit hellblauem, im Nacken zusammengebundenem Haar und einem gutaussehenden, ausdrucksstarken Gesicht. Er hatte die Statur eines Kriegers und bewegte sich auch so. Kai hatte ihn niemals kämpfen sehen, aber er würde sich trotz all seiner Fähigkeiten niemals mit dem Händler anlegen.

"Hey, Feuerrabe!", wurde Kai begrüßt. Der Händler winkte ihm grinsend zu. "Was treibt dich zu mir?" Kai nickte ihm zu und ließ sich ihm gegenüber auf ein Sofa nieder. Mit einem Seufzen stellte er das Kästchen und die Tasche aus der Bärenhöhle vor sich ab und schob Sturmvogel die Tasche zu. Interessiert untersuchte dieser den Inhalt und legte ein Stück nach dem anderen auf den Tisch. "Alles sehr interessant, besonders die Energiesteine. Ich nehme es dir ab. Aber deswegen bist du nicht gekommen."
 

"Hn.", machte Kai und sah sich um. "Natürlich nicht.", erklärte er. "Ich hab ein paar...Begleiter."

"Die Waffen und diverse andere Dinge benötigen, stimmt' s?"

"Hn.", stimmte Kai zu.

"Gesprächig wie immer, was? Wo hast du sie gelassen?" Kai machte eine unbestimmte Bewegung in die Halle.

"Ist sonst noch etwas? Irgendwelche Neuigkeiten?"

"Was weißt du über den Dieb?"

"Der Dieb? Er hat dir doch nicht Dranzer gestohlen?"

"Natürlich nicht! Also?"

"Nicht viel. Es waren einige Leute hier, denen es nicht ganz so gut erging wie dir. Sprich, sie haben ihre Amulette verloren. So weit ich weiß, operiert euer ,Dieb' gleichzeitig in fünf verschiedenen Städte, dazu in diversen Ecken der Wüste. Gesichter sind allerdings noch nicht bekannt, ebenso wenig wie Absichten oder Beweggründe."

"Aha. Wo?"
 

"Skellten, Zhekan, Savandon, Karja und Do-ein. Die Gebiete in der Wüste kann ich dir nicht genau sagen, denn das änder sich ständig. Sag mal, mit wem bist du da aneinander gerasselt? Deine Schulter."

"Kleine Presserbande bei Skellten. Schau, was sie dabei hatten." Er schob Sturmvogel das Kästchen hin. Der öffnete es und blickte kurz hinein, ehe er es mit einem Knall wieder schloss.

"Kleine Presserbande, was?"

"Sie wollten Schutzgeld von Varaconn. Hier, die waren auch dabei." Kai reichte zwei Amulette über den Tisch.

"Priester und Magier?"
 

Kai nickte und wandte sich um, als sich Schritte näherten. Rasch nahm er die Ketten wieder an sich. Es war nicht gut, wenn die falschen Leute so etwas in Händen sahen, wo es nicht hingehörte. Aber es waren nur Max, Kenny und Takao, wobei letzterer immer wieder stehen blieb und sich umsah.

Sturmvogel stand auf, als die drei näher kamen und Kenny blieb wie vom Blitz getroffen stehen, so dass Takao in ihn hineinrannte. "Kenny!", maulte er vorwurfsvoll. "Warum bleibst du...?"

Er brach abrupt ab, als sein Blick auf Sturmvogel fiel, erstarrte und riss erstaunt die Augen auf. Sturmvogel war in ähnlicher Haltung eingefroren. Beide waren bleich und jetzt erkannte Kai, warum Takao ihm von Anfang an so bekannt vorgekommen war: er sah Sturmvogel verteufelt ähnlich. Man konnte fast meinen, sie seien Brüder. Hatte er hier irgendetwas nicht mitbekommen?
 

Ohne sich seine Verwunderung anmerken zu lassen sah er von Sturmvogel zu Takao und wieder zurück. Max war ebenso verwirrt wie er, nur Kenny schien zu verstehen. Was war hier los? Die Frage stellte auch Max und erhielt die trockene Antwort von Kenny: "Familienzusammenführung."

Takao erwachte aus seiner Erstarrung und flüsterte: "Hiro..."

Hiro? War das nicht sein älterer Bruder, der vor sieben Jahren aus Nijan verschwunden war? Natürlich hatte Takao Kai diese Geschichte erzählt. Kai erinnerte sich auch daran, dass Sturmvogel - Hitoshi Kinomiya - ihm einmal von seinem kleinen Bruder berichtet hatte, den er sehr vermisste. "Das einzige, was mir hier fehlt, ist er." hatte er gesagt und dann das Thema gewechselt. Kai hatte es auch nicht sonderlich interessiert.

"Hiro!" Mit einem lauten Freudenschrei warf sich Takao in Hiros Arme, so dass dieser mit einem gemurmelten "Takao!" nach hinten stolperte. Sie sahen beide wahrhaft glücklich aus und in diesem Moment verspürte Kai einen Stich im Herzen, der ,Neid' hieß. Er hatte keinen Verwandten, der ihn so empfangen würde.
 

~~~~~~~
 

Na? Wer von euch hat erraten, dass Sturmvogel Hiro ist? Er wird noch öfter auftauchen, aber er spielt keine allzu große Rolle.
 

Im nächsten Kapitel Erinnerung wird ein Teil von Kais Vergangenheit gelüftet, der andere dann im 15. Kapitel. Außerdem tauchen noch ein paar neue Personen auf.
 

Bitte, bitte, hinterlasst mir ein paar Kommis! Ich verspreche auch, nie wieder so blöd zu sein und alles zu löschen. *bettel*
 

Bye

Silberwölfin

Erinnerung

Titel: Krieger, Magier und Diebe

Teil: 10/24

Autor: Lady Silverwolf

Anime: Beyblade

Warning: OOC

Disclaimer: Die Hauptcharaktere gehören nicht mir und ich verdiene kein Geld mit dieser Fanfic.
 

"..." reden

//...// denken
 

~~~~~~~
 

Erst einmal ein ganz großes Danke an alle, die mir wieder einen Kommi geschrieben haben. Ich hoffe, diese Lösch-Aktionen kommen nicht mehr vor. Ich werde auf jeden Fall meine Finger von der Enter-Taste lassen... ^.^
 

Menteni

Spellmaster

X66

Jazzy

Arethelya
 

Ich wollte das Kapitel eigentlich schon 2 Tage früher laden, aber unser Internet ging nicht -.- Darum gibts das Kappi erst jetzt.

Wie versprochen gibts ein paar neue Charaktere und ein Teil von Kais Vergangenheit wird enthüllt. Ich hoffe, ihr könnt mit etwas abgedroschenen leben.
 

**
 

@ Menteni: Thx ^.^ Dein Trostpflästerchen konnte ich gebrauchen. Kai bleibt auch noch 'ne Weile. Ohne den kommt KMuD im Moment nicht aus.
 

@ Spellmaster: Jo, wie gesagt, ein wenig später als ich eigentlich wollte. Dafür kommt das nächste früher, denke ich. ^.~
 

@ X66: Finde ich auch. Bei YaoiGermany muss man das Löschen beantragen... Hiro ist wegen dem Unfall, bei dem seine Eltern umgekommen sind, aus Nijan raus - wollte von den Magiern weg. Ja, der Verräter kam schon vor. Ne, der Verräter kommt aus Canih.
 

@ Jazzy: Etwas spät, das Kappi... Ich hoffe, du lebst noch und bist nicht vor Spannung gestorben. ^^
 

@ Arethelya: Weißt du, dass ich jedes Mal über deinen Namen stolpere, wenn ich ihn schreiben will? XD Ich glaube nicht, dass du irgendwo Hinweiße auf Hiro findest. War nur ein kleines Ratespielchen. ^.^
 

**
 

Ich hoffe, ihr kommt mit den ganzen unterschiedlichen Zeiten da unten klar. Vor fünf Jahren, vor sieben Jahren, plapla. Wenn nicht, werde ich's im nächsten Kapitel noch mal ausführlich erklären, okay? Ihr müsst euch nur melden.
 

So, jetzt genug geredet, viel Spaß mit dem Kapitel!
 

~~~~~~~
 

Erinnerung
 

Ein monotones Piepsen erfüllte den Raum. Es war das einzige Geräusch bis auf Yuriys gleichmäßiges Atmen. Er saß auf einem einfachen, unbequemen Holzstuhl mit zwei harten Armlehnen, an die seine Handgelenke geschnallt waren. Der Stuhl stand genau in der Mitte des kahlen Raumes.

Die Wände waren aus grauem Stein und es war so kalt, dass Yuriys Atem weißen Wölkchen bildete. Das störte den Rothaarigen aber nicht. Er war Kälte gewohnt. Sie war ein Teil von ihm, so sehr, dass er nicht einmal mehr wusste, was Wärme eigentlich bedeutete. Das ging aber allen hier so, nicht nur ihm. Also war es egal. Es gab Dinge, die waren wichtiger. Dinge, die waren schlimmer. Dinge, von denen er wünschte, sie wären nicht, was sie waren.
 

Zum Beispiel die vielen Drähte, die an und in seinem Körper befestigt waren. Sie führten durch ein abgedichtetes Loch in einer großen Glasscheibe, die sich ihm gegenüber befand, und von dort zu den vielen Computern.

Mehrere Wissenschaftler - Männer wie Frauen und er hasste sie alle - befanden sich in dem großen Zimmer hinter der Scheibe und wuselten zwischen den mit Computern und diversen anderen Dingen, die sie für ihre Arbeit brauchten, vollgestellten Tischen herum. Sie redeten ununterbrochen und durcheinander, aber Yuriy konnte kein Wort hören, da die Wände und die Scheibe zu dick waren. Es war im Grunde auch egal, was sie sagten. Für ihn würde es nichts ändern. Ihre Tests würden sie so oder so mit ihm machen.

Plötzlich durchzuckte ihn ein Schlag. Sein Körper wurde mit einem Ruck gegen die Stuhllehne gepresst und seine Hände krallten sich in das bereits zerkratzte Holz der Armlehnen. Schmerzhaft krampften sich seine Muskeln zusammen und er spürte, wie seine Fingernägel sich in das Holz gruben. Feine Splitter drangen durch seine Haut und schoben sich unter die Nägel.

Yuriy spürte den Schmerz nicht, aber er wusste, dass es die nächsten Tage brennen würde wie Feuer. In der letzten Zeit hatten sie diesen Test öfter durchgeführt. Hatten die überhaupt eine Ahnung, wie sich das anfühlte?! Am liebsten hätte er geschrieen vor Schmerz, als sich seine Muskeln unter seiner Haut wie Schlangen wanden. Aber sein Stolz verbot es ihm sogar, das Gesicht zu verziehen.
 

Aber andererseits mochte er den Schmerz. Nicht um seiner selbst Willen, nein, so veranlagt war er nicht. Eher um der Erinnerung Willen, die er mit sch brachte. Erinnerungen an Flammen, denn es schmerzte wie Verbrennungen. Und Feuer erinnerten ihn an jemand, eine ganz bestimmte Person, die nicht mehr hier war.

Nur langsam ebbte der Schmerz ab und Yuriy konnte seine verkrampften, verknoteten Muskeln lockern. Entspannen nicht. Das niemals, nicht auf diesem Stuhl. Yuriy richtete seinen Blick wieder au die Glasscheibe. Wild gestikulierend deutete der Chefarzt auf ihn. Zögerlich nickte einer der Techniker und gab einen Befehl. Jetzt würde er endlich wieder hier herauskommen!

Kurz darauf erschien auch ein Mitarbeiter, der Yuriy die Fesseln an den Füßen und Handgelenken abnahm und ihm einladend die Tür offen hielt. Langsam spazierte Yuriy hindurch und fand sich in einem langen, steinernen Gang wieder. Er war absolut kahl und der Boden bestand ebenso aus Stein wie alles andere hier. An den Wänden waren in regelmäßigen Abständen eiserne Fackelhalter angebracht, deren Kienspäne helles, angenehmes Licht verbreiteten.
 

Flammen. Schon wieder. Heute war wohl einer der Tage, an denen seine Gedanken immer in die Vergangenheit abschweiften. Hastig konzentrierte er sich wieder auf seine Umgebung, auch wenn er den Weg in sein Zimmer auch mit geschlossenen Augen gefunden hätte, so oft war er ihn schon gegangen. Aber das lenkte ihn ab. Endlich hatte er sein Ziel erreicht. Das Letzte für heute. Zumindest stand nichts mehr auf dem Plan und zum Essen hatte er nach der Aktion der Wissenschaftler keinen Nerv mehr. Außerdem würde es sowieso nichts mehr geben.

Er stieß die alte Holztür auf und trat ein. Dahinter befand sich ein langer, schmaler Raum. Zwanzig Betten standen an den Wänden, je zehn auf einer Seite. Es waren eigentlich nur schmale Pritschen, an deren Enden niedrige Hocker und kleine Truhen standen, in der die Kleidung und die wenigen persönlichen Dinge aufbewahrt wurden, die man noch besaß.

Alle Lagerstätten bis auf eine waren belegt. Unter den dünnen Decken zeichneten sich deutlich die muskulösen Körper der anderen Jungen ab. Am anderen Ende des Schlafsaales befand sich ein großes, aber vergittertes Fenster, das das kalte, silberne Mondlicht hereinließ.

Es war zwar nur Halbmond, aber draußen musste es beinahe taghell sein. Yuriy erinnerte sich, dass früher um diese Zeit immer eine schlanke, aber doch kräftige Gestalt dort am Fenster gestanden und zum Himmel hinaufgestarrt hatte. Ins Mondlicht verliebt... Jetzt war der Platz am Fenster leer.
 

Yuriy seufzte. Schon wieder dachte er zurück. Leise um die Anderen nicht zu wecken schlurfte er durch den Saal zu der einzigen leeren Lagerstatt. Die Pritsche quietschte leise, als er sich darauf setzte, aber das störte niemanden. Sie quietschten alle bei jeder Bewegung.

Nachdenklich betrachtete er seine Hände, ehe er damit begann, die Spreißel einzeln herauszuziehen. Zum Glück waren sie groß genug. Er hatte jetzt keinen Nerv dazu, der Krankenstation einen Besuch abzustatten. Seine Fingernägel waren mit Blut verkrustet, aber es hatte bereits aufgehört zu bluten. Noch schmerzte es nicht, aber das würde noch kommen.

Yuriy schlüpfte aus seinen Kleidern, als er seine ,Arbeit' beendet hatte, bis er nur noch ein dünnes Hemd trug, und kroch unter die Decke. Dunkelheit umfing ihn, als er die Augen schloss, aber das störte ihn nicht. Dunkelheit hatte ihn nie gestört. Immerhin war eines von Wolborgs Elementen die Dunkelheit, wenn auch erst nach dem Eis. Darum konnte ihn dieser Aspekt der Kammer nicht stören, im Gegensatz zu jemand anderem, der dies ganz und gar nicht von sich behaupten konnte.
 

//Ach, verflucht!// Beinahe hätte er losgebrüllt. Schon wieder diese Erinnerung. Das konnte einen wirklich stören! //Ich sollte schnell einschlafen. Dann gibt's keine störenden Gedanken mehr.//

Aber irgendwie schien es heute nicht zu klappen. Unruhig wälzte er sich von einer Seite auf die andere. Er fühlte, wie sein Körper langsam auf die Tests reagierte. Seine Muskeln begannen zu schmerzen. Dumpf pochend erinnerten sie ihn daran, dass der Stuhl in dem kleinen Raum mit der Glasscheibe auch als Folterinstrument benutzt wurde.

Seine Fingerspitzen brannten, dort, wo die Spreißel sich hinein gegraben hatten. Normal schlief er zu diesem Zeitpunkt schon und wurde erst beim Aufwachen von mörderischen Schmerzen überfallen. Aber dieses langsame Heranschleichen war noch unerträglicher. Am liebsten hätte er geschrieen, aber das verbot sich von selbst. Niemand schrie, nur die Neuen, die, die noch nicht lange hier waren, hier in der Abtei.
 

Yuriy wälzte sich auf die andere Seite. Scheiße, warum konnte er nicht schlafen? Er hatte nie Probleme damit. Murrend drehte er sich wieder um. Unbequem, alles war unbequem. Wie sollte man so einschlafen können? Mit einem Seufzer rollte er sich auf den Rücken. Aber auch so kam der ersehnte Schlaf nicht.

Schließlich hatte Yuriy genug. Er wusste, dass er die Entscheidung bereuen würde, weil er am nächsten Morgen totmüde wäre, aber er konnte nicht anders und stieg aus dem Bett. Rasch war er in seine Kleidung geschlüpft und verließ den Raum lautlos. Hastig eilte er durch die langen, verwirrenden Gänge.

Manchmal dachte Yuriy, die gesamte Abtei bestünde nur aus diesen Gängen und den kahlen Zimmern, aber das war natürlich Quatsch. Er wusste, dass Boris und die anderen Bosse reich ausgestattete Quartiere hatte, ebenso wie Voltaire, wenn er hin und wieder herkam um die Fortschritte der Jungen und Wissenschaftler zu betrachten. Betreten hatte er sie allerdings selten, ebenso wie die anderen Jungen, und als er wieder herausgekommen war, war er um einige schlechte Erinnerungen reicher.
 

Yuriy hatte gelernt, diese Sachen nicht an sich heranzulassen. Es war keine Mauer, die er um sich errichtet hatte, nein, es war seine Natur. Genau wie bei Bryan, bei dem war es sogar noch extremer. Die Mauer; hinter die Mauer zogen sich Andere zurück. Ivan und Sergej...und ER. ER hatte die Mauer ganz besonders gebraucht, so verletzlich und sensitiv wie ER immer gewesen war.

//Scheiße! Schon wieder!// Grummelnd stiefelte Yuriy weiter und hielt erst inne, als er Schritte vor sich hörte. Wahrscheinlich die Priester, die ihre Kontrollrunden zogen. Die Priester. ER hatte Angst vor ihnen gehabt. Yuriy sah sich rasch um und glitt dann in eine Nische. Es war nicht klug, sich von den Priestern erwischen zu lassen, aber man konnte ihnen leicht entkommen.

Von ihnen ging selten etwas Böses aus. Sie waren nur...Hüter. Verrichteten das, was die Wissenschaftler, Techniker und all die Anderen, die ebenfalls hier arbeiteten, nicht verrichten konnten, Küchendienst, Putzen, die Krankenstation.

Einst war die Abtei mit den drei riesigen Gebäuden, dem Tempel und der Taiga außen herum eine heilige Stätte Nancumals gewesen. Ehrlich gesagt, war sie es immer noch. Doch damals war sie eben normal gewesen. Ein Tempel unter Tausenden, eine Pilgerstätte.
 

Dann aber war Voltaire gekommen, ein junger, überzeugender Voltaire mit endlosem Tatendrang, und hatte alles umgekrempelt. Erst hatte er die Obersten Priester um den Finger gewickelt und nebenher auch noch alle anderen. Dann hatte er nach und nach die Abtei in ein ,Forschungszentrum' umgewandelt. Wissenschaftler, Techniker, Magier, Krieger und alle anderen hatte er mitgebracht. Auch wenn man hier etwas anders arbeitete als in normalen Forschungszentren.

Was genau Voltaire vorhatte, wusste niemand so recht. Woher er seine Idee hatte, ebenfalls nicht. Wie er sie verwirklichen wollte - woher sollte Yuriy das wissen? Wann es geschehen sollte - darüber sprach Voltaire nicht. Aber von seiner Idee war er absolut besessen. Nichts stand höher als diese Idee, nichts war größer, mächtiger, perfekter. Nichts. Es war egal, welche Methoden angewandt wurden von den skrupellosen Forschern. Es war egal, wie Boris und seine Helfer die ,Auszubildenden', die Forschungsobjekte, behandelte. Nur Voltaires Idee zählte.

Etwas mächtigeres als diese Besessenheit gab es nicht. Nicht einmal vor seiner Familie machte Voltaire halt. Vor allem nicht vor ihr. Sie hatte am meisten leiden müssen. Immerhin war sie es, deren ,Material' Voltaire verwendete, perfektionierte. Die zweite Generation bereits entsprach Voltaires Vorstellungen.
 

Yuriy schüttelte den Kopf. Ob er diese Erinnerungen jemals los wurde? Die Priester bogen jetzt in den Gang ein, in dem er stand. Natürlich sahen sie ihn nicht. War ja klar. Die Priester sahen nie etwas. Ihnen war alles gleichgültig. Wie die Schüler behandelt wurden. Was hier ablief. Es ging ihnen sonst wo vorbei, was den Rest der Welt hätte Amok laufen lassen.

Aber sie waren die Priester Nancumals. Und Nancumal interessierte so etwas nun mal nicht. Er war ja nicht nur der Gott des Gleichgewichts, nein, auch der Gleichgültigkeit. Und diesem Ideal entsprachen die Priester. Hielten sich Augen, Ohren und Mund zu, damit niemand etwas sah und hörte und auch niemand etwas weiterplappern konnte. Es war ja schön und gut, dass alles im Gleichgewicht blieb. Das stellte Yuriy auch gar nicht in Frage. Wo kämen sie denn hin, wenn etwas nicht im Gleichgewicht war? Alle kannten die Geschichte der Vier Göttlichen. Aber warum musste ihnen alles auch gleichgültig sein?

Manchmal fühlte Yuriy Bitterkeit in sich aufsteigen, wenn er daran dachte. Aber das war nicht oft so. Ihm gefiel dieses Leben hier. Eigentlich. Ein paar Dinge - ja, ein paar Dinge könnten anders sein. Aber im Großen und Ganzen ließ es sich hier gut leben. Sie mussten sich nicht um das nächste Essen sorgen oder darum, wo sie in der Nacht unterkommen sollten.
 

Die Schritte der Priester entfernten sich rasch und bald waren sie nicht mehr zu hören. Leise glitt Yuriy aus der Nische und ging weiter. Er wusste genau, wohin er wollte. Kurz darauf erreichte er eine alte Holztür, die besser aussah als sie tatsächlich war. Er drückte die verrostende Klinge hinunter und schob die Tür auf. Knarrend schwang sie nach innen. Dahinter kam im schwachen, flackernden Licht einer Fackel eine dunkle, schmale Stiege zum Vorschein, die schon nach wenigen Stufen nach links bog und im Schatten verschwand.

Yuriy war schon lange nicht mehr hier gewesen. Zentimeterdicker Staub lag auf dem Boden. Hastig trat er ein und schob die Tür hinter sich zu. Auch wenn er es jetzt stockdunkel wäre, so war es doch besser, als wenn zufällig jemand vorbeikäme und entdecken würde, dass die alte Stiege noch benutzt wurde. Es würde Yuriy noch den letzten Ort nehmen, der ihn an IHN erinnerte, an dem er allein sein konnte.

Staub wirbelte auf und er hustete kurz. Dann klackte das Schloss und für einen Moment war alles still, bis Yuriy sich wieder auf den Weg machte. Er tastete sich an den Wänden entlang, auch wenn er das eigentlich nicht brauchte. An jeden Zentimeter, jede Stufe, jeden Riss, jede Lücke in der Mauer.

Er war so oft hier gewesen. So oft, seit ER ihm den Weg gezeigt hatte, vor beinahe zehn Jahren. Zehn Jahre. So lange war das jetzt schon her, seit sie beide kleine, süße Jungs gewesen waren. Nun ja, süß konnte man in Yuriys Fall sicher nicht sagen. Aber bei IHM gab es daran keinen Zweifel. Boris' Liebling war ER gewesen. Und auch seine Helfer hatten nie ,Nein' gesagt, in SEINEM Fall.
 

Nach unzähligen Stufen erreichte Yuriy eine weitere, halb verrottete Holztür, die nicht in halb so gutem Zustand wie die andere war, und schob sie auf. Sie knarrte noch lauter. In der herrschenden Stille hörte es sich beinahe unheimlich an. Aber davon ließ Yuriy sich nicht schrecken.

Nach einem Moment hatten sich seine Augen an das Licht des Halbmondes gewöhnt, so dass er es wagen konnte, einige Schritte nach draußen zu gehen. Der Ort hier oben war gefährlich, kein Zweifel. Es war nur ein schmaler Absatz, kaum einen Meter breit, aber dafür recht lang. Er zog sich an der gesamten Seite des Turmes entlang und ging an beiden Seiten in die Abteimauer direkt unter den Dächern über, aus denen der Turm wuchs.

Von unten konnte man nur die Struckverzierungen sehen, nicht aber die niedrige Tür. Yuriy fragte sich, wer sie wohl angebracht hatte und wofür? Sie war eigentlich völlig nutzlos. Von diesem Platz aus konnte man zwar weit über das Land schauen, aber von den Spitzen der drei Türme hatte man eine noch bessere Sicht.
 

Einen Moment blieb Yuriy stehen und sog sich zufrieden die kalte Luft in die Lungen. Ein scharfer Wind pfiff um die Häuser und Yuriys Atem wurde sofort mitgerissen und hatte nicht einmal die Möglichkeit, Wölkchen zu bilden. Breit grinsend sah der rothaarige Junge sich um, ließ seinen Blick über die drei alten Gebäude schweifen, die um einen gepflasterten Platz angeordnet waren, über den Tempel, der etwas abseits auf einem Hügel stand, über die vielen Gebäude, die erst vor Jahren nach und nach hinzugekommen waren, nachdem die ursprünglichen Häuser nicht mehr gereicht hatten, über den Wald, der weiter entfernt einen dicken, grünen Saum bildete, und über die weit entfernt liegende Steilwand, das einzige Stück, dass man von der Begrenzung der Insel erkennen konnte, zumindest von der Abtei aus.
 

Er war wirklich zu lange nicht mehr hier gewesen. Aber die Gelegenheit hatte gefehlt, und die Zeit. Und ER. Vorsichtig ließ Yuriy sich am Rand des Simses nieder. Eigentlich mochte er die Höhe nicht. Höhenangst hatte er zwar nicht, aber es war ihm nicht ganz wohl, wenn er daran dachte, dass er ohne irgendeine Absicherung so hoch über der Erde herumturnte.

IHN hatte das nie gestört. ER war immer ein Wesen der Höhe gewesen, war auf Türme geklettert wie eine Katze und wenn ER oben an der Spitze angekommen war, hatte er die Arme ausgebreitet wie ein Vogel seine Schwingen. Das hatte ER auch noch getan, als er Wochen und Monate in der Abtei gewesen war, unter dem strengen Regime Boris' und seiner Helfer, denen solche Kindereien nie gefielen. ER hatte es sogar noch nach Jahren gemacht. Yuriy erinnerte sich ganz genau an das letzte Mal, als er IHN so gesehen hatte. "Ach, Kai..."
 

~~~~~~Flashback~ ~ ~Anfang~~~~~~

"Nun, komm schon, Yuriy!" Kais Stimme war nicht laut, aber Yuriy konnte sie ganz genau verstehen. Es war Vollmond und der Himmel wolkenlos, so dass man unzählige Sterne beobachten konnte, die aussahen wie Perlen, die auf nachtschwarzem Samt verteilt waren.

Das hatte Kai gesagt. Yuriy würde von allein niemals auf solche Gedanken kommen. Aber Kai...Kai war anders. Anders als alle anderen hier. Niemand sagte und tat solche Dinge wie Kai. Für den heutigen Himmel hatte Kai sich eine ganz besondere Beschreibung einfallen lassen. Für die Nordlichter, die über dem Wald funkelten und glitzerten.
 

Das Bild von

Weißen Pferden im Schnee

Schwäne im Himmel

Maiden hoch zu Ross

Und Schwerter so rot

Von Blut
 

Yuriy fragte sich manchmal, wie Kai in solch kleinen Dingen so viel sehen konnte. Er selbst sah nur flirrende Lichter, die ganz praktisch waren, weil sie mehr Licht spendeten als Mond und Sterne. Und Kai machte so etwas daraus. Wie schaffte er das nur?

Vor sich konnte Yuriy die schlanke, schmale Silhouette Kais erkennen, der auf allen vieren wie eine Katze auf dem Dach entlang kletterte. Sein wilder Haarschopf zeichnete sich deutlich vom hellem Himmel ab. Yuriy wusste genau, wohin der Jüngere wollte. Da wollte er oft hin.

"Ich...ich bleibe hier.", rief er mit gedämpfter Stimme hinaus.

Kai sah nach unten. "Ach, komm schon, Yuriy! Da oben ist es wunderschön. Komm schon!"

Doch Yuriy schüttelte den Kopf und rutschte zurück. "Nein, nein. Mir gefällt es hier ganz gut!"

"Bist du sicher?"

"Jaaa.", machte Yuriy und ließ sich in die Hocke gleiten. Kai sah nach unten und Yuriy wusste, dass er eine Schnute zog. Aber er wusste, dass er den Rothaarigen nicht überreden konnte. Das war ja immer so gewesen. Warum sollte es heute anders sein?
 

Rasch kletterte der Zehnjährige weiter und bald hatte er die Höhe erreicht, dass er auf das Turmdach hüpfen konnte. Geschickt sprang er ab und kam anmutig wie eine Katze auf dem schmalen Sims auf, dass auch das Turmdach wie jedes Dach an den Gebäuden säumte. Dort richtete er sich auf und winkte vergnügt nach unten. Yuriy winkte zurück.

Wie Kai das bloß aushielt? Ihm selbst wurde schon vom Zusehen schwindlig, so dass er sich lieber auf den Boden setzte. Aber Kai war noch lange nicht fertig. Langsam, geschickt und vor allem geübt begann er, das Turmdach zu erklettern. Es dauerte nicht lange, dann hatte er die Spitze erreicht und klammerte sich an die verzierte Standwaage, die das Zeichen Nancumals war.

Im Sonnenlicht gleißte sie immer golden, aber ob es wirkliches Gold war, vermochte Yuriy nicht zu sagen. Kai behauptete, es wäre normales Eisen, dass nur mit dem gelben Metall überzogen war, und er musste es ja wissen.

Vorsichtig zog sich Kai an der Waage nach oben und suchte sich einen guten Stand. Yuriy konnte sein glückseliges Lächeln beinahe sehen. Hier draußen, hier auf den Dächern, das waren die einzigen Augenblicke, in denen es Kai wirklich gut ging. In denen er lachen und weinen konnte, wie er wollte, in denen er lächelte, dass es Yuriy beinahe das Herz brach, und die kalte Maske absetzte, die er sonst immer trug.
 

Und Yuriy fühlte sich geehrt, dass er der Einzige war, mit dem Kai hier herauf kam. Nicht Bryan, nicht Sergej, nicht Ivan, nicht irgendeinem der anderen Jungen hatte Kai je seinen ,Traum-Platz', wie er das schmale Sims hinter der verrottenden Tür bezeichnete, gezeigt.

Yuriy war stolz und glücklich über diese Auszeichnung und wenn Kai ihm ein süßes Lächeln schenkte, so konnte er seine eigenen Gesichtsmuskeln manchmal dazu bringen, die ungewohnte Geste zu erwidern und es ehrlich zu meinen.

Einen Moment stand Kai einfach nur da und ließ sich die Haare aus dem Gesicht wehen. Sein dünnes Hemd bauschte sich hinter ihm. Dann streckte er die Arme zu beiden Seiten aus, drückte die Brust heraus und streckte das Gesicht noch mehr in den Wind. Er sah aus, als würde er sich gleich in einen Vogel verwandeln und davonfliegen, fand Yuriy.
 

Ein Vogel, ein Raubvogel, das war die rechte Bezeichnung für Kai, zart und zerbrechlich, aber wenn er wollte mit starrem, stechenden Blick aus rubinroten Augen, die in solchen Situationen zu Blut wurden, und scharfen Krallen, die ohne ein Zögern zuschlagen konnten.

Kai war kein schmaler, beinahe unterernährter kleiner Junge, der Schutz und Hilfe benötigte und sich gerne den Wind ins Gesicht wehen ließ. Nein. Kai war stark. Er hielt die Torturen und Schmerzen der Abtei ohne Klagen, ohne Proteste aus, bis auf die wenigen Male, in denen er in Yuriys Armen weinte, hier auf dem Sims. Aber das war in letzter Zeit sehr selten geworden.

Kai hatte, unter seiner viel zu weiten Kleidung, einen muskulösen, sehnigen Körper, den er schneller bewegen konnte als viele andere, mit dem er hart und gnadenlos zuschlagen konnte. Kai war gefährlich. Nicht so gefährlich wie Yuriy, aber trotzdem.

Eines Tages würde der Rotäugige den Rothaarigen eingeholt haben, ihm sogar überlegen sein. Nicht nur, weil er Voltaires Enkel war. Auch, weil er einfach besser war. In manchen Dingen war er ihm sogar jetzt schon voraus. In den Gefühlen, nur ein Beispiel. Manchmal fragte sich Yuriy, ob sein Innerstes, sein Herz, bereits zu Eis erstarrt war, Eis, das sein Element war. Aber bei Kai war das anders. Kai war Feuer, wilde, tanzende Flammen. Flammen, die Kai bedeckt hielt, wenn jemand anderes außer Yuriy und ihm selbst sie sehen konnte. Wieder so eine Auszeichnung, die stolz machen konnte.
 

Er warf einen Blick auf Kai, der noch immer in der gleichen Pose dort oben stand, dann auf den Mond. Er stand schon tief, viel zu tief. "Kai!" Ob der Jüngere ihn gehört hatte? "Kai, wir müssen wieder rein! Sonst merken sie, dass wir weg sind!"

Nur zögerlich ließ Kai seine Arme wieder sinken. Aber er hörte auf Yuriy und kletterte gehorsam das Dach wieder hinunter. Der Sprung war ebenso routiniert wie das Hinunterrutschen des zweiten Daches. Dann landete Kai elegant neben seinem rothaarigen Freund.

Er strahlte über das ganze Gesicht und seine roten Augen leuchteten wie Rubine oder besser wie Flammen. Die Nordlichter verliehen ihm eine geheimnisvolle Aura. Die blauen Streifen auf seinen Wangen, die er nur abwischte, um sie zu erneuern, waren wie dunkle Schatten auf seiner blassen Haut und ließen ihn noch mysteriöser erschienen. "Nächstes Mal solltest du mitkommen, Yuriy! Das ist wunderbar! Wenn der Wind um dein Gesicht streift. Und du die Reinheit der Luft förmlich fassen kannst!"
 

Aber der Angesprochene schüttelte nur den Kopf. Das war eine weitere Besonderheit von Kai. In seiner Gegenwart und nur in seiner konnte man Schwächen zeigen ohne dafür bestraft zu werden. "Du weißt, dass ich das nicht mag.", murmelte Yuriy. Trotz allem fiel es ihm schwer, jemand anderem und vor allem sich selbst einzugestehen, überhaupt einen Mangel zu haben, etwas, dass er nicht perfekt konnte.

Darum sprach er schnell weiter, vielleicht etwas zu ruppig: "Komm, lass uns gehen. Sonst entdeckt noch jemand, dass wir weg sind." Kai sah ihn einen Moment traurig an, ehe seine Augen dunkler wurden, jetzt eher Blut als Feuer glich und wieder von einer Mauer versiegelt wurden. Und sein Gesicht wurde wieder zur Maske.

~~~~~~Flashback~ ~ ~Ende~~~~~~
 

Yuriy war niemals mit Kai hinaufgestiegen. Immer hatte er abgewehrt. Jetzt wünschte er sich, er hätte es an diesem einen Tag doch getan. Nur einmal mit Kai da hoch. War das denn zuviel verlangt? Yuriy schüttelte den Kopf. Es brachte nichts jetzt in Selbstmitleid zu ertrinken. Er hatte genügend Gelegenheiten gehabt. Nicht genutzte Chancen verstrichen und kamen nie zurück. Genauso wenig wie vergangene Zeit, so sehr man es sich auch wünschte.

Sieben Jahre war diese Nacht jetzt her, beinahe genau. Und kurz darauf war Voltaires Projekt fertig gewesen und sie hatten es nur noch testen müssen. Zwei Jahre später war Kai dann auf und davon. Nie mehr gesehen.

Genauso wenig wie sein Lächeln, das Herzen von Engeln hatte zum Schmelzen bringen können. Und seine Tränen, die Steine hätten zerbrechen lassen können. Und das Funkeln in seinen Augen, das Yuriy ohne Grund zum Lächeln bringen konnte. Niemals mehr hatte Kai Gefühl gezeigt, seine Maske absichtlich fallen lassen, nachdem Voltaire seine Idee verwirklicht hatte. Nie mehr waren seine Augen Flammen gewesen, immer nur dunkel wie Blut.
 

Yuriy stieß einen verärgerten Laut aus. Was war der Grund, dass er ausgerechnet heute daran dachte? Grummelnd stand er auf. Wie auch immer, jetzt war er müde. Wenn er nicht aufpasste, würde er noch hier einschlafen und das würde trotz seiner Resistenz gegen Kälte nicht gerade positiv enden.

Einen Moment noch ließ er sich den scharfen Wind ins Gesicht wehen. Seinen Geist klären, wie Kai das immer gemacht hatte. Jetzt störte ihn der Gedanke an Kai nicht mehr. Er schob ihn beiseite und ließ nicht zu, dass er sich ihm wieder aufdrängte.

Beinahe zufrieden kletterte Yuriy die schmale Stiege wieder hinunter. Vor der unteren Tür lauschte er noch einen Moment, aber nachdem er nichts gehört hatte, verließ er den Treppenaufgang. Rasch ging er durch die Gänge zurück. Ob ihm wieder Priester entgegenkamen? Es musste eigentlich Zeit für ihre zweite Runde sein.

Als er schwere Schritte und einige Stimmen hörte, wusste er sofort, dass es keine Priester waren und es durchlief ihn heiß und kalt. Wenn Boris oder seine Helfer ihn erwischten, wäre es aus mit nächtlichen Spaziergängen! Hastig sah er sich nach einer Nische um, einem Spalt, in dem er sich verbergen konnte. Sollte sich doch die Erde auftun und ihn verschlingen! Das wäre weniger schmerzhaft als die andere Variante. Aber wenn man ein Versteck brauchte, war natürlich keines da!
 

Zögerlich wich er einige Schritte zurück. Wenn er jetzt losrannte, würden sie ihn hören. Es war sowieso schon schwer genug, keine hallenden Geräusche in den langen Gängen der Abtei zu erzeugen. Wenn er aber nur schlich, würden sie ihn sehen, weil er zu langsam war.

Zaudernd wanderte sein Blick kann den Wänden entlang und blieb dann an den Deckenbalken hängen. Darüber war noch genug Platz. Allerdings würde man ihn sofort sehen, wenn man nach oben blickte. //Was soll's.//, fuhr es ihm durch den Kopf. //Es besteht zumindest eine Chance.//

Einen Moment lauschte er noch. Sie waren weit genug entfernt. Yuriy sprang, stieß sich an der Wand ab und packte zu. Einen Augenblick später hockte er auf dem Balken und versuchte, sein Gleichgewicht zu halten. Dann ließ er sich zurück sinken und versuchte, sich auf dem Balken zu halten. Mit schiefgelegtem Kopf lauschte er auf die näherkommenden Schritte.

Seine geschärften Sinne erkannten drei verschiedene Fußpaare. Einer der Näherkommenden war Boris, ganz eindeutig. Der trampelte immer durch die Gänge wie ein Nilpferd. Der Zweite war der Leiter der Wissenschaftler, Konstantin der Große, wie er unter den Schülern hieß; er war kleiner noch als Ivan und das war bekanntermaßen kaum möglich. Aber wer war der Dritte?
 

Erst, als Yuriy die tiefe, sympathische Stimme hörte, war ihm klar, dass es Voltaire höchstpersönlich sein musste. Was suchte der Kerl jetzt schon hier? Er war doch um diese Zeit immer auf der anderen Seite der Insel! "...neue Ergebnisse?", wollte der Abteileiter gerade wissen.

"Nein, Master Voltaire.", antwortete Konstantin. "Nichts Nennenswertes. Aber Yuriy wird bald so weit sein, dass man die nächste Stufe einleiten kann."

Der Rothaarige horchte auf. Nächste Stufe? Was hatte das zu bedeuten? Etwa, dass er die zweifelhafte Ehre hatte, an Voltaires Träumen teilnehmen zu dürfen? Jetzt bogen die Drei um die Ecke.

Voltaire ging in der Mitte. Konstantin trippelte links von ihm, unterwürfig und ergeben wie immer. Sein schütteres, graues Haar war penibel über die Halbglatze gekämmt, so dass der Blick unwillkürlich auf die kahle Stelle fiel. Ob der Große wusste, dass seine Frisur die gegenteilige Wirkung hatte, die er eigentlich damit beabsichtigte?

Rechts von Voltaire marschierte Boris, groß, breit, muskulös, mit streng zurückgekämmten, dunklem Haar, dass einen violetten Schimmer hatte. Boris war eine der hässlichsten Personen, die Yuriy je gesehen hatte, auch wenn dies größtenteils auf sein Gesicht zurückzuführen war. Boris machte lange Schritte, ging hoch aufgerichtet. Er hatte es nicht nötig, vor Voltaire zu buckeln und - so sehr Yuriy es auch widerstrebte, das zuzugeben - es lag auch nicht in seinem Charakter.
 

Der Rothaarige verabscheute Boris zutiefst, er hasste ihn regelrecht, mehr noch und auf andere, wirklichere Weise wie alle Anderen hier. Boris' Erscheinen weckte beinahe übermächtigen Hass, der andererseits auch keine Bedeutung hatte. Er war ja nur ein Gefühl.

Voltaires Anblick dagegen versetzte ihm einen Stich. Zu sehr ähnelte Kai ihm. Zu sehr war er mit seinem Enkel verbunden. Es war nur ein leichter Stich, aber trotzdem schien er die Welt zu bedeuten.

"Sehr schön.", antwortete Voltaire gerade. "Ich möchte eine Nachricht, wenn es soweit ist." Abrupt blieb er plötzlich stehen, beinahe direkt unter Yuriy. Der Rothaarige bemühte sich, so leise wie möglich zu atmen. Warum konnten die nicht weitergehen?! "Wenn das jetzt geklärt wäre, können wir auf andere Themen übergehen. Vor ein paar Tagen habe ich euch über den Dieb berichten lassen."

Synchrones Nicken von Boris und Konstantin. "Ich habe die Test bereist auswerten lassen. Sie haben mir Ihrer Vermutung natürlich völlig recht gehabt."

Yuriy erinnerte sich an den Reiter, der letztens gekommen war. Von welchem Dieb sprachen die? Niemand wäre so dumm, die Abtei zu bestehlen. Da konnte man auch gleich von der nächsten Klippe springen.

Voltaire winkte ab. "Inzwischen wissen die Hatesit einiges über ihn. Unter anderem, dass es eine ganze Organisation ist."

Was hatte die Sache mit allen Bündniskriegern zu tun? War es etwa kein Dieb, der in der Abtei sein Unwesen trieb?
 

"Ich denke, man wird uns nicht gefährlich werden können.", erklärte der Abteileiter weiter. "Darum geht uns die Sache auch nichts weiter an. Soll der Dieb die Amulette der anderen Hatesit stehlen."

Ob Voltaire das wirklich ernst meinte? Da schwang doch etwas wie Sorge in seiner Stimme mit? Aber... //Moment! Was hat der gesagt? Amulette stehlen?// Unwillkürlich griff Yuriy nach seinem eigenen, das weiß und eisblau war. Es hing an einem enganliegenden, ledernen Band um seinen Hals. Manchmal erinnerte dieses Band Yuriy unangenehm an die Halsbänder der Wachhunde. Die waren auch eng und aus Leder, nur etwas fester und härter.

Es würde ihn umringen, wenn Wolborg, dessen eisige, aber für ihn wärmende Präsenz tief in seinem Inneren verborgen war, plötzlich nicht mehr da wäre. Jetzt, wo Kai weg war, gab es für ihn nichts Wichtigeres mehr als sein Tisetah, seinen schneeweißen Wolf.

"Es gibt nur einen Faktor, der sich für uns als nachteilig erweisen könnte."

"Und der wäre?", wollte Boris mit seiner rauen, viel zu tiefen Stimme wissen.

"Nun, einer meiner Spitzel hat herausgefunden, dass Jacques an der Sache beteiligt ist."

"Jacques? War das nicht der, der Hatesit und Magier verbinden wollte?", hackte Boris nach und Voltaire nickte. "Mit seinen Ideen hätte er beinahe unser gesamtes Projekt gefährdet, aber das tut hier nichts zur Sache."

"Sie meinen, es ist gefährlich, dass er von uns weiß?" Boris, begriffsstutzig wie immer. Oder doch nicht? Yuriy selbst erfasste nämlich ebenfalls nicht, worauf Voltaire hinauswollte.

"Nein, eher nicht. Sie haben uns bis jetzt unbehelligt gelassen, das werden sie auch weiterhin tun. Mir macht es eher Sorgen, dass er um das gesamte Projekt Kai Bescheid weiß."
 

Yuriy horchte auf. Kai? Kai war seit seiner Flucht ein Tabuthema. Man hatte zwar die Sicherheitsvorkehrungen verschärft, aber nie wieder ein Wort über den Jungen fallen lassen. Zumindest nicht in der Gegenwart der Schüler. Aber Yuriy - und auch alle anderen - hatten immer vermutet, dass Voltaire und Boris noch immer nach Kai suchten.

Immerhin war Kai die Verwirklichung von Voltaires Vision. Die Experimente hatten ja das erwartete Ergebnis erzielt. Aber bevor man die Tests hatte fortführen und perfektionieren können, war Kai ausgebüxt.

Yuriy erinnerte sich nur noch dunkel an Jacques. Er war ein hochgewachsener, schlanker Mann mit dunklem Teint und schwarzem Haar gewesen, der von Ehrgeiz zerfressen war. Um jeden Preis hatte er hinaufkommen wollen, an die Spitze. Er hatte es auch geschafft, immerhin war er aus dem hintersten Eck der Insel sofort in ,Projekt Kai' versetzt worden. Die anderen Schüler in der Abtei kannten ihn nur vom Sehen. Kai aber hatte ihn beinahe hoch mehr gehasst als Boris und das hatte einiges zu bedeuten.

"Feuerrabe hat sich an die Spur der Diebe gehängt.", fuhr Voltaire fort.

Wer bitteschön trug einen lächerlichen Namen wie ,Feuerrabe'? Boris und Konstantin dagegen schienen zu verstehen.

"Hm, das ist nicht gut.", gab Boris zu. "Wenn unsere Vermutung zutrifft, ist es sogar sehr schlecht. Ich werde einige Leute losschicken."

Voltaire nickte zustimmend. "Obwohl ich nicht glaube, dass Feuerrabe sich so einfach erwischen lässt." Er setzte sich wieder in Bewegung. "Außerdem müssen wir um jeden Preis verhindern, dass Kai den Dieben in die Hände fällt. Nicht auszudenken, was dann los wäre."
 

Konstantin der Große folgte rasch, Boris erst einen Moment später. Voltaire sagte nichts mehr und auch die Anderen schweigen. Yuriy wartete, bis ihre Schritte verhallt waren, dann sprang er von seinem Balken herunter.

Nachdenklich schlurfte er in sein Zimmer zurück. Da draußen gingen ja interessante Dinge vor sich! Und er war nicht dabei, sondern versauerte hier in der Abtei. Wer waren diese Amulett-Diebe? Und wer Feuerrabe? Und was hatte all dies mit Kai zu tun? Ob... Yuriy kam ein Gedanke. Ob Kai Feuerrabe war?
 

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An die Stelle dieses...ähm 'Gedichtes' wollte ich eigentlich einen Text von The Rasmus setzen, der gepasst hätte(Still Standing, falls es jemand kennt). Aber dann hab ichs doch gelassen, weil es eigentlich keinerlei Bedeutung hat. Darum dürft ihr guten Gewissens über dieses lyrische Desaster hinwegsehen, es sei denn, ihr habt einige Tipps für mich. ^^'' Soll heißen: ignoriert es einfach, hat keine Bedeutung.
 

Ich weiß, die Abtei ist inzwischen etwas ausgelutscht, aber stört euch nicht daran. Im Übringen ist das nur die halbe Vergangenheit. Den Rest erfahrt ihr dann im 15. Kapitel, also bitte ich noch um etwas Geduld. ^^
 

Bis zum nächsten Mal!

Silberwölfin
 

[Edit o4.o6.2o12]

Änderung des Lyric-Parts, weil der mir nie gefiel. Das jetzt mag ich lieber. Die Wikinger hielten das Nordlicht für die Walküren (die Maiden, die die Gefallenen aussuchten, sie wurden auch in den Schwänen gesehen), auch wenn die nichts mit dieser Geschichte zu tun haben. Whatever. :)

Schau hinter die Maske

Titel: Krieger, Magier und Diebe

Teil: 11/24

Autor: Lady Silverwolf

Anime: Beyblade

Warning: OOC

Disclaimer: Die Hauptcharaktere gehören nicht mir und ich verdiene kein Geld mit dieser Fanfic.
 

"..." reden

//...// denken
 

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Eigentlich wollte ich das Kappi jetzt noch nicht hochladen, habe mich aber ganz spontan doch dazu entschieden.

Dieses Kapitel *nach unten deut* war eine totale Katastrophe, aber ich habs trotzdem auf die Reihe gekriegt. Geschrieben wurde es schon vor dem zehnten Kapitel, aber das zehnte und das zwölfte haben nicht zusammengepasst, also habe ich das hier dazwischen geschoben. Außerdem sollte es vorher einen ganz anderen Namen haben und der erste Teil sollte die Hauptsache sein. ^^''
 

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@ spellmaster: *rot werd* thx =^----^= An dem Kapitel habe ich auch lange gearbeitet. Eins meiner Lieblinge, auch wenn's nicht ans 17. ranreicht. ^.~
 

@ are *dich gleich beim Wort nehm*: Änderungen im Stil? So was fällt mir nie auf. Aber jetzt, wo du es sagst... Meine Lieblingsfigur ist Kai, auch wenn Yuriy auch was hat. ^.^

Ob das Thema abgedroschen ist oder nicht, darüber kann man sich streigen. Ich bin der Meinung, man kann aus jedem noch so abgegriffenen Thema eine gute Geschichte bauen, wenn man will. Ob ich das kann ist allerdings eine andere Frage...
 

@ Jazzy: Bitteschön, das nächste Kappi. ^^ Könntest du nächstes Mal vielleicht etwas mehr schreiben als nur 'Mach weiter'?
 

@ Menteni: Eine Überraschung? Wahrscheinlich hast du recht, es gab noch keine Andeutungen auf ihn. Die kommen in diesem Kapitel. *drop* Egal. Freut mich, dass es dir gefallen hat ^^
 

@ X66: Sieht man doch öfters, oder? Mir jedenfalls gefällt das. Außerdem ist es sowieso paradox, dass jemand mit einem kühlen Charakter ein Element wie Feuer hat.

Ja, Yuriy taucht noch öfter auf, sonst hätte ich ihn überhaupt nicht auftreten lassen. Er hat auch eine recht große Rolle. Nächstes Kapitel wieder. ^.^
 

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Viel Spaß
 

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Schau hinter die Maske
 

"Und du wusstest wirklich nicht, dass Sturmvogel Takaos Bruder ist?", wollte Kenny wissen. Wieder einmal. Kai hielt es nicht für nötig, darauf zu antworten. Der Junge stellte diese Frage zum zehnten Mal. Mindestens.

Zu Anfang hatte Kai sich herabgelassen, den Kopf zu schütteln, aber bereits beim dritten Mal war es ihm zu viel geworden Die beiden Brüder hatten sich in Sturmvogels Wohnung zurück gezogen, was schien mindestens eine Stunde her war. Max hatte erst Kenny über Hiro ausgefragt und war dann wieder zwischen den Regalen verschwunden.

Nur Kai hatte die ganze Zeit geschwiegen und schien sich nicht um das unerwartete Wiedersehen der Brüder zu kümmern. Dabei beschäftigte es ihn sehr. Ja, er wusste, warum. Er war neidisch auf die Beiden. Er wollte auch jemanden haben, der ihn so begrüßte. Einen Menschen, der ihn in die Arme nahm. Nicht nur Dranzer.

Es war zu wenig, das wusste er. Selbst Dranzer, die ihm alles bedeutete, konnte menschliche Wärme nicht ersetzen, nicht mit alle ihrem Feuer und ihren Flammen. Und Kai war eine Person, die in ihrem eher kurzen Leben - nicht einmal zwei Jahrzehnte - viel zu wenig von dieser Wärme empfangen hatte.

Er war sich darüber durchaus bewusst. Vielleicht wusste oder ahnten noch mehr Leute davon. Aber Kai war der Einzige, der wusste warum.
 

Es erinnerte Kai an seine Vergangenheit. An seine Freunde, die mit ihm aufgewachsen waren. Und vor allem an IHN. IHN, der immer bei ihm gewesen war, wenn das Leid und die Einsamkeit zu groß geworden waren. ER, der noch immer einen Platz in seinem Herzen hatte, direkt neben Dranzer, der einzige, der das je geschafft hatte. Aber diese Zeit war vorbei. Endgültig. Und sie konnte auch nicht zurückgeholt werden. Niemals mehr.

Kai war auch der Einzige, der wusste, dass seine Stärke und sein Selbstbewusstsein, um was ihn alle Welt beneidete, kaum mehr als Fassade war. Eine Mauer, die ihn schützen sollte vor der kalten, abweisenden Welt, in der er nicht das bekommen konnte, was er brauchte.

Dahinter, hinter dieser Mauer saß ein kleines, verletzliches Kind, das sich verzweifelt nach Liebe und Zuneigung sehnte, nach etwas, dass es nicht mehr kannte, das es verlernt hatte.

Aber gleichzeitig verdrängte Kai dieses Wissen. Er wollte es nicht wahrhaben. Es stimmte nicht. Er brauchte niemanden. Er war stark.
 

"Sturmvogel!" Die tiefe, männliche Stimme riss ihn aus den Gedanken. Zwei Gestalten tauchten zwischen den Regalen auf. Eine davon war ein erwachsener Mann, den Kai bereits einmal gesehen hatte, ein Hatesit. Die Andere war ein Junge, der sein Tisetahamulett mit der Aufschrift ,Affe' und ,Galman' offen an einer dünnen Goldkette trug.

Er war sehr klein, aber drahtig und anscheinend auch sehr kräftig. Sein Aussehen war exotisch, große, goldene Katzenaugen in einem fein geschnittenen, katzenähnlichen Gesicht, das von dichtem, grünem Haar umgeben war, das am Hinterkopf mit einem Band zusammengefasst war. Nur eine dichte Haarsträhne fiel ihm ins Gesicht und verdeckt sein rechtes Augen.

Er sah sich neugierig um und bewegte sich mit der Anmut einer Raubkatze. Ob der Kleine...? Nein, da konnte nicht sein! Was sollte einen Zhaon'El und auch noch Hatesit hierher treiben? In ihrer Heimat Canih waren die Bündniskrieger sehr respektiert, ja, beinahe sogar verehrt.
 

"Ist Sturmvogel nicht da?", wollte der Ältere der Ankommenden wissen. Kai deutete schweigend auf die Tür. "Oh. Dann warten wir." Sie nickten Kenny freundlich zu, der zurücklächelte und ließen sich auf einem Sofa nieder, nachdem sie ihr Gepäck ablegt hatten. Einen Moment herrschte Schweigen, dann sagte der Mann zu Kenny: "Ich habe dich noch nie hier gesehen." Anscheinend hielt er die Stille nicht aus.

Kenny schüttelte den Kopf. "Bis vor Kurzem habe ich noch in einer Insel gelebt. Ich bin jetzt das erste Mal hier."

"Caras Rash-en." Der Mann lächelte und hielt dem Bebrillten die Hand hin, die dieser sofort schüttelte.

"Kenny Kyoujyu."

Der kleine Grünhaarige sah von einem zum anderen und stellte sich vor: "Kevin Li. Ich komme aus Canih."

"Was suchst du dann hier in der Wüste?", wollte Kai wissen. Nicht aus Interesse, eher zur Ablenkung.

Kevin warf ihm einen scharfen Blick zu und meinte dann zögerlich: "Der Dieb." Sofort war Kenny aufmerksam. Kai blinzelte.

"Ihr auch?", wollte Caras wissen. "Mir hat er das Amulett gestohlen."

"Oh je.", meinte Kenny mitleidig. "Wir sind ihm glücklicherweise noch nie begegnet."

"Ihr seid auch Hatesit?", fragte Kevin erstaunt.

Der Bebrillte nickte. "Wir sind erst seit kurzem in der Wüste, bis auf Kai natürlich." Dabei deutete er auf den Rotäugigen.

Kevin sah ihn kurz an und fragte: "Wir?"

"Meine Freunde Takao und Max. Takao redet mit Sturmvogel und Max..."

"...ist hier.", unterbrach der Blonde von hinten. Alle wandten sich ihm zu. Max lächelte in die Runde und grüßte, ehe er sich auf den Platz neben Kenny plumpsen ließ. "Ich habe euch gehört. Wir sind auch hinter dem Dieb her."
 

"Sagt wer?", fragte Kai scharf, doch Max ignorierte ihn.

"Und Sturmvogel weiß ein paar interessante Dinge über ihn."

"Wirklich?", wollte Kevin wissen. Plötzlich wirkte er aufgeregt.

"Ich habe euch doch gesagt, ein Besuch bei Sturmvogel sei praktisch.", triumphierte Caras. Kevin nickte und Kai erkundigte sich übergangslos nach einer Karte. Caras und Kevin schüttelten die Köpfe und Kai wollte gerade aufstehen um seine zu holen, als Kenny meinte: "Dizzy hat eine."

Kai wusste, was er meinte und ließ sich zurücksinken. "Nun?"

Der Bebrillte nickte und holte unter den erstaunten Blicken von Kevin und Caras den Spiegel hervor um hineinzusprechen: "Dizzy, hast du zugehört?"

"Natürlich!", erklärte das Tesitah gereizt. "Und jetzt, wo ich gebraucht werde, ist der Herr so gnädig mich am Gespräch teilhaben zu lassen."

"Tut mir Leid. Vorher war..."

"...eine Gelegenheit da! Es ist immer eine Gelegenheit da! Widersprich mir nicht."

"Ja, aber...könntest du trotzdem..."

"Ja, ja."
 

Erleichtert legte Kenny den Spiegel flach auf den Tisch und erklärte Caras und Kevin kurz und knapp, was mit Dizzy geschehen war. Währenddessen nutzte Dizzy ihre Kräfte und einige Momente später hatte sich über dem Tisch eine Art durchscheinende Illusion gebildet, die eine genaue Karte der Wüste, Inseln und Städte zeigte.

Sie war zusammengesetzt aus den Karten, die Dizzy in Nijan und Skellten - von Kai und Michael - gesehen hatte. Alle sahen dem Schauspiel interessiert zu. Kai fand es bemerkenswert. Das also waren Dizzys Spiegelkräfte. Sie würden sich durchaus nutzen lassen.

"Dizzy, kannst du die Orte eintragen, die Sturmvogel vorher genannt hat?" Sofort leuchteten fünf Wüstenstädte rot. Dann färbte sich Skellten grün.

Caras runzelte die Stirn. "Was sollte das?"

Kai schob ihm wortlos das Kästchen entgegen. Darin befand sich mindestens ein Dutzend Tisetahamulette. Keine Amulette, deren Besitzer bereits tot waren. Lebende Amulette. Wortlos reichte Caras das Kästchen an Kevin weiter, der nicht minder erstaunt war.

"Das kommt aus der Bärenhöhle bei Skellten. Eine kleine Presserbande, die wohl nichts Besseres zu tun hatte.", meinte Kai ironisch.
 

"Die waren weit mehr als eine ,kleine Presserbande'!", rief Caras erstaunt aus.

"Das weiß ich auch. Spätestens als die dann aufgetaucht sind." Kai hob zwei Ketten mit großen Anhängern hoch. Das Priesteramulett und das Medallion aus dem Turm der drei Winde. "Und welche Neuigkeiten bring ihr?"

Die beiden wechselten einen Blick. "Wir haben einen gesehen. Beziehungsweise Mao und Rei waren es. Mao meinte, der Mann wäre gefährlich. Und wenn sie das sagt, dann stimmt das.", erklärte Kevin.

"Eine große Nummer von unserer Diebesorganisation?", fragte Max neugierig.

"Mao behauptet das."

"Wie sieht er denn aus?" Mit kurzen, knappen Worten berichtete Kevin von Maos und Reis Begegnung mit dem unheimlichen Fremden.

"Das wird ja immer interessanter!", rief Max und Kai fragte: "Zhekan sagt ihr?"

In Dizzys Karte erschienen bei der Stadt, die sich gelb färbte, zwei Schriftzüge. Mao und Rei. "Wer ist denn da noch beteiligt?", wollte Dizzy wissen, die urplötzlich neben ihrer Illusion erschien, genauso durchscheinend und kaum größer als ein Unterarm. Wahrscheinlich war das nicht einmal ein Fünftel ihrer tatsächlichen Größe.

"Sag mal.", wandte sie sich an Kai. "Wo liegt den Teshnan? Die Magier halten das geheim. Niemand weiß es und auf deiner Karte habe ich es auch nicht gefunden."

Kai zog eine Augenbraue hoch und zeigte präzise auf eine Stelle mitten in der Wüste. Es lag im Südwesten von Sturmvogels Halle, viele Tagesritte entfernt. Daneben erschein Michaels Name. Im Felsenlabyrinth tauchten die Schriftzüge der Namen der Anwesenden auf.
 

Dann antwortete Kevin auf Dizzys Frage. "Lee und Gaou."

Dizzy trug sofort nach. "Habe ich jemanden vergessen?"

"Ja, Mom, Hilary und Takeru in Nijan!"

"Was bringen uns die?", wollte Kai ungehalten wissen.

Max zuckte die Schultern. "Keine Ahnung. Ich dachte nur, schreiben wir eben alle auf, die helfen könnten."

Dizzy hatte die drei Namen schon längst eingetragen. "Sonst noch wer?"

Niemand antwortete, dafür öffnete sich Hiros Tür und er und Takao kamen zu ihnen. Nach kurzem Bericht fragte Takao: "Und was machen wir jetzt?"
 


 


 

Mit gleichmäßigen Strichen fuhr Kai mit der Bürste durch Funkensterns bereits glänzendes Fell. Viel Dreck und Knoten gab es nicht mehr zu hinauskämmen, aber Kai dachte nicht daran aufzuhören. Dann müsste er in die Halle zurück. Er hätte keinen Grund, weiter von ihnen fern zu bleiben. Bei diesen Gedanken runzelte Kai die Stirn. //Seit wann muss ich mich vor ihnen rechtfertigen? Seit wann muss ich erklären, was ich wann und wo machen? Es geht sie gar nichts an, warum und wann ich irgendwo bin!//

Funkenstern stand entspannt da, mit gesenktem Kopf und einem auf die Spitze gestelltem Hinterhuf. Sie liebte es, wenn Kai einmal so viel Zeit für sie fand. Sonst blieb Kai lieber von ihr fern und versorgte sie nur, dass sie auf keinen Fall in ihren Leistungen nachlassen konnte.

"Was willst du, Takao?", wollte Kai plötzlich wissen, hielt aber nicht in der Bewegung inne. Der langhaarige Junge stand schon längere Zeit einige Meter hinter ihm. Jetzt zuckte er ertappt zusammen. Anscheinend hatte er gedacht, Kai hätte ihn nicht bemerkt. Aber dafür musste er noch um einiges geschickter werden.

Es hatte nur eine einzige Person gegeben, die sich je an Kai hatte heranschleichen können. Und diese Person war nicht hier, sondern weit, weit entfernt. Unerreichbar...
 

"Wir warten auf dich. Damit wir jetzt endlich wirklich planen können wegen dem Dieb und so. Jetzt, wo Kevins Freunde sich ausgeruht haben." Kevins Freunde - Lee, Rei, Mao und Gaou - waren vor ein paar Stunden eingetroffen und brachten nach eigenen Angaben wichtige Informationen.

Hiro hatte angeordnet, dass sie sich erst einmal ausruhen sollten, denn sie hatten einen wahren Gewaltmarsch hinter sich. Die Strecke zwischen Zhekan und Sturmvogels Halle in nur acht Tagen und zu Fuß? Und auch noch ohne zu wissen, wo Hiro genau lebte? Respekt! Dafür konnte man sie nur bewundern.

"Wofür braucht ihr mich?", wollte Kai nüchtern wissen und fuhr weiter mit dem Striegel durch Funkensterns Fell. Immer schön gleichmäßig. Hin und her. Hin und her.

"Du solltest dabei sein!", rief Takao erstaunt. Anscheinend hatte er keine Ahnung von der wirklichen Lage der Dinge. "Du bist doch unser Anführer! Wir brauchen dich! Du..."

"Sagt wer?", fragte Kai kalt dazwischen. Was redete der Knirps da? Niemand brauchte ihn! Niemand...

"Wir.", schnauzte Takao. Warum war er plötzlich wütend? Kai verstand nicht. "Und jetzt komm!" Das klang wie ein Befehl.

"Nein." Kai hielt einen Moment inne. "Ich glaube, ich ziehe weiter." Warum erzählte er das dem Jungen? Das ging den doch gar nichts an! Das war ganz allein seine Sache!
 

Einen Moment war es still. Dann sprang Takao plötzlich nach auf und riss Kai an der Schulter herum, so dass der Ältere ihm in das zornige Gesicht sehen musste. Funkenstern schnaubte missmutig, aber niemand achtete auf sie. Ein lautes Klatschen folgte, dann tastete Kai nach seiner Wange, auf er sich langsam ein roter Abdruck bildete. Er war wie erstarrt. Takao...Takao hatte es tatsächlich gewagt...gewagt, ihn...ihn zu schlagen?!

Der Jüngere stand wütend und mit vor Zorn blitzenden Augen vor ihm und brüllte: "Was denkst du eigentlich! Natürlich brauchen wir dich! Du hast uns aus Nijan gebracht. Du hast uns die Verfolgung der Magier entkommen lassen. Du hast uns durch die Wüste geführt. Du hast dich um uns in Skellten gekümmert. Du wurdest sogar verletzt, als du uns Pferde besorgt hast! Du hast mich zu meinem Bruder gebracht.

Und jetzt sagst du, du gehörst nicht zu uns?! Seiest nicht unser Freund?! Was denkst du eigentlich?! Sind wir dir jetzt plötzlich zu schlecht? Zu dumm? Zu schwach? Nur ein kleiner Zeitvertreib für nebenher? Du kannst doch nicht einfach auftauchen, uns helfen, ein guter Freund werden und dann wieder verschwinden, wie es dir passt!

Verdammt noch mal, stört dich denn nicht, dass da Hatesit sind, die ihre Partner verloren haben? Willst du der einzige sein, der den Dieb nicht jagt? Verdammt! Wir brauchen dich und du willst einfach verschwinden? Bist du zu feige oder was? Du bist unser Freund und jetzt lässt du uns einfach allein? Was denkst du, wer du bist?"
 

Kai konnte sich nicht rühren. Nie hatte ihn jemand auf diese Art angebrüllt. Nie hatte ihm jemand klar gemacht, dass er gebraucht wurde und ein Freund war. Seine Gefühle standen Takao ins Gesicht geschrieben, wechselnd zwischen Wut, Verzweiflung, Trauer und Zuneigung.

Sie prasselten nacheinander auf Kai nieder. Auf Kai, der seine eigenen Gefühle unterdrückt hielt und versuchte, keine bei anderen hervorzurufen. Auf Kai, der sein Gesicht zu einer eisigen Maske hatte erstarren lassen und hinter seinen Augen eine Mauer aufgebaut hatte, damit auch ja nichts nach außen drang.

Takaos Worte trafen Kai härter als alle Schläge, die er je empfangen hatte. Er wusste nicht, wie er mit dieser Freundschaftsbekundung zurecht kommen sollte. Er hatte so etwas noch nie erlebt.

Verwirrung, Hin- und Hergerissenheit und nicht verstandene Gefühle vollbrachten etwas, was selbst härteste seelische Qualen und körperliche Leiden nicht geschafft hatten. Sie ließen Kais Mauern zusammenstürzen und Takao erkannte für kurze Zeit Kais wirkliches Selbst, seine zerschmetterte, verzweifelte, einsame Seele, sein Herz, das sich nach Freundschaft und Liebe sehnte, seinen unzähmbarer Geist, der wild und ungestüm war und die Freiheit liebte.

Für eine kurze Dauer hatten Kais rote, feuerrote Augen den Ausdruck, den sie wirklich haben sollten, lodernd von dem Feuer in ihrem Besitzer, Funken sprühend und blitzend vor plötzlicher Wut und Zorn.
 

Kais Stimme, als er sprach, war nicht mehr kühl und nüchtern oder spöttisch, sondern wild, unbändig und hitzig. "Und was denkst du, Takao? Glaubst du, du kennst mich? Glaubst du, du weißt, wer ich bin? Glaubst du, du kannst mich, jemanden wie mich, gebrauchen? Glaubst du, du kennst meine Gefühle, meine Gedanken? Glaubst du wirklich, ich würde euch für dumme Schwächlinge halten? Glaubst du wirklich, mich würde es nicht interessieren, dass jemand das verliert, was für ihn am wichtigsten ist? Glaubst du wirklich, du kennst mich?

Was denkst du, Takao? Du kennst mich doch gar nicht! Du weißt nichts von mir! Du hast doch keine Ahnung! Weißt du, woher ich komme? Kennst du meine Familie, meine Freunde? Weißt du, was ich erlebt habe? Kennst du meine Vergangenheit? Was ich erduldet, wie ich gelitten habe? Welche Narben und Wunden ich trage? Du hast doch keine Ahnung!

Und wie kannst du dann sagen, ich sei dein Freund? Wie kannst du mich mögen, Zuneigung zu mir empfinden? Wie kannst du wissen, warum ich euch geholfen habe? Es könnte auch Eigennutz gewesen sein! Wie kannst du sagen, ich sei dein Freund und euer Anführer? Wie kannst du mir vertrauen? Du weißt doch gar nichts!"
 

Der Jüngere war wie erstarrt von Kais Ausbruch, als er in dessen blitzende, flammende Augen blickte und dessen Verzweiflung spürte.

Früher hatte er sich gefragt, warum Dranzers Hauptelement das Feuer war. Die Fähigkeiten der Tisetah hatten immer mit dem Charakter ihres Bündnispartners zu tun. Bei Kai war es für Takao und auch Max und Kenny unverständlich gewesen. Warum war Dranzer ein Feuerwesen, während Kai doch die Inkarnation des Eises zu sein schien?

Aber jetzt, jetzt, als Takao direkt in Kais Seele blickte, erkannte er, wie gut Dranzer wirklich zu ihrem Kai passte. Kai war das Feuer. Lodernd, tanzend, brennend, glühend, wütend, rasend, hungernd, sich verzehrend vor und nach Leidenschaft, Liebe, Freiheit, Glück, Wahrheit, Schönheit, Poesie, Ewigkeit und der Unendlichkeit. Unzähmbar und frei, wild und ungestüm. Von nichts und niemandem gehalten. Immer weiter ziehend wie der Wind. Das war Kai. Nicht das, was sie kannten.

Aber das war nur für einen Moment. Dann wurde Takao richtig unheimlich zu Mute. Kai hielt inne mit seinen Fragen, auf die er sowieso keine Antwort erhalten würde. Seine wütende Haltung veränderte sich, wurde wieder zu der, die er immer hatte. Er verwandelte sich förmlich. Seine Augen wurden matt und dunkel wie Blut, sein Gesicht wurde wieder starr, als würde er die Maske, die vorher zerbrochen war, wieder zusammensetzen und überziehen.

Das war unwirklich, furchterregend und beklemmend und jagte Takao einen Schauer über den Rücken. Ihm wurde plötzlich kalt. Kai, der Feuer war, wurde wieder kalt, eiskalt wie eh und je. Das passte nicht zu ihm.
 

Takao hatte für einen Moment Kais wirkliches Selbst gesehen und jetzt wünschte er es sich zurück. So schön, so frei, so leidenschaftlich. Warum versteckte Kai es? Was war ihm zugestoßen, dass er es tat? Es war eine Sünde, jemanden wie Kai so zu verletzen, dass er sich verbergen wollte, jemanden, der eine solch wunderbare Seele hatte.

Jetzt war Kai wieder das, was Takao kannte. Mit einer Maske statt einem Gesicht und dunkelroten Augen, die wie Blut waren und keinen Blick in seine Seele zuließen. Kalt blickte er Takao an. "Geh rein. Ich werde nicht kommen."

"Aber...aber du musst! Kai, du bist unser Freund. Du bist..."

Kais Schlag traf den Jungen hart und unerwartet und schleuderte ihn zu Boden. "Ich muss gar nichts. Außerdem wiederhole ich mich nicht gern. Du weißt nicht, wer ich bin. Wie kannst du dann sagen, ich sei dein Freund?"

Kalt wandte Kai sich ab und schwang sich auf Funkensterns Rücken. Takao war einen Moment wie erstarrt. Seine Wange, an der Kai ihn getroffen hatte, brannte. Kai hatte mehr als einen harten Schlag. Der Langhaarige hörte, wie Funkensterns Hufe sich schnell entfernten und er rappelte sich rasch auf.

Kai war schon weit weg. Seine Stute war schnell. Trotzdem brüllte Takao ihm hinterher: "Darum geht es doch bei Freundschaft, du Trottel! Man vertraut sich, auch wenn man nicht alles von seinem Gegenüber weiß!"

Seine Stimme hallte von den Felswänden wieder, aber er wusste trotzdem nicht, ob Kai ihn gehört hatte. Jedenfalls ließ der Andere sich nichts anmerken, sondern ritt einfach weiter und verschwand zwischen den Felsen.
 


 


 

"Wo bleiben die denn?", wollte Lee ungeduldig wissen. Er brannte darauf, sein Wissen weiterzugeben und zu erfahren, was die anderen wussten. Hiro hatte ihnen befohlen, sich erst auszuruhen und er hatte recht gehabt. Kaum hatten sie die Augen geschlossen, waren sie auch schon eingeschlafen.

Jetzt aber waren sie wach, satt und sauber und konnten mit ihrer Besprechung - oder wie auch immer sie es nennen wollten - beginnen. Auch die anderen waren schon ganz hibbelig. Sie saßen rundherum auf Hiros Sitzecke. Takaos Bruder hatte alle Leute fortgeschickt und ein Schild vor dem Taleingang aufgestellt, dass andeutete, dass er beschäftigt war und niemand ihn stören durfte.

Im Moment stand er an seinem Herd und prüfte, ob man den Tee schon trinken konnte. Dizzys Illusion saß neben ihrem Spiegel auf dem Tisch und erstellte gerade die Karte, die sie schon vor einigen Tagen gemacht hatten. Kenny stand neben ihr und half ihr mit mehr oder minder hilfreichen Kommentaren, die Dizzy launisch erwiderte. Rei saß bei Kevin und hörte dessen leiser Erzählung zu, was geschehen war, nachdem er mit Caras, der daneben hockte und Dizzy zusah, zu Sturmvogel aufgebrochen war. Lee saß auf dem danebenstehenden Sofa und schien seine Aufmerksamkeit überall zu haben.
 

Max hatte die beiden Zhaon'El sofort gemocht. Es waren fröhliche, aufgeschlossene und ehrliche Leute, die herzlich empfangen worden waren. Auch wenn Gaou und Mao nicht bei ihnen waren. Lee hatte erzählt, dass sie in einen Sturm geraten waren, der sie unversehens auseinander gerissen hatte. Keiner von den beiden Zhaon'El wusste, wie das geschehen war. Es war einfach passiert. Und jetzt saßen nur drei von ihnen hier, wo es doch fünf sein sollten. Mao und Gaou lebten noch - daran gab es für sie keinen Zweifel - und wenn sie klug waren, würden sie sicher zu Sturmvogel kommen. Es war alles nur eine Frage der Zeit.

Max saß ihnen gegenüber und schaute ungeduldig in die Richtung, aus der Takao und Kai kommen mussten. Zumindest Takao. Ob Kai kam, war er nicht so sicher. Kai war ein Kapitel für sich und blieb ihm ein Geheimnis. Er konnte einfach nicht in ihm lesen. Sogar die Zhaon'El, die manchmal rätselhaft wie Katzen waren, waren leichter zu durchschauen.

Aber Kai? Keine Chance. Der ließ einfach niemanden durch. Was ihn wohl dazu gemacht hatte, was er heute war? Als Takaos Schritte sich näherten, blickten alle auf. Der Junge ging sehr langsam - und er war allein. Kai war nicht bei ihm.
 

Dann tauchte der Langhaarige zwischen den Regalen auf. Seine linke Wange war rot und geschwollen. "Was ist passiert?", wollte Hiro sofort wissen. Takao antwortete nicht sondern ging betrübt zu einem Sofa und setzte sich. So kannte Max ihn gar nicht! Takao war die ganze Zeit, in der sie sich kannten, fröhlich und laut gewesen. Manchmal vielleicht wütend. Oder aufgebracht. Aber so nachdenklich und bekümmert? Was war bloß passiert mit Kai?

Vorsichtig tastete Takao nach seiner Wange und nahm dankbar ein kühles Metallteil an, dass Rei ihm schweigend reichte. Er legte es auf seine Wange, so dass seine Stimme nur undeutlich war. "Kai war das."

Erstaunen. Das war es, was Takao auf seine Worte erntete. Was auch immer sie erwartet hatten - das nicht. Kai neigte nicht zu Handgreiflichkeiten. "Warum?", fragte Lee und Hiro ballte die Fäuste. "Dem werd' ich etwas erzählen!"

Er wollte schon davon stürmen um Kai seine Meinung zu sagen und noch mehr zu tun, aber Takao hielt ihn zurück. "Nein, Hiro. Ich habe ihn doch zuerst geschlagen."

Kenny sah ihn zweifelnd an. "Warum auch immer, aber das ist für Kai kein Grund zurückzuschlagen.", meinte er sachlich. "Kai neigt nicht zu solch kleinlicher Rache."
 

Der Langhaarige stieß einen wütenden Laut aus. "Das weiß ich auch! Das war es auch gar nicht!"

"Erzähl erst einmal, was passiert ist.", schlug Rei vor. "Ich meine, ich kenne diesen Kai nicht, aber für mich sah er nicht aus wie jemand, der Schwächere verprügelt."

"Na danke!", fauchte Takao. Der Zhaon'El lächelte nur entschuldigend, aber es war natürlich klar, dass Kai viel stärker war als der Jüngere.

"Nun?", wollte Lee ungeduldig wissen.

"Jetzt dräng ihn nicht so.", mischte sich Kevin ein. "Wir haben zwar nicht viel Zeit, aber auf ein paar Minuten mehr oder weniger kommt es nicht an!"

"Entschuldige, aber..."

Takao ließ Lee nicht ausreden, sondern sagte: "Kai war bei seinem Pferd. Nun ja, er hat ein paar ganz komische Sachen von sich gegeben und da bin ich wohl etwas heftig geworden."

"Und da hat er dich geschlagen?", fragte Hiro stirnrunzelnd. "Ich will ja nichts sagen, Kleiner, aber Kai rutscht nicht mal so eben die Hand aus. Er hat sich immer unter Kontrolle und ein paar kleine Beleidigungen perlen von ihm ab wie Wasser von Glas. Davon lässt er sich nicht aus der Ruhe bringen." Hiro zuckte die Schultern und fügte hinzu: "Er zeigt eben nie Gefühle."
 

Takao sah seinen Bruder kurz an. "Vorhin schon.", murmelte er. "Aber natürlich hat er mich da auch nicht geschlagen. Das hat er erst gemacht kurz, bevor er weggeritten ist."

"Er ist weg?"

"Sag ich doch!"

"Keine Sorge, der kommt wieder.", erklärte Sturmvogel und deutete auf einen Sessel, auf dem Kais Waffengurte lagen. "Sein Zeug ist noch hier. Und ohne seine Schwerter geht er sicher nicht."

"Jaja, wie auch immer.", murrte Takao. "Jetzt lasst mich doch mal ausreden!"

"Wir sind doch ganz leise.", maulte Kenny.

"Sei still!", fauchte Takao, beruhigte sich aber schnell wieder. "Kai hat gemeint, er wolle gehen." Es war klar, welches ,Gehen' jetzt gemeint war.

"Was?!", brüllte Max und fuhr auf. "Der wollte einfach ohne uns abhauen?" Alle starrten ihn an.

Hiro runzelte die Stirn und meinte: "Feuerrabe ist doch niemand, der in Begleitung reist. Ich meine, für kurze Zeit, okay, aber als ständige Gefährten?"

"Er gehört zu uns.", bestand Takao wütend. "Und das habe ich ihm auch gesagt! Sehr laut und sehr deutlich und mit einigen anderen Dingen dazu. Und dann ist er ausgeflippt. So richtig."

"Wie meinen?", wollte Lee wissen und Hiro fügte hinzu: "Kai flippt nicht aus. Kai zeigt niemals Gefühle. Ich habe noch nie etwas von seinen Emotionen gesehen. Nie. Er hat die Kontrolle darüber."
 

"Nein. Diesmal nicht. Ich habe...ich habe mehr gesehen, als mir lieb war, glaube ich. Ich habe den wahren Kai hinter der Maske gesehen."

"Und war er so erschreckend?", wollte Max leise wissen. Das interessierte ihn. Gerne hätte er Kais wirklichen Charakter erkannt und einen Blick in seine Augen geworfen, wenn dahinter einmal keine Mauer stand.

"Nun ja.", murmelte Takao. "Es war...sonderbar. Versteht ihr? Da war nichts Kaltes oder Starres mehr an ihm. Dranzers Element ist Feuer und Kai war in diesem Augenblick Feuer."

Verwunderung. Wenn man es nicht mit eigenen Augen sah, musste man darüber wohl lachen. Takao selbst hätte noch vor zwei Stunden jedem den Vogel gezeigt, der ihm erzählte, Kai wäre wild und ungestüm. "Seine Augen haben förmlich geglüht und er sah aus, als wollte er wütend im Kreis herumrennen und zornig auf irgendwelche Dinge einschlagen."

"Wirklich?", zweifelte Kenny, aber Max glaubte Takao sofort, der bekräftigend nickte. "Ja. Und er hat mir einige Dinge gesagt, die ich nicht ganz verstehe."

"Was denn?", wollte Kevin neugierig wissen.

"Vielleicht können wir dir helfen.", schlug Rei vor.
 

Takao zuckte die Schultern. "Nein. Ich glaube, nur Kai kann das tun. Aber ich kann euch ja trotzdem sagen, was Kai mir ins Gesicht gebrüllt hat." Mit kurzen, knappen Worten, die so gar nicht zu Takao passten, erzählte er, was Kai gesagt hatte.

"Er meinte, er habe schlimme Dinge erlebt?", hackte Lee nach.

"Ich glaube, sie waren mehr als ,schlimm'.", murmelte Max.

Der Blauhaarige nickte. "Ja. Er sagte, wir kennen ihn nicht."

"Tun wir auch nicht.", sagte Hiro. Takao starrte ihn wütend an und wollte etwas sagen, aber sein Bruder ließ ihn nicht zu Wort kommen. "Ich meine, was wissen wir über ihn? Sein Tisetah heißt Dranzer und ist das Wichtigste für ihn. Ihre Elemente sind Feuer und Dunkelheit - eine Konstellation, die mir bisher nur bei ihm untergekommen ist. Er ist ein hervorragender Kämpfer und man sollte ihn nicht herausfordern, wenn man nachher noch in einem Stück herauskommen will. Er tauchte vor drei Jahren aus dem Nichts aus und bekam den Namen Feuerrabe verpasst. Bisher ist er aus jedem Kampf siegreich hervorgegangen. Gefährten, die ihn länger als einen Monat begleiten, hat er nicht. Er gibt sich in den Inseln als reisender Barde aus. Ich habe ihn noch nie dieser Tätigkeit nachgehen sehen, aber wenn er sagt, er kann es, dann kann er es. Er hat viel zu viele außergewöhnliche Begabungen. Was er in den ersten vierzehn Jahren seines Lebens getan hat, wo er gelebt hat und ausgebildet wurde, weiß niemand. Ebenso wenig ist über seine Familie bekannt und man sagt, Dranzers Anblick überlebt keiner."
 

"Wie meinen?", fragte Lee. "Ist sie eine Gorgone oder ein Basilisk, oder so?"

Caras schüttelte den Kopf. "Nein. Das bezieht sich nicht auf ihren Anblick direkt, sondern eher darauf, dass Kai niemandem sagt, wie Dranzer aussieht und sie nicht ruft, wenn jemand in der Nähe ist, der nachher noch leben soll."

"Du willst damit sagen, niemand außer er weiß, wie sie aussieht?"

"So kann man das auch sagen."

"Oh."

"Gut beschrieben. Also, Takao. Was wissen wir über Kai?", wollte Hiro wissen.

"Nichts.", gab der Angesprochene zu. "Aber er ist trotzdem ein Freund. Und ich weigere mich, ihm nicht zu vertrauen."

"Schön. Wie du meinst."

"Ich auch.", sagte Max zu Takao. Er sah die Anderen an. "Ohne Kai wären wir jetzt sicher tot. Er hat uns aus Nijan und durch die Wüste geführt. Er hat uns angeführt."

"Das sollte am Besten so bleiben.", stimmte Kenny zu.

"Kai gehört zu uns.", sagte Takao noch einmal und diesmal hörte es sich trotzig an.

"Was auch immer. Aber irgendwie kann ich das nicht glauben.", meinte Hiro.

Takao starrte ihn wütend an und wandte sich dann an alle. "Kai ist Feuer gewesen. Versteht ihr? Wirkliches, loderndes Feuer. Ein flammendes Inferno. Aber jetzt...jetzt ist er nur noch Asche. Kalte Asche."

Eine Weile herrschte Stille. So etwas musste man verarbeiten, ehe man etwas dazu sagte. Max war der Erste, der das Schweigen brach. "Weißt du, ich glaube nicht, dass da alles nur noch Asche ist. Ich denke, darunter ist noch etwas Glut versteckt, Funken, die einen Brand entfachen können. Wie vorhin bei dir. Wir können ihm ja helfen, seine Flammen wieder hochschlagen zu lassen."
 

~~~~~~~
 

So, das war's. Was sagt ihr dazu?

Ich weiß, Kai verhält sich ziemlich OOC, aber das musste einfach mal sein. Er gefällt mir so. ^^'' Ich kann nur sagen, dass er nicht noch einmal so explodiert.
 

Cu

Silberwölfin

Treffen

Titel: Krieger, Magier und Diebe

Teil: 12/24

Autor: Lady Silverwolf

Anime: Beyblade

Warning: OOC

Disclaimer: Die Hauptcharaktere gehören nicht mir und ich verdiene kein Geld mit dieser Fanfic.
 

"..." reden

//...// denken
 

~~~~~~~
 

So, da bin ich wieder. War am Wochenende weg und gestern und am Montag gings Mexx bei mir nicht, sonst hätte ich schon früher geladen. Dafür lade ich gleich zwei Sachen hoch, nämlich noch 'ne Kurzgeschichte, über Geister. Für die, die's interessiert. *Werbung mach*
 

Also, ich war am Wochenende bei meiner Tante und die hat die FF auch gelesen. (Natürlich ohne zu wissen, woher die Charaktere stammen. ^///^) Jedenfalls werde ich alles noch mal überarbeiten, weil sie mich auf einige wichtige Dinge hingewiesen hat. Die Änderungen werde ich hochladen, sobald nachdem das 24. Kappi oben ist, okay?
 

Das Kapitel wird euch gefallen, glaube ich. (Ganz im Gegensatz zum nächsten *hust*) Irgendwer hat doch mal gefragt, woher Kai seinen zweiten Namen hat. Wird hier geklärt.
 

Übringens haben wir mit diesem Kappi die Hälfte von KMuD erreicht.
 

**
 

@ spellmaster: Danke schön *verbeug* Hätte nicht gedacht, dass die Szene so gut ankommt. Dabei war sie ursprünglich nur als Lückenfüller gedacht...^^''''
 

@ Jazzy: Also, von Kais wahrem Gesicht konntest du im letzten Kapitel schon einiges lesen, glaube ich. ^.~ Pairing stimmt, ja. Dachte, das wäre jetzt klar, nach Erinnerung.
 

@ diamond: Yo, Yuriy ist da. Ich mag ihn, darum taucht er in allen meinen BB-FFs auf. So auch hier.

Ja, man merkt, dass du Takao nicht magst. Aber hier ist er eben ein Kumpel von Kai. Sorry, falls dich das stört, aber ich habe nichts gegen ihn.

Dieses Kappi ist mit ganz viel Yuriy *nach unten deut* Viel Spaß! ^--^
 

@ are: *auch baff bin* Hätte nie gedacht, dass dieser Streit so ankommt. Aber hat mir Spaß gemacht es zu schreiben. ^^

Die Wiederholungen waren Absicht. Immerhin streiten die sich, da achtet man nicht so auf seine Wortwahl.

Das mit Kevin stimmt. Irgendwie. Ich werde noch mal alles überarbeiten (Hab ich ja schon geschrieben. *nach oben deut*) und das berücksichtigen, danke für den Tipp. Übrigens ist das gar nicht so unlogisch. Immerhin hat Kevin ein Amulett. Das macht ihn ja automatisch zu einem Verbündeten. Logisch, ne?

Bitte, bitte.
 

@ X66: Also, Kai streitet sich nicht noch mal auf diese Weise, aber- wer sagt, dass er nicht noch mal ausflippt. *auf das aktuelle Kapitel zeig* Schau nur unten nach. ^^

Auf die Metapher bin ich auch besonders stolz. ^---^ Es freut mich richtig, dass sie jemand bemerkt hat.

Pairing YuKa ist richtig.
 

**
 

~~~~~~~
 

Treffen
 

"Pass auf, Rei. Das macht man so." Gespannt sah der Angesprochene zu, wie Hitoshi ,Sturmvogel' Kinomiya zwei kleine, technische Bauteile zusammenfügte. Mit ein paar Handgriffen zwirbelte er die losen Enden von einigen Drähten zusammen.

"Und was bringt das?", wollte Rei wissen. In Canih gab es keine technischen Dinge und er war von Anfang an fasziniert davon gewesen. Sie waren praktisch und machten vieles einfacher, auch wenn Rei wusste, dass es sie in Canih noch lange nicht geben würde. Außerdem benötigte man eine bestimmte Art von Energie dafür, die es in seiner Heimatinsel nicht gab.

"Pass auf.", Hiro verband noch ein drittes Teil mit den anderen beiden und stand auf. Kurz verschwand er zwischen den Regalen und als er wiederkam, trug er zwei Dinge mit sich. Einer war ein matt schimmernder Stein. Rei wusste, dass es ein magischer Energiestein war, den man an Stelle von anderen, mehr oder weniger natürlichen Energielieferanten verwenden konnte. Das andere war ein weiteres Gerät, eine Lampe.

Hiro legte Lampe und Stein ab und verzwirbelte einige freie Kabel des ursprünglichen Apparates mit den freien der Lampe. "Schau. Sie ist so gut wie funktionstüchtig. Das einzige, was noch fehlt, ist Energie."

Hiro nahm die letzten beiden freien Kabelenden und steckte sie einfach in dafür vorgesehene Löcher im Stein. Sofort leuchtete die Lampe hell auf und verbreitete ein grelles Licht, das beinahe schmerzhaft in Reis Augen brannte. Er wandte den Blick ab.
 

"Und das ist alles?", fragte Rei wissbegierig. Hiro nickte.

"Ja. Im Grunde schon. Natürlich ist es in Wirklichkeit viel komplizierter als es aussieht. Wenn man zum Beispiel die falschen Kabel zusammenführt und dann Strom einschaltet, kann es sein, dass alles explodiert. Natürlich ist es in den meisten Fällen nicht halb so gefährlich, aber kostspielig wird es so oder so. Ein durchgeschmortes Kabel kann reichen."

"Ach so.", meinte Rei und beschloss, es lieber nicht selbst auszuprobieren. Einfacher und praktischer war schön und gut, aber um einen solchen Preis? So faszinierend es auch war, er überließ das besser denen, die sich damit auskannten so wie Hiro - und zu Reis Erstaunen - auch Max. Der Blonde hockte in Sturmvogels Sitzecke und war in ein Buch über eben dieses Thema vertieft.

"Kennst du Kai schon lange?", wollte der Zhaon'El plötzlich von Hiro wissen. Dieser sah erstaunt auf. Einen Moment blickte er Rei schweigend an, dann wandte er sich wieder der brennenden Lampe zu, um den Energiestein wieder zu entfernen. Stück für Stück baute er sie wieder auseinander und legte die Einzelteile sorgsam auf den Tisch.

Rei wusste natürlich, dass Hiro wusste, dass es sich hier um mehr als um eine harmlose Frage handelte. Er dachte schon, Sturmvogel würde gar nicht mehr antworten, als der Blauhaarige begann: "Nun. Eigentlich schon. Du weißt sicher, dass unser Feuerrabe erst seit drei Jahren eine so heiße Nummer ist? Davor war er vollkommen unbekannt."
 

Rei nickte. Das hatte er schon von Takao und Max gehört. "Jedenfalls hat er sich nicht langsam hochgearbeitet wie die meisten anderen - Himmelskönig zum Beispiel - sondern war einfach da."

Rei nickte wieder. Himmelskönig - war das nicht dieser Michael Scott, von dem Max' und Takao gesprochen hatten? Der, der nach Teshnan aufgebrochen war, um sich dort wegen dem Dieb umzuhören?

"Kurz bevor sich Kai den Namen Feuerrabe in der Schlacht von Bel Hélen machte, war er bei mir und hat sich ausgerüstet." Einen Moment schwieg Hiro. "Er hat mir einige interessante Dinge zum Tausch gebracht. Ich hab ihn dann an Varaconn verwiesen, weil er ein richtiges Pferd wollte, keinen Esel, den er damals dabeigehabt hatte. Er hat mir damals erklärt, er wolle bei der Schlacht mitkämpfen und wollte dementsprechend gut ausgerüstet sein. Die haben damals jeden genommen. Ich dachte nicht, dass er die Sache überleben würde."

Man hatte sogar in Canih von der fürchterlichen Schlacht bei Bel Hélen gehört, bei der Magier und Hatesit gegeneinander gekämpft hatten. Es sollte ein fürchterliches Gemetzel gewesen sein. Damals war auch der Name ,Feuerrabe' gefallen, erinnerte sich Rei jetzt.

"Der Kerl war erst vierzehn.", meinte Hiro und grinste von einem Ohr zum andern. "Vierzehn Jahre und einer der ,Helden von Bel Hélen'. Kannst du dir das vorstellen?"
 

Rei schüttelte den Kopf. Nein, konnte er wahrlich nicht. Aber es hatte noch mehr so junge ,Helden' gegeben. Die Hatesit waren zahlenmäßig viel höher angetreten, als man es sich hatte vorstellen können und auch besser organisiert.

Man hatte den Magiern den Sieg dieser Schlacht schon zugesprochen, aber dann war Syrillion aktiv geworden. Syrillion - die einzige Insel, die wirklich von Hatesit beherrscht wurde. Die McGregors hatten dort ihren Stammsitz, schon seit vor der Katastrophe, hieß es. Und sie waren von Beginn an Hatesit gewesen. Kaum ein McGregor, der keine Teshita schloss, kaum einer, der kein Tisetah hatte.

Natürlich war es keine Garantie, für ein Bündnis, dass die Eltern - oder zumindest ein Elternteil - Hatesit waren, aber da die Ursache dafür in den Genen lag, war es sehr wahrscheinlich. Bei der McGregor-Sippe allerdings war das extrem ausgeprägt.

Die McGregors hatten die Leitung der vorher kopflosen Hatesit übernommen und das ohne Widerspruch zu ernten. Schnell und im Verborgenen hatten sie die Bündniskrieger geordnet und aufgestellt; aus dem führerlosen, kunterbunten Haufen streitsüchtiger Einzelkämpfer war eine Armee geworden.

Kai war nicht der Einzige, dem es gelungen war, sich in dieser Schlacht einen Namen zu machen. Auch Andere waren auf einen Schlag bekannter. Zu ihnen gehörten Himmelskönig, von dem Rei ja schon mehr gehört hatte, Goldstreif, die eine Hatesit mit einer geflügelten Katze als Partner war und aus Canih kam, und ein McGregor, der nicht älter als Kai war. Sein wirklicher Name - sofern Rei sich richtig daran erinnerte - war Jonny, sein Tisetah ein Salamander und seit der Schlacht nannte man ihn den Gladiator von Syrillion oder Syrillions Feuer. Er war einer der wenigen McGregor, die die gefährliche Wüste und ihre Abenteuer der sicheren Heimat vorzogen.

Von allen vieren - Feuerrabe, Himmelskönig, Goldstreif und Syrillions Feuer - und auch den anderen Bel Hélen-Helden hörte man hin und wieder auch in Canih etwas, was nur bei außergewöhnlichen Ereignissen der Fall war.

Unter der Führung der McGregors hatten die Hatesit die Magier, die nicht mit der guten Organisation der Gegner gerechnet und dementsprechend geglaubt hatten, ein leichtes Spiel mit ihnen zu haben, in den Boden gestampft.

Ja, es war ein schreckliches Gemetzel gewesen.

Ja, es hatte viele Tote gegeben.

Aber es waren zum größten Teil Magier gewesen, die das Schlachtfeld nie wieder verlassen hatten. Und die Insel Bel Hélen war seitdem unter der Herrschaft der McGregors "Nun, jedenfalls ist Kai seitdem Feuerrabe. Was vorher war - darüber reder nie und wenn du ihn dir nicht zum Feind machen willst, dann frag lieber nicht."
 

"Ist gut.", murmelte Rei, aber er hatte gar nicht richtig zugehört, sondern war mit den Gedanken bei ihrem ,Gesprächsobjekt'.

Hiro beobachtete ihn scharf. "Warum willst du das wissen? Fasziniert er dich so?"

Rei schwieg. Dann zuckte er mit den Schultern und nickte gleichzeitig. Ja, Kai faszinierte ihn. Aber warum? Das wusste er selbst nicht. Lag es daran, dass Kai seine wirkliche Natur verbarg? An seiner ungekannten Vergangenheit? Seinem geheimnisvollen Tisetah, dessen Gestalt niemand kannte? Oder einfach an seinem Aussehen, das mehr und zugleich weniger verbarg, als es zeigte?

Was auch immer es war, Rei war entschlossen, mehr über Kai herauszufinden. Das noch mehr Personen diesen Gedanken - wenn auch aus anderen Gründen - hegten, wusste er natürlich nicht.
 


 


 

Kai kam erst zwei Tage später zurück. Sein Gesicht war eine Maske wie immer. Während dieser Zeit war Takao hibbeliger als sonst. Was, wenn Kai doch nicht kam, trotz seinem Gepäck, das noch hier in der Halle lag? Er - und auch Kenny und Max - merkte erst, als Kai nicht mehr da war, wie sie vier wirklich zusammengehörten. Er wusste nicht, warum, denn sie reisten ja noch keinen Monat gemeinsam. Aber das Gefühl der Zusammengehörigkeit ließ sich nicht leugnen. Darum machte er sich Sorgen.

Als Kai schließlich zurückkam, war nicht nur Takao erleichtert. Auch Max und Kenny sah man die Erleichterung an. Der Blonde warf Kai sogar vor, was ihm denn einfiele, sie tagelang warten zu lassen? Sie hätten sich doch Sorgen gemacht! Nahm er denn darauf gar keine Rücksicht?

Kai schenkte ihm nur einen undefinierbaren Blick und ließ sich von Hiro und Lee in ihre Pläne einweihen. Sie wollten zusammen los und das ,Diebesnest' in Zhekan ausheben. Dizzy hatte nach den Angaben der Zhaon'El Bilder von Scaramak dem Wolf, von dem Kai bereits gehört hatte, Karmaat, den Kai überhaupt nicht kannte, und Olivier, von dem Kai behauptete, er sei ein LesDemondes, erstellt.

Dieses Magierhaus war sehr alt, sehr bekannt und sehr mächtig. Und außerdem hielten seine Mitglieder zusammen wie Pech und Schwefel. Wenn dem ,Meister', der die Diebesbande anführte, ein LesDemondes folgte, so folgten ihm alle. Also hatten sie ein mächtiges Magierhaus zum Gegner. Was würde sie noch alles erwarten?
 

Lee hatte beschlossen, nicht auf Mao und Gaou zu warten. Die Beiden würden zu Sturmvogel kommen, aber sie hatten nicht die Zeit, abzuwarten. Darum wollten sie ohne die Beiden nach Zhekan gehen. Caras blieb zusammen mit Hiro in der Halle zurück.

Rei hatte auf ein weiteres Problem aufmerksam gemacht: sie mussten auch die Vier Göttlichen und ihre Hatesit finden. Dabei hatten sie jedoch ein Problem, denn Mao trug den Pfeil, der sie führen sollte. Kenny machte den Vorschlag, erst nach Zhekan zu gehen und dann wieder zur Halle zurückzukehren. Immerhin würden Mao und Gaou dann sicher auf sie warten. Sie würden die beiden abholen und sich dann von dem Pfeil führen lassen oder was auch immer sie machen wollten. Damit waren alle einverstanden.

Sie nahmen nur zwei der Pferde mit und ließen alles unnötige Gepäck bei Sturmvogel. Um schnell und effektiv zuschlagen zu können, konnten sie sich nicht mit unnötigem Ballast aufhalten. Die ersten Tage der Reise verliefen ruhig, zu ruhig, wie Kai fand.

Suchte Scaramak nicht nach Lee und Co? Wie er das anfangen wollte, war Kai sowieso schleierhaft. Immerhin war die Wüste riesengroß und die Gesuchten konnten überall sein. Und es gab noch nicht einmal jemanden, den man fragen konnte. Kai hätte in einer solchen Situation Orte abgeklappert, die oft von Hatesit besucht wurden.

Sturmvogels Halle war einer davon. Also waren sie in der Nähe von Hiros Heim noch gefährdet. Vor allem, da sie Scaramak ja entgegen laufen würden, würde er tatsächlich zu Sturmvogel gehen.
 

"Wie lange brauchen wir noch bis Zhekan?", nörgelte Takao. "Meine Füße fallen bald ab."

"In deiner Geschwindigkeit werden wir noch ein paar Tage benötigen.", stellte Kai kalt fest.

Der Junge warf ihm einen empörten Blick zu und maulte: "Ich bin nun mal kein Übermensch, der ohne Pause in diesem Tempo stundenlang gehen kann!"

Kai rollte mit den Augen. "Ich bin es auch nicht und die anderen alle ebenfalls nicht, aber wer beklagt sich? Du! Und du bist der einzige hier."

"Na und? Die haben nur kein Bock, von dir angeschnauzt zu werden. Ich dagegen..."

"...du kannst das ertragen, wie?"

"Ganz genau. Und ich werde nicht still sein."

Das ging noch eine Weile so weiter, bis Lee die Hand hob. "Still! Hört ihr das?" Sofort waren alle ruhig und lauschten. Dann schüttelte Kai den Kopf. Das hatte jedoch nichts zu bedeuten. Zhaon'El hatten ein viel feineres Gehör als andere Leute.

"Nein.", meinte Max und wollte wissen: "Was denn?"

"Kampflärm.", sagte Rei und Kevin erklärte: "Ich höre es auch." Er deutete auf einen steilen Hügel in der Nähe.

"Hin!", rief Takao sofort und setzte sich in Bewegung. Die Anderen folgten ihm. Kai seufzte und verdrehte die Augen. Mussten die sich immer in Dinge einmischen, die sie nichts angingen?
 

Wenn er bei jedem Kampf mitgemischt hätte, auf den er getroffen war, wäre er jetzt sicher tot. Außerdem hatten die keine Ahnung, wer bei einem Streit Recht hatte und wem geholfen werden sollte. Die wussten doch gar nicht, um was es ging!

Trotzdem folgte er ihnen rasch. Vielleicht stellten sie sonst doch noch ein paar Dummheiten an. Er ruckte kurz an Funkensterns Zügeln, so dass sie bei ihm bleiben würde, und lief los. Nur kurz nach den Anderen erreichte er den Hügelkamm und konnte sie Szene im Tal beobachten.

Anscheinend kämpften einige - viele - Krieger gegen Hatesit, die sich nicht scheuten, ihre Kräfte zu gebrauchen. Ein tosender Wind heulte durch das Tal und der Boden war stellenweise mit Eis bedeckt. Hoch über ihnen kreiste ein riesiges Falkentisetah. Trotzdem schienen die Hatesit den Kampf zu verlieren. Augenscheinlich kannten die Krieger - Kämpfer und Magier gleichermaßen - die Kräfte ihrer Gegner ganz genau und dementsprechend auch die Art, wie ihnen beizukommen war.

Rasch suchte Kai nach den Hatesit und entdeckte sie beinahe sofort. Drei von ihnen standen die Rücken an Rücken. Zu einem gehörte anscheinend der Falke am Himmel, der Zweite war ein Riese und schwang eine wuchtige Axt mit zwei Klingenblättern wie nichts und der Dritte war kaum größer als Kevin, wenn er auch älter war.

Der Vierte war Meter von ihnen entfernt und seine Waffen waren ein Schwert und das Eis. Er war gefährlicher als die Anderen, kämpfte aber auf verlorenem Posten, denn seine Gegner waren zu viele und zu stark. Sein Anblick ließ Kai den Atem stocken. //Verdammt!//
 

Kai kannte ihn. Aber er durfte, konnte doch nicht hier sein! Das war unmöglich. UNMÖGLICH. Geschockt starrte er auf die schlanke, muskulöse Gestalt, das rote Haar, das blasse Gesicht mit den stechenden, eisblauen Augen, die einen zu weisen, zu kalten Blick für das junge Gesicht hatten, schon immer gehabt hatten.

Kai konnte sie zwar nicht sehen, aber er erinnerte sich jedoch ganz genau an sie. Nichts war ihm so sehr im Gedächtnis haften geblieben wie eben diese Augen.

"Was ist, Kai?", wollte Max neben ihm wissen, als er den geschockten Gesichtsausdruck des Angesprochenen registrierte.

Doch dieser reagierte nicht einmal, sondern flüsterte: "Yuriy..."

"Was? Du kennst sie?"

Kai antwortete wieder nicht, sondern lief plötzlich los. Noch im Rennen riss er seine Schwerter aus den Scheiden und ließ eine Gruppe verwirrter Hatesit zurück. So kannten sie ihn gar nicht! Er war viel zu überstürzt losgelaufen, zu unüberlegt und schnell. Das nächste Ereignis staunte sie noch mehr, als über Kai ein riesiger, goldener Schatten erschien, der sich rasch zu einem roten Vogel manifestierte. Dranzer! Das war Dranzer!

Kai wusste nicht mehr, was er tat, er handelte nur noch, dachte nicht mehr. Aus Instinkt rief er seine schöne Bündnispartnerin. All seine Sinne waren auf den großen Rothaarigen mit dem langen Schwert gerichtet, das mit beiden Händen geführt wie ein silberner Blitz durch die Reihen der Krieger fuhr und blutgetränkt war. Und trotzdem drohte sein Besitzer zu fallen.
 

Er war das einzig Wichtige für Kai. Der Mittelpunkt. Er durfte nicht sterben. Nicht jetzt, nicht hier und schon gar nicht, wenn Kai es verhindern konnte.

Dranzer schrie und lenkte damit die Aufmerksamkeit der Kämpfenden auf sich. Ein erstaunter Ausruf löste sich aus mehreren Kehlen, dann trafen Kai und Dranzer mit einer Wucht, all ihrer Macht und Stärke, auf die sich ihnen zuwendenden Krieger, dass diese förmlich zurückgeschleudert wurden.

Feuer flammte auf. Dranzer schrie. Kai war wie im Rausch, schlug eine blutige Schneise in die Richtung des Rothaarigen, noch ehe seine Freunde den Hügel herunter waren. Dranzer hüllte ihn in schützende Flammen und sie und Kai waren eine Einheit.

Als der Hatesit getroffen wurde, taumelte Dranzer und sank herab. Ihre mächtigen Schwingen schufen einen enormen Sog, der Kai für einen Moment Platz schaffte. Der Hatesit keuchte und hob dann wieder seine beiden Schwerter, von denen Blut auf den bereits roten Boden troff.

Seine Augen funkelten wild und zornig und sein feuriger Blick ließ die Gegner zurückweichen. Das Geschrei und Gebrüll, die lauten Flüche und Schmerzensschreie drangen wie durch Watte und von weit entfernt an seine Ohren. Die Zeit schien sich verlangsam zu haben. Die Kämpfenden bewegten sich irgendwie ruckartig und schienen wie hinter einem grauen Vorhang. Auch Kais Gefährten, die den Hügel herunterstürmten, schienen wie in Zeitlupe zu laufen und waren grau und schwarz. Nur Kai selbst, Dranzer und der Rothaarige waren in Farbe.
 

Dranzer landete hinter ihm und ihre Schwingen wirbelten Staub auf. Sie schrie und ließ Flammen um sie tanzen. Kai griff wieder an, gönnte sich keine Pause. Noch war der Rothaarige nicht in Sicherheit, war noch immer von Kriegern und Magiern umringt.

Hinter sich hörte Kai lautes Gebrüll von Raubkatzen und Dragoons Toben. Sturm fegte durch das Tal, es wurde deutlich dunkler und hin und wieder zuckte das Licht eines Blitzes auf. Kais Sinne waren noch immer auf den Rothaarigen fixiert. Warum rief er nicht Wolborg? Warum nutzte er nicht mehr seine Kräfte?

Kai hörte, wie Yuriy schrie und sah, wie er sein Schwert hob. Die lange Klinge mit den komplizierten, magischen Symbolen glitzerte im Sonnenlicht, als sie wieder nach unten fuhr, nach links und rechts zuckte und Blut trank. Kai tat es dem Rothaarigen nach, ließ die beiden Schwerter in seinen Händen tanzen und blieb gleichzeitig mit Dranzer in Kontakt.

Das Phönixweibchen flog wieder auf, fegte dabei Menschen davon und entfachte ihr Feuer neu. Dann hatte Kai Yuriy erreicht. Hastig wichen die Männer um ihn vor ihnen zurück. Warum waren sie nicht schon längst geflohen? Kai konnte schnell sehen, warum: sie waren eingekreist.
 

Seine Gefährten waren nicht untätig geblieben, nachdem er sich wie ein Verrückter mitten ins Schlachtengetümmel geworfen hatte. Yuriy sah ihn kurz an und grinste verwirrt. Er schien nicht zu wissen, wie er auf Kais plötzliches Auftauchen reagieren sollte. Aber zum Nachdenken blieb keine Zeit. Noch waren sie nicht in Sicherheit, auch wenn die Gegner zum Tode verdammt waren.

Galeon war es, der den letzten fällte, mit einem mächtigen Tatzenschlag schmetterte er den Mann zu Boden. Das bedauernswerte Opfer rührte sich nicht mehr. Erschöpft hielt Kai inne. Er stand Rücken an Rücken mit Yuriy und wurde sich jetzt langsam der Situation bewusst, in der er sich jetzt befand.

Der Rothaarige stand hinter ihm. Fünf Jahre war es her, seit er ihn das letzte Mal gesehen hatte. Fünf verdammte, lange Jahre! Weil er es nicht geschafft hatte, Yuriy zu finden, ihn mitzunehmen.

Wie würde Yuriy reagieren? War er ihm böse?

Zögerlich wischte Kai seine Schwerter an einem Stofffetzen ab und schob sie in die Scheiden zurück.

//Wie auch immer Yuriy reagieren wird,//, dachte Kai plötzlich und fühlte Wärme in sich aufsteigen. Wärme, die er Jahre gemisst hatte. //ich bin glücklich, ihn wieder sehen zu können!//

Kai versuchte nicht einmal, das Strahlen in seinen Augen und das Lächeln auf seinen Lippen zu verbergen, als er sich zu Yuriy umdrehte, der ungerührt hinter ihm stand, die lange Klinge noch immer in der Hand, und ihn ansah.
 

Die durchdringenden, hellblauen Augen waren eiskalt und sein Gesicht verriet seine Gedanken nicht. Als er in Kais Gesicht sah und seinen Blick begegnete, blitzte etwas tief im Inneren seiner Augen auf und seine Lippen verzogen sich zu seinem schmalen Lächeln.

"Yuriy!" Kai sprang auf seinen alten Freund zu und schloss ihn in die Arme. Kai spürte beinahe Yuriys Knochen knacken, so fest zog er den Rothaarigen an sich. Es tat gut, wieder Yuriys Körper zu spüren, seinen Duft zu riechen. Nichts hatte sich verändert.

Für einen Moment waren sie wieder Kinder, waren nie getrennt gewesen. Zögerlich - wie er es immer gemacht hatte - erwiderte Yuriy die Umarmung. "Yuriy.", flüsterte Kai, so dass ihn nur der Angesprochene hören konnte, den ein Schauer durchfuhr. "Yuriy. Ich hab dich so vermisst. Tut mir Leid." Yuriy antwortete nicht darauf, sondern presste ihn nur noch näher an sich. Kai war glücklich. Yuriy war immer die Person gewesen, die ihm am wichtigsten war, war so wichtig wie Dranzer.

Er wusste nicht, wie lange er Yuriy umarmte, aber irgendwann, löste sich dieser von ihm und schob ihn von sich. "He, Kai.", sagte er und seine Stimme klang wie immer, kühl, emotionslos. Aber Kai konnte einen schwachen Unterton heraushören, der das genaue Gegenteil war. Wie schaffte es Yuriy bloß immer, seine Gefühle so zum Ausdruck zu bringen? Kai hatte ihn immer darum beneidet.

"Kai, wer sind die?", wollte Takao neugierig wissen. Kai drehte sich um und wollte etwas sagen, doch Yuriy kam ihm zuvor. Seine Stimme klang jetzt noch kälter. ",Die' sind alte Bekannte von Kai."
 

Takao starrte ihn wütend an und wollte etwas sagen, doch Kai hob die Hand. "Keinen Streit, Takao, ja?" Der Jüngere sah ihn kurz an und nickte. "Danke. Also, das sind alte Freunde von mir. Yuriy, Bryan, Sergej und Ivan. Ich hab sie schon lange nicht mehr gesehen, also lasst mich kurz mit ihnen allein reden."

Nacheinander deutete er auf die vier jungen Männer, die kaum älter als er selber waren. Eigentlich waren sie noch Jungen, nicht erwachsener als sie selbst.

Yuriy war der Rothaarige mit den kalten, blauen Augen, in dessen Gesicht zwei markante Strähnen fielen. Seine Haare hingen ihm bis auf die Schultern. Er war einen ganzen Kopf größer als Kai, genauso wie Bryan, und nicht so schmal, sondern man konnte unter seiner einfachen, abgewetzten Kleidung deutlich die Muskeln sehen. Aber das war bei den anderen Drei nicht anders.

Bryan stand einige Meter von ihnen entfernt, sein kurzes, glattes Haar hatte einen violetten Schimmer und seine grauen Augen verrieten keinerlei Emotionen. Seine Kleidung bestand zum größten Teil aus Fell und Leder, an seinem Gürtel waren mehrere Dolche befestigt, ebenso wie an seiner Weste, an dem Schwertgurt, der sich quer über die Brust zog, seinen Stiefeln und seinem rechten Oberschenkel. Bestand der Kerl eigentlich nur aus Waffen? Sein klares Gesicht dagegen war ausdruckslos. Gerade schob er sein langes Schwert in die Scheide zurück und kümmerte sich keinen Deut um Kai oder dessen Gefährten.
 

Sergej war der blonde Riese. Auch seine Kleidung war nicht besonders neu, aber genauso praktisch und widerstandsfähig gehalten wie die der anderen drei. Aus seinem Stiefel ragte der Griff eines Messers und an seinem Gürtel trug er einen Dolch, der fast als Kurzschwert durchgehen konnte. Bryan, der neben ihm stand, überragte er um mindestens einen Kopf und er trug die riesige Axt, mit der er vorhin gekämpft hatte, mittlerweile auf dem Rücken.

Ivan dagegen war kleiner als alle, kaum größer als Kevin, obwohl er älter als dieser zu sein schien. Sein schwarzes, mindestens schulterlanges Haar hatte er zu einem kleinen Zopf zusammengefasst, so dass ihm einige Strähnen ins Gesicht fielen, weil das Band sie nicht halten konnte. Auf dem Rücken - das schien bei ihnen irgendwie Mode zu sein - trug er ein Schwert; kein Langschwert wie Bryan und Yuriy, aber das schien für ihn trotzdem wie ein Langschwert zu sein. Auch er trug mehrere Dolche und Messer, allerdings waren sie recht klein und eher zum Werfen gedacht.
 

Kais Freunde nickten auf seine Bitte und entfernten sich ein Stück, so dass sie außer Hörweite. Der Rotäugige drehte sich wieder um. Sein Gesicht war wieder eine Maske, verriet nicht seine Gefühle wie vorhin. Er musterte einen nach dem anderen und sie starrten ebenso zurück.

"Wie seid ihr rausgekommen?", wollte er schließlich wissen.

Yuriy zuckte die Schultern. "War leichter als gedacht. Aber dann haben sie sich an unsere Fersen geheftet und wollten einfach nicht aufgeben." Er nickte mit dem Kopf auf die Leichen, die um sie herum verstreut waren. "Nun, wir haben einige Katakomben gefunden, durch Zufall. Sie haben uns ein ganzes Stück weg von der Abtei gebracht, aber nicht weit genug. Die haben uns ja noch entdeckt."

Ivan lächelte Kai an. "Wir haben einige anstrengende Tage hinter uns."

"Ich verstehe. Wie viele?"

"Sechs."

"In sechs Tagen von der Abtei bis hierher? Das ist unmöglich."

"Nein, merkst du doch.", schnappte Bryan, doch ein kühler Blick von Yuriy brachte ihn zum Schweigen. Kai lächelte. Daran hatte sich nichts geändert. Sie alle hatten sich nicht geändert. Okay, in den letzten fünf Jahren waren sie größer geworden und erwachsen, aber eine große Änderung war nicht eingetreten. "Ihr...habt euch gar nicht verändert.", sprach Kai leise seine Gedanken aus.

"Das liegt daran, dass sich die Abtei nicht geändert hat.", erklärte Sergej leise. "Aber du...du bist anders."

"Wie?"

Yuriy nickte. "Das stimmt, Kai. Du bist...anders geworden." Dann lächelte er, eine Geste, die man bei ihm selten zu sehen bekommt. "Ich freue mich auch, dich zu sehen, Kai Hiwatari."
 

Verwirrt starrte der Angesprochene ihn an. So hatte Yuriy sich noch nie verhalten. "Warum...warum seid ihr hier?", fragte er darum. Er wollte nicht, dass sie merkten, wie weit durch den Wind er war.

"Weißt du das nicht? Wir sind einfach abgehauen."

"Und warum? Ich meine, die Abtei..."

"...hat uns alles geboten, was wir wollten, ganz recht.", maulte Bryan und sah Yuriy dabei feindselig an. "Aber der Kerl wollte unbedingt raus und jemandem etwas sagen. Hat gemeint, das wärest du. Tsss."

"Hast du was dagegen? Du hättest ja nicht mitkommen müssen! Idiot!"

"Selber Idiot! Aber du hast uns ja mitgeschleift! Wie hätte ich ,Nein' sagen können? Du hättest mich doch umgebracht, du Trottel!"

Yuriys Augen verengten sich zu Schlitzen und mit einem Satz war er bei Bryan. Er hielt sein Schwert noch immer in der Hand. "Was hast du gesagt?" Bryan wich zurück. Also war Yuriy noch immer der Stärkste.

"Also ich bin ganz froh darüber, dass Yuriy uns eingeweiht hat.", lenkte Ivan die beiden ab. Sergej nickte zustimmend.

"Ganz genau. Ich bin froh, die Abtei endlich hinter mir zu haben. Auch wenn ich nicht weiß, was ich hier draußen anfangen soll."

"Na und?", schnauzte Bryan, ließ Yuriys Schwert aber nicht aus den Augen. "Vielleicht gilt das selbe nicht für mich!"

"Du hättest halt..."

"Hört auf zu streiten.", fuhr Kai scharf dazwischen. "Das ist nicht notwendig. Ihr könnt sowieso nichts mehr ändern." Die beiden Streitenden sahen ihn. "Yuriy, steckt das Schwert weg. Ich denke nicht, dass du es noch benötigen wirst."
 

Einen Moment starrte Yuriy den Rotäugigen an, dann warf er Bryan einen kurzen Blick zu. "Tzz." Er schob das Schwert in die Scheide zurück. "Du solltest trotzdem nicht zu laut werden, Bryan. Sonst kannst du was erleben!" Der Angesprochene war klug genug, die Sache auf sich beruhen zu lassen und nichts darauf zu antworten.

"Warum wolltet ihr mich suchen? Ich meine, da in der Abtei bekommt man doch nichts von hier draußen mit. Und so bekannt ist der Name Hiwatari sowieso nicht."

"Aber du schon?", fragte Sergej interessiert und Kai nickte.

"Ich hab doch gesagt, dass er es ist.", triumphierte Yuriy.

"Er könnte doch auch einen ganz anderen Namen tragen!", fauchte Bryan. "Hast du ihn gefragt?"

"Ich sage dir, ich habe recht!"

"Tzz. Als ob Kai sich jemals einen lächerlichen Namen wie ,Feuerrabe' zulegen würde. Bist du noch richtig im Hirn? Ich glaube, das letzte Experiment hat dir da oben was durcheinander gewirbelt!"

"Ach ja? Ich sage dir, du sollst nicht laut werden! Hast du vergessen, wer ich bin?"

"Nein, keinen Augenblick. Ich bin doch nicht blöd!"
 

Kai wandte sich Ivan und Sergej zu, die schweigend danebenstanden und es vorzogen sich nicht einzumischen. "Und? Darum seid ihr abgehauen? Ich kann das nicht so recht glauben."

Ivan zuckte die Schultern. "Yuriy hat irgendein Gespräch zwischen Voltaire, Boris und dem Großen belauscht. Genaues hat er uns nicht erzählt, jedenfalls haben wir sein Geplapper nicht richtig verstanden, glaube ich." Er zuckte mit den Schultern. "Und? Bist du dieser Feuerrabe?"

Kai nickte. "Nicht, dass ich mir den Namen ausgesucht hätte. Aber jeder bekanntere Krieger oder Magier oder Was-auch-immer bekommt einen solchen Namen verpasst. Haben alle eine Bedeutung."

"Ach so. Nun ja."

"Wir sollten sie auseinander halten, sonst bringen sie sich noch um.", schaltete sich Sergej ein und nickte mit dem Kinn zu Yuriy und Bryan. Yuriy hatte inzwischen seine Hand an einem Dolch, Bryan stand mit überkreuzten Armen vor ihm. "Wie habt ihr in den letzten Tagen geschafft, die davon abzuhalten, sich umzubringen?"

"Sie hatten genug damit zu tun, unsere Verfolger zu metzeln."

"Ach so. He, Yuriy, jetzt beruhig dich. Du hast ja recht."

"Sag ich doch!", triumphierte der Angesprochene und Bryan sah zweifelnd von ihm zu Kai. "Wirklich? Hätte ich nicht von dir gedacht."

"Ich habe nicht um diesen Namen gebeten, okay? Und jetzt sag mal, was der Alte erzählt hat." Wen Kai mit ,der Alte' meinte, war allen klar, auch wenn nur der Rotäugige ihn so nannte.

"Voltaire hat von einem Dieb erzählt, der die Amulette stiehlt.", sagte Yuriy und griff nach seinem eigenen. Kai nickte. Das stimmte so weit. Aber man hatte in der Abtei tatsächlich von dem Dieb gehört? Anscheinend kümmerte sich Voltaire doch mehr um die Welt außerhalb der Insel als Kai geglaubt hatte.
 

"Er erzählte weiter, Feuerrabe, hinter dem er dich vermutet, sei hinter dem Dieb her." Kai nickte wiederum. Sein Großvater war ihm näher auf den Fersen, als ihm lieb war. Vielleicht sollte er wieder untertauchen. Aber erst, wenn diese Sache vorbei war.

"Er hat noch ein paar mehr Dinge herausgefunden. Erinnerst du dich an Jacques Bourelet?"

Ein kaum wahrnehmbares Weiten der Pupillen war Kais erste Reaktion. Dann nickte er zögerlich. Wie könnte er Jacques auch vergessen? Er hatte sich ebenso in sein Gehirn eingebrannt wie Boris, Voltaire und...Black Dranzer. Sie alle hingen zusammen und waren untrennbar miteinander verflochten.

"Sehr schön." Bryan grinste fies. "Der Trottel da" - er deutete mit dem Kopf auf Yuriy - "meint, Jacques gehöre zu der Diebesbande."

"Was? Aber ich dachte, Jacques..."

"Der hat kurz nach deiner Flucht ebenfalls die Beine in die Hand genommen und ward in der Abtei nie wieder gesehen.", spöttelte Yuriy. "Seine Ziele waren ein bisschen zu ehrgeizig und hochgesteckt."

Kai schnaubte unwillig. "Ich weiß, was er vorhatte. Er hat oft genug davon gesprochen."

"Nun ja, wie auch immer. Ich wollte dich warnen." Kai antwortete nicht.

"Und darum sind wie hier.", erklärte Ivan. Kai schwieg weiterhin. Seine Gedanken wirbelten hinter seiner Stirn durcheinander. Wenn er Yuriy und Bryan recht verstanden hatte, war nicht nur Voltaire hinter Feuerrabe her, weil er hinter diesem Namen seinen Enkel vermutete, sondern es wusste auch noch jeder, dass ebendieser Feuerrabe die Amulettdiebe jagte? Von wem stammte denn dieses Gerücht? Beziehungsweise diese Wahrheit, denn es stimmte ja. Und um allem entgültig die Krone aufzusetzen, gehörte auch noch Jacques Bourelet - ebendieser Jacques, der bei Projekt Kai die führende Rolle gehabt hatte - zur Diebesbande. Wie war das alles zu verstehen?
 

"Kai, sag, wer sind denn die?", riss Yuriys Stimme ihn aus den Gedanken. Mit dem Daumen deutete er lässig über die Schulter zu Kais Gefährten. Der Rotäugige warf einen Blick zu ihnen hinüber. Einen Moment zögerte, bevor er bewusst die Antwort gab: "Meine Freunde." Er achtete nicht auf das erstaunte Hochziehen der Augebrauen der Anderen. "Sie sind auch auf der Jagd nach dem Dieb."

"Freunde?", wiederholte Sergej.

"Ja." Ein einfaches Wort, ganz einfach ausgesprochen - und doch bedeutete es so viel. Für Kai alles, zumindest im Moment. Und im selben Moment, in dem er es sagte, wusste er, dass es stimmte. Die Jugendlichen dort hinten, von den beiden Jüngsten - Kenny und Kevin - bis hin zu dem Ältesten - Lee - stimmte es, auch wenn er zumindest die Zhaon'El kaum kannte und sie ihn nicht, auch wenn Takao, Kenny und Max ihn kaum seit zwei Dutzend Tagen begleiteten, es stimmte, war nichts als die Wahrheit.

"Wie lange kennst du die schon?"

Kai hätte beinahe gegrinst. "Etwa drei Wochen."

"Du hast dich mehr geändert, als ich dachte.", sagte Yuriy und Kai konnte den Tonfall in seiner Stimme nicht deuten. War das etwa Eifersucht? Neid? Aber das konnte doch nicht sein! Yuriy würde nie solche Gefühle haben.

"Das ist hier in der Wüste unumgänglich. Außerdem ist in den letzten Tagen mehr passiert als in der gesamten Zeit in der Abtei."

"Und wissen sie davon?"
 

Verwirrt sah Kai in die blauen Augen seines Gegenübers. Er verstand nicht, was Yuriy von ihm wollte. "Von was?"

"Von der Abtei, von was sonst?"

"Nein."

"Und sie sind Freunde?"

"Ja. Ganz genau. Aber sie wissen trotzdem nichts davon. Und das sollte so lange so bleiben, bis ich es ändere. Habt ihr verstanden?"

"Klar.", antwortete Sergej.

"Ist uns auch lieber so.", fügte Ivan hinzu. Bryan stieß dagegen nur ein verächtliches Schnauben aus; das war anscheinend nicht seine Meinung. Was Yuriy darüber dachte, konnte Kai nicht erkennen.

"Kommt. Ich stell sie euch vor. Und lasst die Hände von den Waffen. Für einen Kampf ist das nicht der richtige Zeitpunkt." Nachdem Kai die beiden Gruppen miteinander bekannt gemacht hatte, erklärte er rasch, was Yuriy über Jacques gesagt hatte.

"Ist der Kerl gefährlich?", wollte Lee wissen.

"Ja. Sehr."

"Der ist ein Wissenschaftler?" Kai nickte.

"Hm."

"Wir haben uns vorhin schon Gedanken gemacht, was wir jetzt tun sollen.", meinte Takao. "Wenn deine Freunde helfen, sind wir jetzt viel mehr als am Anfang und können..."

"Wer hat gesagt, dass wir helfen?", wollte Bryan ungehalten wissen. Alle starrten ihn an.
 

"Wir helfen.", meinte Yuriy nur gelangweilt. "Wir haben sowieso nichts besseres zu tun. Oder hast du einen Vorschlag? Du kannst ja zurückgehen."

"Und mich killen lassen? Bin ich blöd?"

"Das Gefühl habe ich manchmal."

"Ich könnte dir das gleiche sagen."

"Könntet ihr bitte aufhören zu streiten?", fuhr Kai dazwischen und wandte sich wieder an Takao. "Was nun?"

"Wir dachten, wir können uns in zwei Gruppen trennen. Eine geht nach Zhekan und führt unseren ursprünglichen Plan durch, die andere nach Savandon oder so."

"Savandon ist die Stadt, die am nächsten liegt.", erklärte Rei. "Deshalb."

Kai nickte. Das war ein guter Plan. Vor allem weil sie dann Bryan und Yuriy trennen konnten. Die beiden würden sich sonst noch irgendwann an die Gurgel gehen. Wie hatten die in der Abtei es nur geschafft, die beiden auseinander zu halten?

Takao warf einen unsicheren Blick auf Bryan und Yuriy und zog Kai beiseite. Er hielt seine Stimme so gesenkt, dass die anderen ihn nicht hören konnten. "Das sind wirklich deine Freunde?"

Kai nickte. "Mehr oder weniger."

"Was soll das bedeuten?"

"Hn."

"Schön, wieder den Schweigsamen spielen."

"Mach dir nichts draus. Die beiden konnten sich noch nie leiden."

"Kai. Die sehen aus, als würden sie sich umbringen, wenn sie könnten."

"Hn."

"Kai. Ich meine das ernst. Die dürfen unsere Aufgabe nicht gefährden."

"Was hast du? Wir trennen sie."

"Du machst dir keine Sorgen?"

"Hn." Doch, Kai machte sich Sorgen. Ob es wirklich eine gute Idee war, Yuriy, Bryan, Ivan und Sergej mit auf die Jagd zu nehmen? Takao hatte schon recht. Sie konnten alles gefährden. Aber andererseits waren die vier bessere Kämpfer als alle anderen zusammen. Vielleicht würde Lee oder Rei sie ihm Zweikampf besiegen können, aber die Vier aus der Abtei konnten töten, was noch wichtiger war als Kampftechnik. Vor allem Bryan und Yuriy würden ihre Gegner ohne zu Zögern umbringen. Sie würden ja noch nicht mal voreinander halt machen, wenn der alte Drill der Abtei nicht noch so in den Knochen sitzen würde, wie er es nun mal tat.
 

"Also schön. Es ist deine Entscheidung.", meinte Takao zweifelnd.

Kai nickte und ging wieder zu den anderen zurück. "Wer geht wohin?", wollte Rei sofort wissen und ersparte Kai somit nervige Fragen, was Takao ihm denn so Geheimes zu sagen hatte, dass niemand etwas erfahren sollte.

"Ich würde vorschlagen, Lee geht mit Rei und Kevin nach Zhekan.", meinte Kenny. "Sie nehmen noch zwei von euch mit." Er sah Yuriy an. "Und Kai führt den Rest nach Savandon. Dort werden wir uns etwas umhören."

"Warum so rum?", fragte Kevin.

"Weil Lee und Rei die Feinde in Zhekan kennen, wir nicht. So wie ich diese Diebe einschätzen, sind sie an bestimmten Plätzen stationiert, so dass sie ihre Aufenthaltsorte nicht ändern. Wer in Savandon ist, wissen wir nicht, aber zwei kennen zumindest die Leute von Zhekan."

"Ach so."

"Ich gehe mit Kai.", bestimmte Yuriy und seine Stimme duldete keinen Widerspruch.

"Das ist ganz egal.", erklärte Lee.

"Nein, ist es nicht.", widersprach Kai, gab aber keine weitere Erklärung für seine Worte ab. Wenn Yuriy Lee begleiten würde, würde es erst einmal einen Kampf um den Posten des Anführers geben, denn Yuriy würde sich nicht so einfach befehlen lassen. Aber da Lee die Stelle zustand und er sie auch besser ausfüllen würde, sollten sie das besser vermeiden, denn Yuriy war eindeutig der Stärkere.
 

Aber es gab noch einen anderen Grund für diese Konstellation: Kai würde Yuriy jetzt nicht mehr so schnell aus den Augen lassen. Er wollte wissen, was nach seiner Flucht aus der Abtei dort noch geschehen war. Und das wollte er weder von Ivan noch von Sergej oder gar von Bryan hören. Yuriy war immer der gewesen, der sein Freund war, nicht die anderen.

"Dann nehmt ihr Bryan und Sergej mit.", sagte er zu Lee, welcher zustimmend nickte. Ihm schien es zwar nicht zu gefallen, dass Bryan gerade mit ihm gehen sollte, aber er sah ein, dass dieser und der Rothaarige getrennt werden sollten. Sonst würde es tatsächlich noch mindestens einen Toten geben.

Kaum eine Stunde später waren sie in unterschiedliche Richtungen wieder unterwegs. Lee führte Windschwester, das Pferd von Takao, dass sie neben Funkenstern als Gepäckpferd mitgenommen hatten, Kai seine eigene schwarze Stute. Der eine wurde begleitet von Rei, Kevin, Sergej und einem miesgelaunten Bryan, der andere von Takao, Max, Kenny, Ivan und Yuriy.
 

~~~~~~
 

Würde mich über Kommis freuen. ^.^

Bye

Silberwölfin

Vorbei?

Titel: Krieger, Magier und Diebe

Teil: 13/24

Autor: Lady Silverwolf

Anime: Beyblade

Warning: OOC

Disclaimer: Die Hauptcharaktere gehören nicht mir und ich verdiene kein Geld mit dieser Fanfic.
 

"..." reden

//...// denken
 

~~~~~~~
 

**
 

@ spellmaster: Was meinst du mit 'anders'? Du hast sicher mitgekriegt, dass ich mich von BB nur ein paar Folgen kenne. Und für eine Analyse von Kais Charakter hat es nicht gereicht. Ich bin immer dankbar, wenn mir jemand sagt, was ich falsch gemacht habe.

Kenn ich, ging mir am Anfang genauso. Inzwischen schreibe ich das, was mir besonders gefallen hat. Oder noch besser, was mir nicht gefallen hat.
 

@ Jazzy: Mal sehen, ob du das nach diesem Kapitel auch noch sagst... ^^''''''
 

@ are: Also, ich würde nicht sagen, dass das hier 'ne YuKa ist, aber auch nicht, dass es keine ist. Es gibt ein paar Andeutungen darauf, besonders in diesem Kapitel.

Das mit den vielen Namen tut mir Leid... Aber ich leide nun mal unter dem Tu-so-viele-Personen-wie-möglich-in-eine-Geschichte-Syndrom... In Feuermond sinds noch mehr. @.@
 

@ Sesshi-Chan: Danke für dein Lob *rot werd* ^----------------------^

Ich mag den Namen auch. Im Übrigen hab ich ewig gebraucht, ehe ich für jeden den Namen hatte. -.-°

Von der Vergangenheit gibts nicht mehr allzuviel, aber lass dich einfach überraschen.

Nicht so schlimm? Okay, dass haben mir alle gesagt, also wird's wohl stimmen.

Yo, ich fands 'ne gute Idee, die dauernd aufeinander losgehen zu lassen. Aber ist doch nicht so oft passiert, wie ich eigentlich wollte. Mal sehen, was ich da noch machen kann...
 

@ Menteni: Stress? Kenn ich, lass dich nicht davon stören.

Yuriy und Kai zusammen? Fragt sich nur, wie lange noch...
 

**
 

Also, dieses Kapitel liegt mir besonders am Herzen. Es ist die Vorbereitung zu meinem absoluten Favo-Kappi(dem 17.) in KMuD. v.v Ich hab mir ganz viel Mühe damit gemacht, vor allem mit dem Mittelteil und dem Ende. *hust* *an das Ende denk* ^^''''

Der Titel passt zwar zum Kappi, aber ich glaube, Schock den Leser! hätte es wohl besser getroffen. -.-
 

Ihr werdet mich zwar dafür umbringen(für das Ende meine ich XD), aber ich hoffe, dass ihr trotzdem noch weiterlest.

Deswegen werde ich mich auch schon jetzt verabschieden. Nehmt's nicht so tragisch...(Wir werden eine kleine Feier veranstalten, wenn ihr das wollt.)
 

Bye

Silberwölfin

PS: Irgendwie freu ich mich schon auf eure Kommis...^^''''''''''''''(Und bitte nehmt nicht nur zum Ende Stellung, okay?)
 

~~~~~~~
 

Vorbei?
 

"Wie weit ist es denn noch bis Zhekan?", durchbrach Kevin plötzlich die herrschende Stille. Vorher hatten sie alle geschwiegen und die einzigen Geräusche waren ihre Schritte und die Hufe des Pferdes gewesen. Es war, als hätte die Welt den Atem angehalten. Rei sah ihn kurz an und zuckte die Schultern.

"Keine Ahnung. Letztes Mal kam mir der Weg kürzer vor." Er sah zu Lee, der erklärte: "Das liegt daran, dass wir sehr viel schneller vorangekommen sind. Damals waren wir in Eile."

"Und sind wir das jetzt nicht mehr?", fragte Kevin.

"Doch, eigentlich schon. Wir sollten aber ausgeruht sein, wenn wir in Zhekan ankommen. Wir können uns keinen Fehler leisten."

Eine Weile herrschte Schweigen, dann wollte Rei wissen: "Und was, wenn diese Trödelei nun ein Fehler ist?"

"Dann können wir nichts daran Ändern.", grummelte Lee. "Hat dir die letzte Hetzerei nicht gereicht?"

"Doch. Ich meine ja nur."

"Lass es bleiben. Es hat sowieso keinen Zweck. Wir können nichts mit Sicherheit sagen."

"Wie du meinst."

"Willst du was?"

"Ja. Dieses bedrü¼ckende Schweigen endlich loswerden."

"Und wie soll ich dir damit helfen? Ich weiß auch nicht, was ich sagen soll. Warum redest du nicht mit Kevin?"

"Weil er ebenfalls kein Thema hat."
 

"Und unsere neuen Begleiter?" Lee deutete mit dem Daumen auf Sergej und Bryan, die einige Meter hinter ihnen liefen. Rei warf ihnen einen kurzen Blick zu. Beide gingen schweigend und mit verschlossenen Gesichtern nebeneinander her.

Reis goldener Blick wanderte zu Lee zurück, er ersparte sich aber jeden Kommentar. Was gab es dazu schon zu sagen? Lee wusste genauso gut wie Rei, dass Bryan und Sergej nur wenig sprachen. Das, was Bryan von sich gab, war mehr als nur karg. Sergej begann von sich aus zwar nie ein Gespräch, aber wenn er gefragt wurde, antwortete er, manchmal sogar ausführlich.

Hin und wieder erwärmte er sich sogar richtig für ein Thema, so dass man wirklich gut mit ihm diskutieren konnte. Aber manche Themen sollte man geflissentlich vermeiden, wenn man nicht wollte, dass der blonde Riese in die gleiche Wortkargheit wie Bryan verfiel. Unter diesen Themen waren leider auch die interessanten - Kai, die gemeinsame Vergangenheit und Herkunft, die Vergangenheit im Allgemeinen.
 

Vorsichtig hatte Rei diese Themen in den letzten drei Tagen, an denen sie schon gemeinsam reisten, vermieden. Jetzt ließ er sich zurückfallen, bis er neben Sergej lief und meinte freundlich: "Wieder so schweigsam heute?"

"Halt die Klappe!", kam es miesgelaunt von Bryan, doch der Blonde brummelte nur und zuckte unschlüssig mit den Schultern.

"Mit dir rede ich nicht!", fauchte Rei Bryan an. "Sondern mit Sergej!"

"Ach ja?", schnappte der Andere. "Warum nervst du mich dann die ganze Zeit?"

"Hör doch nicht hin! Oder lass dich nicht nerven!"

"Unmöglich! Du scheinst ja überall zu sein, wo ich bin!"

"Sicher nicht mit Absicht! Deine Gegenwart hält man ja im Kopf nicht aus!"

"Wie schön! Glaubst du nicht, dass das Absicht ist?"

"Bei dir schon! Freundlich kannst du dich ja nicht verhalten zu können."

"Hab ich auch nicht vor."

Sergej beschleunigte plötzlich seinen Schritt, so dass er sich nicht mehr zwischen den Streitenden befand. "Wenn ihr euch wieder beruhigt und dieses kindische Getue gelassen habt, können wir uns vielleicht vernünftig unterhalten.", knurrte er, was Bryan und Rei sofort zum Schweigen brachte.

Ersterer lief ein wenig langsamer, während der Zhaon'El leise vor sich hin fluchend zu den Anderen aufschloss. "Ist der eigentlich immer so?", maulte er.

Sergej schüttelte den Kopf. "Nein." Erstaunt blickte Rei auf. Er hatte eigentlich keine Antwort auf seine rhetorische Frage erwartet.

"Wie meinen?", wollte auch Lee wissen.

"So, wie ich's gesagt habe. Bryan hätte nie so auf jemanden reagiert."

"Hätte?", hackte Rei nach.
 

Ein Schulterzucken. "Keine Ahnung, welchen Narren er an dir gefressen hat. Er redet normal nicht viel."

"Weniger noch als Kai?"

"Nein, so wenig nun auch wieder nicht."

"Hmpf.", machte Rei mit einem Blick auf den hinter ihnen Laufenden und wechselte das Thema. Über Bryans Verhalten nachzudenken war ihm jetzt doch zuviel. Später vielleicht. "Kennst du ihn schon lang?"

"Schon immer. Wir sind gemeinsam aufgewachsen. So wie ihr."

"Wir waren zu fünft.", erzählte Kevin. "Mao, Gaou, Rei, Lee und ich."

"In unserem Dorf gab es viele Kinder. Aber wir fünf waren immer zusammen. Andere junge Hatesit gibt es allerdings dort nicht. Vielleicht war der Grund für unsere Freundschaft einfach, dass wir gespürt haben, alle Hatesit zu sein.", meinte Lee. "Außerdem sind wir alle mehr oder weniger eng verwandt."

"Hmhm. Bei uns ist das anders.", gab Sergej zu. "Es war rein praktischer Natur; die haben uns einfach zusammen eingeteilt. Sonst hätte ich wohl nie mit Bryan oder Yuriy ein Gespräch angefangen. Von Freundschaft kann aber keine Rede sein."

"Eingeteilt?"

"Ja. Zum Training. Kai kam durch Yuriy dazu, der hatte nämlich immer eine Sonderstellung. So richtig kennen wir ihn kaum."

"Warum Sonderstellung? Was ist an Kai so besonderes?"
 

Sergej warf einen kurzen Blick in die Runde und sah in neugierige, weit aufgerissene Katzenaugen. "Fragt ihn. Vielleicht sagt er's euch."

"Das glaubst du doch wohl selber nicht!"

"Nein. Ehrlich gesagt, nicht. Aber es geht euch auch nichts an."

"Hmpf.", machte Rei wieder und sagte: "Lee, sind das nicht die Spitzen der Hochhäuser von Zhekan? Da hinter den Felsen?"

Er deutete auf eine aufgetürmte Felswand, die allerdings sogar für das Pferd leicht zu überklettern sein würde. Alle warfen einen Blick in die Richtung, in die er zeigte. Sogar Bryan kam zu ihnen. Lee nickte. "Ich glaube schon."

"Dann haben wir es ja gleich geschafft!", freute sich Kevin und auch die Anderen sahen erleichtert aus. Endlich würden sie wieder etwas tun können, statt nur untätig durch die Gegend zu stapfen! Endlich ging es richtig los! Endlich würden sie wirklich etwas gegen die Diebe tun!

Lee blieb stehen. "Rei, weißt du den Weg zu dem Haus noch?"

Der Angesprochene nickte. "Ich denke, wir werden das Haus wiederfinden. Aber zuerst sollten wir noch in eine Herberge und uns ausruhen."

Bryan stieß ein Schnauben aus und drehte sich weg, sagte aber zu Reis Erleichterung nichts. Der Zhaon'El hatte nicht vor, jetzt schon wieder mit dem Anderen zu streiten. "Heute Abend? Oder Morgen in der Früh?", wollte Rei wissen und setzte sich wieder in Bewegung.
 

Lees Antwort ging in dem plötzlichen Rauschen riesiger Schwingen unter. Erschrocken fuhr Rei herum und konnte nur noch Falborgs Schwanzfedern erkennen, ehe der große Falke aus seinem direkten Blickfeld verschwand. Stattdessen blickte er in Bryans Gesicht, in dem die grauen Augen wild funkelten. Der Junge hielt sein Schwert in der Hand.

"Wie...was ist denn jetzt schon wieder los?", wollte Rei genervt wissen und auch Lee und Kevin wirkten verwirrt, während Sergej bereits nach seiner riesigen Axt griff. Er schien ebenfalls nichts zu wissen, sich aber voll und ganz auf Bryan zu verlassen.

Zögerlich löste Rei die Schnallen, die die Katzenklauen auf seinem Handrücken hielten, und auch die anderen Zhaon'El langten nach ihren Waffen und sahen sich um. Aber so sehr sie sich auch anstrengten, sie konnten nichts erkennen, was ihnen gefährlich werden konnte. Mit einem Seufzen ließ Rei die Hände wieder sinken, nachdem er einige Minuten nichts entdeckt hatte. "Was hast du? Da ist doch gar nichts! Ich hatte nicht gedacht, dass du so schreckhaft bist."

Bryan knurrte und drehte sich um. Er war nicht davon überzeugt, dass nichts los war. Plötzlich zerriss ein Schuss die Stille. Rei zuckte zusammen und duckte sich wie eine angriffsbereite Katze zu Boden. Bryan wurde herumgerissen und auf den Boden geschleudert. Falborg am Himmel stieß einen klagenden Laut aus und taumelte.
 

Lee und Kevin gingen hinter einem Felsen in Deckung und Sergej drehte sich mehrmals um die eigene Achse. Aber sie wusste nicht, woher der Schuss kam. So konnten sie keine Gegenwehr leisten.

"Bryan!" Hastig sprang Rei zu dem immer noch am Boden Liegenden. Er rollte ihn auf den Rücken. "He!"

Bryans Gesicht wer schmerzverzehrt und seine Kleidung an der rechten Schulter bereits rot gefärbt. Er stieß ein scharfes Zischen aus und murmelte: "Können die nicht einmal richtig zielen?"

Rei zuckte die Schultern und sah sich nervös um. Wo war der Schütze? Er konnte überall sein! "Sei doch froh! Sonst wärst du jetzt tot." Hastig durchsuchte er seine Taschen und zog schließlich ein Tuch hervor.

Bryan war gerade dabei, wieder aufzustehen, doch Rei drückte ihn zurück. "Bleib liegen, verdammt. Die Kugel..."

"Durchschuss!", schnappte der Verletzte. "Da können wir jetzt auch nichts tun!"

"Bleib liegen, du Trottel! Du bringst uns nichts, wenn du jetzt verblutest!" So schnell wie möglich wickelte Rei das Tuch um die Wunde und knotete es fest zu. "Das muss für' s erste reichen. Später kümmere ich mich richtig darum!"

Er half Bryan beim Aufstehen und sah zu Lee. Der stand in Kampfhaltung in der Nähe, wirkte aber ziemlich hilflos. Genauso wie Kevin und Sergej, die auch nicht wirklich zu wissen schien, wo der - vermutlich waren es sowieso mehrere - Schütze steckte.
 

Dann peitschten kurz nacheinander mehrere Schüsse durch den Talkessel und schlugen nur wenige Schritt entfernt von ihnen in den Boden. Sand wirbelte auf. Das Pferd wieherte laut und stieg. Mit donnernden Hufen galoppierte es auf die nächste Lücke zwischen den Fesen zu um darin zu verschwinden.

Anscheinend wollte man sie mit den Schüssen nur warnen, nicht verletzen. Waren es Räuber? Wegelagerer? Falborg am Himmel schrie und sank tiefer. Dann tauchten mehrere Gestalten zwischen den Felsen auf. Es waren Söldner, schätzte Rei. Jedenfalls sahen sie nicht aus wie Soldaten oder so, denn sie trugen weder Uniform noch etwas anderes, was sie als eine Gruppe kennzeichnete. Die meisten trugen Feuerwaffen in den Händen und zielten auf die Gefährten.

"Scheiße!", fluchte Lee. "Gegen die haben wir keine Chance!"

"Was...was sollen wir tun?", wollte Kevin mit zittriger Stimme wissen. Er erhielt keine Antwort. Rei ließ seinen Blick rasch über ihre Gegner gleiten. Keine Lücke. Keine Chance zu entkommen. Sie standen eng genug, dass sie jeden erwischen würden und mit Bryan hatten sie sowieso...

Was war das?! Rei sah zurück und fixierte einen der Männer. "Lee. Lee. Da ist Scaramak!"

"Wie...? Wo?" Sofort war der Ältere bei ihm. "Das gibt es doch nicht! Wie haben die uns gefunden?"

"Kai hat uns doch gewarnt. Er meinte, so etwas könnte geschehen."

"Das ist eine Falle, merkst du das nicht? Die haben auf uns gewartet. Aber..."

"Was ist? Wer ist der Kerl?", unterbrach Bryan grob.

"Scaramak der Wolf. Er gehört zur Diebesbande."

"Weiß er auch von euch?"

"Ja. Der Kater - ein Verräter aus unserem Dorf - hat ihm von uns erzählt."

Bryan zog die Augenbrauen hoch. "Und sonst seid ihr euch noch nicht begegnet?"

"Mao und Rei haben ihn mal gesehen. Aber er nicht sie."

"Huh. Dann weiß er ja noch gar nicht, dass ihr ihn schon kenn."
 

Lee sah wieder zum Wolf hinüber. "Das ist wahr. Das sollte auch so bleiben. Hört ihr?"

Alle nickten. Warum einen solchen Vorteil verspielen, wenn man ihn so schön nutzen konnte? "Wir sind alle völlig ahnungslos.", erklärte Kevin. "Und stehen im Moment normalen Räubern gegenüber."

"Du hast es erfasst."

Jetzt setzte sich Scaramak in Bewegung und hob beide Hände als Friedensgeste. Ob er sie am Leben lassen würde? Lee bedeutete ihnen, die Waffen sinken zu lassen. Scaramak blieb wenige Meter vor ihnen stehen und musterte sie nacheinander. "Was willst du?", schnauzte Lee ihn an. "Hältst du jeden Reisenden auf diese Art auf?"

"Nein. Nur ganz bestimmte, Hatesit."

Lee runzelte die Stirn und griff unwillkürlich nach seinem Ohrring, an dem sein Amulett hing. Bryan keuchte und zischte: "Ihr seid die Diebe!" Rei war verwundert. Wer hätte gedacht, dass die beiden so schauspielern konnten?

"Ganz recht." Scaramak winkte seinen Leuten näher zu kommen. "Pfeift den Vogel zurück."

Bryan schüttelte den Kopf, doch Rei meinte leise: "Sie werden ihn abschießen! Tu es!" Einen Moment zögerte der Andere, dann seufzte er und Falborg verschwand in einem kurz aufblitzenden, dunkelroten Schimmer.

"Sehr schön.", erklärte der Wolf. "Jetzt gebt uns eure Waffen."
 

Lee schüttelte den Kopf. "Damit ihr uns unsere Amulette stehlen könnt? Nein, danke."

Er hob seinen Stab wieder und auch seine Freunde gingen in Kampfstellung. Scaramak lachte. "Wenn eure Partner nicht so stark wären, wäret ihr alle längst tot. Also, gebt uns die Waffen und Amulette und seid schön brav, dann werdet ihr leben."

Lee schnaubte. "Ihr nehmt uns mit, wie?"

"Natürlich. Ihr habt uns - mich - gesehen. Wir können es uns nicht leisten, dass jemand so etwas weiterplaudert."

Lee zögerte einen Moment. Das war ein Tanz auf Messers Schneide und wenn er ausglitt, waren sie alle tot. Um keinen Preis durften sie das riskieren. Jetzt hing alles daran ab, wie wertvoll ihre Tisetah waren. Der Anführer der Zhaon'El schüttelte den Kopf und knurrte.

Seine Geste entlockte Scaramak nur ein müdes Lächeln. "Pass auf, Zhaon'El, aber vielleicht begreifst du nicht, in welcher Situation ihr euch befindet. Ihr habt nur eine Chance, hier wieder lebend herauszukommen und das geht leider nur unter unserer Obhut. Du weißt vielleicht nicht, wer ich bin und zu was ich fähig bin, aber ich weiß ganz genau über dich und deine Leute Bescheid, Lee Ming aus Canih."
 

Lee zuckte zusammen und warf einen unruhigen Blick in die Runde. Scaramak grinste hähmisch. "Ganz recht, ich weiß, er ihr seid. Ihr jagt uns und versucht, uns Einhalt zu gebieten. Eure Waffe dabei sollen die Vier Göttlichen sein, nicht wahr, Rei Kon, Hatesit des Weißen Tigers?" Rei wich zurück und packte Bryan fester. "Kevin Li ist der Kleine bei euch, aber von den anderen Beiden habe ich noch nie gehört. Wie vielen Hatesit habt ihr noch von uns erzählt?" Statt einer Antwort spuckte Lee ihm vor die Füße.

"Wo sind die anderen Zwei? Das Mädchen und der Trottel?"

"Gaou ist kein Trottel!", fuhr Kevin auf, doch Lee legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter.

"Sei still."

"Ich weiß, dass ihr nichts riskieren dürft. Jetzt gebt mir eure Waffen." Lee warf einen weiteren Blick in die Runde. Rei wusste seine Entscheidung schon. Seufzend warf Lee seinen Stab dem Wolf vor die Füße. Dieser hob eine Augenbraue und sah die Gruppe um Lee auffordernd an.

"Und?"

Nacheinander folgten Kevins Nunchaku, Reis Katzenklauen, Sergejs Axt und schließlich auch Bryans Schwert und hinterer verschiedene Messer, Dolche und andere kleinere Waffen. "Wie schön, dass ihr einsichtig seid. Und jetzt die Amulette."
 

Ein sichtbares Zögern ging durch die kleine Gruppe. Es war eine Sache, Waffen wegzugeben, eine ganz andere, die Amulette abzulegen. Nur langsam holte Rei seine Silberkette aus dem Ausschnitt. Daran baumelte Drigers Amulett. Das Amulett des Weißen Tigers. Hatte er überhaupt das Recht, es aus der Hand zu geben?

Lee neben ihm war schneller. Er hatte den Ohrring bereits in der Hand und seufzte tief. "Da wird uns wohl nichts anderes übrig bleiben.", murmelte er auf Canihschi.

"Hätte nicht gedacht, dass ihr so schnell aufgebt.", schnauzte Bryan, während er sein Halsband mit Falborgs Amulett abnahm. "Aber wenn wir hier so fürchterlich reinfallen, wird es den Anderen nicht anders ergehen."

Rei wusste, dass sein Gedanke in diesem Augenblick hier vollkommen unangebracht war. Aber Bryan hatte Lee verstanden?!

"Bring sie zu mir, Lee.", schaltete sich Scaramak ein. Lee nahm nacheinander die Amulette der Anderen an sich, ehe er zu Scaramak ging und sie ihm zaudernd reichte. Triumphierend nahm dieser sie an und ließ sie in einen Beutel gleiten.

Jetzt war es vorbei.

Sie hatten versagt. Alles lastete auf der anderen Gruppe, die die Diebe Savandon stellen wollten. Ob Bryan Recht damit hatte, dass sie ebenso in eine Falle laufen würden statt selbst eine aufzustellen?
 


 


 

~~~~~~Flashback~ ~ ~Anfang~~~~~~
 

Der Raum war klein und hell erleuchtet von elektrischen Deckenlampen. In einer der gleich langen Wänden war eine kleine Tür in der Mitte eingelassen. An den anderen Wänden waren diverse Apparaturen, Monitore und Computer angebracht. In der Mitte des Raumes stand eine hochbeinige Liege.

Kai konnte sein Zittern nicht mehr unterdrücken. Er kannte diesen Raum und er hasste ihn. Größer als sein Hass war jedoch seine Furcht. Schreckliche Dinge geschahen hier. Eine große Hand schob ihn vorwärts, auf die Liege zu. Kai bemühte sich krampfhaft, seine Angst und das Zittern zu unterdrücken, aber er scheiterte kläglich.

"Zieh dein Hemd aus.", riss ihn eine tiefe, angenehme Stimme aus den Gedanken. Hastig folgte Kai dem Befehl. Es war besser, Jacques nicht zu lange warten zu lassen. Er legte das Hemd über die Lehne des einzigen Stuhles im Raum und schlang die Arme um den Oberkörper. Unter der blassen, mit Blessuren übersäten Haut konnte man die Rippen zählen. Eine Gänsehaut bildete sich auf seinen Armen; es war viel zu kalt hier.

"Hoch mit dir." Jacques zog sich den Stuhl heran und startete die Computer und anderen Geräte. Gehorsam kletterte Kai auf die Liege. So schmal sie auch war, für den kleinen Neunjährigen war sie viel zu groß und ließ ihn verloren wirken.

"Hinlegen.", befahl Jacques und Kai folgt sofort. Die Decke war aus großen Steinen und dunkel vor Nässe. An manchen Stellen wuchsen Moose und andere Flechten. Dann stand Jacques neben ihm. Teilnahmslos und routiniert begann er, in Kais Arme, Schultern und den Oberkörper verschiedene, dünne Nadeln zu schieben. Nur unter die Haut, manchmal in Blutbahnen, manchmal woanders hin. Es kümmerte ihn nicht, dass Kai das Gesicht verzog und hin und wieder vor Schmerz aufkeuchte.
 

Schließlich hatte er seine Tätigkeit beendet und kehrte zu dem Stuhl zurück. Auf einigen Blättern notierte er etwas, dann hackte er auf die Tastatur ein. Kai wusste nie, was er da tat. Das beständige Klacken machte den Jungen unruhig und nervös, aber er versuchte trotzdem, ruhig und entspannt liegen zu bleiben. Wenn er sich bewegte oder anspannte, tat alles nur noch mehr weh. Natürlich versagte er kläglich. Wie sollte man sich auch entspannen können bei dem Gedanken, was auf ihn zukam?

Am liebsten hätte er schon jetzt geschrieen, aber sein Stolz verbot es ihm. War es denn richtig, dass ein neunjähriges Kind bereits einen so ausgeprägten Stolz hatte? So ausgeprägt, dass sich mache Dinge von selbst für es verboten? Oder war das nur ein Schutz, ein Schutz um sich nicht eingestehen zu müssen, dass alles nur Angst war? Eine Illusion, hinter der die Furcht lauerte? Eine Illusion, die geschafften worden war, um nicht zu sehr verletzt zu werden?
 

Jacques begann mit den Tests. Strom durchzuckte seinen Körper, so dass sich seine Muskeln manchmal schmerzhaft zusammenzogen, manchmal wohltuend entspannten. Jacques entfernte hier eine Nadel, schob dort eine andere hinein, setzte diverse Spritzen und leitete verschiedene Flüssigkeiten durch dünne Röhren in seinen Körper.

Zwischendurch notierte er sich Dinge auf seinen Blättern, hackte auf seinem Computer herum und widmete sich den Knöpfen, Schaltern und Hebeln an den anderen Geräten rund um die Liege.

Kai wusste, dass es lange dauern würde; das tat es immer. Er versuchte krampfhaft, nicht daran zu denken, was Jacques genau mit ihm anstellte, denn er wollte es nicht wissen. Was für Gifte und Drogen pumpte der Wissenschaftler da in seinen Körper? Wie sollte er das je überwinden können? Ob er in kurzer Zeit schon sterben würde, wenn Jacques so weiter machte?
 

So schlecht es Kai auch ging, eines wollte er um keinen Preis: sterben. Kai hing am Leben, er hungerte förmlich danach. Was war, wenn er starb und hier danach alles besser werden würde? Sagte man nicht ,Die Hoffnung stirbt zuletzt'? Die Hoffnung stirbt nie, sagte Kai, denn er wollte sie nicht sterben lassen.

Schließlich beendete Jacques seine Tests und entfernte nacheinander die Nadeln. Ruhig schaltete er die Maschinen aus. Kai warf ihm einen ängstlichen Blick zu und rutschte von seiner Pritsche um sein Hemd zu holen.

"Lass das liegen.", befahl Jacques, als er den Jungen mit dem Kleidungsstück in den Händen bemerkte. "Wir sind noch nicht fertig."

Entsetzt sah Kai ihn an. Was hatte er auch erwartet? Dass Jacques ihn einmal, wenigstens einmal gehen ließ, ohne...?

"Nein!", flüsterte er. Jacques konnte die Angst und das Zittern in seiner Stimme ganz genau hören, das wusste er. "Nein, nein, nein. Nein!" Jacques kam mit einem teuflischen Grinsen auf ihn zu und leckte sich gierig über die Lippen. "Nein! NEIN!"
 

~~~~~~Flashback~ ~ ~Ende~~~~~~
 


 


 

"Nein, nein! NEEEEEEEEEIIIIIIIIIIIIIIN!" Kai fuhr auf. Er saß aufrecht in seinen Decken, schwitzte und zitterte. Seine Augen waren aufgerissen und beinahe schwarz, so sehr waren seine Pupillen geweitet. Er keuchte, gefangen in dem Netz seines Traumes und der Erinnerung. Nur von Ferne drangen aufgeregte Stimme an seine Ohren.

"Wer hat geschrieen?"

"Kai! Kai? Was ist denn?"

"Warum hast du geschrieen?"

"Geht es dir gut?"

"Sag, hast du schlecht geträumt?"

"He! Kai! Hast du deine Sprache verloren?"

"Kai! Verdammt, sag doch was!"

Er spürte, wie jemand ihn schüttelte. Sprachen sie etwa mit ihm?!

"Kai! Sag doch was! Geht es dir nicht gut?"

"Lass mich mal.", unterbrach eine kalte Stimme. Er kannte sie. Sie war wichtig. Wem gehörte sie? Das Schütteln hörte auf. Einen Moment später ertönte ein lautes Klatschen und Kais Kopf flog zur Seite. Den brennenden Schmerz, den der Schlag verursacht hatte, fühlte er erst einen Moment später.

"He!", protestierte jemand. "Du kannst ihn doch nicht so einfach schlagen!"

"War das nicht ein wenig hart?"

"So, kann ich nicht?"

"Was sollte das?"
 

Der Schlag hatte Kai abrupt in die Gegenwart gerissen. Um sich herum versammelt erkannte er Kenny, Takao und Max; Ivan stand zwei Schritte entfernt und Yuriy direkt vor ihm. Er war es gewesen, er Kai die Ohrfeige gegeben hatte. In der Nähe brannte noch das kleine Feuer, über dem sie ihr Abendessen gebraten hatten, und spendete ein wenig Licht.

"Hört auf zu streiten.", sagte Kai bestimmt und alle wandten sich ihm zu.

"Kai! Was ist denn passiert?", wollte Max sofort wissen und in sein Gesicht stand Sorge geschrieben.

"Warum hast du geschrieen?", fragte Takao und auch er sah besorgt aus, ebenso wie Kenny.

Kai schüttelte den Kopf. "Geht euch nichts an." Er stand auf und kümmerte sich nicht um die Blicke von Kenny, Max und Takao. Ivan warf ihm einen zweifelnden Blick zu - er und Yuriy konnten zumindest ahnen, wovon er geträumt hatte - und kehrte wieder zu seinen Decken zurück. Er wusste, dass er nichts tun konnte. Das sagte er auch den anderen Dreien, die Kai noch immer anstarrten. "Ihr könnt nichts tun. Damit muss er alleine fertig werden."

Kai hörte ihm nicht zu, sondern stand auf und kehrte dem Feuer und seinen Freunden den Rücken zu. Kurz fragte er sich, wie sie wohl reagieren würden, wenn er ihnen von seinem Traum - oder besser, dieser Erinnerung - erzählt hätte, schob den Gedanken aber beiseite. So rasch würden sie noch nichts davon erfahren.
 

Auch wenn er tief im Inneren wusste, dass er ihnen vertrauen und ihnen alles anvertrauen konnte, würde er es doch nicht sagen können. Zu sehr hatte das Misstrauen und der Argwohn sich schon in seiner Seele festgebrannt. Zu sehr hatte er Angst vor seiner Vergangenheit, zu sehr war er in ihr gefangen.

Er ging so lange, bis er weder das Feuer noch die anderen sehen konnte und hockte sich auf den Boden. Seufzend umschlang er die angezogenen Knie mit den Armen und lehnte den Kopf darauf. Hatte er es wirklich verdient, mit solchen großartigen Leuten zusammensein zu können?

Seltsam, dass er gerade jetzt daran dachte. Das Eine hatte doch nichts mit dem Anderen zu tun. Kai wusste nicht, wie lange er bereits dort gesessen hatte und seinen Gedanken nachgehangen war, als ihn Yuriys Stimme in die Wirklichkeit zurückriss. "Hier bist du also."
 

Er zuckte zusammen und sah auf. Der Rothaarige stand vor ihm und er konnte ihn nur als schlanke Silhouette gegen den Nachthimmel erkennen. Schweigend setzte er sich neben Kai. "Was hast du geträumt?"

Kai antwortete nicht. Yuriy ließ ihm Zeit. Er wusste, dass es schwer war, darüber zu sprechen. "Jacques.", sagte der Jüngere schließlich.

"Wir haben die Erinnerungen geweckt, nicht wahr?"

"Ja."

"Tut mir Leid."

"Muss es nicht. Ich bin...ich bin froh, dass ihr- dass du da bist." Yuriy antwortete nicht. Kai sah ihn nicht an, aber sein Herz krampfte sich zusammen. Freute sich Yuriy nicht, zumindest ein bisschen, darüber, dass er Kai wiedergesehen hatte? Oder konnte er es einfach nicht sagen?

"Ich habe dich auch vermisst.", sagte Yuriy schließlich. Er sprach sehr langsam und stockend und betonte jedes Wort. Kais Lächeln auf diese Worte konnte er nur erahnen, aber er wusste, dass es da war. Auch wenn es nur sehr klein war.

Aber es stimmte. Über solche Dinge sagte und zeigte Yuriy nicht oft die Wahrheit, aber gegenüber Kai hatte er nie anders gekonnt. Yuriy hatte die Einsamkeit nicht gekannt, bevor Kai geflüchtet war. Nicht, bevor Kai gekommen war, denn damals wusste er nicht, was Einsamkeit war. Als Kai dann gekommen war, hatte er zwar nicht sie kennen gelernt, aber dafür die Zweisamkeit. Und als Kai geflohen war, hatte die Einsamkeit mit aller Macht zugeschlagen, denn sie wusste immer, wo neue Opfer waren.
 

Niemand hatte davon erfahren, aber Yuriys Herz war schwer und dunkel gewesen. Er hatte alles vermisst. Die geheimen Ausflüge in der Nacht, das gemeinsame Training, das Lästern über die Aufseher beim Essen oder abends im Bett, Kais seltsame, lyrische Gedanken, die er oft in Verse fasste, die Augenblicke, in denen Kai in seinen Armen geweint oder einfach nur bei ihm Schutz gesucht hatte, die Übungskämpfe gegeneinander, die Kai meist verloren hatte, ja, auch die Zeiten, die sie zu fünft verbracht hatten - Bryan, Ivan, Sergej, Kai und er selbst - und dann die Umgebung vergessen konnten.

Aber jetzt war irgendetwas anders als früher. Kais Gegenwart verwirrte ihn, sein Anblick brachte ihn dazu, glücklicher zu sein als davor, und seine Berührung ließ sein Herz schneller schlagen. Er verstand diese Reaktion seinerseits nicht. "Kai?"

"Ja?"

"Nichts." Was sollte das jetzt schon wieder? Er benahm sich wie der größte Depp. Sie schwiegen wieder.

"Meinst du, Jacques hat seine Ziele verwirklicht?", wollte Kai plötzlich wissen.

"Keine Ahnung."

"Den Dieben gehören auch die LesDemondes an."

"Wirklich?" Selbst in der Abtei war diese Magierfamilie ein Begriff, was auch daran lag, dass sie einst sehr eng mit Voltaire zusammengearbeitet hatten. Aber das war schon Jahrzehnte her. Trotzdem waren noch einige Überbleibsel davon zu erkennen. "Vielleicht hat er es geschafft. Ich meine, wenn die zusammenarbeiten."

"Ja. Vielleicht." In Kais Stimme schwang ein seltsamer Unterton mit, den Yuriy nicht deuten konnte, aber eines wusste er: Kai hatte Angst vor Jacques, schreckliche Angst. Was tat man in einer solchen Situation? Yuriy fühlte sich vollkommen hilflos.
 

//Lass ihn fühlen, dass er nicht allein ist.//, flüsterte eine Stimme in seinem Kopf ihm zu. Was hatte er früher getan, wenn Kai geweint hatte? Er hatte den Jüngeren in die Arme genommen. Aber Kai weinte nicht. Wahrscheinlich hatte er in den letzten sieben Jahren keine Träne mehr vergossen.

Zögerlich hob Yuriy ein Hand und legte sie auf Kais Schulter. Dieser zuckte zusammen, schob ihn aber nicht weg, sondern lehnte sich ihm sogar noch ein wenig entgegen. Mutiger geworden tat Yuriy das einzig Richtige in dieser Situation und zog den Jüngeren an sich, so dass Kais Kopf auf seiner Brust lag.

Kai tat nichts dagegen und so zog Yuriy ihn enger an sich und strich ihm beruhigend über den Rücken. Woran lag es, dass Kai solche Angst vor Jacques hatte? Und woran, verdammt, lag es, dass Yuriy diese Situation glücklich machte? Kai in seinen Armen...

Verdammt, dieser Zustand machte ihn ganz kirre. Einerseits wollte er aufspringen und so schnell wie möglich davonlaufen, andererseits aber wollte er den Jüngeren um keinen Preis loslassen. Woran lag das? Wie auch immer, es fühlte sich verdammt gut an. Verdammt richtig.
 


 


 

Zwei Tage später wurde ihre Reise nach Savandon abrupt unterbrochen, als sie plötzlich einer Gruppe bewaffneter Männer gegenüberstanden. Es sah so aus, als hätten sie auf die Gefährten gewartet, denn sie hatten sich geschickt so verteilt, dass an ein Durchkommen nicht zu denken war und außerdem hielten sie alle entsicherte Feuerwaffen in den Händen.

Der Weg, auf dem sie sich befanden, war recht breit, aber links erhoben sich zerklüftete Felsen, zwischen denen jetzt weitere Gestalten auftauchten und rechts fiel der Boden abrupt ab. Unten donnerte ein reißender Fluss vorbei.

Yuriy brauchte sich nicht umzudrehen um zu wissen, dass dort gerade weitere Männer auftauchten und ihnen den Rückweg versperrten. Kai warf einen Blick in die Runde und meinte: "Das sind keine Wegelagerer. Die wollen etwas anderes."

"Wer sind sie dann?", fragte Max mit zitternder Stimme und zog seinen Dolch. Gut, er nahm es mehr oder weniger gefasst auf. Ivan sah sich um. Er war mit solchen Situationen vertraut. Auch Takao griff nach seinem Schwert, nur Kenny rührte sich nicht.

"Lasst das bleiben.", meinte Kai und sah die beiden Jungen an. "Wir haben keine Chance." Das erkannte er ja vorbildlich. Wie sollte man auch gegen so viele Männer ankommen, die alle Feuerwaffen hatten und aussahen, als würden sie damit umgehen können? Und wenn er das recht erkannte, standen zwischen den Söldnern mehrere Magier, die bereits begannen, Zauber zu spinnen. Wer waren die nur?!

"Die haben auf uns gewartet.", murmelte Yuriy und brüllte plötzlich: "He! Was wollt ihr Trottel von uns?"
 

Statt einer Antwort lösten sich nun drei Gestalten aus der Gruppe und kamen auf sie zu. Zwei davon waren beinahe noch Kinder, kaum älter als er. Einer hatte langes, seltsam grünes Haar und ein offenes, freundliches Gesicht, der Zweite schwarzes Haar, dass er zu einem Pferdeschwanz gebunden trug, und war eindeutig ein Magier, denn er trug eine Robe und auf seiner Brust lag ein Amulett, das Yuriy nicht genau erkennen konnte.

Die dritte Person war ein hochgewachsener Mann mit strengem, aber sympathischen Gesicht, schwarzem Haar und dunklem Teint. Er trug kein Gewehr in der Hand, sondern ein Schwert mit langer, schlanker Klinge. Kai erkannte ihn einen Moment früher und flüsterte entsetzt: "Jacques...", während Takao gleichzeitig zischte: "Toki!"

Was? Ja, Jacques erkannte Yuriy. Welcher von den beiden Jungen war Toki? Und woher kannte Takao ihn? Die drei Jüngeren starrten wütend auf den schwarzhaarigen Magier, so dass Yuriy annahm, dass dieser Toki war.

"Immer noch so vorlaut wie früher, Yuriy?", fragte Jacques laut und grinste dabei hämisch. "Ich dachte nicht, dass ich dich noch einmal sehen würde."

"Und ich hätte auf diese Begegnung gut verzichten können!", schnappte Yuriy wütend. Er konnte ganz genau sehen, wie Jacques Auftauchen Kai ängstigte. Der Rotäugige zitterte beinahe unmerklich und sein gesamter Körper war angespannt, seine Hände zu Fäusten geballt. Auch Ivan schien geschockt, aber er rührte sich nicht. Er kannte Jacques ja nicht so, wie Kai es tat.
 

Jacques machte eine Bewegung, so dass der Grünhaarige und Toki stehen blieben. Er selbst stoppte erst wenige Meter vor ihnen. "Sei schon still, Yuriy. Du weißt ganz genau, dass im Moment ich am längeren Hebel sitze. Ein Zeichen von mir und ihr seid tot."

"Das wirst du nicht tun."

"Wie kannst du dir da so sicher sein?"

"Halt mich nicht für blöd! Wenn du das wolltest, wären wir das schon längst!"

"Dein Verstand hat nicht nachgelassen, was? Dann siehst du ja auch, dass ihr keine Chance habt. Gebt uns Waffen und Amulette."

"Ihr nehmt uns mit?", schaltete sich Kai ein. Er wirkte wie immer, anscheinend hatte er sich gefasst. Ob Ivan, Max, Takao und Kenny sein seltsames Verhalten aufgefallen war? Jacques und seinen Gefährten ganz sicher nicht. "Ja, da hast du den Nagel auf den Kopf getroffen." Irgendetwas in Jacques Tonfall störte Yuriy, aber er wusste nicht was.
 

"Und wenn nicht, sterben wir?"

"Ich kann meine Worte nur wiederholen."

Zögernd warf Kai einen Blick auf seine Gefährten. Seine eigene Entscheidung stand schon fest. Er wollte nicht sterben. Auch wenn das bedeutete, sich in Jacques Hände zu begeben. Aber nichts, gar nichts war ihm wichtiger als das Leben bis auf Dranzer. Und Dranzer bedeutete Leben.

"Erst die Waffen.", befahl Jacques.

"Was jetzt?", wollte Max leise wissen.

Kai sah ihn an. "Was wohl?"

"Du willst dich ergeben?", fragte Takao mit weit aufgerissenen Augen.

"Ja." Klipp und klar. "Er wird uns sonst töten."

"Aber..."

"Willst du sterben?"

"Nein, aber..."

"Er hat keine Scheu, jemanden umzubringen, wenn es ihm Spaß macht."

"Aber..."

"Nun?"

"Du lässt ihn ja gar nicht zu Wort kommen, Kai.", meinte Yuriy.

"Was gibt es da auch zu sagen?"

"Nichts.", flüsterte Max und schob seinen Dolch in die Scheide zurück. Er hatte die gleiche Entscheidung getroffen wie Kai.

"Ich...ich sage, wir machen, was der will.", flüsterte Kenny. Takao sah von Einem zum Anderen und seufzte. Sie alle wollten sich ergeben. Alle wollten leben. Er ja auch, aber er wollte nicht gefangen sein!

"Sieh es ein, Takao. Jetzt haben wir keine Chance. Später wird es weitere Möglichkeiten geben, aber jetzt gibt es nur diese eine." Kai sah zu Jacques hinüber, dann schnallte er seine Waffengurte ab. Yuriy, Ivan und Max taten es ihm gleich und auch Kenny beeilte sich, seinen Dolch und das kleine Messer abzunehmen. Schließlich schob Takao das Schwert in die Scheide zurück.
 

"Ich habe Angst.", sagte Max leise. "Was wird der mit uns anstellen, wenn wir erst einmal in seiner Hand sind?"

"Das, Kleiner.", sagte Yuriy. "Willst du gar nicht wissen." Er selbst hatte keine Angst, auch wenn er anscheinend der Einzige mit dieser Einstellung hier war. Kenny, Max und Takao stand die Furcht ins Gesicht geschrieben, während Ivan sehr still war. Er kannte Jacques und die Abtei und er kannte ihre Methoden. Kai wirkte zwar äußerlich ruhig, aber Yuriy konnte ihm doch ansehen, dass er am liebsten schreiend davongelaufen wäre. Er hatte auch allen Grund dazu, er am allermeisten. Am liebsten hätte Yuriy ihn in die Arme genommen, aber dazu war er jetzt nicht in der Lage. Und Kai würde es sicher auch nicht begrüßen.

"Stahlklaue, nimm sie ihnen ab." Der Grünhaarige nickte und kam auf sie zu. Er wirkte nicht sehr gefährlich - der Kerl war höchstens achtzehn - aber an der Seite trug er ein Schwert und ein Dolch und da war etwas an ihm, was Yuriy nicht gefiel. Er runzelte die Stirn und behielt den Jungen im Auge, aber er konnte nichts erkennen.
 

Ruhig nahm Stahlklaue ihnen die Waffen ab und hatte dabei mehr zu tragen, als ihm anscheinend lieb war. "Jetzt die Amulette. Feuerstern." Sofort setzte sich Toki in Bewegung.

"Feuerstern, was?", schnappte Takao. "Was besseres ist dir wohl nicht eingefallen, Toki?"

"Ihr kennt euch?", fragte Jacques erstaunt.

"Ja.", erklärte Toki ruhig.

"Leider.", setzte Takao hinzu. "Mir wäre es lieber, ich hätte ihn nie getroffen. Oder noch besser, ich hätte ihn erledigt, als ich die Gelegenheit dazu hatte."

"Tja. Hinterher ist man immer klüger.", spottete Feuerstern lächelnd. "Aber dazu bist du gar nicht in der Lage. Nun gib mir schon dein Amulett."

Takao blitzte ihn wild an und wich zurück. Er zitterte am ganzen Leib, aber nicht vor Angst, sondern vor Wut. "Takao!", sagte Kai scharf. Er hielt bereits das schwarze Halsband in der Hand, an dem Dranzers Amulett hing. Anscheinend hatte er das Band nicht weggeworfen.
 

Yuriy griff in seinen Nacken und löste den Verschluss des eigenen Bandes. Es war das gleiche wie Kais und Ivans. Alle in der Abtei trugen ihr Amulett an einem solchen Band. Toki nahm sie alle drei entgegen, dann Max' und Kennys, zum Schluss das von Takao, der es nur sehr widerwillig aus der Hand gab und beinahe noch unwilliger Toki in die Hand gab.

Feuerstern machte auf dem Absatz kehrt und wollte zu Stahlklaue zurück, aber Jacques hielt ihn auf. "Warte. Das nehme ich." Er klaubte eines der Schmuckstücke aus Tokis Hand. Schwarz, eines der Bänder. Einen Moment später erkannte Yuriy Kais. "Ich wusste doch, dass du dich nicht davon trennen kannst. Wenn das so ist, können wir es nicht gebrauchen." Er grinste teuflisch und kam näher bis er einen halben Meter vor Kai stand. Dieser rührte sich nicht. "Also weg damit."

Mit einer weitausholenden Handbewegung und blitzschnell schleuderte er das schwarze Halsband mit Dranzers Amulett davon. Er hatte genau gezielt und gut und das Schmuckstück flog genau dahin, wohin er es wollte: über die Steilkante, wo es hinunterfiel und von den reißenden Fluten verschlungen wurde.
 

"Nein!", flüsterte Kai entsetzt und riss die Augen auf. Takao und Max stürzten zur Kante und starrten hinunter, aber natürlich konnten sie nichts mehr tun.

"Aber...", stotterte Kenny und verstummte. "Na klar!", flüsterte Ivan. Was sollte das? Die Frage stand allen ins Gesicht geschrieben. Die Diebe brauchten doch mächtige Tisetah, oder nicht? Und Dranzer war ohne Frage sehr mächtig. Warum warf Jacques das Amulett also weg? Nur Kai, Yuriy und Ivan konnten zumindest ahnen, was der Grund war.

"Sterndeuter, ich verstehe nicht.", sagte Toki verwirrt. "Ich dachte..."

"Sei still. Dieses Amulett war unbrauchbar für uns." Jacques winkte ungeduldig, so dass der Magier schulterzuckend zu Stahlklaue ging. Was auch immer, er trug ja nicht die Verantwortung. Dafür musste Jacques - Sterndeuter! - alleine gerade stehen.

Kai starrte noch immer an die Stelle, wo das Amulett verschwunden war und wandte sich dann langsam Jacques zu. Was musste wohl in seinem Inneren vorgehen? Immerhin hatte er gerade gesehen, wie etwas sehr wichtiges in seinem Leben von den Fluten verschlungen worden war. In diesem Moment wirkte Kai so allein, allein, aber trotzdem stark und stolz. Von nichts zu beugen. Was mochte er fühlen?!
 

Wieder fühlte Yuriy den Drang, Kai in die Arme zu nehmen und ihn zu trösten. Ob Kai das jetzt zurückgewiesen hätte, wusste Yuriy nicht. Trotzdem rührte der Rothaarige sich nicht.

Auf Jacques Gesicht breitete sich wieder das teuflische Grinsen aus. Am liebsten hätte Yuriy ihn umgebracht! "Nun, da wir es nicht brauchen..." Er beendete den Satz nicht und sah nachdenklich auf sein Schwert. Was...was hatte der Kerl vor?! "Nimm es dir nicht zu sehr zu Herzen. So leid es mir auch tut, mein kleiner Kai, aber du bist jetzt unbrauchbar."

Ehe Yuriy oder einer der anderen verstand, was Sterndeuter damit meinte, hatte dieser bereits das Schwert gehoben und es Kai in die Brust gerammt. Feuerrabe riss die Augen auf und öffnete den Mund, aber kein Laut drang von seinen Lippen.

Jacques Grinsen wurde breiter. Seine Augen verschlangen gierig das Bild, das sich ihm bot. Kai, der langsam in die Knie sackte, noch immer das Schwert in der Brust. Dann röchelte er und spuckte einen Schwall Blut. Rotes Blut auf weißer Haut.
 

Yuriy war wie gelähmt und auch keiner seiner anderen Freunde konnte sich rühren. Was tat Jacques da? Wieso...wieso tötete er Kai einfach? Das konnte er doch nicht tun! Das war so...so unwirklich. So unglaubhaft, so fragwürdig. So irreal.

Und doch, tief in seinem Inneren wusste Yuriy, dass sich diese Szene gerade wirklich abspielte, keine Illusion war. Bevor Kai gänzlich zusammengesackt war, zog Jacques sein Schwert mit einem Ruck zurück, so dass Kai wieder hochgerissen wurde. Blut spritzte aus der Wunde. Jacques wischte es sich aus dem Gesicht und betrachtete es fasziniert, während Yuriy wieder lebendig wurde und zu Kai sprang. Er fing den Rotäugigen auf, ehe er zu Boden fiel.

"Kai. Kai." Die roten Augen starrten ihn funkelnd an. Keine Mauer war dahinter. Kein Blick wie Blut. Strahlend und glänzend wie Rubine waren sie, karmesinrot.

"Yu...riy." Er sprach den Namen nur stockend aus und mit jeder Silbe spuckte er wieder einen Schwall Blut. Mühsam verzog Kai die Lippen zu einem Lächeln. An was mochte er jetzt denken? Was fühlen?

Ivan, Takao, Max und Kenny kamen zögernd näher, sahen auf ihren sterbenden Freund und Anführer hinunter. Schwach hob Kai die Hand wie zum Gruß. Sie starrten ihn mit weit aufgerissenen Augen schockiert an. Aus Takaos Auge löste sich eine Träne. Max schluckte trocken und Kenny schien nicht zu wissen, was er tun sollte. Ivan starrte Kai mit weitaufgerissenen, entsetzten Augen an.

Yuriy sah wieder zu Kai hinunter. Das konnte doch nicht wirklich geschehen? Kai - sterben? Aber... das durfte nicht sein!
 

"Tö...tet...ihn...für mich.", flüsterte Kai leise. Wieder spuckte er Blut und hustete. Yuriy hörte Schritte, als Jacques, Kais Mörder, sich langsam entfernte. Wahrscheinlich gab er jetzt den Befehl, dass man sie gefangen nehmen sollte. Wie konnte er nur?

"Kai.", flüsterte Yuriy. "Kai." Immer wieder sagte er den Namen. Er wusste nichts sonst zu sagen.

"Yuriy.", flüsterte Kai und lächelte ihn noch einmal an. Wie konnte er jetzt nur lächeln?! "Sei still. Weint nicht."

Seine Augen strahlten noch immer, wie rote Sonnen und gaben den Blick in seine Seele frei, für alle von ihnen. Kai sah noch einmal in die Runde, dann wieder zu Yuriy. Er hob schwach die Hand und berührte Yuriys Wange.

Es schien diesem, als würden Kais Augen wärmer werden, strahlender, glücklicher. "Yu...riy." Aber nur für einen Moment. Dann brach sein Blick und die wunderschönen Augen wurden wieder dunkel. Nein, nicht gebrochen, zersplittert. Feuerrabes Hand rutschte von Yuriys Wange ab und fiel in den Staub, sein Kopf sackte zur Seite.

Kai war tot.
 

~~~~~~~

Verbündete

Titel: Krieger, Magier und Diebe

Teil: 14/24

Autor: Lady Silverwolf

Anime: Beyblade

Warning: OOC

Disclaimer: Die Hauptcharaktere gehören nicht mir und ich verdiene kein Geld mit dieser Fanfic.
 

"..." reden

//...// denken
 

Widmung: Meiner Schwester, die heute(24.10) Geburtstag hat. Mal sehen, ob sie dieses Kapitel irgendwann erreicht...
 

~~~~~~~
 

Das letzte Kapitel ist ja ziemlich gut angekommen. *g* Über 50 Hits und das in so kurzer Zeit... Jedenfalls waren eure Reaktionen darauf ganz unterschiedlich. Aber ihr alle fragt euch, wie es jetzt weitergeht. Dazu kann ich nur sagen: Lasst euch überraschen.
 

Über Kais Tod ist jedenfalls nur eine Person in Begeisterungsstürme ausgebrochen. *drop* Egal, wir legen trotzdem eine Trauerminute für ihn ein.
 

...
 

...
 

...
 

Schön, wenn wir das jetzt vorbeihaben, machen wir da weiter, wo wir aufgehört haben. Beziehungsweise, wir machen da eben nicht weiter, sondern ganz woanders.
 

**
 

@ are: O.O Wow...was für ein toller Kommi! ^.^ Macht richtig Spaß ihn zu lesen. Ich hab noch nie einen so langen Kommi gekriegt. ^----^ Aber erst mal, sorry, wegen der vielen Personen. v.v Im nächsten Kapitel kommt der letzte(glaube ich) und dann sind alle vollzählig.

Blind ist Kai nicht, aber sehen tut er jetzt auch nix mehr.

Byran x Rei, mein 2. 'Pairing'. Ich habs schon öfter gesehen, sogar in zwei recht guten FFs - vor allem in englischen - und wenn mans richtig anpackt, gibt das sogar 'n guten Stoff ab. v.v Schön, dass es dir gefällt, ich habs normal nich so mit Rede und so...Keine Sorge, der Kerl wird wieder gesund.

Nunchaku ist eine Waffe, zwei oder drei Holzstäbe, die mit einer Kette oder einem Seil miteinander verbunden sind. Sieht man öfters in Hongkongfilmen und so.

Ich hab irgendwie gar nicht gemerkt, wie schlimm dieses Kapitel wirklich ist. *drop* Irgendwie ist mir das gar nicht aufgefallen. ^^''''

Äh...ja, dieser Flashback ist wirklich nix für zarte Gemüter, ich hab aber auch nie gesagt, dass die Story harmlos ist. (Rating ist PG-16, schätze ich.) 'Stolz' ist negativ, da stimme ich dir voll und ganz zu, auch wenn jeder zumindest einen Funken braucht. Aber Kai hat da einiges zuviel abgekriegt, glaube ich.

°///° Ja, habs auf Kinderschändung angelegt, aber was da wirklich passiert, überlass ich der Phantasie des Lesers. Bin ich wirklich so schlimm?

Romantisch? Unter romantisch verstehe ich eigentlich was anderes, aber wenn man es genau betrachtet... Ursprünglich waren die LesDemondes zuerst hier die Magier und dann erst in Feuermond. Das hängt mit Olivier zusammen, da der nicht wirklich der Typ für einen Krieger ist. Oder könntest du dir den in voller Rüstung auf einem Schlachtross in einem Krieg vorstellen? Schon allein die Vorstellung ist absurd. Obwohl ich ihm in beiden Geschichten eine Waffe in die Hand gedrückt habe, mit denen er auch umgehen kann.

Ich glaube, ich hab, als ich dieses Kapitel geschrieben hab, meine sadistische Ader entdeckt. Normal geh ich mit meinen Charas nich so um. ^^'''' Äh, ja, wie du gesehen hast, ich wage mich noch weiter vor.

Schön, dass es dir gefällt, dass Kai jetzt tot ist. *drop* Ich hab mit allem möglichen gerechnet nach diesem Kappi, aber nicht, dass das jemand so aufnimmt. v.v

Tja, was wird aus den Vier Göttlichen? *frag* Grübel mal ein bisschen nach...
 

@ Spellmaster: Doch! Ich hab dir ja schon geschrieben. Aber psst! Nicht verraten! Es kommt jetzt nicht mehr vor, dass er sich so verhält. v.v Aber diese Wiedersehens-Szene war unheimlich schwierig zu schreiben. Vielleicht ändere ich sie noch mal, weil ich eigentlich auch nicht so zufrieden damit.
 

@ Jazzy: Nischt? Nu ja, jetz isser tot und er wacht sicher nich plötzlich auf und spring fröhlich herum. (Was er sowieso nie machen würde.) Hintertürchen? Vielleicht, wer weiß?
 

@ X66: Sorry, dass ich so schnell bin, soll ich ein bisschen langsamer laden?

Er musste sterben, weil es mir grad in den Kram gepasst hat. Ich mag die Szene auch, obwohl ich sie selbst geschrieben habe. ^.^

Warum 'alle'? Da rennen immer noch ein paar frei rum, Stichwort Mao, Gaou und Michael, denen dieses Kapitel hier gehört.

Nein, war er nicht. Im Ürgigen, wenn man es realistisch sieht, hätten sie auch keine Chance gehabt. Dann hätte ich mehr sterben lassen müssen als Kai und die Zeit war auch noch nicht reif, genau.

Ich hab versucht, diese Umformungen rauszumachen, aber irgendwie geht das nicht... ;_; keine Ahnung, warum nicht. Aber danke, dass du mich darauf aufmerksam gemacht hast.
 

@ Menteni: Doch, ist mein Ernst. v.v Ich hoffe, du bleibst mir trotzdem treu.
 

@ -ohohseven-: Danke für dein Kompliment. ^------------^ Story ist schon fertig, irgendwie überlesen? Außerdem kann ich das doch nicht einfach hier enden lassen, oder? Zu Kais Zukunft und Vergangenheit sag ich jetzt mal gar nichts. Ürigens stirbt ein Tisetah, wenn sein Hatesit stirbt und umgekehrt. Black Dranzer ist bei mir männlich. Hillary kommt noch mal vor, ja, aber erst in den letzten Kapiteln. Die Amulette sind bei Hiro, dort können die jeweiligen Hatesit sie abholen, wenn sie denn zu ihm kommen. Mao und Gaou(<--- japanische Namen von Mariah und Gary) kommen in diesem Kappi wieder vor. Kenny wurde der Spiegel abgenommen, sonst könnte er noch mit ihr sprechen. Aber allzuviel könnte sie auch nicht machen.
 

**
 

Mensch, ist das anstrengend eure Kommis zu beantworten... Vor allem, wenn man eine nervenaufreibende Bioarbeit hinter sich hat und einem gegenüber eine Horde Verwandte sitzen, die mit meiner Schwester Geschenke auspacken... @.@
 

In diesem Kapitel geht es etwas geruhsamer zur Sache. Oder eben nicht, kommt drauf an, wie man es betrachtet. Mao geht ja auch ganz schön zur Sache. Ich hätte gern noch mehr Szenen gemacht, in der sie so richtig die Sau rauslässt, aber irgendwie hats nicht gepasst. Ich hab 'ne Schwäche für starke Frauencharkatere, darum ist sie einer meiner Lieblinge.
 

~~~~~~~
 

Verbündete
 

Sturmrose hatte ein Hufeisen verloren. Michael verfluchte das Schicksal, das ihn gerade jetzt dazu brachte, eine Insel mit einem guten Hufschmied zu suchen. Lange konnte er sein Pferd nicht so herumlaufen lassen, er brauchte es doch noch. Also hatte er einen Umweg machen müssen, der ihn viel Zeit kostete. Darum kam er statt nach den geplanten drei Tagen erst nach sieben Tagen an seinem Ziel an.

Diese Zeit nutzte er mehr oder minder dafür, seinen Gedanken nachzuhängen. Michael wusste, dass viele ihn für gedankenlos, oberflächlich und leichtfertig hielten, aber das war er keinesfalls. Er zeigte es nur nicht jedem.

Nach der endlosen Einöde der Wüste war er froh, endlich wieder auf eine Insel zu treffen, auch wenn das Teshnan war. //Ich bin lange nicht mehr hier gewesen.//, dachte er, als er am Rande der Steilklippe stand, die die Insel eingrenzte.

Es gab nur wenige Wege hinunter und sie alle wurden scharf bewacht. Nun ja, bis auf einen. Und an der Felswand sollte man nicht versuchen hinunterzuklettern. Das konnte sehr schnell im Tod enden.
 

Die Insel war grün, größtenteils von Laubwald bewachsen, nur im Süden befand sich eine große, freie Fläche. Dort befanden sich die drei Dörfer und die Felder. Auch der Turm der Drei Winde befand sich dort und erhob sich wie ein drohender Schatten über den kleinen Siedlungen darunter.

Hier in Teshnan lebten nur Magier und naive Bauern, die nie im Leben ein technisches Gerät gesehen hatten. Das war auch besser für sie, denn die Magier hier mochten keinen Fortschritt. Den Fortschritt würde ein besseres Leben für die Leute bedeuten und das wiederum würde irgendwann in einen Aufstand münden, denn die Menschen hier waren nicht frei, sondern lebten unter der Herrschaft der Magier. Sie fürchteten und hassten sie, aber sie waren absolut hilflos gegen sie.

Michael wusste das, er hatte es schließlich am eigenen Leib erfahren. Ein bitteres Lächeln schlich sich auf seine Lippen, aber es verschwand kurz darauf wieder. Darüber dachte er nicht nach.

Jetzt war er also wieder hier. Es kam nicht oft vor, dass Hatesit in solche Hochburgen der Magier ritten, denn hier war deren Macht größer als andernorts. Michael aber war oft hier. Er war hier aufgewachsen, Teshnan war seine Heimat. Seine Familie lebte hier, seine Brüder und Schwestern, seine Eltern, Onkel, Tanten, alle. Nie hatte einer von ihnen die Insel verlassen. Nie, bis zu jenem schicksalhaften Tag, der Michael aus der Insel vertrieben hatte.

Der Hatesit schob den Gedanken daran beiseite. Es war nicht die rechte Zeit über vergangene Dinge nachzudenken. Auch wenn sie wichtig und wertvoll waren. Jetzt war die Zeit, den Blick in die Zukunft zu richten.
 

Er wendete Sturmrose und ließ sie am Inselrand entlang traben. Um ,seinen' geheimen Zugang zur Insel zu nutzen, würde er auf die andere Seite müssen. Er hatte ihn durch einen Zufall entdeckt, höchstens acht war er damals gewesen. Damals, als er das erste Mal die Wüste gesehen hatte. Er erinnerte sich noch ganz genau an den Tag. Ein Gewitter hatte über der Insel gehangen und er war davon überrascht worden, so dass er sich in der Höhle verkrochen hatte.

Aus Neugier war er tiefer hineingekrochen als er es eigentlich sollte und plötzlich war er in der Wüste gewesen, umtost von heulendem Wind und nur kurzzeitig von zuckenden Blitzen erleuchtet. Blitze, die scharfe Silhouetten von Felsen und Formen zeigten. Keine Farben, alles war schwarz und weiß und grau gewesen.

Damals - so glaubte Michael - hatte er Trygle zum ersten Mal gesehen. Der riesige goldene Adler, der am Himmel gekreist war. Die goldenen Federn hatten wie elektrisch geladen geleuchtet und einen angenehmen Schimmer verbreiten. Allerdings war es nicht zur Bindung gekommen, denn er war voller Angst geflohen. Als er später noch einmal hingegangen war - Wochen später - war Trygle nicht mehr da gewesen.
 

"Wenn das nicht Himmelskönig ist!" Die laute, fröhliche Stimme riss ihn aus den Gedanken. Verwirrt zügelte er Sturmrose und sah sich um. Er konnte niemanden erkennen. Wer...? Er kannte den Sprecher, aber wusste im Moment nicht, wer es war.

"Hier oben, du Dummkopf!" Ein Schatten viel über ihn und er blickte auf. Über sich erkannte er eine schlanke Gestalt. Allerdings fiel ihm die Sonne direkt in die Augen, so dass er nur eine Silhouette erkennen konnte. "He, was treibt dich hierher, Himmelskönig?"

"Wenn ich wüsste, wer du bist, würde ich dir sogar antworten.", sagte er und der Andere lachte. "Einen Moment." Dann verschwand die Gestalt. Kurz darauf konnte er die Hufen eines Pferdes hören und dann tauchte der Sprecher wieder auf, diesmal neben ihm und mit einem unruhigen, schwarzen Pferd am Zügel.

Jetzt erkannte Michael ihn sofort. Die roten Haare und das fröhliche, sympathische Gesicht mit den wild funkelnden, violetten Augen waren auch unverkennbar. Er war ein Jahr jünger als Michael selber, trug einfache, aber gute Kleidung und ein Schwert an der Seite. "Syrillions Feuer. Schön, dich wiederzusehen."
 

Er schwang sich aus dem Sattel und trat dem Anderen grinsend entgegen. Jonny ,Syrillions Feuer' McGregor erwiderte das Grinsen und umarmte ihn kurz zur Begrüßung. "Wie geht's dir so, Michael?"

"Ganz gut. Bis auf ein paar Sorgen drückt mich nichts."

"Das gleiche kann ich auch sagen. Sag, haben deine Sorgen mit den Dieben zu tun?"

"Ganz recht." Einen Moment schwieg Michael und sah sich um, dann fragte er: "Was treibt dich nach Teshnan? Das ist kein gewöhnlicher Ort für einen Hatesit."

"Darf ich das gleiche zu dir sagen? Was mich betrifft, ich habe Wind davon bekommen, dass die Diebe mit den Magiern vom Drei-Winde-Turm zusammenarbeiten. Darum bin ich hier. Bei dir ist es das gleiche, schätze ich?"

"Ja. Unter anderem." Jonny zog eine Augenbraue hoch, sagte aber nichts zu Michaels letzter Bemerkung. Auch wenn er nicht wirklich in der Wüste lebte, so hielt er sich doch an ihre Gesetze. "Rein kommen wirst du allerdings nicht.", meinte er darum enttäuscht. "Ich bin schon seit über einer Woche hier, aber einen Weg habe ich noch nicht gefunden. Die passen besser auf ihre Eingänge auf als auf ihre Augäpfel."

"Lass das nur meine Sorge sein. Komm." Michael winkte dem Jüngeren grinsend.

"Was willst du damit sagen?", fragte Jonny und wandte sich wieder seinem tänzelnden Pferd zu. "Halt still, Nachtgeflüster. Du bist manchmal echt nervig!" Mit einem Satz schwang er sich in den Sattel.

Michael tat es ihm gleich und lenkte Sturmrose wieder auf seinen Weg zurück. "Komm. Ich...bin öfters hier. Ich kenne die Insel ganz gut. Auch wenn ich seit Monaten nicht zurückgekommen bin. Ich weiß auch, wo wir unterkommen können" Jonny schwieg und Michael war ihm dankbar dafür. Syrillions Feuer würde früher oder später - eher früher, wie Michael die Lage und sich selbst einschätzte - sehr viel über ihn erfahren.
 

Schweigend legten sie den Weg zurück, bis Michael schließlich stoppte. "Das nächste Stück müssen wir laufen. Die Pferde selbst können hier kaum aufrecht gehen."

Jonny rutschte aus dem Sattel und sah sich um. "Und hier geht es in die Insel?", fragte er verwirrt. Er konnte nichts erkennen, was auch nur annähernd wie ein Weg aussah.

"Lass dich überraschen.", grinste Michael und verschwand zwischen einigen Felsen. "Komm. Sonst verlierst du mich."

Jonny folgte ihm sofort. Er sagte nichts, sondern machte nur große Augen, nachdem Michael ihn um einige Steine herumgeführt hatte. Jetzt standen sie vor einem Loch. Ein Loch in der Felswand.

"Das ist ein direkter Weg in die Insel.", erklärte Michael. "Ich hab ihn durch Zufall entdeckt als ich acht war."

"Acht?", wiederholte Jonny zweifelnd.

Sein Gegenüber nickte. "Ganz recht. Ich bin hier aufgewachsen. Komm." Schweigend folgte der Rothaarige. Der Gang war dunkel, aber nicht lang und man konnte Schatten erkennen. Langsam tasteten sie sich voran und atmeten erleichtert auf, als sie die andere Seite erreicht hatten.

Die Pferde - vor allem Nachtgeflüster - stampften unruhig und schnaubten. Der Rappwallach schnaubte und schüttelte wild die Mähne. "Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du eine Nervensäge bist?", flüsterte Jonny dem Pferd zu und beruhigte es wieder. Dann verdrehte er die Augen und sagte: "Das Vieh ist viel zu unruhig für die Wüste."
 

Michael lachte. Das hatte er schon lange gesehen. "Warum reitest du ihn dann? So weit ich mich erinnere, hattest du letztes Mal ein anderes. Wie hieß es noch? Dreifluss?"

"Ja. Aber die Njeedan haben es erwischt. Und mir ist beinahe auch noch mein Gepäck flöten gegangen.", maulte Jonny. "Varaconn hat mir den da gegeben. Hat gemeint, er würde wunderbar zu mir passen. Haha."

"Du kennst doch Varaconn."

"Ja. Deshalb habe ich Nachtgeflüster ja auch genommen. Und außer seiner Nervosität ist an ihm nichts auszusetzen." Sie erreichten den Ausgang. Jonny sah sich suchend um. "Wohin jetzt? Nach Süden zu den Dörfern?"

"Nein. Erst später und wenn es dunkel ist. Vorher müssen wir noch die Pferde verstecken und ich muss noch wohin." Michael saß wieder auf. "Komm." Er lenkte Sturmrose in den Wald und hörte, wie Jonny ihm folgte.

Die Hatesit genossen den Ritt. Teshnans Landschaft war wunderschön und noch nicht von Fabriken verpestet. Man konnte Vögel singen hören, Tiere, die im Gebüsch raschelten, und einmal sahen sie sogar eine kleine Rehherde, die sofort davon stob, als sie die Menschen erkannte.

Die Bäume spendeten Schatten und es war angenehm kühl, aber nicht kalt, und die Sonne, die durch die Blätter fiel, zeichnete goldene Flecken auf den Boden. Stumm ritten sie eine Weile bis Michael schließlich wieder anhielt. Vor ihnen rauschte ein Fluss und man konnte das entfernte Donnern eines kleinen Wasserfalls hören.
 

"Was ist hier?", fragte Jonny neugierig und sah sich um. "Hier können wir die Pferde lassen und den Großteil unseres Gepäcks unterbringen. Die Magier dürfen ja nicht merken, dass wir hier sind. Außerdem ist hier...noch etwas anderes."

Michael rutschte wieder aus dem Sattel und führte Sturmrose am Zügel auf die kleine Lichtung, die vor ihnen lag. Sie war von Wald umgeben, nur an einer Stelle erhob sich eine steile Felswand. An deren Fuß befand sich ein kleiner Teich, in der sich von den Felsen ein kleiner Wasserfall ergoss.

Ein schmaler Bach suchte sich einen Weg durch die grasbewachsene Lichtung und verschwand im Schatten des Waldes. An seinen Ufern wuchsen kleine Pflanzen mit blauen Blüten, die aussahen wie ein Teppich.

Die Sonne spiegelte auf dem Teich und ließ ihn teilweise golden erscheinen und sie tauchte die gesamte Lichtung in ein freundliches Licht. Der Rand des Teiches war an der einen Seite mit Schilf bewachsen, an der andern konnte man bis zum Wasser gehen. Einige Seerosen blühten auf der Oberfläche.

Nur zwei Meter daneben wuchs eine schlanke Birke, die einzige in diesem Teil des Waldes. In ihre Rinde waren einige Zeichen geschnitzt worden.

Jonny starrte sie an und fragte: "Wer hat die gepflanzt?"

Michael schwieg einen Moment, ehe er antwortete: "Ich."
 

Nachdenklich trat Jonny näher und dann konnte er auch erkennen was auf dem Stamm geschrieben stand. "Gladys Scott. Gestorben wegen Stolz.", las er vor. Unter dem Schriftzug war ein grober Rabe zu sehen und das zerbrochene Rad Cuallarions.

Jonny sah zu Michael hinüber. "Meine Zwillingsschwester.", erklärte dieser und seufzte. "Sie war...das schönste Mädchen im Tal."

Jonny verstand und meinte: "Die Magier haben das auch gesehen."

"Ja. Aber Gladys wollte nicht, also hat er sie umgebracht. Es hat ihn in der Ehre gekränkt." Michael trag neben Jonny. "Ich...ich wollte Gerechtigkeit. Aber statt das zu bekommen, haben sie mich in die Wüste geschickt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Drei Wochen...drei verdammte Wochen haben mich nur der Hass und der Wunsch nach Rache auf den Beinen gehalten. Dann habe ich Trygle getroffen."

"Ich verstehe. Hast du ihn getötet?"

"Ja. Vor etwa zwei Jahren." Michael lächelte wehmütig und strich über die Rinde. "Lässt du mich einen Moment allein?"

"Ich kümmere mich um die Pferde. Wo soll das Gepäck hin?"

"Hinter den Wasserfall. Am Rand kannst du entlanggehen, ohne sonderlich nass zu werden."
 

Jonny nahm Sturmroses Zügel und führte die beiden Pferde an das andere Ende des Tales. Immer, wenn er die Geschichte eines Hatesit hörte - was natürlich nicht oft war, aber hin und wieder eben doch - so war er froh, dass er in Syrillion geboren und aufgewachsen war. In Syrillion kannte man den Hass auf die Bündniskrieger nicht, denn die Insel wurde ja von ihn regiert.

Nachdenklich sattelte er die Pferde ab und versorgte sie, ehe er das Gepäck in die kleine Höhle brachte, die hinter dem Wasserfall verborgen lag. Sie würden es nicht brauchen in Teshnan.

Michael saß die ganze Zeit vor dem Baum und hing seinen Gedanken nach. Jonny störte ihn nicht. Es war ihm anzusehen, wie sehr er seine Schwester vermisste. Er trauerte noch, hing ihr aber nicht nach. Die Vergangenheit lag zurück und die Zukunft wartete. Das unterschied Himmelskönig von Feuerrabe.

Schließlich erhob sich der Dunkelblonde und lächelte Jonny zu. "Komm. Ich stelle dir jetzt meine Familie vor. Du wirst sie mögen."
 


 


 

"Ach je! Ich hätte nicht gedacht, dass Sturmvogel so schwer zu finden wäre!", rief Mao und warf die Hände in die Luft. Sie war ärgerlich, ärgerlich und wütend, vor allem über sich selbst. Warum hatten sie sich auch von diesem komischen Spaßvogel so in die Irre führen lassen! Der Kerl hatte sie doch nicht alle! Sie einfach sonst wohin zu schicken. Da konnte doch wer-weiß-was passieren.

"Beruhige dich, Mao. Wir werden ihn schon finden."

"Ja. Sicher. Irgendwann. In zehn Jahren vielleicht."

"Hör auf damit!"

"Mit was?"

"Ich mag es nicht, wenn du so sarkastisch bist."

"Tut mir Leid, Gaou. Aber ich bin total gereizt. Während wir hier sinnlos in der Wüste herumstapfen, passieren woanders wichtige Dinge. Und wir sind nicht dabei!" Wütend stampfte Mao mit einem Fuß auf.

Gaou saß ruhig auf einem Stein in der Nähe. "Ach, Mao, nimm es nicht so schwer! Die Anderen werden uns schon nicht vergessen."

"Arg! Ich weiß ja. Aber trotzdem! Dieser Sturm hat alles durcheinander gebracht! Wir verplempern hier nur Zeit. Wir hätten schon vor Tagen weitermachen können. Aber nein, der Wettergott pfuscht uns ins Handwerk und nun hocken wir zwei hier herum, während Lee und Rei sonst wo sind und Kevin mit Caras bei Sturmvogel auf uns wartet. Arg!" Mao riss sich an den Haaren und lief ärgerlich im Kreis.

Gaou störte das nicht. In den letzten Tagen hatte sie mehrere solcher Ausbrüche gehabt. Er verstand sie, auch wenn er sich selbst niemals so hätte gehen lassen. Dazu war er viel zu gutmütig und ruhig.
 

Schließlich beruhigte sich Mao wieder und ließ sich neben ihm auf den Boden fallen. Mit einer Bewegung fuhr sie sich durch das Gesicht, ehe sie mit dem breiten Goldring an ihrem Oberarm spielte und ihn hin und her drehte. "Was machen wir jetzt?", wollte sie wissen. "Ich meine, wir können noch Jahre durch die Wüste rennen ohne auch nur eine Person zu treffen. Sollen wir nach Zhekan zurück?"

Gaou zuckte die Schultern. Das hatten sie schon versucht, aber irgendwie hatten sie den Weg nicht mehr gefunden. Nörgelnd starrte Mao auf den Horizont und zuckte die Schultern. Die Wüste war schon eine seltsame Gegend.

Erst, als sie Pferdehufe hörte, sah sie auf. Auch Gaou starrte in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Sie wechselten einen Blick, ehe Mao hastig aufsprang und nach ihren Fächern griff. Auch Gaou erhob sich. Freund oder Feind? Noch konnten sie den Reiter nicht sehen, da er aus der Richtung kam, wo eine Menge Felsen aufgetürmt waren, aber sie konnten hören, dass es nur zwei waren. Ob sie ihnen helfen konnten?

Schließlich bog ein großes, braunweiß geschecktes Pferd gefolgt von einem kleineren Rappen um die Ecke. Es war knochig, griff aber mit den langen Beinen weit aus und unter dem glänzenden Fell bewegten sich die Muskeln geschmeidig. Der Rappe war kleiner und zierlicher und sah sehr viel besser aus. Außerdem trug es keinen Reiter, sondern nur Gepäck. Also war es nur einer.
 

Der Reiter auf dem Rücken des Schecken war noch ein Junge, höchstens achtzehn. Sein Gesicht war offen und freundlich und von dichtem, grünem Haar umrahmt, das ihm in einem langen Zopf den Rücken hinunterhing. Die Packtaschen am Sattel waren voll beladen, hinter dem Sattel trug das Pferd ein in eine grobe Decke gewickeltes Bündel, vorn an der Pferdeschulter war ein Lederhalfter mit einem Gewehr befestigt und am Gürtel trug er ein Schwert. Er saß lässig und sicher im Sattel und kurz meinte Mao, das Blitzen einer Goldkette im Sonnenlicht zu sehen.

Als er sie bemerkte, zügelte er seine Pferde und kam näher. "Hallo!", grüßte er freundlich lächelnd. "Habt ihr euch verlaufen? Man trifft hier selten Leute."

Mao zögerte einen Augenblick mit der Antwort. Dann sagte sie: "Ja. Kannst du uns helfen? Wir suchen Sturmvogel." Der Fremde sah nicht aus, als würde er zu ihren Feinden zählen, außerdem trug er tatsächlich eine Goldkette um den Hals und an dieser hing ein kleines, rundes Amulett in dunklem Violett, dass ein schwarzes Zeichen trug. Nur schlecht konnte sie erkennen, dass darauf Hund und Cerberus stand. Ein Hatesit!

"Ah, Sturmvogel.", meinte er und rutschte aus dem Sattel. "Der ist für Nicht-Eingeweihte tatsächlich schwer zu finden. Ihr habt eure Insel noch nicht lange verlassen, habe ich recht?" Mit wenigen Schritten trat er auf sie zu und reichte ihnen die Hand. "Zeo Zaggart mein Name. Ich bin hier draußen sozusagen ein alter Veteran."
 

Mao lächelte. Sie mochte den freundlichen Jungen sofort. Aber tief in ihrem Inneren flüsterte eine Stimme, dass Zeo kein wirklicher Freund war. "Mao Ming.", antwortete sie. "Und das ist mein Reisegefährte Gaou Chen. Du hast recht, wir sind noch nicht lange weg. Wir hatten nie eine Veranlassung dazu. Kannst du uns helfen?"

"Sicher. Ihr seid gar nicht so weit weg. Ein, zwei Tage und ihr werdet das Felslabyrinth erreicht haben. Dort werdet ihr schnell jemanden finden, der euch weiterhilft." Er deutete nach Süden. Mao lächelte ihn strahlend an. Angst ballte sich in ihrem Bauch zu einem Knoten zusammen. Aber warum? Was sollte an ihm so gefährlich sein? Verdammt, vielleicht lag es gar nicht an Zeo? Ihr Zweites Gesicht war nicht immer ein Segen, oft wies es sich als Fluch aus. So wie jetzt?

"Danke! Du hast uns sehr geholfen. Wer weiß, wie lange wir sonst herumgeirrt wären."

"Kein Problem." Er zögerte einen Moment und warf Gaou einen Blick zu. "He, habt...habt ihr schon von dem Dieb gehört?"

"Dieb?", hackte Mao nach. "Dem, der die Amulette stiehlt?" Sie war sofort vorsichtig.

Zeo nickte. "Ja. Genau dem. Wisst ihr über ihn Bescheid?"

"Nun, nein, eigentlich nicht.", murmelte sie. Hoffentlich behauptete Gaou jetzt nicht das Gegenteil und somit die Wahrheit. Aber der große Zhaon'El schwieg weiterhin. Mao fragte sich, warum sie log? Es war ihr einfach so herausgerutscht. Sie wusste nicht, warum, aber ihre Intuition sagte ihr, dass sie weiterhin bei dieser Lüge bleiben sollte. Aber warum? Von Zeo ging doch nichts feindseliges aus. Eher im Gegenteil. Aber trotzdem hatte sie Angst, Angst, die beinahe in Panik umschlug. Hoffentlich bemerkte Zeo das nicht! Gaou warf ihr schon besorgte Blicke zu. Er kannte sie, er hatte es natürlich bemerkt.

"Nur das, was alle anderen auch wissen."
 

"Ach so." Zeo klang enttäuscht. Ob er es wirklich war? "Nun ja. Wer etwas Neues erfährt, teilt es den anderen mit."

"Ich...wir wissen das. Aber ich glaube nicht, dass wir weiterhelfen können. Wir haben im Moment genug Probleme?"

"Die da wären?"

"Wir...suchen unsere Freunde. Vor einiger Zeit haben wir uns getrennt. Wir wollten uns bei Sturmvogel wiedertreffen. Hoffentlich verpassen wir sie nicht, weil wir hier so lange herumgeirrt sind." Was sollte dieses ganze unsinnige Geplapper? Mao lächelte unsicher. "Also...also dann. Wir sollten nun los."

"Ja. Ich auch." Zeo lächelte zurück, nichtssagend. Mao wurde aus ihm nicht schlau. Verdammt! Was sollte das alles? Er verbeugte sich leicht. "Ich wünsche eine gute Weiterreise. Hoffentlich findet ihr Sturmvogel. Ich würde euch den Weg gerne selber zeigen, aber ich muss weiter. Ich habe jemandem etwas versprochen." Mit dem Daumen deutete er auf das Deckenbündel an seinem Sattel.

Mao sah hin und erkannte einen Schwertgriff, der herausragte. Sie zog die Augenbrauen zusammen, aber beinahe sofort glättete sie die Stirn wieder. Wer transportierte auf diese Art und Weise Waffen? "Danke schön. Dir auch." Sie lächelte und sah zu, wie er sich wieder in den Sattel schwang. Er winkte ihnen noch einmal und wendete seine Pferde.
 

Mao winkte Gaou und setzte sich in Bewegung. Sie folgte Zeos Anweisungen und ging nach Süden. Allerdings stoppte sie bereits nach den Felsen wieder. "Gaou, tu mir den Gefallen und warte hier auf mich."

"Mao, was ist los?" Er hielt sie am Arm fest, als sie an ihm vorbei wollte. "Warum hast du Angst vor ihm?"

Sie sah ihn kurz an. "Ich weiß nicht. Das will ich ja gerade herausfinden. Warte hier, ja?" Sie reichte ihm ihr Bündel und machte sich von ihm los. Rasch überprüfte sie ihre Waffen, die beiden Fächer, die Dolche an Oberschenkel und Gürtel, und zuletzt nahm sie die Lanze in die Hand. Sie war ein gutes Stück mit biegsamen Schaft aus Bambus und einer scharfen Spitze, die durch ein rotes Band scharf vom Schaft abgegrenzt wurde. "Ich werde schon aufpassen."

Mit schnellen Schritten lief sie wieder zurück und spähte ums Eck. Gerade verschwand das Hinterteil von Zeos schwarzem Pferd zwischen einigen Felsen. Hastig lief sie hinterher. Sie wollte ihn ja nicht verlieren. Mit ein paar Sprüngen hatte die Steine erklommen. Flach auf den Bauch gepresst kroch sie vorwärts. Er durfte sie auf keinen Fall sehen.

Sie konnte die Hufe hören und fragte sich, warum sie auf den Gedanken gekommen war, ihm zu folgen. Zum einen gab es nichts, das ihren Verdacht, er sei ein Feind, bestärkte, zum anderen aber war er zu Pferde unterwegs und würde sie wahrscheinlich rasch hinter sich gelassen haben. Für eine kurze Strecke mochte Mao zwar in der Lage sein, mit einem galoppierenden Pferd Schritt zu halten, aber eben nur für kurze Zeit.
 

Hastig sprang sie von ihrem Felsen herunter und schlich näher. Lautlos ging sie zum nächsten Felsen und spähte daran vorbei. Sofort konnte sie Zeo wieder sehen. Er ritt langsam, nur im Schritt und schien unschlüssig. Suchte er denn etwas? Was sollte hier schon sein? Jetzt schüttelte er den Kopf und klopfte dem Pferd auf den Hals, ehe er es wendete und genau auf sie zuritt. Hinter sich zerrte er den Rappen her.

Hastig wich sie zurück und glitt in einen Spalt im Felsen. Zu ihrem Erstaunen weitete sich der Spalt, so dass sie den Eindruck bekam, der Felsen wäre hohl. Wie praktisch. Rasch kletterte sie ihn hinauf und spähte über den Rand nach unten. Sie konnte Zeo vorbeireiten sehen. Er lenkte die Pferde um ein paar Felsen herum, so dass sie ihn wieder aus dem Blick verlor. Allerdings konnte sie die Pferdehufe noch hören.

Rasch verließ sie ihren Beobachtungsposten und folgte ihm. Ob die anderen Felsen ebenso hohl waren wie der andere? Ebensolche Verstecke? Sie glitt durch einen Spalt und fand ihre Vermutung bestätigt. Rasch erklomm sie ihn und dann konnte sie Zeo wieder sehen. Er befand sich nicht weit von ihr und hatte seine Pferde wieder gezügelt. Diesmal nickte er und ließ sich aus dem Sattel gleiten. Dann hockte er sich in den Schatten und lehnte sich zurück. Anscheinend schien er auf etwas zu warten.
 

//Das scheit länger zu dauern.//, dachte Mao und machte es sich ebenfalls bequem. Sie würde hier so lange ausharren, bis Zeo wieder aufbrach, und dann zu Gaou zurückkehren, egal, was das hier gebracht hatte. Wenn der Grünhaarige hier nur ein kleines Nickerchen machte, schön, dann hatte sie Pech gehabt, aber sie würde ihm sicher nicht folgen können. Aber das glaubte sie nicht. Immerhin hatte er sich diesen Ort mit Bedacht ausgesucht. Eine Pause hätte er auch da drüben machen können.

Sie behielt Recht. Es dauerte nicht lange, da hörte sie wieder Pferdehufe, lange vor Zeo. Wer das wohl war? Wartete Zeo auf ihn? Der horchte erst später auf und starrte in die Richtung, aus der der Reiter kommen würde. Dann rappelte er sich auf und fing rasch sein knochiges Pferd ein. Den Rappen ließ er außer acht.

Kurz darauf erschien der Reiter zwischen einigen Felsen und kam rasch näher. Sein Pferd sah wesentlich besser aus als Zeos, aber es schien nicht halb so gut zu sein, denn es schwitzte und warf unruhig den Kopf hin und her.

Der Mann im Sattel schien es allerdings unter Kontrolle zu haben, wenn auch mit roher Gewalt statt durch Können. Er war groß, blond und breit, trug unter einer schwarzen Stofftunika ein Kettenhemd und an der Seite ein Schwert. Vorn am Sattel war eine große Axt befestigt und in der Hand hielt er einen Stab, dessen Nutzen Mao nicht einmal ahnen konnte. Als Kampfstab war er zu klein und auch zu dick und außerdem war an seiner Spitze ein roter Stein befestigt. Mao überlief ein unangenehmer Schauer, als sie ihn ansah. Der Kerl war...böse.
 

Schlimmer noch als Karmaat oder Scaramak. Viel schlimmer. Sie wusste nicht, woran es lag, aber sie wünschte plötzlich, sie wäre nie auf die Idee gekommen, Zeo zu folgen. Dann hätte sie diesen Kerl niemals gesehen. Hoffentlich entdeckten die sie nicht!

Als der Reiter näher kam, erkannte Mao eine hässliche Narbe, die sich quer durch sein Gesicht zog. Rasch brachte der Neuankömmling sein Pferd vor Zeo zum Stehen und glitt aus dem Sattel. "Ist alles nach Plan gegangen?", fragte er sofort ohne Begrüßung.

Der Grünhaarige nickte. "Ja. Mehr oder weniger."

"Was bedeutet das?"

"Sterndeuter hat einen von ihnen getötet und das Amulett weggeworfen." Amulett? Weggeworfen? Also gehörten die zu den Dieben? Auch wenn sie es bei Zeo nicht glauben konnte - immerhin war auch er ein Hatesit! - so gab es doch jetzt keinen Zweifel mehr, dass sich hier Angstgefühl auf ihn bezogen hatte. Sie fühlte sich irgendwie erleichtert und der Angstknoten lockerte sich etwas. Immerhin wusste sie jetzt, mit wem sie es zu tun hatte.

"Warum?", erkundigte sich der Fremde gerade.

"Woher soll ich das wissen? Der meinte nur, das Amulett wäre nicht brauchbar und der Kerl infolge dessen auch nicht."

"Hat er eine Erklärung gegeben?"

"Nein, sagte ich doch schon. Hörst du denn nie zu?"

"Werde nicht unverschämt, Junge."

"Tzz.", machte Zeo. "Du solltest wissen, dass ich nicht so jung bin, wie ich aussehe, oder hast du das schon wieder vergessen? Ich dachte nicht, dass zu so dumm bist!" Der Schlag des Anderen ließ ihn sich zusammenkrümmen. Zeo presste die Arme auf den Bauch, wo er getroffen worden war, und keuchte. "Du...solltest nicht immer...gleich losschlagen, Chargrin.", keuchte er und seine Stimme klang schmerzerfüllt.
 

Der Narbige grinste nur. "Du solltest deine Zunge hüten, Kleiner. Ich weiß, dass du auf die Dreißig zugehst, mein Junge, aber ich bin trotzdem älter als du. Also, was hat Sterndeuter über den Toten gesagt?"

Zeo richtete sich wieder auf. Trotzdem schien es noch weh zu tun. "Nichts. Nur, dass er nicht brauchbar wäre. Allerdings schien er ihn zu kennen. Calaminus muss ihn schon selber fragen."

"Der Meister gibt sich nicht mit solchen Dingen ab. Ich werde das übernehmen." Calaminus? War das dieser Meister, von dem auch Karmaat und Scaramak gesprochen hatten? Wahrscheinlich. Also gehörte auch Chargrin zu diesen komischen Leuten, die nicht aus der Wüste kamen?

"Mir doch egal. Hier." Zeo kramte in seiner Satteltasche und zog einen kleinen Beutel hervor, den er dem Blonden hinhielt. "Die Amulette."

Doch Chargrin nahm sie nicht an. "Nein. Bring du sie und die Waffen ins Versteck. Der Meister hat mir befohlen, Windreiter in Zhekan abzulösen. Anscheinend hat es dort Probleme gegeben." Windreiter musste dieser Olivier sein.

"Ach so? Und wofür war dann dieses Treffen hier?"

"Damit ich weiß, was vorgefallen ist. Ich werde es dem Meister weitergeben."

"Du bist so ein Klugscheißer, Schwarzteufel!", maulte Zeo und stopfte den Beutel wieder in die Tasche zurück. "Weißt du eigentlich, was für einen Umweg ich habe machen müssen? Ich hätte schon längst im Tal sein können!"

"Das interessiert mich nicht, Kleiner. Ich führe nur Befehle aus und das solltest du auch tun."

"Jaja." Zeo schien nicht besonders begeistert davon zu sein.
 

Chargrin ,Schwarzteufel' knurrte ihn an und meinte: "Du solltest besser vorsichtig sein." Seine Stimme klang bedrohlich und jetzt hielt Zeo den Mund.

"Hat die Sache bei Zhekan auch geklappt?", wollte er schließlich wissen.

Chargrin nickte. "Ja. Der Wolf hat mich verständigt." Der Wolf? Scaramak? Natürlich kannten sie ihn. Sie alle schienen hohe Mitglieder der Diebesorganisation zu sein. "Sie bringen alle ins Versteck, so wie Sterndeuter das auch tun sollte."

Zeo winkte ab. "Keine Sorge. Der macht das schon. Ach ja, da waren noch mehr dabei, als wir gedacht haben."

"Wie meinen?"

"Nun ja, von zweien hat nur Sterndeuter gehört. Feuerstern und ich kannten sie nicht. Trotz ihrer mächtigen Tisetah. Sterndeuter wollte allerdings nichts sagen."

Chargrin sah sehr nachdenklich aus. "Bei Scaramak waren auch zwei dabei, die kannte niemand. Die waren aber Krieger und haben äußerst mächtige Tisetah gehabt, aber niemand kannte sie." Er schüttelte den Kopf. "Vielleicht kennt Sterndeuter sie auch. Wenn er im Versteck ist, soll er sie sich mal ansehen."

Zeo nickte. "War das alles?"

"Für heute schon." Chargrin drehte sich um und schwang sich wieder in den Sattel. "Keine Fehler, Stahlklaue!", drohte er. Der Angesprochene wich einen Schritt zurück und nickte. Auch er schien Angst vor Schwarzteufel zu haben. Mao schauderte. Wenn sogar sein eigener Freund - oder Verbündeter - sich vor ihm fürchtete, wie schlimm mochte er da sein?
 

"Und, ach ja, Silbergeist wird in ein paar Tagen kommen und die Amulette zum Meister bringen. Du solltest zu diesem Zeitpunkt schon im Tal sein! Keine Trödeleien!"

Zeo erbleichte. "Karmaat kommt?"

Er erntete nur ein höhnisches Grinsen. "Nur eine kleine Warnung meinerseits." Schwarzteufel wendete sein Pferd und presste ihm die Hacken in die Seite, so dass es sofort in schnellen Galopp fiel. Bald war es außer Sicht.

Mao atmete auf, als sich der Druck in ihrer Brust löste. Der würde nicht so schnell wieder kommen. Jetzt blieb nur noch Zeo. Und sie wusste schon ganz genau, was sie mit ihm vor machte. Bei ihm stand diese Möglichkeit offen, nicht wie bei Schwarzteufel. Bei dem hätte sie das nie gewagt.

Zeo blieb reglos stehen. Dann machte er sich daran, den Rappen zu holen. Schließlich hatte er beide Pferde zusammen. Er klopfte dem Schecken auf den Hals. "Na, Wolkenreiter? Du magst den Kerl auch nicht, oder?" Zeo ließ seinen Blick nachdenklich schweifen, dann sah er wieder das Pferd an. "Und jetzt sehen wir zu, dass diese Mao und ihr schweigsamer Gefährte nicht weit kommen. Wäre doch schlimm, wenn die Zhaon'El uns durch die Lappen gehen würden."

Also wusste er auch über sie Bescheid! Wahrscheinlich hatte er Nachricht von Karmaat ,Silbergeist' oder jemand anderem bekommen. Und das Geplapper vorhin war nur zur Ablenkung, damit er sie sich ganz genau ansehen konnte. Er musste ja schließlich wissen, ob er die Richtigen einfing! Mao grinste zufrieden. Aber da würde sie ihm einen dicken Strich durch die Rechnung machen!

Zeo machte keine Anstalten, auf das Pferd zu steigen, sondern blieb stehen. Anscheinend hatte er es nicht eilig, trotz seiner Furcht vor Karmaat. Mao schätzte den Abstand zwischen ihm und ihr und befand ihn für gering genug. Sie packte die Lanze fester und stieß sich ab.

Wie eine Katze sprang sie auf Zeo zu. Dieser reagierte schneller als gedacht, doch er konnte nicht mehr ganz ausweichen. Sie riss ihn zu Boden und sprang sofort wieder auf die Beine.
 

Die Pferde galoppierten erschrocken davon, wenn auch nicht viel. Zeo rollte sich herum und sprang auf. Sie ließ ihm keine Zeit, eine Waffe zu ziehen und setzte ihm nach. Ihre Lanze zuckte vor, traf ihn erst flach an der Seite, dann an der Schulter. Er schrie auf vor Schmerz und schien die Lage noch gar nicht so richtig begriffen zu haben.

Sie drehte die Lanze wie ein Rad und drosch ihm das stumpfe Ende unter das Kinn. Mit einem Aufschrei schlug er der Länge nach auf den Boden und stieß zischend den Atem aus. Sofort war sie über ihm und schlug zu. Ein gezielter Hieb reichte, ihn außer Gefecht zu setzen, der zweite gab ihr die Sicherheit, dass er nicht mehr so schnell aufstehen würde.

Zufrieden grinsend stand sie wieder auf. Das war ja leichter als gedacht. Sie rammte die Lanze neben ihn in den Boden und sah sich nach den Pferden um. Sie standen nicht weit von ihr und sahen aufmerksam herüber, rührten sich aber nicht. Mao seufzte. Viel Erfahrung hatte sie mit Pferden nicht, aber man musste mit ihnen sicher auch nicht anders umgehen als mit Kühen, oder?

Langsam ging sie näher und lockte die Beiden. Der Rappe reagierte als Erster und kam näher. Er ließ sich willig an den Zügel nehmen. Zufrieden führte sie ihn zu der Lanze und wickelte die Zügel darum. Dann holte sie auch noch den Schecken. In seinen Satteltaschen fand sie ein Seil, mit dem sie Zeo verschnürte wie ein Packen, nachdem sie ihm die Waffen abgenommen hatte.
 

Es war ungleich schwerer, ihn auf Wolkenreiters Rücken zu hieven und ihn dort festzubinden, vor allem weil das Pferd dauernd unruhig hin und her tänzelte. Schließlich hatte sie es aber doch geschafft und nahm die Lanze wieder auf.

Den Weg zurück zu Gaou legte sie sehr rasch zurück. Sie wusste jetzt ja, wohin es gehen sollte. Der andere Zhaon'El war sehr erstaunt über ihre ,Beute'. Rasch berichtete sie darüber, was sie gehört und gesehen hatte und Gaou nickte dazu nur.

Er begriff ebenso wenig wie sie, von was Zeo und Chargrin geredet hatten. Aber sie wussten beide, dass es wichtig war. Es waren Teile eines Ganzen und zu diesem Ganzen gehörten auch die Sachen, die die Zhaon'El in Zhekan und während des ersten Treffens mit Caras erlebt hatten und noch viele andere Dinge mehr. Und irgendwer - vielleicht sogar Zeo - würde diese Teile für sie zusammensetzen.
 

~~~~~~~
 

Heute abend irgendwann kommt meine Cousine, die meine Story auch Betagelesen hat. In dem Buch sind auch die Notizen von meiner Tante, dass heißt, ich kann endlich mit dem Überarbeiten anfangen. ^.^ Ich denke, ich werde viele Sachen reinmachen, die ich nachträglich noch vermisse, zum Beispiel ein paar Szenen mit Mao. *überleg* *mit den Gedanken schon ganz woanders sei*
 

Also, vergesst die Kommis nicht und bis zum nächsten Mal

Silberwölfin

Übrigens hab ich nächste Woche Herbstferien und darum bin ich da ein paar Tage nicht da. Ich weiß nicht, ob ich bei meiner Tante ins Internet komme, also kommt das nächste Kapitel vielleicht etwas später oder so.

Stillstand

Titel: Krieger, Magier und Diebe

Teil: 15/24

Autor: Lady Silverwolf

Anime: Beyblade

Warning: OOC

Disclaimer: Die Hauptcharaktere gehören nicht mir und ich verdiene kein Geld mit dieser Fanfic.
 

"..." reden

//...// denken
 

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Das letzte Kapitel ist irgendwie nicht so gut angekommen, glaube ich. *auf die Kommizahl schiel* Egal, jetzt gibt's das nächste, wenn auch spät. Ich wollt's mit dem fünften Kapitel von Feuermond hochladen, also, tut mir Leid das ihr warten musstet.
 

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@ Are: Ich kann dich beruhigen, in diesem Kapitel kommt der letzte. ^^''

Ob es wichtig ist, dass Michael und Jonny sich treffen überlass ich dem Leser selbst. Das kam mir beim Schreiben wie eine gute Idee vor, aber jetzt nicht mehr so. -.-

Zeo ist übrigens schon mal aufgetaucht, falls du das irgendwie überlesen hast. Erklärung für Zeos Verhalten kommt noch, auch wenn das total untergegangen ist.
 

@ Menteni: Jo, gewöhn dich dran. v.v Jedenfalls freu ich mich über dein Kommi. ^^
 

@ Sesshi-Chan: Tja, jetzt weiß ich auch nicht mehr, was die Szene eigentlich zu bedeuten hat. ^///^ Ignorier sie einfach. Zu Zeo kommt später noch einmal was und was die mit dem machen auch. Fragen werden alle nach und nach beantwortet. Nur Geduld! *grins*
 

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~~~~~~~
 

Stillstand
 

"Olivier! Olivier, du hörst mir gar nicht zu! He!"

Verwirrt schreckte der junge Magier aus seinen Gedanken. "Was ist?", wollte er unwirsch von seinem Gegenüber wissen. Es war seine Cousine; ein schlankes, hübsches Mädchen mit großen, grünen Augen.

"Du hörst mir nicht zu!", jammerte sie. "Du hast gar kein Recht, mich so anzufahren!"

"Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass ich keine Zeit habe. Wieso verschwindest du nicht?"

Clémentine stemmte die Hände in die Hüften und funkelte ihn wütend an. Olivier wandte sich von ihr ab. Er wollte nicht mit ihr streiten. Außerdem sagte sie sowieso immer das Gleiche. Dass er sich nicht so abgrenzen sollte. Dass er öfter bei seiner Familie sein sollte. Dass er auch mal mit ihnen zusammen sein konnte. Dass er auch einmal etwas sagen könnte.

Doch diesmal war es anders. Clémentine starrte ihn nur einen Moment an, ehe sie wütend davon rauschte. Na endlich hatte er seine Ruhe! Endlich war die Nervensäge weg! Wütend trat er gegen den kleinen Fußhocker, auf dem sie bis eben gesessen hatte und trat einem der großen Bogenfenster.
 

Sie ließen viel Licht in das kleine Zimmer und zeichneten goldene Rechtecke auf den Boden. Er befand sich in einem der kleinen Salons, die es in Demondes Cottage in Massen gab. Er war klein, aber reich und teuer ausgestattet.

An den Wänden hingen alte Bilder berühmter Künstler, in der Mitte war eine kleine, edle Sitzgruppe aufgestellt worden und zwischen den Fenstern standen kleine Tischchen aus Holz und Glas. Neben der Tür stand eine schwere Kommode aus beinahe schwarzem Holz.

Auf ihr und den Tischen standen Vasen mit roten Blumen und kleine Schalen mit Obst oder irgendwelchen Süßigkeiten. Auf dem Wohnzimmertisch stand zusätzlich ein Tablett mit Teegeschirr.

Schwermütig stellte sich Olivier neben einen der schweren Vorhänge an den Fenstern und starrte hinaus. Er konnte in den weiten Park um Demondes Cottage sehen; die gepflegten Beete, die fein säuberlich mit weißem Kies ausgestreuten Wege, die zurechtgestutzten Bäume. Alles hatte seinen Platz, nichts wuchs an der falschen Stelle, nichts war zu groß, zu breit, zu klein oder zu schmal. Alles war geordnet.
 

Einige Gärtner gingen herum, schnitten hier einen Ast ab oder dort einen Zweig. Uniformierte Männer mit Waffen und Hunden patrouillierten auf den Wegen und etwas von dem Herrenhaus entfernt hinter einer Baumgruppe konnte Olivier die weiß verputzten Ställe sehen und die Sandplätze mit den Pferden.

Er seufzte. Früher, ja, früher hatten die Ländereien der LesDemondes ihm die Welt bedeutet. Er war glücklich gewesen, zufrieden mit seiner Familie und seine größte Sorge waren die Hausaufgaben der allzu strengen Lehrer gewesen. Wie kleinlich! Jetzt war alles anders. Jetzt hatte er andere, größere Sorgen. Seine Welt hatte sich vergrößert, über die Zäune von Demondes Jardin hinaus, ja, sogar über die Ränder der Insel hinaus.

Rhiêna war eine große Insel mit vielen Bewohnern. Auch wenn sie offiziell von einem Bürgerrat beherrscht wurde, so wusste doch jeder, wer wirklich die Zügel in der Hand hatte: die LesDemondes.

Die mächtige Magiersippe hatte sich im Südosten der Insel angesiedelt und dort ein riesiges Stück Land für sich beansprucht. Dieses Land war von hohen Zäunen umgeben und mittendrin stand Demondes Cottage.

Früher hatte Olivier geglaubt, das Herrenhaus sei der Mittelpunkt der Welt, inzwischen wusste er es besser. Es gab keinen solchen Mittelpunkt und vor allem war er nicht Demondes Cottage.
 

Es befanden sich noch viele andere Gebäude in Demondes Jardin, aber Olivier besuchte sie selten. Am häufigsten war er noch im Stall zu finden. Was sollte er auch in den anderen Häusern, den Häusern der Diener? Seine ach so tolle Familie hätte das nicht gerne gesehen und man hätte was-wusste-er-schon über ihn getuschelt.

Wie er das doch hasste! In der Öffentlich taten sie so, als gäbe es keine besseren Menschen als sie, aber Olivier wusste es besser. Während sie von Moral sprachen, betrogen sie ihre Freunde und Verwandten. Während sie von Bescheidenheit sprachen, zogen sie den vorbeikommenden Händlern und den Inselbewohnern den letzten Pfennig aus der Tasche. Während sie von Güte sprachen, verbannten sie Menschen aus dem Tal. Während sie von Einbeziehung sprachen, grenzten sie ihn aus. Wie er das doch hasste! Diese Verlogenheit, diese Scheinheiligkeit!

Früher war er ebenso gewesen, wusste er, aber als Jacques gekommen war, hatte sich alles für ihn verändert. Seine Familie hatte zugestimmt; mehr Macht und mehr Wissen hatte sie bekommen und der Preis war niedrig gewesen. Zumindest sie sahen es so. Für Olivier war das anders. Immerhin war er der Preis gewesen.
 

Jacques hatte ihnen Macht und Wissen versprochen und im Gegenzug dazu hatten sie ihn seine Experimente und Test durchführen lassen und ihn in der Erfüllung seines Traumes geholfen. Der Traum, aus einem Magier einen Bündniskrieger zu machen. Olivier verfluchte den Tag, an dem er es geschafft hatte, denn er hatte ihn in eine innerliche Zerrissenheit gestürzt, die er bis dahin nicht kannte. Und zugleich empfand er ihn als Segen, denn er hatte ihm die Augen geöffnet.

Olivier war von der Wiege auf eingebläut worden, die Bündniskrieger zu hassen. Die Bündniskrieger waren die ewigen Feinde, die verabscheuenswürdigsten Wesen auf der Welt, auch wenn sie Menschen waren. Aber der Mensch war geboren worden um aufzusteigen oder zu fallen. Azulon, der Erschaffer der Welt, hatte sie verflucht, da sie sich mit jenen Kreaturen verbündeten, die von seinen Feinden, den Vier Göttlichen, geschaffen worden waren. Darum verdienten sie den Hass der Magier, die von Azulon gesegnet worden waren. Und darum herrschte Krieg zwischen den Magiern und den Bündniskriegern.

Jacques aber hatte sich über diese alte Feindschaft hinweggesetzt und von etwas geträumt, das viel größer war als das Vorherige. Ein Magier, der ein Bündniskrieger war oder ein Bündniskrieger, der ein Magier war.
 

Vor nicht einmal zwei Jahren hatte er sein Projekt vollendet. Vollendet und Olivier war jener, der es ausbaden musste. Unbewusst umfassten seine Finger das kleine, runde Amulett, das auf seinem Hemd lag. Es war weiß und trug ein rotes Zeichen. Jenes Zeichen bedeutete Einhorn und Unicolyon.

Olivier fragte sich, was es Jacques gebracht hatte, jemanden wie ihn zu schaffen. Jemand, der nicht der einen Welt angehörte und auch nicht der anderen. Jemand, der dazwischen war. Jemand, der niemals mehr irgendwo Anschluss finden würde, da jeder einen Teil von ihm hasste.

Er war der Magier, der gleichzeitig ein Bündniskrieger war.

An dem Tag, an dem er sein Bündnis mit Unicolyon geschlossen hatte, hatte sich alles für ihn verändert. Früher war er der vielversprechende, junge Magier gewesen, dessen Macht enorm war und der schnell und gerne lernte. Der, der vielleicht eines Tages das Oberhaupt der Familie hätte werden können.
 

Aber Jacques' und eine Experimente hatten alles zerstört. Jetzt, wo Olivier ein Bündniskrieger war, konnte er nie wieder etwas in der Welt der Magier erreichen. Magier hassten Bündniskrieger. Olivier hasste Bündniskrieger. Wie aber sollte er sich selbst hassen? Es war sein seinem Bündnis kein Tag vergangen, an dem er nicht darüber nachgedacht hätte. An dem er nicht gespürt hätte, dass seine Seele zerrissen wurde.

Einerseits waren da die magischen Kräfte, die er liebte und pflegte. Früh hatte er gelernt, mit ihnen umzugehen. Warum auch nicht? Er war der Sohn einer mächtigen Magierfamilie.

Auf der anderen Seite war da Unicolyon. Unicolyon war etwas ganz Besonderes für ihn. Nie hatte er etwas ähnliches gefühlt wie die Bindung zwischen ihm und seinem Partner. Beschreiben ließ sich das schlecht. Es würde ihm sowieso niemand zuhören.

Diese ganze Sache wurde in der Familie totgeschwiegen. Nie wären sie auf das Angebot Jacques' eingegangen, wenn sie auch nur im Geringsten geglaubt hätten, seine Experimente würden Früchte tragen. Bündnis und Magie waren unvereinbar.

Auch Olivier hatte nicht geglaubt, dass der verrückte Wissenschaftler Erfolg haben könnte. Zumindest nicht bis zu jenem Tage, an dem Jacques ihm von dem Bündniskrieger erzählt hatte, der zwei Partner hatte. Es war allgemein bekannt, dass man nur eine Bindung machen konnte. Und die zweite Bindung dieses Jungen war durch Experimente hervorgerufen worden.
 

Als Olivier eines Tages mit einem Bündnispartner und dem kleinen weiß-roten Amulett zurückgekehrt war, waren alle geschockt gewesen. Sie hatten aber nichts darüber gesagt, kein Wort über sein Bündnis verloren. Das einzige, was sie getan hatten, war, ihn zu verstoßen. Nicht offiziell, natürlich nicht. Das konnten sie sich nicht leisten. Immerhin lastete die ,Schuld' auf ihren Schultern. Nicht auf Oliviers. Aber inoffiziell. Von diesem Tag an war Olivier einsam gewesen. Einsam, ausgestoßen, abgegrenzt. Sie behandelten ihn anders, vorsichtiger, verachtender als vorher.

Der einzige Freund, der ihm damals und jetzt geblieben war, war Unicolyon gewesen. Unicolyon, der ihm gegenüber keine Verlogenheit, keine Falschheit kannte. Der alle Wahrheiten und alle Lügen sah. Der ihm immer zur Seite stand. Und den er eigentlich hassen sollte, da er der Grund für sein Unglück war. Denn wäre er nicht aufgetaucht, so hätte Olivier niemals ein Bündnis geschlossen. Viele Bündniskrieger verbündeten sich nie, da sie ihren Partner niemals trafen. Wenn Unicolyon nicht aufgetaucht wäre, wäre es niemals so weit gekommen.

Dann wäre er noch immer Olivier, der vielversprechende Nachwuchsmagier. Olivier, der vielleicht eines Tages Oberhaupt der LesDemondes werden würde. Aber jetzt war er nur noch ein einsamer Junge, der seinen Bündnispartner liebte und nicht wusste, was er tun sollte, wem er angehörte.
 

Und genau da lag auch sein Problem. Oder besser, daraus war es gewachsen. Denn als Jacques mit dem Angebot von Calaminus gekommen war, hatte Jeromé, das momentane Oberhaupt der Familie, nicht ,Nein' sagen können. Nicht bei der Aussicht darauf, den Bündniskriegern einen empfindlichen Schlag beibringen zu können.

Olivier hatte sich sofort gemeldet, als Jeromé nach Leuten gefragt hatte, die Jacques begleiten würden um Calaminus zu unterstützen. Calaminus, der seltsame Mann, der von seinen Leuten nur ,Meister' genannt wurde und nicht aus ihrer Welt zu stammen schien. Calaminus, der die Amulette stahl um etwas zu schaffen, was Olivier nicht wusste. Auch nicht, wenn der Magier behauptete, er wollte so die Bündniskrieger schwächen, vielleicht sogar ganz vernichten. Olivier glaubte ihm nicht, auch wenn seine Magie ihm das Gegenteil einflüsterte. Aber Unicolyon sagte etwas anderes und Olivier vertraute Unicolyon.

Er wusste, dass das, was er tat, nicht das Richtige war. Er stahl die Amulette von anderen Bündniskriegern um sie Calaminus zu geben, der etwas damit tat, was er nicht durfte. Der sündigte.

Olivier hätte sich ihm niemals anschließen dürfen. Hätte etwas dagegen tun sollen, als er bemerkt hatte, dass alles nur Lüge und Sünde war. Hätte die anderen Krieger warnen sollen. Aber statt dessen hatte er geholfen und war vor einigen Tagen wieder nach Hause zurückgekehrt, nachdem Chargrin ihn in Zhekan abgelöst hatte. Nach Hause, wo sich nichts und alles geändert hatte.
 

Olivier hatte die letzten Tage mit Nichtstun und Nachdenken verbracht. Er war zu dem Schluss gekommen, dass sich etwas ändern musste. Entweder er beschloss, entgültig bei dem mit Azulon verbündeten Calaminus zu bleiben und ihm mit dem gleichen Gehorsam zu folgen, wie Chargrin, Karmaat und Scaramak, oder er wandte sich von dem beinahe übermächtigen Erzmagier Calaminus ab und ritt zu Sturmvogel um sich den Hatesit anzuschließen.

Calaminus zu folgen würde bedeuten, Unicolyon zu verraten.

Sich aber von ihm abzuwenden, würde bedeuten, sich gegen Azulon zu stellen.

Was also war die richtige Wahl?

Ein Klopfen an der Tür riss ihn aus seinen Gedanken. Kurz darauf wurde sie aufgestoßen und Marc, einer seiner älteren Brüder, trat ein. In der Hand hielt er einen weißen Brief. "Hier. Den hat gerade ein Bote von Calaminus gebracht."

Marc legte das Schreiben auf den Tisch und tippte kurz mit den Fingerspitzen darauf. Er wirkte unschlüssig, als wolle er noch etwas sagen. Olivier zog eine Augenbraue hoch und sah ihn an. Daraufhin zuckte sein Bruder mit den Schultern und ging wieder.
 

Hinter ihm fiel die Tür ins Schloss und das Geräusch hatte für Olivier etwas Entgültiges. Langsam ging er auf den Tisch zu und nahm den Brief auf. Öffnen oder nicht? Calaminus folgen oder nicht?
 

Yuriy verfluchte das Schicksal. Er verfluchte sich selber. Jacques. Die Diebe. Kai. Die Götter. Die Vier Göttlichen. Alles. Warum hatte Kai sterben müssen? Warum war er einfach gegangen? Yuriy war extra für ihn aus der Abtei geflohen und was war das Ergebnis? Kai war tot.

In Gedanken versunken und unansprechbar stapfte Yuriy dahin. Seine Hände waren vor seinem Körper gefesselt und ohne seine Waffen und dem Halsband mit Wolborgs Amulett fühlte er sich nackt. Aber wen störte das schon? Er würde vollkommen unbekleidet gegen einen Schneesturm kämpfen, wenn es nur Kai wieder zurückbrächte.

Aber das war natürlich nicht der Fall. Kai würde nicht zurückkommen. Denn Kai war tot. Gestorben vor seinen Augen. Mit dem letzten Atemzug seinen Namen aussprechend. Dem letzten! Wie endgültig sich das anhörte. Wie unwiderruflich. Besiegelt. Cuallarion hatte sich wieder ein Opfer geholt. Ein Opfer, das nicht hätte sein dürfen.
 

Yuriy fühlte sich, als würde er durch einen Raum laufen, der stockfinster war und unendlich weit. Und nirgends war Licht zu sehen, nirgends war ein Ausweg. Der Raum war ewig. Und er war schrecklich, so ganz ohne Licht.

Früher hatte Yuriy geglaubt, er würde sich nicht in der Dunkelheit fürchten. Er hatte auch keinen Grund dafür gehabt. Er hatte ein Licht gehabt. Aber dieses Licht war Kai gewesen. Und Kai war tot. Sein Licht war erloschen. Wie ein Funke, der in das Meer gefallen war. Einfach ausgelöscht.

Die letzten Tage waren wie im Traum vergangen. Aber in einem Alptraum. Yuriy hatte die Ereignisse kaum wahrgenommen. Sie waren an ihm vorbeigezogen wie ein Schiff auf einem Fluss. Jacques und seine Männer hatte ihn und die anderen vier gefangen genommen und sie in die Mitte genommen.

Sterndeuter hatte Stahlklaue vorangeschickt, mit Funkenstern, ihren Waffen und ihren Amuletten. Er sollte alles in das Hauptquartier bringen und gleichzeitig aus ihrer Reichweite schaffen. Denn wenn sie ihren Besitz wieder zurückerlangten, so waren sie mehr als nur gefährlich. Das war eine kluge Entscheidung, gestand Yuriy Jacques später zu. Aber jetzt realisierte er es kaum.
 

Seine Gedanken kreisten um Kai. Um Kai, wie er ihn angelächelt hatte. Wie seine Augen gestrahlt hatten. Wie seine Gesicht, seine Lippen voller Blut gewesen war. Wie er gestorben war. Um Kai, der noch immer an dem Platz lag, an dem Yuriy ihn gebettet hatte, nachdem er sein Leben ausgehaucht hatte. Nachdem er etwas von Yuriy mit in das Totenreich genommen hatte. Sein Herz. Sein erfrorenes Herz. Jetzt würde es nie wieder warm werden, denn im Reich der Toten, in Cuallarions Reich, war alles kalt und tot. Alles tot.

Was würde wohl mit Kais Körper geschehen? Jacques hatte ihnen nicht erlaubt, ihn zu begraben oder zu verbrennen, wie es einst Kais Wunsch gewesen war. "Dauert zu lange.", hatte er hämisch grinsend gesagt.

Yuriy hätte ihn für diese Worte umgebracht, wenn er nicht bereits gefesselt gewesen wäre. Egal, ob Jacques Leute ihn hinterher ebenfalls getötet hätten. Ganz egal. Dann wäre er jetzt wenigstens bei Kai. So tot wie Kai.

Verzweiflung. Das war das richtige Wort für das Gefühl, das Yuriy jetzt empfand. Da war nur noch Verzweiflung. Und Trauer. Und Leid.

Nach einigen Tagen trafen sie auf einen zweiten Zug. Sie hatten das Lager in einem von hohen Felswänden umgebenen Talkessel aufgeschlagen. Es war unbequem und kalt, aber das störte Yuriy nicht. So waren die gesamten letzten Tage gewesen und er hatte es kaum gemerkt.
 

Jacques schien die Neuankömmlinge zu kennen. Er begrüßten den Anführer mit ,Scaramak' und kurz darauf bekamen die Gefangenen Gesellschaft. Gesellschaft, die sie sehr gut kannten. "Verflucht!", flüsterte Takao, als er sie erkannte.

Scaramak und seine Leute brachten niemand anderen als Lee, Rei, Kevin, Sergej und Bryan. Letzterer war verletzt, aber anscheinend gut versorgt worden. Auch Lee fluchte in sich hinein, als er erkannte, wen Jacques da mitgebracht hatte.

Yuriy rührte sich nicht. Auch nicht, als Bryan neben ihn verfrachtet wurde. Auch nicht, als Rei in knappen Worten erzählte, was geschehen war und dann Takaos Bericht von ihrer Gefangennahme lauschte. Auch nicht, dass Takao Kais Tod verschwieg und die anderen drei darüber ebenfalls den Mund hielten.

"Das ist schlimm.", flüsterte Lee.

"Was jetzt?", wollte Rei wissen und Kevin fragte besorgt, während er mit den Augen das Dunkel absuchte: "Wo ist Kai?"

"Tot.", sagte Yuriy knapp. Es war das erste Wort, dass er seit Tagen sprach. Seine Stimme klang rau und alt.
 

"Was?" Rei wollte aufspringen, aber die Fesseln hielten ihn zurück. Max schluchzte auf und nickte. Er und Takao und Kenny hatten in den letzten Tagen viele Tränen um Kai vergossen. Sogar Ivan hatte einmal geweint. Aber Yuriys Augen waren trocken geblieben. Nicht, weil er nicht um Kai trauerte, sondern weil er nicht weinen konnte. Er erinnerte sich nicht daran, wann er das letzte Mal geweint hatte. Hatte er es je einmal getan? Er wusste es nicht.

Kai hatte weinen können, er hatte es in der Abtei verhältnismäßig oft getan. Aber Yuriy nie. War sein Herz so erfroren gewesen? Aber jetzt, nachdem das größte Unglück geschehen war, was ihm hatte passieren können - warum konnte er jetzt nicht weinen? War es, weil Kai sein Herz in den Händen hielt? Mit in den Tod genommen hatte? Weil es jetzt ebenfalls tot war?

Leise berichtete Takao, was geschehen war. "Jacques hat das gemacht, weil er Kai nicht gebrauchen konnte?", fragte Lee entsetzt und der Blauhaarige nickte.

"Ja."

"Aber warum?", wollte Rei verständnislos wissen. "Ich dachte, Kai wäre ein sehr mächtiger Hatesit."

Yuriy nickte und Bryan erkundigte sich leise: "Ist es wegen...?"

"Ich denke. Er hat keine Erklärung gegeben."

"Wegen?", bohrte Max, doch Yuriy ignorierte ihn. Im Gegensatz zu Jacques, der unbemerkt zu ihnen herüber gekommen war. "Ihr habt es ihnen nicht erzählt?", fragte er und grinste spöttisch. "Ihr habt euren Verbündeten eine solch wichtige Information einfach verschwiegen?"
 

"Schweig!", herrschte Yuriy ihn an. "Du hast kein Recht, so etwas zu sagen!"

"Warum?"

Der Rothaarige zog es vor, nicht auf diese dumme Frage zu antworten, sondern starrte Kais Mörder nur an. Er hatte nicht gewusst, dass er in der Lage war, ein solch starkes Gefühl zu empfinden, aber in diesem Moment beherrschte ihn nur eines: Hass, purer, reiner Hass. Hass auf Jacques.

Sterndeuter musste es in seinen Augen gesehen haben, denn er verzog die Lippen zu einem spöttischen Lächeln, sagte aber nichts. Er wusste ganz genau, was Yuriy in diesem Moment empfand, was er dachte.

Auf eine groteske Art und Weise war Yuriy Jacques in diesem Moment sogar dankbar. Dankbar dafür, dass er ihn aus der Lethargie, der Verzweiflung gerissen hatte. Die letzten Tage hatte er kaum wahrgenommen. Jetzt aber war er wieder voll und ganz da und das hatte er dem Wissenschaftler zu verdanken.

"Tötet ihn für mich.", hatte Kai gesagt und Yuriy schwor sich, dass er diese Rache bekommen würde. Er würde Jacques töten und wenn es das letzte war, was er tat. Zuerst musste er sich in Geduld fassen, aber das würde er sicher überstehen. Irgendwann, irgendwann würde er die Chance bekommen. Und er würde sie nicht ungenutzt verstreichen lassen.
 

Jacques musste blind sein, um seine Gedanken nicht in seinem Blick zu bemerken, aber er lächelte nur weiterhin spöttisch und wandte sich den Anderen zu. "Haben sie euch nichts über Kai erzählt? Wie unhöflich von ihnen."

Die Blicke der Gefangenen zeigten deutlich ihr Unbehagen und die Missbilligung. Ja, niemand hatte ihnen von Kais Vergangenheit erzählt. Ja, sie würden es gerne wissen. Aber nicht auf diese Art und Weise und vor allem nicht von dem Mann, der Kai auf dem Gewissen hatte.

"Haben sie euch nichts von der Abtei erzählt?"

"Sei still!", presste Bryan zwischen den Zähnen hervor.

"Das ist Vergangenheit.", flüsterte Ivan und sein Blick war dunkel.

Doch Jacques kümmerte sich nicht um sie. "Haben sie euch nichts von den Experimenten erzählt? Oder von Voltaires Plänen?"

"Rühr nicht an Dingen, die vergessen werden sollten.", sagte Bryan. "Es ist doch vorbei, jetzt, wo Kai tot ist." Yuriy sah erstaunt auf. Hatte er sich das nur eingebildet, oder klang Bryan tatsächlich etwas traurig?

"Warum sollte ich? Sie haben ein Anrecht darauf, es zu erfahren. Außerdem hat es auch mit euch zu tun. Oder meinst du, eure Begabungen wären natürlich?" Bryan sah weg. "Sag mir, wie viele Sprachen sprichst du jetzt?"

Ein Knurren als Antwort, dann brachte Bryan zwischen zusammengepressten Lippen hervor: "Sechsunddreißig."
 

"Und du willst mir erzählen, dass wäre natürlich? Oder was sagt unser kleines Mathematikgenie?" Er sah Yuriy direkt an. Dieser starrte wütend zurück, sagte aber nichts. "Oder deinem Genialität in Technik, Sergej?" Er sah kurz den großen Blonden an, ehe er sich Ivan zuwandte: "Oder deinem Wissen und deiner Begabung in dem Bereich Medizin, Chemie und Biologie?"

Niemand sagte etwas. Das war demütigend, wenn man zuhören musste, dass Geheimnisse, für die man sich eigentlich hatte Zeit nehmen wollen, einfach ausgeplaudert wurden. Denn allen hier war klar, dass es dabei nicht mit rechten Dingen zugegangen war. "Nun? Hat man euch wirklich nichts erzählt? Das nenne ich eine schwache Sache."

"Sei still.", zischte jetzt Rei. "Wir wollen es nicht wissen!"

Jacques lachte los. "Das glaube ich nicht. Wollt ihr wirklich nicht wissen, wer Kai war? Woher er kam? Das glaube ich nicht. Ich glaube nicht, dass ihr nichts von Black Dranzer wissen wollt."

"Sein Tisetah hieß doch Dranzer.", murmelte Takao und sah weg.

"Ja. So vergesslich bin ich nun auch wieder nicht. Dranzer und Black Dranzer." Schweigen, eisiges Schweigen. Ein einziges Wort war zu viel. Aber allen stand die Frage ins Gesicht geschrieben.
 

Allen, bis auf Yuriy, Bryan, Sergej und Ivan. Sie wussten über Projekt Kai Bescheid. Sie wussten, worum es ging. Sie wussten, dass Kai zwei Tisetah hatte. Nein, gehabt hatte. Kai war ja tot. Seine Tisetah - Dranzer und Black Dranzer - waren mit ihm gestorben. Sterbender Phönix. Welche Ironie...

"Zwei Tisetah sind recht ungewöhnlich für einen Hatesit, findet ihr nicht?"

"Wie meinst du das?", wollte eine raue Stimme aus dem Schatten wissen.

Jacques sah auf. "Wie soll ich es meinen? So wie ich es sage. Kai hatte zwei Tisetah. Und darum war er unbrauchbar."

Scaramak zu ihnen. Er war ein großer Mann und seine Augen funkelten hell im Feuer. Sie schienen das Licht förmlich aufzusaugen. Mit schiefgelegtem Kopf sah er Sterndeuter aufmerksam an. "Projekt Kai, nannte Voltaire es. Es sollte die perfekte Teshita schaffen. Black Dranzer wurde künstlich erschaffen."

Er ließ seinen Blick aber die Gefangenen steifen, die ihm auswichen, aber trotzdem begierig lauschten. "Aus den DNA mehrerer anderer Tesitah, unter anderem auch Dranzer, und verschiedenen Menschen mit den unterschiedlichsten Begabungen. Kai war einer dieser Menschen. Aufgrund dieser Erschaffung und der Genmanipulation an Kai und seinen Eltern gelang die doppelte Teshita."

Mit der schockenden Wirkung seiner Worte zufrieden sprach Jacques nach kurzer Pause weiter. Yuriy kannte die Geschichte schon. Sterndeuter erzählte, wie Kai nach unzähligen, quälenden Tests und Experimenten endlich mit Black Dranzer das Bündnis geschlossen hatte.
 

Und dann von dem Ausbruch des künstlichen Tisetahs. Black Dranzer und Kai hatten das Gebäude, dass extra für dieses Projekt unweit von der Abtei errichtet worden war, in Schutt und Asche gelegt und von all den Leute, die sich darin befunden hatten, war nichts mehr übrig geblieben. Heute stand ein Sockel mit einer schwarzen Rabenstatue an dem Ort, an dem das Gebäude gestanden hatte.

Yuriy fühlte sich zurückversetzt an den Tag, an dem er Kai nach sieben Tagen, nachdem das Bündnis geglückt war, wiedergesehen hatte. Schreie, Rauch und schwarzes Feuer waren die Eindrücke, die er behalten hatte. Und Kai.

Nicht der Kai, den er kannte, nicht der mit den Augen aus Blut oder aus Rubinen. Nein, dieser Kai war eine Bestie gewesen. Seine Pupillen so stark geweitet, dass seine Augen schwarz gewesen waren. Seine Haare, die in alle Richtungen abstanden, wirr und wild. Sein Gesicht, das zu einer hässlichen, irren Maske verzerrt war. Seine Hände, die gekrümmt waren wie Klauen.

Black Dranzer, hinter ihm wie ein riesiger, schwarzgoldener Schatten. Schwarze Flammen umtanzten ihn und seinen Hatesit, fraßen Stein und Erde und lebendes Fleisch. Kais Gebrüll hatte sich mit Black Dranzers Schrei vermischt, unmenschlich, gierig, wahnsinnig.
 

Projekt Kai war aus dem Ruder gelaufen, denn Black Dranzer ließ sich nicht kontrollieren. Irgendetwas war schief gegangen. Und wenn Kai nicht bald wieder zu Besinnung kam, wären sie verloren gewesen.

Yuriy war es, der Kai zurückholte. Yuriy, der seinen Freund nicht alleine und auch nicht dem Tod überlassen wollte. Yuriy, der von Kai erkannt und verschont worden war. Yuriy, der Kai beruhigt hatte, so dass dieser Black Dranzer bezwingen und zurückrufen konnte. Daraufhin hatte Kai das schwarze Tisetah in seiner Seele verschlossen und nie wieder gerufen.

Voltaire und seine Wissenschaftler hatten an dem ,Problem' geforscht um es zu beseitigen. Zehn war Kai damals gewesen. Sie hatten ihre Forschungen erst eingestellt, als Kai geflohen war.

"Ist doch interessant, oder?", wollte Jacques gerade wissen. "Was man mit etwas Forschung nicht alles anstellen kann." Niemand antwortete auf diese rhetorische Frage.
 

Nur Scaramak sagte: "Und was hat das mit der Unbrauchbarkeit von ihm zu tun?"

Das war eine nur allzu berechtigte Frage, die Yuriy erst jetzt in den Sinn kam. Aber eigentlich war das auch nicht wichtig. Wichtig war, dass Kai unbrauchbar gewesen war. Darum war er jetzt auch tot.

"Nun.", begann Jacques. "Black Dranzer war nicht verwendbar, weil er künstlich hergestellt war. Die menschliche DNA hat alles kaputt gemacht."

"Und das andere? Dranzer?"

"Mit ihr verhält es sich etwas anders. Komplizierter." Sterndeuter breitete die Hände aus. "Verstehst du, Wolf? Black Dranzer und Dranzer sind untrennbar miteinander verbunden. Black Dranzer hätte nicht zugelassen, dass Dranzer missbraucht worden wäre."

Scaramak runzelte die Stirn. "Und warum?"

Jacques winkte lässig ab und drehte sich um, um zum Feuer zurückzugehen. "Die sind untrennbar miteinander verbunden. Liegt daran, dass der größte Teil der Gene von ihr stammt. Kommst du? Wir müssen morgen früh raus, damit wir Druskill rechtzeitig erreichen."
 


 


 

Druskill war eine verhältnismäßig kleine, aber sehr schöne und fruchtbare Insel. Sie war teils mit dichtem Laubwald bewachsen, teils als ergiebiger Ackerboden benutzt. Im Osten befanden sich einige sehr ertragreiche Metallmienen, die Druskill Reichtum bescherten.

Beherrscht wurde die Insel von einer alten Familie, die in einem Schloss lebte, das über dem einzigen Eingang in die Insel errichtet worden war. Stolz und trutzig erhoben sich mächtige, graue Mauern, drei Türme und ein dicker Bergfried über die Insel und zeigte allen weithin ihre Stärke und ihre Macht.

Yuriy wusste nicht allzu viel über die Wüste - wie alle anderen, die mit ihm gefangen waren; Kai war der Einzige gewesen, der bereits länger in der Wüste gelebt hatte - und wusste darum nicht, wer denn nun wirklich der Herrscher war. Aber er war sicher, dass sie ihn schon bald treffen würden, denn Jacques und Scaramak hielten direkt auf das geschlossene Tor zu.

Mit Lanzen und Gewehren bewaffnete Soldaten hielten sie auf, ließen sie jedoch nach kurzer Diskussion schon durch. Ob sie öfter hier waren. Die Gruppe wurden auf einen großen Hof geführt. Menschen liefen hastig durcheinander und gingen den verschiedensten Arbeiten nach, aber Yuriy interessierte das alles nicht besonders. Er richtete seine Aufmerksamkeit lieber auf die Umgebung. Man musste doch wissen, wo man hinlief, wenn man fliehen wollte!
 

Gegenüber des großen Tores befand sich der Palais, ein mächtiges Gebäude, das bei einer Eroberung den letzten Schutz bieten sollte. Rundherum an den Mauern waren Holzgebäude errichtet worden. Sie enthielten die Gesindetrakte und die Ställe.

Eine Treppe führte über eine Mauer, die sich quer durch die Burg zog. Dahinter befanden sich weitere Höfe und Gebäude, vermutete Yuriy. Die Türme befanden sich in der Mitte an den drei Seitenmauern der Burg und der Bergfried erhob sich direkt aus dem Palais, als allerletzte Bastion sozusagen.

"Wo ist der Graf?", wollte Jacques gebieterisch wissen und sah sich um.

Einen Moment später ertönte eine laute Stimme. "Ich komm ja schon. Brüllen Sie hier mal nicht so rum!"

Kurz darauf erschien ein großer, junger Mann mit violettem Haar und strengem Gesicht. Seine Augen blickten scharf und die geraden Augenbrauen verliehen ihm einen ernsten Ausdruck. Trotz allem wirkte er sympathisch. Er trug einfache Kleidung und nur die Goldkette, deren Anhänger unter dem Hemd verborgen war, und der schwere Siegelring an seinem Finger zeigten, dass er kein einfacher Mann war sondern der Herr der Burg.
 

"Was gibt's? Habe ich euch nicht das letzte Mal gesagt, dass ich euch nicht immer durchfüttern will?" Seine Stimme war genauso streng wie sein Aussehen und jetzt verschränkte er die Arme vor der Brust und tappte ungeduldig mit dem Fuß. "Und jetzt habt ihr auch noch Gefangene mitgebracht! Was soll das, Bourelet? Ich will keinen Ärger mit irgendwem da draußen, nur weil Sie den Mund zu voll genommen haben!"

Jacques Bourelet hob beruhigend die Hände. "Beruhige sie sich, Graf. Wir sind morgen wieder weg. Das sind Hatesit, die uns ins Handwerk gepfuscht haben."

"Na und? Das hätten Sie sich denken sollen! Glaubten Sie etwa, die lassen sich das bieten?"

"Nein, natürlich nicht."

"Und? Erwarten Sie jetzt von mir, dass ich sie in die Zellen stecke?"

"Sie haben Zellen?"

"Natürlich! Das ist eine Festung!"

"Wären noch welche frei?"

"Nicht für die!"

Jacques warf seinen Gefangenen einen Blick zu. "Und wenn ich Ihnen versichere, dass das das letzte Mal ist, dass wir bei Ihnen vorbeikommen?"

Der Graf antwortete nicht, sondern kratzte sich nachdenklich am Kinn. "Das sind Hatesit, sagten Sie?"

"Ja. Aber natürlich entwaffnet und die Amulette sind bereits auf dem Weg ins Hauptquartier."

"Ungefährlich?"

"Ich denke doch. Auch wenn ich es nicht ausprobieren würde. Ich werde meine Leute natürlich als Wachen abkommandieren."

"In Ordnung. Einer meiner Leute wird Sie zu den Zellen führen. Aber ich verlange die Versicherung, dass die absolut nichts unternehmen können, was Druskill, die Burg oder meine Leute gefährdet."

"Die gebe ich Ihnen gerne und mit Vergnügen. Ich habe keine Trottel angestellt, die sich leicht austricksen lassen. Meine Leute werden sich um die Gefangenen kümmern."
 

Der Graf nickte. "In Ordnung. Ben!" Das letzte Wort war an einen der Soldaten gerichtet, die am Torhaus standen. Er war groß, dunkel, hatte eine hässliche Narbe im Gesicht und kam sofort herüber.

"Was ist, Robert?"

"Führ Bourelets Leute in die Kerker. Sie übernehmen die Wache und die Verantwortung." Robert, der Graf, nickte zu den Gefangenen hinüber.

"In Ordnung.", antwortete Ben lakonisch und winkte ihnen.

"Worauf wartet ihr noch?", wollte Jacques von den Gefangenen wissen, die sich hastig in Bewegung setzten. Sie wurden von etwa einem Dutzend von Jacques Söldnern begleitet. Ben führte sie sehr schnell in die Kerker, ohne unnötige Umwege, so dass sie von der Burg kaum mehr als die riesige Vorhalle hinter der Palaistür, einigen Gängen und Treppen sahen, ehe sie in einen großen Raum gebracht wurden.

In seiner Mitte standen ein einfacher Holztisch und mehrere Stühle. Auf der Tischplatte stand eine Kerze und daneben lag ein Kartenspiel, allerdings war keine lebende Person da. Rundherum waren in regelmäßigen Abständen dunkle Holztüren aus schweren Bohlen in die Steinwände eingelassen, die nur ein kleines vergittertes Fenster hatten. Erhellt wurde der Raum durch Fackeln, die in eisernen Haltern steckten, die an den Wänden angebracht waren, und nun von Ben entzündet wurden.
 

"Hier. Die Schlüssel hängen an dem Hacken da. Ich werde veranlassen, dass für euch und die Gefangenen Essen gebracht wird. In den Zellen sollten genug Decken für alle sein, damit niemand friert. Es wird ziemlich kalt hier unten.", erklärte Ben.

Die letzte Aussage nahm Yuriy ihm aufs Wort ab. Er sah sich kurz um und fühlte sich unangenehm an die Abtei erinnert. Auch diese war ein solch altes Gemäuer gewesen und die Zellen sahen bestimmt aus wie die, die es in der Abtei gegeben hatte.

Die Söldner machten kurzen Prozess mit den Gefangen und steckten sie je zu zweit in die Zellen, nachdem sie ihnen die Fesseln abgenommen hatten. Yuriy wurde nach Takao den dunklen Raum gestoßen und hörte hinter sich ein lautes Klicken, als der Schlüssel im Schloss gedreht wurde. Jetzt hieß es für sie erst einmal abwarten.
 

~~~~~~~
 

Lasst mir einen Kommi da. Please?

Silberwölfin

Unerwartete Hilfe

Titel: Krieger, Magier und Diebe

Teil: 16/24

Autor: Lady Silverwolf

Anime: Beyblade

Warning: OOC

Disclaimer: Die Hauptcharaktere gehören nicht mir und ich verdiene kein Geld mit dieser Fanfic.
 

"..." reden

//...// denken
 

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Die Charas haben jetzt ihren Tiefpunkt erreicht, von jetzt an geht's nur noch bergauf für sie. *g*

Die erste Szene in diesem Kapitel war ein Unfall. Ist irgendwie während des Schreibens passiert, keine Ahung, wie. ^///^ Mir gefällt sie aber.
 

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@ Sesshi-Chan: Mir tut er auch Leid, der arme Junge. Aber er bekommt schon alles auf die Reihe. Das selbe gilt auch für Yuriy.

Kai und Dranzer waren unbrauchbar, weil sie alle zu sehr mit Black Dranzer verbunden waren. Black Dranzer selber ist kein normales Tisetha - da künstlich mit diversen Genen geschaffen - und für Calaminus nicht kontrollierbar. Es waren ja nicht nur Tisetah-Gene, sondern auch die von anderen Lebewesen, darum. <.< Falls das unverständlich ist, frag mich einfach noch mal. ^^''
 

@ spellmaster: Hier, bitte schön. ^^
 

@ are: Deine Kommis werden auch immer länger. ^--------^ Jonny und Michael tauchen noch auf, sonst hätte ich sie nicht auftreten lassen.

Ich denke, das mit Zeo hat man schnell überlesen können, immerhin ist kurz darauf Kai gestorben. v.v Zeo ist Stahlklaue in Jacques' Begleitung, der den sechs die Amulette abgenommen hat.

Kann schon sein. -.- Die Magier sind bei mir immer in einem ähnlichen Milieu.

Schön, dass das jemandem aufgefallen ist, dass der eigentlich kein Tisetah haben kann. Das ist übrigens Jacques' Schuld. Er war in der Abtei, um auf sein Ziel hinzuarbeiten. Während Voltaire aber einem Hatesit zwei Tisetah geben wollte, wollte Jacques einem Magier ein Tisetah geben. Und Unicolyon - darauf wird nicht geachtet, die verbinden sich, wenn sie sich treffen, ob sie nun wollen oder nicht. Für das Mädchen brauchte ich ein Gesprächsthema. -.- Sonst hat das keine Bedeutung. Was Olivier macht, erfährst du dann demnächst. Übernächstes Kapitel...oder so.

So solls auch klingen. Immerhin ist das der Tiefpunkt der Geschichte, für die zumindest. Ja, ich meine schon DEN Robert, sonst hätt ich einen anderen Namen genommen. Wer sagt denn, dass Robert kein Tisetah hat?

Ich glaube, dieser Satz trifft Jacques ganz gut. O.O Wär' schlimm, wenn er begraben wäre <--- verstehst du nächstes Kapitel.

Keine Sorge, DAS hab ich von Anfang an nicht ernst genommen. *g* Interessante Theorie, aber leider falsch. ^^ Eigentlich ist alles ganz einfach. Hier würde passen Come on, kill the phoenix. XD Rätsel wird im nächsten Kapitel gelöst.

Wenn schon, denn schon! Warum einer, wenn alle gehen? Nachhilfe? Bestimmt. XD Hätt ich auch gern.

Schöne Metapher...
 

@ engel_salvia: Danke für dein Lob. ^---------^ Nö, Kai ist tot. Der hat ein Schwert ins Herz gekriegt. Da lebt man nicht mehr allzulang, schätz ich. Ein Tisetah stirbt mit seinem Hatesit(oder umgekehrt) und da Black Dranzer in dieser Hinsicht ein ganz normales Tisetah ist, ist er auch tot.

Kai hat die Teshita mit Black Dranzer geschlossen, als er 10 war. Zwei Jahre später ist er dann aus der Abtei abgehauen. Erschienen ist Black Dranzer nur einmal in seinem Leben.
 

**
 

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Unerwartete Hilfe
 

"Tut die Wunde noch weh?", wollte Rei wissen und zerbrach damit die quälende Stille, die in der kleinen Zelle gelegen hatte. Bryan sah von seiner Pritsche auf. Sie war gegenüber Reis an der Wand angebracht. Durch das kleine, vergitterte Fenster fiel helles Sonnenlicht und zeichnete goldene Flecken auf den Boden. Bald würde die Sonne untergehen. In der Ecke stand ein Eimer, in dem man gewisse Dinge verrichten konnte.

"Was denkst du denn?", fragte Bryan und seine Stimme klang scharf.

"Lass es mich ansehen."

"Warum? Du kannst jetzt doch sowieso nichts tun!"

"Aber..."

"Nerv nicht!"

Rei wurde langsam wütend. Was bildete der Kerl sich eigentlich ein? Da machte man sich Sorgen und wurde so angefahren! Was sollte das eigentlich?! "Du solltest mich wirklich mal danach sehen lassen. Du siehst nicht gut aus."

Jacques hatte die Wunde zwar versorgen lassen, so dass Bryan am Leben blieb, aber unter den Söldnern schien keiner zu sein, der wirklich etwas von Heilkunst verstand. Rei schon und er hatte sofort gesehen, dass die Verletzung nur unzureichend versorgt war. Wenn man da nicht bald etwas ändern würde, würde es schlecht für Bryan aussehen. Der violetthaarige Krieger sah nicht besonders gut aus, sein Gesicht war bleich, aber zur gleichen Zeit schwitzte er. Seine Stirn glühte wahrscheinlich schon.
 

"Nerv nicht!", wiederholte er keuchend und rollte sich herum. Rei fragte sich, wie er das aushalten konnte. Die Schmerzen in seiner Schulter mussten ihn doch um den Verstand bringen! Und dazu das Fieber. Aber Bryan beklagte sich nicht. Wenn Rei nicht ein so guter Beobachter wäre, hätte er auch nie gesehen, wie schlecht es dem Anderen wirklich ging. Er machte sich Sorgen. Mehr, als eigentlich angebracht war und er wusste nicht, warum. Aber das war ihm auch egal. Um solche Gefühle machte er sich nie Gedanken. Wenn sie da waren, akzeptierte er sie und handelte nach ihnen.

Für Bryan musste das unverständlich sein. So, wie er reagierte... Was hatte er bloß erlebt, dass er so geworden war, wie er war? So kalt, emotionslos? Er war nicht wie Kai; er war anders als dieser, das war wirkliche Kälte.

Rei verstand sie nicht. Welche Qualen mochte er in dieser Abtei erlebt, um die Wundschmerzen so einfach wegzustecken? Langsam stand er auf und trat zur Tür. "He!", rief er hinaus. Durch das Fenster konnte er in den kleinen Vorraum sehen. Mehrere Söldner waren dort versammelt und ,bewachten' sie. In Wirklichkeit waren sie aber mehr in ihr Kartenspiel vertieft. Was sollten sie auch anderes tun? Die Gefangenen würden nicht ohne Hilfe von außen aus den Zellen kommen.
 

Jetzt drehten sie sich unwillig um. "Was ist?", grunzte einer miesgelaunt. Immerhin hatte er es den Gefangenen zu verdanken, dass er nicht irgendwo in der Burg in einem gemütlichen Zimmer sein konnte, vielleicht mit weiblicher Gesellschaft...

Rei ignorierte den scharfen Tonfall und meinte: "Ich brauche Wasser und neue Verbände. Die Wunde sieht nicht besonders gut aus."

"Ach ja? Glaubst du, das interessiert uns?"

"Wenn sich die Verletzung entzündet, könnte er sterben. Ich glaube aber, Jacques braucht ihn noch. Außerdem war es einer von euch, der ihn verletzte."

"Na und?"

"Es ist wirklich wichtig. Bitte." Rei brachte es kaum über sich, das letzte Wort auszusprechen. Wer war er denn, dass er diese Kerle um etwas bitten musste?! Hoffentlich würde Bryan ihm das danken!

Jetzt erhob sich der Mann und trat näher. Sein Gesicht wirkte zornig. "Hör zu, Mädchengesicht."

Rei zuckte bei der Beleidigung zusammen, sagte aber nichts. Er wollte den Wächter nicht noch mehr erzürnen, da das die einzige Chance war, wie er an Wasser und Verbandsmaterial kommen würde. Also überging er das Schimpfwort und schwieg. "Ich weiß nicht, wo du herkommst, aber bei uns ist es nicht üblich, bei jedem Wunsch von einem Gefangenen sofort zu springen! Hast du verstanden?"

"Aber...", begann Rei.
 

"Kein Aber! Hast du verstanden?"

"Hör auf, Thom.", schaltete sich einer der Anderen ein. "Ich glaube, Mädchengesicht hat Recht. Wenn der Kerl uns wegstirbt, haben wir die Arschkarte gezogen. Ich gehe hoch und sage Jacques Bescheid. Dann sehen wir weiter."

Rei seufzte erleichtert auf. Sterndeuter würde etwas für Bryan tun, da war er sich sicher. Thom ging fluchend zum Tisch zurück und setzte sich. "Wenn du meinst. Aber lass mich aus dem Spiel!" Der freundliche Wächter, der Rei helfen wollte, zuckte die Schultern und verschwand.

"Was tust du da?", erklang Bryans ungehaltene Stimme hinter ihm. Der Krieger spranch leise, so dass nur Rei ihn hören konnte, und gepresst.

Rei setzte sich neben ihm auf die Pritsche. "Sei still. Du solltest dich nicht zu sehr anstrengen."

Wütend fuhr Bryan auf. "Mir geht es gut!" Rei runzelte die Stirn. Warum konnte der Andere nicht einmal ohne Protest Hilfe annehmen? War das denn so schwer zu ertragen? Musste er sich über alles beschweren? Er zog ärgerlich die Augenbrauen zusammen und langte nach der verletzten Schulter Bryans. Dieser sog scharf die Luft ein und konnte ein Wimmern nicht unterdrücken. "Sag mal, spinnst du?! Das tut doch weh!"
 

"Ich weiß." Bryan wusste sofort, dass er etwas falsches gesagt hatte. "Jetzt leg dich hin und ruh dich aus." Murrend funkelte der Violetthaarige ihn an, doch unter Reis entschlossenem Blick schwand sein Widerstand. Gehorsam legte er sich zurück.

Es dauerte nicht lange, als der hilfsbereite Söldner wieder auftauchte. Ein kurzer Wortwechsel im Nebenraum entstand, den Rei nicht verstehen konnte. Er wollte gerade aufstehen und hinüber gehen, als ein Gesicht am Gitterfenster erschien. "Bleib da sitzen!", maulte Thom ihn an, als er seine Absichten bemerkte.

Die Tür wurde aufgeschlossen und der hilfsbereite Mann kam herein. Er trug ein großes Tablett, auf dem einige Schüsseln und Tücher lagen. Er stellte das Tablett ab und verschwand eilig wieder. Anscheinend hatte er etwas Angst vor Bryan und Rei. Er hatte ja auch ganz recht.

Der Zhaon'El hätte ihn wahrscheinlich mühelos überwältigen und töten können, wenn er gewollt hätte. Selbst die Entfernung wäre kein großes Problem gewesen. Und zu was Bryan fähig war...wer wusste das schon? In dieser Abtei jedenfalls musste er sehr viel gelernt haben, so wie Rei Jacques verstanden hatte. Aber wie hätte das weitergehen sollen? Sie wären nicht allzu weit gekommen.
 

Darum blieb Rei bewegungslos sitzen, bis er die Schlüssel im Schloss knacken hörte, so schwer es ihm auch fiel. Dann stand er auf und ging zu der anderen Pritsche hinüber. Wer immer es auch gerichtet hatte, er verstand etwas von Wundpflege. Mehrere Tücher, lange, weiße Verbände, zwei Schüsseln mit Wasser und ein Napf mit Salbe würden sicher sehr helfen.

Zufrieden nickte er und ging wieder zu Bryan zurück. Dieser lag noch immer bewegungslos auf der Pritsche. Seine Augen waren geschlossen und sein Atem ging keuchend. Seine Stirn glänzte vor Schweiß und seine Brust hob und senkte sich unregelmäßig. War die Verletzung vielleicht doch schlimmer, als Rei angenommen hatte? Dann war es aber allerhöchste Zeit, dass er endlich etwas tat!

Er griff nach Bryans Hemd, doch dessen Hand zuckte vor und umschloss Reis schlankes Handgelenk. Sein Griff war so stark, dass er schmerzte, und seine Augen waren weit aufgerissen und er schien irgendwie nicht zu begreifen, was er sah. "Was...? Bryan, lass mich los! Das tut weh!"
 

Der Angesprochene stieß ein Keuchen aus und löste langsam seinen Griff. Er schien noch immer nicht erfasst haben, was gerade geschah. War er denn eingeschlafen gewesen? Aber...so schnell erwachte doch keiner! Rei begann langsam zu begreifen, dass Jacques ihnen nur die Spitze des Eisberges gezeigt hatte. Des Eisberges, der ,Vergangenheit in der Abtei' hieß. Was war dort denn wirklich geschehen?

"Ich muss die Wunde sehen, wenn ich sie wirklich versorgen will, Bryan." Dieser nickte abgehackt und setzte sich auf. Sein Gesicht war schmerzverzerrt. Warum ließ er sich jetzt plötzlich anmerken, wie sehr es ihm weh tat? Rei schob den Gedanken beiseite. Er war nicht wichtig. Wichtig war, dass Bryan es tat, sich etwas öffnete, wenn wahrscheinlich auch nur für kurze Zeit.

Rei streifte ihm erst die Weste ab, dann nestelte er an den Schnüren, die das Hemd an seinem Hals zusammen hielten. Danach schob Bryan ihn weg und zog sich das Kleidungsstück selbst über den Kopf. "Bei den Vieren!", flüsterte Rei entsetzt, als der Andere das Hemd beiseite legte. Bryans Oberkörper war durchtrainiert und unter der blassen, beinahe durchsichtigen Haut zeichnete sich jeder Muskel deutlich ab und regte sich bei jeder Bewegung Bryans geschmeidig und flüssig.
 

Aber nicht das war es, das Rei so entsetzte, sondern die Narben. Sie zogen sich kreuz und quer über Bryans Brust, seine Schultern, viele feine, kleine Schmisse und wenige, breite Schrammen. Auf dem Rücken war es noch schlimmer. Diese Narben stammten eindeutig von Schlägen mit dem Stock oder der Peitsche.

Rei wusste nicht, dass Max, Takao und Kenny vor nicht allzu langer Zeit ähnliches gesehen hatten - aber an Kai. Aber warum sollte das bei Bryan anders sein? Sie stammten beide aus dem selben Haus, wenn man das so sagen konnte.

"Starr nicht!", zischte Bryan unangenehm berührt. "Sondern tu etwas!"

"Ja. Moment." Reis Blick wanderte zu den blutgetränkten Verbänden an Bryans Schulter. Langsam entfernte er sie, wobei der Andere immer wieder ein Zischen ausstieß. Schließlich lag die Wunde offen vor dem Zhaon'El. Ihm wurde beinahe übel. Eiter und Blut quollen aus der Wunde, deren spröde Ränder gar nicht gut aussahen. Das musste schnellstens versorgt werden, damit man schlimmeren vorbeugen konnte!
 

Rei holte eine der Schüsseln und ein Tuch und begann die Verletzung zu reinigen. Bald war das Wasser nicht mehr klar, sondern trüb und rot. Bryan rührte sich nicht unter der Behandlung, jedenfalls zuckte er nicht mehr zusammen vor Schmerz oder gab einen Laut von sich. Nach einer Weile entspannte er sich sogar etwas.

Schließlich ließ Rei zufrieden von der sauberen Wunde ab und wischte noch kurz über die darum liegende Haut, damit jeglicher Dreck so weit wie möglich entfernt war. Was das wohl für eine Salbe war? Rei wusste es nicht, aber er vertraute dem unbekannten Heiler dort oben in der Burg. Was hätte er davon, wenn er Bryan vergiftete? Sanft strich Rei die Arznei um die Wunde, dann verteilte er den Rest auf einem der Verbände und legte ihn genau über die Wunde.

Bryan zuckte zusammen und knirschte mit den Zähnen. Rei hielt inne. "Worauf wartest du?" Er nickte als Antwort und wickelte rasch und sachgerecht die Binde um die Schulter und Bryans Oberkörper und verschnürte sie schließlich.

"Fertig. Ich hoffe, das hilft etwas."

"Ich auch.", murrte Bryan, aber seine Stimme klang nicht mehr ganz so feindselig. Rei war froh darüber. Er wollte wirklich kein Feind für den Anderen sein, sondern im Gegenteil, ein Freund. "Alles in Ordnung?"

"Ja. Was sollte nicht stimmen?"
 

Rei seufzte. "Nichts." Er sah auf den Boden und wollte dann wieder aufsehen, doch sein Blich blieb an Bryans Oberkörper hängen. So schreckliche Narben. Was mochte in der Abtei wirklich abgelaufen sein? Der Angestarrte spannte unbehaglich die Muskeln und rutsche von ihm weg. "Was ist?" Seine Stimme klang irgendwie unsicher. Ob er sich der Narben schämte?

Rei antwortete nicht, sondern hob die Hand und fuhr langsam über Bryans Oberkörper. Goldene Haut auf weißer. Er war irgendwie fasziniert von dem Anderen, handelte wie in Trance. Die Haut war kühl und glatt und weich wie Seide, zumindest an der Stelle, wo kein Narbengewebe war, ganz anders als er es sich vorgestellt hatte. Irgendwie hatte Rei geglaubt, Bryans Haut müsste spröde und hart sein.

Der Andere erschauderte unter der Berührung, rührte sich aber nicht. Reis Hand glitt höher, über den Verband, den Hals, bis sie auf der Wange zum Liegen kam. Der heiße Atem des Anderen streifte sein Gelenk und seinen Arm. Beinahe schüchtern hob er seinen goldenen Blick und traf auf Bryans aus sturmgrauen, klaren Augen, in denen ein Ausdruck lag, den Rei nicht zu deuten wusste.

Abrupt wurde Rei in die Wirklichkeit zurückgerissen. Dort saß keiner seiner Freunde oder guten Bekannten, sondern nur ein Verbündeter, jemand, den er eigentlich kaum kannte, und vor allem jemand, der das sicher nicht gutheißen würde.
 

Er zuckte zusammen und zog die Hand weg, als hätte er sich plötzlich verbrannt. Bildete er sich das etwa nur ein, oder schlich sich tatsächlich etwas wie Enttäuschung in die grauen Sturmaugen? Da, hinter der Verwirrung und der...Angst?

"Tut...tut mir Leid.", stotterte er und stand hastig auf um zu seiner Pritsche zurückzugehen. Ein harter Griff um sein Handgelenkt hielt ihn zurück. Rei drehte sich um, begegnete schüchtern Bryans Blick. Dessen Lippen zitterten. "Bitte...lass mich nicht allein. Bitte."

Rei wusste nicht, was er sagen sollte, dann gab er seinem Gefühl nach und setzte sich wieder neben Bryan auf die Pritsche. "In Ordnung. Ich bleibe hier, wenn du willst." Bryans Blick war dankbar, aber nur kurz, dann griff er wieder nach seiner Kleidung und streifte sie über.

Rei sah ihm dabei zu und grübelte darüber nach, was das eben zu bedeuten hatte. War Bryan doch nicht so hart...emotionslos, wie er geglaubt hatte? Aber auf der anderen Seite war es doch Bryans wahres Ich, was sie die ganze Zeit sahen. Bei ihm verhielt es sich nicht so wie bei Kai, der eine Maske trug.

Rei lächelte. War es nicht ganz egal? Einzig und allein zählte doch, dass Bryan nicht nur ein gefühlloser, kalter Stein war, sondern durchaus auch Zuneigung empfinden konnte. Mehr war doch nicht wichtig.
 


 


 

Seufzend beugte Robert sich wieder über die Papiere. Sein ganzer Schreibtisch war voll davon. Lauter Verwaltungskram, Anfragen wegen den Mienen und den Schmiedeerzeugnissen. Die Produkte aus Druskill waren gefragt, denn sie hatten Qualität und das schon seit Generationen. Dafür hatte der Graf viel zu viel zu tun. Und wenn er sich gar nicht konzentrieren konnte und seine Gedanken immer wieder abschweiften, kam er zu nichts.

Wütend warf Robert den Federhalter auf den Tisch und stand auf. Normal schaltete er alles andere ab, wenn er sich um den Papierkram kümmern wollte, aber heute ging es nicht. Immer wieder schweiften seine Gedanken ab. Heute war immerhin auch etwas geschehen, das er nie erwartet hatte.

Warum musste Bourelet mit seinen Gefangenen auch hierher kommen? Bisher hatte Robert verdrängen können, dass draußen in der Wüste einige Dinge geschahen, gegen die er etwas unternehmen sollte. Einige Dinge, die nicht sein sollten. Von denen er wegen dem, was er war, eigentlich nichts wissen durfte.
 

Robert hatte von Anfang an gewusst, das Bourelet und seine Verbündeten für die Diebstähle der Amulette verantwortlich waren. Immerhin waren Bourelet und dieser unheimliche, seltsame Karmaat zu ihm gekommen, um ihm und dem Magierturm Druskills anzubieten, sich an der Sache zu beteiligen. Höflich, aber bestimmt hatte Robert abgelehnt. Das sei nicht sein Ding. Er habe besseres zu tun. Die Hatesit hätten ihn nie behelligt. Er hatte viele Gründe angegeben und den Magiern in der Insel gleichzeitig untersagt zu helfen.

Der wahre Grund aber war ein anderer. Er war sehr groß, wild, hatte einen scharfen Schnabel und riesige weiße Schwingen und einen mächtigen, roten und blauen Leib, vorn die Klauen eines Adlers, der Hinterleib der eines Löwen. Sein Name war Griffolyon und er war ein Tisetah. Sein Tisetah.

Robert wusste, dass es zu einem Skandal kommen würde, würde man jemals entdecken, dass der Graf von Druskill ein Hatesit war. In seiner Familie hatte das nie gegeben, ja, eher im Gegenteil, einige zum Teil mächtige Magier waren unter seinen Vorfahren. Und er war jetzt das genaue Gegenteil. Und alles, weil er ein einziges Mal nicht auf seinen Vater gehört hatte und unbedingt die Wüste betreten wollte. Gleich beim ersten Ausflug war er auf Griffolyon gestoßen und die Bindung war schnell vollzogen gewesen. Seitdem war der Greif bei ihm.
 

Robert musste sagen, dass ihm diese Situation gefiel. Er war nie begeistert gewesen, der Graf von Druskill zu sein; fühlte sich eingeengt und unverstanden, und war über jede Möglichkeit dankbar, aus dieser Welt, in die er hineingeboren war, auszubrechen. Auch wenn es nur eine geheime Flucht war, von der niemand etwas wissen durfte.

Nachdenklich blickte Robert aus dem Fenster. Er befand sich in einem der Turmzimmer im Bergfried und von hier konnte er einen großen Teil der Burg überblicken. Menschen wuselten auf den Höfen und den Wehrgängen herum, betraten oder verließen Gebäude, gingen ihren Arbeiten nach. Einige Kinder spielten mit ein paar Hunden auf dem Hof unter einigen alten Bäumen. In der Nähe saßen einige alte Frauen und strickten. Neben den Ställen waren einige Männer damit beschäftigt, die Pferde zu tränken.

Er war stolz auf das, was er sah. Er herrschte darüber, er organisierte es, es war teilweise seine Arbeit, dass alles hier so gut lief. Aber trotzdem gehörte er nicht dazu, er wusste es ganz genau. Er war anders als diese Menschen dort unten, denn er war ein Bündniskrieger. Gegenüber Magiern musste er misstrauisch sein, auch gegenüber anderen Fremden. Niemand durfte erfahren, was er war.

Natürlich gab es einige Leute in Druskill, die davon wussten. Seine alte Kinderfrau, sein Verwalter, sein Lehrer, Ben. Ben hatte ihm immer zur Seite gestanden, treu und verlässlich. Jetzt würde er noch mehr tun müssen. Denn Robert konnte nicht daneben stehen, wenn Unrecht geschah.
 

Ja, er hatte es zugelassen, weil er Bourelet indirekt unterstützt hatte, indem er ihm Druskill als Herberge zur Verfügung gestellt hatte, indem er geschwiegen hatte. Aber wenn es direkt unter seinen Augen geschah, konnte er nicht mehr zusehen. Es war Bourelets Fehler gewesen, den Weg über Druskill zu nehmen. Etwas mehr Unbequemlichkeit und Robert hätte ihn in Ruhe gelassen.

So aber konnte der Graf seine Hände nicht in den Schoß legen. Sein Plan hatte schon begonnen zu reifen, als er die Gefangenen gesehen hatte. Er hatte sofort erkannt, dass es Hatesit waren, denn jemand anderen hätte Bourelet nicht mitgebracht. Darum hatte er die Zellen auch erwähnt. Es war klar, das Bourelet den Köder schlucken und ihn bitten würde, die Gefangenen dort unterzubringen.

Robert war froh um den Geheimgang, den einer seiner schreckhaften, ängstlichen Ahnen dort hatte anlegen lassen - ehe er die Arbeiter umgebracht und alle Informationen darüber vernichtet hatte. Es durfte doch niemand etwas von dem geheimen Fluchtweg wissen. Robert konnte diese Verhaltensweise zwar nicht gutheißen, aber jetzt kam sie ihm zunutzen, denn der Gang war noch immer sehr geheim.
 

Er seufzte und prägte sich das Bild, das sich ihm auf dem Burghof bog, noch einmal ein. Wahrscheinlich würde er würde es nie wieder sehen. Er hatte beschlossen etwas zu tun und Druskill würde die Folgen tragen müssen. Anders ging es nicht. Der Graf würde seine Insel verlassen und den Hatesit folgen. Darum musste er jetzt auch zurück zu seinem Papierkram. Er musste jetzt noch einige Dinge erledigen, sonst würden Ben und alle, die ihm mit der Verwaltung Druskills helfen würden, es zu schwer haben. Ben selbst war in Roberts Auftrag unterwegs und bereitete alles für die Flucht vor. Sie konnten ja schlecht ohne Bewaffnung und Gepäck durch die Wüste. Wo sollte das denn hinführen?

Die Stuhlbeine schabten über den Steinboden, als Robert sich wieder hinsetzte. Langsam griff er nach dem Federhalter und tauchte ihn in das Tintenfässchen. Dann warf er einen Blick auf die Unterlagen und begann zu schreiben. Er setzte gerade den letzten Punkt, als ein Klopfen an der Tür ihn aus der Konzentration riss. "Ja?"

Die Klinke wurde heruntergedrückt und die Tür lautlos aufgeschoben. Ben trat herein und schloss die Tür hinter sich wieder. "Alles erledigt, Robert."

"Danke."

"Du willst das wirklich tun?"

"Ja. Es muss sein. Etwas muss beendet werden. Meine Aufgabe ist es, dabei zu helfen."
 

Ben runzelte misstrauisch die Stirn. "Was meinst du damit? Du redest nicht von den Diebstählen."

"Nein. Ich meine damit die Feindschaft und die Ächtung der Hatesit." Das war ein Thema, das Robert schon lange am Herzen lag. Es musste etwas daran geändert werden, dass die Bündniskrieger überall verachtet wurden. Wenn nicht jetzt, wann denn dann? Robert legte die Feder hin und schraubte das Tintenfässchen zu. Dann stand er auf.

"Ich habe alles erledigt, was zu erledigen ist. Ich hoffe du kommst zurecht." Ben nickte, sagte aber nichts. Es war ihm anzusehen, dass er gerne eine andere Lösung gefunden hätte. Aber so sehr er auch suchte, er fand nichts. Es gab keine andere Möglichkeit. "Ich wünschte, nicht du müsstest gehen."

"Es ist aber so. Mach dir keine Sorgen, Ben." Robert trat auf seinen alten Waffenmeister zu. So viel hatte Ben ihm beigebracht. Wie das Schwert zu führen war. Kriegsführung, Strategie, Taktik. Aber nicht nur das. Auch die Menschenkenntnis hatte er von Ben gelernt. Wie die Menschen anzufassen waren. Wie man sie dazu bringen konnte, alles für ihn zu tun. Wie weit sie gehen würden für etwas, was sie begehrten. "Danke, Ben.", sagte Robert kurz. "Ich bin sicher, du wirst den Posten gut ausfüllen und für Druskill sorgen. Eines Tages werde ich vielleicht zurückkehren können."
 

"Ich werde daran arbeiten.", erklärte Ben und verbeugte sich, ehe er mit kurzem Gruß wieder ging. Seufzend sah Robert sich noch einmal in dem Raum um, der ihm für lange Jahre als Arbeitszimmer gedient hatte. Er wusste, dass er ihn für lange Zeit nicht wieder sehen würde.

Seine Hand wanderte unbewusst zu dem roten und blauen Amulett, das er an der Kette unter dem Hemd trug. Griffolyons Amulett. Er wusste, dass seine Entscheidung die richtige war. Entschlossen kehrte er dem Zimmer den Rücken und ging hinaus. Hinter ihm fiel die Tür mit einem entgültigen Klicken ins Schloss.
 


 


 

Unruhig tigerte Takao in der kleinen Gefängniszelle hin und her. Viel Platz dafür war nicht. Der Raum war schmal und an beiden Seiten waren harte Holzpritschen an den Wänden angebracht. Auf ihnen lagen einige Decken. Ein Eimer für die Notdurft stand in einer Ecke und durch die kleinen, vergitterten Fenster fiel fahles Mondlicht. Die Sonne war bereits vor einiger Zeit untergegangen, aber Takao konnte keinen Schlaf finden.

Gelangweilt saß Yuriy auf einer der Pritschen und sah Takao zu, der einige unverständliche Worte vor sich hin murmelte. Er war tief in Gedanken versunken. Das ging schon die ganze Zeit so, seit sie hier drin waren. "Komm schon." Yuriys Stimme riss ihn aus den Gedanken.

"Was?", fuhr Takao auf und sein Ton war ziemlich scharf. Er vertrug es nicht in einem so engen Raum eingesperrt zu sein. Das machte ihn nervös und reizbar, er fühlte sich eingeengt und eingesperrt - was er in diesem Fall ja auch war.

"Setz dich." Gehorsam ließ Takao sich auf der Pritsche nieder. Aber er saß nicht lange ruhig, sondern rutschte hin und her und suchte eine andere Stellung. Schließlich stand er wieder auf. Yuriy seufzte. "Du machst mich ganz wirr. Kannst du nicht einmal stillhalten?" Auch seine Stimme klang gereizt.

Takao schüttelte den Kopf. "Wie kannst du nur so still sein!"
 

"Arg! Weil ich sowieso nichts tun kann! Die Tür ist viel zu dick! Und auch wenn wir hinauskönnten, da draußen sind was weiß ich wie viele Menschen, und die werden uns sicher nicht einfach vorbeispazieren lassen!"

"Aber..."

"Setz dich und sei still! Ich frage mich, wie Kai es so lange mit dir ausgehalten hat!"

Takaos Augen funkelten wütend. "Ich frage mich dasselbe! Aber in deinem Fall! Wie konnte er nur mit jemandem wie dir befreundet sein?"

Yuriy richtete sich auf. Sein Körper war angespannt. "Soll das eine Beleidigung sein?"

"Ja. Hör endlich auf, an mir rumzunörgeln!"

Zwischen den eisblauen Augen bildete sich eine steile Falte. "Warum? Nerve ich dich etwa?" Dieser Streit war kleinlich und unnötig, aber Takao war nicht gewillt, ihn beizulegen. Er wollte jetzt einen Krach mit Yuriy. Das würde ihm verdammt noch mal helfen, ruhig zu werden. Er explodierte und warf Yuriy einige Sachen an den Kopf, die dieser sicher nicht gerne hörte.
 

Dass er verdammt kalt sei.

Dass es ihm doch egal sein könne, was Takao mache. Sonst sei es ihm doch auch egal gewesen.

Dass er es nicht verdiene, einen solchen Freund wie Kai zu haben.

Dass er es nicht schaffe, diesem gerecht zu werden.

Dass er... Takaos Liste fand kein Ende, aber das brauchte sie auch nicht, denn nach diesen Anschuldigungen konnte sogar jemand wie Yuriy nicht ruhig sitzen bleiben und er brüllte zurück.

Dass es Takao verdammt noch mal nichts anginge, wie er war.

Dass es ihm nicht egal sei, was Takao mache, nie egal war. Immerhin war Takao ein Freund von Kai und alle von dessen Freunden waren für Yuriy interessant.

Dass Takao gar keine Ahnung habe, was Kai und ihn verbunden hatte, immer noch verband, über den Tod hinaus.

Dass er Kai durchaus gerecht werden könne, ihm beistehen könne.

Dass er...auf jede Anschuldigung fand er eine passende Erwiderung und sie wurden erst aus ihrem Streit gerissen, als jemand grob gegen die Tür bollerte. "He! Hat das mal ein Ende da drin!"

"Schnauze!", brüllten die Streitenden gleichzeitig. "Misch dich nicht ein!" Sie erhielten keine Erwiderung, sondern hörten nur, wie sich Schritte entfernten. Anscheinend hatte ihr ,Gegner' Angst bekommen.
 

Aber auch danach schwiegen sie noch. Nur zögerlich warfen sie sich gegenseitig einen Blick zu. Dann wich die gesamte Anspannung in einem befreienden Lachen. Es tat gut. Es war ein völlig irrsinniges, absurdes Lachen und es passte nicht in diese Situation, diesen Ort, diese Zeit. Aber es musste heraus. Aus dem Vorraum konnte er ein Murren hören und dann den Ruf: "Die sind verrückt."

Endlich hatten sie sich beruhigt und ließen sich japsend auf die Pritschen fallen. Takao sah Yuriy an, der sich den Bauch hielt. Lachend sah er gar nicht mehr so böse und kalt aus. "Weißt du, dass du ohne diesen eisigen Gesichtsausdruck viel netter aussiehst? Sogar richtig sympathisch!", fragte er schließlich.

Erstaunt sah Yuriy ihn an. Dann schüttelte er den Kopf. "Ist doch egal.", murmelte er.

"He, tut mir Leid, was ich gesagt hab, war nicht so gemeint.", meinte Takao, doch Yuriy winkte ab. Anscheinend wusste er, warum Takao auf diese Weise reagiert hatte. "Schon okay. Sag nichts mehr."

Yuriy richtete sich auf und rutschte auf der Pritsche zurück, so dass er sich gegen die Wand lehnen konnte. Er warf einen Blick aus dem Fenster. "Wir sollten jetzt schlafen. Sonst kommen wir morgen nicht weit."

Takao schüttelte den Kopf. "Kann ich jetzt nicht." Auch Yuriy schien es so zu gehen. Er machte nicht die Andeutung, sich zu rühren, doch seine Augen waren weit offen und er wirkte kein bisschen müde.
 

"Duuu?", begann der Jüngere nach einiger Zeit des Schweigens.

"Ja?"

"Wie lange kennst...kanntest du Kai schon?"

Yuriy schwieg. Sollte er...sollte er Takao davon erzählen. Von der Zeit in der Abtei? Er wusste nicht, woher das Gefühl kam, aber irgendetwas drängte ihn, dem Kleineren davon zu berichten. "Seit er sechs war. Ich bin nur ein Jahr älter als er. Ein Jahr länger...dort."

Yuriy machte eine Bewegung nach draußen, aber Takao verstand, was er damit sagen wollte. Er wollte etwas fragen und öffnete den Mund. Dann überlegte er es sich anders und schwieg. "Er wurde mir zugeteilt. Ich sollte etwas auf ihn aufpassen und ihn einweisen. Später würden wir auch zusammen...lernen. Wir, Bryan, Sergej und Ivan waren ein Team. Na ja, erst war mir das nicht recht. Ich sollte mich mit so einem Kleinen, einem Neuen abgeben? Tja, aber das war ein Befehl und Befehle befolgte man ohne zu murren." Yuriy schüttelte bei dem Gedanken daran den Kopf. "Ich war sofort fasziniert von Kai. Na ja, ich glaube, das ist jeder, der ihn zum ersten Mal in die Augen schaut und seine Seele dahinter sieht."

Takao fühlte sich an den Moment zurückversetzt zu dem Augenblick, vor Hiros Halle, als Kai gesagt hatte er wollte gehen, an den Moment, nachdem Takao ihm einige Dinge vorgeworfen hatte. Er hatte in diesem Augenblick auch Kais Seele gesehen. Ehrlich gesagt war der Junge schon von dem Moment an, an dem Kenny ihm im Silbernen Löwen gesagt hatte, Kai sei ein Bündniskrieger, von diesem fasziniert gewesen.
 

Aber diese Faszination hatte sich nicht auf Kai selber bezogen, sondern auf die Welt, aus der er stammte. Sie war fremd, neu und geheimnisvoll und alles was das war, zog Takao an. Darum hatte er damals mehr über Kai erfahren wollen. Später, nachdem Kai ihnen geholfen hatte, war hatte sich Anziehungskraft auf Takao verändert. Er war jetzt ein Freund, ihr Anführer und Helfer. Dafür hatte der Jüngere ihn bewundert. Dann aber, in dem Moment vor Hiros Halle war die Faszination zurückgekehrt, etwas anders als vorher und vor allem stärker.

Er nickte. Er verstand Yuriy. Dieser zuckte die Schultern. "Kai...Kai war etwas Besonderes, Außergewöhnliches, aber auch Befremdendes. Er war anders als alle anderen und das hat mich entgültig in seinen Bann gezogen. Ich bin ihm verfallen, kann man sagen, schon damals, mit Haut und Haaren. Alles hätte ich für ihn getan, glaube ich." Yuriy runzelte die Stirn. "Auch wenn mir das erst jetzt auffällt."

Er schwieg lange. Takao störte ihn nicht. Er wusste, dass er eigentlich zu denen gehörte, die sich selbst gerne reden hörten, aber in manchen Situationen schwieg man besser - und auch er. Jetzt war eine solche Situation. Schließlich sprach der Rothaarige weiter: "Weißt du, dass Kai oft gedichtet hat?"

"Wirklich? Das hätte ich gerne gehört."
 

"Ja. Ich würde dir jetzt gern ein Beispiel nennen - aber ich weiß nichts mehr. Dabei waren sie schön. Er war zwischen sechs und zwölf und mich haben seine Verse immer bezaubert." Yuriy schüttelte den Kopf. "Kai...war schon seltsam. Etwas bizarr vielleicht in der Welt der Abtei. Grotesk. So jemand wie er passte nicht da rein. Dass er durchgehalten hat, war ein Wunder. Er ist wirklich stark."

"Hm.", machte Takao und wollte weitersprechen, als von draußen einige Stimmen erklangen. Er horchte stirnrunzelnd auf.

"Wer...?", begann Yuriy und stand auf, doch Takao war schneller. Er spähte bereits aus den Gitterstäben, als der andere sich noch nicht einmal richtig von der Pritsche erhoben hatte. Takao konnte einige Gestalten im Fackellicht sehen. Die Söldner. Aber da war noch jemand anderes.

Das war keiner der Wächter, aber er kam Takao bekannt vor. Groß, breitschultrig, mit kurzgeschnittenem Haar und einem langen Schwert an der Seite stand er vor ihnen. Es dauerte einen Moment, ehe Takao den Grafen von Druskill erkannte. Was wollte der Kerl hier unten? Hatte es Streit zwischen Jacques und ihm gegeben?

Einer der Söldner schüttelte den Kopf, darauf hin zog der Graf - war sein Name nicht Robert? - sein Schwert und stieß es ihm ohne Umschweife in den Bauch. Der Getroffene stieß ein Röcheln aus und sackte sofort zusammen. Das alles hatte nur einen Augenblick gedauert. Dann riss Robert sein Schwert zurück und sprang über den Tisch in die andere Seite des Raumes. Was sollte das? Warum wollte sich der Kerl mit einem Dutzend ausgebildeter, erfahrener Krieger anlegen?
 

Über Roberts strenges Gesicht huschte ein kurzes Lächeln, dann sagte er ruhig: "Griffolyon." Einen Moment fragte sich Takao, was dieses Wort zu bedeuten hatte. War es ein Zauberspruch?

Dann erschien vor Robert ein dunkelblau leuchtender, großer Schatten, der rasch feste Gestalt annahm. Zwischen dem Grafen und den Söldnern stand nun ein großer Greif. Seine mächtigen, schönen Schwingen waren schneeweiß, der Löwenleib rot und die Adlerklauen blau. Der lange Schwanz mit der dicken Quaste am Ende peitschte heftig durch die Luft und die eisengrauen Klingen an den Schultern, so wie der Panzer, der wie aus grauem Eisen schien, blitzten im Licht der Fackeln und spiegelten es.

Der Greif - Griffolyon - stieß einen lauten Schrei aus und ging sofort zum Angriff über. Seine mächtigen Klauen rissen die Kettenhemden der Krieger auf wie Papier und zerfetzten die Körper. Einige Schreie erhallten, der einzige Mann, der es schaffte bis zur Tür zu kommen, wurde von Roberts Dolch gefällt.

Zufrieden tätschelte der Graf Griffolyon den Nacken, der seinen blutigen Schnabel kurz an dessen Bein rieb und sich dann abwandte. Robert holte seinen Dolch zurück und wischte die Schneiden ab, ehe er sie in die Hüllen schob und nach den Schlüsseln für die Zellen griff, die auf dem Tisch lagen.
 

"Saubere Arbeit.", meinte Yuriy hinter Takao. Dieser zuckte zusammen. Er hatte ganz vergessen, dass der Rothaarige auch noch da war, so fasziniert war er von der Vorstellung des Grafen gewesen. "Das war von langer Hand geplant."

"So lang auch wieder nicht.", mischte sich die Stimme des Grafen ein. Der Schlüssel knackte in dem Schloss, dann öffnete sich die Tür. Sie standen Robert gegenüber. "Nehmt euch die Waffen.", sagte er knapp, ehe er sich der nächsten Tür zuwandte.

Yuriy verließ sofort den Raum und begann, die Klingen zwischen den Leichen hervorzuklauben. Angeekelt blieb Takao stehen. Auch wenn er sich an den Gedanken gewöhnt hatte, viele Tote zu sehen, so war der wirkliche Anblick doch etwas ganz anderes.

"Was ist?", wollte Yuriy wissen.

Takao schüttelte den Kopf und murmelte: "Ich..." Er war kreidebleich im Gesicht. Trotzdem nahm er das Schwert an, dass Yuriy ihm reichte. Bedauernd dachte er an seine eigene Klinge. Jacques hatte ihm das Katana natürlich abgenommen. Das alte Erbstück! Er hatte nicht richtig darauf aufpassen können. Aber...er würde es sicher wieder in den Händen halten. Wichtiger war sowieso Dragoons Amulett. Viel wichtiger...
 

Robert hatte inzwischen die Anderen aus ihren Zellen gelassen und trat zu Griffolyon, um ihn zurückzurufen. Der Greif verschwand, wie er gekommen war. Sie bewaffneten sich, dann wandte Lee sich an Robert und meinte: "Ich weiß nicht, wie wir Ihnen danken können, immerhin..."

Robert winkte schroff ab. "Seien Sie still. Dafür ist später noch genug Zeit, da ich euch jetzt für einige Zeit begleiten muss. Zumindest aus der Reichweite Druskills hinaus."

"Warum?", wollte Max verständnislos wissen. "Ich meine, Sie..."

"Max. Das ist doch ganz klar!", belehrte ihn Kenny. "Da oben sind Magier und aufgrund der Spuren in diesem Raum können sie den Verlauf des Kampfes sehr schnell herausfinden - ebenso wie alle die Beteiligten. Das würde ihn natürlich sofort enttarnen."

"Oh. Stimmt. Dann können Sie uns ja im Kampf gegen die Diebe helfen!"

"Das besprechen wir später.", erklärte Robert scharf. "Erst einmal müssen wir von hier verschwinden. Ich weiß nicht, wie lange es dauert, bis man da oben bemerkt, was geschehen ist, und zu diesem Zeitpunkt sollten wir so weit wie möglich weg sein."
 

Robert marschierte entschlossen in eine der Zellen. Alle starrten ihm verdutzt hinterher. Hatte er nicht gerade gesagt, sie sollten so schnell wie möglich von hier verschwinden? Warum krauchte er dann in einer der Zellen herum?

"Worauf wartet ihr?"

"Äh...ist...ist der Ausgang nicht dort?", wollte Takao langsam wissen und deutete auf die Tür, durch die sie, die Söldner und auch Robert den Raum das erste Mal betreten hatten. "Haltet ihr mich für senil oder was? Hier ist ein Gang, der uns direkt in die Wüste bringt. Sehr weit weg von hier. Nun kommt schon."

Robert schob einen Dolch zwischen zwei Steine, die er vorher abgezählt hatte, dann trat er zu einer der Seitenwänden und drückte auf drei verschiedene Steine, ehe er einen weiteren mühsam drehte. Sofort ertönte ein Klicken. Beinahe lautlos zogen sich einige Steine zurück. Der Dolch fiel mit einem Klirren auf den Boden. Robert hob ihn auf. Kurz darauf klaffte ein Loch in der Wand. Es führte direkt in die Dunkelheit.

"Nehmt die Fackeln.", befahl Robert kurz. "Und steht nicht herum wie Ölgötzen." Sofort kam Bewegung in die Gruppe, die die Anweisungen des Grafen sofort befolgten. Nichts wie weg hier!
 

Takao griff sich eine Fackel. "Werden die nicht wissen, wo wir hin sind?", fragte Kenny besorgt und folgte seinem Freund.

Robert schüttelte den Kopf. "Nein. Der Gang ist durch einen sehr alten, sehr mächtigen Zauber geschützt. Und den Gang kennen nur drei Personen außer mir und die wissen auch von Griffolyon. Von ihnen ist keine Gefahr zu erwarten."

Er war der letzte, der den Gang betrat. Hinter ihm schloss sich das ,Tor' wieder, nachdem er einen Hebel umgelegt hatte. "Einfach geradeaus.", sagte er. "Es gibt keine Abzweigungen oder so. Lauft einfach zu."

Takao folgte der Anweisungen und lief los. Später konnte er nicht mehr sagen, wie lange sie in dem Gang gewesen waren. Aber er war froh, dass er ihn endlich hinter sich ließ und die Freiheit der Wüste wieder fühlte.
 

~~~~~~~
 

Und weg sind sie. XD Einerseits ging es zu schnell, andererseits ist es logisch, was da passiert ist. ôO Ignoriert mein Geschwätz -.-

Okay, das nächste Kapitel wird euch gefallen(denke ich oder besser: weiß ich), aber darauf müsst ihr noch ein bisschen warten. Schreibt ihr mir ein paar Kommis?

Bye

Silberwölfin

Phönix

Titel: Krieger, Magier und Diebe

Teil: 17/24

Autor: Lady Silverwolf

Anime: Beyblade

Warning: OOC

Disclaimer: Die Hauptcharaktere gehören nicht mir und ich verdiene kein Geld mit dieser Fanfic.
 

"..." reden

//...// denken
 

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Hiermit präsentiere ich Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, mein Lieblingskapitel von Krieger, Magier und Diebe. Ich freue mich, Sie her begrüßen zu dürfen und wünsche Ihnen viel Spaß damit ...merkt man eigentlich, dass ich total überdreht bin? Keine Ahnung, warum. *drop*
 

Ich hab grad vorhin nachgesehen und das letzte Kapitel wurde am 21.11 freigeschaltet. Hab euch ganz schön lange zappeln lassen, oder? Oo War aber keine Absicht.

Jedenfalls ist das hier das Kapitel, auf dass ihr alle gewartet und gehofft habt. *g* Ich hoffe, es gefällt euch ebenso wie mir, auch wenn ich teilweise ein wenig ins philosophieren gekommen bin. (Aber die Frage 'Was ist Stärke?' hab ich mir nicht zum ersten Mal gestellt.
 

Zu dem Kapitel muss ich noch sagen, dass es schon stand, bevor ich die eigentliche Idee von KMuD hatte. Oo So was passiert mir öfter, also nich wundern. Ich hab ziemlich lange gebraucht, bis es fertig war und zwei verschiedenen Versionen davon. Die Idee, die ich hier verwendet habe, war die erste, auch wenn die andere auch ihren Reiz hatte(ich hab sie sogar vor der ersten geschrieben). Aber ich fand die hier besser.
 

Azrael ist übrigens auch in der jüdischen, christlichen und islamischen Mythologie der Engel des Todes. Ich hab aber nur den Namen und die Eigenschaft übernommen, denn der 'richtige' Azrael ist ganz schön hässlich. (1000 Flügel oder so und noch viel mehr Augen *brrrr*)
 

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@ spellmaster: Ach ja, dir hab ich's ja schon gesagt. Oo Sooo viel hat Yuriy doch gar nicht über Kai gesagt. Aber du bist nicht die einzige, der diese Szene gefallen hat, ebensowenig wie die mit Bryan. *g*
 

@ are: Schnell war das jetzt nich, oder? *drop* Meine Schuld... Ja, in deinem letzten Kommi hattest du eine tolle Metapher.

Robert hat abwertend über sie gesprochen? Oo Das ist mir jetzt nicht aufgefallen. Nyo, ist jedenfalls nich so gemeint.

Das wäre dann BoRe, weil Byran im Original Boris heißt. (Aber diesen Namen werde ich erst übernehmen, wenn ich einen anderen für Balkov habe.) Oh, ja, es hätte interessant werden können, aber es wäre auch vollkommen Fehl am Platz gewesen.

Mach dir keine Illusionen, die haben sich beleidigt. Ich hab's nur weggelassen. *g* Die Wirkung war gewollt. Ich mach das oft so.

Mehr von Yuriys Gedanken über Kai? Okay, lässt sich wahrscheinlich machen. Wenn ich dann mal endlich anfange es zu überarbeiten... Kann noch dauern. Aber wenn du noch mehr solche Sachen anmerkst, weiß ich auch wo die Schwächen liegen.

Aktion gibt es später noch mehr. Aber dazu darfst du keine allzu lebhabfte Fantasie haben...

Wenn du das Kapitel ließt, weißt du, warum es gut sein kann. ^.~ Und nö, ich denke, du stehst diesmal nicht auf dem Schlauch. Konntest das da unten ja nicht ahnen, oder?
 

@ Sesshi-Chan: Echt? Na ja, war auch nicht geplant, dass es schwer zu raten ist. Das Gespräch hat irgendwie vielen gefallen. Dabei war es doch so kurz... (Aber wenigstens kein Lückenfüller wie die BryanRei-Szene am Anfang *drop*)

Das war's jetzt mit den Hatesit. Jetzt kommen keine mehr. (Ein Glück. Ich hab festgestellt, dass zu viele Personen doch nicht so gut sind.)

Jaaaah, es wird dir gefallen. *g*
 

@ Jazzy: Tach zurück! Ging's jetzt mit der Seite?
 

@ schwarzer_Nebel: Danke für deinen Kommi! ^----------^ Freut mich, dass es dir gefällt! Warum schwierig? Oo *nix versteh* Er ist tot. Oder meintest du seine Vergangenheit? *jetzt völlig verwirrt ist*

War wohl zu lang, das Warten, oder?
 

**
 

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Phönix
 

Alles um ihn herum war weiß. Es gab keine Dunkelheit. Kein Licht. Nur weiß. Sonst nichts. Er warf keinen Schatten. Wie sollte er das auch? Hier war keine Lichtquelle, die ihn einen werfen lassen konnte. Hier war absolut nichts. Nur er und das Weiße.

Er sah sich genauer um, aber er konnte nichts sehen. War er blind? Oder war hier wirklich nichts? Nein, nein, er war nicht blind. Er konnte doch seinen Körper sehen, als er an sich herabblickte, seine Hand und seinen Arm, als er beides hob. Lange schwebte er ruhig und bewegungslos in der Leere.

Nichts schien eine Bedeutung zu haben. Warum auch? Alles war unwichtig. Nur langsam formten sich die ersten Gedanken aus dem Nichts. Wo war er? Wie kam er hierher? Warum war er hier? Die Antwort auf diese Fragen wusste er nicht und er hatte es auch nicht eilig, sie herauszufinden. Warum auch? Zeit war bedeutungslos.

Er fühlte sich gut. Geborgen, sicher. Unverletzlich. Glücklich. Zwar war da ein drückender Gedanke, der ihn störte, aber er ließ ihn unbeachtet. Nichts sollte hier sein, das einem Sorgen bereitete. Es störte das Gefühl der Geborgenheit und des Schutzes. Das war ein Gefühl...wie in den Armen der liebenden Mutter zu liegen.
 

Er erinnerte sich nur dunkel daran. Aber er hatte diese Gefühl einst kennen gelernt. Damals, als er noch klein gewesen war, war seine Mutter immer für ihn da gewesen. Sie hatte ihn gehalten, wenn er geweint hatte, und getröstet. Sie hatte ihm Geborgenheit gegeben und die Einsamkeit, die er später nur allzu gut kennen gelernt hatte, genommen.

Er lächelte. Das war eine ungewohnte Bewegung. So lange hatte er nicht mehr gelächelt, richtig. Oder? Doch. Erst letztens. Er hatte Yuriy angelächelt und dabei sein eigenes Blut geschmeckt. Metallisch und bitter, aber sehr vertraut. Und in seiner Brust hatte der Schmerz getobt wie ein Unwetter.

Ja. Genau, der drückende Gedanke. Das war das. Die Erinnerung. Die Erinnerung an seinen Tod. Er runzelte die Stirn. Sie schien irgendwie...bedeutungslos. Aber da war noch etwas anderes, etwas, dass Bedeutung hatte.

Bedeutung hatte und gleichzeitig mit dieser Erinnerung verknüpft war. Was war es? Vor seinem inneren Auge tauchte das dunkelhäutige Gesicht eines schwarzhaarigen Mannes auf. Erst nach längerer Zeit fiel ihm auch sein Name ein. Jacques Bourelet. Es dauerte noch länger, bis er wusste, wer der Mann war. Sein Mörder, der, der ihn umgebracht hatte. Aber Jacques war nicht wichtig.
 

Was war es dann? Yuriys Gesicht erschien wieder. JA! Yuriy war wichtig. Neben Yuriy erschienen andere Gestalten. Takao. Max. Kenny. Ivan. Es dauerte etwas länger, dann fielen ihm noch mehr Personen ein. Bryan. Sergej. Rei. Lee. Kevin. Hitoshi. Michael. Sie alle waren wichtig. Sie waren seine Freunde. Er durfte sie nicht vergessen. Sie waren nicht bedeutungslos wie alles andere.

Ja! Und plötzlich hatte die Zeit wieder eine Geltung. Wie lange war er schon hier? Er wusste es nicht. Tage? Wochen? Länger? Was mochte geschehen sein? Wie mochte es seinen Freunden gehen? Ob sie ihren Kampf bereits zu Ende gefochten hatten? Der Kampf, durch den auch Jacques an Bedeutung gewann.

Ja. Alles wurde wichtiger, je länger er hier war. Alles bekam seine Wichtigkeit zurück. Aber wenn alles so wichtig war, was tat er denn hier? Er war tot, oder nicht? Sollte er...sollte er dann nicht in Cuallarions Reich sein? Oder war das hier Cuallarions Reich?

Nein, ganz sicher nicht. Er hing...dazwischen. Irgendwo dazwischen. Zwischen der Welt der Lebenden und der Toten. Warum war er nicht weitergewandert? Sein Körper...war doch schon tot. Sein Geist hatte kein Recht mehr darauf, noch hier zu verweilen. Es war nur ein Übergangsort, ein Ort, den man nur kurz sah, ehe man weiterreiste und von Cuallarions Neun Wächtern der Toten empfangen wurde.
 

Aber...war das wichtig? Viel wichtiger war doch die Frage, ob es seinen Freunden gut ging! Ob sie ihren Kampf gewonnen hatten! Ob sie noch lebten! Wie ging es ihnen ohne ihm? Und wo...wo war Dranzer? In seiner Seele herrschte Leere ohne sie. Und auch Black Dranzer war nicht mehr da. Auch sein Platz war leer.

Aber einsam war er nicht. Nein, die Geborgenheit war noch immer da. Trotz allen Fragen, die in seinem Geist umherwirbelten, und Erinnerungen, die ihm wichtig waren. Er sah sich um, aber nichts hatte sich verändert.

"HE!" Seine Stimme klang laut und hallend. "Hallo?" Niemand antwortete. Er versuchte es noch einmal. "Ist denn niemand da?" Noch immer nichts. Vielleicht sollte er dreister werden? "Heee! Ich bin tot! Cuallarion, wo bist du?" Eigentlich eine Frechheit, sich einem Gott gegenüber so zu benehmen. Aber den Totengott interessierte sein Gebrüll überhaupt nicht. Denn wieder geschah nichts.

Er rief noch eine ganze Weile auf gut Glück in die Leere hinaus, rief nach Cuallarion, nannte jeden einzelnen seiner Neun Wächter, rief schließlich auch andere Götter an und zusätzlich die Vier Göttlichen. Niemand antwortete. Schließlich ging er dazu über, seine Freunde zu rufen, aber sie hörten ihn natürlich ebenfalls nicht.
 

"Arg! Will mir wohl jemand antworten!"

"Was ist denn los? Schrei hier gefälligst nicht so rum!" Die tiefe, melodische Stimme erschreckte Kai total, so dass er mit einem erschrockenen Ausruf herumwirbelte.

"Merkst du nicht, dass du den anderen Leuten hier auf den Keks gehst? Du bist ganz schön unverschämt!"

Verdutzt starrte Kai auf die Gestalt, die sich hinter ihm mit verschränkten Armen aufgebaut hatte. Sie war größer als er, vielleicht um einen und einen halben Meter und trug lange, seltsame Gewänder aus fließendem, schwarzem Stoff.

Um die Hüfte wurden sie mit einem schweren, goldenen Gürtel gehalten und auch sonst war er schwer mit Goldschmuck behängt. Auf der Stirn trug er ein goldenes Diadem. In der rechten Hand hielt er einen langen, schlanken Stab aus schwarzem Holz - oder war es Stein? - an dessen Spitze ein sitzender, weißer Rabe aus Stein angebracht war.

Sein Gesicht war von einer ästhetischen, überirdischen Schönheit, die sich nicht beschrieben ließ. Wie könnte man so etwas Schönes auch in Worte fassen? Es war von einer Wolke schwarzen, hüftlangen Haares umgeben, die um es herumwirbelten, als ginge ein ansonsten unspürbarer Wind oder als befände er sich im Wasser. Und aus seinen Schultern erhoben sich zwei mächtige, schwarz gefiederte Schwingen.

"Was ist? Erst so laut rumschreien und jetzt kein Wort mehr herausbringen? Was soll das, Menschlein?"
 

In Kai flackerte Wut auf. Er wusste, wer das war. Aber auch wenn der Geflügelte Azrael, der Oberste der Neun Wächter war, so gab es ihm noch lange nicht das Recht, ihn so anzubrüllen! "Du bist selber Schuld, wenn du dich genervt fühlst! Hättest ja gleich antworten können, als ich gerufen habe!"

"Ach ja? Wenn der Mensch pfeift, muss ich springen, oder was?"

"Du bist es doch, der sich gestört fühlt, oder nicht? Wenn mir niemand etwas sagt, kann ich auch nicht wissen, dass hier Rufen verboten ist!"

"Als ob du oft rufen würdest, Mensch! Du bist doch sonst immer so stumm wie ein Stockfisch!"

"Woher willst du das denn wissen? Kennst du mich so gut?"

"Natürlich! Immerhin bist du eine sehr interessante Person!"

Kai wollte gerade den Mund öffnen um zu antworten, schloss ihn dann aber wieder, nachdem er bemerkte, welch sinnloses Gespräch er gerade führte. Das hatte doch keinen Zweck. "Eine 'interessante Person'?", wollte er langsam wissen.

Azrael blitzte ihn aus vollkommen kohlschwarzen Augen an. "Ja. Immerhin bist du der Hatesit des Roten Phönix."
 

Kai zog eine Augenbraue hoch. Irgendwie überraschte ihn diese Eröffnung gar nicht. Ob er es schon immer gewusst oder zumindest geahnt hatte? "Na und? Rei ist der Hatesit des Weißen Tigers. Beobachtest du ihn auch?"

"Nein." Der Ärger aus Azraels Stimme war wie weggeweht. Jetzt war sie nur noch friedlich und sanft. Friedlich und sanft wie der Tod.

"Warum nicht? Ich meine, ich..."

Ein leises Lachen. "Ich beobachte von den vier Hatesit der Vier Göttlichen nur dich. Weder deinen Freund Rei noch die anderen beiden. Wie heißen sie noch? Takao und Max?"

Das war erstaunlicher. Takao und Max waren...? Warum eigentlich nicht? Max' Tisetah war eine schwarze Schildkröte und Takaos ein Blauer Drache. Alles fügte sich zusammen. Die vier Hatesit der Vier Göttlichen waren bereits versammelt und auf dem Weg zu dem Feind. Beziehungsweise, sie waren versammelt gewesen. Aber Kai war jetzt tot. Was mochte aus dem Kampf gegen Azulon und seinen Verbündeten werden? Aber sollte ihn das jetzt noch interessieren? Es gab da noch eine viel wichtigere Frage.

"Und warum ich?"
 

Azrael antwortete mit einem Lachen.

Kai zog eine Augenbraue hoch. "Nun?"

"Weil der Rote Phönix, Mensch, das einzige Wesen ist, das je dem Tod entkommen ist."

"Bitte?"

"Erinnerst du dich nicht? An die Geschichte des Beginns?"

"Doch. Natürlich. Jeder kennt die Geschichte. Zumindest jeder Hatesit."

"Das ist auch gut so."

"Und? Was hat das eine mit dem anderen zu tun?"

"Bist du so dumm oder tust du nur so?"

Kai starrte ihn wütend an, zog es aber vor, nicht zu antworten. Azrael würde ihm so oder so nicht sagen, was der Grund für sein Interesse war. Warum Worte verschwenden? In der Geschichte hieß es, die Vier Göttlichen seien gestorben. Und durch die Macht des Roten Phönix wieder auferstanden. Eine Wiedergeburt. Warum nicht? Das gab es doch alle naselang.

"Was ist am Phönix so besonderes? Jeder wird doch wiedergeboren.", sagte Kai schließlich.

Azrael lachte. "Nein, das war damals keine Wiedergeburt."

"Bitte?"

"Das war so, wie es die Geschichte erzählt. Wiederauferstanden, aber nach dem Tod in der selben Form, wie im Leben zuvor. Die Vier haben niemals Cuallarions Welt gesehen."
 

"Soll das heißen, sie sind ins Leben zurückgekehrt?"

Der Wächter machte eine elegante Bewegung mit der Hand. "Ja."

Kai sah ihn zweifelnd an. Sollte das wirklich die Wahrheit sein? Und wenn das die Wahrheit war...nur mal angenommen, und er diesen Gedanken weiterspann. Konnte Dranzer dann ein weiteres Mal ins Leben zurückkehren? Und mit ihr...er auch?

Arzael musste die Frage in seinen Augen gelesen haben, denn er nickte. "Ja. So ist es. Aber diesmal liegt die Entscheidung bei dir."

"Bei mir? Aber warum?"

"Weil du der Hatesit bist."

"Nur deshalb?"

"Ja. Du kannst entscheiden, ob ihr weitergeht und in Cuallarions Reich hinabsteigt oder ob um ihr umkehrt und in die lebende Welt zurückgeht."

"Will sie denn leben? Was brächte es uns, nicht zu leben?"

"Zum ersten: frag sie. Und die Antwort auf deine zweite Frage musst du dir selbst geben. Aber bedenke: wenn du weiterziehst, so gibt es keine Umkehr." Azrael schwieg einen Augenblick und breitete beide Arme aus. "Das Leben wird dort weitergehen, wo es endete. Du wirst einen neuen Körper erhalten, aber es wird einige Zeit dauern, bis du ihn ohne Schmerzen nutzen kannst. Dort wirst du auf deine Freunde treffen - und auf deine Feinde, auf all deine Erinnerungen. Bedenke das, ehe du dich entscheidest."
 

Azrael schwieg und ließ Kai Zeit, über das Gesagte nachzudenken. Der Rotäugige drehte sich weg. Der Wächter hatte schon recht. Wenn er zurückging, würde er nicht nur Yuriy und die anderen treffen, sondern auch Jacques, dessen Verbündete und vielleicht sogar Voltaire und Boris.

Aber auf jeden Fall würde er sich daran erinnern, was gewesen war, früher in der Abtei. Kai hatte noch immer Alpträume davon, schlief schlecht, war schlecht gelaunt, konnte sich nicht mit Fremden abfinden, sondern misstraute allem und jedem. Seine Mauer würde nie gänzlich einstürzten. Sein Misstrauen nie gänzlich verschwinden, ebenso wenig wie seine Erinnerungen an vergangene Schrecknisse. War es das Leben wert?

"Der Tod aber ist ein Neuanfang im Leben.", flüsterte Azrael in seine Gedanken. Ja. Recht hatte er. Wenn er weiterzog, so würde er von Cuallarion empfangen werden. Und dann irgendwann wiedergeboren. Und diese Wiedergeburt brachte einen wirklichen Neuanfang, einen Beginn ohne Erinnerungen. Einen Beginn in einem besseren Leben. War es dann nicht besser, in die Totenwelt zu gehen? Dorthin, wo kein Jacques war, kein Voltaire und kein Boris? Dorthin, wo seine Erinnerungen ihn nicht mehr quälten, wo keine Alpträume, keine Qualen waren?

Dorthin, wo seine Freunde nicht waren? Seine Freunde nicht waren... Konnte er sich von ihnen trennen? Von Max und Kenny, die ihm beigestanden hatten; von Takao, der ihm ins Gesicht gebrüllt hatte, dass sie Freunde waren; von Kevin, Rei und Lee, die ihn einfach angenommen hatten, wie er war; von Sergej, Bryan und Ivan, die mit ihm aufgewachsen waren und seine Leiden kannten; von Hitoshi und Michael, die ihm oft beigestanden hatten; von Yuriy, der ihn wirklich kannte? Konnte er das?
 

Vor einigen Wochen hätte er gesagt: "Ja. Ich kann das und ich werde es tun." Aber jetzt? Konnte er es jetzt noch? Die Antwort war einfach: Nein, er konnte es nicht. Und er würde es auch nicht tun.

Außerdem war da noch Dranzer. Wollte Dranzer denn sterben? Was hatte Azrael gemeint mit: "Frag sie."? Sie war doch nicht mehr da. Aber die Entscheidung hatte er ganz allein getroffen. Und auch wenn Dranzer sterben wollte, er würde trotzdem zurück ins Leben. Ja! Das war die richtige Entscheidung. Wie hatte er jemals an die andere Möglichkeit denken können? Er wollte doch leben. Hungrig nach Leben. Gierig. Verlangend. Nie genug davon bekommend. Und so war auch Dranzers Entscheidung. Er wusste es. Sie war genau wie er. Sie war Leben.

Alle Zweifel waren fort. Entschlossen drehte er sich zu Azrael um. "Was muss ich tun?", fragte er. "Um zu leben?"

Über das schöne Gesicht glitt ein Lächeln. "Ruf Dranzer. Sie wird dir helfen. Aber es gibt noch ein Problem."

"Ein Problem?"

"Ja. Keines, das einkalkuliert war in Dranzers Pläne."

"Und das wäre?"

"Black Dranzer."

"Was ist mit ihm?"

"Geh und sieh." Und damit war Azrael verschwunden und ließ Kai allein in der Leere zurück. Kai starrte verwirrt auf den Fleck, an dem bis vor kurzem noch Azrael geschwebt war. Dann schüttelte er den Kopf und sah sich um. "Dranzer einfach rufen?" Nun gut, das hatte er bis jetzt nicht getan.
 

"Dranzer!" Der Ruf hallte laut und klingend in der Leere. Er wurde sofort beantwortet. Der klagende Schrei des Phönixweibchens dröhnte ihm nach der langen Stille durch den Schädel. Kurz darauf erklang das Rauschen mächtiger Schwingen und dann erschien sie vor ihm, stolz, lebendig, wunderschön. Das Rot und das Gold ihrer Federn stach nach dem Weiß der Leere und dem Schwarz Azraels in seinen Augen, aber nicht unangenehm.

Lächelnd schwebte er zu ihr und strich über ihren Schnabel. Dranzer gurrte zärtlich und rieb ihren Schnabel an seiner Brust. Endlich waren sie wieder beisammen. Er konnte sie wieder in seiner Seele spüren.

Liebevoll legte er eine Hand an ihren Kopf und zog ihn zu sich herunter. Sie war wieder bei ihm. Die Geborgenheit der Leere verschwand und an ihre Stelle trat die Geborgenheit von Dranzer. Er lehnte den Kopf an ihre Wange und die Hände an die andere. Schützend breitete sie ihre Schwingen aus und er zog die Beine an um mehr von ihrer Wärme zu bekommen.

Und sie gab ihm die Wärme, die er brauchte. Die Wärme, ohne die er in der Abtei elendig zugrunde gegangen wäre; die Wärme, die ihn in den fünf Jahren nach seiner Flucht auf den Beinen gehalten hatte. Die Wärme, die immer in ihm gewesen war, so dass er sie kaum wahrgenommen hatte. Jetzt war sie intensiver, stärker. Vielleicht, weil er sich bewusst auf sie konzentrierte? Vielleicht, weil sie nicht mehr in ihm war?
 

"Danke, Dranzer.", flüsterte er und für was er sich eigentlich bedankte, wusste er nicht so recht. Vielleicht, weil sie einfach für ihn da war, immer und vor allem, wenn sonst niemand da war.

"Lass uns... lass uns wieder leben." Dranzer gurrte wieder leise und sanft, dann peitschte sie mit den Schwingen. Kai löste sich von ihr. Jetzt gab es nur noch ein Loch zu stopfen, das vor dem Tod noch nicht gewesen war. Jetzt fehlte nur noch Black Dranzer. Oder? Aber was hatte es mit Black Dranzer auf sich?

"Geh und sieh.", hatte Azrael gesagt. Kai ging. Wohin - wer wusste das schon, wo der Ort war, an den er jetzt gelangte? Wie - wer wusste schon, wie man an diesen Ort kam? Wann - wer wusste schon, wie man die Zeit an einem solchen Ort messen konnte? Er wusste nicht, wie und wohin er ging, er ging einfach und plötzlich stand er wieder auf festem Boden. Um ihn herum war alles grau und schwarz und schmutzigbraun.

Der Boden war ausgetrocknete Erde, rissig und dunkelbraun. Der Himmel war schwarz und von tiefhängenden Wolken bedeckt, die keinen Lichtstrahl - ob von Sonne, Mond oder Sternen - durchließen. Kai konnte einige verdorrte, dürre Bäume erkennen, die ihre kahlen Äste dem Himmel entgegenstreckten. Die karge, öde Ebene erstreckte sich zu allen Seiden scheinbar endlos und der Horizont war weit entfernt.
 

Verwirrt sah Kai sich um. Das Land hatte etwas eigenartig...anziehendes, war auf seine Art und Weise faszinierend und wunderschön. Nicht auf die normale Art, nicht auf die einzigartige Weise wie Dranzer, nicht auf die ästhetische Art wie Azrael. Nein, es war eine groteske, aber seltsam vertraute Art, sehr verzerrt und bizarr, aber trotzdem sehr...nah.

Die einzigen Farben hier waren Dranzers leuchtendes Rot und strahlendes Gold und der weiße Schal, der in dem kalten, scharfen Wind flatterte. Was war das hier? Hier sollte er Black Dranzer finden? Eines musste er zugeben: dieses trostlose, kranke Land mit den Wolken, die sich in jedem Moment in ein wildes Gewitter verwandeln konnten, passte zu Black Dranzer.

"Und jetzt? Wo ist Black Dranzer." Kai sah sich erneut um, aber er konnte keine Veränderung feststellen. Dranzer und er waren allein. Das rote Phönixweibchen zwitscherte leise. Aber auch sie wusste nicht mehr als er. Kai seufzte. "Lass uns ihn suchen gehen."

Zögerlich sah er sich um, ehe er sich in Bewegung setzte. Er ging einfach geradeaus. Eine Richtung war so gut wie die andere. Dranzer gurrte und schlug mit den Schwingen. Rasch gewann sie an Höhe und zog über ihm ihre Kreise.

Kai wusste nicht, wie lange er ging, aber es hatte auch keinerlei Bedeutung mehr. Schließlich blieb er stehen. Ein seltsames Gefühl in seinem Inneren sagte ihm, dass Black Dranzer bald kommen würde. Dranzer sank tiefer und ließ sich hinter ihm auf den Steinen nieder. "Fühlst du es auch?", fragte er sie und sie gurrte leise und rieb kurz ihren Schnabel an seiner Schulter.
 

Dann entlud sich der Himmel. Kai zuckte erschrocken zusammen und drängte sich an Dranzer, als es plötzlich stockdunkel wurde und der scharfe Wind zu einem heulenden Sturm anschwoll. Er fühlte sich zurückversetzt in die Zeit in der Abtei, in die Kammer. Ein Raum, in dem es kein Licht gab, sobald die Tür geschlossen wurde. Kai wusste nicht, wie lange und wie oft er in der Kammer gewesen war, aber jedes einzelne Mal war eine psychische Folter für ihn gewesen, eine Qual, schlimmer als vieles andere. Beinahe alles hätte er getan, um nicht in die Kammer zu müssen.

Panik stieg in ihm auf. Wenn das so blieb, würde er nicht ansprechbar sein, nicht kämpfen können. Doch die drückende Dunkelheit hielt nicht lange genug, um ihm den Verstand zu rauben, sondern wurde von gleißenden Blitzen gespalten, die von grollendem Donner begleitet wurden.

Bei jedem Schlag zuckte Kai zusammen und war doch froh um die kurzzeitige Helligkeit, die seine Augen blendete. "Scheiße!", flüsterte er leise und krallte seine Finger in Dranzers Federn. "Ich halt das nicht aus!"

Dranzer breitete ihre Flügel um ihn aus und senkte den Kopf, ließ ihn spüren, dass er nicht allein war. Aber er fühlte sich trotzdem...so einsam. Er zitterte. Nicht vor Kälte oder vor Schwäche; nein, vor Furcht. Er kauerte sich unter Dranzers Fittichen zusammen und schmiegte sich eng an sie. Wenn er sie schon nicht sehen konnte, so wollte er sie doch spüren.
 

"Was ist? Hast du Angst?" Die höhnische Stimme riss ihn aus seiner Lethargie. Er schreckte auf. Wer...wer war da? Diese Stimme war so verdammt...bekannt.

"Das brauchst du nicht, Schwächling. Du bist sowieso bald tot. Komm nur heraus." So vertraut, so bekannt, so nah. "Komm schon, Angsthase!"

Der Sprecher - es gab keinen Zweifel, dass die dunkle, melodische, etwas rauchige Stimme einem jungen Mann gehörte - war keine zwei Meter von ihm entfernt, so dass er das Heulen des Sturmes, der sehr fern klang, mühelos übertönen konnte, ohne die Stimme allzu sehr zu heben.

"Warum hörst du nicht auf mich?" Den spöttischen Worten folgte eine leises Keckern. Das erkannte Kai sofort. Es gehörte Black Dranzer. Dranzer fauchte wütend und kreischte. Doch weder Black Dranzer noch der Mann ließen sich von ihr beeindrucken. "Versteckst dich hinter deinem Vögelchen. Wie erbärmlich."

Erbärmlich. Ja, das war die richtige Bezeichnung für ihn. So hatte er sich immer gefühlt, seit er in die Abtei gekommen war. Erbärmlich, schwach, verachtenswert. Nie den Anforderungen entsprechend. Immer zu weit hinterher. Sie hatten ihn fühlen lassen, dass er nicht gut genug war. Sie hatten ihn fühlen lassen, dass er erbärmlich war, wertlos, minderwertig. Ihre Blicke, ihre Gesten, ihr Tonfall hatten für sich gesprochen. Ein höhnisches Lachen.
 

Kai fühlte sich noch schwächer als zuvor. Um dieser Schwäche zu entkommen, hatte er denen nachgestrebt, die stark waren. Bryan und Yuriy. Der Mann außerhalb von Dranzers Schwingen Sie waren alles, was er nicht war, aber sein wollte. Unbarmherzig, mitleidslos, grausam - stark. War kalt wie sie geworden. Aber nur äußerlich. Im Inneren war er so schwach geblieben wie vorher. So wie jetzt.

Er kauerte sich enger zusammen und wimmerte. "Dranzer." Sie gurrte beruhigend, aber von draußen kam nur ein höhnisches Lachen. "Was ist? Immer noch Angst? Wenn du stark werden willst, komm heraus und verkriech dich nicht immer. Das ist doch wirklich jämmerlich."

Ja, er war jämmerlich. Seine Stärke war Fassade und Lüge. Nichts weiter. Er war nicht kalt. Er war nicht grausam. Er war nicht das Eis. Er war warm. Er war sanft. Er war das Feuer. Dranzer gurrte und wärmte ihn. Sie war warm. Sie war sanft. Sie war wie er. Und doch ganz anders. Denn sie war auch stark. Sie war vernichtend. Sie war der Rote Phönix. Sie war die, die die Kraft hatte, Leben zu vernichten und Leben zu geben. Und er, er war nur ihr Werkzeug. Schwach und feige.

"Jämmerlich. Erst versteckst du dich hinter deiner Mutter." Ein höhnisches Lachen. Kai zuckte zusammen und schluckte heftig. Wie konnte der in einem solchen Ton von seiner Mutter reden? Seine Mutter war stark gewesen. Sanft, aber stark und aufrecht. Wirklich stark. "Hinter Dranzer - so wie jetzt. Glaubst du im Ernst, sie kann dich beschützen? Sie schwächelt ein wenig, findest du nicht?"
 

In Kai züngelte ein kleines Flämmchen mit dem Namen Wut. Seine Augen begannen zu glühen wie Flammen. Wie konnte der es wagen, so abschätzend von Dranzer zu sprechen!? Dranzer war nicht schwach! Dranzer schwächelte niemals! Sie war stärker als alles andere! Sie hatte ihn immer beschützt, war ihm immer beigestanden, in jeder Situation auch in der schlimmsten. Nein, vieles konnte man von ihr sagen, aber nicht, dass sie schwach war. "Und hinter Yuriy. Dem guten Yuriy. Immer stark. Immer beherrscht. Immer gefühllos." Der Ton war so verächtlich, dass es keine Steigerung davon gab. Und mit der Verachtung schwang Hass in der Stimme mit. Tosender, brodelnder Hass. Kai erstarrte. Das Flämmchen mit dem Namen Wut loderte auf, heftig und wurde ein verzehrendes Feuer.

Er fürchtete sich nicht mehr. Seine Finger hatten sich aus Dranzers Daunen gelöst und zitterten, genau wie sein ganzer Körper. Aber diesmal nicht aus Angst. Nein, aus purem Zorn. Wer war das, der sich herausnehmen konnte, so von denen zu sprechen, die Kai liebte? So verächtlich? So missfällig? So verhasst?

"Hinter ihnen versteckst du dich, Schwächling? Feigling?" Kai starrte auf den Boden vor sich. War er wirklich schwach? In der Abtei hatten ihn alle wegen seiner Schwäche verachtet. Aber was war Stärke? Was wussten die in der Abtei schon von Stärke, wirklicher Stärke? Nicht das, was man zeigte, war Stärke.
 

Kai hatte schon viele äußerlich starke Männer und Frauen betteln und weinen sehen, weil ihnen etwas begegnet war, das vermeintlich stärker war als sie. Und er hatte Stärke in Leuten gesehen, die angeblich schwach waren - Leute wie Max und Takao, die ihm geholfen hatten, als man ihn entdeckt hatte. Wie Hilary, die wusste, was ihre Freunde, waren und trotzdem zu ihnen gehalten hatte. Wie Max' Eltern und Takeru, die wussten, was ihre Nachkommen waren und sie nicht verstoßen hatten.

Was war denn Stärke? Stärke... Stärke war Standhaftigkeit, Mut, Freundlichkeit, Charakterfestigkeit, Entschlossenheit. Stärke war auch äußere Stärke - aber diese war wertlos ohne die anderen Eigenschaften. Was nutzte einem pure Muskelkraft, wenn man nicht wagte, sie einzusetzen?

Auch Yuriy und Bryan waren stark. Nicht nur äußerlich. Auch im Innern, denn auch sie besaßen diese Eigenschaften. In anderem Maße als Takao und Max vielleicht, aber gab es nicht viele verschiedene Arten von Stärke?

Und Kai...war er selbst stark? Hatte er je gekniffen, als man ihn brauchte? War er je davon gerannt, als etwas Stärkeres ihm gegenüber gestanden hatte? Etwas Neues, Unbekanntes? Hatte er nicht Takao, Max und Kenny geholfen, als sie seine Hilfe brauchten? So wie sie ihm geholfen hatten, hatte er ihnen geholfen.
 

Auch er war stark. Anders stark, als er immer gedacht hatte zu sein. Aber das brauchte er nicht mehr. Er war Feuer. Feuer war wärmend und sanft - und konnte zerstören, vernichten wie nichts anderes auf der Welt. Wer entkam schon einem Inferno? Innere Stärke, das war es, auf was es ankam. Und Kai war im Inneren stark genug.

Hieß es nicht ,Was dich nicht umbringt, macht dich stark.'? Kai war nicht tot, seelisch gestorben an all den Qualen. Er war daran gewachsen und stärker geworden und sich nach jeder Folter darüber erhoben wie der Phönix, stärker und schöner als je zuvor. Wie der Phönix, wie Dranzer. Ja, er war stark.

Und jetzt war er zornig. Zornig auf jenen dort draußen, der die verspottete, die er liebte. "Wie lange willst du dich denn noch verkriechen? Das wird langsam langweilig hier draußen!" Kai konnte nicht mehr weiter schweigend zuhören. Er hatte seine Kraft gefunden, Kraft, die aus dem Inneren kam, und jetzt würde er sie einsetzen um seine Freunde zu verteidigen.
 

Er sprang auf. Dranzers Flügel öffneten sich sofort und Kai stand...sich selbst gegenüber. Erschrocken riss er die Augen auf und erstarrte. Dort, keine zwei Meter entfernt stand...er. Er selbst hatte sich verspottet, seine sanfte Mutter, seine süße Dranzer, seinen starken Yuriy. Seine Augen waren wie Blut, die Streifen auf den Wangen schwarz, ebenso wie das lange Halstuch, das wie verrückt im Sturm tanzte.

Hinter ihm stand Black Dranzer, die Schwingen erhoben, ein kohlschwarzes Ebenbild von Dranzer der leuchtenden Roten. Das Gold auf Schwingen, Brust und Hals und am Kopf funkelte im Licht der Blitze und seine Augen waren weiß.

Die Arme vor der Brust verschränkt grinste sein anderes Ich ihn an. Es hatte ein hämisches Glitzern in den Augen, einen hässlichen Ausdruck im Gesicht. Geschockt starrte Kai ihn an. "Na? Erschrocken? Du hast wohl jemand anderen erwartet." Ein höhnisches Kichern.

"Aber wen? Niemand außer Dranzer, Black Dranzer, dir und mir kommt hierhin. Beziehungsweise, niemand, der nicht mit direkt mit deiner Seele verbunden ist. Deine Tisetah haben hier Platz. Und du und ich. Besser gesagt du und du. Ich und ich. Ich bin du. Deine andere Seite." Das Grinsen vertiefte sich.
 

"Deine bessere Seite. Deine starke Seite." Kai schüttelte fassungslos den Kopf.

"Was? Du glaubst mir nicht? Würde ich dich jemals anlügen? Ich bin du. Ich lüge mich nicht selbst an."

Was erwartete er für eine Antwort? Eine positive? Aber Kai hatte erkannt, was die Wahrheit war und sagte: "Doch. All die Jahre. All die Jahre habe ich mich angelogen. Ich weiß, wer du bist!"

"Ach ja? Dann sag es mir. Hilf mir, hilf dir auf die Sprünge!" "Du...du bist ich...ja. Das ist wahr. Aber...ich habe dich erschaffen. Du bist die Maske, die ich getragen habe, die letzten Jahre. Du bist ich. Und du bist es nicht."

"Ich verstehe dich nicht. Drück dich deutlicher aus."

"Verhöhne dich nicht selbst.", antwortete Kai ruhig. Er war jetzt vollkommen sicher. Er sah die Wahrheit. Er sah die Lüge. Er sah die Stärke. Feuer reinigte. Er war das Feuer. Er war stark. "Du bist nur eine Illusion. Ich habe dich erschaffen, um stark zu sein. Aber jetzt brauche ich dich nicht mehr. Ich bin jetzt alleine stark. Geh."

Ein Stirnrunzeln. Ärgerlich. Aber auch...entsetzt? Erkannte der Andere, dass er verloren hatte? Dass Kai die Wahrheit gesehen hatte? Der heulende Sturm legte sich langsam und Stück für Stück. Die Blitzte tanzten nicht mehr wild über den Himmel und die Wolken brachen leicht auf, ließen sanftes, flammenrotes Licht hindurch.
 

"Geh. Hier ist kein Platz mehr für dich." Der Andere schüttelte den Kopf. Kai trat auf ihn zu, doch er wich zurück und Black Dranzer mit ihm. Es wurde heller. Alles war Schatten, Licht und Schatten. Dunkel zwar noch, aber nicht mehr schwarz.

"Geh. Ich habe die Wahrheit gesehen und die Lüge." Die Gesichtszüge des Anderen entgleisten. Er wich weiter zurück. Er hatte verloren. Aber...er verschwand nicht. Was hatte Kai erwartet? Dass er in Flammen aufgehen würde? Dass er mit einem Donnerschlag verschwinden würde?

Alles um ihn war grau und schwarz. Die Welt heilte. Doch sie wurde nicht gänzlich geheilt. Und Kai erkannte, dass sie das niemals wurde. Zuviel hatte sie erlebt - sie war sein Ebenbild. Auch er hatte zuviel gesehen, zuviel erlebt um je wieder vollkommen glücklich und unbeschwert zu werden. Zu viel Leid, zu viel Schmerz, zu viel Qual, zu viel Demütigung hatte er im Leben gesehen und am eigenen Leib erfahren.

Es würde nie wieder gänzlich heilen, aber zumindest würde es freundlicher aussehen. Ausgeglichener. Freundlicher. Sanfter. Und auch wilder, ausgelassener. Er würde wieder in sich selbst ruhen können, ohne zu leiden, Schmerzen zu tragen.
 

Kai lächelte sich freundlich, sanft an. Doch er erntete nur ein hämisches Lächeln. "Mich kriegst du so leicht nicht los!", flüsterte seine andere Seite. Sie blinzelte ihm verschwörerisch zu. "Du hast mich geschwächt und ich werde nie wieder stark sein. Aber ich werde nie verschwinden. Ja, du hast mich geschaffen. Ja, ich bin deine Maske. Ja, ich bin eine Illusion. Aber durch dich wurde ich zur Wahrheit. Du bekommst mich nie wieder los, denn ich bin ein Teil von dir. Ich bin du."

Kai nickte. Dann drehte er sich um und ging. Und unter seinen Füßen blühten die ersten Pflanzen auf. Zurück blieben seine Maske, seine andere Seite, und Black Dranzer, der ihm einen ohrenbetäubenden Schrei hinterher brüllte. Aber er spürte den schwarzen Phönix wieder in der Seele, so wie Dranzer.

Dann hörte er Dranzers Flügelrauschen und alles um ihn herum wurde wieder weiß. Er war zurück in der Zwischenwelt.

Azrael erwartete ihn. "Nun? Hast du alles geregelt?"

"Wenn man es so nennen kann."

"Hast du mit dir selbst gesprochen?"

"Ja."

"Bist du mit dir selbst ins Reine gekommen?"

"Ja."
 

Azrael lächelte. "Das sehe ich."

"Warum fragst du dann?"

"Weil ich es von dir hören möchte."

"Hn."

"Nicht so schweigsam. Vorhin haben wir uns besser unterhalten."

"Hn."

"Wie? Keine richtige Antwort mehr?"

"Hn."

"Na schön, wenn du es so willst. Hast du die Wahrheit gesehen?"

"Ja."

"Hast du die Lüge gesehen?"

"Ja."

"Hast du die Stärke erkannt?"

"Ja."

"Hast du die Schwäche erkannt?"

"Ja."

"Sehr gut." Azrael schwieg.
 

Kai sah ihn an. "Und jetzt?", wollte er wissen.

"Folge mir. Achte auf den Weg, denn nächstes Mal musst du ihn selber finden."

"Nächstes Mal?"

"Falls es ein nächstes Mal gibt. Das hängt ganz von dir und den Umständen ab. Du kannst nicht zurück, wenn du durch das Alter stirbst. Aber jedes Mal davor. Jedes einzelne Mal wirst du einen geheilten Körper bekommen." Kai zog eine Augenbraue hoch. Das erschien ihm ein wenig...utopisch.

Azrael lächelte. "Nimm es nicht auf die leichte Schulter es ist kein Spaß, zu sterben. Und noch weniger, später wieder aufzustehen. Du wirst sehen, die Schmerzen, die dich im Leben erwarten, sind schlimmer als der Tod. Du - ebenso wie Dranzer und Black Dranzer - wirst lange geschwächt sein. Geschwächt und hilflos. Wenn du niemanden findest, der auf dich aufpasst, landest du früher wieder am Zwischenort als dir lieb ist, glaub mir."

"Das sind ja tolle Aussichten!"

"Durchaus." Azraels Lächeln war eindeutig hämisch. "Mach dir nichts draus. Du wirst schon einen Weg finden. Aber erwarte nicht zu viel vom Leben."

"Das habe ich nie getan." Kai drehte sich um und sah zum Himmel. Dann rief er die beiden großen Vögel. Einen Moment später verschwand Dranzer in goldenen Schimmer. Der Schwarze brauchte länger. Er zögerte. Aber dann verwandelte auch er sich in einen schwarzen Schatten und Kai konnte ihn wieder in der Seele fühlen.
 

Erleichtert seufzte er auf. Es war ihm gar nicht aufgefallen, wie leer und unvollständig man sich ohne sein Tisetah fühlte. Er nickte dem Todesengel zu. "Wohin jetzt?"

"Folge mir." Azrael breitete die Schwingen aus und schwang sich in die Luft. Einen Moment wollte Kai ihm wütend nachrufen, wie er denn bitte fliegen sollte, als er fühlte, dass er ohne sein Zutun vom Boden abhob.

Er folgte dem Engel. Um ihn herum wurde alles dunkler und erstrahlte schließlich in gleißendem Licht. Er konnte Azrael nicht mehr sehen, aber er fühlte ihn noch, und er fühlte auch, wie der Wächter innehielt.

"Von hier an musst du allein weitergehen, Kai Hiwatari." Das war das erste Mal, dass Azrael ihn beim Namen nannte. Kai fühlte, wie zwei sanfte Hände sein Gesicht ergriffen, und nach vorn zogen, dann fühlte er zwei weiche Lippen auf seiner Stirn. "Mögen wir uns nicht allzu bald wieder sehen." Das nächste, was er spürte, waren tobende Schmerzen überall in seinem Körper und er schrie gepeinigt auf.
 

~~~~~~~
 

Da habt ihr Kai wieder. Ich hoffe, ihr seid jetzt glücklich.

Jedenfalls wäre KMuD zu einer Katastrophe verkommen, wenn er wirklich tot geblieben wäre. *hust* Die hätten Calaminus ja nicht mehr schlagen können... So ganz ohne Dranzer (und Kai).

Wenn es zum Kappi noch irgendwelche Fragen gibt, bitte alle stellen.

Ich erwarte für dieses Kapitel gaaaaaanz viele Kommis von euch. ^.~

Bye

Silberwölfin

Genesung und Verrat

Titel: Krieger, Magier und Diebe

Teil: 18/24

Autor: Lady Silverwolf

Anime: Beyblade

Warning: OOC

Disclaimer: Die Hauptcharaktere gehören nicht mir und ich verdiene kein Geld mit dieser Fanfic.
 

"..." reden

//...// denken
 

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Wusst ich doch, dass euch das letzte Kapitel gefällt. ^.^ Jedenfalls ist Kai jetzt wieder da und er stirbt nicht noch einmal, der arme Kerl. Übrigens wird jetzt für ein paar Kapitel etwas langweilig. Ich wiederhole mich irgendwie die ganze Zeit. v.v Sorry.
 

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@ Spellmaster: Naja, über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten.
 

@ Sesshi-Chan: Es war Absicht, dass es so lange dauert. Ursprünglich hatte ich das 17. Kapitel an 16 Stelle, wenn du verstehst, was ich meine. Aber der Anschluss zum 18. hat besser gepasst.

Na ja, wie gesagt, das 17. Kapitel hat mir sehr viel Mühe bereitet und ich habe alles sehr bewusst ausgewählt und so geschrieben, wie ich's geschrieben habe(also die Gespräche, den Vergleich mit dem Feuer, Kais 2. Ich, etc).

Mehr Aktion gibt es(oder auch nicht), aber erst nachdem die nächsten Kapitel durch sind. Wie gesagt, sind eher langweilig.
 

@ engel_salvia: Schnell genug? Ich glaub, ich hab mir 'n bisschen Zeit gelassen.
 

@ Jazzy: Ja, was wäre das? *g* Ich wäre ohne Kai jedenfalls nicht ausgekommen.
 

@ are: Ich mag weiß. XP Aber nicht immer, es kommt schon auf die Situation an. Schnee vor allem. Oder in der Situation, in der alles kaputt gemacht wird. *g* Soll heißen, du wirst bei mir öfter auf Weiß stoßen. Aber hier habe ich die Farbe gewählt, weil Licht weiß ist. Wenn keine Brechung da ist, ist alles weiß.

Azrael ist mit Absicht so(wie auch alles andere in diesem Kapitel), jedenfalls wollte ich ihn nicht so ernst haben, sondern jemand, der richtig lässig ist. Sorry, mit nehm Bild kann ich dir nicht dienen. Kann nicht wirklich zeichnen. ;_;

Ich weiß, dass dieses Katervieh so heißt, aber ehrlich gesagt, ich hatte mit den Schlümpfen nie so viel am Hut. Den Namen hab ich aus der Mythologie.

Hab mich gewundert, warum niemand diese Verbindung zwischen Phönix und Wiedergeburt herstellt. Weil es ja wirklich so einfach war.

Kai bekommt einen neuen Körper, aber der ist etwa auf dem Stand des alten. Darum wird es ihm absolut nichts bringen, wenn er sich im hohen Alter selbst umbringt. v.v Außerdem glaube ich nicht, dass Kai diese Erfahrung wiederholen möchte.
 

**
 

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Genesung und Verrat
 

"Ich halte die Idee, sofort nach Do-ein zu reiten, trotzdem nicht so gut."

"Wohin willst du sonst? Zu Sturmvogel? Das würde zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Wenn wir diese Chance verpassen..."

"Ja, schon. Aber mir ist trotzdem nicht wohl bei der Sache."

"Sieh die ganze Sache doch nicht so schwarz, das wird schon klappen!"

"Und wenn nicht?"

"Dann sitzen wir ganz schön in der Patsche."

"Das hast du schön gesagt. Aber wenn es dann soweit ist, kann es uns auch nicht helfen."

"Hast du eine bessere Idee? Wir können in Do-ein ja alle Hatesit zusammenrufen, die wir auftreiben können."

"Ob da allzu viele sind? Wenn wir das richtig verstanden haben, sind die alle nach Karja, weil dort das Lager der Diebe aufgeflogen ist."

Ein Schulterzucken. "Na und? Ein paar werden auch anderswo sein. Es ist doch bekannt, dass es mehrere sind."

Michael seufzte. So kamen sie nicht weiter. Aber Jonny hatte ja Recht. Wenn sie erst zu Sturmvogel ritten und dort wer weiß wie lange auf Feuerrabe und dessen Freunde warten würden - die ja ihre eigenen Nachforschungen hatten anstellen wollen - würden sie sicher zu spät nach Do-ein kommen.
 

In Teshnan hatten sie von einigen Magiern, wenn auch unfreiwillig, erfahren, wo das Lager in Do-ein war und dass es bald aufgelöst werden sollte. Der Grund war, dass man genug Amulette beisammen hatte. Für was auch immer. Wenn Michael und Jonny noch etwas tun wollten, dann mussten sie schnell handeln.

"Ach, komm schon!" Jonny schlug Michael so kräftig über die Schulter, dass dieser auf den Hals seines Pferdes sackte. "Jetzt sieh nicht alles so schwarz, du Pessimist. Wird schon schief gehen!"

"Na, deinen Optimismus möchte ich haben!", murmelte der Blonde und richtete sich wieder auf. "Wie auch immer.", sagte er dann lauter. "Wenn wir jetzt nicht einen Zahn zulegen, sind wir sowieso zu spät. Dann können wir auch gleich zu Sturmvogel reiten."

"Meine Worte!", rief Jonny und presste Nachtgeflüster die Fersen in die Flanke. Der Wallach galoppierte gehorsam an. Michael zog sofort gleich und lenkte Sturmrose neben Jonny. Ein gellender Schrei hallte über die Wüste, ein Schrei voller Schmerz und Qual.

Erschrocken riss Michael an den Zügeln, so dass Sturmrose missgelaunt schnaubte und den Kopf warf. Nachtgeflüster tänzelte unruhig von einem Huf auf den anderen und wieherte. "Was...wer war das?", fragte Jonny angespannt und sah sich um. Dann zog er sein Schwert.
 

Der Dunkelblonde griff nach seinem Gewehr. "Keine Ahnung. Lass uns...lass uns nachsehen gehen."

Er lenkte Sturmrose in die Richtung, aus der der Schrei gekommen war. Nervös sah Jonny sich um, folgte ihm aber. Vieles mochte man dem Rothaarigen vorwerfen, nicht aber, dass er jemals feige den Schwanz eingeklemmt hatte. "Ich glaube, hinter den Felsen muss es sein.", meinte er plötzlich und ließ Nachtgeflüster in raschen Trab fallen. Michael folgte.

Als sie die Felsen endlich umrundet hatten, fiel ihr Blick sofort auf eine zusammengekrümmte Gestalt, die am Boden lag. Sie keuchte und zitterte und hin und wieder stieß sie ein schmerzerfülltes Wimmern aus. Michael wusste sofort, wer sie war.

"Wer...?", begann Jonny, doch dann erkannte auch er sie. "Feuerrabe!" Nie hätte er geglaubt, den stolzen, abweisenden, kalten Feuerrabe in einer solchen Situation zu erleben. Zusammengekrümmt, vor Schmerz zitternd und wimmernd, unbewaffnet und allein. Auf wen mochte er wohl gestoßen sein, der ihn so zurichten konnte?

"Kai.", flüsterte Michael entsetzt und sprang sofort aus dem Sattel. Mit ein paar langen Schritten war er bei dem Liegenden und rollte ihn auf den Rücken. Rubinrote Augen sahen ihn an. "Mi...chael.", brachte Kai hervor.
 

"Sch, nicht reden! Wir bringen dich erst mal von hier weg und dann sehen wir deine Wunden an!" Kai sah ihn noch immer an. Michael war der Blick nicht ganz geheuer. Waren Kais Augen nicht...dunkler gewesen? Blutrot?

Er bekam keine Gelegenheit, weiter zu grübeln, denn Kai wimmerte wieder und keuchte heftig. Er krümmte sich zusammen und stieß einen kläglichen Laut aus. Sofort griff Michael ihn fester und wollte ihn aufhelfen, doch Kai war sehr schwer und hatte anscheinend nicht die Kraft, selbst etwas zu tun. Nach kurzem Zögern kam Jonny ihm zur Hilfe und stützte Kais andere Seite. Der sah erst verwirrt aus. "Sy...Syrilli...ons Feuer?", murmelte er dann und Jonny nickte. "Derselbe. Und jetzt komm schon, wir sollten uns einen geschützten Lagerplatz suchen!"

Kai antwortete nichts, sondern verdrehte die Augen, so dass man nur noch das Weiße sehen konnte, und klappte entgültig zusammen. "Tja.", murmelte Jonny. "Das war's."

Michael zuckte die Schultern und hob Feuerrabe mit Jonnys Hilfe auf die Arme. "Er...ist gar nicht verwundet.", murmelte er dann.

"Was?"
 

"Ich sagte, er hat keine einzige Wunde. Jedenfalls keine, die ich erkennen könnte."

"Wie bitte?" Jonny drehte sich wieder um und musterte Kai rasch. Er kam jedoch auch zu keinem anderen Ergebnis. "Was hatte er dann? Ich meine, unser Feuerrabe wird nicht zum Spaß vor Schmerzen wimmern."

"Vielleicht ein Gift oder so? Oder innere Verletzungen?"

"Nein, letzteres halte ich für ausgeschlossen. Das hätten wir schon bemerkt. Wir sollten rasch einen geschützten Lagerplatz finden." Jonny schwang sich in den Sattel und ließ sich Kai hinaufreichen. "Reite du vor und sieh dich um."

Der Andere nickte zustimmend und sprang auf Sturmroses Rücken. Es dauerte nicht lange bis er einen geeigneten Platz gefunden hatte. Die gab es in der Wüste überall - man musste sie nur finden. Er winkte Jonny und führte Sturmrose durch einen Spalt in einen Felsen hinein. Über sich konnte er ein schmales Stück freien Himmel sehen, aber ein Teil des Inneren des Felsens war überdacht. Nachtgeflüster folgte ohne besonderes Zutun seines Herrn.
 

Michael nahm Jonny Kai ab und wartete, bis der Rothaarige ein behelfsmäßiges Lager aus einer Decke errichtet hatte. Dann ließ er den Ohnmächtigen darauf gleiten. "Und jetzt?", wollte er wissen, doch Jonny zuckte nur hilflos mit den Schultern. "Keine Ahnung. Wenn er nicht aufwacht, können wir nichts tun."

"Hm." Michael wandte sich wieder dem Liegenden zu und tätschelte ihm die Wange. "Kai. He, wach auf."

"Das hilft nichts.", meinte Jonny, doch der Dunkelblonde hörte nicht auf ihn, sondern schlug ein bisschen härter zu. Kai aber schien das gar nicht zu merken. Trotzdem stöhnte und wimmerte er vor Schmerz.

"Was immer es auch ist, es schien sehr unangenehm zu sein.", kommentierte Jonny.

Michael sah auf. "Ich schlage vor, wir bauen erst einmal unser Lager auf, machen ein Feuer und sehen dann weiter."

"Gute Idee. Ich gehen Brennmaterial suchen.", erklärte Syrillions Feuer und war kurz darauf verschwunden. Michael seufzte und fragte sich, was um alles in der Welt Kai nur zugestoßen war.
 


 


 

"Da hinten wohnt Sturmvogel?", vergewisserte sich Mao und deutete auf die von technischen Geräten umgebene Halle. Zeo nickte missmutig. Er war nicht besonders begeistert gewesen, als er endlich aus seiner Ohnmacht erwacht war. Natürlich nicht, immerhin hatte er sich wie ein kleines Kind von Mao fertig machen lassen - nachdem er der einzige von ihm selbst, Mao und Gaou gewesen war, der genau über die Identität des Gegenübers Bescheid gewusst hatte!

Jetzt saß er zusammen geschnürt auf dem Rücken Wolkenreiters, welcher willig hinter Gaou hertrottete, der die Zügel von beiden Pferden in der Hand hielt. Auch das schwarze Pferd machte keine Probleme.

"Schön.", behauptete Mao und marschierte schnurstracks auf die Halle zu. Die Hinweißschilder, die Zeo für sie übersetzt hatte und bedeuteten, dass Sturmvogel nicht gestört werden wollte, hatten sie einfach ignoriert. Immerhin warteten ihre Freunde hier! Stahlklaue hatte behauptet, der Händler würde sie sofort wieder hinauswerfen, doch auch diese Warnungen ignorierte Mao gekonnt. Selbst Gaous Einwände fanden keine Beachtung.

Auf halben Weg zur Halle blieb sie plötzlich stehen. "Pass du auf unseren Gefangenen auf, Gaou.", erklärte das Mädchen. "Ich suche derweil Sturmvogel und frage ihn nach Lee und den anderen."
 

Der Angesprochene nickte und blieb mit den Pferden zurück, während das Mao rasch in der Halle verschwand. Es war kühl hier drinnen und es roch seltsam, bisweilen sogar unangenehm. Sie schüttelte sich. Es dauerte nur einen Moment, bis sich ihre Augen an das Halbdunkel gewohnt hatten. Verwirrt blickte sie auf ein Gewirr von Regalen, Schränken und Tischen.

Wo sollte sie mit suchen anfangen? Vielleicht sollte sie einfach rufen? Oder nach hinten gehen? "Hallo!" Ihre Stimme hallte weder, noch gab sie ein Echo, so voll war der Raum. "Hallo?"

Sie trat einige Schritte hinein. Eine tiefe Stimme ließ sie erschrocken zusammenzucken und herumfahren. "He! Was suchen Sie hier? Haben Sie die Schilder nicht gesehen? Ich wollte nicht gestört werden!" Hinter einem der Regale war ein hochgewachsener Mann, mit dichtem, blauem Haar hervorgetreten. Er trug einfache Kleidung, aber an dem Gürtel eine kleine Feuerwaffe und einen langen Dolch. Seine blauen Augen blickten sie ärgerlich an.

Doch Mao ließ sich nicht einschüchtern. "Doch. Aber ich habe nicht auf sie geachtet. Ich suche meine Freunde. Wir wollten uns hier treffen."

"Ach so?" Einen Moment musterte er sie kühl, dann fragte er freundlicher: "Mao Ming?"

Sie zog eine Augenbraue hoch und nickte. "Ja."
 

Er lächelte freundlich und trat mit ausgestreckter Hand auf sie zu. "Freut mich. Ich bin Sturmvogel." Sie schlug ein. "Mein Name ist Hitoshi. Deine Freunde waren hier, sie sind aber inzwischen weiter gezogen."

"Was? Aber..."

"Ich werde dir später alles erklären." Er sah sich um. "Du solltest aber nicht allein sein. Oder hast du deinen Freund verloren?"

"Gaou? Nein. Er ist draußen und bewacht unseren Gefangenen."

"Bitte?"

Sie lächelte spitzbübisch. "Das erklären wir dir später. Dürfen wir hier auf die Anderen warten?"

"Das wird von deinen Freunden sogar ausdrücklich erwünscht."

"Schön. Ich hole Gaou und unseren Gefangenen. Dürfen wir die Pferde in diese Weide stellen?"

"Pferde? Ich dachte ihr wäret ohne unterwegs, aber genau dafür ist der Zaun gedacht." Sturmvogel deutete in die Weiten der Halle. "Soll ich euch beim tragen helfen? Oder schafft ihr alles allein dahinter?"

"Ich glaube, es wäre besser, wenn du hilfst, es ist recht viel."

"Klar." Zusammen traten sie wieder aus der Halle. Gaou kam sofort zu ihnen herüber, als er sie bemerkte. "Hallo!", begrüßte er Sturmvogel munter, der zurücklächelte und sich vorstellte. Dann warf er ihrem Gefangenen einen Blick zu, aber anscheinend konnte er nichts mit ihm anfangen.
 

Gemeinsam versorgten sie die Pferde, dann brachten sie das Gepäck und den noch immer gefesselten und nun missmutiger denn je dreinblickenden Zeo nach drinnen. Sturmvogel holte einen Stuhl, auf den sie Stahlklaue banden, ehe sie Platz nahmen. Fürs erste wurde der Gefangene ignoriert. Hitoshi machte Tee und etwas zu essen und erst, nachdem sie ausgeruht und gestärkt waren, begann Mao zu erzählen.

"...und dann hat unser Zeo uns zwangsläufig hierher geführt.", schloss sie schließlich. Von Stahlklaue war nur ein wütendes Schnauben zu hören. Mao holte die Waffen und den kleinen Beutel mit den Amuletten heraus und legte alles auf den Tisch.

Sturmvogel betrachtete alles interessiert. Er hatte einen leisen Verdacht, wer die waren, die da so schnell in eine Falle getappt waren. Aber...es waren zu wenige. Mao hatte die Amulette gezählt, es waren fünf. Aber Takao und die Anderen waren sieben gewesen. Außerdem kannte das Mädchen die Amulette seiner Freunde. Was also war geschehen? Hatten sie sich getrennt?

Aber dann dürften es höchstens vier Amulette sein. Zögernd griff Sturmvogel nach dem Beutel und leerte ihn aus. Zwei der Schmuckstücke hingen an schwarzen Halsbändern, drei an Ketten. Mao beobachtete nachdenklich, wie Hitoshi ein blaues Amulett mit grünem Zeichen herausklaubte und fest die Hand darum schloss. "Was ist los?", fragte sie dann.
 

Sturmvogel blickte auf und schilderte dann in kurzen Worten, was geschehen war, nachdem Kevin mit Caras angekommen war. Schweigend hörten die Zhaon'El zu, aber sie begriffen sehr schnell, in welcher Verbindung die Amulette und Waffen, die sie gebracht hatten, zu ihren neuen Verbündeten standen. "Aber..."

"Das ist Takaos Amulett.", murmelte Hitoshi. "Die beiden hier gehören Max und Kenny, soweit ich das verstanden habe." Er legte zwei Finger auf die Amulette an den Ketten, die noch auf dem Tisch lagen. Langsam ließ er das Schmuckstück in seiner Hand wieder auf den Tisch zurückgleiten.

Dann drehte er die beiden Halsbänder um und blickte auf zwei Anhänger, die er nicht kannte. Einer war grün und hatte das blaue Zeichen für Schlange und Wyborg, der zweite war weiß und sein eisblaues Zeichen bedeutete Wolf und Wolborg. "Die beiden kenne ich nicht.", murmelte Sturmvogel. Dann blickte er auf. "Aber wo ist Kais? Ich glaube nicht, dass er Takao, Max und Kenny allein gelassen hat." Er sah zu Zeo, der seinem Blick auswich. "Du weißt es."

"Ja."

"Nun? Wo ist es?"

Zeo sah wieder auf. "Das Amulett...es war...nun unser Anführer..."

"Was?", fragt Sturmvogel gereizt und Mao erhob sich. "Sag es uns." Ihre Stimme klang scharf.

"Er sagte, es sei unbrauchbar und hat es weggeworfen."

"Wie bitte?!", fuhr Sturmvogel auf.

Zeo nickte. "Ich...hätte das nicht getan. Aber...euer Freund braucht es sowieso nicht mehr. Tut mir wirklich leid."

"Was? Du...Soll das etwa heißen, Kai ist tot?" Zeo sah weg und schwieg.

"Antworte!"
 

"Ja. Er...hat ihn getötet, einfach so." Mao hörte genau, dass das, was geschehen war, aus Zeos Sicht niemals hätte geschehen dürfen.

"Wie...meinst du das?", fragte Sturmvogel und Zeo sah auf. "Ich erzähle euch, was ich weiß."

"Aber?"

"Ihr bindet mich los. Außerdem habe ich Hunger."

Mao und Sturmvogel warfen sich einen Blick zu. "In Ordnung.", erklärte das Mädchen mit einem Seufzen. Kurz darauf saß Stahlklaue auf einem Sofa und aß. Währenddessen erzählte er kurz und knapp, was passiert war, allerdings ohne Namen zu nennen, die sie nicht schon kannten.

Sturmvogel seufzte und massierte sich die Schläfen. "Scheiße!", fluchte er dann. "Das gibt es doch nicht!"

Verwirrt sah Mao ihn an. Sie kannte Kai nicht und der Name Feuerrabe war noch nicht gefallen. Gaou wirkte ebenso verwirrt wie sie. "Was...hat das zu bedeuten? Warum war sein Amulett...unbrauchbar?"

"Woher soll ich das wissen? Das hat der Kerl nicht gesagt. Ginge uns nichts an, hat er gemeint. Einfach weggeworfen hat er es." Zeo schüttelte angewidert den Kopf. Wieder fragte sich Mao, warum er überhaupt zu ihren Feinden gehörte. Sie hatte sich in den letzten Tagen, seit sie ihn getroffen hatten, diese Frage immer wieder gestellt.
 

Er war doch auch ein Hatesit. Sein Amulett trug sie bei sich, so dass er die Kräfte seines Tisetah nicht nutzen konnte. Die Möglichkeit, dass er einen so miesen Charakter hatte, dass ihm alles außer sein eigener Vorteil egal war, war es auch nicht. Zwar war er sehr schweigsam gewesen, aber das nur, weil er die ganze Zeit geschmollt hatte.

Mit dem unheimlichen Scaramak, dem grausamen Chargrin und Karmaat, den Mao nicht einzuschätzen wusste, schien er sich nicht besonders gut zu verstehen und mit dem Meister auch nicht. Was also trieb ihn dazu, Tisetah-Amulette zu stehlen, obwohl er genau zu wissen schien, wie schlimm das für die Bestohlenen war?

"Warum tust du das?", wollte Gaou neben ihr plötzlich wissen. Sie sah auf, aber er hatte gar nicht mit ihr geredet, sondern mit Zeo, der ihn anstarrte, als habe er sich plötzlich in eine Katze verwandelt. "Wa...was?", stotterte er dann, aber Mao wusste ganz genau, dass er wusste, von was Gaou sprach.

"Die Amulette stehlen. Warum tust du das?", wiederholte der Zhaon'El und Zeo schwieg. Auch Sturmvogel, der mit Takaos Amulett spielte, sah auf. Auch ihn schien das zu interessieren. Zwar kannte er Zeo erst seit kurzer Zeit, aber der Junge sah nicht so aus wie ein gefährlicher Feind, sondern im Gegenteil, sehr liebenswürdig und freundlich.
 

Zeo runzelte die Stirn und sah dann auf die Schüssel in seinen Händen. Er schämte sich, begriff Mao. Er wusste ganz genau, dass es falsch war, was er tat, aber trotzdem tat er es. Langsam stellte er die Schüssel weg. Sie ließen ihm Zeit. Aber es war klar, dass sie diese Antwort haben wollten.

"Calaminus, der Meister, hat mir versprochen, dass ich mit meinem Vater reden könnte." Zeos Stimme war sehr leise, aber trotzdem gut verständlich. Er sah auf. "Mein Vater ist tot, müsst ihr wissen."

"Das...tut mir leid.", sagte Mao. "Aber - die Toten sollte man ruhen lassen. Es ist nicht gut, wenn man ihre Ruhe stört."

"Das weiß ich!", fuhr Zeo plötzlich wütend auf. Er schien das Bedürfnis zu haben, sein Verhalten zu verteidigen, obwohl Mao ihn durchaus verstehen konnte. Es war trotzdem der falsche Weg, den er gewählt hatte. "Aber...ich musste ihn doch noch etwas fragen."

"Etwas fragen? Was denn, Junge?"
 

Zeo sah Sturmvogel an. "Nenn mich nicht ,Junge'.", murmelte er. "Ich bin älter als du. Und die Frage - das ist schwer zu erklären." Es schien ihm egal zu sein, ob alle Welt erfuhr, was für eine Frage das war. Oder er begriff, dass er sie zumindest Mao, Gaou und Sturmvogel nennen musste.

Hitoshi zog eine Augenbraue hoch. "Du siehst kaum älter aus als diese beiden da. Und ich bin zweiundzwanzig."

"Das ist es ja!" Zeo wirkte plötzlich wütend. Er sprang auf und lief ärgerlich zwischen Tisch und Sofa hin und her. "Das ist ja die Sache, was ich fragen wollte! Ich weiß, ich sehe aus wie achtzehn - aber in Wirklichkeit bin ich zehn Jahre älter!"

"Wie bitte?", fragte Mao und erinnerte sich, dass Chargrin gesagt hatte, Zeo ginge auf die Dreißig zu. Aber damals hatte sie dem nicht viel Bedeutung beigemessen. Was interessierte es auch, wie alt ihre Feinde waren?!

"Wie...kann das sein?", fragte Gaou verwirrt und musterte Stahlklaue von oben bis unten.

"Mein Körper altert nicht.", grummelte dieser und blieb stehen. Er ballte die Hände zu Fäusten.
 

"Und? Viele Leute würden das für einen Segen halten. War das ein Zauber?", fragte Hitoshi und legte Takaos Amulett zu den Anderen auf den Tisch.

"Nein."

"Was dann?", wollet Gaou neugierig wissen.

Zeo sah auf. "Mein Vater hat mich ein wenig...verändert."

"Warum bist du nicht glücklich darüber? Ich meine, so schlimm ist das nun auch wieder nicht.", protestierte Mao. "Und es rechtfertigt nicht, dass du dich diesem Calaminus angeschlossen hast!"

"Du kannst das nicht verstehen!"

"Aber..."

"Verdammt noch mal, könntest du ruhig bleiben und keine Antworten fordern, wenn du wüsstest, dass dein Körper eine verdammte Maschine ist?!"
 


 


 

Kai ging durch die Hölle. Sein Körper brannte überall. Er hatte das Bedürfnis zu schreien, aber er konnte nicht. Die Schmerzen fraßen ihn regelrecht auf und er wurde beinahe wahnsinnig.

Später konnte er nicht sagen, wie er diese Tage aushielt. Tage zwischen Schmerzen und Qual, zwischen Wachen und Schlafen, zwischen Erinnerung und Fantasien. Michael erzählte ihm, er habe Fieber und Schüttelfrost gehabt und er wundere sich, wie Kai es überhaupt geschafft hatte, zu überleben.

Hin und wieder erwachte er, erzählte Michael und Jonny, dass ihm eigentlich nichts fehle - was ja auch stimmte - und nahm Nahrung zu sich, was er im Schlaf immer wieder ausspuckte. Schließlich klang der Schmerz ab. Langsam und so schleichend, dass er es kaum merkte.

Irgendwann wachte er auf und nur noch ein dumpfes Pochen war zurückgeblieben. Stöhnend richtete sich Kai auf und sah sich um. Er befand sich in einem Felsen, das sah er sofort, und anscheinend ging draußen die Sonne gerade auf. Das Licht war noch schwummerig, aber er konnte trotzdem genug erkennen.
 

In der Nähe standen zwei Pferde, eines hell, das andere dunkel. Sie wirkten zufrieden, hatten die Köpfe gesenkt und standen entspannt da. Zwei in Decken gewickelte Gestalten langen nur wenig von ihm entfernt. Himmelskönig und Syrillions Feuer? Wenn Kai dem, was er in den letzten Tagen als real empfunden hatte, trauen durfte, waren die beiden das. Und wenn nicht...dann war es auch egal. Die beiden waren jedenfalls nicht seine Feinde, egal wer sie waren.

Er stand auf und streckte sich. Seine nackten Zehen gruben sich in den feinen Sand unter seinen Füßen. Nach Tagen des Liegens hatte er etwas Bewegung nötig. Rasch kletterte er auf die Felsen und sah sich um. Im Osten färbte sich der Himmel rot. Kai lächelte. Einen Sonnenaufgang hatte er schon lange nicht mehr wirklich wahrgenommen. Dabei war es ein so prächtiger Anblick, wie das ewige Feuer des Himmels über den Horizont stieg und langsam die unter ihr liegende Erde in goldenes Licht tauchte.

Er fühlte sich gut. Besser als je zuvor. Stärker, gesünder. Was hatte Azrael gesagt? Dass er einen neuen Körper bekommen hatte? Daran musste es liegen. Ob das viel verändert hatte? Er sah an sich herab, aber da er noch immer die Kleidung trug, die er bei seinem Tod - das hörte sich lächerlich an - getragen hatte, konnte er nicht viel sehen.

Sein Hemd hatte ein Loch da, wo das Schwert ihn getroffen hatte, über seinem Herzen. Nachdenklich legte er den Finger darauf. Jetzt, im Nachhinein, konnte er kaum glauben, was geschehen war. Trotzdem hatte er es bereits angenommen. Es würde ihm zwar ewig ein Mysterium bleiben, aber das war egal. Einzig und allein zählte, was es bewerkstelligte.

Kai nestelte an den Bändern, die das Hemd an seinem Hals zusammen hielten, und zog es über den Kopf. Er würde es flicken müssen, ehe sie weiterzogen. Dieses Loch war doch ein bisschen auffällig und Kai wollte nicht, dass jeder wusste, dass er nach dem Tod wieder leben konnte. Michael und Jonny und den Anderen würde er es erzählen, aber er wusste auch, dass sie schweigen würden.
 

Nachdenklich besah er sich das Loch, dann blickte er wieder an sich herunter. Was er sah, erstaunte ihn nur milde. Hatte er das nicht mehr oder weniger erwartet? Die Narben waren alle weg. Langsam strich er sich über die Brust. Seine Haut, samtig, weich und warm, ohne Narbengewebe. Ein vollkommen neuer Körper. Ohne die Spuren der Vergangenheit.

Kai lächelte wieder und sah auf. Gerade schob sich die Sonne über den Horizont, verjagte Schatten und Dunkelheit. Ihre Strahlen huschten wie flinke, leuchtende Tiere über den Boden. Ein Schwarm kleiner Vögel flog auf. Mit lauten Geschrei zogen sie nach Süden. Einige Gazellen preschten über die Ebene. Er konnte einen Cejan brüllen hören. Kai lächelte. Wie schön die Welt doch war. Wie hatte er je daran gedacht, nicht mehr zurückkehren zu wollen? Jetzt, jetzt, nachdem er im Tod alles verloren und im Leben wieder alles und noch mehr gewonnen hatte, sah er alles mit anderen Augen. Mit besseren Augen. Viel besseren. Kai lächelte und war glücklich, einfach nur zu sein.
 

Eine Stimme riss ihn aus seiner verträumten Betrachtung. "Kai? Kai! He! Jonny, Kai ist weg!"

Ein missgelauntes Murren antwortete dem aufgeregten Michael. Kai lächelte. Die beiden hatten sich schon so betragen, als er sie bei der Schlacht von Bel Hélen kennen gelernt hatte.

"Ich bin hier.", sagte er hinunter.

"He!", rief Michael. "Bist du sicher, dass das eine gute Idee ist, Kai? Ich meine, in den letzten Tagen warst du nicht gerade auf dem Berg."

"Mir geht es gut." Er warf der Sonne und der goldenen Wüste noch einen kurzen Blick zu, dann rutschte er hinunter. "Es ist alles klar.", beruhigte er Michael und Jonny, der sich inzwischen verschlafen in seinen Decken aufgesetzt hatte.

"Bist du sicher?", wollte er wissen und runzelte dann die Stirn. "Kai. Du siehst irgendwie...verändert aus."

"Wie meinst du das?", wollte jetzt Michael wissen und musterte den Rotäugigen von oben bis unten. "Stimmt. Hattest...hattest du nicht mal Narben? Ich meine..."

"Doch.", murmelte Kai. "Hast du Nadel und Faden? Mein Hemd hat einen Riss."

"Bitte? Wir fragen uns, wie du deinen Körper wieder heil gekriegt hast und du sorgst dich um einen Riss im Hemd?", fuhr Jonny auf.

"Schau so aus."

"Deinen Sarkasmus hast du nicht verloren, was auch immer passiert ist, was?"
 

"Hn."

"Und dieser Laut geht mir immer noch auf den Geist!"

"Hn.", machte Kai, aber diesmal klang er eindeutig belustigt. "Nun? Es ist ziemlich kalt so ganz ohne Hemd."

"Moment.", murmelte Michael und ging zu seinen Taschen. "Du kannst ja derweil ein Feuer anmachen."

Kurze Zeit später saßen sie um das Feuer herum. Kai flickte an seinem Hemd, Jonny rührte gelangweilt in dem Topf, in dem ein Brei vor sich hin köchelte und Michael starrte desinteressiert ins Feuer. Plötzlich sah er auf. "Kai, was ist da eigentlich passiert? Wo sind die Kinder? Und deine Waffen, dein Gepäck? Wo ist dein Amulett? Der Dieb..."

"...hat es nicht brauchen können. Ich werde es so bald wie möglich holen."

"Ach so. Und dieses Loch, dass du da gerade stopfst, sieht aus wie von einem Schwert."

"Über dem Herzen?", fragte Jonny zweifelnd, doch Kai nickte. "Ganz recht. Da ist ein Schwert durch."

"Wie hast du dein Hemd getragen?"

"So, wie man es trägt, du Trottel." Kais Stimme klang nicht besonders beleidigend, darum überging Jonny die Bemerkung und fragte: "Wenn dich da wirklich ein Schwert getroffen hat, solltest du jetzt tot sein."

"Das war ich auch.", meinte Kai ruhig und biss den Faden durch, ehe er in verknotete.
 

Michael und Jonny starrten ihn an. "Wa...was...wie meinst du das?"

"So, wie ich es sagte." Kai blickte auf. "Ich war in der Zwischenwelt. Und dann ist Azrael gekommen. Er hat mir einige Dinge erklärt." Kai blickte wieder auf sein Hemd, dann zog er es über. "Es ist wegen Dranzer. Der Phönix steigt immer wieder auf."

"Ach ja?" Jonny zog eine Augenbraue hoch.

"Ja. Die Geschichte der Vier. Erinnert ihr euch? Dranzer ist der Rote Phönix. Es heißt, durch Dranzers Kraft konnten die Vier Göttlichen den Hass der Götter überleben. Sie...sind nicht wiedergeboren worden. Sie sind wiederauferstanden, mit neuen Körpern, aber alten Leben. Versteht ihr?"

Eine Weile herrschte Schweigen, während Jonny den Brei in drei Schüsseln verteilte. Dann nickte Michael. Sie beide glaubten ihm aufs Wort. Kai war einer, der absolut ehrlich war, dass wussten sie beide. Und in seiner Stimme hatte etwas gelegen, was sie einfach wissen ließ, dass das, was er erzählte, der Wahrheit entsprach. "Darum hast du keine Narben mehr."

Kai nickte. "Ja."

"Wie ist das überhaupt passiert?", wollte Jonny wissen. "Wer hat dich denn...umgebracht? Den unbesiegbaren Feuerrabe - getötet durch einen Stich ins Herz!"
 

"Das sollte niemand wissen.", meinte Kai bestimmt. "Ich würde das lieber für mich behalten, sonst kommt noch jemand auf die Idee, ausprobieren zu wollen, ob es noch mal klappt. Und ich bin nicht besonders interessiert daran, das noch einmal zu erleben, klar?"

"Klar.", stimmte Michael und Jonny meinte mit einem Grinsen: "Ich habe erlebt, wie du dich in den letzten Tagen verhalten hast. He, solche Schmerzen wünsche ich nicht einmal meinem schlimmsten Feind!"

"Dann ist ja gut." Kai berichtete in kurzen Worten was geschehen war, nachdem Michael sich auf dem Weg zu Sturmvogel von ihnen getrennt hatte. Die beiden nickten und der Dunkelblonde berichtete von seinen Erlebnissen in Teshnan, wo er auf Jonny gestoßen war und wo sie einiges über die Diebe herausgefunden hatten. "Pass auf, Kai, diese Diebe - zumindest die Führungsriege - soll nicht von hier stammen."

"Wie meinen?"

"Keine Ahnung, was diese komischen Magier damit gemeint haben, aber so wie ich das verstanden habe, soll weder die Wüste, noch die Inseln noch das Meer ihre Heimat sein."

"Bitte? Wie soll... Rei und Lee haben auch so etwas berichtet. Dass Scaramak und Karmaat sich seltsam verhalten."
 

"Siehst du! Es wurde das Wort Myrisat erwähnt, wenn wir das richtig verstanden haben, aber was genau das ist - keine Ahnung. Es soll jedenfalls nicht auf Cyndan sein."

Cyndan - das war der Kontinent, auf dem sie sich gerade befanden. Ihre Heimat. Natürlich wussten sie, dass es noch andere Kontinente gab - oder zumindest gegeben hatte - aber nie hatte jemand Cyndan verlassen oder war zurückgekehrt. Ob - Myrisat ein anderer Kontinent war? Benahmen sich Karmaat und Scaramak deshalb so seltsam? Weil sie aus einer völlig anderen Kultur stammten? Aber der ganze Planet war doch von der Wüste bedeckt. Zumindest hatte man das bisher angenommen. Konnte das auch anders sein? Dieser Gedanke hatte sich in Michael und Jonny festgesetzt und begann auch Kai zu überzeugen. Das wäre plausibel für das Verhalten.

Aber es brauchte ihnen nichts. Es gab keine Aufschlüsse für die Diebstähle, die Absichten und Ziele, die zu den Diebstählen führten. Kai zuckte die Schultern. "Wann brechen wir auf? Ich möchte mein Amulett wieder."

"Hast du...hast du nicht gesagt, Jacques hätte es in den Fluss geworfen?", begann Jonny zögerlich. "Ich möchte dir deine Illusionen ja nicht nehmen, aber es wird ziemlich unmöglich sein, es wiederzufinden. Vor allem nicht in der Zeit, die uns bleibt."
 

Kai winkte ab. "Keine Sorge, ich weiß, wo es ist. Nun? Brechen wir auf?"

"Sofort!"
 

Der Fluss, der Dranzers Amulett verschlungen hatte, rauschte eine lange Strecke zwischen den Felswänden der engen Schlucht entlang. Zielstrebig folgte Kai ihm bis sich die tosenden Wassermasse mit grollendem Donnern über eine Klippe warfen und ein Dutzend Meter hinunterstürzte um dort weiterzufließen. Kai stoppte und ließ seinen Blick über die steinigen Ufer des Flussbettes am Fuße des Wasserfalls schweifen.

"Da unten?", wollte Jonny wissen und Kai nickte. Er saß hinter Himmelskönig auf Sturmroses Rücken.

"Da hinten geht's runter." Michael deutete in die Richtung und lenkte Sturmrose herum. Es war eine Kletterpartie für die Pferde, aber nicht so, dass sie absteigen mussten.

"Ich will dir deinen Optimismus ja nicht nehmen, Kai, aber wie willst du hier etwas Kleines wie das Amulett finden? Du hast doch gesagt, du spürst es nur ungefähr."

"Es liegt dort.", behauptete Kai. "Ich muss es nur suchen,"

"Lassen wir die Pferde hier.", meinte Michael. "Wenn wir das Ufer systematisch absuchen, werden wir das Amulett sicher schnell finden." So zuversichtlich war Kai nicht, aber er sagte nichts.
 

"Und dann auf zu Sturmvogel!", rief Jonny enthusiastisch und sprang aus dem Sattel. Er und Michael hatten ihre Pläne, nach Do-ein zu reiten, über den Haufen geworfen, als sie Kai gefunden hatten. Der Rotäugige war wichtiger als das Räuberlage in Do-ein. Jetzt war es zu spät für den Ritt in die Stadt, außerdem waren Kais Informationen wichtiger, wenn auch für die Entdeckung des Räuberlagers nicht ausschlaggebend. Die einzige Hoffnung waren jetzt noch Mao und Gaou, die keiner von ihnen persönlich kannte.

Es dauerte länger, das Amulett zu finden, als Michael gedacht hatte. Auf Händen und Knien suchten sie das steinige Ufer ab. Die Sonne knallte heiß vom Himmel und manchmal wünschte sich Kai, dass Jacques das Amulett lieber mitgenommen hätte, anstatt dass sie es hier suchen mussten.

Sie fanden jede Menge Zeug zwischen den Steinen, angefangen bei alten Knochen, Muscheln und jeder Menge vertrocknender Algen bis hin zu verrosteten Metallteilen und diversem anderen Kram, der eigentlich nicht hierher gehörte. Das Amulett aber fiel Kai nicht in die Hände. Er fluchte schon innerlich. Wo war es nur? Es kribbelte ihn in den Fingern, endlich wieder die Faust darum zu schließen, den vertrauten Druck von Black Dranzers Amulett am Hals zu fühlen und das kühle Leder des Bandes. Und natürlich Dranzers Macht, die er durch das Amulett nutzten konnte.
 

"Ha!", brüllte Jonny plötzlich triumphierend, so dass zwei Köpfe hochschnellten. "Ich hab es gefunden!" Er wedelte mit einem schwarzem Band in der Luft herum.

Sofort war Kai bei ihm und nahm es ihm ab. Ja, das war sein Amulett, seine Verbindung zu Dranzer. Das schwarze Leder war brüchig geworden, aber die Amulette waren unversehrt. Mit einem entrückten Lächeln trat er einige Schritte von Michael und Jonny weg.

Erst jetzt, als er das Halsband mit den Amuletten wieder in den Händen hielt, wusste er wirklich, was ihm gefehlt hatte. Jetzt fühlte er Dranzers und Black Dranzers Präsenzen wieder voll und ganz. Lächelnd ignorierte er die des Schwarzen und rief seine süße Dranzer. Ihr goldener Schatten erschien, dann stand Dranzer vor ihm. Leise gurrend senkte sie den Kopf und rieb ihn an seiner Brust.

"Dranzer." Seufzend strich er ihr über die Federn. Sie schlug einmal mit den Flügeln und verschwand wieder.

"Dann ist ja alles wieder in Ordnung, oder?", wollte Jonny wissen und Kai nickte. Ja. Jetzt war alles wieder in Ordnung. Bis auf die Tatsache, dass seine Freunde in den Fängen einer gefährlichen Diebesorganisation waren, von der Kai nur einen Untergeben kannte und diese hasste und fürchtete bis auf aufs Blut.

"Komm, Kai." Michael schlug ihm auf die Schulter, dass er zwei Schritte nach vorne taumelte. "Wir werden sie schon finden. Sagtest du nich, der Dieb braucht sie lebend?"
 

"Wir haben trotzdem nicht mehr viel Zeit.", antwortete Kai. "Sagtet ihr nicht, sie brechen das Lager in Do-ein ab? Und dass das in Karja aufgeflogen ist?"

"Doch. Aber..." Michael schwieg hilflos. Wenn jemand noch vor wenigen Wochen zu ihm gesagt hätte, Feuerrabe würde sich einmal Sorgen um jemand anderen als sich selbst machen, hätte er ihn lautstark ausgelacht.

Der Feuerrabe, den er gekannt hatte - der, der gestorben war - hätte sich auch lieber die Zunge abgebissen, als es zuzugeben, aber jetzt stand die Sorgen Kai förmlich ins Gesicht geschrieben. Es stimmte, dass der Tod Kai verändert hatte. Früher war er kalt und abweisen gewesen, darauf bedacht, niemanden zu nah an sich heranzulassen. Der ,neue' Kai war anders, zwar trug er noch immer seine emotionslose Maske, aber jetzt wirkte sie natürlicher - und sie ließ immer wieder einen Blick auf Kais wahres Gesicht zu, so wie jetzt.

"Jammer hier nicht rum!", moserte Jonny. "Sondern lass uns reiten. Dann erreichen wir Sturmvogel in drei oder vier Tagen." Sie brauchten kaum drei und erreichten die Halle mit der Mittagssonne. Sturmrose und Nachtgeflüster trabten schwungvoll auf das Gatter zu, in dem bereits mehrere andere Pferde standen.

Zwei davon gehörten Max und Kenny; es waren die, die Kai in Skellten für sie besorgt hatte und dabei unweigerlich in die Sache mit den Dieben gestolpert war. Eines kannte er nicht - es war ein grobknochiger Schecke - und das letzte war Funkenstern, die sofort zu ihm getrabt kam und freundlich wieherte.
 

"Was suchst du denn hier, Pferd?", fragte er sanft und strich ihr über die Nüstern. Er hatte nicht erwartet, sie je wieder zu sehen. Sie schnaubte zufrieden. Anscheinend ging es ihr gut.

"Ist das nicht dein Pferd?", wollte Jonny wissen und Kai nickte. "Ja."

"Aber...ich dachte, Jacques hätte sie!"

"Ich auch. Ich möchte wissen, wie sie hierher kommt."

"Hilf uns mit den Pferden.", verlangte Michael. "Dann werden wir es sehen." Nur kurze Zeit später betraten sie die Halle. Es war kühl und still. Anscheinend befand sich außer ihnen kaum jemand hier. "Na los!", verlangte Jonny und stürmte los. "Ich will endlich wissen, was sich hier abgespielt hat, als wir in Teshnan waren!"

"Nicht so schnell, Jonny!" Sturmvogels Stimme kam aus den Tiefen der Halle. "Was suchst du denn hier? In der letzten Zeit scheinen alle Leute meine Hinweißschilder zu missachten!"

Jonny blieb stehen und blickte einen Gang hinunter. Er grinste breit. "Hallo, Sturmvogel! Lange nicht gesehen, was?"

"Ja. Aber du solltest trotzdem nicht hier sein." Schritte näherten sich. Michael trat neben Syrillions Feuer und fragte: "Wer ist denn noch so dreist außer wir, dass er deine Schilder ,übersieht'? Außerdem sind wir sozusagen mit offizieller Erlaubnis hier."

"Ein paar Freunde von Freunden. Und wer hat euch die Erlaubnis gegeben? Ich war es nicht und alle, die derzeit dazu befugt sind, sind eigentlich nicht zu erreichen." Sturmvogel stellte sich vor die beiden Hatesit.
 

"Ich war's.", erklärte Kai. "Hallo, Hitoshi."

Der Angesprochene fuhr herum und starrte Kai an wie einen Geist. Einen Moment blickte Kai verwirrt zurück, dann dämmerte es ihm langsam, dass diese Formulierung sogar sehr treffend war.

"Aber...", begann Sturmvogel. "Ich dachte...dieser Kerl..."

"Ich bin nicht tot.", erklärte Kai.

"Das sehe ich! Aber es gibt da einige Stimmen, die behaupten das Gegenteil."

Kai nickte. "Das glaube ich. Immerhin war ich tot. Ist Caras noch da?"

"Nein, er ist nach Karja, aber er wollte so schnell wie möglich wieder kommen. Wie meinst du das, du warst tot?"

"So wie ich es sagte. Erklärungen gibt es, wenn alle da sind. Aber es hat etwas mit dem Roten Phönix zu tun."

"Dem Roten Phönix?" Jetzt verstand Hitoshi gar nichts mehr und das war ihm auch anzusehen. Kai ging wortlos an ihm vorbei.
 

"Dranzer.", erklärte Jonny grinsend. Er klopfte dem verwirrten Händler freundschaftlich auf die Schulter. "Mach dir nichts draus. Uns hat er auch nicht mehr gesagt."

"Wir sollten ihm besser folgen, ehe er den ,Kerl', von dem du dauernd redest, noch zu Tode erschreckt.", sagte Michael grinsend zu Sturmvogel.

"Da hast du recht.", murmelte der Angesprochene und eilte hinter Kai her. Himmelskönig und Syrillions Feuer folgten. Kai hatte derweil die Halle durchquert und steuerte auf die Sitzecke zu. Zwei Personen saßen darauf und sahen ihm entgegen. Eine war ein pinkhaariges Mädchen, die andere ein großer Mann mit schwarzem Hahnenkamm. Beide waren Zhaon'El und anscheinend die verloren gegangenen Begleiter von Rei, Lee und Kevin, Mao und Gaou.

Er nickte ihnen zu und sie grüßten freundlich zurück. Hinter Sturmvogels Verkaufstheke saß ein junger Mann auf dem Stuhl und schraubte an irgendetwas herum. Kai erkannte ihn sofort. Es war Stahlklaue, einer von Jacques Begleitern. Was suchte der denn hier? Und auch noch ohne Fesseln? War er nicht ein Feind?

Als Kai zwischen den Regalen hervortrat, sah er auf - und erstarrte. Klirrend fiel der Schraubenschlüssel auf den Boden und das Gerät landete mit einem leisen ,Klonk' auf dem Tisch. Stahlklaues Gesichtszüge entgleisten. Dann sprang er auf und wich etwas zurück.
 

"Was ist denn los, Zeo?", wollte das Mädchen wissen und kam herüber.

"I...i...ich...d...du...a...ab...aber...!"

"Was?", fragte sie genervt und wandte sich an Kai. "Entschuldigen Sie, aber irgendwie scheinen Sie ihn zu erschrecken."

Kai grinste hämisch. "Das glaube ich gern!"

"Was ist denn?", wollte jetzt Gaou wissen und sah Stahlklaue - Zeo wurde er von Mao genannt - abwartend an. Dieser brauchte einen Moment um sich zu sammeln. Er war jedoch noch immer käseweiß im Gesicht. "Du bist tot!", platzte er dann heraus.

Kai legte den Kopf schief. Sein Grinsen wurde breiter. "Seh' ich so aus?"

"Aber...ich habe gesehen, wie du gestorben bist! Und dieser Rothaarige hat..."

"Was?", wollte Kai wissen und Mao und Gaou schienen noch verwirrter zu sein. Dann fragte das Mädchen: "Entschuldigen Sie, aber wer sind Sie?" Anscheinend begann sie zu ahnen, wer er war, auch wenn ihr Gehirn das für absolut unmöglich hielt.

"Kai ,Feuerrabe' Hiwatari.", erklärte Jonny von hinten und trat neben den Vorgestellten.

Sie runzelte die Stirn. "Aber Zeo hat gesagt, Sie wären tot.", sagte sie dann zweifelnd.

Kai rollte die Augen. "Das war ich auch, aber der Rote Phönix, beziehungsweise Dranzer, hat mich zurückgeholt. Reicht das?" Verwirrt nickte sie und Gaou schloss sich ihr an. Nur Stahlklaue schien nicht ganz überzeugt zu sein, aber wenigstens hörte er auf zu zittern und angsterfüllt in seine Richtung zu starrten.
 

"Setzt euch.", bot Sturmvogel an. Sie luden ihr Gepäck neben einem Haufen anderer Taschen ab und ließen sich in die weichen Polstermöbel plumpsen. "Das sind Mao Ming und Gaou Chen.", stellte der Händler die Zhaon'El vor. "Und hier haben wir Kai, der ja freundlicherweise schon vorgestellt wurde, Michael ,Himmelskönig' Scott und Jonny ,Syrillions Feuer' McGregor." Mao lächelte freundlich und Gaou grinse über das ganze Gesicht.

"Und wie hießt Stahlklaue mit richtigem Namen?", wollte Kai wissen.

"Zeo Zaggart. Hör auf da hinten rumzustehen und Löcher in die Luft zu starren, Zeo, und setzt dich zu uns!", befahl Mao und der Angesprochene kam ihrer Aufforderung nach, wenn auch recht zögerlich. Er setzte sich so weit wie möglich von Kai weg.

Kai grinste ihn spöttisch an, dann wandte er sich an Sturmvogel. "Hast du eine Kette für mich?" Er nahm sein schwarzes Halsband ab. "Das Ding hier ist recht unbequem, nachdem es ein wenig geschwommen ist."

"Klar. Moment."
 

"Was ist passiert?", wollte Michael von Mao und Gaou wissen. "Ich meine, dass der Kerl hier ist und wo ihr herkommt und so."

"Wir haben ihn gefunden.", antwortete das Mädchen. "Zufällig. Und er war so freundlich, uns den Weg hierher zu zeigen."

"Freilich nicht ganz freiwillig.", fügte Gaou hinzu. "Mao musste ihn erst ein wenig verdreschen."

"Ein wenig ist gut.", murrte Zeo unwillig und rieb sich das Kinn.

"Nachdem ich bei einem höchst interessantes Gespräch zwischen ihm und Chargrin Schwarzteufel zugehört habe."

"Darüber müssen wir genauer sprechen."

"Später.", warf Sturmvogel ein und reichte Kai eine silberne Kette mit dünnen Gliedern. "Nicht das beste, aber du kannst dir ja später etwas besseres besorgen."

"Hn." Kai nahm sie an und legte sie auf den Tisch. Ehe er das Amulett von Dranzer von dem Halsband schnitt und auffädelte. Dann drehte er das Band um und wiederholte den Vorgang.

"He, Feuerrabe, was soll das?", fragte Jonny interessiert und rutschte näher. "Warum trägst du zwei Amulette?"

Kai sah kurz auf, ehe er seinen Blick wieder auf die Kette senkte und sie sich umhängte. "Zwei Amulette für zwei Tisetah.", murmelte er und jetzt hatte er die volle Aufmerksamkeit aller Anwesenden.
 

Zeo war es, der das Schweigen brach. "Also hat Jacques doch keine Geschichten erzählt, als er..."

"Hat er etwa über diese Experimente geplaudert?" Kai blicke Stahlklaue scharf an.

Dieser hob die Hände und schüttelte den Kopf. "Nein! Nur einmal! Alle dachten, er macht einen schlechten Witz. Bis auf Windreiter, meine ich, aber trotzdem..."

"Jetzt weißt du, dass es wahr ist. Ich habe zwei Tisetah, aber ich bin nicht besonders glücklich damit. Black Dranzer ist nichts, womit man scherzen sollte."

"Black Dranzer?", wiederholte Michael und Kai nickte. "Er wurde künstlich geschaffen, aus den Genen verschiedener Wesen. Meine sind auch darunter, aber Dranzers waren die meisten. Er sieht ihr sehr ähnlich, aber sie sind grundverschieden."

"Soso.", machte Jonny und an seinem Gesicht konnte man nicht ablesen, was er dachte.

"Und ihr werdet ihn hoffentlich nie zu Gesicht bekommen."

"Hoffentlich?", wiederholte Mao besorgt.

Kai blickte sie an und meinte kühl: "Ich habe ihn nur einmal gerufen - beziehungsweise, er ist von selbst erschienen und hat die Kontrolle über mich übernommen. Und dabei wurde ein Gebäude zerstört, das größer war als die Halle. Zum Glück hat man mich wieder zur Vernunft gebracht, sonst weiß ich nicht, was geschehen wäre." Kai schwieg. Er hatte genug gesagt zu diesem Thema.
 

Eine Weile herrschte Stille, in der jeder seinen eigenen Gedanken nachhing, dann rissen näherkommende Schritte sie hoch. "Wer ignoriert jetzt schon wieder meine Schilder?", explodierte Sturmvogel. "Das nächste Mal spare ich mir, sie aufzustellen!" Er sprang auf, da tauchte auch schon eine schlanke Gestalt zwischen den Regalen auf.

Kai erkannte erst beim zweiten Hinsehen, dass es ein Junge war. Er wirkte sehr zart und schmal, hatte schulterlanges, grünes Haar und violettblaue Augen, war in einfache, aber kostbare Reisekleidung gehüllt und trug einen schweren Reitersäbel an der Seite.

Mao sprang sofort auf. "Olivier!", rief sie und griff nach den Fächer, die sie am Gürtel trug. Mit einem leisen Flappen öffneten sie sich und Kai konnte aufgrund der Eisenklingen sofort sehen, dass sie keinesfalls dem Luftzufächeln dienten, sondern in den richtigen Händen gefährliche Waffen waren. Und Maos Hände gehörten ganz sicher zu den richtigen.

Der ankommende Junge - Olivier LesDemondes, wenn Kai nicht alles täuschte; der Junge hatte das typische LesDemondes-Aussehen - zuckte zusammen und griff nach seiner Waffe.

"Ruhig, Mao." Sturmvogel drückte das Mädchen auf ihren Sitzplatz zurück.

"Was ist?!", rief sie. "Ich mach den Kerl fertig! Er gehört doch zu den Dieben."

Olivier entspannte sich und Kai runzelte die Stirn. Was sollte das? Der sollte nicht ruhiger werden und seine Waffe loslassen, sondern im Gegenteil, am besten schnell abhauen von hier und zwar mit gezückter Klinge! Er setzte sich aufrecht hin. Michael und Jonny hatten ihre Hände auf ihre Schwerter gelegt und Gaou hatte sich erhoben. Nur Zeo wirkte ruhig und gelassen und grinste Olivier an. Dieser blinzelte verwirrt zurück. "Was suchst du denn hier, Zeo?"

"Nichts.", antwortete der Angesprochene.

"Er ist mein Gefangener!", trompetete Mao dazwischen.

"Wie bitte?"

Sie grinste diabolisch. "So lange ich sein Amulett habe, geht er nicht weit!"

"Und was suchst du hier, Olivier?", fragte Zeo zurück und dieser warf ihm einen kurzen Blick zu. Dann sah er die anderen Hatesit und Sturmvogel wieder an.

"Ich bin hier, um Calaminus zu verraten."
 

~~~~~~~
 

Das nächste Kapitel ist das zweitlängste und zugleich das langweiligste, glaube ich.

Übrigens bleibt die Sache mit Zeo so auf sich beruhen. Der arme Kerl ist irgendwie untergegangen und ich hatte keine Gelegenheit, das weiter auszuführen. Darum stell ich seine Lebensgeschichte bei den Charabeschreibungen on, für die, die's interessiert.

Bye

Silberwölfin

Myrisat

Titel: Krieger, Magier und Diebe

Teil: 19/24

Autor: Lady Silverwolf

Anime: Beyblade

Warning: OOC

Disclaimer: Die Hauptcharaktere gehören nicht mir und ich verdiene kein Geld mit dieser Fanfic.
 

"..." reden

//...// denken
 

~~~~~~~
 

Also, hier bin ich wieder mit einem neuen Kapitel! ^.^ Zur Feier des ersten Ferientages.

Das Kapitel ist das zweitlängste von KMuD und das, in dem am wenigsten passiert. Allerdings würde ich euch vorschlagen, es aufmerksam zu lesen, weil ich ziemlich viele Infos reingestopft habe. v.v Ich hoffe, das stört euch nicht.
 

**
 

@ engel_salvia: Da die Dranzer noch brauchen, kann ich sie ja schlecht irgendwo liegen lassen. Sowieso würde Kai keinen Schritt ohne ihr tun.

Die treffen sich im nächsten Kapitel wieder und ich schätze, du wirst ein bisschen enttäuscht sein. Aber lass dich überraschen.
 

@ Spellmaster: Macht nix. Naja, hier ist ja das nächste Kappi.
 

@ Jazzy: Es dreht sich ja nicht nur um Kai, oder? Der kann ruhig auch mal die 2. Geige spielen. ^^ Aber der ist bald wieder obenauf.
 

@ are: Klar haben sie das. Aber Hitoshi kann das ja nicht riechen, oder? Klar, dass er sich beschwert.

Das ist keine Absicht, dass Kai alles abkriegt, aber ich brauchte einen Grund, dass er das nicht ständig macht und die Wiedergeburt als Waffe einsetzt, verstehtst du? Und dass Kai so viel auszustehen hat, kann man wahrscheinlich damit erklären, dass er so beliebt ist. Die beliebtesten Charas trifft es immer am meisten.

Dankööö ^--------^ *Keks mapf* War Absicht, es subtil zu machen. Ich mein, der verwandelt sich jetzt nicht plötzlich in einen zweiten Takao, nur weil er sich mal mit seiner Vergangenheit auseinander gesetzt hat. Außerdem hat er es noch nicht ganz überwunden, nur akzeptiert.

Black Dranzers Amulett war auch am Halsband befestigt, nur auf der anderen Seite, verstehst du? Das Band war etwa fünf Zentimeter breit, also geht das. v.v

Tjaja, Zeo... *g* Ich kann dir sagen, die anderen erschrecken nicht so, nicht mal Jacques. XP

Olivier würde Unicolyon nur sterben lassen, wenn er selbst stirbt. Oo Hab ich da irgendwas undeutlich geschrieben? Er würde ihn nur verraten.

Jaaaah, das Bild hab ich auch. Meine Inspiration zu dieser Szene. ^^'''
 

@ X66: Hab mich schon gewundert, was mit dir los ist. ^.^ Willkommen zurück. XD

Ach ja, das 17. Kapitel. Tja, ohne Kai komm ich eben nicht aus. Gute Frage, was? Ich hab auch keine Antwort darauf.

Oh ja, eine Stärke, die sich sehr von der der anderen unterscheidet. Aber es ist seine eigene Stärke. Die treffen sich alle im 20. Kapitel wieder.

Übergangskapitel ist wohl das richtige Wort. Allerdings hab ich da noch eins in petto, von dem ich nicht einmal selber weiß, was darin passiert. Oo Das ist ein sehr merkwürdiges Kapitel, aber ich hab die Verbindung gebraucht.
 

@ schwarzer_nebel: Ja, hat doch auch was, oder? Komm nicht ohne Kai aus, geht einfach nicht, zumindest nicht hier. Wie würdest du reagieren, wenn dich plötzlich jemand angrinsen würde, den du vor einiger Zeit erst hast sterben sehen? Also, ruhig bleiben würde in dieser Situation sicher niemand.
 

**
 

~~~~~~~
 

Myrisat
 

"Wie bitte?", fuhr Jonny auf und sprang auf die Füße. Auch die anderen starrten Olivier verwundert an. Was hatte das zu bedeuten? Der Kerl war ein LesDemondes, ein Magier! Er sollte eigentlich ein Verbündeter der Diebe sein - wie er es gewesen war - und ihn nicht an seine Feinde verraten und damit schaden wollen!

"Du..." Mao unterbrach sich, runzelte die Stirn und schwieg.

"Es ist die Wahrheit.", beteuerte Olivier. "Darf ich mich setzen?"

"Bitte schön.", bot Hiro an. "Einen Tee?"

"Ja, bitte." Kai schnaubte. Höflich bis ins letzte, was? Er entspannte sich wieder. Von Olivier ging keine Gefahr aus.

"Gib uns deine Waffe.", verlangte Michael. Der Magier sah ihn kurz an, dann löste er den Schwertgurt und reichte ihn Himmelskönig.

"Setz dich, Jonny!", verlangte Hiro. Gaou sagte gar nichts, aber dafür blickte Mao umso seltsamer drein. Was wollte sie? Olivier setzt sich Kai gegenüber und nahm dankend die Teeschale entgegen, die Sturmvogel ihm reichte. Dann blickte er in die Runde und schwieg, bis Jonny fragte: "Warum? Was willst du hier?"

"Calaminus verraten.", erklärte Olivier. "Ihr wisst ja anscheinend schon, dass ich für ihn arbeitete. Er weiß nicht, dass ich hier bin, sondern denkt, ich sei auf dem Weg ins Hauptquartier."
 

"Und jetzt kommst du hierher und sagst, du wolltest nichts mehr mit ihm zu tun haben?", fragte Michael ungläubig. "Tut mir leid, aber das hört sich sehr unglaubwürdig an."

Zeo nickte. "Olivier, selbst ich muss das sagen, obwohl ich weiß, wer du bist."

"Er lügt aber nicht.", murmelte Mao und alle sahen sie an. Sie schreckte auf. "Was? Wir Leute mit dem Zweiten Gesicht sehen so etwas eben!"

Ob es wirklich stimmte, was der Magier da erzählte? Kai hatte das Gefühl, dass er die Wahrheit sprach, außerdem ging noch immer keinerlei Gefahr aus. Er wirkte sogar mehr als friedlich, sehr ruhig und entschlossen. Er hatte anscheinend eine Entscheidung gefällt, die sehr schwer gewesen war und deren Ergebnis er um jeden Preis beibehalten würde, egal, was es ihn kosten würde. Solche Leute strahlten eine ganz bestimme Ruhe und Kraft aus, die Kai aus eigener Erfahrung kannte.

"Jetzt fehlt nur noch das Motiv.", meinte Jonny, noch immer misstrauisch. Aber nicht nur er glaubte Mao, auch die anderen schienen sich langsam überzeugen zu lassen.

"Ich kann doch die Bündniskrieger nicht verraten."

"Was?" Verdutzt starrten Olivier sechs Gesichter an. Zeo jedoch schien zu verstehen, denn ein leises, zufriedenes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Ein Magier konnte keine Hatesit verraten, denn sie waren niemals verbündet gewesen. Olivier stellte seine Schale ab und griff dann nach der Goldkette, die er um den Hals trug. Er öffnete den Verschluss und legte sie auf den Tisch. "Ich bin doch...selber einer. Wie kann ich dann weiterhin das tun, was ich tat?"
 

An der Kette war ein kleiner, runder Anhänger befestigt. Er war weiß und trug ein rotes Zeichen. Wie elektrisiert sprang Kai aus seinem Stuhl und nahm das Amulett an sich. Kein Zweifel. Es lebte und es gehörte zu Olivier. Das Zeichen darauf bedeutete Einhorn und Unicolyon. Olivier...Olivier war ein Hatesit? Er war ein Magier, das wusste Kai ganz genau. Und...ein Hatesit? Magie und Bündnis vertrugen sich nicht. Es hatte nie jemanden gegeben, der beides war, Magier und Bündniskrieger. Aber jetzt...

Jonny nahm ihm das Amulett aus der Hand und betrachtete es von allen Seiten genau. Kai dachte, gleich würde er darauf beißen um die Echtheit zu prüfen wie man es bei Münzen machte. Aber Syrillions Feuer gab es nur an Mao weiter, die nur einen kurzen Blick darauf warf. Es herrschte Stille.

Olivier starrte auf seine Hände und sagte nichts. Schämte er sich? Es sah beinahe so aus. Aber was sollte man dazu sagen? Er war ein Magier, von Geburt an hatte man ihn gelehrt die Hatesit zu hassen und zu fürchten und als Feinde anzusehen. Und jetzt war er selber einer. Wie musste man sich denn da fühlen?! Wie mochte seine Familie das wohl aufgenommen haben? Wahrscheinlich nicht sehr gut. Er musste sehr einsam in der Zeit nach der Teshita gewesen sein. Jetzt hatte er sich entschieden, seiner Familie den Rücken zu kehren.
 

Oliviers Kopf schnellte erst hoch, als Kai plötzlich in schallendes Gelächter ausbrach. Aber nicht nur der Magier starrte ihn verwirrt an, sondern auch die anderen. Nie hatte einer von ihnen Kai lachen sehen. Dieser schien sich beinahe nicht mehr einkriegen zu können und wurde erst wieder ruhig, als er keine Luft mehr bekam. Dann aber beruhigte er sich so schnell, dass nicht nur Olivier ein Schauer über den Rücken lief. Keiner verstand Kais Ausbruch. Was war in den sonst so ernsten Krieger gefahren?

"Also hat Jacques seine Träume wahr gemacht, wie?", fragte Kai und Olivier nickte langsam. "Du kennst Sterndeuter?"

"Sagen wir es so: ich hatte die Ehre, einige Jahre mit ihm zu arbeiten."

"Ich glaube nicht, dass ,mit ihm arbeiten' die richtige Formulierung ist, was, Kai?", fragte Jonny. Er hatte schnell begriffen, um was es ging.

"Er hat zwei.", sagte Zeo und Olivier schien sofort zu verstehen. "Du bist das? Jacques hat von dir erzählt."

"Das habe ich schon gesagt."

"Nein. Er hat öfters etwas darüber gesagt."

"Wirklich? Was denn?"

"Nichts wichtiges. Nur, dass ich wusste, dass seine Pläne auch klappen würden." Niemand sagte etwas. Alle versuchten sich einen Moment vorzustellen, was es bedeutete zu wissen, zu dem eigenen Feind gemacht zu werden.
 

Dann fragte Jonny: "Und was hast du uns zu erzählen?" Olivier sah ihn kurz an und warf dann Zeo einen Blick zu. Dieser wich ihm aus. Anscheinend wollte er nicht mit dem Magier reden. Denn auch wenn es nicht so aussah, Zeo war immer noch ein Gefangener. Er hatte sich nicht dazu entschlossen, Calaminus den Rücken zu kehren. Er war immer noch ein Feind.

"Was weißt du über Myrisat?", wollte Michael wissen.

"Warte, warte!" Mao hob die Hände. "Ihr vergesst da was!"

"Und das wäre?", hackte Jonny nach.

"Das wir nicht darüber Bescheid wissen. Wer bitte schön ist Calaminus oder wie der Kerl heißt? Was ist Myra...Myr..."

"Myrisat.", half Michael freundlich weiter.

"Genau. Zeo hat uns nämlich kein Wort verraten."

"Das sieht ihm ähnlich.", murmelte Olivier und Kai erklärte: "Calaminus ist der Anführer der Diebesbande."
 

"Ganz genau.", bestätigte der Zauberer. "Er ist ein sehr mächtiger Erzmagier. Ich würde mich nicht mit ihm anlegen. Außerdem ist er mit Azulon im Bunde."

"Das wissen wir schon.", winkte Mao ab.

"Das mag sein, aber ihr wisst sicher nicht, wie Azulon geholfen hat."

"Nein. Du?"

"Ja. Er kann sich ja nicht persönlich einmischen." Das hatten die Götter festgelegt, nachdem sie die Göttlichen getötet hatten. Damit die Welt nicht noch mehr durcheinander käme, als sie sowieso schon war.

"Stimmt."

"Bevor ich weiter darauf eingehe, habe ich eine Bitte: ich möchte die Geschichte der Vier Göttlichen hören."

Erstaunt blickten ihn alle an. "Kennst du sie nicht?", fragte Hiro. "Ich dachte, sie wäre überall bekannt."

Olivier schüttelte den Kopf und verzog gleichzeitig das Gesicht. "Ist sie, aber ich glaube nicht, dass es überall die gleiche Version ist. Bitte."

"In Ordnung.", murmelte Kai und begann zu erzählen, auch wenn er nicht wusste, worauf Olivier hinauswollte.
 


 


 

"Ich bin dafür, dass wir Jacques folgen."

"Es wäre wirklich besser, wenn wir zuerst zu Sturmvogel gehen."

"Warum? Robert hat uns mit Waffen und Proviant ausgerüstet. Es bringt nichts, wenn wir erst Hiro besuchen. Es würde uns nur kostbare Zeit stehlen."

"Mao und Gaou sind wahrscheinlich bei ihm. Sie können ihre Tisetah noch nutzen. Und vielleicht treffen wir auch auf diesen Himmelskönig, von dem ihr gesprochen habt. Der scheint mir eine große Hilfe zu sein."

"Aber...wenn wir Jacques nicht mehr finden, nutzt uns das auch nichts mehr!"

"Ach, jetzt seid doch einmal still!", fuhr Yuriy wütend dazwischen. Takao und Lee führten dieses Gespräch schon seit einigen Minuten. Sie saßen in der großen Höhle versammelt, in die Roberts Geheimgang sie geführt hatte. Die Sonne stand schon beinahe im Zenit und bis vor kurzem hatten sie noch geschlafen, immerhin hatten sie sich die halbe Nacht um die Ohren geschlagen.

"Wenn ihr euch noch lange streitet, ist Jacques weg, dann ergibt sich das Ganze.", fügte Bryan spöttisch grinsend hinzu. Ein Murren antwortete ihm.
 

"Wie wäre es, wenn wir einfach abstimmen?", wagte Max vorzuschlagen. "Ich meine, es betrifft uns doch alle und..." Er wurde immer leiser und verstimmte.

"Aber...", begann Takao laut. Jetzt würde das wieder losgehen! Gelangweilt widmete sich Yuriy dem Langbogen, den er von Robert bekommen hatte. Es waren nicht genug Schwerter für sie alle da gewesen - immerhin war es schwer, Waffen unbemerkt aus einer Burg zu schmuggeln - und er war mit dem Bogen sowieso viel zufriedener. Er mochte diese Waffe.

Der Graf räusperte sich. Er hatte sich an die Wand gelehnt und die Arme über der Brust verkreuzt, dabei aber aufmerksam zugesehen. Jetzt sahen ihn alle an. Robert richtete sich auf und meinte: "Es geht mich zwar nichts an, es ist eure Entscheidung, wie es weitergeht, aber dürfte ich einen Vorschlag machen?"

"Nur zu." Lee winkte ab. "Du bist jetzt ja auch mit von der Partie. Ich meine, es geht dich sehr wohl etwas an."

"In Ordnung. Ich würde vorschlagen, zwei oder drei zu Sturmvogel zu schicken, der Rest folgt Jacques, der gegen Mittag - also jetzt - aufbrechen wird, und legt Wegweiser, damit alle, die bei Sturmvogel waren, folgen können."

"Dann müssen wir uns aber trennen!", wandte Kevin ein, doch Robert winkte ab. "Auf zwei oder drei mehr kommt es auch nicht an."
 

"Woher willst du wissen, dass Jacques heute schon aufbricht? Ich meine, der sucht uns doch!", meinte Kenny. "Immerhin sind wir eine große Gefahr, wenn wir frei herumlaufen."

"Nicht mehr.", sagte Robert und Yuriy verstand. "Die sind beinahe an ihrem Ziel angelangt.", murmelte er.

Der Graf nickte. "Ganz genau. Jacques ist unglaublich bereitwillig auf das Angebot mit den Zellen eingegangen. Wenn er nicht bereits genug Amulette hätte, würde er nicht auf die Bequemlichkeit, die er in Druskill in Anspruch nehmen konnte, verzichten. Aber er rechnet nicht damit, noch einmal in die Wüste zu müssen."

"Darum konnte er rasch ja sagen, als du meintest, wenn er die Zellen nutzen will, darf er nicht wiederkommen.", meinte Lee gedankenverloren. Er nickte leicht. "Dein Plan ist gut.", sagte er. "Ich schlage vor, wir schicken Kevin, Kenny und Max zu Sturmvogel."

"Warum gerade wir?", wollte der Blonde wissen.

Lee sah ihn an, doch Bryan kam ihm hämisch zuvor: "Weil ihr die Schwächsten seid. Wir brauchen alle Kampfkraft, wenn wir Jacques gegenüberstehen."

"Dann solltest du sie wohl auch begleiten.", spottete Yuriy.

"Wie meinst du das?"
 

Yuriy würde nie den Fehler begehen und sagen, Bryan wäre ein Schwächling. Das wäre nicht gut für seine Gesundheit, außerdem wusste er, dass es nicht stimmte. "Weil du verletzt bist, du Trottel." Er schnaubte und wandte sich wieder ab. Bryan hielt es für besser, zu schweigen.

"Also, ich finde diese Idee gut.", erklärte Rei. "Es gibt da aber noch einen Hacken."

"Und der wäre?", fragte Robert.

"Keiner von den dreien weiß den Weg zu Sturmvogel. Und - ehrlich gesagt - wir alle sind keine Experten in der Wüste. Der Einzige, der Bescheid wusste, ist...war Kai. Und, so ungern ich das jetzt sage, Kai ist tot." Yuriy zuckte zusammen. Er wusste es, natürlich, er hatte Kai sterben sehen, aber es traf ihn noch immer hart. Es war eine unumstößliche Tatsache und sie schmerzte darum um so mehr.

"Er ist nicht schwer zu finden.", sagte Robert. "Ich habe öfters mit ihm gehandelt. Druskill liegt gar nicht so weit entfernt. Ihr müsst zwei, drei Tage nach Westen laufen, dann erreicht ihr die Halle."

"Ja?", wollte Max wissen und der Graf nickte.

"In Ordnung, wir gehen.", stimmte Kevin zu.
 

Auch Kenny nickte. "Wir sollten uns beeilen. Wie sollen die Zeichen aussehen?"

"Ein Lichtstein?", bot Robert an und hob einen Kiesel auf. Kurz schloss er die Finger darum und als er die Faust wieder öffnete, leuchtete er. "Es ist nicht besonders auffällig und die Wirkung lässt mit der Zeit nach, aber einige Tage bleiben sie aktiv."

"Das ist eine gute Idee.", meinte Lee und hob den Speer auf, den er sich als Waffe gewählt hatte. "Auf, auf, worauf warten wir noch?!" Sofort kam Bewegung in die Gruppe. Yuriy schwang sich Bogen und den mit Pfeilen gefüllten Köcher auf den Rücken, tastete kurz nach dem langen Dolch - Dolche hatte Robert für jeden von ihnen besorgt - und verließ hinter Bryan die Höhle.

"Ich hoffe, wir kommen nicht zu spät.", murmelte Rei besorgt und blickte kurz Kevin, Kenny und Max hinterher, die genau die andere Richtung wie die größere Gruppe einschlugen. Dann machte sich auch der Rest auf den Weg.
 


 


 

"Ich wusste gar nicht, dass du so gut erzählen kannst.", murmelte Jonny, nachdem Kai geendet hatte, und setzte sich wieder aufrecht hin.

Der Angesprochene schnaubte. "Ich bin Barde, schon vergessen?"

"Ich denke nie daran. Als ich dich kennen gelernt habe, warst du bereits Feuerrabe in der Schlacht von Bel Hélen." Kai zog es vor zu schweigen und sah Olivier an, der sehr nachdenklich dreinblickte. "Danke schön.", sagte er dann und schwieg wieder.

Mao rutschte ungeduldig auf ihrem Sessel hin und her. "Und was ist daran anders als bei der, die du kennst?"

"Alles und nichts.", antwortete Oliver. "Ich meine, die eigentliche Grundstruktur ist dieselbe, aber in der Geschichte, die unter den Magiern bekannt ist, war Azulon der Schöpfer."

"Wie bitte?", fuhr sie auf, doch Olivier hob beschwichtigend die Hände. "Ich weiß nicht, welche richtig ist, aber es ist nun mal so. Es tut auch nicht viel zur Sache, aber es verschafft Klarheit. In der Version, die ich kenne, schuf Azulon die Welt und dann die Magie. Dann kamen die Göttlichen und säten die Gefühle, aber alle, nicht nur die bösen, und schufen das Gesetz des Gleichgewichts. Dann schufen sie die Tisetah und gaben manchen Menschen die Gabe ein, die Kräfte zu nutzen."
 

"Und was hat das mit Calaminus zu tun?"

"Nichts, sagte ich doch."

"Wie hilft dieser verdammte Gott jetzt dem Magier?", fragte Michael dazwischen.

"Er schickte ihm Kralay."

"Wer ist Kralay?", unterbrach Jonny ungeduldig.

"Sei still, das wollte er gerade sagen.", schnauzte Kai.

"Kralay ist eine Art Tisetah. Sie wurde von Azulon geschaffen."

"Eine Tisetah?"

"Ja. So etwas ähnliches. Aber ich habe keine Ahnung von ihrem Aussehen oder ihrer Kraft. Calaminus spricht nur selten über sie. Und eingesetzt hat er sie noch nie. Ich weiß nur, dass sie sehr mächtig ist."

"Und weiter geht seine Hilfe nicht?"

"Doch. Er gibt Tipps. Was glaubst du, woher wir wussten, wo ihr entlang zieht, Kai? Azulon hat es uns gesagt."

"Und daraufhin habt ihr uns die Fallen gestellt.", vollendete Feuerrabe den Gedanken.

"Ganz genau."

"Macht er das öfter?", wollte Gaou beunruhigt wissen. "Der weiß doch nicht, was wir hier besprechen?"

Olivier zuckte die Schultern. "Keine Ahnung. Aber auch wenn es nicht so schein, die Götter sind auch nicht allmächtig und außerdem sind sie vielbeschäftigt. Diese Welt hier ist nicht die Einzige."
 

"Wie wahr, wie wahr.", murmelte Mao. "Jetzt wissen wir also, dass Azulon keine besonders große Hilfe ist und außerdem niemals persönlich gegen uns kämpfen wird. Zumindest nicht in diesem Krieg."

"Das ist doch schon einmal was.", murmelte Michael schlecht gelaunt und wiederholte seine Frage: "Was weißt du über Myrisat?"

"Davon wisst ihr auch?"

"Ja. Mehr oder weniger. Der Begriff ist ein paar Mal gefallen, aber genau wissen wir nicht Bescheid. Die Magier in Teshnan rufen so etwas laut in die Welt. Man muss nur seine Ohren offen halten."

"Teshnan, Myrisat, Calaminus. Was wisst ihr noch? Wir sollten besser erst das zusammentragen."

Mao hob die Hände. "Wir kennen nur stückchenweiße eure Pläne. Azulon hilft den Dieben, das wussten wir von Anfang an. Mui hat es uns erzählt. Das nächste, was war erfuhren, war das Gesicht von Scaramak. Wir sind zufällig über ihn gestolpert, als er Caras das Amulett abgenommen hatte. In Zhekan sind wir dann in eurer Versteck gekrochen und haben gelauscht. Wir waren über euch, gerade, als du zu Besuch gekommen bist."

"Ich...erinnere mich. Scaramak hat gesagt, die Sache mit dem Stein wäre schief gegangen."
 

"Ganz genau. Darüber wissen wir alle Bescheid, denn da waren wir ja noch zu viert. Gaou und ich wurden dann von Lee und Rei getrennt, die auf direktem Wege hierher kamen. Auf unserer Irrfahrt in der Wüste sind wir vor ein paar Tagen dann auf Stahlklaue getroffen und haben sein Gespräch mit Chargrin belauscht."

"Und ein paar Nebensächlichkeiten erfahren.", maulte Zeo.

"Ja. Das war nicht viel. Nur, dass eure Pläne geklappt haben und dass Chargrin in Zhekan ist. Aber ersteres hätten wir auch von Kai erfahren können. Der war ja direkt daran beteiligt."

"Zweites ist nicht besonders wichtig.", murmelte Jonny. "Der kann jetzt eigentlich schon sonst wo sein, auch wieder im Hauptquartier."

"Aber es hat doch etwas gebracht. Immerhin haben wir jetzt einen Gefangenen."

"Fragt sich nur, was uns das nützt."

"Erst einmal gar nichts!"

"He! Sprecht nicht über mich, als wäre ich nicht da!"

"Warum nicht?"

"Weil ich eben da bin!"

"Na und? Interessiert uns das?"

"Könnt ihr nicht einmal die Klappe halten?", fuhr Kai Zeo und Jonny an, die sofort still waren. "Können wir jetzt weitermachen?"

"Wir wissen, dass Calaminus mit Karmaat Silbergeist, Scaramak dem Wolf und Chargrin Schwarzteufel aus Myrisat gekommen ist. Außerdem gehören zu dem höheren Kreis noch Zeo Zaggart, der bereits unschädlich gemacht wurde-"
 

"Wie nett du dich ausdrückst.", murrte Stahlklaue dazwischen.

"- Olivier, der zu uns übergelaufen ist, Toki Fuma alias Feuerstern, Jacques Bourelet alias Sterndeuter, der Kater, dessen Idendiät wir noch nicht kennen, und die Magier aus Teshnan und Nijan."

"Wen haben wir vergessen?"

"Vom höheren Kreis - niemand.", antwortete Olivier bereitwillig. "Ihr habt alle schon aufgezählt. Dabei sind die ersten Drei weitaus die wichtigsten unter Calaminus Getreuen. Den Kater habe ich nur einmal persönlich getroffen, er kommt aus Canih und nennt sich Seijo."

"Seijo!", kreischte Mao und sprang so wild auf, dass ihr Sessel nach hinten rutschte.

"Dieser Verräter!", knurrte Gaou und zischte irgendetwas vor sich hin, während seine riesigen Hände sich tief in die Polsterung seines Sessels vergruben. Damit hätte er bestimmt einen Schädel zerquetschen können. Doch seine Worte gingen in Maos Gezeter unter. Sie sprach in einem canihschen Dialekt.

Kai verstand sie - er hatte die Sprache in der Abtei gelernt - aber es brachte ihm nicht viel. Sie stotterte unzusammenhängende Sätze vor sich hin, aus denen er ablesen konnte, dass sie den Kater, wenn sie ihn in die Finger bekäme, langsam und qualvoll umbringen würde.
 

Er konnte sich nicht vorstellen, was für eine Enttäuschung und Wut sie fühlen musste, aber er würde auch nie so verraten werden wie sie, denn für ihn gab es niemanden der in einer solchen Beziehung zu ihm stand wie die fünf Zhaon'El zu Seijo. Soweit er Rei, Lee und Kevin verstanden hatte, war Seijo eine Art weiser Lehrer und Wegbereiter gewesen - und jetzt ein Verräter, ein elendiger Verräter.

"Beruhig dich!", versuchte Hiro das Mädchen zu beschwichtigen, aber es dauerte eine ganze Zeit, ehe sie sich wieder setzte, zornesrot und bebend vor Wut. Währenddessen berichtete Zeo Olivier, der um eine weitere Schale Tee bat, kurz und knapp, wie er hierher gekommen war, und die anderen hörten interessiert zu.

"Was kann Seijo alles?", fragte Kai schließlich.

Mao blitzte ihn an und erklärte dann mit gefasster Stimme: "Er ist ein guter Kämpfer - aber mehr nicht. Kein Magier, kein Hatesit, kein Techniker. Wohl ein guter Stratege und sehr schlau, aber das war's schon - Lee könnte ihn besiegen. Außerdem hat er seine besten Jahre schon hinter sich."

"Das ist doch gut!", rief Jonny und grinste sie an: "Glaub mir, Mädchen, irgendeiner von euch fünfen wird die Chance erhalten, ihn zu töten. Und ich glaube nicht, dass er noch leben will, wenn ihr mit ihm fertig seid!"

Mao lächelte grimmig auf. "Ja, das glaube ich auch."
 

"Er wird sich wünschen, nie geboren worden zu sein.", stieß der sonst so sanfte Gaou hervor und knackte mit den Fingerknöcheln. Bei seinen riesigen Händen sah das mehr als bedrohlich aus.

Hiro nickte zufrieden. "Das Lager in Skellten hat Kai ausgehoben, das ist schon über einen halben Mond her."

"Ein paar Tage nach Vollmond.", stimmte Kai zu und dachte daran, dass der Mond schon bald wieder voll wäre. Nur noch ein paar wenige Tage.

"Das Versteck in Karja ist ebenfalls aufgeflogen. Die Leute von euch, die dort waren, sind alle tot."

"Die Rache der Hatesit war schrecklich.", grinste Michael.

"Das glaube ich gerne.", murmelte Zeo und sah auf. "Das Lager in Karja war der Tempel, der sich Calaminus angeschlossen hat. Viel ist nicht mehr übrig."

"Sind die Pfaffen alle tot?", fragte Kai und seine Stimme klang tatsächlich hoffnungsvoll.

Sie warfen ihm kurze Blicke zu und Hiro zuckte die Schultern. "Keine Ahnung. So weit sind wir noch nicht. Aber ich denke schon. Und wehe, du brichst jetzt in Jubelschreie aus. Ich bin zwar nicht sehr gottesfürchtig, aber so etwas käme mir doch etwas makaber vor."

"Ich breche nie in Jubelschreie aus.", erklärte Kai kalt. "Auch wenn es in diesem Falle durchaus angebracht wäre."
 

"Sag mal, was hast du eigentlich so gegen die Priester?", wollte Michael vorsichtig wissen.

"Das geht dich nichts an."

"Wie du meinst. Dann machen wir mal weiter."

"Ich will das Magiernest in Nijan ausheben, wenn wir mit dem Hauptquartier fertig sind.", erklärte Jonny und rieb sich die Hände.

"Warum?", fragte Mao verwirrt.

"Ich habe noch ein Hühnchen mit denen zu rupfen.", antwortete er kurz angebunden. "Die in Teshnan werden eine Nummer zu groß für uns sein."

"Der Turm der Donnersteine, der der Blitzwolke und der des Windflusses nicht, meinst du?", spottete Hiro. "Ich kenne die drei Türme in Nijan. Immerhin bin ich dort aufgewachsen. Und sich sage dir, die sind nicht ungefährlich dort. Auch die Schule nicht."

"Wer weiß?"

"Auch wenn Jonnys Argumente nicht ganz stichhaltig sind, sollten wir es trotzdem tun.", bestimmte Kai.

"Warum?"

"Weil wir die Diebe bis ins Letzte ausmerzen müssen."

"Du hörst dich an, als wolltest du eine Krankheit vernichten."
 

"Hn."

"Dann muss aber auch der Turm in Teshnan fallen.", wandte Mao ein.

"Na und? Dann tut er es eben."

"Ich weiß nicht, ob das notwendig ist.", gab Olivier zu bedenken.

"Warum?"

"Weil der Turm der Drei Winde sich von Calaminus losgesagt hat. Es ist den Magiern dort zu heiß geworden und sie waren wahrscheinlich nicht ganz einverstanden mit den Plänen des Erzmagiers."

"Kennst du die?"

"Nein...ja. Teilweise. Es...Ich glaube, nur Karmaat, Chargrin und Scaramak wissen über die Pläne wirklich Bescheid. Was ich weiß, ist, dass er die Tisetah für seine Zwecke nutzen und dann..."

"Jaaa?", fragte Mao leise.

"...opfern will."

"Opfern?", rief Jonny entsetzt aus.

"Ja. Er will sie alle töten. Für seine Machtgier. Keine Ahnung, was er dafür bekommt oder wie er es will, aber es wird seine Macht vergrößern."

"Das muss verhindert werden!", knurrte Jonny. Kai fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis die Atmosphäre in der Halle weniger aufgeheizt und gespannt war. Aber das...würde wohl erst nach diesen Gesprächen der Fall sein. Zu viel würde jetzt ans Licht kommen, zu viel, das nicht sein durfte, zu viel, das Blasphemie und Sünde war. Auch er fühlte es. Er war entsetzt, angewidert, verstört, erschüttert, empört. Dass es Menschen gab, die Leben einfach so wegwarfen. Und es war noch nicht einmal ihr eigenes!
 

Hiros Stimme riss sie aus ihren Gedanken und der Verärgerung. "Es ist doch ganz egal, was der Kerl mit den Amuletten will, oder? Ich denke, kein Hatesit möchte sein Tisetah verlieren. Und darum holen wir sie uns alle wieder."

"Damit...hast du Recht.", gab Michael zu. "Ob er sie nur ansehen will, weil sie so schön bunt sind, oder ob er sie will, weil... Wie auch immer, wir wollen sie wieder."

"Und was ist jetzt Myrisat?!", fragte Michael ungeduldig und gereizt. "Jetzt will ich aber eine Antwort!"

"Myrisat, Michael, ist Calaminus' Heimat. Auch Karmaat, Scaramak und Chargrin kommen von dort. Karmaat hat mir hin und wieder davon erzählt; keine Ahnung warum, er schien einen Narren an mir gefressen zu haben."

"Jaja, jetzt rück schon raus mit der Sprache!"

"Ein Kontinent."

"Was?"

"Myrisat ist ein Kontinent. Nicht Cyndan." Cyndan war der Erdteil, auf dem sie lebten.

"Und? Wir wissen, dass es andere Kontinente gibt. Das ist doch keine Neuigkeit.", maulte Jonny.

Olivier hob die Hand. "Ja. Ich weiß. Aber pass auf. Myrisat sieht ein wenig anders aus als Cyndan, denn es gibt dort die Wüste nicht." Stille.

"Wie...meinst du das?", wollte Hiro dann vorsichtig wissen.

"So, wie ich es sagte. Ich glaube, in der Geschichte, die du mir vorhin erzählt hast, fehlt etwas."

"Und das wäre?", fragte Kai ruhig.

"Dass der Planet nicht vollkommen verseucht war. Ihr erinnert euch? Die Technik und alles. Was, wenn sie nur hier auf Cyndan existiert hat? Dann hätten die Göttlichen nur unseren Kontinent zur Wüste zu machen brauchen. Der Rest konnte Paradies und Hölle bleiben, so wie die Göttlichen ihn erschaffen hatten. Und dadurch wurde nichts zerstört, die Magie blieb erhalten und die Tisetah von den Göttern verbannt."
 

"Verbannt? Immer noch?"

"Die Göttlichen scheinen sie vergessen zu haben?"

"Oder sie dachten, dass durch ihren Ruf alle geweckt wurden."

"Das war aber nicht der Fall. Karmaat hat erzählt, dass er dem erste Tisetah, das er je gesehen hatte, auf Cyndan begegnet war. Und erfahren hat er von ihnen durch Calaminus."

"Dieser Calaminus wird mir immer suspekter.", knurrte Jonny. "Wie kann der von Tisetah wissen, wenn es da drüben keine gibt? Wo immer das auch ist."

"Er hat von ihnen gelesen, glaube ich. Ganz früher gab es sie doch."

"Mich interessiert da gerade etwas ganz anderes.", murmelte Mao. "Auch wenn es nicht so ganz hierher gehört: Wie kam Calaminus denn zu seinen treu ergebenen Dienern?"

"Karmaat war so von ihm, seinen Zielen und seiner Macht beeindruckt, dass er ihm folgte.", erklärte Zeo. "Chargrin - keine Ahnung, was in dem vorgeht. Der Kerl ist total durchgeknallt. Bei Scaramak verhält es sich etwas anders."

"Du magst ihn, was?", fragte Olivier und Zeo nickte langsam. "Sagen wir es so: ich bin nicht sein Feind, auch wenn er es manchmal anzunehmen scheint. Der glaubt, die ganze Welt - bis auf Calaminus - wäre gegen ihn. Er redet nicht darüber, aber manchmal rutschen ihm doch einige Dinge heraus. Jedenfalls hat er eine schwere Kindheit hinter sich und er wurde von seiner eigenen Familie verstoßen." Zeo schüttelte sich. "Calaminus war der Erste, der sich ihm gegenüber freundlich verhalten hat."
 

"Der Kerl hat also doch einen Funken Anstand im Leib?", fragte Mao erstaunt und irgendwie erfreut.

Kai schüttelte den Kopf und meinte nüchtern: "Der versprach sich daraus wahrscheinlich irgendwelche Vorteile. Und ich würde sagen, er hat sie erhalten. Scaramak steht ihm absolut loyal gegenüber und ich würde ihn nach euren Erzählungen als einen gefährlichen Feind einstufen."

"Das ist er, durchaus. In mancher Hinsicht sogar noch gefährlicher als Chargrin und Karmaat, auch wenn er eigentlich schwächer ist. Er wird uns noch einige Probleme bereiten.", erklärte Olivier. "Viel weiß ich nicht über die Drei."

"Was ist mit Calaminus?", erkundigte sich Michael neugierig. "Wie ist der denn so?"

Olivier schwieg lange. "Charismatisch.", sagte er dann. "Einnehmend, mächtig, gewinnend. Ein sehr ernstzunehmender Gegner. Wer ihn unterschätzt, wird sterben. Ich bin ihm nur selten begegnet, aber ich war vom ersten Moment an fasziniert von ihm. Seine Macht oder seine Kampfkraft habe ich niemals persönlich gesehen. Er brauchte so etwas nicht um sich Respekt zu verschaffen."

"Gewiss, gewiss.", murmelte Zeo und starrte gespielt desinteressiert an die Decke.

"Schön, jetzt zurück zu Myrisat. Was weißt du noch darüber?"
 

"Nicht viel, ehrlich gesagt. Calaminus hat Schriften über die Tisetah gefunden und er wollte sie auf Myrisat wieder wecken, so habe ich das verstanden. Dazu brauchte er aber die Macht von anderen Tisetah oder so. Darum kam er hierher. Außerdem bot Azulon ihm einen Packt an. Ich glaube nicht, dass der Gott glaubt, Calaminus könne seinen Plan verwirklichen. Sonst hätte er das niemals getan."

"Wie? Auch Götter sind nicht allwissend?", spottete Kai höhnisch, denn er zweifelte nicht an den Verwirklichungen von Calaminus' Plänen. In einer Welt, in der ein Magier ein Tisetah haben konnte oder ein Hatesit zwei, dann war auch so etwas möglich. Die Anderen nickten zustimmend. "Und weiter?"

Olivier zuckte die Schultern. "Karmaats Erzählungen waren sehr bruchstückhaft. Aber so viel ich weiß, gibt es auf Myrisat keine Technik. Weißt du sonst noch was, Zeo?"

"Nein. Außerdem würd' ich's euch sicher nicht erzählen."

"Ach ja, du bist ja unser Feind."

"Und jetzt zum Hauptquartier. Wir müssen doch wissen, wo wir sie angreifen können." Jonny rieb die Hände ineinander. "Olivier?"

"Sag mal, Sturmvogel, hast du eine Karte?", wandte sich der Angesprochene an den Händler.

"Ja.", antwortete Hiro.
 

"Warte mal.", bat Kai und stand auf. "Wo ist meine Tasche?" Mao deutete auf einen Stapel Gepäck neben der Tür. Da Funkenstern das Gepäck von Kais Gruppe getragen hatte und Jacques alles Zeo mitgegeben hatte, war natürlich alles wieder dort, wo es hingehörte: bei Kai. Kurz kramte Feuerrabe in den Taschen herum, dann kam er wieder und trug einen Spiegel in der Hand.

"Was willst du damit?", fragte Jonny verwundert. "Ich habe nicht gewusst, dass du so eitel bist."

"Ist das nicht Kennys Spiegel?", wollte Michael wissen und auch Mao, Gaou, Zeo und Olivier schauten reichlich verwirrt.

Nur Hiro schien zu verstehen. "Meinst du, das klappt?"

"Wir werden sehen. Wir haben den Spiegel und das Amulett. Ob der Spiegel ihr ermöglicht, die Kräfte ohne Kenny anzuwenden, werden wir sehen." Kai legte den Spiegel auf den Tisch und schob das Amulett daneben.

"Ob das klappt?", fragte Michael und beugte sich vor. Er wusste ja, dass Kennys Tisetah im Spiegel eingesperrt war.

"Hn." Erst geschah nichts und Kai wollte den Spiegel schon wieder enttäuscht zur Hand nehmen um ihn wieder wegzuräumen, als eine durchdringende, weibliche Stimme ertönte: "Oh nein, du willst das Ding doch nicht wieder einpacken, oder?" Zufrieden ließ Kai seine Hand wieder sinken, während sich der Großteil der Versammelten verdutzt umsahen.
 

"Ich hätte nicht gedacht, dass es klappt!", meinte Hiro und beugte sich vor.

"Nein, wollen wir nicht.", sagte er zu Dizzy, die ihm aus dem Spiegel entgegenblickte.

Sie runzelte die Stirn. "Wo ist, Kenny? Ich spüre das Amulett, aber nicht ihn." Sie klang beunruhigt.

"Keine Ahnung. Die Diebe haben ihn entführt. Wir sind jetzt dabei, herauszufinden, wo sie sind und wie sie organisiert sind."

Dizzy begriff sehr schnell. Statt sich aufzuregen, was eigentlich durchaus angebracht war, blieb sie ruhig. "Aha. Und wie kann ich dabei helfen?" Ihre Stimme klang zuckersüß.

"Die Karte."

"Ihr seid langweilig!", maulte sie. "Du solltest besser aus dem Weg gehen, Sturmvogel, sonst hast du nachher Flüsse im Gesicht." Hiro wich sofort zurück und sie bekamen wieder das Schauspiel zu sehen, wie sich eine dreidimensionale Karte vor ihnen aufbaute. "Wenn das hilft, Kenny wieder zurückzubringen.", meinte Dizzy und ließ sich daneben auf einen holographischen Ast sinken. Sie war ebenso durchscheinend.
 

"Was...was ist das?", wollte Jonny fasziniert wissen und starrte die Karte an. Die Harpyie antwortete spitz: "Das ist nur ein dummes, kleines Tisetah, das..."

"Sei still, Dizzy. Er hat das nicht so gemeint.", unterbrach Kai grob und erklärte kurz den Sachverhalt wegen Dizzara im Spiegel. "Apropos.", murmelte er. "Olivier, kannst du da etwas dagegen machen?"

Olivier warf dem Spiegel einen abschätzenden Blick zu. "Klar. Das kann jeder Schüler."

"Echt?" Dizzy war begeistert von ihm. Sofort rauschte sie zu ihm herüber, so dass er erschrocken zurückfuhr.

"Äh...ja. Aber...aber ich brauch dazu einige Dinge."

"Kenny sollte sowieso dabei sein.", sagte Kai kühl. "Also hör auf, darauf zu hoffen, wir würden jetzt kostbare Zeit für ein Zauberkunststückchen verwenden." Dizzy warf ihm einen zornigen Blick zu, zog es aber vor zu schweigen und kehrte auf ihren Ast zurück.

"Das Hauptquartier ist hier.", erklärte Olivier und deutete auf den Punkt. "Es ist nur eine kleine Insel, aber Calaminus hat darin eine Art Höhlensystem gefunden, das die Alten anscheinend für denselben Zweck genutzt haben. Es ist aber weitläufig und führt auch zu einer alten, verlassenen Stadt in der Nähe. Dadurch könnte man es ungesehen betreten. In der Insel ist es nämlich mit Stahltüren gesichert."
 

"Das kenne ich doch.", murmelte Gaou und stand auf.

"Wie?", fragte Mao verwirrt.

"Wir waren da doch schon, Mao!", meinte der Große. "Weißt du nicht mehr? Die tote, verlassene Stadt. Das Tal mit den neuen Türen! Lee musste es doch alles unbedingt in seine Karte eintragen!"

Verwirrt sah sie ihn an, dann die Karte und schließlich schlug sie sich gegen die Stirn. "Na klar! Ich wusste doch, dass wir beobachtet wurden!"

"Wie? Heißt das, ihr wart da schon?!", wollte Jonny aufgekratzt wissen und rutschte auf seinem Platz hin und her.

"Ja. Wenn wir das gewusst hätten..."

"...wäret ihr jetzt wahrscheinlich tot.", knurrte Kai.

"Das stimmt.", räumte sie nüchtern ein. "Aber trotzdem! Gut, dass wir in der Stadt nicht gerastet haben!"

"Aber dafür im Tal."

"Ihr hattet ganz schön Glück."

"Wir haben es zu spät mitgekriegt.", warf Olivier ein. "Es gab zu der Zeit einige Probleme mit der Technik. Darum haben wir euch erst bemerkt, als ihr schon wieder aufgebrochen seid. Sonst würdet ihr wohl kaum hier sitzen."

"Hmhm.", machte Hiro und sagte dann zu Dizzy: "Streich mal Karja raus. Da ist niemand mehr." Sofort färbte sich die Stadt rot. "Die anderen außer uns sind alle gefangen und auf dem Weg ins Tal." Die meisten Namen auf der Karte verschwanden und tauchten in der Insel wieder auf. Dann sammelte Dizzy die Namen der Umsitzenden bei Sturmvogels Halle. "Du hast uns noch gar nicht gesagt, wie deine Freunde heißen.", sagte Hiro zu Kai und hob eines der schwarzen Bänder hoch. Knapp zählte Kai die Namen auf, die Dizzy gehorsam eintrug.
 

"Dann brauchen wir noch die Göttlichen.", erklärte Mao zufrieden. "Dafür haben wir den Pfeil." Sie holte ein eingewickeltes, längliches Päckchen aus der Tasche. "Mui hat ihn für uns gemacht."

"Zwei haben wir ja schon.", triumphierte Michael. "Kai und Rei. Da ist allerdings das Problem, dass Reis Amulett im Tal ist. Kai hat Dranzer ja."

"Und die anderen zwei? Der Drache und die Schildkröte? Das wird doch ewig dauern, bis wir die gefunden haben!", meinte Olivier besorgt. Zwischen seinen Brauen erschien eine steile Falte. "Ich meine, die können überall sein! Wer weiß, vielleicht haben die Diebe sie auch!"

"Das wäre doch toll.", versetzte Mao trocken. "Wir holen sie zusammen mit Driger zurück." Sie klang überaus optimistisch. Ihre goldenen Augen sprühten vor Tatendrang.

Kai starrte auf den Tisch und die verschiedenen Amulette, die darauf lagen. Irgendetwas störte ihn. Er wusste nicht was, aber am Rande seines Bewusstseins wollte etwas hinein, aber er konnte es nicht fassen. "Mao. Heb mal den Pfeil.", verlangte er und starrte weiterhin auf den Tisch.

"Wie? Warum?"

"Hn."

"Tu's einfach. Der hat immer gute Gründe." Mao zucket die Schultern und tat wie geheißen. Er zeigte auf Kai. "Er zeigt immer das, was am Nächsten ist. Aber eigentlich nur das, was wir nicht bereits wissen."

"Ja, Pfeil, wir wissen, dass Kai den Roten Phönix hat.", belehrte Jonny das Geschoss.
 

Kai schüttelte den Kopf und stand auf. "Was?", fragte Michael und folgte Kai, der einige Schritte zur Seite trat, mit den Blicken.

"Das Ding zeigt gar nicht auf mich.", erklärte der, denn der Pfeil hatte sich keinen Millimeter gerührt. "Sondern auf den Tisch."

"Den Tisch? Was soll da sein?"

Kai klaubte ein Amulett aus dem Haufen und warf es Gaou zu. Sofort schnellte der Pfeil herum. "Was...?", begann Jonny erstaunt.

Gaou hielt das schwarze und violette Amulett hoch. "Die Schildkröte.", las er vor. "Draciel."

"Und das ist der Drache.", bestimmte Kai und warf ein blaugrünes Amulett zu Mao. Der Pfeil deutete sofort auf die Hand, mit der sie es gefangen hatte.

"Takao und Max?", fragte Michael. "Das hätte ich nie gedacht!"

"Ich auch nicht." Maos triumphierender Jubelschrei ließ sie alle erschrocken zusammenzucken. Lachen tanzte sie um den Tisch. "Wir haben alle gefunden! Calaminus, du bist erledigt!"
 

~~~~~~~
 

Ich hoffe, ihr seid jetzt nicht zu verwirrt. Ich weiß, es steckt eine Menge Information drin, aber nicht alles ist unbedingt wichtig. v.v

So, das nächste Kapitel kommt wahrscheinlich irgendwann zwischen Weihnachten und Sylvester, also schreibt fleißig Kommis. ^^
 

In diesem Sinne: Frohes Fest! ^------------------^

Silberwölfin

Wieder vereint

Titel: Krieger, Magier und Diebe

Teil: 20/24

Autor: Lady Silverwolf

Anime: Beyblade

Warning: OOC

Disclaimer: Die Hauptcharaktere gehören nicht mir und ich verdiene kein Geld mit dieser Fanfic.
 

"..." reden

//...// denken
 

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So, ich hab ja versprochen, irgendwann zwischen Weihnachten und Sylvester, ist allerdings ein bisschen spät jetzt, oder? Egal, so wie das aussieht, ist das Kapitel sowieso heute noch oben, also kein Problem.
 

Ach ja, und für alle, die eine lebhafte Fantasie haben - ihr solltet sie jetzt vielleicht ausschalten, okay? Das Kapitel ist vielleicht nicht besonders appetitlich. Also, nicht alles genau vorstellen, ja?
 

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@ Spellmaster: Bin ich erleichtert, dass es nicht so schlecht ist. Theoretisch ist hier wohl der richtige Ausdruck. ^^
 

@ schwarzer_nebel: Der darf ruhig auch mal lachen. *Kai pat* Muss ja nicht immer der Griesgram sein. ^.^

Ja, ich schreib noch 'n paar andere Sachen.

Thief's Pride kennst du schon, oder hab ich da was falsch im Kopf? Dann gibt's noch die Fortsetzung dazu, The Thief And The Wolf. Das ist auch etwas länger. Dann noch den Songfic-One-Shot Lügen. Mein neuestes Projekt Sacrificed Sacrament - Sacrilegious Nights, unterscheidet sich aber grundlegend von dem Rest. Und natürlich mein Großprojekt Feuermond <--- Dafür brauchst du viel Zeit. Außerdem zwei YGO-FFs und noch eine über Geister(Zweite Seele, Spiel der Götter und Die Geister von Sankt Michael) Keine Ahnung, ob dich das interessiert, schau doch einfach mal rein.
 

@ Sesshi-Chan: Aufregung bekommst du in diesem Kapitel genug, würd ich sagen. *drop* Die Hälfe von den Infos ist auch (eigentlich) unwichtig.

Ja, Kai der Eisklotz. Der darf auch mal lachen! Warum sollten die sich plötzlich ändern? Oo

Ob die Pläne aufgehen? Tjaaaa... Ich denke, der Titel des Kappis sagt genug.
 

@ are: Das würde Olivier ja auch töten. Ich dachte, bei der Theorie musste irgendwas rein, was die Sache auflockert. Da kam mir Jonny gerade recht. *g* Zu Kai sag ich jetzt gar nichts.

Diese Szene mit Yuriy und Co. hab ich nur eingefügt, weil ich die Erschaffungsstory nicht noch einmal erzählen wollte. Außerdem wusste ich nicht, wie ich sie strecken sollte und das Kapitel war sowieso viel zu lang. Da hab ich's dabei belassen.

Seijo war der Dorfälteste, der ihnen den Auftrag gegeben hat. Meine Tante meint, ich soll ihn rausstreichen, weil er unnötig ist und ich glaube, sie hat recht. *drop* Ursprünglich hatte ich noch ein wenig mehr mit ihm vor.

Inzwischen hab ich noch 'ne vierte on, aber das ist was anderes. >> Ich hals mir viel zu viel Arbeit auf und das kurz vor dem Abi. Ich hab sie nich mehr alle.
 

**
 

~~~~~~~
 

Wieder vereint
 

"Hier waren wir doch schon mal.", meinte Rei nachdenklich und sah sich zum wiederholten Male um.

"Keine Ahnung!", grummelte Lee. "Hier sieht doch alles gleich aus!"

"Wir sind doch nicht im Kreis gelaufen!", meinte Takao erbost. "Sonst wäre Jacques das ja auch! Und der kennt sich hier ja aus."

"Na, hoffentlich.", brummte Sergej.

"Nein, nein. Das meine ich doch gar nicht. Lee, wir haben doch schon mal in einer Insel gerastet. Kurz bevor wir auf Caras gestoßen sind. War das nicht hier in der Nähe?"

"Keine Ahnung.", wiederholte Lee.

"Das würde aber passen! Die neuen Türen, denk doch mal daran!" Rei sprang auf und ignorierte die Verwirrung der Umsitzenden. Sie hatten sich in einer kleinen Senke versammelt. Ein paar saßen auf den Felsen Wache. Jacques hatte in einiger Entfernung Rast gemacht und sie hatten sich so nahe herangewagt wie nur möglich.

Sie wussten nicht, wie lange es noch dauern würde, aber über kurz oder lang würde Jacques sie entdecken oder sie ihn verlieren. Denn die Wüste bot kaum Deckung und es war ein Wunder, dass sie ihm drei Tage lang hatten folgen können. Drei Tage, die nicht besonders gemütlich gewesen waren. Zwar hatte Robert Proviant und Decken für sie besorgt, aber sie hatten nicht genug Vorräte, um sie zu verschwenden und die Nächte in der Wüste waren trotz Decken und Umhängen kalt.
 

"Wir wissen aber nicht, ob das wirklich das Ziel von denen.", erklärte Lee. "Und wir können nicht riskieren, uns zu irren."

Rei schüttelte den Kopf und wollte etwas antworten, als Bryan sich vernehmen ließ: "Sie brechen auf." Sofort war alles auf den Beinen. Rei kletterte an den Felsen hoch und späht über die Kante. Tatsächlich herrschte in Jacques' Lager reges Treiben. Kurz darauf setzte sich die Gruppe in Bewegung.

"Los geht's!", flüstere Lee, als auch der Letzte hinter einer Felswand verschwunden war.

"Wir sollten uns beeilen. Sonst sind sie weg, ehe wir aufgeholt haben.", murmelte Rei und tatsächlich war Jacques mit seinen Leuten schon nicht mehr zu sehen.

"Die holen wir noch ein.", bestimmte Takao abenteuerlustig. Ein unterdrücktes Niesen ließ alle herumfahren. Der blauhaarige Junge stolperte zurück und über einen Stein, was ihn auf den Hosenboden setzte. Das rettete ihm das Leben. Knapp über seinem Kopf zischte ein Pfeil vorbei und fiel klappernd auf die Steine.
 

"Verdammt!", knirschte Bryan, jemand schrie auf. //Ein Hinterhalt!//, schoss es Yuriy durch den Kopf, während sein Körper sich längst in Bewegung gesetzt hatte. Dann war alles Chaos. Gebrüll, der durchdringende Schrei Griffolyons und das Rauschen seiner mächtigen Schwingen, Waffen, die klirrend aufeinander schlugen, Schreie und Rufe, schwere, stampfende Schritte.

Yuriy schob alles von sich, dafür war jetzt kein Platz. Die anderen würden schon zurecht kommen - oder eben nicht. Das war jetzt ganz egal. Mit ein paar Griffen und Sprüngen hatte er die Felswand erklommen und stand kurz darauf einem bewaffneten Krieger gegenüber. Dessen Augen weiteten sich entsetzt, als er den Bruchteil einer Sekunde später einen Dolch auf sich zurasen sah. Er gab einen seltsamen Laut von sich, als die Klinge seine Kehle aufschlitzte, dann entwand Yuriy der kraftlosen Hand das Schwert.

Hinter den Felsen war viel Platz für einen Kampf und den würde er auch brauchen. Mehrere Männer kamen auf ihn zugestürzt, hinter sich hörte er Kampflärm, sein Kopf dröhnte, das Blut rauschte ihm in den Ohren. Immer noch Chaos überall, auch sein Körper spielte verrückt, reagierte viel zu schnell, viel zu sicher.
 

Aber Yuriy störte das nicht. Das Einzige, was ihn interessierte, war die Gelegenheit zum Kampf. All seine Wut wegen Kais Tod, seinen Hass auf Jacques den Mörder, seine Verzweiflung wegen dem Verlust von Kai legte er in den Kampf, die Klingen in seinen Händen waren seine Sprache, die einzige Handschrift, die sie kannten, war der Tod und die Tinte das Blut der Feinde.

Männer fielen unter seiner Raserei, starben, wurden tödlich verletzt - es kümmerte ihn nicht. Er hatte die Möglichkeit sich auszutoben, seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Anders...anders hatte er es nie gelernt. Er hätte so gern geweint, wie es die Anderen gemacht hatten, aber die einzige Befreiung von der Verzweiflung über Kais Tod konnte er so zum Ausdruck bringen.

Yuriy schüttelte sich, aber er wurde das Rauschen nicht los. Er fühlte sich sonderbar, stark, mächtig, unbesiegbar. Seine Lippen verzogen sich zu einem irren Grinsen, als er die Leichen um sich betrachtete und weitere Krieger, die auf ihn zukam. Mit einem lauten, verzweifelten Auflachen stürzte er sich in den Kampf.

Wo war Jacques? Er würde sterben, er würde leiden! Für Kai! Es dauerte einen Augenblick, dann entdeckte er ihn, zwischen seinen Kriegern, mit einem Schwert in der Hand. Yuriy bemerkte, begriff nichts mehr um sich herum, das Einzige, was noch wichtig war, war Jacques, der jetzt langsam auf ihn zukam. Yuriy stürmte ihm entgegen, niemand konnte ihn aufhalten. Dann wurde alles rot um ihn.
 


 


 

"Verdammt!", fluchte Takao und sprang wieder auf um hinter einigen Felsen Deckung zu suchen. Aber das brachte nicht viel, denn die Feinde waren überall. Fluchend zerrte er sein Schwert aus der Scheide und sah sich hastig um. Aber da war nichts, den er angreifen könnte!

Über sich bemerkt er einen dunklen Schatten und warf sich hastig zur Seite. Etwas Schweres traf ihn an der Hüfte und riss ihn der Länge nach hin. Fluchend trat er das Etwas weg und rappelte sich auf. Keinen Moment zu früh, denn plötzlich hatte er genug Gegner um sich herum.

Die ersten Schwerthiebe wehrte er mit Leichtigkeit ab. Anscheinend nahmen die Söldner ihn nicht für ganz. Aber das war er - als Schüler seines Großvaters - sicher nicht. Aber wirklich ausprobiert hatte er seine Künste nie. Heute, jetzt war sein erster richtiger Kampf. Jetzt würde sich herausstellen, ob er wirklich etwas gelernt hatte. Jetzt würde sich herausstellen, ob er töten konnte, was Kai des öfteren bezweifelt hatte.

Der Gedanke an Kai schmerzte und ließ seine Wut aufflammen. Er würde töten. Hier und jetzt. Mit einem Aufschrei griff er an. Der Mann vor ihm riss erstaunt die Augen auf, wehrte die ersten Schläge hastig ab und kam aus dem Takt. Er schrie auf, als Takaos Klinge seine Rüstung durchschlug und sich in das weiche Fleisch darunter grub. Der Junge riss sein Schwert hoch, dann spürte er, wie der Mann zusammensackte.
 

Rasch sprang er nach vorn um sich die anderen Krieger vom Leib zu halten und drehte sich um. Er hatte jetzt die Felswand im Rücken. Besser als einen Feind. Die Männer standen um ihn herum. Dort, wo er voher noch gestanden hatte, lag ein großes Netz. Natürlich. Sie brauchten die Hatesit doch lebend. Sonst wären die Amulette vollkommen nutzlos.

Beide Hände am Schwertgriff, leicht zitternd, aber beherrscht sah Takao den Männern entgegen, die einen kurzen Augenblick auf ihren toten Kameraden sahen und sich dann ihm zuwandten. Noch einmal würde er keinen von ihnen so leicht überwältigen können. Sie hatten ihn einfach unterschätzt. Jetzt waren sie vorsichtiger, weil sie wussten, dass er etwas konnte.

Nervös leckte er sich über die Lippen und suchte einen festeren Stand. Einen Moment wünschte er sich sein eigenes Schwert, die Klinge seines Großvaters, aber er wusste, dass er sie nicht bekommen konnte. Später konnte er sich darum kümmern - wenn er das hier überlebte. Für jetzt musste Roberts Klinge ihm reichen.
 

Die nächsten Schläge waren schwieriger zum Abwehren. Takao keuchte. Er wusste, dass er eigentlich keine Chance hatte. Die Männer vor ihm waren in der Überzahl und außerdem erfahrener als er. Sie waren immerhin richtige Söldner, die Jahre in der Wüste überlebt hatten, während er in Nijan ein mehr oder weniger behütetes Leben geführt hatte.

Einmal spürte er kurz einen stechenden Schmerz im Oberschenkel, aber er hatte nicht die Zeit, darauf zu achten. Trotzdem fühlte er, wie er immer schwächer wurde. Lee war es, der ihn aus der Misere holte. Plötzlich war er da, mit einem lauten Schrei, schwang den Speer, den er von Robert bekommen hatte, wie eine Peitsche durch die Luft und drosch mit ihm auf die Gegner ein.

Die Männer wichen zurück, so dass Takao und Lee eine kurze Verschnaufpause erhielten. "Geht es dir gut?", wollte Lee wissen.

Der Jüngere keuchte und nickte, tastete dabei aber nach der blutenden Wunde in seinem Oberschenkel. "Ja.", antwortete er. "Mehr oder weniger."

"Gut." Lee sah sich die Gegner kurz an, während Takao seine Aufmerksamkeit ihren Freunden zuwandte. Sergej war nur wenige Meter von ihnen entfernt und schwang eine riesige Doppelaxt wie einen dünnen Ast über den Kopf. Die Krieger hielten sich von ihm fern. Bryan und Ivan standen Rücken an Rücken auf der Mitte des Platzes. Neben ihnen lagen die Fetzen eines zerhackten Netzes. Bryan blutete aus einer Wunde an der Seite, Ivan lief das Blut über das Gesicht. Robert und Griffolyon waren mit einigen Magiern beschäftigt und hielt diese so von den Anderen fern. Rei kämpfte mit einem Netz, das ihn zu Boden geworden hatte. Ob er sich noch befreien konnte? Yuriy war nirgends zu sehen.
 

"Achtung. Es geht wieder los!" Takao nickte tapfer und hob die Waffe. Ob sie das wirklich überleben konnten? Die Gegner waren zahlenmäßig weit in der Überzahl, außerdem waren unter ihnen Magier, während sie zwar alle bis auf Takao erfahrene und gut ausgebildete Krieger waren, aber auf die Hilfe ihrer Tisetah verzichten mussten, da nur Robert sein Amulett hatte. Und der Greif konnte auch nicht mit allen Zauberern fertig werden.

"Verdammt!", fluchte Lee und schwang seinen Speer. Der Hieb schleuderte einen der Männer direkt in Takaos Schwert. Der Junge schüttelte sich und hob die Waffe schnell wieder um einen Schlag abzuwehren. Nie hatte er sich so sehr Dragoon zur Seite gewünscht. Er wollte nicht sterben, nicht hier, nicht von diesen Männern getötet und vor allem nicht jetzt. Er hatte doch noch so viel vor! Er wollte seinen Großvater wieder sehen, Hitoshi, Hilary, Judy, Mikako...Nijan. Er wollte Dragoon besser kennen lernen. Er wollte...

Geschockt riss er die Augen auf als er jemanden bemerkte, der keine fünf Meter von ihm entfernt stand. Toki ,Feuerstern' Fuma aus Nijan. Er wollte - Toki töten. Toki, der nur wenige Meter von ihm entfernt war. Jetzt. Sofort. Ohne auf seine Feinde zu achten, ohne sich weiter um Lee zu kümmern, stürmte er los.
 

Der Magierschüler bemerkte ihn erst, als es beinahe zu spät war. Er fuhr blitzschnell herum - und riss entsetzt die Augen auf, als er das Schwert auf sich zurasen sah. Mit einem Aufschrei warf er sich zurück und konnte so verhindern, dass die Klinge ihn vom Hals bis zum Unterleib aufschlitzte. Trotzdem hatte er jetzt einen langen Riss in der Robe und die Spitze des Schwertes war rot. Takao grinste und ging in Kampfstellung.

Toki starrte ihn entsetzt an und tastete nach der Verletzung. "Du...du...aber...ich...du...", stotterte er, dann flammte plötzlich Wut in seinen Augen auf. "Wie kannst du es wagen?!"

Takao grinste nur noch breiter. "Komm, Feuerstern, ich töte dich!"

Der Magier lachte kurz auf. "Das glaubst auch nur du!" Er krümmte die Hände zu Klauen und zwischen seinen Fingern bildete sich ein grell leuchtender Ball. "Ich habe viel gelernt seit unserem letzten Kampf! Und jetzt sind nur wir zwei da! Kein Tisetah, das sich einmischen kann!"

Takao antwortete nicht, sondern stürzte nach vorn. Toki duckte sich unter seinem Schlag weg und sprang zurück, dann riss er seine Hände hoch. Nur knapp konnte Takao dem grellen Lichtball entkommen, der seine rechte Schulter streifte und eine schmerzhafte Brandwunde zurückließ.
 

Doch er störte sich nicht daran und griff weiter an. Wütend und entschlossen. Er wollte Toki töten, seinen Zorn und seine Trauer über Kais Tod an ihm auslassen. Irgendwo mussten diese Gefühle hin, raus aus ihm, sonst würden sie ihn umbringen. Mit blitzenden Augen schwang er sein Schwert. Es prallte wirkungslos an Tokis magischem Schild ab. Aber er hieb wieder zu und wieder. Hin und wieder duckte sich der Magier oder wehrte mit einem Dolch ab, meistens aber nutzte er den Magieschild.

"Lass das, du Feigling!", brüllte Takao ihn an. "Kämpf mit mir! Schwächling!" Die Wut und der Hass in seiner Stimme ließen ihn selbst erschaudern, aber Toki sah man es an, dass ihm diese Gefühle und Takaos wilde Angriffe Angst machten. Er schaffte es einfach nicht, einen größeren Zauber zu schaffen. "Wehr dich, Feigling!"

Takao wurde immer wütender. Er konnte nicht kämpfen, weil Toki sich hinter seiner Mauer versteckte, aber angreifen tat dieser auch nicht. So jagte er den Magieschüler vor sich her, bis diesen plötzlich die Wut packte. Knurrend zwang er sich zur Konzentration und formte einen weiteren grellen Ball zwischen den Fingern.

Doch Takao wich diesmal geschickter aus, so dass er sich nicht einmal mehr eine Verbrennung zuzog. Dafür fühlte er etwas anderes. Seine rechter Arm war taub. Und diese Gefühllosigkeit breitete sich langsam über seine gesamte rechte Körperhälfte aus. Er wechselte die Hände am Griff und Toki nahm es mit einem zufriedenen Grinsen auf. "Was ist? Kannst du nicht mehr?", spottete er.
 

Takao hielt inne. "Dich kann ich immer töten.", murrte er.

"Ach ja? Wie wär's dann damit?" Mit einer blitzschnellen Bewegung hob der Magier die Hand und schleuderte einen kleinen, schwarzen Ball auf Takao. Dieser reagierte instinktiv und schlug mit dem Schwert dagegen. Der Ball hüpfte zurück. Toki duckte sich, aber er hatte erreicht, was er wollte, Takao für einen Moment abgelenkt. Geschickt beendete er die komplizierten Fingersymbole und streckte beide Hände aus. Aus seinen Fingerspitzen schossen dünne, rote Lichtbänder, die in den Augen brannten.

Mit entsetzt aufgerissenen Augen warf sich Takao beiseite, aber zu spät. Die Lichtbänder packten ihn und wickelten sich um ihn. Er fühlte sich, als würde er in Flammen stehen oder mit Säure übergossen werden. Es schmerzte, als würde er von Tausenden glühenden Nadeln gestochen oder das erhitzte Messer seine Haut aufschlitzten. Er schrie.

Toki grinste wie wahnsinnig und verstärkte seine Bemühungen. Der Schmerz wurde stärker. Takao schrie lauter. Es sollte aufhören! Aufhören! Beinahe hätte er es hinausgeschrieen, aber seine Lippen konnten keine Worte mehr formen und so kam nur ein klägliches Jaulen aus seinem Mund.
 

Aber da war noch etwas anderes als Qual. Erst war es klein, aber es wuchs schnell an. Und es trug den Namen Zorn. Warum quälte Toki ihn? Reichte es ihm nicht, ihn zu besiegen und töten zu können? Musste er ihn vorher noch quälen und demütigen?

"Angriff ist die beste Verteidigung.", hörte er plötzlich seinen Großvater.

"Pack das Übel an der Wurzel." Das hatte Kai einmal zu ihm gesagt.

Takao fragte sich, wie er jetzt - jetzt, wo er sich vor Schmerzen wand - danach handeln konnte. Es gab keine Antwort darauf, aber dennoch tat er es. Er stürzte vor, obwohl er sich lieber auf dem Boden gewälzt hatte. Toki sah ihn verwirrt an, wusste nicht, was sein Gegner tat, begriff es nicht. Wie konnte sich jemand, der von diesem Zauber getroffen worden war, noch bewegen?

Verwundert sah er Takao entgegen, der mit aller Kraft sein Schwert hob und es Toki in die Brust rammte, bis das Heft gegen den Körper stieß. Beinahe sofort lösten sich die roten Fesseln auf und der Schmerz klang langsam ab. Keuchend blieb Takao stehen. Das Nächste, was er sah, war ein Netz, das ihn zu Boden warf. Verdutzt schrie er auf und zappelte, was ihn noch mehr in die Maschen verstrickte.
 


 


 

"Hey, hey, hört ihr das?", wollte Mao plötzlich wissen und legte den Kopf schief.

"Was?", fragte Jonny.

"Ich höre es.", erklärte Gaou.

"Wo?", wollte Kai wissen und sah sich um. Sie hatten das Tal schon beinahe erreicht. Um sie herum erstreckte sich die Wüste, durchsetzt von riesigen Felsen und Steinen, die nicht selten lange Mauern bildeten. Er hörte nichts bis auf den Wind, der um die Felsen pfiff, und das Schnauben und Hufescharren der Pferde. Sie waren geritten, sie hatten ja genug Tiere. Funkenstern schlug nervös mit dem Schwanz.

Mao deutete in die entsprechende Richtung. In der Ferne, einige Hundert Meter entfernt, erhob sich eine Anhöhe. Kai kniff die Augen zusammen; war da nicht jemand? Er konnte kaum mehr als tanzende Schatten erkennen.

"Da ist wer.", murmelte Gaou. Plötzlich stob eine riesige Gestalt in den Himmel. War das ein geflügelter Löwe?

"Ein Hatesit!", rief Michael und Jonny murmelte ungläubig: "Griffolyon?!" Dann spornte er Nachtgeflüster an. "Na los! Worauf wartet ihr?" Sie folgten. War da jemand mit Jacques aneinander geraten? Es würde Kai nicht verwundern.
 

Die Hufe trommelten in schnellem Takt auf den harten Boden und bald konnte Kai erkennen, dass da wirklich Leute kämpften. Wer gegen wen? Es lagen bereits einige Leichen auf dem Boden, die übriggebliebenen Krieger - nicht sehr viele - griffen alle eine Person an. Waren dessen Begleiter bereits alle tot?

Es würde wohl nur noch eine Frage der Zeit sein, bis der einzelne Kämpfer fiel. Und diesen Kämpfer...erkannte Kai, als er näher kam. Er wusste genau, wer es war. "Yuriy!" Mit einem Schrei trieb er Funkenstern noch mehr an, so dass sie einen Satz machte und beinahe in doppelter Geschwindigkeit weitergaloppierte.

Hinter sich hörte er die Rufe seiner Begleiter, aber er ignorierte sie. Yuriy war jetzt wichtiger. Aber noch während er nach seiner Armbrust griff, bemerkte Kai, dass der Rothaarige gar keine Hilfe brauchte. Der Kampf vor ihm war gar kein richtiger Kampf. Es war eher...eine Metzelei. Seine Gegner hatten keine Chance gegen Yuriy, der scheinbar vollkommen durchgedreht war.

Er kämpfte wie in Raserei, sein Gesicht war zu einer grausamen, psychopathischen Maske verzerrt, seine Zähne in einem irren Grinsen gefletscht und auf seiner Stirn pochte eine Ader. Seine blutgetränkten Hände waren wie zu Klauen gekrümmt und er trug keine Waffen. Rotes Blut besudelte seine Kleidung und sein Gesicht und ließ ihn wie eine Bestie wirken. Eine Bestie, die er in diesem Augenblick wohl wirklich war.
 

Wie konnte das sein?! Wie konnte der sonst so beherrschte und kaltblütige Yuriy so ausrasten?! Was hatte...was hatten sie in der Abtei mit ihm angestellt?! Hastig zügelte er Funkenstern, so dass sie einige Meter von dem Kampfplatz entfernt zum Stehen kam. Die Stute schnaubte unruhig und scharrte mit den Hufen. Am liebsten wäre sie so weit und schnell wie möglich von hier weggelaufen, dass merkte Kai, aber er hatte sie nicht umsonst von Varaconn gekauft. Sie würde ihm gehorchen und bleiben. Er selbst verspürte den gleichen Drang wie sie. Aber er konnte jetzt nicht her weg. Yuriy war da vorne... und hatte sich in einen tollwütigen Wolf verwandelt.

Den Männern um ihn herum standen die Panik und das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Aber weglaufen kam für sie nicht in Frage. Wer es versuchte, war schon so gut wie tot. Das bewiesen die Leichen, die um Yuriy herum auf dem blutgetränkten Boden lagen, rot von ihrem eigenen Blut und mit zerschmetterten, verrenkten Gliedern.

Jemand...jemand musste Yuriy aufhalten. Jetzt...jetzt sofort, sonst würde er alle töten, die in seine Nähe kamen. "Yuriy!" Kai sprang aus dem Sattel. Der Rothaarige reagierte jedoch nicht auf seinen Ruf. "Yuriy!" Lauter diesmal. Aber noch immer tobte der Kampf weiter. Ein Söldner mehr sackte auf dem roten, rutschigen Boden zusammen, das Genick unnatürlich verdreht.
 

Kai zuckte zusammen, als ein weiterer Knochen mit einem ekelerregenden Laut brach. Der Mann schrie auf und wurde herumgeschleudert. Kai erkannte ihn sofort. Es war Jacques. Seine Nase war gebrochen und auf seiner Wange prangte ein violett schillernder Fleck. Einige seiner Zähne fehlten und er hielt sich den Arm, den Yuriy soeben zermalmt hatte. Dieser kümmerte sich im Moment nicht sonderlich um den Wissenschaftler, sondern stürzte auf den nächsten Mann zu.

Hinter sich hörte Kai Pferdehufe und Maos entsetzte Stimme: "Bei den Göttlichen..." Die Anderen sagten gar nichts. Er drehte sich um und zog einen Beutel aus seinem Hemd hervor, den er Michael zuwarf. "Die Amulette.", sagte er knapp. "Ich denke, die anderen sind da unten. Helft ihnen! Ich kümmere mich darum." Mit einem Wink deutete er auf den Schlachtplatz. Sofort kam Bewegung in die Hatesit. Sie sprangen von ihren Pferden und stürzten in angemessener Entfernung an Yuriy und seinen Gegnern vorbei um zwischen den Felsen zu verschwinden.

Kai sah wieder zu Yuriy. Er brauchte jetzt Zeit, um zu dem Rothaarigen vorzudringen, der noch immer vollkommen in seiner Raserei gefangen war. Die Söldner, die dieser tötete, ließen Kai kalt. Sie waren sowieso Feinde. Yuriy war jetzt wichtiger. Kai trat einige Schritte vor, dass er kurz neben Jacques zum Stehen kam.
 

Gerade wollte er weiter, als der Mann neben ihm einen unterdrückten Laut ausstieß. Verdutzt blickte er nach unten. Sterndeuter starrte ihn aus weitaufgerissenen, entsetzten Augen an. In ihnen erkannte Kai pure Angst. Angst vor dem Tod. Angst vor ihm, Kai. "Du...!", wisperte Jacques und seine Stimme war nicht mehr als ein Hauch. "Du...bist tot. Bist du gekommen, um mich zu verhöhnen?"

Kalt blickte Kai auf ihn hinunter. Dann begriff er, was Jacques meinte. Sterndeuter wusste nicht, dass er wieder lebte und warum er wieder lebte. Anscheinend hielt er ihn für eine Art Vision; gekommen um ihn auszulachen, so kurz nach dem eigenen Tod. Kai ging neben ihm in die Hocke. "Nein.", antwortete er kühl. Im Moment empfand er nichts für Jacques. Keinen Hass mehr, er war wie weggeweht. Nicht einmal mehr Abneigung. Er spürte auch keinerlei Angst mehr vor ihm. Aber es war auch kein Mitleid da. "Ich bin da, um Yuriy zurückzuholen. Ich lebe, aber du wirst hier sterben. Wenn du Azrael triffst, dann sage ihm, dass ich noch immer die Wahrheit und die Lüge sehe."

Jacques starrte ihn verwirrt an. Kai erhob sich wieder und drehte sich zu Yuriy um. Dieser hatte sich gerade über einen Krieger gebeugt und schlug mit geballter Faust auf ihn ein. Kai hörte Knochen brechen. Der Mann spukte Blut. "Yuriy.", sagte Kai und trat näher. "Yuriy." Dessen Opfer sackte leblos zusammen.
 

Jetzt waren sie nur noch zu dritt. Yuriy, Kai und Jacques, der noch immer am Boden lag und leise wimmerte. Der Rothaarige fuhr herum, auf der Suche nach einem neuen Opfer. Aber da war keines mehr.

"Yuriy." Bis auf Kai. Ein heiseres Knurren entwich Yuriys Kehle und er duckte sich, um zum Sprung anzusetzen. Seine Pupillen waren zusammengezogen, so dass man beinahe nur noch das Weiße sehen konnte.

"Yuriy. Hör auf damit." Die leise, sanfte Stimme irritierte ihn. Wer...war das? Hatte der keine Angst wie die Anderen? Er roch nichts, spürte nichts, nicht die Angrifflust wie bei den Anderen, nicht diese schreckliche Panik.

"Yuriy. Schau mich an. Erkennst du mich nicht?" Nur Wärme war in der Stimme. Zuneigung. Etwas, das stärker und tiefer war. Yuriy richtete sich wieder halb auf. Wer...? Er kannte die Stimme. Kai legte den Kopf schief und wiederholte den Namen. Mit Erleichterung bemerkter er die Veränderung in der Haltung des Anderen und wie sein Blick sich langsam wieder klärte. Bald konnte er das Eisblau wieder erkennen. "Yuriy?", fragte er leise.
 

Der Angesprochene blinzelte. "...Kai?" Ungläubig starrte er den Rotäugigen an. "Aber...Kai?"

"Ja, Yuriy. Ich bin es wirklich."

"Aber...du...bist doch tot?"

"Nein. Ich lebe. Dranzer hat mir geholfen."

"Kai?" Vorsichtig trat Yuriy näher, bis er nur noch einen Schritt von Kai entfernt stand. Dieser sah ihm ruhig entgegen. In den blauen Augen stand noch immer Unglauben, aber auch Hoffnung und etwas anderes, das Kai nicht deuten konnte und das er noch nie bei jemandem gesehen hatte, am allerwenigsten bei Yuriy. Es ließ den sonst so eisigen Blick freundlicher wirken und von Innen heraus leuchten.

Vorsichtig hob der Rothaarige die Hand. Seine Finger zitterten, als er Kai an der Wange berührte. Kai erschauderte unter der sanften Berührung, aber er ließ Yuriy gewähren. Yuriy brauchte das jetzt. Denn im Gegensatz zu den Anderen war er bei Kais Tod dabei gewesen. Hatte ihn sogar in den Armen gehalten! Seinen letzten Atemzug gefühlt.

Die Anderen - Michael, Jonny, Hiro, Gaou, Mao und Olivier - hatten schließlich nur von seinem Tod gehört. Zeo dagegen, der ebenfalls dabei gewesen war, war ja vor Angst beinahe umgekommen.
 

"Kai?" Kai nickte und gestattete sich ein leises Lächeln. Yuriy sah ihn ungläubig an und nahm seine zweite Hand zu Hilfe, um sich zu vergewissern, dass Kai tatsächlich vor ihm stand und keine Illusion war. Einen Moment später wurde Kai in eine grobe Umarmung gerissen, die ihm die Luft abschnürte und beinahe die Rippen brach. Glücklich erwiderte er sie einen Augenblick.

"Yuriy,...du erdrückst mich.", keuchte er schließlich. Yuriy ließ ihn sofort los, nur um den Vorgang zu wiederholen. Kai wusste nicht, ob er sich darüber freuen oder es bedauern sollte, dass Yuriy so kräftig war. Er vergrub den Kopf in Yuriys Schulter und presste den Größeren an sich, der ihn nicht mehr loslassen wollte.

Ein Ächzen riss sie in die Gegenwart zurück. Hastig fuhren sie herum. Jacques starrte sie an. Er hatte sich wieder erhoben, taumelte jedoch noch und hielt sich den Arm. Sein Gesicht war blutverschmiert und seine Augen noch immer weit aufgerissen. Sie wirkten wie schwarze Abgründe, bodenlos und voller Angst.

"Du...!", knurrte Yuriy wütend. "Warum bist du noch nicht tot?"

"Du hast nicht fest genug zugeschlagen.", sagte Kai sachlich und griff nach einem Dolch.

"Nein. Er soll von sich aus verrecken!"

"Diesen Gefallen wird er dir nicht tun."
 

Yuriy hielt seine Hand fest, mit der er den Dolch ziehen wollte. "Lass. Ich mache das. Der verdient nicht, dass du das tust. Außerdem habe ich es dir doch versprochen."

"Was?" Kai ließ die Hand wieder sinken und der Rothaarige zog den Dolch. Einen Moment starrte er die Waffe verwirrt an. "Wo hast du den wieder her? Ich dachte..."

"Das erzählen wir dir später. Jetzt beeil dich, da unten sind noch mehr." Kai deutete mit dem Daumen zu den Felsen, hinter denen es allerdings verdächtig still war. Nur über ihnen am Himmel kreiste Trygle, der goldene Adler des Himmelskönigs, und der blaurote Greif mit den weißen Schwingen, den Jonny Griffolyon genannt hatte.

"Ich glaube nicht, dass die noch unsere Hilfe brauchen, aber warte kurz." Mit einem hässlichen Grinsen im Gesicht trat Yuriy auf Jacques zu, der entsetzt zurückstolperte. Dieses Grinsen erinnerte ihn doch sehr an den psychopathischen Gesichtsausdruck, den Yuriy noch vor kurzem zur Schau getragen hatte.

Kai starrte Sterndeuter einen Moment kalt an, dann wandte er sich ab und ging zu den Pferden. Jacques verdiente es nicht, dass er bei seinem jämmerlichen Tod zusah. Kurz strich er Funkenglanz über die samtigen Nüstern, dann nahm er ihre Zügel und führte sie zu den anderen Tieren. Hinter sich vernahm er einige Geräusche, die ganz genau sagten, was gerade geschah. Kai hörte nicht zu, sondern fing die anderen Pferde ein, dann ging er zu Yuriy zurück.
 

Jacques Leiche lag vor ihm am Boden. Grinsend schob der Rothaarige den wieder sauberen Dolch in die dazugehörige Scheide zurück. "Da hinten geht's runter." Er deutete auf den Weg. "Komm."

"Warte. Ich habe noch etwas für dich."

"Hm?" Verwundert sah Yuriy ihn an.

Kai lächelte leicht und zog etwas aus seiner Tasche hervor. "Hier. Ich glaube, du brauchst das noch."

"Wolborg!" Die Freude in Yuriys Stimme war unmöglich zu überhören. Breit grinsend nahm er das schwarze Halsband entgegen und strich mit den Fingern über das weißblaue Amulett. "Wolborg. Mein Wolf." Einen Moment hielt er inne, dann sah er Kai an. "Was ist mit...Dranzer?"

"Ich habe sie." Ohne ein weiteres Wort machte sich Kai mit den Pferden an den Zügeln auf um sich zu den Anderen zu gesellen. Yuriy folgte einen Moment später.
 


 


 

"Verdammt!", fluchte Takao und starrte angsterfüllt den Mann an, der das Netz geworfen hatte und jetzt auf ihn zukam. Er würde ihn sicher verschnüren wie ein Pack, so dass er sich nicht mehr rühren konnte! Takao zappelte noch mehr, was ihn jedoch nicht mehr Raum verschaffte, sondern im Gegenteil ihn noch mehr einwickelte.

"Hat keinen Sinn, Junge. Du kommst hier nicht weg." Wütend starrte Takao den Mann an. Dann hörte er einen lauten Schrei, der Krieger wurde umgeworfen und auf seinem Körper hockte plötzlich ein bewaffneter Junge. Sein Schwert steckte in der Brust des Mannes. Mit einem Ruck stand er wieder auf und drehte sich zu Takao um, das blutige Schwert in der Hand. Seine wilden, roten Haare wurden von einem breiten, blauen Tuch gebändigt und seine violetten Augen funkelten. Er grinste auf Takao hinunter. "Tag, Kleiner. Wie geht's denn so?"

Verdutzt und wütend starrte Takao zurück und zappelte weiter. "Halt still." Kaum war der Blauhaarige der Aufforderung nachgekommen, zuckte das Schwert des Anderen vor und durchtrennte die Schnüre des Netzes. Der Rothaarige half ihm auf und klopfte ihn ab. "Alles klar?"

"Wie...was...? Wer bist du?"
 

Der Andere hatte sich schon umgewandt und winkte ab. "Später, Kleiner. Jetzt gibt es erst einmal ein paar Kämpfe zu bestreiten." Er drehte das Schwert kurz in der Hand, dann griff er an.

"Mach dir nichts draus, Takao. Der ist immer so."

Der Angesprochene fuhr herum und starrte in das grinsende Gesicht von... "Michael?!"

"Das ist mein Name. Ich freue mich auch, dich zu sehen, aber Jonny hat Recht, bevor wir einen kleinen Plausch halten können, müssen wir kämpfen. Trygle!" Über ihnen erschien ein riesiger, blauer Schatten, der rasch zu einem goldenen Adler wurde. Die mächtigen Schwingen peitschten die Luft. Sein Partner warf dem sprachlosen Jungen neben sich ein kleines Säckchen zu, der es instinktiv auffing. "Hier. Dein Amulett ist da drin. Und bleib hier, du bist verletzt!" Dann stürzte sich auch Michael in den Kampf.

Verwirrt starrte Takao ihm hinterher, ehe er sich des Säckchens in seinen Händen bewusst wurde. Oh ja, er wusste, dass Dragoons Amulett da drin war. Er fühlte es. Dragoon fühlte es auch und machte Radau. Der Drache wollte kämpfen. Takao würde ihn kämpfen lassen. Hastig kippte er den Inhalt des Beutels in seine Hand und pflückte sein eigenes Amulett heraus. Es war egal, wie Michael daran gekommen war. Das Einzige, was zählte, war, dass es da war. Takao stopfte die anderen Schmuckstücke wieder in den Beutel zurück, dann rief er Dragoon.
 

Der riesige Drache erschien sofort. Einen Moment bedauerte Takao, dass er Toki nicht von seinem Tisetah erledigen lassen konnte, aber so war es besser. Der Drache brüllte und sein Ruf wurde von anderen Tisetah erwidert. Dem Adler am Himmel, Roberts Greif, der etwas flügellahm neben seinem Herrn hockte, sich jetzt aber wieder in die Lüfte schwang, der großen Echse, die neben Jonny hockte und Feuer spie und damit das selbe Element wie Dranzer hatte, der großen, roten Raubkatze neben Lee, die zu dem Mädchen mit der wirbelnden Lanze gehören musste, dem blauen Bären, dessen Partner der zhaon'elische Riese sein musste, der gerade Rei befreite, und dem weißen Einhorn mit dem blaugoldenen Horn, dass neben einem schlanken, grünhaarigen Jungen stand, der die Söldner mehr zu erschrecken schien als die Anderen zusammen.

Der Rest des Kampfes war ein Kinderspiel. Es waren einfach nicht genug Männer, um die sechs Tisetah, ihre Partner und die anderen, durchaus gefährlichen Krieger besiegen zu können. Yuriy war noch immer nicht aufgetaucht. Wenn Takao sich recht erinnerte, hatte er den Blauäugigen während des gesamten Kampfes nicht gesehen. Aber das hatte nichts zu bedeuten.
 

Der rothaarige Fremde mit dem wilden Blick tätschelte gerade die Echse, die kurz darauf verschwand, und drehte sich um. Er grinste kurz in die Runde. "Seid ihr alle in Ordnung?", wollte Michael wissen. Takao nickte und taumelte. "Anscheinend nicht." Himmelskönig fing den Blauhaarigen auf, ehe er hinfiel. "Setz dich. Deine Hose ist schon rot vor lauter Blut und die Wunde an der Schulter sieht übel aus."

"Hey, hey, mir geht's gut."

"Das glaube ich nicht. Setz dich. Wir sollten die Pferde holen."

"He, du!", rief Lee plötzlich und marschierte auf den schmalen grünhaarigen Jungen zu, der gerade seine Waffe, einen riesigen Säbel, in die Scheide schob.

"Ja, bitte?", wollte er höflich von dem Zhaon'El wissen.

Dieser stellte sich vor ihn und betrachtete ihn stirnrunzelnd. Er war mindestens einen Kopf größer als der Fremde. "Ich kenne dich. Du gehörst doch zu den Dieben!"

Sofort änderte sich die Stimmung. Wie konnten Michael und seine Freunde, die ja alle Hatesit waren, einen Feind mitbringen?

"He, alles okay!", rief das Mädchen und sprang zwischen Lee und den Fremden. Sie legte dem Zhaon'El beide Hände auf die Brust und schob ihn sanft, aber bestimmt zurück. "Er ist kein Feind. Von ihm wissen wir erst, wo das Hauptquartier ist. Es stimmt, er hat für den Feind gearbeitet, aber jetzt gehört er zu uns."
 

Lee sah die Kleinere kurz an, dann blickte er zu dem Grünhaarigen und wieder zurück. "Warum? Mao, wer ist der Kerl? Kai hat gesagt, er sei ein Magier und..."

"Erlaubt, dass ich mich vorstelle.", bat der Fremde mit sicherer Stimme.

Lee verstummte und sah ihn an. "Ja?"

"Mein Name ist Olivier LesDemondes und, ja, es stimmt ich bin ein Magier." Einen Moment herrschte Stille. Takao sah den Jungen verdutzt an, dann zu dem Mädchen, zu Michael und dem großen Zhaon'El neben Rei, schließlich zu dem rothaarigen Fremden, der breit grinste und wirkte, als ob er gleich in lautes Gelächter ausbrechen würde.

Wie war das miteinander zu vereinbaren? Ein Magier, der Hatesit half, sich gegen Magier zu wehren? Bryan war der Erste, der sich aus seiner Erstarrung löste. Mit schnellen Schritten ging er auf Olivier zu und blieb dicht vor ihm stehen. Der Fremde rührte sich nicht und erwiderte ruhig den stechenden Blick aus den grauen Augen.

Erst als Bryan unvermutet nach ihm griff, wich er einen halben Schritt zurück, hielt aber schließlich doch still. Der Grauäugige zog an der dünnen Kette, die Olivier um den Hals trug. Erst als er den kleinen, runden Anhänger in weiß und rot sah, hielt er inne. "Also hat Jacques seine Pläne doch verwirklicht.", sagte er dann und wandte sich desinteressiert ab.

"Ihr kennt Jacques?", wollte Olivier wissen.
 

"Zu meinem Bedauern." Bryan war schon auf dem Weg zu einem Stein, auf dem er sich niederließ. Vorsichtig tastete er nach seiner Seite, an der das Hemd mit Blut getränkt war. Anscheinend war Takao nicht der Einzige, der Andenken an den Kampf zurückgetragen hatte. Überhaupt schien nur Sergej unverletzt zu sein.

"He, Eisenfaust, was treibt dich hierher?", wollte der Rothaarige mit der wilden Frisur plötzlich wissen und marschierte auf den Grafen zu, der reichlich erschöpft wirkte, um ihn zu stützen. Man sah es Robert an, dass er die Hilfe eines Anderen nicht gerne annahm, aber wusste, dass er sonst umkippen würde, was noch demütigender wäre. "Ich dachte, du sitzt schön gemütlich zu Hause auf deiner Burg und brütest über irgendwelchen Bürokram."

"Ihr kennt euch?", fragte Rei erstaunt und ging zu Takao. "Lass mich das ansehen.", bat er und deutete auf die Wunden. Takao zuckte zusammen, als der Zhaon'El seine rechte Schulter berührte. Das Taubheitsgefühl hatte sich verabschiedet, jetzt, wo er es brauchen konnte.

"Wir kennen uns schon, seit wir Kinder sind.", grummelte Robert und setzte sich auf einen Stein. Griffolyon machte es sich hinter ihm bequem und diente ihm als Lehne.
 

"Geschäftsbeziehungen.", erklärte der Rothaarige. "Syrillion und Druskill handeln schon seit Generationen miteinander. Natürlich nicht offiziell, aber jeder weiß es."

Michael sah kurz in verständnislose Gesichter, dann fiel ihm ein, dass die meisten keine Ahnung hatten, der Rothaarige war und erklärte: "Jonathan McGregor. Auch genannt Syrillions Feuer oder Gladiator von Syrillion."

"Mir wäre es lieber, wenn ihr mich Jonny nennt.", murmelte Jonathan.

"Ist Syrillion nicht die einzige Insel, die von Hatesit beherrscht wird?", wollte Ivan wissen, der an seiner Stirn herumtupfte. Sein Gesicht war von seinem eigenen Blut verschmiert.

"Doch. Kai hat so was erzählt.", sagte Takao.

Michael nickte. "Das stimmt. Inzwischen herrschen die McGregors auch noch über Bel Hélen."

"Apropos Kai, wo ist denn der überhaupt?", wollte Jonny wissen und sah sich suchend um.

Die einstigen Gefangenen sahen ihn an. "Wie?", fragte Ivan schließlich. "Ihr wisst das noch nicht? Kai ist doch...tot."
 

Jonny sah ihn an und schüttelte den Kopf. Er wollte gerade etwas sagen, aber Mao kam ihm zuvor. Sie winkte lachend ab und meinte: "Das ist doch schon längst überholt. Schaut!" Sie deutete mit der rechten Hand auf den Weg, über den sie gekommen waren. Von dort kamen gerade Yuriy, einige Pferde und eine sehr vertraute Gestalt mit einem im Wind wehenden, langen, weißen Schal, die die Pferde führte, auf sie zu.

Einen Moment starrten alle schweigend in diese Richtung. Ihr Verstand wollte nicht begreifen, was ihre Augen sahen. Takao reagierte am schnellsten. Er warf sein Schwert weg und stürmte auf den Todgeglaubten zu. Die Schmerzen waren vergessen. "Kai!" Sein Freudenschrei hallte an den Felswänden wieder.

Die Pferde wichen erschrocken vor dem Heranstürzenden zurück, so dass Kai die Zügel fahren lassen musste. Einen Moment später wurde er von Takao umgeworfen, der sich mit einem Sprung in seine Arme warf um ihn zu umarmen. Hart kamen beiden auf dem Boden auf.

"Kai!", brüllte Takao noch einmal, aber der Angesprochene sah ihn nur mürrisch an.

"Schrei mir nicht so ins Ohr!", tadelte er den Jungen. "Und verdammt noch mal geh runter von mir!"

Takao lachte, gehorchte aber. Das war der Kai, denn sie kannten! Er war so froh, den Rotäugigen wieder zu sehen, und wünschte sich, Max und Kenny wären anwesend. Kai erhob sich und zog Takao am Arm hoch. Dieser zuckte zusammen. "Au!"
 

"He! Bist du verletzt?" Kurz konnte der Blauhaarige Besorgnis in den roten Augen sehen.

"Ja. Aber nicht schlimm."

Kai sah sich kurz um. "Wo sind Max und Kenny?", wollte er dann wissen. "Und Kevin?"

"Auf dem Weg zu Hiro. Beziehungsweise, sie sollten bereits bei ihm sein. Wir haben uns bei Druskill getrennt, damit sie Hilfe holen sollten.", erklärte Lee.

"Anscheinend haben wir uns knapp verpasst.", meinte Michael. "Aber was soll's. Wir sind so oder so hier."

"Wir haben aber die Amulette von Max und Kenny.", wandte Mao ein.

"Und Ivans.", warf Kai ein und sah den Kleinsten seiner Kindheitsfreunde an. Dieser schüttelte den Kopf.

"Ich habe es.", rief Takao und holte den Beutel hervor. Ivan war beinahe sofort bei ihm, während Kai rasch zu Bryan hinüberging, nachdem er Takao befohlen hatte, seine Wunden versorgen zu lassen.

"Geht's?", wollte er wissen und der Grauäugige nickte. "Hat schon wieder aufhört zu bluten."
 

"Gut. Ich muss kurz mit dir sprechen."

"Wie seid ihr an die Amulette gekommen?", wollte Sergej wissen. Kai hörte ihn noch beim Weggehen und Michael war es, der zu einer Antwort ansetzte. Feuerrabe führte Bryan um die Felsen herum auf den Kampfplatz. "Schau, was Yuriy angerichtet hat."

Geschockt blieb der Andere stehen und starrte einige Zeit stumm auf den Schlachtplatz. "Was...ist geschehen?"

"Keine Ahnung. Wir sind erst gekommen, als der Kampf schon in vollem Gange war. Er war wie toll. In seiner Raserei gefangen. Er hat mich kaum erkannt. Verstehst du?"

"Nein. Yuriy würde nie so reagieren."

"Ich weiß. Was ist in der Abtei geschehen?"

"Du glaubst, die wären dafür verantwortlich, dass er so ausrastet?"

"Ja. Wer sonst?"

"Gute Frage." Kurze Zeit sagte keiner ein Wort und Kai konnte nur den Wind hören, der um die Felsen pfiff und das leise, entfernte Murmeln der Anderen, die sich gegenseitig berichteten, was geschehen war. "Kurz bevor wir getürmt sind-", begann Bryan. "-haben sie neue Experimente an Yuriy begonnen. Er wusste nicht, was sie damit bezweckten, aber es war eine ganze Reihe Tests."
 

"Hn." Wenn diese Tests etwas mit Yuriys Verhalten zu tun hatten, dann sollten sie so schnell wie möglich herausfinden, auf was genau sie abgezielt hatten. Wer wusste schon, ob es nicht wieder geschehen konnte? Yuriy hatte Kai kaum erkannt und ihn beinahe ebenso getötet wie die feindlichen Söldner. Anscheinend war er nur durch seine Bekanntschaft und Verbindung zu Kai sozusagen zurückgeholt worden. Was würde aber geschehen, wenn Yuriy ausrasten würde und Kai nicht in der Nähe wäre? Würde er dann alle töten, die bei ihm waren? Oder würde er sie erkennen?

"Weißt du, ich glaube, ich weiß, was Vo...Boris damit wollte.", unterbrach Bryan plötzlich seine Gedanken. Kai blickte auf und zog eine Augenbraue hoch. "Ich hab Boris und Konstantin mal zufällig über die Projekte sprechen hören. Ich hab nicht alles verstanden, weil der Wind nur Bruchstücke zu mir getragen hat."

"Und?"

"Wenn ich das richtig verstanden habe, wollten die aus Yuriy den ultimativen Krieger machen. Aber ich weiß weder wie noch warum. Nur, dass sie nicht weit mit ihren Plänen gekommen sind. Wir sind vorher weg."

"Ich verstehe." Kai nickte und drehte sich um. "Komm. Sonst suchen uns die Anderen. Und das hier" - er deutete mit dem Kopf auf das Schlachtfeld - "sollten sie nicht zu Gesicht bekommen."
 

"Warte. Jacques hat ihnen einiges über die Abtei erzählt." Kai fuhr herum. "Auch über Black Dranzer und dass sie Experimente mit uns gemacht haben. Nichts genaues, aber über unsere ,Talente' wissen sie Bescheid."

"Ich...von Black Dranzer wollte ich ihnen sowieso erzählen. Aber nur, dass es ihn gibt." Kai blickte auf den Boden. Er hatte ihnen nicht von den Experimenten erzählen wollen. Nicht von den Tests, den Genmanipulationen oder all dem anderen. Noch nicht.

Er fühlte sich beschmutzt davon. Davon, dass sie seinen Körper bei Versuchen missbraucht hatten. Auch jetzt noch, wo er einen neuen Körper hatte. Denn der war nur eine Hülle. Mit den Forschungen hatten sie seine Seele getroffen. Denn die Narben und Wunden der Seele verschwanden nicht einfach so, waren teilweise noch nicht einmal verheilt.

Bryan legte ihm die Hand auf die Schulter. "Alles okay?" In diesem Moment klang seine Stimme beinahe sanft. Kai war ihm dankbar für die schweigende Anteilnahme, die Teilung der Schmerzen. Auch Bryan kannte sie, denn er hatte nichts anderes erlebt.
 

Der Rotäugige schwieg einen Augenblick zu lang. Dann fasste er sich wieder und nickte. "Alles okay. Mehr werden sie jedoch nicht erfahren. Jetzt noch nicht."

"Das denken wir auch."

Zusammen gingen sie zu den anderen zurück. "Wo wart ihr?", fragte Jonny grinsend und blickte dann direkt Bryan an. "Der Bursche da macht sich schon sorgen um dich." Mit dem Daumen deutete er auf Rei, der gerade dabei war, Lee eine Wunde zu verbinden. Er blickte auf und funkelte den Grauäugigen zornig an. Aber in seinen goldenen Augen war auch Besorgnis zu lesen. Erstaunt sah Kai von ihm zu Bryan und wieder zurück. Was war denn da geschehen?

"Du bist verletzt!", schimpfte der Zhaon'El. "Setz dich und warte, bis ich mich um deine Wunde kümmern kann!" Bryan stieß ein Zischen aus und setzte zu einer Antwort an, doch Kai legte ihm die Hand auf den Arm. "Er hat recht. Setz dich."

Wortlos folgte der Angesprochene der Aufforderung. "Was machen wir jetzt?", fragte Takao dann. Er hielt mit begeistert leuchtenden Augen sein Schwert in der Hand und grinste von einem Ohr zum anderen. Olivier saß neben ihm. Die anderen hatten sich rund um sie versammelt und die Pferde waren nicht weit entfernt an einen Felsvorsprung gebunden, damit sie nicht wegliefen.
 

"Wir sollten in die Stadt gehen.", meinte Lee. "Und von dort aus durch die Gänge ins Hauptquartier. Dort holen wir die Amulette zurück."

"Wir müssen einen Boten zu Hiro schicken. Wegen Max, Kenny und Kevin.", sagte Robert. Er schien sich wieder erholt zu haben und hielt ein Stück Brot in den Händen.

"Erst die Amulette.", bestimmte Mao. "Wenn wir aus dem Hauptquartier wieder zurück sind, sehen wir weiter."

"Aber vielleicht brauchen wir die Vier Göttlichen.", warf Ivan ein. "Ich meine, wenn die die einzigen sind, die gegen diese Kralay ankommen."

"Ich sagte, erst die Amulette.", wiederholte Mao. "Vertraut mir."

"Wir sollten wirklich tun, was Mao sagt.", meinte Gaou.

"Ich bin auch dafür.", erklärte Olivier ruhig.

"Aber zuerst suchen wir einen Lagerplatz. Die meisten von uns sind verletzt.", warf Rei ein. Er band gerade den letzten Knoten bei Bryans Verband. Dessen Oberkörper war jetzt beinahe ganz bandagiert. Anscheinend hatte er eine ältere Wunde in der Schulter.
 

"Nein.", widersprach Kai. "Wir gehen gleich in die Stadt. Ins Hauptquartier können sowieso nicht alle mit, weil wir sonst auffallen würden. Wir sind zu viele."

"Würde ich auch sagen.", brummte Sergej.

"Vierzehn Leute.", grinste Michael. "Eine ansehnliche Zahl. Ich glaube, Kai hat recht."

"Aber wir wissen immer noch nicht, wie du es geschafft hast, von den Toten wieder aufzuerstehen.", sagte Takao und sah Kai auffordernd an. Aber dieser schüttelte den Kopf. "Später. Wenn alle dabei sind."

"Das hat er zu uns auch gesagt.", grinste Jonny. "Versuche nicht, ihn umzustimmen. Der kann ganz schön stur sein!"

"Jaja.", murrte der Blauhaarige. Rei lächelte sanft und schlug ihm kurz auf die Schulter. "Aber es ist doch gar nicht so wichtig. Das Wichtigste ist doch, dass er wieder da ist, oder nicht?" Niemand antwortete darauf.

Nur kurze Zeit später brachen sie auf. Takao hatte als einziger das Privileg, im Sattel eines Pferdes zu sitzen, da er mit dem verletzten Bein unmöglich das Tempo der Anderen mithalten. Bryan, der eigentlich ebenfalls in den Sattel gehörte - er hatte am meisten abgekriegt - weigerte sich standhaft und ohne Worte. Niemand forderte ihn zum Gegenteil auf. Hinter sich ließen sie die Leichen von Söldnern, Toki und Jacques.
 

~~~~~~~
 

Hallo? Seid ihr noch da oder hat euch das Kappi vergrault? Ich weiß, ein wenig...äh...brutal war's schon. Und die Yuriy-Kai-Szene hat euch auch nicht vom Hocker gehauen, oder? Ich werd sie wohl noch ein wenig verlängern.
 

Also, wünsch euch einen guten Rutsch ins neue Jahr und alles Gute!

Silberwölfin

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Titel: Krieger, Magier und Diebe

Teil: 21/24

Autor: Lady Silverwolf

Anime: Beyblade

Warning: OOC

Disclaimer: Die Hauptcharaktere gehören nicht mir und ich verdiene kein Geld mit dieser Fanfic.
 

"..." reden

//...// denken
 

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Dieses Kapitel ist so schrecklich. *Kopf gegen Tisch hämmer* Es ist das schlechteste der ganzen Story. Ich hatte, als ich es geschrieben habe, keine Ahnung, was drin passieren soll und, ehrlich gesagt, ich hab sie jetzt noch nicht. TT

Darum hab ich - zumindest teilweise - sehr viel wert auf Atmosphäre gelegt und der Anfang gefällt mir richtig. ^^
 

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@ Spellmaster: Ja? Da bin ich ja beruhigt...
 

@ schwarzer_nebel: Ich mach mir nie gute Vorsätze. Ich würd sie sowieso nicht einhalten. *drop*

Ich hab auch kein Problem mit Brutalitäten. Solange sie auf dem Papier stattfinden. Du wirst das bei mir noch öfter sehen. Ich beschreibe gern genau. *g*

Nervende Brüder hab ich auch zu Genüge. (2 Stück *seufz*)
 

@ Sesshi-Chan: Selber Schuld, hab dich vorgewarnt. ^^

Der Spruch ist mir so nebenher eingefallen. *drop* Fand das ein bisschen übertrieben(und fies). Die anderen konnten ja noch nichts von seiner 'Auferstehung' wissen. Ich musste doch was zur Auflockerung reinbringen.

Bryan und Kai wollt ich von Anfang an als Freunde haben, aber da Kai die ganze Zeit bei Yuriy war und der mit Bryan spinnefeind ist, kam das nicht so richtig raus.

Sie wird noch ein bisschen länger, die Szene, aber nicht mehr viel.
 

@ are: Ich schäzte, ich hab dieselbe Macke. *g*

Ja, kommst du. Aber mir geht's genauso - wenn es auf dem Papier ist und nicht real. Bei Yuriy hab ich die Berserker auch als Vorbild genommen, aber bei Takao hab ich das nie so gesehen. Aber wenn man's genau betrachtet... hast schon recht. Nein, rohes Fleisch wird er nicht (fr)essen. Keine Sorge.

Ich werd sie noch verlängern, aber nicht viel.

Das stört mich überhaupt nicht. Ich will so viele Meinungen wie möglich haben.

Das braucht noch 'ne Weile.
 

@ Katzengirl: Hi! ^^ Schön, dass du hierher gefunden hast. Danke für dein Lob! ^///^

Ich auch nicht. ^^''''' Schätze, ich hab's einfach vergessen. Das passiert mir bei Verletzungen ständig. Die Fic ist schon fertig. Muss nur noch die letzten Kappis hochladen.
 

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Zurück zum Anfang
 

Schatten vermischten sich mit der Nacht. Dunkelheit lag über dem Land; der Himmel war bedeckt von schweren Wolken. Des öfteren jedoch rissen sie auf und gaben den Blick auf helle Sterne oder den beinahe vollen Mond frei.

Die sechs schattenhaften, in dunkle Umhänge gehüllten Gestalten waren kaum zu erkennen. Nur hin und wieder glitzerte kaltes, silbernes Mondlicht auf Schnallen und Fibeln oder den Griffen und Klingen von Waffen.

Außer dem Wind, der um die riesigen Ruinen heulte, die wie unheimliche Skelette seltsamer Wesen in den Himmel ragten, war kaum ein Laut zu hören. Manchmal knirschten Schritte auf dem losen Kies des Untergrundes, klickten kleine Steinchen gegeneinander, raschelte ein Kleidungsstück oder stießen zwei Metallteile mit einem hellen Klirren gegeneinander.

Plötzlich hob die Vorderste der Gestalten die Hand und man konnte für kurze Zeit den rech verzierten Griff eines Säbels am Gürtel der Person erkennen. "Hier ist es.", wisperte die Person und trat nach einem kurzen Zögern auf den großen Platz hinaus, der vor der Gruppe lag.
 

Hinter sich konnte sie leichte Schritte hören, Stoffrascheln, das Geräusch von Holz auf Holz und leises Summen, wie wenn eine Bogensehne geprüft wurde. Sie spannte sich an und richtete sich auf, während sie mit raschen, sicheren Schritten auf die Mitte des Platzes zustrebte und dabei die Kapuze vom Kopf streifte. Darunter kam ein gut geschnittenes, beinahe mädchenhaftes Gesicht zum Vorschein, das von dichtem Haar umrahmt war, dem man trotz des geringen Lichtes den Grünstich ansah.

Olivier blieb auf dem Mittelpunkt des Platzes stehen und blickte sich um. Kurz darauf erklang eine tiefe Stimme, die unwirklich in der vorherigen Stille wirkte. Ihr Echo wurde unheimlich von den Ruinen zurückgeworfen. "Ach, Ihr seid es, Windreiter." Kurz darauf kamen einige Gestalten zwischen den Trümmern eines Hauses zum Vorschein und zwei davon eilten auf den Magier zu.

"Was sucht Ihr schon hier?", wollte einer der Männer wissen und blieb knapp vor Olivier stehen. Wie alle anderen war er bewaffnet. Wahrscheinlich waren es noch mehr Söldner in den Diensten von Calaminus.
 

"Man erwartet Euch noch nicht und auch von der anderen Seite.", fügte der zweite Mann hinzu. "Wir wurden nicht verständigt."

"Es gab einige Komplikationen.", antwortete Olivier. "Die Hatesit starten eine Offensive, denn sie wissen jetzt über Calaminus Bescheid."

Der zweite Mann wollte gerade etwas antworten, aber dann taumelte er wie von einem Schlag getroffen nach vorne und nur ein ersticktes Gurgeln und ein Schwall Blut kamen über seine Lippen. Verwundert starrte der erste Söldner auf die Pfeilspitze, die aus der Brust seines Kumpanen ragte. Er sah den silbernen Halbmond von Oliviers Klinge nur aus den Augenwinkeln, ehe sie ihn hart traf und beinahe köpfte.

Sie brachen beinahe zeitgleich zusammen, aber Olivier war zu diesem Zeitpunkt bereits auf dem Weg zu dem Gebäude, das gegenüber von jenem Haus lag, aus dem die Männer gekommen waren. In Letzterem war bereits das Chaos ausgebrochen Reis und Maos Überraschungsangriff, der erfolgt war, nachdem Yuriy den Pfeil abgeschossen hatte, hatten die drei Männer nichts entgegenzusetzen gehabt. Jonny schaltete weitere Wachen aus, bei denen Olivier ihm jetzt zur Hilfe kam, während Yuriy und Kai, die als einzige mit Fernwaffen ausgerüstet waren, Rückendeckung gaben.
 

Die Kämpfe gingen in wenigen Augenblicken über die Bühne, dann war wieder nur der heulende Wind zu hören. Kurz darauf lösten sich Kai und Yuriy aus dem Schatten, in dem sie sich verborgen hatten, und liefen rasch auf die beiden Leichen in der Mitte des Platzes zu. Bogen und Armbrust trugen sie bereits wieder über der Schulter.

Rasch packte sie einen der Toten und trugen sie zu Mao und Rei hinüber, die ,ihre' Leichen ebenfalls in den Trümmern verschwinden ließen. Olivier und Jonny hatten das nicht nötig, da ihre Gegner sich von selbst im Verborgenen gehalten hatten; sie kümmerten sich um den zweiten Toten auf dem Platz. Kurz darauf zeugten nur noch dunkle Flecken auf dem Steinboden von dem vorangegangenen Kampf.

"Wohin jetzt?", fragte Rei leise. Olivier winkte ihnen und verließ rasch das zusammengefallene Gebäude um sie tiefer in die Stadt zu führen. Noch befanden sie sich sozusagen im äußeren Ring der Stadt.

Vor drei Tagen hatte ihr Kampf mit Jacques' Gruppe stattgefunden. Das Lager hatten sie eine ganze Strecke von der Stadt entfernt aufgeschlagen; dort befanden sich jetzt auch die Anderen. Die Sechs würden im Geheimen in das Hauptquartier Calaminus' eindringen, um die Lage auszukundschaften und die Amulette zurückzuholen. Wenn sie zurückwaren, würde Michael sofort zu Sturmvogel aufbrechen um ihn, Max, Kenny und Kevin über ihre weiteren Pläne zu informieren.
 

"Hier ist es.", erklärte Olivier leise und deutete auf ein Gebäude. "Es sind noch mindestens zwei Leute drinnen." Mao und Rei reagierten sofort und steuerten zwei hell erleuchtete Fenster an, die oben in den Wänden angebracht waren. Sie nickten Olivier zu, der die Tür aufstieß und eintrat. Yuriy und Kai folgten ihm mit gezückten Waffen auf dem Fuße.

Beinahe sofort erklang ein lautes Poltern, als ein Stuhl umstürzte. Das helle Licht im Raum blendete Kais Augen für einen Moment, so dass er kaum etwas erkennen konnte. Dann bemerkte er drei Männer, die an einem Tisch gesessen hatten. Auf dem Boden lag ein Stuhl, ein zweiter stand quer im Raum wie heftig zurückgeschoben. An den Wänden waren Dutzende Monitore angebracht, die anscheinend diverse Sektoren der Stadt zeigten; darunter waren Schaltpulte angebracht oder standen geschlossene Schränke.

Yuriy und Kai reagierten sofort, sprangen auf die ihnen am nächsten stehenden Männer zu und rammten ihnen ihre Dolche in den Körper. Mao hatte den dritten übernommen, ihre Lanze steckte in seinem Körper. Rei hüpfte aus der Fensteröffnung, in der er gesessen hatte, und landete beinahe lautlos auf dem Boden. "Das ist ja interessant.", murmelte Yuriy. "Wir hätten Sergej mitnehmen sollen. Er kennt sich mit solchen Dingen aus."
 

"Das ist jetzt egal. Es sind nur Überwachungskameras für die Stadt, damit niemand ungesehen hindurchkommt.", erklärte Olivier.

"Gehen wir weiter.", bat Rei und der Magier deutete auf eine hölzerne Luke im Boden. Sie sah neuer aus als die meisten anderen Dingen im Raum. Yuriy öffnete sie und legte damit eine Treppe in die Tiefe frei. Nacheinander stiegen sie eine große Anzahl Stufen hinunter. Schließlich standen sie in einem langen, alten Gang mit eins glatten, nun aber rissigen Betonwänden. Er führte stur geradeaus und verlor sich rasch in der Dunkelheit. Das einzige Licht war das, das durch die Luke fiel.

Olivier tastete an der Wand herum, dann ertönte ein leises Klicken und neben ihm öffnete sich ein Fach. "Hier." Er reichte einige Taschenlampen reihum. "Passt auf sie auf." Er blickte in die Dunkelheit und knipste eine Lampe an. Wie ein goldenes Schwert durchschnitt der Lichtstrahl die Finsternis. "Jetzt haben wir erst mal einige Stunden Fußmarsch vor uns.", erklärte er. "Die Gänge hier sind sehr weitläufig, aber die bewohnten Räume sind nicht allzu weit von hier."

Niemand sagte etwas und das blieb auch für lange Zeit so. Sie begegneten niemandem, hörten niemanden. Die Gänge glichen sich wie ein Ei dem anderen, nur manchmal waren Zeichen eingehauen, an denen Olivier sich orientierte.
 

Je weiter sie in das unterirdische Gangsystem eindrangen, desto mehr Nebengänge zweigten ab, aber Olivier beachtete sie kaum. Nur hin und wieder bog er ab um die Gruppe tiefer in das Labyrinth zu führen. Manchmal kamen sie an Treppen oder Rampen vorbei, die nach unten führten, aber diese ignorierte der Magier völlig.

Kai wünschte sich, die ganze Sache wäre schon gelaufen. Die langen, eintönigen Gänge gaben ihm das Gefühl, eingesperrt zu sein, sie erdrückten ihn und ließen ihn flach und keuchend atmen. Alles erinnerte ihn an die Abtei. Obwohl die Abtei aus Steinquadern erbaut worden war und nicht aus Beton, obwohl an ihren unebenen Wänden Moose und Flechten wuchsen und nicht kahl und von Rissen durchzogen waren, obwohl in ihren Gängen und hinter den meist verschlossenen Türen man oft Geräusche gehört hatte, Schritte, Stimmen, Schreie, Klappern von Gegenständen, und hier außer ihren leisen Schritten und hin und wieder einem leisen metallischen Klirren oder einem Stoffrascheln nichts zu hören war.

Und dann war da die Dunkelheit. Sie war überall und allgegenwärtig, um sie herum und sie schien sie verschlingen zu wollen. Zurückgehalten wurde sie nur von ein paar lächerlichen, aber hellen Lampen. Was, wenn sie ausgingen? Kai wusste, dass das Quatsch war, außerdem hatten sie noch mehr Lampen und Olivier, der ohne Mühe ein Zauberlicht entzünden konnte. Aber irgendwie schien er nicht zu begreifen, was sein Verstand ihm sagte.
 

Endlich hob Olivier die Hand. "Hier ist es. Seht ihr die Tür?" Er nickte zu einer Stahltür in einem unscheinbaren Nebengang. "Ich gehe vor. Wartet hier und macht die Lampen aus."

Rasch trat er zur Tür, dann gab er ihnen ein Zeichen. Rei und Jonny, die wie er Lampen hielten, knipsten diese aus. Kai zuckte zusammen. Jetzt brannte nur noch Oliviers Licht, Meter von ihm entfernt und scheinbar unerreichbar. Der Magier öffnete den Durchgang, helles Licht flutete die Gänge und dann klappte die Tür zu.

Die Dunkelheit war wieder da, voll und ganz diesmal, ohne Schranken, ohne Grenzen. Im gleichen Moment, in dem die Panik ausbrechen wollte, spürte Kai eine schwere Hand auf der Schulter und dann warmen Atem am Ohr. "Alles klar?", wollte eine leise, beinahe warme Stimme wissen, die für ihn kaum vernehmbar war. Trotzdem war sie da.

Kai war versucht, auf Yuriys Frage den Kopf zu schütteln, aber dann nickte er. Er konnte dem Rothaarigen doch nicht sagen, wie schwach er war, wenn das Licht fehlte. "Gut.", antwortete Yuriy, der die Bewegung wohl gespürt haben musste. Trotzdem trat er näher an den Jüngeren heran und ließ seine Hand, wo sie war. Kai war ihm dankbar dafür und rührte sich nicht, obwohl er wusste, dass er sich so verriet. Aber wenn er sich von Yuriy entfernen würde, würde er durchdrehen.
 

Die Tür öffnete sich wieder und Olivier erschien. "Kommt.", flüsterte er leise. "Ich habe die Wächter ausgeschaltet und die Kameras lahm gelegt. Aber irgendetwas stimmt nicht."

"Sie haben uns doch nicht etwas bemerkt?", fragte Mao entsetzt, doch Olivier beruhigte sie. "Wenn das so wäre, wären wir längst tot."

Rasch betraten sie einen hell erleuchteten Raum, der nur einem einzigen Zweck diente: der Überwachung des Gangsystems. Monitore und Schaltpulte waren an den Wänden angebracht, gegenüber der Tür, durch die sie kamen, befand sich eine weitere. Auf dem Boden lagen die Leichen dreier Männer. Die Bildschirme waren alle schwarz und die Computer aus.

"Es sind zuwenig.", erklärte Olivier. "Normal befinden sich hier mindestens sieben Leute. Aber auch im Hauptquartier selber sind zu wenige."

"Wollen sie den Zauber hier machen?", fragte Yuriy in die aufkeimende Stille hinein.

"Wie meinen?"

"Ich meine, die sagten doch, dass sie bereit wären, ihren Zauber zu beginnen. Wenn sie ihn nicht hier abhalten, ist das Hauptquartier nutzlos."

"Das heißt, wie sind ganz umsonst hier? Die Amulette sind schon weg?! Driger..." Rei wandte sich ab.
 

Olivier runzelte die Stirn. "Ja. Das ist richtig. Aber...ich weiß nicht, wo das Ritual abgehalten wird." Er fluchte.

"Dann können wir also gleich wieder umkehren?", fragte Mao mutlos und starrte betrübt Reis Rücken an.

"Nein.", bestimmte Kai. "Wir müssen jemanden finden, der mehr weiß als Olivier. Das heißt Karmaat, Scaramak oder Chargrin."

"Du meinst, einer von ihnen muss noch hier sein?", zweifelte Jonny.

"Jemand muss die letzten Leute hier doch überwachen, oder?"

"Ganz genau!", rief Mao, plötzlich wieder voller Tatendrang. Sie legte Rei den Arm um die Schultern. "Komm schon, Kopf hoch, Rei! Wir werden Driger schon wieder beschaffen!" Sie lief zur Tür und riss sie auf.

"He!", protestierte Jonny. "Du kannst doch nicht einfach da raus! Was, wenn...?" Er stürmte hinter ihr her.

"Spinner.", kommentierte Yuriy nüchtern.

"Wir sollten sie nicht aus den Augen lassen.", entschied Rei und ging hinterher. "Sie sollten besser aufpassen. Auch wenn nicht mehr viele Leute da sind, sind es doch zu viele, als dass wir sie besiegen könnten.", meinte Olivier.
 

"Suchen wir die Räume, in denen Calaminus und Co gewohnt haben.", schlug Yuriy vor.

"Ich führe euch. Ich weiß, wo sie sind."

Es waren tatsächlich nicht mehr viele Menschen im Hauptquartier. Die meisten Zimmer, die sie durchquerten, waren leer bis auf wenige Möbel, hin und wieder eine vergessene Schüssel oder Decke. Nur einmal stießen sie auf mehr und zwar, als sie unverhofft in einen kleinen Raum gelangten und es Jonny unabsichtlich über ein Hindernis legte.

"He!", rief Rei aus. "Die Axt kenn ich doch!" Er bückte sich, um die riesige Waffe mit den beiden Klingenblättern aufzuheben.

"Das ist Sergejs.", stellte Yuriy fest und sah sich genauer um. "Anscheinend brachen die euer Gepäck nicht mehr."

"Wir sollten es auf dem Rückweg mitnehmen.", schlug Mao vor.

"Darauf wären wir auch so gekommen.", patzte Jonny, der sich inzwischen wieder aufgerappelt hatte.
 

"Keinen Streit.", verlangte Rei, der sich inzwischen auf die Suche nach seinen eigenen Waffen gemacht hatte und sie auch bald fand. "So, jetzt kann es losgehen!"

Der Umzug von Calaminus' Getreuen war schon fast vollendet. Nur einmal trafen sie beinahe auf eine Gruppe Männer, jedoch konnten sie ihn ausweichen. "Worauf wartet ihr noch?" Die laute, tiefe Stimme ließ sie stocken. Der Sprecher musste sich direkt neben ihnen befinden!

Rei gab ihnen ein Zeichen, zurückzubleiben und schlich nach vorn, wo der Gang in einen zweiten mündete. Dort blieb er stehen und lauschte. Die Anderen konnten nur geschäftige Schritte hören, Krach, das Scharren von schweren Gegenständen auf dem Boden. Hin und wieder erklagen scharfe Befehle.

Dann kam Rei zurück. "Die gehen. Jetzt!"

"Wie bitte?"

Er nickte. "Sie wollen einen Posten im Tal zurücklassen, für Nachzügler. Aber das war's auch schon."
 

"Kommt." Kai winkte und führte sie zurück, so dass sie sicher sein konnten, nicht mehr entdeckt zu werden.

"Was soll das?", maulte Rei. "Wenn wir geblieben wären, hätten wir vielleicht erfahren, wo sie hinwollen! Jetzt wissen wir gar nichts!"

"Sei still und denk nach!", zischte Kai den Zhaon'El an. "Es gibt nur einen Ort, wo sie hin können!"

"Und der wäre?"

"Nijan!"

Olivier schlug sich mit der Faust in die Hand. "Natürlich!"

"Warum gerade Nijan?"

"Weil es der einzige Ort ist, an dem sie ein solch großes magisches Ritual durchführen können! Wo sonst? Sie brauchen viel Zubehör dafür, Zubehör, das sie nur bei Magiern finden!"

"Und?"

"Weil Teshnan sich abgespalten hat und der Kontakt zu LesDemondes nur durch mich bestand, ist Nijan jetzt ihre einzige Möglichkeit!"

"Genau!", triumphierte Kai.
 

"Dann lass uns gehen! Worauf warten wir noch?" Der Rückweg schien kürzer zu sein als der Hinweg, aber nur weil sie schneller liefen. Sie machten nur einen kurzen Abstecher in den Raum zurück, in dem sie die gestohlenen Gepäckstücke gefunden hatten.

Kai war erleichtert, als sie das helle Licht endlich wieder sahen, das durch die Luke fiel. Draußen war die Sonne bereits aufgegangen, allerdings stand sie kaum eine Handbreit über dem Horizont. Bei Tag sah die Stadt nicht mehr halb so unheimlich aus wie nachts. Sie war nur noch trostlos. "Man, bin ich müde!", gähnte Jonny.

"Warte noch, bevor du dich hinlegst. Im Lager ist es viel bequemer.", spottete Rei.

"Jaja."
 


 


 

Der Rest des Weges war nur noch ein Katzensprung. Die Anderen erwarteten sie bereits. Mao gab einen kurzen Bericht ab. Nachdem sie ihn beendet hatte, wickelten sich die sechs in ihre Decken, während Michael mit den Amuletten von Max und Kenny und der Nachricht, sich an einem bestimmten Ort in Nijan, den Takao ausgewählt hatte, zu treffen auf den Weg zu Sturmvogel machte. Alle Anderen würde direkt zur Insel gehen, sobald alle ausgeruht wären.

Michael kam zu Pferd viel schneller voran, als sie und erreichte Sturmvogels Halle bereits nach wenigen Tagen. Max saß davor, als würde er auf ihn warten, was natürlich nicht der Fall war. Als der Blonde den Reiter sah, sprang er auf und winkte, jedoch hielt er eine Hand an dem Gewehr, das er bei sich trug. Erst als er Michael erkannte, entspannte er sich und grinste ihm entgegen. "Hey, Himmelskönig! Alles klar?"

"Mehr oder weniger." Michael sprang aus dem Sattel. Zusammen versorgten sie das Pferd.

"Ist es wahr, was Hiro sagt? Ich meine, Kai...!"

Michael lachte. "Ja. Er ist bei den Anderen und führt sie nach Nijan. Takao kennt sich ja nicht richtig aus."
 

Max sagte nichts mehr, aber er grinste über beide Ohren. Dieses Grinsen wurde noch breiter, als Michael dem Jüngeren Draciels Amulett in die Hand drückte. Er - und später auch Kenny - war selig, seinen Bündnispartner wieder zu haben.

Kurz darauf saßen sie alle - Hiro, Kenny, Kevin, Max, Michael, Zeo, dessen Amulett Mao noch immer bei sich trug, und Caras, der mit dem Bericht über die Ereignisse in Karja gekommen war - um den Tresen in der Halle herum und Michael berichtete, was geschehen war.

"Zurück nach Nijan also?", fragte Kenny und Michael nickte. "Takao sagte, du kennst den Platz."

"Das stimmt. Und ich bin sicher, innerhalb von Nijan werden wir auf Hilfe stoßen."

"Weißt du eigentlich etwas darüber?", wollte Kevin von Zeo wissen.

Der sah ihn einen Moment schweigend an, ehe er antwortete: "Nein. Und wenn, ich würd's euch nicht sagen. Ihr scheint die ganze Zeit zu vergessen, dass ich eigentlich euer Feind bin. Bis auf den da." Mit dem Finger deutete er auf Hiro. Sturmvogel hatte in den letzten Tagen auf ihn ,aufgepasst'. Ohne dem wachsamen Auge des Händlers wäre Zeo wohl schon längst getürmt und hätte sich an die Fersen von Mao geheftet.
 

Auch er war jetzt ein Hatesit, der sein Amulett zurückwollte. Es gab nur einen Unterschied zu den anderen Bestohlenen: Zeo würde sein Amulett zurückerhalten, sobald Calaminus und seine Bande keine Gefahr mehr für die Bündniskrieger darstellten.

"Wenn du dich nicht Calaminus angeschlossen hättest, wäre es nie soweit gekommen.", erklärte Kenny kühl. "Du bist selber Schuld an deiner Situation."

"Hmpf."

"Es ist eine sehr fortschrittliche Insel, nicht wahr?", wollte Michael interessiert von Max, Kenny und Sturmvogel wissen und lenkte so die allgemeine Aufmerksamkeit von Stahlklaue ab. Diese drei kannten die Insel, im Gegensatz zu Kevin, Caras, Zeo und ihm selbst.

"Ja.", stimmte Hiro zu. "Und sehr liberal. Die Regierung hatte schon immer etwas gegen die Magier. Ich glaube, auch viele Leute aus der Bevölkerung stehen ihnen nicht gerade positiv gegenüber."

"Warum?", wollte Kevin verwirrt wissen. "Ich dachte, alle fürchten und ehren die Magier."

"Das war einmal. Jetzt ist man eher gegen sie, weil die Magier zuviel Einfluss auf die Inseln nehmen. Politik.", erklärte Michael. Ihm war diese Situation von anderen Inseln bekannt. "In vielen Inseln mit hohem Technik- und Entwicklungsstandart sind die Magier den Regierungen inzwischen ein Dorn im Auge. Es ist nicht mehr so, dass Menschen mit arkanen Fähigkeiten angebetet werden."
 

"Ist auch gut so!", knurrte Zeo, aber keine beachtete ihn.

"Aber wo die sind, scheint es doch noch so zu sein!", meinte Kenny und schob die Unterlippe vor. "Denk nur an das Experiment, bei dem deine Eltern starben, Hiro. Hat da jemand etwas dagegen gesagt?"

"Nein. Aber das war vor sieben Jahren. Inzwischen ist einiges geschehen, was die Lage völlig ändert. Man hat erkannt, dass die Magier nicht allmächtig sind und dass man sie töten und sich gegen sie wehren kann"

"Nimm die Schlacht von Bel Hélen als Beispiel. Die Hatesit waren die Sieger - und die Magier haben eine Niederlage einstecken müssen. So etwas ist vorher noch nie geschehen. Wenn Zauberer verloren dann nur gegen ihresgleichen. Dieser Sieg der Hatesit hat einiges bewegt, auch wenn es nicht so scheint. Aber solche Veränderungen brauchen Zeit."

"Sag mal, Michael, willst du uns etwa weiß machen, dass man uns vielleicht unterstützten wird?"

"Ich weiß gar nichts. Ich habe Nijan noch nie betreten. Sagt ihr es mir."

Einen Moment herrschte nachdenkliche Stille. Dann erklärte Kenny zögernd: "So wie ich das sehe, werden wir Hilfe bekommen. Denkt nur an Max' und meine Eltern, Takaos Großvater und Hilary. Sie alle wissen über uns Bescheid. Sie helfen uns auf jeden Fall!"
 

"Was euch nicht viel bringen wird.", erklärte Zeo gehässig.

"Halt doch die Klappe!", pflaumte Kevin ihn an. "Deine Meinung ist hier nicht gefragt!"

"Ich frage mich gerade etwas anderes.", murmelte Max, der kein Wort zu der vorigen Diskussion beigetragen und still seinen Gedanken nachgehangen hatte, nachdenklich. "Was ist in Nijan eigentlich geschehen, nachdem wir weg waren? Mit allen, die uns geholfen haben...ob die Magier sie in Ruhe gelassen haben?"

"Das kommt darauf an. Ich schätze, ja, denn sie wollen kein Aufsehen erregen. Wenn man zuviel Aufmerksamkeit auf jemanden lenkt, zeigt man, dass dieser Jemand eine Gefahr darstellen könnte. Die Magier wissen, dass sie nicht mehr lange so an der Macht bleiben können, wie sie es jetzt sind. Sie wissen, dass sie aufpassen müssen, sonst leiten sie ihren eigenen Sturz ein. Aber vielleicht waren sie nicht so nett zu euren Verwandten.", warf Caras ein, der ebenfalls still daneben gesessen hatte. Sein Bericht über Karja war recht ermutigend gewesen, aber der Sieg dort würde keine nennenswerten Vorteile bringen. Die Priester waren für Calaminus sowieso keine große Hilfe gewesen.

"Mach dir keine Sorgen, Kleiner." Michael klopfte dem Blonden auf die Schulter. "Du wirst es in ein paar Tagen wissen. Aber nur, wenn wir jetzt bald anfangen, aufzubrechen. Hiro, welche Waffen können wir mitnehmen? Ich denke, wir werden das ganze Repertoire benötigen."
 

"Ich werde euch begleiten.", antwortete der Angesprochene.

"Schön. Wir werden deine Hilfe benötigen."

"He, das ist toll!", freute sich Kenny. "Dein Großvater wird sich freuen, dich wieder zu sehen."

"Großvater... Ja, ich denke auch. Und ich freue mich auch, wieder zurückzukehren."

"Hast du auch ein paar Waffen für mich?", fragte Kevin. "Skaramak hat mir meine Nunchaku weggenommen."

"Klar, bedien dich nachher einfach."

"Und ich?", wollte Zeo wissen.

Nachdenklich sah Hiro ihn an, doch Michael kam ihm zuvor. "Du kommst mit uns.", bestimmte er.

"Warum?", wollte Kevin wissen. "Ich meine, der betont doch die ganze Zeit, dass er ein Feind ist! Wäre er nicht besser hier aufgehoben?"

"Nein. Er würde Caras leicht überwältigen können. Das geht nicht, denn wenn er hinter uns ist, ist er erst eine richtige Gefahr, da er Calaminus warnen könnte. Er muss bei uns bleiben, damit wir immer wissen, wo er ist. Er weiß über alle unsere Pläne Bescheid, habt ihr das eigentlich gemerkt? Es wäre nicht gut, wenn wir ihn aus den Augen lassen. In Nijan werden wir schon ein Plätzchen für ihn finden. Zur Not sperren wir ihn für einige Tage in den Keller von eurer Herberge, Kenny."
 

"Wie bitte?!", wollte der Bebrillte entsetzt wissen. "In den Silbernen Löwen? Meine Mutter wird mich umbringen!"

Michael zuckte die Schultern. "Alles für einen guten Zweck!"

"Wie witzig."

"Keine Sorge" Max klopfte dem Braunhaarigen auf die Schulter. "Wenn nicht zu euch, dann zu uns. Einen Platz werden wir schon für ihn finden. Und es sind doch nur ein paar Tage!"

"Caras, spielst du den Ladenhüter?", wandte Sturmvogel sich an den schweigsamen Hatesit. "Ich will nicht, dass hier alles leer steht, solange ich weg bin. Wenn ich nicht wiederkomme, erbst du den ganzen Haufen"

"In Ordnung, ich bleibe hier. Ohne Umerna kann ich sowieso nicht viel ausrichten. Aber bringt sie mir ja zurück!"

"Viel erben wird er nicht mehr können, wenn wir versagen.", meinte Michael. "Dann ist er nämlich ebenso tot wie wir."

"Für wen hältst du uns? Natürlich." Es dauerte nicht lange, dann war geschäftige Hektik ausgebrochen. Zwei Stunden später waren sie unterwegs nach Nijan, zum Anfang der Reise zurück.
 


 


 

"Ich fühle mich, als wären zehn Jahre vergangen, seit wir von Nijan aus aufgebrochen sind.", meinte Takao und grinste.

"Es war ein Monat.", erklärte Kai nüchtern. "Beinahe genau. In drei Tagen ist er wieder voll. Ich bin an Vollmond in eure Insel gekommen."

"Jaja, das weiß ich doch! Aber es kommt mir eben so vor!"

"Du hast in diesem Monat eben mehr erlebt, als im Rest deines Lebens.", meinte Mao und lachte. "Kein Wunder, dass du dich fühlst, als wäre eine lange Zeit vergangen."

"Aber du bist genauso verfressen wie vorher.", murrte Kai und trieb Funkenglanz an, so dass sie den Wagen überholte, auf dem Takao und Mao hockten. Am letzten Tag waren sie auf eine Händlerkarawane getroffen und die freundlichen Wesen hatten sie eingeladen, mit ihnen zu reisen, da sie das gleiche Ziel hatten.

Die Gruppe hatte das Angebot dankend angenommen, denn es war kein Spaß, zu Fuß durch die Wüste zu wandern. Also hatten sie sich auf die Pferde und Wagen verteilt. Das war zwar beides nicht besonders bequem - wer hatte auch schon von geteerten Wegen durch die Wüste gehört? - aber besser als Laufen alle mal, vor allem für Bryan und die anderen Verletzten.
 

Inzwischen hatten sie Nijan beinahe erreicht. In Kürze würden sie sich von den Händlern trennen müssen, da diese nicht wissen durften, warum sie in Wirklichkeit in die Insel wollten. Zwar war es egal, ob die Händler wussten, dass sie Hatesit waren, denn für sie waren die Bündniskrieger keine Gefahr und auch keine Feinde, aber es war besser, wenn niemand wusste, dass sie hinter den Amulettdieben her waren.

Takao hockte auf einigen, auf einen hochrädrigen Wagen gepackten Bündeln, die zu einem Turm aufgeschichtet waren, so dass er sogar Sergej auf Flammenjäger überragte, und kaute an einem Stück Brot. In der anderen Hand hielt er einen Apfel. "He!", maulte er hinter Kai her, doch der kümmerte sich nicht um ihn, sondern schloss zu Yuriy und Sergej auf, die sich ebenfalls Pferde ergattert hatten.

Yuriy zügelte Kennys cremefarbene Stute Mondlied und wartete auf ihn. "Wie hältst du das nur mit diesem Kerl aus?", wollte der Rothaarige von Kai wissen und nickte mit dem Kopf in Takaos Richtung.

Kai zuckte die Schultern und antwortete nicht, sondern richtete seine Aufmerksamkeit auf Jonny, der Nachtgeflüster zu ihnen trieb. "Was ist?", wollte er von dem Näherkommenden wissen.
 

Der verdrehte die Augen und meinte: "Weißt du, was der Händlerführer mir gerade verraten hat?"

"Hn."

"Die haben Botenvögel!"

"WAS?!"

Jonny nickte ernst und verzog missbilligend den Mund. "Ganz genau. Bo-ten-vö-gel." Er betonte jede einzelne Silbe genau.

"Arg! Warum haben die das nicht gleich gesagt?"

"Der Kerl meinte, weil wir nicht gefragt haben."

"Manchmal würde ich..."

"Brauchen wir nicht zu wissen. Soll ich einen Vogel nach Syrillion schicken?"

"Und nach Karja. Ruf die Hatesit und deine Familie hierher."

"Werden die nicht zu spät kommen?", wollte Yuriy wissen.

Kai zuckte die Schultern. "Wer weiß? Wir wissen nicht, wie lange die für ihren Zauber brauchen. Vielleicht haben wir ja Glück."

"Seit wann bist du so optimistisch?"

"In Ordnung.", stimmte Jonny zu. "Haben wir irgendwo Kerzen?"

"Kerzen? Wofür brauchst du jetzt Kerzen? Es ist taghell!"

"Wer sagt, dass ich sie brauche, um besser zu sehen? Wachs brauche ich, damit mein Vater weiß, dass die Botschaft von mir ist. Dann brauche ich keine näheren Details zu schreiben, aber sie werden trotzdem kommen."
 

"Setz auch unter die andere Botschaft ein Siegel.", meinte Kai. "Irgendwer wird es schon kennen und darauf vertrauen."

"Wie du willst. Noch was?" Jonny wendete sein Pferd, nachdem Kai den Kopf geschüttelt hatte, und ritt zu einem der Wagen, um sich darauf niederzulassen. Keine Viertelstunde später warf er die beiden Botenvögel in die Luft, an deren Füßen er die kleinen Briefe befestigt hatte.

Ob sie die Hatesit und Syrillion rechtzeitig erreichen würden? Ob die Verstärkung zur richtigen Zeit nach Nijan kommen würde? Kai bezweifelte beides, aber wie er vorhin gesagt hatte: Vielleicht hatten sie ja Glück.

"Kai! He, Kai!" Takao winkte dem Rotäugigen zu.

"Was ist?", knurrte der Angesprochene und lenkte Funkenglanz wieder zurück. Der Blauhaarige deutete nach Süden. "Wir sollten jetzt wohl besser abbiegen. Ich habe mir die Karten angesehen."

"Und?"

"Wie gesagt, wenn wir jetzt abbiegen, können wir unseren Treffpunkt besser erreichen."

"In Ordnung." Wieder wendete Kai sein Pferd. Langsam fühlte er sich, als würde er von einem Ort zum anderen hetzen. Er lenkte Funkenglanz zu dem Karawanenführer und erklärte ihm im bedauernden Tonfall, dass sie leider wieder Abschied nehmen müssten, aber sie hätten einen Termin und...man kenne das doch. Der Händler winkte ab und lachte, während er erklärte, das gehe schon klar, es wäre eine Freude gewesen, mit ihnen zu reisen.
 

Kai hasste diese Höflichkeitsfloskeln, aber wenn man die Etikette einem Händler gegenüber vergaß, dann gnade einem die Götter, die Händler selbst taten es nämlich nicht. Kurz darauf hielt die Karawane, um die Reisenden absteigen zu lassen. Dann trennten sich die Gruppen und zogen in beinahe gegengesetzte Richtungen davon.

Kai übergab Takao die Führung. So sehr er auch befürchtete, der Blauhaarige würde sie in die Irre führen - er tat es nicht. Takao fand seinen Weg tatsächlich zielsicher und auf Anhieb. Kaum eine Stunde später tauchte Nijan vor ihnen auf; eine weitere Stunde danach erreichten sie ihren Treffpunkt, auf dem sie schon erwartet wurden. Es war eine Lichtung an einem steilen, felsigen Hügel, in dessen Flanke eine Höhle eingegraben war.

Himmelskönig hatte Sturmvogels Halle anscheinend ohne größere Schwierigkeiten erreicht. Jetzt befanden er, der Händler selber, Max, Kenny, Kevin und Zeo, der genau im Auge behalten wurde, sich bereits auf der Lichtung. Nach einer mehr oder weniger langen und erfreuten Begrüßung - Kai wurde beinahe unter Max und Kenny begraben - berichtete man sich kurz, was geschehen war, nachdem Michael sich von den Anderen getrennt hatte.
 

Nachdem Hiro die Gruppe darauf hingewiesen hatte, dass sie all ihr Gepäck, was sie bei ihm in der Halle gelassen, mitgebracht hatten, versammelten sich alle um ein Feuer, über dem ein großer Kupferkessel hing, in dem das Abendessen zubereitet wurde. Im Westen ging langsam die Sonne unter und tauchte die Welt für kurze Zeit in rotes und goldenes Licht. Dann wurde alles dunkel und die einzige Lichtquelle war noch das Feuer und verbreitete mit dem Duft des Eintopfes eine behagliche Atmosphäre.

Es wurde kein Wort über Calaminus oder ihr weiteres Vorgehen verloren. Alle redeten über belanglose Dinge, die keine Sorgen bereiteten. Takao freute sich auf das Essen und rührte begeistert darin herum, Gaou saß neben ihm und überwachte alles. Mao hockte mit Rei einige Schritte von den anderen entfernt und redete leise mit ihm, während Lee Kevin ausfragte. Sergej fachsimpelte mit Max und Hiro über irgendwelchen technischen Kram und Ivan hockte gelangweilt daneben und hörte mit einem Ohr zu, mit dem anderen achtete er auf Kenny, der sich begeistert mit Robert, Jonny und Olivier bekannt machte.

Bryan saß bei Zeo und ließ ihn keinen Augenblick aus den Augen. Er starrte ihn an wie eine Katze eine Maus, die sie gefangen hatte und nun zwischen den Krallen hielt, während sie sich fragte, was sie nun mit dem kleinen Wesen anstellen sollte. Stahlklaue schien sich unter dem stechenden Blick aus den grauen Augen nicht besonders wohl zu fühlen und vermied jede unnötige Bewegung.
 

Michael starrte gelangweilt ins Feuer, er schien müde zu sein. Yuriy und Kai hatten sich nahe der Felswand einen Platz gesucht und schwiegen sich an. Es gab keinen Grund zu reden. So war es gut. Die Stille war nicht störend oder beklemmend, sondern einfach nur behaglich, zumindest empfand Kai es so.

Es brachte nichts sich über nutzlose Dinge zu unterhalten, so wie es die Anderen taten. Aber sie wollten auch nicht das Thema auf den nächsten Tag bringen, denn dazu war es noch zu früh. Kai kannte den Grund, warum niemand danach fragte. Angst war es. Keiner von ihnen wusste, ob sie jemals noch so zusammensitzen konnten, wie sie es heute taten.

Vielleicht würden einige von ihnen sterben, vielleicht alle, vielleicht trafen sie sich in dieser Runde wieder. Wer wusste schon, was die Zukunft brachte? Aber ganz sicher würde am nächsten Abend nichts mehr so sein wie am heutigen, niemals mehr würde das so sein, nie war es so gewesen, das an einem Abend die Situation gleich war wie am nächsten oder am vorigen. Aber die Veränderung, die in den nächsten Tagen auf sie warten würde, war größer als die meisten Anderen und darum Bedeutungsschwerer.

Kai ließ seinen Blick über das Lager schweifen und es wirkte beinahe idyllisch und anheimelnd. Wenn da nicht der Schatten gewesen wäre, der über allem lag, der Schatten, der den Namen Calaminus trug. Schließlich blieb sein Blick auf den Bündeln hängen, die ihr Gepäck darstellten. Sie hatten alles mitgebracht, hatte Michael gesagt. Also auch seine Balalaika.
 

Er brauchte nicht lange, bis er das Instrument erfunden hatte. Yuriy zog eine Augenbraue hoch, als er damit auf seinen Platz zurückkehrte und sich setzte, sagte aber nichts. Yuriy hatte seine Anwandlungen schon immer schweigend hingenommen. Kai warf ihm ein kurzes Grinsen zu und ließ eine Hand über die Saiten gleiten.

Die Balalaika war dissonant, das merkte er sofort, aber es dauerte nicht lange, bis er sie wieder richtig gestimmt hatte. Es tat gut, die vertrauten Handgriffe zu tun. Irgendwie war es...beruhigend.

"Wer hat dir das beigebracht?", wollte Yuriy leise wissen.

"Ein alter Barde. Ich hab ihn für einige Zeit begleitet.", antwortete Kai. "Ich war dreizehn; das war kurz nach meiner Flucht."

"Hmhm." Yuriy lehnte sich zurück und schloss die Augen, als Kai begann eine leise Melodie zu spielen. Nach und nach verstummten die Gespräche und die Gruppe versammelte sich um Kai und das Feuer.

Schweigend und hingerissen lauschten sie alle der leisen Melodie, die Kai mit geschickten Fingern seiner Balalaika entlockte, und die vom Wind getragen in den Himmel schwebte und verklang.
 

~~~~~~~
 

Das nächste Kappi wird besser. Versprochen! ^^
 

Silberwölfin
 

PS. Wisst ihr eigentlich, dass jetzt nur noch 3 Kapitel kommen und die ganze Sache dann vorbei ist? Oo

Und die Outtakes hab ich auch noch...

Dizzara

Titel: Krieger, Magier und Diebe

Teil: 22/24

Autor: Lady Silverwolf

Anime: Beyblade

Warning: OOC

Disclaimer: Die Hauptcharaktere gehören nicht mir und ich verdiene kein Geld mit dieser Fanfic.
 

"..." reden

//...// denken
 

~~~~~~~
 

So, nachdem ich jetzt wieder ins Mexx kann, kann ich auch ein neues Kapitel hochladen. ^^

Schätze, das Ende von KMuD(ja, es geht aufs Ende zu ;_;) ist nicht ganz so, wie ihr es erwartet. Erst wollte ich alles in einer großen Schlacht enden lassen, aber irgendwie ist das abgedroschen, darum hab ich mich umentschieden. So finde ich es ehrlich gesagt, besser.
 

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@ Spellmaster: Die finden keinen Raum für sich, die armen Jungs. Also passiert auch nix, sorry. Aber ich hab ja gesagt, dass es nur bei Andeutungen bleibt. Und die haben halt auch keine Zeit. Weißt du, warum noch keiner von denen gestorben ist? Ich hab keine Zeit für Trauer. XP

Ich weiß, dass Eier nicht gleich aussehen, ich mein, da gibt es welche, die sind braun und welche, die sind weiß - aber es ist nun mal ein Sprichwort und jeder weiß, was es bedeutet. (Außerdem sind die Gänge auch nicht glitzegleich)

Nun ja, du gibst wenigstens Kommis. Viele machen das überhaupt nicht. Da freu ich mich über die, die ich krieg. ^--------------^
 

@ katzengirl: Okay, was hast du nicht geblickt? *seufz* Das passiert mir öfter, glaube ich. Wenn du Fragen hast, werde ich versuchen, sie zu beantworten.
 

@ saturn0100: 3 Tage? Oo Hab gesehen, das sind schon fast 100 im Mexx. Dass du so viel Zeit hast... Thx für dein Lob. ^///^
 

@ schwarzer_nebel: Bin auch ein Musik-Junkie. Kann's nicht ausstehen, wenn es still ist. Die Situation war 'ne Spontanidee, ich hätte nicht gedacht, dass die Balalaika einmal zum Einsatz kommt. Aber mir gefiel sie.

Ich mag ein Kai, der Angst hat, vor allem vor sowas Kleinem...Großem? Jedenfalls ist Angst im Dunklen ein ganz großer Favorit bei mir. Platzangst würd's auch tun, aber ist nun mal nicht so häufig. ^^'''
 

@ are: Ich auch nicht, aber sowas gefällt mir. Ob's nun 'ne Balalaika, 'ne Gitarre oder 'ne Flöte ist, Kai gefällt mir mit einem Instrument in der Hand. *.*

Es war mies, sonst wär denen ihr Weg klar gewesen. Also, Kai, Jonny und Michael sind zu Hiro, wo schon Gaou, Mao und Zeo waren. Dazu ist dann Olivier gekommen. Die Hatesit(außer Zeo) sind dann los, um Calaminus' Hauptquartier auszuheben. Inzwischen ist der Rest aus Druskill raus und haben Kevin, Max und Kenny zu Hiro geschickt, damit sie Hilfe organisieren. Kai und Co. sind dann mit dem Yuriy und Co. zusammengestoßen, bei der (einzigen) Schlacht. Zusammen sind die dann zum Hauptquartier, während die 3 Kleinen bei Hiro ankamen. Dann ist Michael mit der Nachricht gekommen und die sind dann zusammen(also auch Hiro und Zeo) nach Nijan, wo dann auch der Rest angekommen ist. Verstanden? (Ich hatte da so einen hübschen Plan, auf dem die Orte aufgeschrieben waren, wo alle hin sind. Nachher waren das so viele Striche, dass ich kaum mehr durchgeblickt habe. *drop* So viele Orte waren es ja nicht, weil die immer wieder zu mehreren zurückgekehrt sind.)

Ja, Hillary taucht noch mal (kurz) auf. Als ich KMuD schrieb, kannte ich sie noch nicht so gut.

Immer alles auf die Anderen! *g* Mach ich auch gerne.

Nur 268? Also, KMuD hat bei mir allein schon ~230 und Feuermond auch schon über 100. Und dann noch die anderen? Oo
 

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~~~~~~~
 

Dizzara
 

"Ich glaube, wir haben Glück.", meinte Kai und setzte das Fernglas ab, das Hitoshi mit nach Nijan gebracht hatte.

"Warum?", wollte Takao wissen und starrte blinzelnd zu den Häusern hinüber. Sie hockten zwischen den Blättern und Zweigen verschiedener Bäume und Büsche in der Nähe von Sepun. Die Dämmerung hing noch über der Insel, es wurde langsam heller, allerdings würde die Sonne erst in Kürze aufgehen. Dicke Nebelschwaden bedeckten den Boden, sie waren vom Fluss aufgezogen und verschwanden nur langsam; die Sonne würde die letzten Reste von ihnen vertreiben müssen.

"Weil noch niemand wach ist, du Schwachkopf." Sie waren zu viert - Kai, Rei, Takao und Max.

"Dann lass uns rüber gehen!", verlangte der Blauhaarige und sprang auf. Er hatte lange genug im Busch gesessen und zu dem Haus hinübergestarrt, in dem er aufgewachsen war. Max lief sofort hinter ihm her, die anderen beiden folgten langsamer und immer noch wachsam.

Niemand durfte sie sehen. Wenn auch nur einer sie erkannte und es bekannt wurde, dass sie in Nijan waren, konnten sie einpacken und alle ihre Pläne, die sie am letzten Tag geschmiedet hatten, über den Haufen werfen. Obwohl - so schlimm wäre das auch wieder nicht. Ihre Pläne waren nicht besonders ausgereift gewesen, da sie keine Ahnung hatten, wie die Situation in Nijan aussah. Darum hatten sie schließlich entschlossen, ein paar Kundschafter voranzuschicken. Warum sie die vier gewählt hatten, war allen unklar, aber einer war so gut wie der andere.
 

Takao erreichte das Haus seines Großvaters als erster. Hastig kletterte er auf die Veranda und streifte sich die Schuhe von den Füßen. Dann klopfte er an. "Meinst du nicht, der schläft noch?", spottete Kai. "Er wird dich nicht hören."

"Großvater hat einen leichten Schlaf. Klar hört er mich!" Sie warteten eine Zeit lang, doch nichts rührte sich. Wieder klopfte Takao, lauter diesmal, doch die Reaktion blieb wiederum aus. Der Junge wiederholte sein Anpochen mehrere Male, aber immer blieb alles still.

Schließlich gebot Kai ihm Einhalt, sonst hätte er wohl noch die Tür eingeschlagen und ein solcher Lärm würde die Nachbarn aufwecken. "Keine Chance.", behauptete der Rotäugige. "Wir müssen wohl einsteigen. Oben ist eines der Fenster offen. Rei, kommst du da hoch?" Er deutete auf das Dach des Vorbaus.

Der Zhaon'El nickte sofort. "Klar. Es gibt hier ja genug Möglichkeiten, sich festzuhalten. Wartet einen Moment, dann mach ich euch auf." Es dauerte wirklich nur Augenblicke, dann war der Schwarzhaarige aus ihrem Blickfeld verschwunden. Sie konnten nicht einmal mehr seine Schritte auf dem Verandadach über ihnen hören, nur ein kurzes Quietschen, als das Fenster gänzlich geöffnet wurde, so dass Rei hinein konnte.

"Komisch.", murmelte Takao und runzelte die Stirn. "Großvater hält doch sonst immer alles so gut in Schuss!"

Es dauerte nur kurze Zeit, dann wurde ihnen die Tür geöffnet und Rei ließ sie ein. "Kommt.", flüsterte er und schloss die Tür wieder hinter Max. "Irgendwas ist komisch. Es ist beinahe so, als wäre das Haus bis auf uns leer. Schaut, überall liegt Staub, so, als wäre hier schon lang keiner mehr gewesen."
 

Verwundert sahen sie sich im Wohnzimmer um, aber der Eindruck, den sie bekamen, war nicht besonders positiv. Anscheinend hatte Rei Recht. Niemand lebte mehr hier. Alles war verlassen. Es musste lange Zeit her sein, dass das letzte Mal jemand diesen Raum betreten hatte.

Takao stand einen Moment lang erstarrt im Raum, dann rannte er plötzlich hinaus. Die Anderen konnten ihn die Treppe hinauf poltern hören und seine Stimme, während er nach seinem Großvater rief.

"Ob...die Magier?" Max klang unsicher und besorgt. Er musste an seine Mutter denken und an seinen Vater, der bereits nachgekommen sein musste.

Kai zuckte die Schultern. "Keine Ahnung. Aber ich glaube nicht, dass Takeru noch da ist. Sobald Takao zurück ist, werden wir deiner Mutter einen Besuch abstatten." Er ließ sich ohne Umstände auf das Sofa sinken, von dem eine Wolke Staub aufflog.

"Ich...gehe nach Takao schauen.", meinte Rei schließlich und verließ das Zimmer. Es dauerte eine Weile, bis Rei wieder kam. Takao war bei ihm. Er wirkte unnatürlich ernst, aber gefasst. "Können wir das überhaupt wagen?", fragte Max leise. "Ich meine, unser Haus ist zwar nicht weit weg, aber trotzdem ein Stück."

"Das Risiko müssen wir jetzt eingehen.", bestimmte Kai. "Takao, habt ihr Umhänge hier? Am besten lang, weit und mit Kapuze. Zur Not täte es auch jede Menge Stoff. Am besten wäre es, wenn alles einfarbig und dunkel wäre."
 

"Äh, ja, ich glaube schon. Wartet kurz." Sofort war der Junge verschwunden, froh, etwas zu tun zu haben, was ihn von seinen düsteren Gedanken über Takeru ablenkte. Als er wiederkam, trug er ein riesiges Bündel dunklen Tuches auf den Armen. Er warf den Stoffberg auf den Wohnzimmertisch und sofort wirbelte eine dichte Wolke Staub auf. Rei hustete und Max trat angewidert einige Schritte zurück.

"Kannst du nicht aufpassen?", fauchte Kai Takao an und brach im selben Moment in einen Hustenanfall aus. Als er sich wieder beruhigt hatte, hatten die anderen drei die Stoffe längst entwirrt. Es waren lange, schwere Umhänge, die man ohne Umstände für eine weite Reise durch kühles Gebiet nutzen konnte. "Großvater war früher beim Militär.", erklärte Takao. "Er hat jede Menge Restbestände mitgenommen."

Kai nahm selbst einen der Mäntel an sich und breitete ihn aus. Er war einfach und praktisch geschnitten, hatte aber mehrere Taschen, eine Kapuze, unter der ein Verschluss mit einer kurzen Kette angebracht war, mit dem man das Kleidungsstück am Platz halten konnte. Der Stoff war zwar grob, aber er würde ohne Zweifel warm und auch trocken halten.

"Wofür brauchen wir die Dinger?", fragte Rei misstrauisch und starrte Kai an. Es war ihm anzusehen, dass er nichts von der Idee hielt. "Wir sollen doch nicht so durch die Straßen laufen?"
 

"Doch."

"Aber jeder wird uns bemerken."

"Na und? Das ist doch der Sinn der Sache. Wenn wir so zu Max' Haus laufen würden, würde die beiden dort sicher jemand erkennen. Da Frau Mizuhara weder dich noch mich kennt, wird sie uns natürlich nicht glauben. Außerdem sollten wir uns nicht trennen."

"Wir werden im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen!"

"Ich sagte doch, das ist der Zweck der Übung. Wir werden so offensichtlich Beachtung bekommen, dass wir dem Interesse der Obrigkeit entgehen. Niemand wird sich um Spinner wie uns kümmern. Vielleicht werden sie uns sogar für irgendwelche Jugendliche aus Sepun halten, die jemandem einen Streich spielen wollen." Kai drehte sich um, um den Umhang zu schütteln. Riesige Staubfusseln flogen durch die Luft. Takao und Max machten es begeistert nach. Anscheinend gefiel ihnen die Idee.

"Takao, sind die Mäntel eigentlich aus dem Militär von Sepun?", fragte Kai.

"Ja."

"Werden sie immer noch benutzt?"

"Nein. Es waren Restbestände. Die Umhänge, die zur Zeit genutzt werden, sehen zwar fast gleich aus, aber sie sind aus einem anderen Stoff. Der hier ist nämlich wasserdurchlässig. Die hier sind nicht dicht, wenn es zuviel Wasser ist."
 

"Ach so. Dann ist ja gut."

"Was? Das die Mäntel bereits ausgedient haben, dass sie gleich aussehen oder dass sie nicht dicht sind?", fragte Max frech.

"Dass sie gleich aussehen."

"Ich verstehe.", meinte Rei und befreite nun den Umhang, den er in den Händen hielt, von Staub.

"Ich aber nicht.", behauptete Takao.

"Dann denk nach.", schnaubte Kai und warf den Umhang über die Sessellehne. Er schnallte seine Schwertgurte ab, um sie sich um die Hüfte zu binden.

Max antwortete auf Takaos Feststellung: "Das wird die Leute noch uninteressierter machen. Sie kennen die Mäntel ja alle, da werden sie glauben, dass es irgendwelche Jugendliche sind, die die Mäntel ihrer Väter ausgeborgt haben um sich mit irgendwem einen Spaß zu erlauben. Oder wer sonst braucht schon bei einem solchen Wetter Mäntel?" Er deutete zum Fenster hinaus, wo inzwischen die Sonne schien. Es würde ein heißer Tag werden.

"Ach so.", brummte Takao.

"Achtet darauf, dass man eure Waffen nicht sehen kann.", verlangte Kai. "Die wären nämlich auffällig." Noch einmal schüttelte und klopfte er den Umhang, dann warf er ihn sich um. Kurz darauf war von ihm nichts mehr zu erkennen, außer seinem Kopf auf einem hochgewachsenen Schatten, eingehüllt in einen langen, am Boden schleifenden Kapuzenmantel. Die versilberte Verschlussspange an Brust und Schulter blitzten hell aus dem schwarzen Stoff heraus. Er zog die Kapuze über den Kopf, dann war von ihm nichts mehr zu sehen. "Nun?"
 

"Wer bist du?", fragte Takao grinsend.

"Man erkennt dich überhaupt nicht mehr.", bestätigte Max. Rei nickte zustimmend und hüllte sich seinerseits seinen Umhang. Die beiden Jüngeren taten es ihnen nach. Kurz darauf verließen vier schwarze Schatten das Haus auf die Weise, wie Kai, Takao und Max es betreten hatten, nämlich durch die Hintertür.

Sie schlichen ungesehen zum Wald zurück und nahmen für ihren Weg in die Stadt die Straße. Wo vorher noch Stille geherrscht hatte und alles ruhig gewesen war, regierte jetzt Leben. Kinder spielten auf den Straßen, Erwachsene gingen ihren Beschäftigungen nach. Kleine Gruppen von Leuten standen zusammen und unterhielten sich, manche leise, andere lautstark.

Aber alle Gespräche verstummten und alle blieben stehen, sobald die vier in lange Militärmäntel gehüllte Gestalten auftauchten. "Das ist lächerlich.", behauptete Rei, hielt die Stimme aber so gesenkt, dass nur seine Freunde ihn hören konnten. "Alle Leute starren uns an."

"Das sollen sie auch.", meinte Kai und schritt rasch vorwärts. Selbstbewusst und ohne Zaudern stolzierte er an den neugierig starrenden Leuten vorbei. "Wohin, Max?", fragte er leise.

"Nächste links.", antwortete dieser und versuchte, Kais selbstsicheren Schritt nachzuahmen, was ihm aber nicht gelang. Einzig Takao kam an die etwas provozierenden, Aufmerksamkeit heischenden Bewegungen heran. Und Aufmerksamkeit bekamen sie. Jeder starrte ihnen nach, Kai las Interesse und Neugier in den Gesichtern und Blicken der Leute, aber niemand rührte sich, um ihnen zu folgen. Selbst die Kinder, die ihnen rufen und schreiend hinterher rannten, wurden zurückgerufen. Kai war zufrieden mit der Wirkung.
 

"Wie willst du das eigentlich anstellen?", fragte Rei.

"Was?"

"Dass wir mit Max' Mutter sprechen können."

"Keine Ahnung. Wie wäre es, wenn ihr einmal mit glorreichen Ideen kommt?"

"Wie, du meinst, du weißt noch nicht wie...?!"

"Nein. Uns wird schon was einfallen."

"Deinen Optimismus möchte ich haben."

"Ich dachte, du wärest immer der, der positiv denkt?"

"Heut ist nicht meint Tag."

"Das merke ich. Lass uns nicht darunter leiden."

"Hier ist es.", unterbrach Max plötzlich das Gespräch und nickte mit dem Kopf beinahe unmerklich zu dem Haus zu ihrer linken. Kai nickte und ging ungerührt weiter. "Wo willst du hin?"

"Die Umhänge loswerden. Außerdem werden wir von hinten besser hineinkommen. Wollt ihr jetzt mit oder untätig herumstehen?" Er bog in den Park ein, dann war plötzlich Takao neben ihm. "Kommt. Ich weiß, wohin!", behauptete der Blauhaarige. Rasch und sicher führte er sie tiefer in den Park und dann durch die Büsche, bis sie den Platz erreichten, auf dem Max Hilary und Kenny kennen gelernt hatte.

Takao lachte. "Das kennt niemand außer uns.", behauptete er und nahm den Umhang ab. Die anderen taten es ihm gleich. "Durch den Park kommen wir leicht hinter das Haus von Judy, außerdem können wir uns hier leichter verstecken."
 

Sie ließen die Umhänge in der Laube zurück, dann führte Takao sie rasch durch den Park zurück. Er hatte recht gehabt; es war leicht, jemandem auszuweichen, und sie erreichten das Ende des Parks ohne jemandem zu begegnen. Dann hatten sie nur noch einige Gärten oder Hinterhöfe zu durchqueren, die sie unbemerkt hinter sich lassen konnten, ehe sie im Schatten von Judys Veranda verschwanden.

Max klopfte laut an die Holztür. Kai ließ seinen Blick durch den Garten schweifen. Er war gepflegt und anscheinend kümmerte sich jemand regelmäßig um ihn. Es schien nicht so zu sein, dass Judy und ihr Mann - war sein Name nicht Enishi? Max hatte das einmal erwähnt - wie Takeru verschwunden waren. Max klopfte noch einmal ungeduldig, dann hörte man Schritte und die genervte Stimme einer Frau: "Ja, ja, ich komm ja gleich! Nur einen Moment Geduld!"

Max atmete erleichtert aus und seine Augen strahlten. Es gab keinen Zweifel, dass das seine Mutter gewesen war. Kurz darauf wurde die Tür geöffnet und im Rahmen stand eine zierliche, blonde Frau mit hübschen Gesicht. "Ja? Wer..." Dann riss sie die Augen auf. Einen Moment starrte sie Max nur stumm an, dann riss sie ihn an sich. Max erwiderte die Umarmung, bis Kai sich räusperte und meinte: "Es ist gefährlich, hier zu stehen. Jemand könnte uns erkennen."

"Oh. Ja, natürlich." Judy trat sofort zurück und ließ sie ein. Rasch traten die vier an ihr vorbei und Kai hörte, wie sie hinter ihnen die Tür schloss. "Mum! Bin ich froh, dich zu sehen!", freute sich Max und strahlte über das ganze Gesicht. "Wo ist Dad? Wir waren vorher im Dojo, aber Takeru ist nicht da! Du wirst erstaunt sein, was wir alles erlebt und gesehen haben. Wir haben echt viel gelernt und..."
 

"Max.", unterbrach Kai grob. "Wir haben dafür keine Zeit."

Judy warf ihm einen kurzen Blick zu, sah dann zu Rei und zu Takao und wieder zur ihrem Sohn zurück. "Ich denke, ihr seid nicht hier um euch über unser Wohlergehen zu erkundigen.", sagte sie energisch und sah sich die beiden Fremden noch einmal genauer an.

Rei lächelte zurück und erklärte: "Ich bin Rei Kon. Freut mich, Sie kennen zu lernen. Max hat schon viel von Ihnen erzählt."

"Kai Hiwatari.", stellte sich der Rotäugige knapp vor und sie antwortete: "Mein Name ist Judy Mizuhara, ihr könnt ruhig Judy zu mir sagen. Kommt mit, wir reden in der Küche."

Max seufzte. "Ich werde dir später alles erzählen, ja, Mum?"

"Natürlich." Sie legte ihrem Sohn einen Arm um die Schulter und ging voran. Die Küche war groß genug, dass sie alle einen Platz fanden, auch wenn Kai sich nur an die Küchenschränke lehnte und Rei auf dem Tisch saß.

Judy setzte heißes Wasser auf und erklärte: "Ich mache uns Tee." Nachdem der Kessel friedlich vor sich hin köchelte, setzte sie sich auf einen Stuhl und erklärte: "So, und jetzt erzählt mir, was euch hierher führt."

Rei, Takao und Max sahen Kai aufmerksam an, der sofort begann: "Wir sind auf der Spur der Amulettdiebe. Man hat sicher auch hier in Nijan von ihnen gehört?"

Judy lächelte leicht. "Natürlich. Du selbst hast uns von ihnen erzählt."

"Ja, aber manchmal vergessen Inselbewohner solche Dinge. Jedenfalls haben wir ihre Spur aufgenommen, wenn auch nur durch Zufall. Wir haben sie bis Nijan verfolgt. Sie haben sich mit den Magiern der drei Türme hier zusammengetan. Vorhin waren wir beim Kinomiya Dojo und..."
 

"Großvater war nicht da!", unterbrach Takao aufgeregt.

Judy nickte. "Das kann ich mir vorstellen.", sagte sie. "Hier war einiges los, nachdem ihr geflohen seid." Sie sah die drei Flüchtlinge bedeutungsvoll an. "Wo ist Kenny?"

"Im Versteck, bei den Anderen. Es geht ihm gut.", erklärte Max. "Es geht uns allen gut."

"Überraschend gut.", murrte Kai. "Mehr oder weniger."

Judy überging die Bemerkung und erklärte: "Natürlich kamen die Magier zuerst zu uns, nachdem ihr entkommen seid. Sie haben uns ausgefragt, aber wir haben nichts verraten. Es ist mir - und Hilary und den Kyoujyus übrigens auch - gelungen, mich herauszureden. Sie haben mich nach einiger Zeit in Frieden gelassen, vielleicht auch, weil sie mich brauchten. Jedenfalls geht es Hilary, den Kyoujyus und mir gut. Takeru allerdings hat sich verplappert und daher haben die Magier ihn in Gewahrsam genommen."

"Was?!", brüllte Takao los und sprang auf. "Warte!" Judy hatte sich ebenfalls erhoben und legte dem Jungen beruhigend die Hand auf die Schulter. "Warte, lass mich ausreden." Ein schriller Pfeifton unterbrach sie. Rei ging zum Herd und kümmerte sich um den Tee, während Judy nach der kurzen Unterbrechung weitersprach: "Es ist ihm nichts geschehen - noch nicht. Er saß zwar den letzten Monat im Gefängnis, aber es geht ihm gut!"

"Aber...!", empörte sich Takao und Rei fragte: "Wo sind die Tassen?"
 

"Links oben im Schrank neben dir. Die Magier hätten ihn längst hingerichtet, aber ich sagte euch ja bereits, dass hier einiges geschehen ist.", meinte Judy und drückte den aufgebrachten Jungen auf den Stuhl zurück. Max half Rei, den Tee zu verteilen.

"Ich werde ihn da rausholen!", rief Takao, aber Judy ließ ihn nicht aufstehen. "Dragoon wird..."

"...gar nichts tun.", unterbrach Kai scharf und starrte den Blauhaarigen durchdringend an. "Wenn ihm bis jetzt noch nichts geschehen ist, wird er auch weiterhin am Leben bleiben. Also setz dich, sei still und trink deinen Tee." Takao tat wirklich, was Kai sagte und schlürfte an dem heißen Getränk. Prompt verbrannte er sich und stellte die Tasse hastig ab.

"Und weiter?", wollte Kai von Judy wissen. Die setzte sich wieder und erklärte: "Wie gesagt, man hätte Takeru beinahe hingerichtet, öffentlich sogar, aber das rief die Bevölkerung und die Regierung auf den Plan. Ihnen sind die Magier und ihr Einfluss auf die Insel, ihre Politik und ihre Reichtümer schon lange ein Dorn im Auge."

"Verständlich.", brummte Max. "Darüber hat Michael uns schon aufgeklärt, in Sturmvogels Halle."

"Jedenfalls suchen sie bereits seit einiger Zeit nach einem Grund, die Magier in ihre Schranken zu weisen. Da es in Nijan kein Gesetz gegen die Bündniskrieger gibt, ist das Wissen, das jemand einer ist, natürlich ebenfalls nicht strafbar."
 

"Wäre ja närrisch.", murmelte Takao und nahm einen Schluck von dem inzwischen kühleren Tee.

"Jedenfalls wurde scharf gegen die Hinrichtung Takerus, die Hetzjagd auf euch und das Verhalten der Magier protestiert. Die Magier konnten diese Schmähung nicht auf sich sitzen lassen und verlangten sie sofortige Durchführung der Exekution.

Sie reden von Gefährdung der Bevölkerung durch die Bündniskrieger und Bedrohung der Insel und der Öffentlichkeit. Die Regierung hält dagegen, die Bündniskrieger seien nie negativ aufgefallen - man hat hier ja nur von ihnen gehört. Dass von ihnen - beziehungsweise von euch - ein paar hier sind, kam nie auf bis zu dem Tag, an dem man Kai als Bündniskrieger enttarnte.

Jedenfalls weigert sich die Regierung, Takeru aus dem Inselgefängnis zu entlassen. Er ist dort sozusagen zu seinem eigenen Schutz, also mach dir keine Sorgen, Takao. Seit dem Tag ist die Bevölkerung Nijans in zwei Hälften gespalten. Eine, die für die Magier ist und eine die dagegen ist. Jeden Tag gibt es Streitereien und Demonstrationen, die Leute reden sich die Münder fusslig und verlangen die endgültige Begnadigung Takerus und damit aller Hatesit oder eben die Hinrichtung deines Großvaters, Takao."
 

"Oh.", machte jemand. Das schien Kai ein angemessener Kommentar zu der derzeitigen Situation in Nijan zu sein. So etwas hatte es noch nie gegeben! Nie war jemand öffentlich für die Hatesit eingetreten. Nie war jemand entkommen, der mit ihnen zu tun hatte und gefasst worden war. Nie hatte sich die Regierung einer Insel gegen die Magier gestellt.

"Das...das ist...unglaublich!", brachte Max hervor und die anderen drei Jungen nickten.

Judy lächelte. "Aber es ist war und es ist gut. So etwas hätte schon vor langer Zeit geschehen sollen! Auch Bündniskrieger sind Menschen, keine Teufel oder Dämonen, zu denen sie von den Magiern gemacht werden."

"Das alles geht viel tiefer, als wir alle uns vorstellen können.", murmelte Kai nachdenklich. "Wenn Takeru begnadigt wird... Die Macht der Magier wäre für alle Zeiten gebrochen. Nie würden sie wieder so stark werden wie sie jetzt sind, am Höhepunkt ihrer Macht." Er schwieg einen Moment. "Wenn er allerdings hingerichtet wird -" Takao unterbrach ihn mit einem empörten Aufschrei, aber Kai achtete nicht auf ihn "- werden wir Hatesit auf immer Geächtete sein. Wisst ihr eigentlich, wie schwer diese Entscheidung wiegen wird? Weiß die Regierung von Nijan das?"

Es herrschte atemlose Stille, dann schüttelte Judy den Kopf und meinte: "Dass die Sache solche Auswirkungen haben wird, habe ich...nicht geahnt. Niemand in Nijan hat das, glaube ich."
 

"Das liegt daran, dass ihr keine Hatesit seid."

"Mum.", begann Max und unterbrach damit Kai, der noch etwas hatte sagen wollen, doch jetzt schwieg er und ließ den Blonden reden. "Mum, du gehörst doch auch zu den Leuten, die sich den Mund fusslig reden, oder?"

Judy sah ihn kurz an und nickte dann. "Ja. Ich kann doch nicht zulassen, dass etwas gegen meinen Sohn entschieden wird." Sie lächelte. "Außerdem stimmt es doch, wofür wir uns einsetzen. Die Hatesit - so nennt ihr euch doch? - dürfen nicht weiter die Feinde des Volkes sein, sondern ein Teil davon."

Kai zuckte die Schultern. "Bis zu diesem Ziel werden noch einige Generationen vergehen.", bemerkte er. "Und es sollte uns eigentlich jetzt egal sein. Die Amulettdiebe sind wichtiger, Judy, sie wollen die gestohlenen Amulette für einen Zauber nutzen. Danach werden die Tisetah sicherlich sterben und wenn das geschieht, werden viele von uns sterben. Wir müssen das verhindern unter allen Umständen."

"Sonst haben die Magier so gut wie gewonnen.", erklärte Rei leise und seine Finger krampften sich um seine Tasse. Er dachte an Driger, der sich ebenfalls in den Händen von Calaminus befand...
 

"Morgen ist Gerichtstag. Dort soll sich Takerus Schicksal entscheiden.", erklärte Judy. "Bringt es vor."

"Wie bitte?" Rei fuhr auf. "Aber..."

"Wir müssten persönlich vor den Richter.", sagte Kai. "Das ist unmöglich. Die werden uns lynchen."

Judy schüttelte lächelnd den Kopf. "Nein. Ich denke nicht. Außerdem hast du doch gesagt, dass viele von euch sterben werden, wenn ihr die Amulette nicht wieder erhaltet. Was macht es da aus, wie ihr getötet werdet? Außerdem könnt ihr doch etwas erreichen! Zudem..."

Die Türglocke unterbrach sie. "Wer ist denn das, Mum?", fragte Max. Judy lächelte ihn nur an, ehe sie aufstand um zur Tür zu gehen. Kai nippte an seiner Tasse. Kam da Hilfe? Kurz darauf hörten sie das Klappen der Tür, die geöffnet wurde und die schrille Stimme einer Frau, bei deren Klang Kai unwillkürlich sein Gesicht verzog. "Judy, meine Liebe! Schön, dich zu sehen!"

Judy antwortete ruhig, aber ihre Stimme klang beherrscht. "Wir haben uns erst gestern gesehen, Malinda. Aber komm doch rein. Die Anderen sind noch nicht da." Die vier in der Küche warfen sich Blicke zu. Die Anderen? Wen mochte Judy erwarten?

"Warte, ich helfe dir mit deinem Mantel.", bot Judy an, doch Malinda wehrte ihre Hilfe ab: "Aber nicht doch, nicht doch, meine Liebe! Das ist doch nicht nötig!" Ein paar Geräusche ertönten, aus denen Kai schloss, dass Judy der Frau doch aus dem Mantel half und das Kleidungsstück anschließen aufhängte.
 

"Geh doch schon mal ins Wohnzimmer und setz dich, Malinda. Ich komme gleich nach und bringe den Tee."

"Natürlich, natürlich." Eilige Schritte waren zu hören. Zum Glück lag das Wohnzimmer auf der anderen Seite des Flures, so dass Malinda nicht in die Küche einsehen konnte. Allerdings mussten sie leise sein, da Küche und Wohnzimmer durch das Esszimmer miteinander verbunden waren. Judy kam zu ihnen. Laut klapperte sie mit einigen Tassen und der Teekanne. "Heute kommen ein paar Leute zu mir, damit wir die Verteidigung für Takeru planen können. Das zieht sich schon seit einigen Tagen. Hört gut zu, ich werde nachher auf euch aufmerksam machen, in Ordnung?"

Kai nickte und setzte sich auf Judys freigewordenen Platz. Die Frau nahm das mit Tassen, Tellern und Besteck beladene Tablett auf, dass neben einem Schrank stand und verschwand durch das Esszimmer. Vorher flüsterte sie allerdings noch: "Holt euch was zu essen und macht es euch gemütlich. Das kann länger dauern. Übrigens kommen Hilary und die Kyoujyus auch und dein Vater ist aufgehalten worden und noch in Emerna, Max." Dann bog sie um die Ecke.

"Noch in Emerna?", fragte Max leise und schüttelte den Kopf.

"Unwichtig.", befand Kai. "Wer ist die Frau? Malinda?"

"Malinda Fitzroy, denke ich. Eine Industrielle. Und sehr erfolgreich, auch wenn du es nicht glauben willst.", antwortete Takao leise. "Sie ist sehr erfolgreich und knallhart." Er zuckte die Schultern und lehnte sich zurück.

"Das kann ja heiter werden.", murmelte Rei.
 


 


 

"Wo bleiben die denn?" Kenny lief schon zum wiederholten Male in den Wald, nur um wieder zurück zu kommen.

"Vielleicht wurden sie aufgehalten.", meinte Yuriy gelangweilt und legte eine Karte. Er, Ivan, Lee, Kevin und Michael saßen um einen Stein herum und spielten ein Kartenspiel. Himmelskönig hatte das Deck aus einer seiner Taschen gezaubert um ihnen die Zeit zu vertreiben.

Kenny war die letzten Stunden beinahe vor Sorge vergangen. Jonny, Sergej und Gaou dagegen lagen ruhig unter einem Baum und dösten vor sich hin, Mao war mit Hiro und Robert in ein Gespräch über die Wüste und den Handel vertieft, Bryan bewachte noch immer Zeo, der scheinbar langsam alles dafür tun würde, dem starren Blick der stechenden, grauen Augen zu entkommen, und Olivier hockte in der Nähe und unterhielt sich leise mit Dizzy. Anscheinend ging es um ein ernstes Problem, denn Dizzy zeterte weder noch spottete sie.

Kenny war der einzige, der sich ernsthaft Sorgen machte, wo Kai, Rei, Takao und Max denn blieben - zu Recht, denn die Sonne stand schon im Zenit und vor kurzem hatte jemand gemosert, er hätte Hunger, jemand solle doch Essen machen. Natürlich hatte sich niemand angesprochen gefühlt und so war die Feuerstelle kalt geblieben.
 

"Lass das Rumgerenne.", forderte Lee Kenny auf. "Kümmere dich lieber um das Essen."

"Warum tust du es nicht, wenn du Hunger hast?", spottete Ivan und blickte nachdenklich sein Blatt an.

"Damit das Nervenbündel da beschäftigt ist! Komm schon, Kenny. Das Gewusel bringt nichts. Wir haben gesagt, wir kommen erst am Abend nach."

"Aber wenn sie erwischt wurden!"

"Dann können wir es auch nicht ändern! Entweder wir würden sowieso zu spät kommen oder morgen wäre die Situation dieselbe!", belehrte Jonny den Bebrillten, der plötzlich hinter ihm stand.

Kenny zuckte heftig zusammen. "Erschreck mich doch nicht so!", fauchte er.

"Komm, hilf mir, was zu Essen zu machen, dann bist du abgelenkt und die da hören auf zu nörgeln, dass sie nichts im Magen haben!"

Kenny seufzte ergeben. "In Ordnung."

Die beiden brachten tatsächlich ein genießbares Essen zustande. Jeder musste zugeben, dass es schmeckte. Schließlich stellte Olivier seine Schüssel weg und seufzte wohlig. "Jetzt kann ich wirklich nichts mehr essen. Das sind die besten Voraussetzungen."
 

"Für was?", fragte Byran misstrauisch. Er hatte tatsächlich Zeo einmal aus dem Blick gelassen um den Magier anzusehen.

"Für einen Zauber."

"Was hast du vor?", wollte Lee alarmiert wissen.

"Nichts, was uns gefährden könnte, keine Sorge. Aber Dizzy ist noch immer in dem Spiegel eingesperrt."

"Du willst sie befreien?!", fragte Kenny aufgeregt und sprang auf.

"Ja. Wir haben uns vorher darüber unterhalten und sie will um jeden Preis wieder frei sein."

"Wann willst du das jetzt gleich tun? Ist das schmerzhaft? Gefährlich? Dauert es lange?" Kenny war ganz hibbelig. Anscheinend hatte er Kai und seine Begleiter in Sepun vollkommen vergessen.

"Ja. Nein. Nein. Nein.", antwortete Olivier. "Aber ich brauche Ruhe, bitte, und ein paar Zutaten."

"Schön. Sollen wir dir irgendetwas frei räumen?"

"Das Feuer. Ich brauche heißes Wasser und ein paar Kräuter, außerdem dein Blut, Kenny, und einen Stein."

"Kräuter?", fragte Mao. "Wir haben welche. Was brauchst du denn?"

"Einen Stein? Muss das etwas besonderes sein?"

"Nein, ein ganz normaler. Gleich, Mao." Es brach kurz Hektik aus. Nur Zeo und Bryan, der Stahlklaue wieder im Blick hatte, halfen nicht bei den Vorbereitungen. Schließlich hockte Olivier neben dem Feuer, vor sich eine Schüssel mit heißem Wasser, in dem ein paar Pflanzen schwammen und ein Stein lag. Kenny saß gegenüber, die alle Anderen - einschließlich Zeo und seinem Hüter - hatten sich um sie versammelt. Man bekam ja nicht jeden Tag Gelegenheit, bei einem Zauber zuzusehen, denn die Magier taten das meist hinter verschossenen Türen.
 

"Jetzt dein Blut, Kenny.", meinte Olivier. Bereitwillig streckte der Angesprochene die Hand aus und ließ sich kurz in den Finger ritzen, obwohl er sonst jede Art von Schmerz verabscheute. Der Magier ließ ein paar Tropfen in das inzwischen nur noch warme Wasser fallen, dann schob er Kennys Hand zurück und nahm den Spiegel, um ihn in die Schüssel zu legen.

"Was passiert jetzt?", fragte Kevin aufgeregt und rutschte auf dem Stein herum, auf dem er gerade saß. Ein vielstimmiges "Scht!" folgte, während Olivier ein Grinsen unterdrücken musste. So still müssten sie nun auch wieder nicht sein. Er war geschult darin, seine Konzentration auf die Zauber auch in hektischen, angespannten Situationen zu halten. Was nutzte ein Kriegsmagier, der sich vom leisesten Geräusch ablenken ließ? Man konnte die Krieger nicht bitten, mal kurz in ihren Kämpfen innezuhalten, damit man einen Zauber wirken konnte.

Er konzentrierte sich wieder auf die Schüssel und den Spiegel und machte er einige komplizierte Fingerzeichen darüber, während er die Worte des Zaubers vor sich hinmurmelte. Alles lief ohne viel Klimbim ab, denn das war nur für die anschließend beeindruckten Zuschauer gedacht, nicht wirklich von Nöten. Kurz darauf gab es einen lauten Donnerschlag, der über die Lichtung hallte und dann hörte man ein lautes Kreischen.

Die Schüssel zersprang in tausend Scherben und Olivier rutschte hastig zurück. Dass der Zauber eine solche Wirkung hatte, hatte er nicht gedacht. Lautes Flügelrauschen ertönte, während eine Wolke schwarzblauer, wabernder Nebel aufstieg, und dann riesige Flügel und ein mächtiger, muskulöser, aber schlanker Körper in den Himmel schoss.
 

Blau gefiederte Schwingen mit der enormen Spannweite von mindestens fünf Metern verdunkelten die Lichtung und die schillernden Schwanzfedern schlugen Olivier ins Gesicht. Ein Schrei wilder Freude hallte über die Lichtung, dann schoss die große Harpyie in den Himmel.

"Nein!", brüllte Lee, der einen klaren Kopf behalten hatte. Alle anderen starrten beeindruckt zu der eindrucksvollen Gestalt der Harpyie mit der spitzen Zunge. "Komm zurück! Niemand darf dich sehen!"

Einen Moment sah es so aus, als würde Dizzy Lees Befehl einfach missachten und sich in den Himmel schwingen, aber dann kam sie zurück. Ihre riesigen Schwingen ließen einen mächtigen Wind entstehen, als sie vor Kenny auf den Boden sank. Der Junge starrte sie wie verzaubert an, dann lächelte er. "Dizzy."

Die um sie Versammelten sahen sich kurz an und wandten sich ab. Das war kein Moment, den Außenstehende stören sollten. Dizzy lächelte. "Hallo, Kenny. Lange nicht wirklich gesehen, was?" Sie breitete die Schwingen aus, um Kenny an sich zu drücken, was zwar schwierig, aber nicht unmöglich war.

Als sie den Jungen wieder freigab, war dieser knallrot, und schien nicht zu wissen, wo er hinsehen sollte. Schließlich hatte Dizzy den Oberkörper einer Frau und schien nicht viel von Kleidung zu halten. Er hatte gedacht, daran hätte er sich gewöhnt, weil er sie ja so oft im Spiegel oder als Scheinbild gesehen hatte, aber es zu sehen und es zu fühlen waren zwei paar Schuhe.

Dizzy zog eine Augenbraue hoch und spottete unschuldig: "Was ist denn? Bist du das nicht gewohnt?"
 

"Äh...ich...nun, ich..."

"Komm schon, Kenny, hab dich nicht so!" Sie beugte sich zu ihm herunter. "Jetzt können wir richtig kämpfen! Soll ich dir zeigen, was ich alles draufhabe?" Er starrte sie an.

Währenddessen starrten Lee und Yuriy sorgenvoll in den Wald. "Ob sie jemand gehört oder gesehen hat?", wollte der Zhaon'El leise wissen.

"Das können wir erst mit Sicherheit sagen, wenn plötzlich Magier neben uns stehen.", antwortete der Rothaarige.

"Was machen wir, wenn das geschieht?"

"Kämpfen? Abhauen?"

"Vielleicht sollten wir jetzt schon weg."

"Dann verpassen wir Kai und die Anderen."

"Wir können jemanden hier lassen, der sie zu uns bringt."

"Allein? Keine gute Idee. Gegen Magier hätte er kaum eine Chance. Und - schau uns an. Wie viele Hatesit sind wir? Wen auch immer die erwarten, so viele ganz sicher nicht. Und wir sind ja nicht grad die Schwächsten."

"Ich glaube du hast recht."

"Natürlich habe ich das."

"Du gehst mir auf den Keks."

"Du mir auch."
 

~~~~~~~
 

Okay, war das jetzt realistisch oder nicht?
 

Silberwölfin

Gericht

Titel: Krieger, Magier und Diebe

Teil: 23/24

Autor: Lady Silverwolf

Anime: Beyblade

Warning: OOC

Disclaimer: Die Hauptcharaktere gehören nicht mir und ich verdiene kein Geld mit dieser Fanfic.
 

"..." reden

//...// denken
 

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Hier bin ich mit einem neuen Kapitel, etwas spät zwar, aber besser spät als gar nicht. ^^'''''
 

Wie ihr im letzten Kapitel schon gemerkt habt, ist das Ende ein wenig anders, als man erwarten könnte. Ich hoffe, ich habe die Sache mit dem Gericht und der Verhandlung und so richtig ins Bild setzen können. Mir kommt es etwas zu...unintensiv(?) vor. -.- Aber ich hab ewig an der Szene rumgeschrieben und keine Ahnung, was ich noch ändern könnte. Also hab ich's gelassen.

Im Übrigen hatte ich die Szenen erst vollständig, hab mich aber dann doch zur Trennung entschieden. 'Spannung aufbauen' nennt man sowas wohl.
 

**
 

@ Spellmaster: Ich finde, man kann bei Fantasy schon von Realismus sprechen. Wenn ich zum Beispiel schreibe, einer kann in der Luft laufen, ist das unrealistisch. Wenn ich sage, er kann in der Luft laufen, weil er besondere Schuhe hat, die ihm diese Fähigkeit verleihen, ist das okay.

Die schwarzen Mäntel haben dich an was erinnert? Ich steh grad auf dem Schlauch. Außer den Nazgul und den Dementoren fällt mir da niemand ein, aber die haben nix mit dem hier zu tun. ?.?

Ein Gespräch gibt es. Ganz am Schluss, aber nur ganz kurz.
 

@ Katzengirl: Jo, ohne Realität geht's nüscht.
 

@ Sesshi-Chan: Ne, das hier war nur ein Übergangskapitel. Ich kann sie ja nicht plötzlich nach Nijan zurücksetzen. Aber es war wichtig, von wegen Dizzy und so.

Was die dem Richter verzählen erfährst du gleich.

Mit der Frage, ob es realistisch ist, meinte ich eher die Sache mit den Mänteln und so.

He, was glaubst du, wie Kenny kucken sollte?

>Ob der letzte Dialog realistsich war? O.o

>Hast du dir ma deine FF angeguckt? XD

?.? Wie soll ich das jetzt verstehen? Ist es jetzt realistisch oder nicht?
 

@ schwarzer_nebel: Ich hatte auch erst einen ganz klassischen Showdown vor. So von wegen bringen die Magiertürme zum Einsturtz und so. Hab das aber dann doch gelassen.

Klar freuen die sich. XDDDD

Kai hat nicht mehr die Gelegenheit. Aber Yuriy. Und Olivier.

Ich mag's nicht, wenn es zuuu abgedreht ist. Ich will einen Grund haben und wenn der noch so an den Haaren herbeigezogen ist.
 

**
 

~~~~~~~
 

Gericht
 

"Ob die wirklich eine Verteidigung für deinen Großvater vorbereiten?", murmelte Max. "Die streiten sich doch nur!"

"Ich hätte nie gedacht, dass das so schwer ist.", meinte Hilary und goss das heiße Wasser durch den Teesieb. Sie lauschten mit einem Ohr in das Wohnzimmer hinüber, wo mehrere bedeutende Persönlichkeiten Nijans heftig stritten. Judy sowie Kennys Eltern und Hilary hatten schon seit längerem kein Wort mehr zu der Diskussion beigetragen, die in Wirklichkeit nur noch ein kindischer, unwürdiger Streit war.

Wenn die am nächsten Tag die Verteidigung Takerus übernehmen würden - na dann, gute Nacht! Die Verhandlung würde zu einer einzigen Farce verkommen und die Magier den Zuspruch in der Tasche haben! Ungeduldig klopfte Kai mit den Finger auf den Tisch. Wenn die nicht bald zu irgendeiner Entscheidung oder zumindest zu einem Fortschritt - mehr verlangte er doch gar nicht! - kommen würden, würde er explodieren!
 

"Aber, aber, meine Liebe, das ist doch nicht..."

"Ich sagte Ihnen aber, das wird nicht..."

"Ihre Idee ist doch nicht durchzuführen! Ich denke, wir sollten..."

"Was Sie da vorhaben, kann nicht..."

Jeder unterbrach jeden und alle redeten durcheinander. Man konnte kaum ein Wort, geschweige denn einen ganzen Satz hören. Wie wollten die zu einer Entscheidung kommen?! Wie wollten die wirkungsvoll gegen die einträchtige Front der Magier ankommen?! Die hatten ja nicht einmal einen Wortführer!

Es war klar, warum diese Leute gegen die Magier kämpften. Wenn sie tatsächlich siegten, müssten sich die Türme aus dem öffentlichen und vor allem aus dem politischen und wirtschaftlichen Leben Nijans herausziehen und es würde ein enormes Machtvakuum entstehen, da sie natürlich allen Einfluss verlieren würden. Jeder der Männer und Frauen wollte dieses Vakuum füllen, aber alle arbeiteten gegeneinander, so dass es wahrscheinlich gar nicht erst entstehen würde.

Es war doch klar, dass die so und auf diesem Wege nichts erreichen konnten! Denen waren die Hatesit und ihr Schicksal und auch Takeru völlig egal! Alles, was sie sich davon versprachen, war Macht. Diese angebliche Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft war doch nur ein Vorwand. Keiner von ihnen hätte auch nur den kleinen Finger gekrümmt, wenn nicht Einfluss und Macht als Preis für den Sieger gewunken hätten!
 

"Wie lange wollen die den noch reden?", murmelte Takao unglücklich. Auch er hatte gemerkt, dass das alles nicht so lief, wie es eigentlich sollte. Dann kam Judy in die Küche. Sie seufzte. Alle Zuversicht war aus ihrem Gesicht gewichen.

"So war es schon die letzten Tage.", meinte sie leise. "Abends, wenn sie gehen, ist man total geschafft, aber am nächsten Morgen sieht die Welt wieder ganz freundlich aus und man glaubt, es könnte endlich eine Besserung stattfinden! Aber man wird immer wieder enttäuscht. Heute sind sie noch immer so weit wie am Anfang. Das ist unglaublich!" Sie raufte sich die Haare und nahm Hilary den Tee ab.

"Nein.", grummelte Kai. "Politik. Wenn die nicht bald mit ihren lächerlichen Streitereien aufhören, werde ich sie dazu zwingen."

"Nein! Tu das nicht!"

"Schon gut. Noch kann ich mich beherrschen."

"Ich hoffe, das bliebt so! Ich weiß nicht, wie sie reagieren werden, wenn plötzlich ein Hatesit vor ihnen steht! Auch wenn sie vorgeben, euch helfen zu wollen, sie werden..."

"Ich weiß selber, was die wollen!"

"Dann ist ja gut!" Judy winkte Hilary. "Komm mit, bevor denen auffällt, dass du ziemlich lange in der Küche herumwerkelst."

"Ach. Das kriegen die doch nicht mit! Die sind viel zu sehr mit ihren kindischen Streitigkeiten beschäftigt."
 

Judy seufzte. "Da magst du wohl recht haben. Am Anfang habe ich mir viel mehr davon versprochen." Judy zuckte die Schultern und ging wieder zurück, gefolgt von Hilary. "Bitte, meine Damen und Herren, wir sind hier doch nicht auf dem Fußballplatz!"

"Frau Mizuhara, bitte, Sie sind wohl kaum in der Lage, zu entscheiden, was in einer solchen Situation angebracht ist.", protestierte jemand.

"Herr Ikegawa, was auch immer angebracht ist, diese würdelose Debatte sicher nicht. So kommen wir nicht zu einer Entscheidung und falls es Ihnen entfallen ist, meine Herrschaften, morgen ist bereits die Verhandlung. Falls wir also wirklich etwas für Takeru und die Hatesit tun wollen, müssen wir heute entscheiden, was. Also, bitte, bewahren sie Ruhe."

"Frau Mizuhara, ich sage es nur ungern, aber..."

"Seien Sie still, Ikegawa, ich bin sicher, Judy..."

"Miss, ich darf doch wohl sehr bitten..."

"Frau Mizuhara hat sicher..."

"Jetzt geht das schon wieder los!", fauchte Takao und fuhr auf. "Ich kann da nicht länger zuhören! Es geht um das Leben meines Großvaters und was tun die?! Sie zanken sich!"

"Takao...!" Kai wollte den Jüngeren am Arm packen, aber dieser war an ihm schon vorbei. Kurz darauf begann er zu brüllen, dass das Haus bebte: "Was denken Sie sich eigentlich alle?! Warum stehen Sie hier herum und zanken sich?! Sie benehmen sich wie kleine Kinder, während das Leben von meinem Großvater auf dem Spiel steht! Was denken Sie eigentlich, was das hier ist? Ein Spiel?! Sie sind doch...!"
 

"Junge, wer..."

"Was suchst du hier, Takao? Ich dachte..."

"Aber du bist doch..."

"Fangen Sie schon wieder an?", empörte sich der Blauhaarige. "Setzen Sie sich gefälligst hin und schreiben Sie auf, wie Sie meinen Großvater verteidigen wollen!"

"Er geht ja richtig energisch an die Sache ran.", murmelte Kai belustigt und folgte ihm. Max und Rei kamen rasch hinterher um sich Takaos bizarre Vorstellung genauer anzusehen. Der Blauhaarige stand mit zu Fäusten geballten Händen vor einer Gruppe gut gekleideter Männer und Frauen und funkelte sie streitlustig an.

Judy sah etwas verzweifelt aus und Hilary grinste schadenfroh, auch wenn sie es hinter ihrer Hand verbergen wollte, während die Gäste verdutzt und beinahe entsetzt den Jungen anstarrten. Ihre Gesichter entgleisten zu fassungslosen Mienen, als Kai mit überkreuzten Armen hinter Takao trat und sie aus kalten Augen anblickte, und schließlich auch noch Rei und Max dazukamen.

"Was...hat das zu bedeuten, Judy?", wollte eine Frau wissen. Kai erkannte sie an der schrillen Stimme sofort als die erste Besucherin, Malinda Fitzroy.

Judy seufzte. "Ich glaube nicht, dass ich Ihnen erklären muss, wer oder besser gesagt, was diese vier Jugendlichen sind. Bitte setzen Sie sich und lassen Sie uns endlich zur Sache kommen." Tatsächlich folgten die Anwesenden ihrem Befehl - nichts anderes war es gewesen - und ließen sich wieder auf die Sessel, Stühle und Sofas nieder. "Die vier sind heute Morgen bei mir angekommen.", erklärte Judy. "Sie sind auf der Suche nach dem Amulettdieb, der bei den Magiern in Nijan Unterstützung gefunden hat. Wenn sie die Amulette nicht zurückerhalten, werden viele Bündniskrieger sterben aufgrund des Zaubers, den der Dieb durchführen will."
 

"Also, das ist ja unerhört!", empörte sich jemand und der dickliche Mann schien es tatsächlich so zu meinen. "Was nehmen die sich eigentlich heraus?"

Diesmal schienen alle Anwesenden seiner Meinung zu sein. "Ich muss ihnen zustimmen, Herr Yoshiro. Das ist nicht länger zu dulden.", ereiferte sich Malinda Fitzroy. Sie klopfte sich ungeduldig mit einem Fächer auf den Handrücken. "So etwas muss unterbunden werden. Ich fürchte, du hast recht, Judy, meine Liebe, dass wir uns unwürdig verhalten haben in den letzten Tagen, aber..."

"Aber Frau Fitzroy, ich darf doch sehr bitten!", protestierte eine Frau und Kai verdrehte die Augen. "Geht das jetzt schon wieder los?"

"Junger Mann, Sie sollten sich aus Dingen, die Sie nicht verstehen, heraushalten und uns nicht kritisieren."

Kai grinste kalt. "Ich verstehe durchaus, was hier abläuft, Miss. Hier geht es darum, wer die Macht erhält, nachdem die Magier weg vom Fenster sind. Stimmt' s oder habe ich Recht?"

Einen Moment starrte ihn alle an, dann lachte Fitzroy etwas zu hoch. "Nein, natürlich nicht! Hier geht es um die Rechte von Mitmenschen, die von den Magiern verfemt werden. Um nichts anderes!"

"Verkaufen Sie uns nicht für dumm.", verlangte Kai. "So blöd sind wir nämlich auch wieder nicht um die offensichtlichen Dinge zu übersehen!"

"Aber, ich darf doch sehr bitten!"
 

"Wer bist du überhaupt, Junge?", fragte ein Mann abschätzig, Ikegawa, wenn Kai sich richtig erinnerte.

Der Rotäugige schenkte ihm einen eisigen Blick. "Man nennt mich Feuerrabe. Das sollte genug sein." Der Name, den er nach Bel Hélen erhalten hatte, war auch hier wohlbekannt, dass merkte er an der Reaktion, die wie gewünscht und erwartet ausfiel.

Die Atmosphäre im Raum änderte sich schlagartig. Vorher hatten sie ihn wie einen unmündigen Jungen behandelt, jetzt sahen sie in ihm, was er wirklich war: ein Krieger, der nicht zu unterschätzen war. "Wenn das jetzt geklärt wäre, können wir ja beenden, was ihr nicht beginnen konntet."
 


 


 

"Bist du sicher, dass das klappt?"

"Warum nicht? Wenn die schon wissen, dass ich übergelaufen bin, merke ich das sofort. Wir haben Yuriy und Michael im Rücken, Unicolyon und Dizzara als Verstärkung. Meinst du, die wären tatsächlich schnell genug, uns irgendetwas zu tun?"

"Nun, nein, aber...ich habe trotzdem kein gutes Gefühl bei der Sache."

"Das liegt daran, dass es gefährlich ist. Kein Zweifel. Aber anders kommen wir nicht in den Turm hinein."

"Das versteh ich ja, aber trotzdem..."

"Mach dir keine Sorgen. Wir müssen die Amulette unbedingt wieder beschaffen! Oder nur Drigers. Und wäre ein besserer Zeitpunkt als die Gerichtsverhandlung, wenn die meisten Magier nicht im Turm sind?"

"Ich sagte doch, ich verstehe das. Aber..."

"Still jetzt. Sonst hören sie uns." Olivier zügelte sein Pferd und rutschte aus dem Sattel. Die letzten fünf Schritte zum Tor des Turmes der Donnersteine führte er es. Kenny tat es ihm gleich.

Die beiden sahen so aus, als wären sie gerade erst in Nijan angekommen. Staubig, verdreckt und müde, kein Wunder, sie waren den ganzen Morgen durch die Wüste geritten um eben diesen Eindruck zu schaffen.

Es war bereits Mittag, die Gerichtsverhandlung sollte bald beginnen. Währenddessen sollten Olivier und Kenny die Amulette - zumindest Drigers, damit sie die Macht der Göttlichen anwenden konnten - beschaffen, direkt aus dem Turm unter der Nase Calaminus' weg. Jetzt blieb nur zu hoffen, dass der Magier tatsächlich in der Schule war und nicht in einem der anderen Türme.
 

Es bestand eine ziemlich hohe Chance, dass dem eben nicht so war, aber sie hatten hin und her überlegt und die Berichte von Judy und Hilary so ausgelegt, dass Calaminus mit seinen Getreuen im Turm der Donnersteine Unterschlupf gesucht hatte. Das war logisch, denn die meisten Gäste der Magier aus Nijan kamen in der Schule unter. Etwas anderes hätte Aufsehen erregt und laut Oliviers Aussage steckten nicht alle Magier mit den Dieben unter einer Decke.

Olivier klopfte. Kurz darauf wurde das kleine Sichtfenster geöffnet und ein altes Gesicht schaute heraus. Es ließ sich nicht unterscheiden, ob es ein Mann oder eine Frau war. "Ja?", quäkte eine Stimme.

Olivier lächelte freundlich. "Guten Tag. Ich bin auf der Suche nach Calaminus. Mein Name ist Olivier LesDemondes und..."

"Ah! Herr Olivier!", unterbrach der - oder war es doch eine Frau? - Alte. "Sie werden schon erwartet! Herr Calaminus ist zur Zeit beschäftigt, aber er wartet auf Ihre Nachrichten!"

Olivier hätte sich beinahe gegen die Stirn geschlagen. Den Auftrag, den er von Calaminus erhalten hatte, hatte er vollkommen vergessen! Das hätte gefährlich werden können. Aber das war jetzt egal. Calaminus war beschäftigt - mit was wohl? - und konnte ihn nicht empfangen. Sie würden die Amulette beschaffen und auf schnellstem Wege wieder verschwinden. Calaminus würde dann sowieso wissen, dass er ein Verräter war.
 

Die Tür wurde geöffnet, so dass Kenny und Olivier mit ihren Pferden eintreten konnten, und hinter ihnen sofort wieder geschlossen. Sie standen auf einem kleinen Innenhof. Gegenüber von ihnen befand sich der eigentliche Eingang zum Turm, links und rechts befanden sich Holzgebäude, wahrscheinlich Stallungen und über sich konnte Olivier einen schmalen Streifen des blauen Himmels erkennen.

"Seien Sie gegrüßt, seien Sie gegrüßt!", quäkte der Pförtner. "Mein Name ist Alfrun und ich bin die Meisterin des Tores im Turm der Donnersteine." Also doch eine Frau! Sie musterte Kenny kurz. "Man hat mir nicht gesagt, dass sie Begleitung haben."

"Das ist nur mein Diener, Kenny."

"Verbürgen Sie sich für ihn?"

"Natürlich. Ich lege für ihn die Hand ins Feuer. Er wird nichts tun, was gegen meinen Willen ist."

"Dann ist alles in Ordnung! Ich werde jemanden rufen lassen, der sich um ihn kümmern kann."

"Nein, danke. Er bleibt bei mir. Lassen Sie jemanden die Pferde versorgen, aber wir werden so schnell wie möglich weiterreisen. Ich möchte, dass die Pferde bereit sind, wenn es soweit ist. Meine Familie erwartet mich."

"Oh! Ich verstehe! Wie Sie wünschen. Aber Calaminus wird noch eine Weile beschäftigt sein! Er ist schon seit gestern mit diesem Ritual beschäftigt."

"Was ist mit Karmaat?"

"Dessen Hilfe wird benötigt. Ebenfalls die von Chargrin und Scaramak."

"Oh. Dann werde ich wohl warten müssen."
 

"Man wird eine Mahlzeit für sie servieren. Da kommt schon ein Schüler, der Sie ein Zimmer führen kann." Der Junge war klein, pickelig und blond. Er war in die Kleidung des Magieschülers gehüllt und wirkte sehr aufgeregt. Immerhin durfte er - er! - einen Spössling aus der berühmten Familie LesDemondes führen und helfen!

Er macht seine Aufgabe trotz seiner Nervosität recht gut und brachte Olivier und Kenny rasch in ein Zimmer, in dem schon ein Mahl aufgetragen war, das verführerisch duftete und beinahe noch besser aussah. Aber Olivier und Kenny wussten, dass sie dafür keine Zeit hatten. Sie mussten die Amulette finden und das möglichst schnell! Anscheinend begann Calaminus gerade, seinen Zauber durchzuführen! Sie mussten das unter allen Umständen unterbinden. Wer mochte schon wissen, was er bewirkte!

Die Amulette vieler Hatesit waren dabei und auch die von Rei, Lee, Kevin, Sergej und Bryan. Kenny blieb bei der Tür stehen und sah sich nach etwas Schwerem um, während Olivier Platz nahm. "Wo führt Calaminus den Zauber durch?", wollte er geradeaus wissen. "Ich habe noch etwas für ihn."

"Ich glaube nicht, dass Meister Calaminus das jetzt noch braucht.", murmelte der Junge schüchtern und gutgläubig. "Aber ich kann es Ihnen gerne nachher zeigen, wenn Sie wollen. Es ist im Silbernen Saal im fünften Stock."
 

"Danke.", antwortete Olivier und nickte Kenny zu. Dieser hatte inzwischen etwas gefunden, was seinen Zwecken dienen würde. Ein schwerer, goldener Kerzenhalter. Er hatte ihn von der Kommode neben der Tür genommen und baute sich hinter dem pickligen Schüler auf. In seinem Bauch hatte er ein etwas mulmiges Gefühl. So etwas hatte er noch nie gemacht. Alle körperlichen Auseinandersetzungen hatte er immer Takao überlassen. Der wüsste immer besser, wo genau er hinschlagen musste, aber Takao war jetzt in Sepun und musste für seinen Großvater sprechen. Also blieb diese Aufgabe an ihm hängen. Er holte aus.

"Ach, und Junge.", begann Olivier.

"Ja?", wollte der Schüler wissen.

Olivier lächelte liebenswürdig. "Tut uns Leid."

"Was?" Dann krachte der Kerzenhalter mit solcher Wucht auf den Hinterkopf des armen Schülers nieder, dass ein dumpfer Laut ertönte. Der Junge brach sofort zusammen. "War...war das nicht zu fest?", fragte Kenny unsicher und stellte seinen Prügel auf die Kommode zurück.

Olivier war währenddessen neben dem Jungen in die Hocke gegangen und tastete prüfend über dessen Hinterkopf. "Nein. Ich denke nicht. Gute Arbeit." Kenny wurde rot vor Freude über dieses Lob. "Komm. Fünfter Stock, Silberner Saal. Wir werden ihn schon finden."
 

Vorsichtig öffnete der Magier die Tür und spähte nach draußen. Der Flur war menschenleer. Rasch schlüpften sie nach draußen und schlossen die Tür hinter sich. Olivier fühlte sich etwas unwohl. Für einen Magier verbot es sich eigentlich von selber, ohne Führer in einem fremden Turm oder Magierhaus herumzuspazieren. Es gehörte sich einfach nicht, weil jeder Turm, jedes Haus ihre eigenen Geheimnisse und Zauber hatten, die natürlich niemand erfahren durfte.

Aber wenn jemand allein herumstrolchte, konnte er doch etwas herausfinden, sei es aus Absicht oder durch Zufall. Olivier schob seine Bedenken beiseite. Dafür war jetzt kein Platz. Außerdem war er ja nicht hier um die Geheimnisse des Turms der Donnersteine herauszufinden, sondern um die gestohlenen Amulette seiner Freunde und Verbündeten zu finden und zurückzubringen! Da konnte man sich solche Heimlichkeiten schon erlauben!

Rasch gingen Kenny und Olivier den Flur zurück zur Treppe. Sie befanden sich im dritten Stock, Kenny hatte mitgezählt. Rasch stiegen sie zwei Treppen nach oben um ihn einem langen Flur zu stehen. Der Boden war mit einem dicken, flauschigen Teppich ausgelegt, der alle ihre Schritte schluckte und an der Wand waren in regelmäßigen Abständen magische Lichter befestigt, die den fensterlosen Flur erhellten. Hin und wieder war eine Tür in der Wand eingelassen und der Gang verlief leicht gebogen, so dass sie sein Ende nicht sehen konnten.
 

"Und jetzt?", fragte Kenny leise. "Wie sollen wir bloß den Silbernen Saal finden? Ich meine, wir können doch nicht in jede Tür hineinschauen! Was wäre, wenn wir die falsche erwischen?!"

Olivier zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung. Wir sollten jemanden finden, der es uns sagen kann."

"Und wen? Hier ist niemand!" Statt einer Antwort setzte Olivier sich in Bewegung und ging zur ersten Tür. Er hob die Hand um anzuklopfen, hielt aber dann inne. Mit einem seltsamen Lächeln betrachtete er die Schnitzereien auf der Holztür. "Beziehungsweise, wir lesen, was an der Tür steht."

Kenny warf einen skeptischen Blick auf die verwirrenden Muster und Ornamente der Schnitzerein. "Da...steht etwas?"

"Ja. Es ist die Geheimschrift der Magier und sehr schwer zu erlernen. Viele wissen überhaupt nicht, dass es sie gibt. Darum ist sie auch so praktisch. Komm." Olivier ging zur nächsten Tür.

"Meinst du, er hat mit dem Zauber schon begonnen?", fragte Kenny leise. Sorge und Angst schwang in seiner Stimme mit. Er wollte nicht, dass die Hatesit starben. Außerdem waren ja auch Freunde darunter.
 

"Ich bin ganz sicher. Die Pförtnerin hat doch gesagt, dass sie schon seit einiger Zeit daran hocken. Hoffentlich können wir das Schlimmste verhindern." Endlich blieb Olivier stehen. "Hier. Silberner Saal." Er nickte zur Tür.

"Was jetzt? Einfach hineinplatzen?", fragte Kenny unsicher.

"Nein. Das wäre das Dümmste, was wir tun können. Sie würden sich zu schnell gefasst haben, als dass wir die Situation überschauen, die Amulette holen und dann wieder verschwinden können."

"Aber was dann?" Statt einer Antwort drückte Olivier das Ohr an die Tür. "Halte Wache!", zischte er dem Anderen zu. "Es wäre eine schwer zu erklärende Situation, sollte mich so jemand sehen!"

Sofort richtete Kenny seine Aufmerksamkeit auf den Gang. Olivier konzentrierte sich, etwas zu hören, aber außer hin und wieder einem Zauberwort, dessen Macht er durch die Tür spüren konnte, erfuhr er nichts. Was nun?
 


 


 

Die gesamte Stadt schien auf den Beinen zu sein. Die Straßen waren vollgestopft mit Leuten, die alle ein Ziel hatten: den Platz vor dem Rathaus, auf dem die Gerichtsverhandlung stattfinden würde. Auf den Straßen waren Lautsprecher und Bildschirme verteilt worden, damit auch ja alle Zuschauer die Verhandlung mitbekommen würden. Auf dem Rathausplatz waren lange Reihen von Bänken aufgestellt worden und weitere Lautsprecher würden dafür sorgen, dass auch der hinterste Zuschauer jedes Wort verstehen würde.

Vor dem Rathaus war ein Podest errichtet worden, links und rechts je eine Tribüne, in der Mitte die Sitze und Tische der Richter, Geschworenen, Kläger und Verteidiger. Den Richtersesseln gegenüber befand sich der Stuhl für die Aussagenden. Die Bühne konnte man über eine Treppe erreichen, die an ihrer Rückseite angebracht war.

Auf den beiden Tribünen saßen - natürlich getrennt - die Magier und Takerus Verteidiger. Kai erkannte viele von denen, die am letzten Tag in Judys Haus gewesen waren und noch ein paar mehr. Sie hatten einstimmig Judy zur Wortführerin gewählt, die nun neben Max und Takao saß. Die beiden Hatesit - so wie auch die anderen aus ihrer Gruppe, falls nötig - hatten sich so vermummt, dass man sie nicht erkennen konnte.
 

Jetzt warteten alle Anwesenden ungeduldig auf die drei Richter, die das Verfahren einleiten würden, und die sechs Geschworenen. Die Richter waren zwei Männer und eine Frau, die zwar unparteiisch sein sollten, dies aber ganz sicher nicht waren. Doch auf welcher Seite sie - und die sechs Geschworenen standen - wusste niemand.

Kai versuchte das Zittern seiner Hände zu unterdrücken, in dem er seine Schwertgriffe umklammert hielt, so dass seine Knöchel weiß hervortraten. //Wann fangen die endlich an? Wenn es noch lange dauert, explodier ich!// Unruhig rutschte er auf seinem Platz ganz hinten auf der Tribüne hin und her und ließ seinen Blick über die Menschenmasse schweifen. Auch sie war unruhig, aber sie warteten gespannt auf das große Ereignis.

Viele von ihnen sahen aus, als würden sie die Gerichtsverhandlung für ein tolles Schauspiel halten, nicht allerdings für etwas Wichtiges, das in die Geschichte eingehen würde, sollten die Verteidiger den Zuspruch erhalten. Vielleicht sogar, wenn die Magier gewinnen würden. Wer wusste das schon? Auf jeden Fall hatte es noch nie eine solche Initiative zu Gunsten der Hatesit gegeben.
 

Kai konnte rasch einige bekannte Gesichter in der Menge ausmachen. Rei, Mao und Kevin, die zusammen auf einer hohen Mauer hockten, zwischen anderen Jugendlichen. Lee und Gaou ganz in der Nähe des Podestes und weiter hinten Sergej, Ivan und Bryan. Robert und Jonny befanden sich ebenfalls in der Nähe der Tribüne. Max und Takao saßen bei Judy, Hitoshi direkt neben Kai. Olivier und Kenny waren auf dem Weg zum Turm der Donnersteine - wahrscheinlich hatten sie ihn schon erreicht. Michael und Yuriy würden ihnen Rückendeckung geben und Zeo hatten sie im Haus der Mizuharas im Keller eingeschlossen.

Kai fragte sich, ob die Sache heute schnell genug über die Bühne gehen würde, um Stahlklaue am Abend schon wieder sein Amulett in die Hand zu drücken und ihn gehen zu lassen. Aber nein, das glaubte er nicht. Wahrscheinlich würde sich diese Verhandlung ewig hin ziehen. Kai sollte es egal sein - solange Olivier und Kenny Erfolg hatten und die Amulette stehlen konnten.

Endlich war es soweit, als die Türen des Rathauses geöffnet wurden. Der Bürgermeister führte den Zug an, der rasch auf das Podest stieg und sich auf die Plätze verteilte. Die drei sahen aus, als verstünden sie ihr Geschäft, souverän und geschäftig. Ob sie hielten, was ihr Aussehen versprach? Bei den Geschworenen - vier Männern und zwei Frauen - verhielt es sich ebenso.

Der Bürgermeister erklomm den Aussagestuhl und nahm ein Mikrofon von einer Helferin in Empfang. In seiner kurzen Rede - ein Politiker, der es tatsächlich schaffte, sich kurz und klar auszudrücken! - begrüßte er die Richter, die Magier, die Verteidiger, das Volk und alle anderen Anwesenden und stellte kurz die Sachlage klar. Aus seinen Sätzen entnahm Kai, dass der Mann tatsächlich verstanden hatte, worum es ging. Nicht nur um Takerus Schicksal - sondern um das Schicksal der Hatesit und der Insel. Um den Weg, den die Zukunft nehmen würde.
 

Dann gab er das Wort an den Ersten Richter weiter und stieg von seinem Podest, um sich auf den für ihn bereit gestellten Platz zu setzen, unter die anderen Mitglieder des Rates, die einen Teil der Magiertribüne erhalten hatten. Der Richter war ein älterer, hochgewachsener Herr mit graumeliertem Haar und ernstem Gesicht. In der schwarzen Richterrobe wirkte er noch strenger und sachlicher.

Sein Name war Oda Yoshida und er war schon sehr lange in seinem Fach und bekannt für seinen Gerechtigkeitssinn und Sachlichkeit. Das zeigte auch seine Stimme, die kühl und beherrscht war. Er begrüßte noch einmal alle Anweisenden der Reihe nach, ehe er die Anklageschrift vorlas, die gegen Takeru Kinomiya vorgebracht war. "Der Angeklagte wird vorgeworfen, Bündniskrieger gedeckt und ihnen zur Flucht verholfen haben. Des weiteren ist er des Verrats an Nijan und Gefährdung der Insel und der Bevölkerung angeklagt. Wir bitten den Angeklagten Takeru Kinomiya nun auf die Anklagebank."

Seine Worte dröhnten von Dutzenden Lautsprechern wiederholt über den Platz und durch die Straßen. Die Menschen waren still, seit er gesprochen hatte, nur hin und wieder hörte man ein Tuscheln oder Flüstern, das aber kaum störte. Kurz darauf wurde erneut die Tür des Rathauses geöffnet und einige Polizisten, die Takaos Großvater in die Mitte genommen hatten, traten heraus und führten den alten Mann auf das Podest auf seinen Platz.

Takeru hielt sich gerade und verzog keine Miene, aber man sah ihm deutlich seinen Stolz und den Willen, sich nicht den Magiern zu unterwerfen an. Als er zu sehen wurde, hörte man einige Rufe, die sowohl die Missbilligung ihm gegenüber, als auch die Sympathie bekundeten. Pfiffe und Schreie wurden laut, Gegröle und Gebrüll hallte über den Platz und es dauerte eine Weile, bis der Richter die Ruhe wiederhergestellt hatte. Es war deutlich, dass die Meinung der Bevölkerung gegenüber den Bündniskriegern geteilt war.
 

"Takeru Kinomiya.", begann der Yoshida. "Sie sind angeklagt, Bündniskrieger gedeckt und zur Flucht verholfen zu haben, Verrat an Nijan begangen zu haben und die Insel und ihre Bevölkerung gefährdet zu haben. Die Kläger sind die Magier von Nijan, des Turms der Donnersteine, des Turms des Windflusses und des Turms der Blitzwolke. Sie waren nunmehr einen Monat in Untersuchungshaft und ein Teil der Bevölkerung, allen voran einige einflussreiche Industrielle, haben sich für Sie eingesetzt.

Des weiteren haben sich mehrere Gruppen aus der Bevölkerung für oder gegen Sie ausgesprochen. In dieser Verhandlung soll entschieden werden, ob den Magiern stattgegeben wird oder Ihrer Verteidigung. Sollte das Urteil gegen Sie gefällt werden, so werden Sie noch am Tage darauf hingerichtet. Sollte jedoch zu ihren Gunsten entschieden werden, sind die Magier der drei eben genannten Türme dazu verpflichtet, sich aus dem öffentlichen, wirtschaftlichen und politischen Leben Nijans herauszuziehen."

Yoshida sah sich um, blickte erst zu den Magiern, dann zu den Verteidigern. Das noch mehr auf dem Spiel stand, als der Richter eben erklärt hatte, war jedem auf dem Platz klar. Die Industriellen, die sich für Takeru eingesetzt hatten, würden pleite gehen. Niemand würde ihnen mehr etwas anvertrauen, wenn sie jetzt versagen würden.
 

"Der Tatablauf besteht wie folgt: Sie sollen ihren Enkel Takao Kinomiya, der laut ihrer Aussage seit etwa vier Jahren ein Bündniskrieger ist, bis zu jenem Tag, an dem er geflohen ist, gedeckt haben. Des weiteren sollen sie einen durchreisenden Bündniskrieger, von dem nur der Name Hiwatari bekannt ist, einige Tage lang versteckt und nach der Entdeckung durch die Magier ihm und ihrem Enkel Takao sowie dessen beiden Freunden Max Mizuhara und Ken Kyoujyu, die ebenfalls Bündniskrieger sind, zur Flucht verholfen haben. Ist das so richtig?"

"Das ist alles wahr.", stimmte Takeru mit fester Stimme zu.

"Bis heute hat man von diesen vier Personen nichts mehr gehört. Am nächsten Tag sind Sie, Herr Kinomiya, von den Magiern befragt und in Gewahrsam genommen worden. Sie haben es lediglich dem Glück zu verdanken, dass Sie nicht sofort hingerichtet worden sind, sondern erst in das Staatsgefängnis von Nijan kamen, wo mehrere einflussreiche Persönlichkeiten auf Sie und Ihren Fall aufmerksam geworden sind und sich für Sie eingesetzt haben. Ist das so richtig?"

"Das ist wahr."

"In Folge dieser Ereignisse hat es viel Aufruhr in Nijan gegeben, bei dem mehrere Menschen verletzt worden und viele Streitigkeiten aufgekommen sind, was natürlich alles nichts mit Ihnen zu tun hat. Darum hat der Rat von Nijan entschieden, die Sache in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung zu entscheiden, damit die Fronten ein für alle Mal geklärt sind." Jetzt sprach Yoshida wieder direkt zu der Bevölkerung. "Es muss allerdings auch gesagt sein, dass im Gesetzbuch von Nijan keine Gesetze für oder gegen die Bündniskrieger stehen. Darum kann dieser Anklage nicht stattgegeben werden."
 

Sofort gellten Pfiffe und Buh-Rufe über den Platz. Ein Teil der Zuschauer machte sich lautstark bemerkbar, wurde aber von dem anderen überschrieen. Yoshida machte eine Pause, bis die aufgeheizten Gemüter sich wieder beruhigt hatten und es erneut still auf dem Platz war. "Bitte, Sie haben das Wort, Herr Kinomiya. Was haben Sie zu den Vorwürfen zu sagen?"

Takeru nahm das Mikrofon, das man ihm reichte, und erhob sich. "Ich sage nur, dass alles stimmt, was Sie da erzählt haben, Herr Yoshida, und dass ich nie daran gedacht habe, anders zu handeln."

Abfällige Rufe wurden im Publikum laut, verstummten aber rasch wieder, so dass der alte Kampflehrer weitersprechen konnte: "Sie müssen wissen, dass mein einziger Sohn und seine Frau bei jenem schiefgelaufenen, leichtsinnigen Experiment der Magier vor acht Jahren ums Leben kamen, wie viele Angehörige der hier Anwesenden."

Zustimmende Rufe und Bekundungen des Beileids wurden laut, aber Takeru ignorierte sie. "Es hat mich wie viele Andere auch, tief getroffen, noch tiefer, da die Schuldigen nie bestraft wurden. Ein Jahr später ist mein ältester Enkel auch noch abgehauen, eine weitere Folge des Experiments."

Kai spürte, wie Hitoshi sich neben ihm anspannte und legte ihm die Hand auf den Arm. "Bleib ruhig. Du willst uns die Überraschung doch nicht vermasseln, oder?"
 

Sturmvogel schüttelte den Kopf. "Schon in Ordnung. Ich werde jetzt nicht aufspringen und Wiedersehen feiern."

"Dann ist ja gut."

"Da blieb mir nur noch Takao. Hätte ich ihn den anzeigen sollen? In der Gewissheit, dass er hingerichtet worden wäre? Ich bin sicher, wenn Sie gründlich über meine Situation nachdenken, werden Sie zu dem Schluss kommen, dass es für mich keinen anderen Ausweg gab.", beendete Takeru seine Verteidigung.

"Sie hätten ihn bekannt machen können!", ereiferte sich einer der Magier.

Takeru wandte sich ihm zu. "Sie haben mir nicht zugehört, mein Herr.", erklärte er höflich. "Und auch nicht nachgedacht." Er setzte sich wieder.

"Wir haben nun die Sichtweise des Angeklagten gehört.", meinte Yoshida. "Bitte, Herr Kinomiya, setzen sie sich zu ihren Verteidigern." Takeru wurde von seiner Wache zu einer Bank vor der Tribüne geleitet und ließ sich auf ihr nieder. "Jetzt bitte ich die Ankläger das Wort zu ergreifen."

Der Hohe Meister des Turms der Blitzwolke erhob sich. Es war ein für diese Position junger Mann, auch wenn er die Fünfzig bereits überschritten haben musste. Er war groß, breitschultrig und wirkte eher wie ein Krieger denn ein Magier. Trotzdem trug er eine die weite Robe des Magiermeisters und sein Gesichtsausdruck war freundlich. Alles in allem wirkte er weise und intelligent, nicht wie jemand, der so verbohrt war, dass er keine andere Meinung zuließ. Kai wusste nichts außer seinen Namen - Milan Selai - von ihm, was daran lag, das die Industriellen und Judy ebenfalls nichts wussten. Er war erst seit wenigen Monaten im Amt.
 

"Ich habe den Standpunkt des Angeklagten gehört und kann ihn bis zu einem gewissen Maße auch verstehen, bis auf den, einen Bündniskrieger - beziehungsweise in diesem Fall mehrere - zu decken, da jeder weiß, wie gefährlich diese sind. Es hätte alles mögliche geschehen können, weil diese drei Bündniskrieger unerkannt unter uns lebten. Von den Kriegern ging nie etwas gutes aus."

"Ha! Rede du nur von der Magie. Das ist wenigstens etwas, das du verstehst!", zischte Kai erbost. Hitoshi nickte bedächtig. Aus dem Publikum kamen einige Rufe. Anscheinend stand er nicht allein mit dieser Meinung da.

Selai fuhr fort, nachdem alles wieder ruhig war: "Auch wenn es sein einziger, noch verbliebender Verwandter war, so war es doch seine heilige Pflicht, ihn zu melden, da er eine Gefahr für Nijan darstellte. Darum..."

"Also, ich darf doch sehr bitten!", explodierte Takeru und sprang auf. "Takao hat Nijan niemals etwas Schlechtes gewünscht und..."

"Herr Kinomiya, beruhigen Sie sich!", rief die Richterin. "Sie haben nicht das Wort." Nur widerwillig setzte der alte Kampflehrer sich. Man konnte ihm seine Wut und seine Empörung deutlich ansehen.

Schließlich sprach Selai weiter: "Darum war die Deckung der Bündniskrieger eine Gefährdung für Nijan und die Bevölkerung der Insel. Stellen Sie sich nur vor, was geschehen wäre, wenn er und seine Freunde ihre Bündnistiere gegen Sepun gelenkt hätten! Sie hätten die halbe Stadt zerstören können, bevor ihnen durch die Magier hätte Einhalt geboten werden können!"
 

Zustimmende Rufe und Hohngelächter ertönten. Darüber schienen die Zuschauer eine sehr geteilte Meinung zu haben. Sehr gut! "Das glauben Sie doch wohl selber nicht!", ereiferte sich Takeru. Diesmal blieb er sitzen, doch Judy erhob sich. "Bitte, darf ich etwas sagen?", bat sie mit klarer Stimme und wandte sich direkt an Yoshida.

Dieser blickte Selai an. "Sind Sie fertig?"

Der Magier nickte. "Fürs Erste.", erklärte er knapp und kehrte auf seinen Platz zurück.

"Bitte, Frau Mizuhara."

Judy nahm Selais Platz ein und erklärte: "Das, was Herr Selai gerade gesagt hat, stimmt nur bedingt. Sie wären niemals weit gekommen mit der Zerstörung der Stadt oder der Insel, auch wenn sie es versucht hätten - was sie natürlich niemals tun würden. Max, Takao und Kenny sind erst seit kurzer Zeit Bündniskrieger und völlig ungeschult im Umgang mit ihren Partnern. So weit ich weiß, hat keiner der drei seinen Partner jemals gerufen in den Jahren. Für Kenny war dies obendrein gar nicht möglich, da sein Partner in einem Spiegel eingesperrt war..."

"Gut so!", brüllte jemand aus der Magiertribüne, aber Judy überging den Einwurf einfach.

"...was wiederum die Schuld der Magier war. Denn dies geschah bei diesem Experiment vor acht Jahren. Damit möchte ich sagen, dass von den drei Jugendlichen keinerlei Gefahr ausging. Es mag stimmen, dass die Bündniskrieger - ob in Gruppen oder allein - Nijan vernichten könnten. Aber das gilt natürlich auch für die Magier. Auch ihre Macht ist groß genug und ich..."
 

"VERLEUMDUNG!", brüllte jemand.

"Nie würden wir dies tun!"

"Diffamierung! Das ist üble Nachrede!"

"RUFMORD!"

"Nijan liegt uns sehr am Herzen!", beteuerten die Magier. Mehr Stimmen ertönten, die dem zustimmten oder die Aussagen bekräftigten.

Judy nickte und lächelte freundlich. Sie sprach erst weiter, als alles wieder still war. "Sehen Sie, werte Magier, das habe ich auch niemals geglaubt. Aber das selbe gilt auch für meinen Sohn und seine Freunde. Auch Sie haben nie daran gedacht, Nijan zu schaden. Ja, im Gegenteil, sie hätten die Kraft und die Macht ihrer Bündnispartner ohne zu Zögern in die Reihen Nijans gestellt, wäre sie von Nöten gewesen."

"Das...das glauben Sie doch wohl selber nicht!", rief Selai aus, doch Judy schüttelte den Kopf. "Doch. Natürlich glaube ich das. Ich kenne doch meinen Sohn."

"Das steht hier nicht zur Debatte.", meinte Yoshida scharf. Er blickte etwas verwirrt drein. "Darf ich Sie fragen, woher Sie so genau über die Bündniskrieger bescheid wissen? Ich meine, Sie sagten da einige Einzelheiten, die für Uneingeweihte eigentlich nicht zu kennen sind."

Judy blickte kurz den Verteidigern hinüber. Einige nickten entschlossen. Kai fragte sich einen Moment, was das zu bedeuten hatte, dann begriff er. Sie wollte die Hatesit jetzt schon ins Spiel bringen! "Sehen sie, wir hatten gestern einen sehr interessanten Tag. Er begann mit einem unverhofften, aber für mich sehr erfreulichen Besuch früh am Morgen."
 

"Bitte, es tut nichts zur Sache, dass Sie gestern ein freudiges, nicht eingeplantes Ereignis hatten, Frau Mizuhara.", unterbrach Selai. "Und wenn Besuch war, der mit Ihrer Meinung über die Bündniskrieger übereinstimmte, dann will ich ihn gar nicht kennen lernen."

"Das müssen Sie auch nicht.", bestimmte Judy, noch immer freundlich, aber Kai spürte ihre Angespanntheit. Sie wusste so gut wie er, dass das, was sie vorhatten, sehr gefährlich war. "Jedenfalls hat dieser Besuch die ganze Sache durcheinander gebracht und auch unsere Planung. Ich hoffe, er wird nicht gelyncht, wenn er gleich hier sprechen wird."

Sie ließ ihren Blick kurz über das Publikum schweifen, ehe sie weitersprach und sich dabei direkt an die Richter wandte. "Wir wissen ja alle, dass es in dieser Verhandlung nicht darum geht, ob Takeru Kinomiya lebt oder stirbt, sondern darum, ob die Bündniskrieger in Zukunft in Nijan willkommen sind oder weiterhin die meisten bewohnten Inseln meiden müssen. Es gibt ja nur wenige Inseln, in denen sie willkommen sind - Canih, Railen, Syrillion und seit drei Jahren auch Bel Hélen, nur um einige Beispiele zu nennen. Ich glaube, es ist an der Zeit, das zu ändern und ihnen auch andere Inseln zugänglich zu machen."

"Bitte, Frau Mizuhara, kommen Sie zur Sache.", unterbrach Yoshida. Während Judys Rede waren immer öfters zustimmende, aber auch ablehnende Rufe ertönt. Kai aber merkte, dass der Beifall überwog. Nur wenig, aber immerhin.

Judy nickte. "Vielleicht sollten wir die Bündniskrieger in dieser Sache selber zu Wort kommen lassen." Das Getöse, das ausbrach, nachdem die Zuschauer und auch die anderen nicht Eingeweihten begriffen hatten, von was Judy sprach, überbot alles. Es dauerte wesentlich länger als vorher, bis sich alle wieder beruhigt hatten. Lautes Lob, üble Beschimpfungen, Hasstiraden und Beifall mischten sich zu einem ohrenbetäubenden Lärm.
 

Judy stand ruhig da und wartete ab. Kais Hände verkrampften sich wieder um die Griffe seiner Schwerter. Jetzt gab es kein Zurück mehr. "Das ist viel zu gefährlich!", murmelte Hitoshi neben ihm und Kai verstand ihn trotz des Lärms. Er schüttelte den Kopf. "Es ist gefährlich, kein Zweifel. Aber wenn die uns lynchen wollen...wir würden davonkommen."

"Bist du sicher?"

"Ganz sicher. Sonst hätte ich dem nicht zugestimmt. Ich möchte nämlich nicht unter den Klauen eines wütenden Mobs sterben."

"Hm."

Endlich legte sich der Lärm wieder. Nur hin und wieder hörte man einige Ausrufe. Judy sprach weiter: "Am besten wäre es natürlich, wenn wir den Betroffenen das Wort übergeben."

Yoshida nickte, überrumpelt. "Natürlich. Es ist Ihre Entscheidung."

"Jungs. Bitte." Judy wandte sich an Max und Takao, die sofort in Bewegung kamen und zu ihr gingen - demaskiert natürlich. "Takao!", rief Takeru aus. Sein Enkel zwinkerte ihm zu und zeigte ihm den Daumen. Dann nahm er von Judy das Mikrofon entgegen. Die Blonde fuhr ihrem Sohn kurz durch die Haare und stellte sich abseits hin. Zwischen die Magier und die beiden Jungen. Auch Kai behielt die Zauberer im Blick von ihnen ging die größte Gefahr aus.

"Also." Takao räusperte sich. Er wirkte nervös. "Es wissen hier ja alle, wer und was wir sind. Da brauche ich nichts mehr zu sagen, nur, dass wir wirklich stolz darauf sind." Höhnisches Gelächter folgte. "Lacht nicht, das ist wahr! Es ist toll, so einen Bündnispartner zu haben!" Dragoon grummelte, was natürlich nur Takao bemerkte. "Vorhin, als Meister Selai uns beschuldigte, wir wären gemeingefährlich und nur darauf aus, allen anderen zu schaden, da war ich wirklich gekränkt." Wieder das Gelächter. Diesmal sah der Junge wirklich verletzt aus deswegen. "Es ist wahr! Fragt die Magier, ob ich gelogen habe!"

Erwartungsvoll richteten sich die Blicke auf die Tribüne mit den Zauberern. Eine Weile blieb es still. "Nun.", begann Selai. "Ich muss zugeben, in diesem Punkt haben wir uns wohl geirrt." Man konnte ihm ansehen, dass er sich unwohl fühlte.
 

Takao grinste triumphierend. "Jedenfalls ist es kein Spaß, aus seiner Heimatinsel gejagt zu werden und dann unverhofft in einen Krieg hineinzustolpern, der zwischen uns Hatesit und den Magiern herrscht - insbesondere denen von Nijan - weil sie sich einer Diebesbande angeschlossen haben, die die Amulette stiehlt." Diesmal waren die empörten Rufe laut. Das riss natürlich viele mit. "Ja, sehen sie, man hat mir auch mein Amulett gestohlen, aber das habe ich zum Glück zurück. Ein paar Freunde von mir - die übrigens auch hier sind - hatten dieses Glück nicht."

Takao warf einen feindseligen Blick zu den Zauberern. "Ihre Amulette haben die Magier immer noch. Und sie sind im Turm der Donnersteine!" Die Eröffnung brachte wieder eine Unterbrechung. Sogar einige der Magier schienen empört ob der Beschuldigung. Wenn auch nicht alle.

"Das...das ist übelste Verleumdung!", rief Selai, doch Takao schüttelte den Kopf. "Wir wissen, dass nicht alle Magier daran beteiligt sind, aber es sind doch einige.", erklärte Takao. "Fragen Sie nur ihre Freunde da!"

"Stimmt das?", forderte der Hohe Meister eine Antwort von seinen Freunden.

"Nun, Meister Selai, es ist so..."

"Stimmt das?!", donnerte Selai.

"Nun,...ja, es stimmt."

"Und warum erfahre ich erst jetzt, dass unsere Gäste gemeine Diebe sind?!"

"Weil..."

"Da haben Sie es!", brüllte Takao dazwischen. "Sehen Sie?"

"Misch dich nicht ein, Junge!", befahl Selai kalt. "Das geht dich überhaupt nichts an." Er wandte sich wieder zu dem Magier um, der gebeichtet hatte. "Wir sprechen uns noch, Biniak! Ist das klar?"

"Ja.", gab der Andere kleinlaut zurück und funkelte Takao wütend an. Takao starrte wütend zurück, so dass Max ihm das Mirkofon abnahm und weitersprach: "Wir sind jedenfalls hier, um zu verhindern, dass ein Zauber mit den Amuletten durchgeführt wird, der den Tod vieler Hatesit zur Folge hätte. Wenn es doch geschieht, können Sie sich auf etwas gefasst machen, Herr Selai! Wir haben die anderen Hatesit verständigt. Sie sind bereits auf dem Weg hierher, ebenso wie das Heer von Syrillion."
 

"Bitte?", rief Yoshida. Er sprang auf. "Das ist interessant, was bei einer Gerichtsverhandlung so alles zu Tage kommt! Heißt das, wir stehen direkt vor einem Krieg mit den Bündniskriegern und auch Syrillion?"

"Natürlich nicht." Max seufzte. "Nur die Magier hier, die die Diebe decken. Mit Sepun und Nijan hat das alles ja gar nichts zu tun." Kai ließ seinen Blick über die Zuschauer schweifen; sie blickten unbehaglich drein. Zum einen wussten sie, dass die Hatesit gefährliche Gegner waren und dann auch noch in solchen Massen! Zum anderen schienen die Magier - oder zumindest ein Teil von ihnen - nicht unbeteiligt an dieser Gefahr zu sein.

"Ich bin sicher..." Max sprach nicht weiter, denn plötzlich bebte die Erde. Kai fühlte, wie sich enorme Mächte begannen zu sammeln und ihr Zentrum lag im Norden: dort, wo der Turm der Donnersteine war.
 

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Wisst ihr was? Wir haben nur noch ein Kapitel vor uns. ;_;

Lasst mir doch ein paar Kommis da, ja?

Silberwölfin

Im Turm der Donnersteine

Titel: Krieger, Magier und Diebe

Teil: 24/24

Autor: Lady Silverwolf

Anime: Beyblade

Warning: OOC

Disclaimer: Die Hauptcharaktere gehören nicht mir und ich verdiene kein Geld mit dieser Fanfic.
 

"..." reden

//...// denken
 

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Das hier ist das längste Kapitel der FF. Aber ich wusste einfach nicht, wo ich trennen sollte und ich wollte es auch gar nicht. v.v Dabei ist es fast doppelt so lang wie die kürzeren Chaps. Na, egal.

Der Showdown ist ein bisschen kurz geworden, aber wenn ich das noch viel ausgebaut hätte, wäre er ein Mist, darum ist er nur kurz.
 

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@ black_ray-jack: Hallo. ^^ Schön, dass du mir noch einen Kommi schreibst, auch wenn die Sache hier schon fast gelaufen ist.
 

@ Saturn0100: Klar, schreib ich weiter. Bzw. ich lad einfach noch das letzte Kappi hoch. Fertig war's ja schon lang.
 

@ Katzengirl: Ja, das hier ist das letzte Chap. Was sollte ich denn noch dahinter bringen? Oo
 

@ Sesshi-Chan: Naja, eigentlich hätten sich die Hatesit gar nicht zeigen dürfen, weil es eben nicht raus war, ob sie nun in Nijan sein dürfen oder nicht. Die sind da ja (politisch und religiös) Verfolgte. XD

Diese Verurteilung zu schreiben hat echt Spaß gemacht. War auch das erste Mal. Dafür war sie gar nicht so schlecht, finde ich.

Jaah, brauchen sie. Wart's ab. ^.~
 

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Im Turm der Donnersteine
 

Bevor Olivier zu einem Ergebnis auf seine Überlegungen kommen konnte, bebte die Erde. Mit einem Ruck fuhr er zurück. "Was...?", begann Kenny erschrocken, aber dann wankte der Turm ein zweites Mal.

"Der Zauber!", rief Olivier. "Der Zauber muss etwas damit zu tun haben!" Macht durchschoss ihn. Was war hier los? Das konnte doch nicht sein! Es war viel zu viel Kraft, die der Zauber benötigte. Olivier konnte es nicht erklären, aber wenn diese Macht nicht bald ein Ventil finden würde, würde sie die Erde oder irgendetwas anderes zerreisen.

Plötzlich brach ohrenbetäubendes Getöse los. Olivier brach in die Knie und presste die Hände auf die Ohren. Neben ihm tat Kenny das selbe. Aber dadurch wurde das Geschrei und Gebrüll der verschiedenen Stimmen nicht leiser. Unicolyon war aufgewühlt, versuchte, seine Panik zu beherrschen.

Olivier erkannte, dass das Gebrüll nicht von außen kam, sondern aus seinem Inneren. Es waren die gestohlenen Tisetah, die da schrieen! Calaminus nutzte ihre Macht! Sie mussten unglaubliche, grauenhafte Qualen erleiden und brüllten ihre Schmerzen in die Welt heraus, obwohl nur die Hatesit sie hören konnten. Kenny und Olivier waren zu spät gekommen!

"Nein!", keuchte Kenny. Auch er hatte begriffen, um was es ging. Was das war, was er hörte. "Nein! Das darf nicht sein!" Mühsam richtete er sich auf, aber dann schien die Macht zu explodieren und er wurde wieder zu Boden geschleudert.

Dann verstummten die Schreie abrupt, die Macht war weg, einfach verschwunden. Es war vorbei. Olivier fuhr auf, während Kenny neben ihm mit den Fäusten auf die Wand und den Boden einschlug. "Nein! Nein! Nein! Nein! Das darf nicht sein!"
 

Olivier fühlte sich schlecht. Sein Kopf dröhnte und seine Sicht verschwamm. Er taumelte und stützte sich gerade noch an der Wand ab, ehe er zu Boden stürzen konnte. War...es das gewesen? War alles umsonst? Calaminus hatte sein Ritual durchgeführt. Die Tisetah waren jetzt...tot?

Er hatte erwartet, wenigstens Todesschreie zu hören, aber das Gebrüll hatte nur den Schmerz verdeutlicht, den die Bündnistiere empfanden. Nicht die Gewissheit, in den Tod zu gehen. Ob das Ritual fehlgeschlagen war? Oder noch nicht beendet? Olivier fühlte, wie das Schwindelgefühl langsam schwand.

Kenny war noch immer wie von Sinnen und brüllte und weinte. "He." Der Magier stolperte zu ihm und schüttelte ihn an der Schulter. Kenny reagierte nicht. "He!" Er rüttelte den Bebrillten fester. Doch dieser reagierte noch immer nicht. "HE!" Endlich sah Kenny auf und hielt mit seinen Bewegungen inne. Seine Fäuste waren blutig; die Steine der Wand und der graue Teppich rot verschmiert.

"Wa...was?", fragte er und zog die Nase hoch. Seine Augen waren rot verschwollen und im Gesicht hatte er Tränenspuren.

"Noch ist nicht alles vorbei. Ich glaube, Calaminus ist noch nicht fertig!"

"Wie...meinst du das?"

"Die Tisetah leben noch. Ich kann es fühlen. Komm, wir holen sie da raus!"

"Aber...vorhin, das war doch..."
 

"...nicht das Ende. Rasch!" Olivier ging zur Tür und öffnete sie. Sie standen vor einem riesigen Saal, der mit hellen, grauen Steinen ausgelegt war. Er wurde von drei großen Zauberlichtern erhellt, die knapp unter der Decke hingen. Diese war so hoch, dass sie noch das nächste Stockwerk umfassen musste und an den Wänden waren lange Regale angebracht, in denen allerlei Kram für magische Rituale und Zeremonien lagen.

In der Mitte des Raumes befand sich ein Podest, auf dem ein großer, bronzener Kessel stand, um den mehrere Gegenstände verteilt waren. Es war ein Dolch, ein Stein, eine Statue und zwei Schlüssel. Auf dem Boden bildeten schwarze, blanke Steinplatten ein Mosaik, das riesiges Pentagramm bildete, in dessen Mitte sich das Podest befand.

In jeder der Spitzen des fünfzackigen Sterns saß jemand. Olivier kannte sie alle. Es waren Seijo, Chargrin, Scaramak, Karmaat und Calaminus. Sie wirkten erschöpft nach dem soeben vollendeten Zauber und bemerkten die beiden Eindringlinge gar nicht. Soeben erhob sich Scaramak und taumelte erschöpft zu seinem zusammengesackten Meister hinüber. Karmaat und Seijo waren ohnmächtig, währen Chargrin auf dem Rücken lag, schwer atmete und mit leeren Augen an die Decke starrte.
 

"Der Kessel!", flüsterte Olivier. "Dort sind die Amulette." Vorsichtig schlichen sie um Chargrin, Scaramak und Calaminus herum, doch diese waren zu erschöpft. Sie bemerkten sie nicht. Olivier half Kenny, auf das Podest zu klettern. Dieser beugte sich über den Kessel. "Und?"

Der Bebrillte nickte. "Ja. Sie sind noch am Leben!" Er klang mehr als erleichtert und glücklich.

Olivier atmete auf. Noch war es nicht vorbei. "Schnell, herunter mit ihm." Ächzend hoch Kenny den Kessel an. Das Ding musste verdammt schwer sein! Außerdem waren Kennys Hände verletzt. Die bronzenen Beine kratzten über den Stein und Olivier blickte erschrocken zu Calaminus und seinen beiden Getreuen hinüber. Aber sie reagierten immer noch nicht.

Ihm kam in den Sinn, wie grotesk diese Situation war. Da stahlen sie direkt unter den Augen ihrer Feinde die Amulette! Konnte das denn sein? Warum bemerkten die sie nicht?! Olivier wusste aus eigener Erfahrung, wie sehr ein starker Zauber oder ein langwidriges, schweres Ritual den Magiermeister erschöpfen konnten, aber solch eine Entkräftung hatte er noch nie erlebt. Trotzdem konnte es sein - manche Zauber waren gar zu stark für die Menschen und würden sie unweigerlich in den Tod reißen, weil sie einfach zu viel Kraft forderten.
 

Kenny schaffte es jetzt, den Kessel über die Kante zu hieven. Olivier half ihm und nahm ihm das Gefäß ab. Beinahe wäre er zusammengebrochen unter dem Gewicht. Er stieß ein Keuchen aus, hielt den Kessel aber fest. Kenny sprang wieder von dem Podest, im selben Moment kam der Bronzekessel mit einem ,Klonk!' auf dem Steinboden aus.

Calaminus, Scaramak und Chargrin kamen in Bewegung und fuhren herum, etwas schwerfällig und müde zwar, aber schnell genug um die beiden zu sehen. "Was...?", begann Calaminus und versuchte, sich aufzurichten. "Was soll das?", fragte er dann und seiner schwachen Stimme konnte man den Zorn deutlich anhören. "Wer wagt es?"

"Schnell.", zischte Olivier und Kenny nahm den Kessel auf um ihn der Tür entgegen zu schleifen.

Calaminus' Augen weiteten sich. "Olivier!"

"Das hätte ich nicht von dir erwartet, Kleiner.", grunzte Chargrin und stemmte sich auf alle Viere. Olivier wurde weiß.

"Verräter!", keifte Calaminus und hob die Hand um ihm eine Flammenlanze entgegenzuschleudern. Ohne Probleme wehrte Olivier sie mit einem magischen Schild ab, so dass sie wirkungslos verpuffte. Im Normalfall hätte Olivier keine Chance gehabt. Von den hier anwesenden Gegnern hätte er nur Seijo besigen können - auch ohne magische Kräfte - und vielleicht auch noch Scaramak. Doch dieser barg noch ein Geheimnis, das Olivier gefährlich werden konnte.
 

Aber Chargrin, Karmaat und Calaminus selbst hätten ihn mit einem höhnischen Lächeln auf den Lippen zermalmt, wenn... ja, wenn sie nicht so erschöpft und ausgelaugt von dem Zauber gewesen wären. Aber sie waren es und Olivier nutzte diesen Umstand ohne Gewissensbisse.

Er wehrte Calaminus' und Chargrins Zauber mit Leichtigkeit ab und gab Kenny einen Stoß, so dass dieser mit dem Kessel nach vorne stolperte. "Geh! Bring die Amulette hinaus. Ruf Dizzara zur Hilfe, aber, verdammt noch mal, flieh! Im Treppenhaus sind Fenster, reiß ein Loch in die Wand, tut, was du willst, aber hau ab!"

"Und du?"

"Ich komm schon nach. Beeil dich!"

"Aber..."

"Geh! Mach schon."

"Ich kann dich doch nicht einfach..."

"GEH SCHON!"

Erschrocken hüpfte Kenny zurück. "Ja!" Er nahm die Beine in die Hand.

"NEIN!", kreischte Calaminus und hob die Hand. Oliviers magischer Schild ließ den Zauber einfach abprallen, dann war Kenny zur Tür hinaus, trotz des schweren Kessels. "NEIN!", brüllte Calaminus wieder. "Das wirst du mir büßen, Verräter! Chargrin! Scaramak!" Er versuchte sich aufzurappeln, aber er war zu schwach. Er schleuderte erneut eine Flammenlanze auf den Hatesit und brach dann ohnmächtig zusammen.
 

Olivier machte, dass er davon kam. Die Flammen schlugen hinter ihm in den Boden ein und hinterließen ein qualmendes Loch. Aber ehe er die Tür erreichte, wusste er, dass es zu spät war. Er musste sich verteidigen! "Unicolyon!", brüllte er, während er wieder herum fuhr und Chargrins Zauber im letzten Moment abwehrte.

Sein Tisetah reagierte sofort und erschien vor ihm als roter Schatten, ehe es feste Gestalt annahm. Wiehernd stieg es und ließ Chargrin zurückweichen. Scaramak fluchte und rappelte sich auf. Er war noch recht fit auf den Beinen; seine Ausdauer musste enorm sein. "Hinterher!", befahl Chargrin und deutete auf Olivier, der eben Unicolyon durch die Tür schickte. Der Hatesit warf noch einen Blick zurück.

Chargrin hockte auf allen Vieren und hob eine Hand zu einem Zauber, während Scaramak auf ihn zulief. "Vollmondlicht, komm herbei!", brüllte Schwarzteufel. Aus seine Hand schossen silberne Lichtstrahlen und hüllten Scaramak ein, während der Zaubernde zusammensackte. Olivier riss entsetzt die Augen auf, als er bemerkte, was die Magie anrichtete, auch wenn er es sich nicht erklären konnte.

Wegen dem silbernen Mondlicht konnte er von Scaramak nur eine Silhouette erkennen, aber das genügte um zu sehen, wie er sich verwandelte. Seine Glieder verzogen sich, sein Körper wurde unförmig, sein Gesicht langgezogen. Er stieß unartikulierte, knurrende Laute aus und krümmte sich vor Schmerz.
 

Entsetzt starrte Olivier auf die Szene, stand wie festgewachsen am Boden. Verwandlung! Das ging doch nicht! Unmöglich! Nie hatte er von einem Zauber gehört, der eine Verwandlung möglich machte! Er merkte kaum, dass er zitterte. Ihm war schlecht. Woher kamen Calaminus und seine Diener, dass so etwas möglich war?!

Er hörte das Reißen von Stoff, als Scaramaks nun kompakterer Körper die Kleidung zerfetzte, die jetzt zu eng für das massige, muskelbepackte Wesen war, in das der Krieger sich verwandelte. Wieder entwich Scaramaks Lippen ein schmerzerfülltes Knurren, das Mondlicht wurde langsam schwächer und Olivier konnte Einzelheiten erkennen.

Ein Wolf! Das war ein Wolf! Wenn auch ein etwas unförmiger, seltsamer Wolf, aber dennoch als Wolf zu erkennen! Die lange, zahnbewehrte Schnauze, die breiten, muskelbepackten Schultern, der buschige Schwanz, die langen Läufe mit den riesigen Pfoten, die glühenden gelben Augen und der struppige, graubraune Pelz. Aber, da waren auch menschliche Züge, die deutlich vom Wolf abwichen und dem Wesen einen unheimlichen Ausdruck verliehen. Die etwas zu langen Hinterbeine, die er gebeugt hielt, die Vorderpfoten, die Händen glichen, mit zu langen Zehen, der intelligente, bösartige Ausdruck in den funkelnden Augen.
 

Der Wolf knurrte und befreite sich mit einem Strampeln der Beine aus dem lästigen Stoff, der ihn noch gefangen hielt und stürzte vor. Im selben Moment kam wieder Leben in Olivier der sich abstieß und in den Flur stolperte. Hastig schlug er hinter sich die Tür zu und hörte kurz darauf einen schweren Körper gegen das Holz donnern. Er fühlte, wie die Tür unter seinen Fingern zitterte, und stemmte sich stärker gegen sie.

Unicolyon stieß ihn an und wieherte warnend, während er den Flur hinunterspähte. Kam da jemand?! Olivier lauschte und hörte Schritte. Da kam jemand! Er musste so schnell wie möglich hier weg! Die Tür würde dem Ansturm des Scaramak-Wolfes sowieso nicht mehr lange standhalten und unter ihm zersplittern als wäre sie morsch.

Mit einem Satz war er auf dem Rücken seines Tisetahs und dieses rannte sofort los. Die Hufen klangen dumpf auf dem Teppichboden und kurz darauf stürzten sie einer Gruppe Magier entgegen, die entsetzt auswichen. Olivier schleuderte ihnen einen Zauber entgegen, der sie gegen die Flurwände schleuderte. Zwei schaltete er damit aus, drei starrten ihm hinterher und folgten ihm dann.

Unicolyon hätte sie in Sekundenschnelle abgehängt, wenn sie auf offenem Gebiet gewesen wären. Nur leider waren sie das nicht. Sie befanden sich in einem Flur, der für das Tisetah zu schmal war, und näherten sich geradewegs einer Treppe. Olivier fluchte. Aber einen anderen Weg gab es nicht.
 

Hinter sich hörte er das Bersten von Holz und ein fürchterliches Heulen. Der Scaramak-Wolf war frei! Die Magier schrieen erschrocken auf und wurden langsamer, hielten mit ihren Zaubern inne. Man konnte nicht hören, wie er sich näherte, aber plötzlich war er wieder da. In dem Gang konnte er sich wesentlich besser bewegen als Unicolyon, da er kleiner und kompakter war.

Scharfe, spitze Zähne krachten aufeinander, als die zuschnappenden Fänge Unicolyons Läufe verfehlten, und ein enttäuschtes Heulen folgte, aber Scaramak gab nicht auf. Noch zweimal hörte Olivier kurz hintereinander das Knirschen der Zähne, aber das Einhorn wich tänzelnd aus, ehe es nach hinten austrat. Ein schmerzerfülltes, hohes Winseln war das Ergebnis und wieder hatten sie einige Augenblicke gewonnen.

Dann tauchte die Treppe vor ihnen auf. "Rasch!", brüllte Olivier und sein Tisetah folgte der Aufforderung. Die Hufe klangen hell auf dem Stein der Stufen, aber Unicolyon musste langsamer laufen. Unruhig sah Olivier sich über die Schulter. Hinter sich hörte er die Krallen des Scaramak-Wolfes auf dem Stein scharren. Das Hecheln und Keuchen klang laut in dem engen Treppenhaus.
 

Olivier hatte Angst, das Herz schlug ihm bis zum Hals. Wer würde ihm das verübeln? Er fühlte sich, als wäre ein Dämon hinter ihm her. Unicolyons Ohren spielten unruhig und er schnaubte. Von unten konnten sie plötzlich aufgeregte Stimmen hören. Was war...? Hatten sie etwas gemerkt? Oder war Kenny nicht entkommen und sie hatten ihn gefangen?

Dann sah er plötzlich den Treppenabsatz vor sich und die Große Halle hinter der Eingangstür. Die Tür stand offen und blendend helles Licht schien hinein. Es war, als ob auf dem Hof Hunderte Spiegel aufgestellt worden waren, die das Sonnenlicht zurückwarfen. Olivier trieb Unicolyon an. Auch wenn er nicht sah, wohin es ging, so war es doch die einzige Möglichkeit, denn hinter sich hörte er das heisere Keuchen des Wolfes. Und diesem wollte er unter keinen Umständen begegnen!

Ein Fluch, Schreie und laute Stimmen, die durcheinander brüllten, furchtsames Pferdewiehern, ängstliches Geschrei und wütendes Gebrüll hallte ihm entgegen. Kurz meinte er, das ein Blitz über den Himmel zuckte, aber er konnte es nicht genau bestimmen, da es sowieso alles zu hell war. Michael? Er bekam die Gewissheit, als ein Blitz in das Dach einschlug und Trümmer auf den Hof prasselten, zumindest hörte es sich so an.
 

Also hatten sie Kenny bemerkt und waren ihm unverzüglich zu Hilfe geeilt! Erleichterung durchflutete Olivier, aber die hielt nur, bis Unicolyon ins Rutschen geriet, kaum dass sie das Gebäude verlassen hatten, und sich verzweifelt darum bemühte, das Gleichgewicht zu halten. Der Magier bedeckte die Augen mit einem Arm und krallte sich mit der anderen Hand fester in Unicolyons Mähne. Einen Moment sah es so aus, als hätte das Einhorn den Kampf gegen die Schwerkraft gewonnen, dann glitten die Hufe entgültig aus und es fiel schwer auf die Seite.

Olivier konnte gerade noch abspringen. Er glitt ebenfalls auf dem rutschigen Boden aus und fühlte die eisige Kälte, die durch seine Kleidung drang. Er fror. Was...? Über ihn glitt ein schwarzer Schatten, den er als den Scaramak-Wolf identifizierte, dann erkannte er, warum der Boden glatt war, warum alles so hell war und woher die Kälte kam.

Die Wände, die Steine des Bodens und des Turmes waren mit glitzerndem, gleißendem Eis bedeckt, hier und da lagen Schneewehen, überall liefen Magier und Schüler herum, die versuchten, sich aus dem Chaos zu befreien. Am Tor sah er die Pferde von Kenny und ihm die voller Panik nach draußen galoppierten, hinter sich ein riesiger, weißer Wolf, mit Kristallen am Rücken und an den Pfoten. Aus seinem Maul ragten zwei lange Reißzähne und auf seiner Stirn glitzerte Gold, während seine buschige Rute bestimmt hin und her fegte. Er war beinahe größer als die Pferde.
 

Das war ein Tisetah! Yuriys Tisetah war doch ein Wolf! Kurz darauf erkannte Olivier den Rothaarigen im Torbogen stehen, ein irres Glitzern in den Augen, die Lippen verzogen zu einem wahnsinnigen Grinsen. Das erinnerte Olivier an die Szene, als er Yuriy das erste Mal gesehen hatte, damals, als er so vollkommen durchgedreht war. Aber noch schien er sich unter Kontrolle zu haben, denn er griff nicht selbst in den Kampf ein.

Hin und wieder glitt der Schatten Trygles über den Hof und jagte den Magiern beinahe mehr Angst ein als der furchteinflößende, weiße Wolf. Sie hatten Bel Hélen nicht vergessen, denn in dieser Schlacht hatte Himmelskönig mit seinem goldenen Adler eine große Rolle gespielt.

Eilig rappelte der Magier sich auf und sah sich nach Unicolyon um, der mühsam wieder auf die Beine kam. Er schien nicht verletzt zu sein und kam zu ihm herüber. Mit einem lauten Schnauben forderte er seinen Partner zum Aufsitzen auf, und Olivier kam der Anweisung gerne nach.

Hastig sah er sich nach dem Scaramak-Wolf um, der auf der Mitte des Hofes lag, alle Viere von sich gestreckt. Verzweifelt versuchte er wieder auf die Beine zu kommen. Unicolyon trabte vorsichtig an ihm in großem Abstand vorbei, sein Reiter ließ ihn nicht aus dem Blick. Dann war er plötzlich wieder auf den Beinen und stürzte mit einem wütenden Heulen hinter Olivier und seinem Tisetah her, die das Tor schon beinahe erreicht hatte.
 

Der Magier hob die Hand, um ihm einen Zauber entgegenzuschleudern, doch dann rauschte plötzlich ein weißer Schatten an ihm vorbei. Es war Wolborg, der sich mit einem lauten Knurren auf den Scaramak-Wolf stürzte und sich in seiner Schulter verbiss. Der Gebissene heulte auf und schnappte nach Wolborgs Läufen, doch er bekam sie erst nach dem dritten Mal zu fassen. Doch der Weiße ließ nicht los, sondern verstärkte nur den Druck seiner Kiefer.

"Pass auf!" Yuriys Stimme riss Olivier aus der faszinierten Beobachtung des wilden Kampfes. Olivier fuhr herum und konnte gerade noch die Hand heben um den auf sich zufliegenden Feuerball abzuwehren. Ein Magiermeister hatte ihn geschleudert und starrte ihn jetzt hasserfüllt an. "Verräter!", keifte er.

Olivier kümmerte sich nicht um ihn. Der Mann war zu schwach um eine ernsthafte Bedrohung für ihn darzustellen. Ein Zauber genügte. Der Mann wurde nach hinten geschleudert und krachte gegen die Hauswand, an deren Fuß er regungslos liegen blieb. "Schnell!", brüllte Yuriy, dann waren Olivier und Unicolyon an ihm vorbei und plötzlich verdoppelte sich ihr Tempo.
 

Yuriy brüllte noch einmal etwas, dann folgte er, einen hinkenden Wolborg auf der Fährte. Michael kam reitend mit einem zweiten Pferd auf den Rothaarigen zu, der sich sofort in den Sattel schwang. Wolborg verschwand in einem roten Schatten, Trygle zog allerdings weiter seine Kreise über ihnen, als sie in den Wald galoppierten. Die Schatten der Bäumen verschluckte sie.

Vor sich konnte Olivier die beiden Pferde erkennen, auf denen er und Kenny in den Turm gekommen waren. Sie schnaubten unruhig, hatten sich aber anscheinend wieder beruhigt. Olivier und Michael packten im Vorbeireiten ihre Zügel und lenkten ihre Pferde dann auf die Stadt zu. Dort, wo Kenny bereits angekommen sein musste und den Anderen von den Ereignissen im Turm erzählen würde.
 


 


 

Der Zauber! Der Zauber hatte begonnen! Oder ging es schon auf sein Ende zu?! Nein, das durfte nicht sein! Kai sprang auf und wollte von der Tribüne stürzen, doch sehr weit kam er nicht. Die Macht brach plötzlich aus und zur gleichen Zeit begann das ohrenbetäubende Gebrüll. Kai wusste, dass es die gefangenen Tisetah waren. Sie schrieen vor Schmerz und Qual. Calaminus wagte es tatsächlich und führte diesen unseligen Zauber durch!

Kai versuchte, das Gebrüll auszusperren, aber er merkte schnell, dass Hände auf die Ohren pressen nichts half. Denn der Lärm kam von Innen. Er hörte es und die anderen Hatesit auf dem Platz hörten es, aber von den anderen Umstehenden bekamen sie nur seltsame Blicke zugeworfen, als sie sich krümmten und die Hände auf die Ohren pressten.

Kai dachte, sein Kopf würde zerspringen, so sehr schmerzte es. Dranzer und Black Dranzer schrieen im Einklang, wollten hinaus und den gefangenen Tisetah zur Hilfe eilen, aber er konnte sie nicht hinauslassen. Was würden sie - insbesondere der Schwarze - sonst anstellen?!

Dann war alles wieder still, mit einem Schlag. Kai keuchte. Er fühlte sich noch immer schwindelig und atmete keuchend. "Kai?" Hitoshis Stimme drang wie von weiter Ferne an sein Ohr. "Kai! Alles in Ordnung?"
 

"Seh ich so aus?", knurrte er zurück und stemmte sich auf seinem Sitz hoch. "Le...leben sie noch?", fragte er und sah Hitoshi direkt an. Er konnte alles nur verschwommen sehen und doppelt, aber er bemerkte trotzdem, dass der Händler mit den Schultern zuckte. "Keine Ahnung." Sturmvogel sah sich um und reckte sich. "Ich denke doch. Ich kann kein Geschrei hören."

Kai atmete tief ein und aus um wieder einen klaren Kopf und einen genauen Blick zu bekommen. Dann nickte er. "Du...hast recht." Er stand auf und sah sich um. Takao hockte auf der Tribüne und brüllte und schlug mit den Fäusten auf den Boden ein. Neben ihm stand der alte Kinomiya und sah hilflos drein. Judy hatte ihren Sohn in die Arme genommen und strich beruhigend über seinen Rücken.

Mao, Rei und Kevin konnte er auf ihrem alten Platz nicht mehr erkennen, aber kurz darauf am Fuße der Mauer. Nur Mao war auf den Beinen, aber sie wirkte nicht so als seien die anderen beiden tot. Auch seine alten Kindheitsfreunde waren umgekippt, das heißt, bis auf Ivan, der sein Amulett ja gehabt hatte. Gaou hielt einen ohnmächtigen Lee in den Armen und funkelte die Umstehenden mit bedrohlichen Blicken an, so dass sie vor ihm zurückgewichen waren.
 

"Was war da los?", brüllte Yoshida und fuhr auf. Er sah sich nach jemandem um, der wusste, was geschehen war und ansprechbar war.

Kai sprang von der Tribüne. "Ein Zauber wurde durchgeführt. Dabei wurde die Macht der Tisetah benutzt.", erklärte er kühl und starrte die Magier mit wütendem Blick an. "Noch nicht der, auf den es ankam, aber wie Sie sehen können, hatte er einige nicht gerade erfreuliche Auswirkungen."

"Geschieht euch ganz recht.", knurrte jemand, doch Kais kalter Blick, der doch zu brennen schien, brachte ihn schnell zum Kuschen. "Schweig!", zischte er. "Du hast kein Recht, über uns zu urteilen!"

Plötzlich wurden Rufe laut und die Leute blickten zum Himmel, nach Norden. "Seht! Was ist das?" Kai sah auf - und erkannte Dizzara mit einem Blick. Sie war groß. Ihre nachtblauen Schwingen wirkten kohlschwarz vor dem hellen Hintergrund des wolkenlosen Himmels. In den Klauen hielt sie etwas, sehr vorsichtig und sehr geschickt. Ihre langen, schwarzen Haare flatterten im Flugwind und sie kam rasch auf das Rathaus und die Plattform zu. Jonny hatte Kai beeindruckt von Oliviers Zauber und der befreiten Harpyie erzählt, aber sie wirklich zu sehen war doch viel eindrucksvoller als eine einfache Erzählung.
 

"Macht Platz.", befahl er, als er erkannte, dass Dizzara direkt auf das Podest zuhielt. "Aus dem Weg." Judy zog ihren Sohn aus dem Weg. Max hatte inzwischen bemerkt, dass die Hoffnung noch nicht vergebens war, denn er wirkte sehr gefasst, auch wenn seine Augen noch rot verschwollen waren.

"Takao, hör auf mit dem Gebrüll!" Kai zerrte den Blauhaarigen aus dem Weg. "Noch ist nichts verloren! Schau, Dizzara kommt!" Jetzt sah auch Takao auf und sprang hastig zurück, als er die riesige Harpyie erkannte.

"Was ist das?", fragte Yoshida.

Judy antwortete ihm: "Dizzara. Die Partnerin von Kenny. Lasst sie landen!" Nur einen Moment später konnte man den Wind spüren, den die Flügel verursachten, als die Harpyie langsam auf das Podest niedersank. In den Klauen hielt sie einen großen, bronzenen Kessel, in dem sich jede Menge Amulette befanden - lebende Amulette, wohl gemerkt - und auf ihrem Rücken hockte Kenny.

Der Junge war grün im Gesicht und hielt sich krampfhaft die Hand vor den Mund. Er wartete nicht einmal, bis sein Tisetah richtig gelandet war, sondern rutschte sofort, als sich die Gelegenheit ergab, von ihrem Rücken und rannte davon.

"Was...ist mit ihm?", fragt Selai verdutzt.
 

Dizzara sah ihn kurz aus starren Augen an. "Ihm ist schlecht.", erklärte sie und wandte den Blick wieder ab.

"Was?"

"Von dem Flug." Sie schob den Kessel mit dem Fuß in die Mitte. "Das sind die Amulette."

"Woher sind die?", wollte einer der Magier wissen und Kai erkannte in ihm Biniak, der Magier, der Calaminus half.

"Aus dem Turm.", erklärte Dizzara und wandte ihm ihr schönes Haupt zu.

"Stimmt das?", wollte Yoshida wissen und Selai nickte. "Ich werde mich später darum kümmern."

"Nein. Das ist Diebstahl! Auch wenn er nicht in Nijan geschah, so gefährdet er die Insel doch ganz gewaltig! Sagte der Junge nicht vorher etwas von einem Heer? Es sind nicht unsere Feinde und doch würde jeglicher Kampf und Krieg die Insel schädigen! So etwas ist nicht zu dulden! Ich denke, der Fall Takeru Kinomiya ist gänzlich von der Tischplatte. Wir sollten uns hier lieber um die Gefährdung Nijans durch die Magier kümmern." Zustimmende Rufe erklangen aus dem Publikum.

Währendessen beugten sich Kai, Max und Takao über den Kessel. Dizzara linste über ihre Schulter. Das Gefäß war bis zum Rand mit Amuletten gefüllt. Es waren alles einzelne Stücke ohne irgendwelche Ketten, Ohrringe oder anderes, an denen sie einst befestigt worden waren. "Wie sollen wir da nur die Amulette von den anderen herausfinden?!", fragte Takao ratlos.
 

"Lass nur.", meinte Kai. "Die werden einmal hineingreifen müssen. Ihr werdet schon sehen."

"Was ist mit ihnen überhaupt?", fragte Max besorgt.

"Die Anstrengung ihrer Tisetah hat sie umgehauen. Wir haben es ja auch gespürt. Wie muss das sie getroffen haben..." Kai beendete den Satz nicht, sondern packte den Kessel, um ihn zum Rand der Plattform zu schleifen.

"Was ist denn da los?!", rief jemand, einer der Geschworenen. Er starrte angestrengt - wie auch die meisten anderen, deren Blicke nicht an Dizzara klebten - nach Norden zum Turm. Kai folgte seinem Blick und bemerkte einen riesigen goldenen Schatten, den er sofort als Trygle identifizierte. Hin und wieder zuckte ein Blitz über den Himmel und zeichnete sich deutlich an der dunklen Mauer der Turmsteine. Was war da los?

"Sie helfen Olivier.", erklärte Kenny, der plötzlich wieder neben ihnen stand.

"Alles wieder in Ordnung?", fragte Dizzara besorgt und der Bebrillte nickte.

"Ja. Alles klar!"

"Dann ist ja gut."

"Calaminus und seine Diener waren in dem Raum, in dem der Kessel war."

"Ihr habt ihn direkt unter ihren Augen weggestohlen?!", rief Takao aus und Kenny nickte. "Ja. Die waren ganz schön von ihrem Ritual kaputt, aber dann haben sie uns doch bemerkt. Olivier hat mich davon geschickt, damit die Amulette in Sicherheit kommen. Ich habe Angst um ihn. Die sind doch ganz schön stark! Und es sind auch noch so viele Magier und Schüler dort!"
 

"Die von nichts eine Ahnung haben.", erklärte Kai nüchtern. "Die wissen ja gar nicht, dass Olivier zu uns gehört. Beziehungsweise, sie wussten es nicht. Wenn Yuriy und Michael sofort angegriffen haben, ist die Verwirrung groß genug. Und um Calaminus und seine Leute musst du dir keine Gedanken machen. Wenn die zu kaputt waren, zu bemerken, wie ihr euch in ihr Zimmer schleicht, dann sind die auch zu müde, gegen ihn anzukommen."

Kenny schwieg einen Moment. "Stimmt. Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Aber es ist trotzdem gefährlich!"

"Was sonst?"

"Schaut! Sie kommen!" Trygle hatte abgedreht und schwebte jetzt über dem Wald. Langsam - so schnell wie eben ein Pferd galoppierte - kam er näher, dann war er über der Stadt. Kurz darauf segelte er über dem Platz, noch vor seinem Partner und dessen beiden Begleiter und ließ sich auf der Tribüne hinter Hitoshi nieder.

"Aber...das ist doch der Adler von...", stotterte Selai.

"...Himmelskönig. Ganz recht!", schnitt Kai ihm das Wort ab.

Blitzschnell fuhr der Hohe Magier herum. "Und wer bist du, Junge?"

"Ich, Alter, bin Feuerrabe." Ohne ein weiteres Wort ging Kai an dem geschockt dreinblickenden Magier vorbei und stieg auf die Tribüne um einen besseren Überblick über den Platz zu haben.
 

Kurz darauf bemerkte er Gedränge in der Menge. Es waren vier Pferde, ein Einhorn und drei Reiter, die auf sie zukamen. Die Leute wichen vor ihnen zurück, trotzdem dauerte es lange, bis sie das Podest erreicht hatten. Sie ließen die Pferde vor dem Rathaus zurück und kamen zu ihnen herauf.

Yuriy zog Kai sofort zur Seite. "Wo hast du diese Tasche, die Rei dir unbedingt aufdrängen wollte?"

"Brauchst du sie doch?", spottete Kai leise und nickte zu seinem Platz. In der Tasche befanden sich Mullbinden und anderes, was sie gegen Wunden hatten. "Soll ich dir helfen?"

"Wenn es dir nicht zu viel Mühe macht." Der Spott in Yuriys Stimme war nicht zu überhören.

Kai tat es trotzdem und holte die Tasche. "Wir machen das unten, komm." Er sah kurz Olivier an, der ihnen zunickte. Er würde die Sache übernehmen. Sein Name war jetzt Gold wert. Immerhin war er Magier. Auf ihn würden sie hören. Yuriy und Kai kletterten rasch und unbemerkt die Treppe nach unten. "Wo tut's weh?"
 

"Wolborg hat's erwischt.", erklärte Yuriy und rief den großen Wolf. Der erschien sofort neben ihnen, sein rechtes Vorderbein rot von all dem Blut. "Geht's, alter Junge?", fragte Yuriy zärtlich und nahm den großen Kopf des Tisetah in die Arme. Kai zuckte zusammen und wandte sich ab. Irgendwie - gab ihm der Anblick einen Stich ins Herz. Er fragte sich, was das zu bedeuten hatte. Viel Zeit darüber nachzudenken hatte er nicht, denn einen Moment später meinte Yuriy: "Okay, packen wir's an. Kai?"

"Mach schon. Wir verpassen da oben jede Menge interessanter Dinge!" Er packte die Mullbinden und eine Salbe aus. Yuriy krempelte seinen Ärmel nach oben und ergriff Wolborgs verletztes Bein vorsichtig. Kurz darauf stieß er ein schmerzerfülltes Keuchen aus. Wolborgs Bein war wieder geheilt, während sich in Yuriys Unterarm jetzt hässliche, blutende Bissspuren zeigten. "Urg.", machte Kai. "Was war den das?"

Yuriy schwieg einen Moment. "Ein Wolf. Zumindest etwas, was sehr nach einem Wolf aussah. Aber es war keiner. Ich schätze, es war irgendein Dämon oder so. Er war hinter Olivier her."

"Dann sollten wir am besten ihn nachher fragen." Kai kümmerte sich rasch und routiniert um die Wunde. Es dauerte nicht lange, bis er den Verband festschnüren konnte. Yuriy nickte zufrieden, zog den Ärmel wieder hinunter und strich Wolborg noch einmal über den Kopf.
 

Der Wolf winselte und schmiegte sich in die kräftige Hand des Rothaarigen, ehe er wieder verschwand. Kai starrte einen Moment auf die Stelle, an der er eben noch gesessen hatte. Wieder dieses seltsame Gefühl. Was hatte das zu bedeuten?! Er mochte es nicht, wenn sein Körper - irgendetwas davon und sei es sein Herz - Dinge tat, die er nicht kontrollieren konnte oder die er nicht verstand.

"Kommst du oder willst du da Wurzeln schlagen?" Yuriys Stimme riss ihn aus den Gedanken.

"Jaja.", murrte er und folgte dem Größeren wieder hinauf. Dort hatte sich inzwischen so einiges getan. Olivier hatte Yoshida und mit ihm alle Anwesenden inzwischen rasch über die Lage aufgeklärt. Yuriy winkte ihn zur Seite. "He, was war das für ein Vieh, das Wolborg gebissen hat?"

"Scaramak.", erklärte Olivier knapp.

Kai und Yuriy verzogen überrascht das Gesicht. "Scaramak? Aber der war doch..."

"Das war eine Verwandlung."

Kai runzelte die Stirn. "Ich dachte, so etwas ist unmöglich."

"Ist es auch nicht.", erklärte eine Stimme von hinten. Kai drehte sich um und sah Selai an.

"Es war aber so.", beharrte Olivier. "Ich habe es doch gesehen. Chargrin hat das Licht des Vollmondes heraufbeschworen und daraufhin hat Scaramak sich verwandelt. Fragt mich nicht, wie so etwas möglich ist." Yuriy betrachtete angewidert seinen rechten Arm.
 

"Olivier, ich möchte mit Ihnen sprechen.", begann Selai.

"Warum? Es ist alles gesagt und erklärt was im Moment wichtig ist. Wichter ist jetzt wohl, etwas gegen Calaminus zu tun, denn wie ich ihn einschätze, wird er sehr schnell handeln." Der schlanke Grünhaarige drehte sich zu Yoshida um. "Also sorgen sie dafür, dass diese Leute hier vom Platz geschafft werden. Wo ist Rei?"

"Ohnmächtig.", antwortete Kai.

"Warum?"

"Der Zauber. Drigers Amulett ist ja auch darunter."

"Oh."

Kai drehte sich um "Yuriy, pack dir Max und Takao und schaff Sergej und Bryan hierher. Jemand soll Mao mit Kevin und Rei helfen." Er zeigte erst auf die eine Stelle, dann auf die andere. Mao hatte sich und Rei und Kevin bereits selbst geholfen und vier der Jugendlichen, die mit ihr und den beiden anderen Zhaon'El auf der Mauer gesessen hatten, trugen Rei und Kevin zum Podest hinüber. Gaou hatte keinerlei Probleme, Lee zu tragen.

Yuriy nickte und setzte sich sofort in Bewegung. Inzwischen war Unruhe in die Menge gekommen. Sie unterhielten sich in kleinen Grüppchen, wirkten freudig über diese Entwicklung oder eben nicht. Raunen und Tuscheln erfüllte die Luft, aber es war kaum ein Wort zu verstehen.

Besorgt beobachtete Kai den Turm. "Siehst du etwas?", rief er zu Michael hinauf, der neben Trygle auf dem Geländer der Tribüne hockte und den Turm ebenfalls im Blick hielt.
 

Himmelskönig schüttelte den Kopf. "Nein. Bis jetzt noch nicht. Ich sag euch Bescheid!"

Kai nickte und half Takao und Ivan, Bryan das letzte Stück zu tragen. Sergej und der Grauäugige waren mit einigen Ohrfeigen schnell wieder auf die Beine gebracht. Lee, Rei und Kevin brauchten allerdings eine Weile, ehe sie erwachten. "He.", machte Rei und fing Maos Hand ab.

"Rei!" Sie strahlte ihn an. "Komm. Drigers Amulett ist da!"

"Hm?" Mühsam richtete er sich auf. "Was ist los?"

"Die haben den Zauber tatsächlich durchgeführt und..."

"Bin ich tot?"

"Nein. Es war ein anderer. Dizzara und Kenny und die anderen haben die Amulette geklaut! Schau!" Sie deutete freudestrahlend auf den Kessel. Bryan und Sergej hatten sich ihre Amulette inzwischen zurückgeholt. Rei fuhr auf und fasste sich jammernd an den Kopf.

"Tu nicht so!", grinste Bryan ihn hämisch an und fing sich dafür einen bösen Blick von Mao ein. Rei kümmerte sich nicht um ihn, sondern torkelte zu dem Kessel hinüber. Er griff kurz hinein und wühlte einige Augenblicke darin herum, ehe er die Hand wieder herauszog. Darin hielt er Drigers Amulett. "Jetzt sind wir gewappnet, was?", fragte er grinsend und Max, Takao und Kai nickten. Sie...fühlten es. Die Macht der Göttlichen. Jetzt, wo sie nahe zusammen waren und jedes Amulett in der Hand des richtigen Hatesit. Was sie jetzt wohl tun konnten?

Kai setzte zu einer Antwort an, als Michael ihn unterbrach. "HE! SCHAUT!" Er deutete zum Turm.
 

"Das Ding scheint heute ja nur Unglück zu bringen!", meinte einer der Geschworenen, als sie dem riesigen Wesen gewahr wurden, das sich gerade von dem Turm löste. Es war gleißend golden und reflektierte die Strahlen der Sonne, so dass man geblendet die Augen abwenden musste.

Kai zwang sich, trotzdem hinzusehen, auch wenn seine Augen tränten, auch wenn sie schmerzten. Es dauerte eine Weile, ehe er den mächtigen Löwenkörper erkennen konnte, die riesigen Schwingen mit einer Spannweite von mindestens zehn Schritt, der Menschenkopf mit dem wild flatterndem, langen Haar.

"Was...was ist das?", rief Kevin erschrocken.

"Eine...Sphinx.", antwortete Kenny. Das goldene Wesen öffnete sein Maul - Mund? - und stieß einen lauten, hohen Schrei aus. Glasscheiben zersprangen. Leute schrieen. Augenblicklich brach Panik aus. Die Leute rannten hin und her, voller Angst vor dem Wesen, das mit seinem Gebrüll Glas zerspringen lassen konnte. "Kralay!", flüsterte Kai entsetzt.

Was auch immer er erwartet hatte, das ganz sicher nicht! Er fühlte die Macht der Sphinx noch über diese Entfernung. Sie überstieg Dranzers bei weitem, war sogar stärker als Black Dranzer! Auch wenn sie zu viert angreifen würden, trotz der neuen Macht, die sie durch die Göttlichen erhalten hatten - waren sie stark genug, um gegen Kralay auszuhalten? Die Luft um das geflügelte Wesen vibrierte vor Macht, die freigesetzt werden wollte. Und das tat die Sphinx.
 

Sie kam mit rasender Geschwindigkeit näher. Als sie den Stadtrand erreicht hatte, flog sie tiefer. Man hörte Stein bersten. "Was ist da los?", verlangte Yoshida zu wissen.

"Die Häuser.", murmelte Kai. "Sie zerstört die Häuser." Die Menschen auf dem Platz hatten das auch erfasst und jetzt wollten sie alle nur noch eins: so schnell wie möglich weg von hier! In ihrer Panik rannten sie sich gegenseitig um, trampelten sich nieder und liefen im Kreis.

Kai packte Yoshida und Selai hart an den Armen. "Sorgen Sie dafür, dass da unten alles in Ordnung kommt. Wir kümmern um uns um Kralay!" Er ließ die beiden verwirrt dreinblickenden Männer los und stürzte nach vorn. Auch die Magier waren längst in Panik ausgebrochen und mischten sich unter die flüchtende Menge.

"Dranzer!", brüllte Kai und sie hörte sofort. In goldenem Schein erschien sie über ihm und schlug mit den Flügeln um sich in der Luft zu halten. Kai starrte die Sphinx an, die eine Spur der Verwüstung durch die Stadt zog. "Worauf wartet ihr?!", schrie er Max und Takao an, die wie zu Stein erstarrt Kralay anblickten.

Rei hingegen hatte Driger bereits gerufen. Der große Tiger grollte aus tiefster Kehle und entblößte ein prächtiges Gebiss. Dann brüllte er und Dranzer nahm seinen Ruf auf. Kralay hielt mit ihren Zerstörungen inne und kreiste höher. Das war ein Angriff auf sie! Eine Herausforderung! Der Ruf ertönte noch einmal, diesmal dreistimmig, denn Dragoon war neben ihnen erschienen. Kurz darauf tauchte auch Draciel auf. Sie waren alle beisammen, die Vier Göttlichen.
 

In dem Moment, in dem die Schwarze Schildkröte zwischen den anderen auftauchte, wusste Kai, dass das, was sie vorhin gespürt hatten, nur ein Bruchteil der Macht war, die wirklich in den Vieren wohnte. Kralay war kein Vergleich zu ihnen.

"Endlich!", flüsterte eine Stimme, tief und grollend. Driger.

"Kämpf, Azulon!", brüllte eine zweite Stimme, knurrend und wild. Dragoon.

"Aber nicht hier.", erklärte eine dritte, dunkel und sanft. Draciel.

"Folgt mir!", verlangte die vierte, schön und melodisch. Dranzer.

Dann war alles um sie schwarz. Entsetzt sah Kai sich um. Alles schwarz! Nein! Dranzer wusste doch, dass er das nicht vertrug. Auch nicht, dass er keinen Boden unter den Füßen hatte und - schwebte?!

Es war...wie im Zwischenreich. Kai kannte das. Aber im Zwischenreich war alles hell gewesen. "Ruhig.", flüsterte Dranzers schöne Stimme in der Nähe und dann flammten überall Feuer auf und es wurde hell. Kai ließ sich treiben. Alle Panik war mit der Dunkelheit verschwunden. Dranzer war in der Nähe. Er konnte sie sehen. "Folge mir.", flüsterte sie und er folgte.

Dranzer führte ihn in einen Raum, der ihm eine Ahnung der Unendlichkeit verschaffte. Alles war schwarz und doch war alles bunt. Glitzernde Lichterketten in allen Farben flogen durch die Luft, wie Irrlichter in Farbe oder wie das Nordlicht. Kai war fasziniert von der Vielfalt und den Farben und Formen. Am liebsten würde er länger hier bleiben um sich alles anzusehen. Dranzer war hinter ihm. "Folge mir.", wiederholte sie.
 

In rasender Geschwindigkeit schossen sie durch den Raum. Erst konnte Kai gar nichts mehr sehen außer verwischenden Farben. Dann wurde sein Blick wieder klarer - oder wurden sie langsamer? Er wusste es nicht.

Vor sich erkannte er ein Muster in der Leere. Es war ein seltsames, in sich verschlungenes Symbol mit vier Ecken. Eines der Ecken war glühend rot, das gegenüberliegende blitzend silbrig, links von dem roten war ein schillernd blaues und das letzte leuchtend grün. Die Farbe der Mitte war schwarz und in der Mitte stand Kralay, wütend und zornig, und versuchte sich zu befreien.

Dranzer schoss auf das rote Eck zu und landete. Kai kam neben ihm auf und merkte erstaunt, dass sich unter ihm fester Boden befand. Inzwischen waren auch die anderen angekommen. Gegenüber auf dem Silbernen standen Dragoon und Takao, rechts Driger und Rei und links Draciel und Max.

Die drei sahen verwirrt und etwas ängstlich aus, aber Kai hatte keine Angst. Dranzer würde ihn nie in Gefahr bringen. Außerdem waren die Vier stark genug, jeden zu schlagen, der es wagte, ihnen hier gegenüber zu treten. Allenfalls war er etwas durcheinander, aber nicht sehr. Über manche Dinge lohnte es nicht, sich den Kopf zu zerbrechen, da man sowieso zu keiner Lösung kommen würde.
 

"Rasch!", befahl Dragoon. "Sonst ist unsere Zeit um!" Er richtete sich auf und hob die Vorderpranken. Zwischen seinen Klauen bildete sich ein leuchtendes, silbernes Licht. Draciel neben ihm machte es gleich. Sein Licht war blau. Driger ließ sich auf den Hinterbeinen nieder, ehe er ein grünes Licht rief. Dranzers, das sich zwischen ihren Flügelspitzen bildete, war rot.

Kralay kreischte vor Wut und Hass. Kai presste sich die Hände auf die Ohren um den schrillen Laut auszusperren, aber keine Chance. Er zitter am ganzen Körper, konnte den Hass, den Zorn und auch die Angst Kralays fühlen. Es ging ihm durch Mark und Bein. Er fühlte sich, als würde er gleich zerspringen wie Glas.

Abrupt wurde der Schrei unterbrochen, als zwischen den Lichtbällen weiß leuchtende Schnüre entstanden und sie somit verbanden. Kurz darauf explodierte die Umgebung in weißem Licht und Kai spürte, wie er durch Zeit und Raum zurückgetragen wurde.

"Alles vorbei.", flüsterte Dranzers Stimme auf dem Weg in die wirkliche Welt zurück, die Kai kannte. "Es wird lange brauchen, bis wir unsere volle Macht wieder anwenden können. Unsere Fähigkeiten sind nun mal begrenzt. Ihr müsst Calaminus töten. Von ihm darf keine Gefahr mehr ausgehen!"

Dann sah Kai wieder das Podest vor sich. Ihm wurde schwarz vor Augen, während Dranzer in goldenem Licht verschwand. Begriffen, was geschehen war, hatte er nicht.
 


 


 

Kai lag in einem weichen Bett. Er fühlte sich seltsam. Irgendwie wie neugeboren, aber trotzdem völlig ausgelaugt. Wenigstens tat ihm nichts weh. Keine Kopfschmerzen, kein Brennen in den Knochen, nichts, was sich anfühlte, als würden ihm glühende Messer durch den Körper gejagt.

Aber er fühlte sich so schwach wie schon lange nicht mehr. Nicht einmal, als er sich von seinem Tod erholt hatte, hatte er sich so kraftlos gefühlt. Jetzt war es, als wäre alle Kraft aus ihm gewichen. Außerdem hatte er Hunger.

Irgendwo sangen Vögel. Nicht so schön wie Dranzer, aber immerhin. Der Wind rauschte in den Bäumen und sogar durch die geschlossenen Augenlider konnte er das Licht der Sonne sehen, die ihm ins Gesicht fiel. Mit einem murrenden Laut drehte er sich zur Seite, so dass sie ihn nicht mehr blenden konnte. Er wollte noch nicht aufwachen.

Trotzdem öffnete er ein Auge und starrte direkt in das Gesicht von Yuriy, nur eine Handbreit von ihm entfernt. Erschrocken fuhr er zurück, ließ sich dann aber wieder in die Kissen sinken. Von dem Rothaarigen ging keinerlei Gefahr aus.

Yuriy schlief. Er saß auf dem Boden, den Kopf auf die am Bettrand überkreuzten Arme gelegt. Kai runzelte die Stirn und betrachtete ihn. Nicht einmal im Schlaf wirkte er entspannt und friedlich. Die Augenbrauen waren zusammengezogen, so dass sich eine steile Falte zwischen ihnen gebildet hatte, und die Lippen verzogen. Er grunzte im Schlaf. //Was er wohl träumt?//, fuhr es Kai durch den Kopf. //Dass er selbst jetzt ein solches Gesicht ziehen muss?//
 

Yuriy bewegte sich und verlor den Halt am Bett. Sein Kopf verschwand und einen Moment später polterte es. Er fluchte. Kai starrte verwirrt auf die Stelle, an der er eben noch gelegen hatte. Das Fluchen hörte abrupt auf und es war wieder still. Was war denn jetzt? Der hatte sich doch nicht etwa ernsthaft wehgetan? Kai schob den Kopf über den Bettrand und blickte direkt in Yuriys blaue Augen, die ihn verwirrt anblickten. Der Rothaarige rieb sich den Kopf und blinzelte.

Dann setzte er sich abrupt auf und stieß mit Kai zusammen. Beide fuhren stöhnend zurück. "Pass doch auf!", fuhr Kai Yuriy an, doch es klang irgendwie nicht so scharf, wie er es eigentlich geplant hatte. Das musste an seinem Schwächegefühl liegen.

Yuriy richtete sich wieder auf, diesmal vorsichtiger und ohne irgendeinen Zusammenstoß. "Geht es dir gut?", wollte er wissen.

Kai sah ihn verwirrt an und nickte dann. "Wie man's nimmt. Nur etwas...schwach." Er sah sich im Zimmer um. Irgendwoher kannte er es. "Wo bin ich eigentlich?"

"Im Kinomiya-Dojo. Wir haben euch hier untergebracht - bis auf Max natürlich - nachdem ihr so plötzlich wieder aufgetaucht seid."

"Wie bitte?"

Yuriy seufzte und setzte sich auf die Bettkante. "Wir hatten eigentlich geglaubt, ihr könntet uns etwas darüber berichten. Ich meine, was da eigentlich geschehen ist. Ihr habt eure Tisetah gerufen, die haben plötzlich angefangen zu sprechen und dann wart ihr und eure Partner und Kralay verschwunden. Zwei Minuten später seid ihr wieder aufgetaucht und eure Tisetah haben sich sofort zurückgezogen. Tja, und ihr seid dann halt umgekippt."
 

"Und darum habt ihr uns hierher geschafft?", fragte Kai und Yuriy nickte. Der Rotäugige sah zum Fenster hinaus. Es war später Nachmittag. Jetzt fiel ihm auch ein, woher er das Zimmer kannte. Er hatte darin drei Tage verbracht, nachdem Takao und Max ihn in der Herberge gewarnt und in den Dojo gebracht hatten. "Wie spät ist es eigentlich?", wollte er plötzlich wissen.

"In zwei Stunden geht die Sonne unter.", erklärte Yuriy und grinste dann breit. "Wenn die Frage aber darauf abgezielt hat, wie lange du schon hier bist, lautet die Antwort fünf Tage."

"FÜNF TAGE?", rief Kai und sprang fast aus dem Bett.

Yuriy drückte ihn in die Kissen zurück und sein hämisches Grinsen wurde noch breiter. "Ganz genau. Keine Sorge, die anderen haben noch nicht einmal gezuckt. Ich glaube, du bist der Erste, der aufwacht. Wir waren in den letzten Tagen ganz schön hibbelig, weil wir wissen wollen, was geschehen ist."

"Ja. Denke ich mir.", meinte Kai trocken. Kein Wunder, dass er sich so schwach fühlte. Kein Wunder, dass er einen solchen Hunger hatte.

"Ich bin die ganze Zeit nicht von deiner Seite gewichen.", erklärte Yuriy noch immer grinsend.

"Und das soll mich jetzt beruhigen?", fragte Kai zurück und Yuriy grinste noch breiter. "Hast du Hunger?" Kai nickte. "Dann warte einen Moment." Schon war der Rothaarige verschwunden.
 

Kai lehnte sich in die Kissen zurück und fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Fünf Tage! Fünf ganze verdammte Tage! Er hatte fünf ganze Tage verschlafen! Er konnte es noch nicht völlig glauben, aber er wusste, dass Yuriy ihn nicht belog. Das tat er nie, hatte er noch nie getan.

Der Rotäugige seufzte und suchte nach Dranzer. Sie war da, schlief aber. Wahrscheinlich war sie noch erschöpfter als er. Sie hatte ja die gesamte Arbeit getan. Mit der linken Hand tastete er nach seinen Amuletten und fand sie unter dem langen, einfachen Kimono, den er als einziges Kleidungsstück trug. Wahrscheinlich hatte Takeru ihn ihm geliehen.

Er sah sich kurz im Zimmer um, bis sein Blick auf sein Gepäck viel, dass in Bündeln in einer Ecke lag. Seine Schwerter standen an die Wand gelehnt, die Armbrust lag davor. Anscheinend befand sich sein gesamter Besitz hier im Zimmer.

Als Yuriy wiederkam, trug er ein großes Tablett mit sich, auf dem sich das Essen nur so türmte. Kai gingen die Augen über, während der Rothaarige nur grinste. "Takeru hat seit fünf Tagen eine Helferin, die euch - und uns - versorgt. Für die Leute in der Stadt seid ihr so was wie Helden."

"Helden?" Die Zweifel waren Kai deutlich anzuhören. Schon allein die Vorstellung allein war lächerlich! Vor Kurzem waren sie noch verhasst und gefürchtet gewesen.
 

Yuriy lud das Tablett auf Kais Schoß ab. "Klar. Ihr habt die Stadt und die Insel gerettet. Wenn du nicht alles aufisst, bekommst du Ärger von dieser Furie da unten, die das Essen gemacht hat."

"Ach?"

"Komm schon, sieh das mal durch die Augen von den einfachen Leuten hier. Die sehen Kralay, die ihre Stadt angreift, dann euch, wie ihr euch dem Vieh entgegenstellt und wie ihr alle verschwindet. Kurz darauf seid ihr wieder da, nur ohne der Sphinx. Was meinst du, was die Leute von euch denken?"

Kai zuckte die Schultern und griff herzhaft zu. Er hatte wirklich enorm Hunger! "Was ist mit Calaminus?", fragte er zwischen zwei Bissen.

"Weg."

"Wie ,weg'?!"

"Eben weg. Er hat die Beine in die Hand genommen. Jedenfalls war er nicht mehr im Turm, als wir dort ankamen." Yuriy setzte sich wieder auf die Bettkante. "Na ja, er hatte ja auch genug Zeit zum Abhauen."

"Wie meinst du das?"

"Wir haben uns eben erst um euch gekümmert. Außerdem hat es gedauert, bis man wieder etwas wie Ordnung in die Stadt gebracht hatte. Jedenfalls waren Calaminus und seine Leute schon seit einiger Zeit auf und davon, als wir endlich den Turm erreicht hatten."
 

"Ach so? Was ist noch alles passiert?"

"Yoshida und der Rat haben entschieden, dass die Türme die Kosten für den Wiederaufbau der Stadt und die Wiedergutmachungszahlungen übernehmen müssen. Das trifft die Magier sehr hart, die haben ja auch keinen Goldesel. Gestorben ist niemand, weil alle beim Rathaus waren; es gibt nur ein paar Verletzte."

"Aha." Kai war nicht besonders interessiert daran.

"Gestern ist Syrillion gekommen."

"Ach? Etwas spät, möchte ich meinen."

Yuriy winkte ab. "Sie haben die Amulette und ihre Verteilung übernommen und wollen den Hatesit alles erklären."

"Wenigstens etwas."

"Lass mal deine Kommentare. Sonst dauert es ewig, bis du alles weißt. Außerdem sollst du essen!"

"Ist es noch so viel, was du zu erzählen hast?"

"Nö. Aber egal. Zeo ist übrigens immer noch da."

"Warum?"

"Mao hat ihm sein Amulett zurückgegeben und er könnte gehen, wohin er will, allerdings ist er geblieben. Und die sind hier alle so in einer Friede-Freude-Eierkuchen-Stimmung, dass sie ihn nicht vor die Tür setzen wollen."
 

"Hätten sie aber tun sollen."

"Nicht meine Entscheidung. Wenn sie ihn durchfüttern wollen, bitte. Jedenfalls ist die gesamte Stadt mit den Aufräum- und Aufbauarbeiten beschäftigt. Ach ja, die Magier haben die Verhandlung verloren."

"Was sonst? Nach dem, was passier ist..."

"Frag mich nicht und iss lieber! Ich habe keine Ahnung von Politik. Die Anderen sind alle unverletzt und auf den Beinen, bis auf euch vier." Mit den ,Anderen' meinte er die Hatesit, die sie die letzten Tage begleitet hatten.

"Haben ja auch nichts getan. Was ist im Turm passiert?" Knapp berichtete Yuriy von den Ereignissen und schwieg dann. Kai dachte nach. "Jedenfalls können wir Calaminus nicht so einfach entkommen lassen.", murmelte er schließlich.

"Warum? Er ist doch weg. Ich denke nicht, dass er noch auf Cyndan ist."

"Dranzer hat es gesagt. Er muss sterben."

"Und wie willst du ihn finden? Olivier hat irgendetwas von Azulon und Zauber geplappert. Anscheinend hat der sich feige wegteleportiert."

"Myrisat. Ich denke, der ist nach Hause zurückgekehrt."

"Und wenn nicht?"

"Dann jagen wir ihn um die Welt."

"Wir?"

"Ich. Es sei denn, du kommst mit." Yuriy schlug Kai so hart auf die Schulter, dass der beinahe sein Tablett umgestoßen hätte. "He! Pass doch auf!", protestierte der Rotäugige.
 

"Ich lass dich nicht mehr allein. Und ich denke, die anderen drei kommen auch mit."

"Dann ist ja gut. Aber wir werden wahrscheinlich nicht zu fünft reisen. Egal."

"Meinst du, dein Kindergarten kommt auch mit?"

Kai zuckte die Schultern und biss in ein Brötchen. "Sie werden es sich nicht nehmen lassen.", nuschelte er.

"Na, das kann ja heiter werden!"

"Wie du meinst."

"Ja, meine ich!" Yuriys Augen funkelten.

Kai grinste nur.
 

~~*~~ Ende ~~*~~
 

----Geschrieben März bis August 2005

----232 Word-Seiten

----Times New Roman; Schriftgröße 12
 

So, das war's. Hat's euch gefallen? Schreibt mir ein paar Kommis zu diesem Chap oder der ganzen FF. Schafft ihr's auf die 100? Fehlen ja (nur) noch 8.
 

Und weil ich das hier fertig hochgeladen hab und auch Cotc abgeschlossen habe, steh ich jetzt vor der Frage, ob ich erst die anderen FFs(also TTATW, Feuermond und SaSa-SaNi) fertigschreibe oder schon mit was neuem beginnen soll? Es würde halt langsamer von statten gehen, darum wollte ich die Entscheidung denen überlassen, die es lesen wollen.
 

Lady Silverwolf
 

PS Ich werd dann noch die Outtakes hochladen, wenn ihr wollt.

Outtakes

Titel: Krieger, Magier und Diebe

Teil: Outtakes

Autor: Lady Silverwolf

Anime: Beyblade

Warning: OOC

Disclaimer: Die Hauptcharaktere gehören nicht mir und ich verdiene kein Geld mit dieser Fanfic.
 

"..." reden

//...// denken
 

~~~~~~~
 

So und hier sind noch die versprochenen Outtakes und dann ist es vorbei! Entgültig Schluss!!!
 

**
 

@ black_ray-jack: Thx ^///^
 

@ Spellmaster: Danke. v///v Freu mich sehr über dein Lob. Outtakes sind hiermit da.
 

@ Katzengirl: Warum nicht dein Tag? Ist es so schlimm, dass es jetzt vorbei ist? Nimm's als Chance, 'ne neue Geschichte zu lesen. Übrigens heißt es CHARM of the Candle.
 

@ Saturn0100: Ist halt zu Ende. Und ich weiß noch nicht, wann ich weiterschreiben werde. Ich werde jetzt erst mal eine neue anfangen. Würd mich freuen, da (oder auch bei einer von meinen anderen Storys) von dir zu hören.

Ich wollt mal bei dir reinschauen, aber ich hatte noch nicht die Zeit.
 

@ Sesshi-Chan: Thx. ^//^

Ich hab das immer geschrieben, weil bei denen eine Verwandlung NICHT üblich ist, die kennen sowas nicht. Ja, er ist ein Werwolf. Welcher Phönix? Oo

Ja, vielleicht...

Ich mochte die Szene auch, hat Spaß gemacht, sie zu schreiben.

Tja, ich denke, mit der Fortsetzung wird das noch nichts.
 

@ schwarzer_nebel: Ja, theoretisch könnte es noch eine Fortsetzung geben, aber ich muss gestehen, ich hab da zur Zeit keinen Nerv zu. (Ein 'Ätsch' gibt's bei mir nicht. Was denkst du von mir?!)
 

@ engel_salvia: Mein PC macht zum Glück keine solche Macken. *froi*

Ja, ich weiß, es war etwas kurz. Aber mir gefällt es so. War ja auch ursprünglich auf eine Fortsetzung angelegt, aber...

Ich werde definitiv eine andere FF anfangen. Also sag mir, was dir gefällt...
 

**
 

~~~~~~~
 

Outtakes
 

Verworfener Teil von Kapitel 8 Diebe --> Anfang bei den White Tigers

Hab mir dann eine andere Situation überlegt. Das hier hat nicht mehr gepasst.
 

"Das sieht furchterregend aus.", tat Gary seine Meinung kund.

"Nein.", widersprach Mao. "Eher wunderbar."

"Wild.", meinte Rei. "Aber gefährlich."

"Ein Schauspiel. Wie nur für uns gemacht.", bekräftigte Lee.

"Aber trotzdem furchterregend.", bestand Gary. "Stell dir vor, du würdest das Gleichgewicht verlieren und stürzen. Und dein ,Schauspiel' wird dich verschlingen wie das wartende Maul einer Bestie."

"Du wirst ja richtig poetisch.", lachte Mao.

Gary wurde rot. "Ich habe aber Recht."

"Bezweifelt niemand.", beruhigte ihn Rei. "Lass uns weiter gehen."

Sie standen nebeneinander auf einem schmalen Felsband, das eine tiefe Schlucht überspannte. Sie war mindestens fünfzehn Meter breit, aber um einiges tiefer. An ihrem Grund rauschte ein reißender Fluss entlang, der durch den Spalt peitsche, so dass das Wasser nur noch weiß war.

Hinter ihnen, so dass die springenden Tropfen die Vier schon längst durchnässt hatten, donnerte er Fluss mit tosendem Brüllen eine Klippe hinunter, die sogar Gary mindestens um eine doppelte Mannslänge überragte.

Die Brücke, auf der sie sich befanden, war zwar von dem feinen Sprühregen durchnässt und damit rutschig, aber weit und breit der einzige Weg über die Schlucht. Für einen Sprung war sie selbst ihnen zu breit. Ob der Dieb hier auch entlang gegangen war?
 


 


 

Aus Kapitel 15 Stillstand ---> Jacques Enthüllungen

Das hier musste ich rausstreichen, weil ich dann in Kapitel 17 alles geändert habe. Das hing unmittelbar zusammen. v.v Darum - nicht wundern, wenn euch etwas bekannt vorkommt!
 

"Warum sollte ich? Sie haben ein Anrecht darauf, es zu erfahren."

"Sei still.", zischte jetzt Rei. "Wir wollen es nicht wissen!"

Jacques lachte los. "Das glaube ich nicht. Wollt ihr wirklich nicht wissen, wer Kai war? Woher er kam? Das glaube ich nicht. Ich glaube nicht, dass ihr nichts von Black Dranzer wissen wollt."

"Sein Tisetah hieß doch Dranzer.", murmelte Takao und sah weg.

"Ja. So vergesslich bin ich nun auch wieder nicht. Dranzer und Black Dranzer." Schweigen, eisiges Schweigen. Ein einziges Wort war zu viel. Aber allen stand die Frage ins Gesicht geschrieben.

Allen, bis auf Yuriy, Bryan, Sergej und Ivan. Sie wussten über Projekt Kai Bescheid. Sie wussten, worum es ging. Sie wussten, dass Kai zwei Tisetah hatte. Nein, gehabt hatte. Kai war ja tot. Seine Tisetah - Dranzer und Black Dranzer - waren mit ihm gestorben. Sterbender Phönix. Welche Ironie...

"Zwei Tisetah sind recht ungewöhnlich für einen Hatesit, findet ihr nicht?"

"Wie meinst du das?", wollte eine raue Stimme aus dem Schatten wissen.

Jacques sah auf. "Wie soll ich es meinen? So wie ich es sage. Kai hatte zwei Tisetah. Und darum war er unbrauchbar."
 

Scaramak zu ihnen. Er war ein großer Mann und seine Augen funkelten hell im Feuer. Sie schienen das Licht förmlich aufzusaugen. Mit schiefgelegtem Kopf sah er Sterndeuter aufmerksam an. "Projekt Kai, nannte Voltaire es. Es sollte die perfekte Teshita schaffen. Black Dranzer wurde künstlich erschaffen."

Er ließ seinen Blick aber die Gefangenen steifen, die ihm auswichen, aber trotzdem begierig lauschten. "Aus den DNA mehrerer anderer Tesitah, unter anderem auch Dranzer, und verschiedenen Menschen mit den unterschiedlichsten Begabungen. Kai war einer dieser Menschen. Aufgrund dieser Erschaffung und der Genmanipulation an Kai und seinen Eltern gelang die doppelte Teshita."

Mit der schockenden Wirkung seiner Worte zufrieden sprach Jacques nach kurzer Pause weiter. Yuriy kannte die Geschichte schon. Sterndeuter erzählte, wie Kai nach unzähligen, quälenden Test und Experimenten endlich mit Black Dranzer das Bündnis geschlossen hatte.

Und dann von dem Ausbruch des künstlichen Tisetahs. Black Dranzer und Kai hatten das Gebäude, dass extra für dieses Projekt unweit von der Abtei errichtet worden war, in Schutt und Asche gelegt und von all den Leute, die sich darin befunden hatten, war nichts mehr übrig geblieben. Heute stand ein Sockel mit einer schwarzen Rabenstatue an dem Ort, an dem das Gebäude gestanden hatte.
 

Yuriy fühlte sich zurückversetzt an den Tag, an dem er Kai nach sieben Tagen, nach dem das Bündnis geglückt war, wiedergesehen hatte. Schreie, Rauch und schwarzes Feuer waren die Eindrücke, die er behalten hatte. Und Kai.

Nicht der Kai, den er kannte, nicht der mit den Augen aus Blut oder aus Rubinen. Nein, dieser Kai war eine Bestie gewesen. Seine Pupillen so stark geweitet, dass seine Augen schwarz gewesen waren. Seine Haare, die in alle Richtungen abstanden, wirr und wild. Sein Gesicht, dass zu einer hässlichen, irren Maske verzerrt war. Seine Hände, die gekrümmt waren wie Klauen.

Black Dranzer, hinter ihm wie ein riesiger schwarzgoldener Schatten. Schwarze Flammen umtanzten ihn und seinen Hatesit, fraßen Stein und Erde und lebendes Fleisch. Kais Gebrüll hatte sich mit Black Dranzers Schrei vermischt, unmenschlich, gierig, wahnsinnig.

Projekt Kai war aus dem Ruder gelaufen, denn Black Dranzer ließ sich nicht kontrollieren. Irgendetwas war schief gelaufen. Und wenn Kai nicht bald wieder zu Besinnung kam, wären sie verloren gewesen.
 

Yuriy war es, der Kai zurückholte. Yuriy, der seinen Freund nicht alleine und auch nicht dem Tod überlassen wollte. Yuriy, der von Kai erkannt und verschont worden war. Yuriy, der Kai beruhigt hatte, so dass dieser Black Dranzer bezwingen und zurückrufen konnte. Daraufhin hatte Kai das schwarze Tisetah in seiner Seele verschlossen und nie wieder gerufen.

Voltaire und seine Wissenschaftler hatten an dem ,Problem' geforscht um es zu beseitigen. Zehn war Kai damals gewesen. Sie hatten ihre Forschungen erst eingestellt, als Kai geflohen war.

"Ist doch interessant, oder?", wollte Jacques gerade wissen. "Was man mit etwas Forschung nicht alles anstellen kann." Niemand antwortete auf diese rhetorische Frage.

Nur Scaramak sagte: "Und was hat das mit der Unbrauchbarkeit von ihm zu tun?"

Das war eine nur allzu berechtigte Frage, die Yuriy erst jetzt in den Sinn kam. Aber eigentlich war das auch nicht wichtig. Wichtig war, dass Kai unbrauchbar gewesen war. Darum war er jetzt auch tot.

"Nun.", begann Jacques. "Black Dranzer war nicht verwendbar, weil er künstlich hergestellt war. Die menschliche DNA hat alles kaputt gemacht."

"Und das andere? Dranzer?"
 

"Mit ihr verhält es sich etwas anders. Komplizierter." Sterndeuter breitete die Hände aus. "Verstehst du, Wolf? Black Dranzer und Dranzer sind untrennbar miteinander verbunden. Black Dranzer hätte nicht zugelassen, dass Dranzer missbraucht worden wäre?"

Scaramak runzelte die Stirn. "Und warum?"

Jacques winkte lässig ab und drehte sich um, um zum Feuer zurückzugehen. "Das ist bei Pärchen nun mal so. Kommst du? Wir müssen morgen früh raus, damit wir Druskill rechtzeitig erreichen."
 


 


 

Verworfener Teil von Kapitel 17 Phönix ---> Kais Kampf gegen Black Dranzer

Meine größte Änderung. Das hier war ursprünglich die 2. Idee von dieser Szene, aber die erste, die ich aufgeschrieben habe. An das andere hab ich zwar vorher gedacht, aber dann kam das hier dazwischen. Es gefiel mir aber nicht so wie das andere(das, das jetzt im Text steht), darum hab ichs geändert. Auch wenn das da unten durchaus seine Reize hat.
 

"Weißt du, wo er ist?", fragte er seine gefiederte Begleiterin und diese stieß einen lauten, rufenden Schrei aus. Er wurde sofort beantwortet. Die Erwiderung klang Dranzers Ruf sehr ähnlich und war doch wieder ganz anders. Sie war genauso schön und melodiös, aber sie hatte einen hungrigen Unterton. Black Dranzer. Das war Black Dranzers Ruf.

"Da kommt er.", flüsterte Kai und sah in die Richtung, aus der der Schrei gekommen war. Bald tauchte der schwarze Phönix auf. Erst als kleiner Punkt, eigentlich nicht zu sehen, nur zu ahnen. Dann wurde er rasch größer, so dass Kai das Gold an seinen Schwingen, seiner Brust, seinem Hals und seinem Kopf erkennen konnte und die weiße Mähne.

Schließlich formten sich die Konturen, der geschmeidige, muskulöse Körper, der größer war als Dranzers, die gespreizten Schwingen von zehn Metern Spannweite mit den riesigen Schwungfedern, die wallende, schmutzigweiße Mähne. Der Blick aus glühenden Augen erfasste Kai und Dranzer sofort. Dranzer schrie herausfordernd und schlug mit den Flügeln. Kai streckte die Hand aus.

"Ruhig, meine Süße." Er runzelte die Stirn. Er wusste nicht wieso, aber er wusste, dass dies nichts mit Dranzer zu tun hatte. Sie würde bei diesem Kampf nichts tun können. Das war ganz allein seiner. Seiner und Black Dranzers. "Sei ruhig. Halt dich raus." Er strich ihr noch einmal über den Kopf, den sie fragend zu ihm gebeugt hatte, und drückte ihn an sich, ehe er ihr einen kurzen Kuss auf den Schnabelansatz gab.
 

Dann drehte er sich um und entfernte sich einige Schritte von ihr. Auch Black Dranzer kannte die Beteiligten des Kampfes, denn er kümmerte sich nicht um den anderen Phönix, sondern flog sofort auf ihn zu. Kai starrte den riesigen Vogel erschrocken an und fragte sich im gleichen Moment, wie er wohl mit ihm fertig werden konnte. Er hatte doch gar keine Macht. Selbst Dranzer war ihm unterlegen. Wie konnte er das nur schaffen?!

"Vertraue auf dich." Die wunderbare, melodiöse Stimme gehörte einer Frau und er kannte sie. Eine singende Stimme, so leicht und lieblich wie eine Feder, mit einer Ahnung von knisternden, tanzenden Flammen darin und von magischer Anziehungskraft. Einer Anziehungskraft wie das Inferno, schön, anmutig, aber tödlich, verführerisch. Er warf Dranzer einen Blick zu. Sie sah ihn offen aus goldenen, glänzenden Augen an und wisperte in seiner Seele: "Vertraue und siege und sehe, was ihn so zornig macht."

Er starrte sie an, doch dann riss Black Dranzers Schrei ihn wieder in die Realität zurück. Ein riesiger, schwarzer Schatten glitt über ihn. Kai sah auf und direkt in die goldenen Augen des schwarzen Phönix. Diese blitzten wild; wild und zornig und hasserfüllt. "...und sehe, was ihn so zornig macht."
 

Siehe, was ihn böse macht, hätte sie ebenso gut sagen können. Was ihn böse macht... Das sollte man bei allen fragen, bei allen, die gegeneinander kämpften. Bei allen, die ,böse' waren. Und noch viel mehr. Aber nicht jetzt. Jetzt war nur der Zeitpunkt, um über Black Dranzers Beweggründe nachzudenken.

Warum war er böse? Weil er künstlich erschaffen worden war? Weil er an Kai gebunden worden war? Weil er nicht mehr frei war? Auch Kai liebte die Freiheit. Er würde sie niemandem verwehren, der sie wollte. Nicht bewusst, zumindest.

Black Dranzer war es, der den Kampf eröffnete. Was hätte Kai auch tun können, unten am Boden? Er hatte keine Flügel. Der Phönix schoss auf ihn zu, mit angewinkelten Schwingen und ausgestreckten Klauen. Kai warf sich zur Seite und auf den Boden, aber er konnte nicht verhindern, dass die messerscharfen Krallen seine Schulter streiften und einen blutigen Kratzer hinterließen.

Er schrie auf und fasste danach. Sein Hemd war zerfetzt und er spürte, wie warmes Blut seinen Arm hinunterlief. Schmerz flammte auf. Er keuchte, schaffte es aber, Black Dranzers nächsten Angriff gänzlich auszuweichen. Der große Vogel schlug wiederholt mit den Schwingen. Kai taumelte in dem Sog zurück.
 

Den nächsten Klauenschlag konnte er nur mit einem beherzten Sprung nach hinten ausweichen. Es war wie ein Spiel, ein Tanz, ein Tanz auf Messers Schneide und wenn er ausglitt, würde er sterben, mehr verlieren, als zu dem Zeitpunkt, als Jacques ihm das Schwert ins Herz rammte.

Er glitt nicht aus. Einmal noch spürte er die Klauen, die sein Hemd und die Haut darunter zerfetzten, doch es war bereits zu spät für Black Dranzer, ihn wirklich zu fassen zu kriegen. Schließlich gab der Phönix es auf und schlug heftig mit den Flügeln um wieder an Höhe zu gewinnen.

Kai zitterte. Nicht, weil er Angst hatte - im Kampf hatte er nie Angst - aber vor Schwäche und der Kälte, die sich in seine Glieder fraß. Black Dranzers Kälte? Seine Kälte gegen Dranzers Wärme? Oder die Kälte des Todes?

Schwarze Flammen schossen vor ihm aus dem Boden. Kai wich zurück. Sie waren nicht kalt, nein, sie waren heiß wie Dranzers rotes Feuer. War das wirklich nicht Black Dranzers Kälte? Er hatte immer geglaubt, der schwarze Phönix wäre kalt, kalt und böse. Aber war er das gar nicht? Die goldenen Augen leuchteten zornig, ja, aber nicht kalt, nein, zornig und wild und ungestüm.

Hinter ihm züngelten ebenfalls Flammen. Black Dranzer schloss ihn ein. Es gab kein Entkommen. Hastig sah Kai sich um. "Lass das sein, Black Dranzer! Du wirst uns töten. Wenn du mich tötest, reißt du dich mit. Willst du sterben?"
 

Die Flammen züngelten höher, aber sie kamen nicht näher.

"Du wirst dich und mich und Dranzer töten."

Das Feuer wurde kleiner. Half das? Wollte er nicht um diesen Preis sterben? Aber warum kämpfte er dann? Wollte er Kai zeigen, dass er frei sein wollte?

"Willst du gehen? Willst du nicht bei mir sein?", fragte Kai und sah hoch.

Black Dranzer schrie.

Die falsche Frage? "Willst du frei sein? Ich gebe dich frei!"

Ein Flügelschlag, laut und wütend.

Ja. Die falsche Frage.

"Das ist es nicht, Kai." Kai schreckte von Dranzers Stimme alarmiert hoch. "Nicht das macht ihn wütend. Er ist ein Tisetah wie ich. Er weiß, dass sein Schicksal mit dir verknüpft ist und seine Kräfte durch dich geweckt werden. Er würde sich sogar mögen, lieben können. Das ist es nicht, Kai."

"Was dann?" Seine Stimme war nur ein Krächzen. Dranzer schwieg und sah zu dem anderen Phönix auf. Der Schwarze kreiste über Kai und schrie, dann machte er eine Schleife über seinen Kopf um zu Dranzer zu fliegen. Kai kam ein Gedanke. Ob Dranzer und Black Dranzer...? Nein, das war doch unsinnig. Schwachsinn. Aber... die einzige Lösung, die ihm einfiel. Ein Versuch. Ein Versuch war es wert. Vielleicht half es und wenn es nur Zeitschindung war.

Er wartete, bis Black Dranzer sich wieder von dem roten Vogel am Boden gelöst hatte und seine Runden über Kai zog, dann stürmte er zu seiner Dranzer hinüber. Black Dranzers wütender Schrei dröhnte in seinem Kopf und brachte seine Ohren zum Klingen und der Wind, den die schwarzen Schwingen verursachten, als der mächtige Körper ihm den Weg zu Dranzer versperrte, warf ihn zurück. War das doch die richtige Antwort?
 

"Die Antwort, Kai.", flüsterte Dranzer in seinem Kopf und er ließ sich erschöpft auf den Boden fallen. Er hatte die Ursache von Black Dranzers Zorn gefunden. Endlich konnte er etwas tun! Dranzer war Black Dranzers Weibchen. Und Kai nahm sie ihm ,weg'.

Dagegen konnte er etwas tun. Warum sollte er an Dranzer auf diese Art und Weise interessiert sein? Sie war doch seine Tisetah! Seine Partnerin und Schwester. Er brauchte sie. Er liebte sie. Aber nicht als Frau, auch wenn sie das durchaus war. Nein, er liebte jemand anderen. Aber Dranzer war seine Schwester. Sie waren so verbunden wie kaum jemand anderes.

"Ich nehme sie dir doch nicht weg. Nicht auf diese Art. Sie ist doch meine Schwester. Sei du mein Bruder."

Black Dranzer schrie.

"Bitte. Frag Dranzer."

Ein weiterer Ruf.

"Frag sie. Dann musst du mich nicht töten. Und sie auch nicht."

Erneut der Ruf, fragender diesmal. Dranzer antwortete und peitschte mit den Schwingen.

"Sei mein Bruder, Black Dranzer, und ihr Partner." Kai streckte die Hand aus. Nur Wahrheiten. In dieser Welt herrschten nur Wahrheiten. Der schwarze Phönix wusste das. Darum glaubte er Kai; glaubte ihm, dass alles, was er bis jetzt gedacht und gefühlt hatte, eine Lüge war.
 

Dranzer rief, freudig diesmal und breitete die Schwingen aus um sich in die Luft zu erheben. Ihre Flügelschläge waren erst träge, wurden dann aber rasch schneller, als sie zu Black Dranzer aufschloss und ihn einmal umkreiste. Sie sang. Es klang wunderschön, es klang wie Feuer und Flammen. Es dauerte etwas, bis Black Dranzer sich ihr anschloss und seine Stimme erhob, aber dann sang er mit ihr und aus dem Feuer wurde Inferno und ihre Stimmen ergänzten sich wie Yin und Yang, wie zwei Hälften eines Kreises. Wie sie sich selbst.

Kai lächelte und lauschte. Nie hatte er etwas schöneres gehört als den Gesang zweier Phönixe, nie etwas schöneres gesehen als zwei Phönixe, die sich umtanzten. Die Wolken brachen auf und ließen goldenes Licht herein, das helle Flecken auf den ausgedörrten Boden zeichnete. Die Vögel warfen dunkle Schatten auf den Boden und überall, wo sie sich abzeichneten, blühte die Erde auf und wurde grün von Gras und bunt von Blumen. Die Bäume bekamen Blätter und Blüten und alles sah lebendig aus, wurde lebendiger in dem Maße, in dem Black Dranzers Zorn schwand.

Kai lächelte und sah zu, wie die Phönixe tanzten. Er hätte nicht gedacht, dass das so einfach war. "Manche Dinge sind nun mal nicht so kompliziert, wie man sie macht.", sagte eine melodische Stimme hinter ihm. Kai erschrak diesmal nicht. Er drehte sich um. Hinter ihm stand Azrael.

"Nun? Wie ich sehe hast du dein Problem beseitigt." Er warf den Phönixen einen Blick zu.
 

Kai tat es ihm gleich. "Ich habe kein Problem."

"Mehr."

"Hatte nie eins."

"Wirklich?"

"Ja. Ich hätte gleich richtig zuhören sollen. Dann wäre es niemals soweit gekommen."

"Wieweit?"

"Das ich das Forschungsgebäude zerstörte und viele Menschen ihr Leben lassen mussten."

"Mach dir keine Vorwürfe. Du warst erst zehn."

"Na und? Auch Zehnjährige können zuhören."

"Es ist nicht deine Schuld. Auch Black Dranzer hätte zuhören sollen. Es ist eher seine Schuld."

"Seine Schuld?"
 

"Ja. Wer hat denn den Zehnjährigen überrumpelt? Wer war denn sofort blind vor Zorn und vor Eifersucht? Vor eine Art von Liebe, die der Zehnjährige nicht verstand? Wer hat denn nicht zugehört?"

"Black Dranzer."

"Ja. Du hattest nicht den Hauch einer Chance. Black Dranzer ist ja sofort ausgeflippt, ohne dass du dich auf ihn einstellen konntest. Ich dachte sowieso, das war's mit Kai und Dranzer."

"Wirklich?"

"Ja. Mit dem Rothaarigen habe ich nicht gerechnet."

"Yuriy.", flüsterte Kai und fühlte, wie die Tränen in seine Augen stiegen. Er sah Yuriy vor sich, wie er über ihm kniete und ihn in den Armen hielt und immer wieder seinen Namen rief. Die eisblauen Augen so voller Trauer, dass es Kai beinahe das Herz gebrochen hätte.

"Ja. Yuriy." Azraels Stimme verriet seine Gedanken nicht.
 


 


 

Kapitel 20, Kai trifft Jacques wieder Das hier ist Unsinn. Mir gefiel die Vorstellung von Jacques, der mit vollem Verstand auf Kai trifft, aber diese Gelegenheit hätte es nie gegeben, außerdem würde sich Kai nie so verhalten. Ich hab es selbst jetzt nicht geschafft. -.- *drop*
 

Unentschlossen starrte Kai an den Felsen vorbei auf Jacques. Dieser hatte ihn noch nicht bemerkt; natürlich nicht, wie sollte er auch? Immerhin waren sie gut versteckt. Kai wusste nicht, was er tun sollte. Am besten war es natürlich, ihn hier und jetzt abzuschießen. Aber aus irgendeinem Grund wollte er das nicht. Er wollte, dass Jacques sah, wer ihn tötete. Wie du mir, so ich dir.

Jonny bemerkte sein Zögern und grinste plötzlich spitzbübisch. "Du solltest dich hinter ihn stellen und ,Buh!' schreien."

Kai schnaubte. "Das ist albern."

Auch Michael schien der Gedanke zu gefallen. "Du musst ja nicht unbedingt ,Buh!' rufen, aber ihn ein wenig erschrecken - das könnte doch lustig werden!"

Kai zuckte die Schultern und nickte. Irgendwie...begann ihm dieser Gedanke Spaß zu machen. Er glitt lautlos an den Felsen vorbei und kroch näher an Jacques heran. Es war ein Kinderspiel, sich hinter Sterndeuter aufzubauen. Einen Moment zögerte er, dann tippte er Jacques leicht auf die Schulter.

Dieser fuhr herum und erblickte ihn. Er erstarrte. Dann brüllte er los wie am Spieß. Von den Felsen her drang lautes Gelächter. Jonny und Michael schien die Szene ausnehmend zu gefallen.

Kai grinste. "Na? Hast wohl nicht erwartet, mich jetzt schon zu sehen, was?"

Jacques kippte einfach um. Verdutzt starrte Kai auf den ohnmächtigen Mann und drehte sich dann zu seinen beiden Begleitern um, die hinter den Felsen aufgetaucht waren. Er schüttelte den Kopf, zuckte die Schultern und hob die Hände. ,Keine Ahnung' sollte das bedeuten, dann lachten alle auf einmal los.
 


 


 

Aus Kapitel 19 Besprechung in der Höhle ---> Problem bei dieser Version: Jacques hatte die Amulette der vier! Und darum konnte ich das nicht so lassen. Die konnten ja nicht einfach ohne Amulette abhauen. -.- Seht ihr, wie dumme Fehler ich mache?
 

Außerdem gibt es da noch ein anderes Problem." Ivan und Sergej horchten sofort auf. Auch Bryan wirkte aufmerksamer. Anscheinend wussten sie alle, was er sagen wollte.

"Und das wäre?", wollte Lee wissen, der scheinbar nicht begriff, worauf der Rothaarige hinauswollte.

Yuriy sah ihn kalt an. "Wer sagt, das wir euch weiterhin begleiten?"

Entsetzt starrten ihn alle - bis auf seine drei Jungs, die seine Meinung mehr oder weniger teilten - an. Was sagte Yuriy da? Sie wollten...nicht mehr mit ihnen kommen.

"Aber...wieso?", fragte Max dann leise.

"Ganz einfach. Weil der einzige Grund, euch zu begleiten, Kai war. Und, ob wir es wollen oder nicht, Kai ist jetzt tot."
 


 


 

Aus Kapitel 23 Streitende Industrielle, die von einem anderen zur Ruhe gebracht werden sollen Ich hab das gestrichen, weil der Kerl total unnötig war und hab dann lieber Takao und Kai geschickt. Es wäre sonst ein Charakter mehr und das wollte ich nicht...
 

Die Türglocke riss sie aus dem Gespräch. Die Streiterein hielten nicht ein. Anscheinend hatten die ach so klugen Industriellen und Machthaber da draußen nicht einmal mitgekriegt, dass es geklingelt hatte. "Hilary, würdest du bitte öffnen? Wer auch immer es ist, ich komme gleich." Die Blonde trug die Teekanne in das Wohnzimmer hinüber.

"Natürlich, Judy." Das Mädchen verschwand sofort. Wer das wohl war? Judy erwartete niemanden mehr. "Ja, bitte, was...? Oh, Herr Ikegawa!", hörten sie Hilary erstaunt ausrufen. Takao und Max sprangen erstaunt auf.

"Wer...?", begann Rei, aber Takao ließ ihn nicht einmal ausreden. "Ikegawa! Was sucht der denn hier?"

"Wer ist das?", fragte Rei.

"Asato Ikegawa. Der größte Industrielle hier in Nijan. Er war das, der das Technik-Projekt, wegen dem wir hierher gezogen sind, finanziert und auf die Beine gestellt hat.", erklärte Max flüsternd.

"Was sucht der hier? Er steht doch auf der Seite der Magier! Sie haben ihn immer gefördert!", empörte sich Takao.
 

"Vielleicht uns klar machen, dass wir keine Chance haben? Oder unsere Verteidigung herausfinden?", schlug Judy vor, die plötzlich wieder hinter ihnen stand. Kai zuckte zusammen.

"Nein.", murmelte Rei. "Ich glaube nicht." Judy zog die Augenbrauen hoch, antwortete aber nicht, sondern stellte eine leere Kuchenplatte auf die Arbeitsfläche und ging auf den Flur. "Guten Tag, Herr Ikegawa. Was kann ich für Sie tun? Bitte, kommen sie doch herein."

"Ich danke Ihnen, Frau Mizuhara." Man hörte Stoff rascheln und die Tür wurde geschlossen. "Ich bin hier wegen der Gerichtsverhandlung morgen. Ich habe gehört, sie leiten die Verteidigung in dieser Sache."

"Nun ja. Mehr oder weniger." Judys Stimme klang sarkastisch. Die Streitenden mussten bis in den Flur zu hören sein.

"Ich verstehe."
 

~~~~~~~
 

So, das war's jetzt entgültig mit KMuD. Ich hab zwar noch Ideen für eine Fortsetzung, aber zur Zeit habe ich irgendwie kein Bock darauf. Wenn ich da jetzt was schrieben würde, würde nur Mist herauskommen, also lass ich's bleiben.
 

Aber es ist jetzt definitiv so, dass ich eine neue Story anfangen werde. Ich weiß bloß noch nicht welche. Ich hab meine Ideen in meinem Weblog aufgelistet, also, wenn ihr Interesse habt, dann solltet ihr mal da rein schauen, okay? Ich wäre euch wirklich sehr dankbar, denn dann wüsste ich besser, was bei euch so ankommt.
 

So und jetzt ist Schluss!

Bis zur nächsten FF. ^.~

Silberwölfin
 

Aber ich will noch meinen Kommischreibern danken. Dass ich das nicht vergess'.
 

Menteni

Spellmaster

X66

rini-san(Den Namen immer noch vergessen? *fg*)

Jazzy

Arethelya(auf das du bald weniger Stress haben wirst. Ich vermiss dich irgendwie ;_;)

Skorms_Rache

Sesshi-Chan(meine treueste Kommischreiberin *knuddel* ^^)

-ohohseven-

engel_salvia

schwarzer_nebel

Katzengirl

Saturn0100

black_ray-jack

hells-bells

(so, wenn ich jemanden vergessen habe, dann ganz laut brüllen!)
 

Ich krieg's einfach nicht auf die Reihe.

Jetzt ist entgültig aus. -.-°



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Von:  Minchi
2024-02-19T06:49:01+00:00 19.02.2024 07:49
Aah einfach immer wieder gut. Habe deine Story in den letzten Jahren immer mal wieder gelesen und sie ist einfach so toll ❤️

Von:  Blutkralle
2016-12-03T20:58:45+00:00 03.12.2016 21:58
Könntest du bitte, bitte, bitte eine Fortsetzung machen oder eine Nebenstory das wäre voll cool. 😍🙈
Von:  -Colonello-
2008-08-02T14:09:39+00:00 02.08.2008 16:09
die ff ist einfach klasse
Von:  -Colonello-
2008-08-02T14:07:21+00:00 02.08.2008 16:07
so hier kommt die kommi faulheit in person
ich habe die ff schon seit langem bei meinen favos aber nie nen kommi
geschrieben
das will ich jetzt endlich ändern
ich finde deine ff und ich finde grade kein anderes wort geil
ich habe sie sogar ausgedruckt und abgeheftet damit ich sie immer wieder in aller ruhe lesen kann
(das selbe hab ich auch mit deiner ff freuermond und wolfsmong gemacht)
du schreibst wirklich genial
mach weiter so

lg
jesse-yuki

ps: ich fand das ende war noch offen
wird es eine zweite ff geben?
Von:  chiby
2006-10-18T12:11:25+00:00 18.10.2006 14:11
Und hier muss natürlich auch noch was hin, auch wenn wir den hundersten Kommi ja jetzt erreicht haben ^^
*Gedenkstein setzt*

Das Wiedersehen zwischen Kai und Tala *eeeendlich* :)
Wie Kai reagiert als er merkt, daß der Kämpfer Tala ist, und wie er sich mit Dranzer durch die Reihen der Feinde metzelt...du schreibst einfach so toll!!!
Und als sie sich dann in die Augen sehen...*unfähig weiterzuschreiben* ^^
Von:  chiby
2006-10-18T11:50:15+00:00 18.10.2006 13:50
Wie, und hier auch kein Kommi? *ungläubig den Kopf schüttel*

Die Stelle wo Kai seine Dranzer ruft und die beiden dann gemeinsam, von ihren Flammen eingehüllt, den ersten Kampf der Geschichte bestreiten!!! *das war sooooooo schön zu lesen*
Ach *schmacht* ich liebe diese beiden....
*zweiten Gedenkstein setzt*

Und natürlich nicht zu vergessen:

GRATZ ZUM 100. KOMMI !!!! Und ein gaaaaanz großes Dankeschön an dich für diese tolle Geschichte!!!!
*dich einmal knuddelt*

Chiby
Von:  chiby
2006-10-18T11:38:42+00:00 18.10.2006 13:38
Wie, zu diesem Kapitel gibt es keinen einzigen Kommentar?

Dabei ist das doch die Stelle wo Kai das erste Mal auftaucht!!!
Du hast ihn hier so richtig schön dargestellt...stark, gutaussehen, schweigsam, cool....*mom, sabber abwisch* ^^

Naja, an diesem Punkt der Geschichte war ich dieser hoffnungslos verfallen.....*Gedenkstein setz*
Von:  chiby
2006-10-18T11:33:27+00:00 18.10.2006 13:33
Sooo, eigentlich hab ich ja schon eingiges in meinem Kommi zu der Geschichte gesagt, aber....
es war eben nur "ein Kommi" das ich am Ende geschrieben habe!

Und da ich mir dachte ich mir, es kann ja eigentlich nicht sein, daß so eine tolle Geschichte nicht mindestens mal 100 Kommis hat!!! GENAU

Und so schreib ich dir eben noch ein bissl zu den einzelnen Kapiteln ^^

LG Chiby
Von:  chiby
2006-09-27T13:21:43+00:00 27.09.2006 15:21
Ich habe Deine Fanfics (ich hab auch schon in ein paar andere reingelesen ^^) erst vor kurzem entdeckt. "Krieger, Magier und Diebe" habe ich so ziemlich in einem Rutsch durchgelesen...der Vorteil wenn man eine Fanfic erst findet wenn sie schon fertig ist :D
Insofern kommt mein Kommi natürlich sehr spät, trotzdem wollte ich Dir noch was dazu schreiben.

Deine Geschichte hat mich mächtig beeindruckt, sowohl der Inhalt, als auch dein Schreibstil und die Charactere.
Ich muss dazu sagen, ich kenne von Beyblade auch nur sehr wenige Folgen und das auch nur, weil mich der Character von Kai fasziniert...und wie Du ihn hier dargestellt hast ist echt klasse!

Ein paar Kleinigkeiten haben mich trotzdem gestört.
Bis zu Kai`s "Auferstehung" hast Du der Geschichte sehr viel Zeit gegeben sich zu entwickeln, sowohl den Charas, als auch dem Handlungsstrang. Du hast ja selber angegeben, dass dieses Lieblingskapitel Dir schon zu Beginn vorgeschwebt hat ^^.
Danach allerdings kommt einiges meiner Meinung nach zu kurz:
- es wäre schön gewesen, wenn Black Dranzer in irgendeiner Art und Weise noch einmal aufgetaucht wäre (Du hast zwar geschrieben wie nahezu unkontrollierbar sie sein soll, aber Kai hat sich ja auch weiterentwickelt)
- in dem Gespräch zwischen Boris und Voltaire hiess es, daß sie Kai suchen wollten...eine Spur hatten sie ja nun. Aufgetaucht sind sie aber leider nicht mehr, auch das war ein wenig schade.
- und zu guter letzt das Ende, bzw der Endkampf. Dafür, dass die Geschichte sich eigentlich zu diesem Endkampf hin entwickelt, zu dem gemeinsamen Kampf der 4 Göttlichen gegen den fast übermächtigen Gegner, ist es eine wirkliche Enttäuschung für mich gewesen, dass dieser Kampf mit geradezu einer halben Seite abgehandelt wurde!!! Da war nichts mehr zu sehen von dem was Deine gesamte Geschichte auszeichnet, die Spannung, Action, Dramatik.....wo blieb das am Ende?

Naja, ich will nicht zu hart klingen, aber es war mir wichtig das zu sagen. Vor allem da ich "Krieger, Magier und Diebe" ansonsten einfach nur klasse finde!

Ich bin gespannt wie Deine anderen Fanfics weitergehen ^^

Liebe Grüsse,
Chiby
Von:  shibui
2006-08-05T19:00:49+00:00 05.08.2006 21:00
obwohl ich die FF jetzt schon vor ner Weile gelesen hab, nachträglich noch ein Kommentar. die FF war wahnsinnig toll. wenn ich sie so mit deinen anderen vergleiche, hält diese sich am Stärksten an das BB-Orginal, was so Aufbau etc angeht also so wann die Personen auftauchen, wer mit wem in einer Gruppe ist, Dizzy im Spiegel, die Abtei-Vergangenheit...
die Szenen wo einmal Kai mit den zwei Schwertern den Berg runterkommt um Yuriy zu helfen und die wo Yuriy so abgeht nach Kai's Tod, mag ich besonders. Aber toll find ich auch das Kapitel wo Yuriy das erste mal vorkommt, wie du das mit der Abtei beschrieben hast und die tiefen, fast sehnsüchtigen Gefühle, die er immer noch mit Kai verbindet, obwohl er schon so lange weg ist. das Kap. hat mich echt beeindruckt, die ganze Sache mit der geheimen Zuflucht auf dem Dach und wie Kai's flammend rote Augen blutrot wurden. Wunderschön.
die Szene mit Bryan und Ray im Verlies hat mir auch sehr gefallen (ich mag Bryan total) und wer mir auch wirklich richtig gut gefallen hat, war Tyson. ich find's schön wenn er Kai als echten Freund ansieht, und der kleine Streit den sie da hatten bei Hiro vor der Tür, das war schon cool von Ty.

und es gab noch so viele gute Szenen

alles in allem: wundervoll!!!!


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