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Till death...

Salt in my wounds, until the bitter end
von

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Chapter 1

This world... and another one to me?

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Chapter 1
 

Regen, Regen und nochmals Regen. Das war Londons berühmtes Wetter. Besonders jetzt im Herbst, wenn auch noch der Nebel hinzukam, war es besonders düster und ungemütlich.

Mit starrem Blick schaute ich aus dem Fenster und versuchte die Nebelschwaden zu durchdringen, aber sie waren ungefähr so konsistent wie Watte, sodass mein Blick nicht mal die heruntergekommene Fassade des gegenüberliegenden Hauses zu erreichen vermochte. Der stahlgraue Himmel erstickte auch noch den Rest Hoffnung und guter Laune, den ich heute Morgen aufgebracht hatte, denn schließlich war der Geburtstag meiner Schwester. Leider brauchte es nur ein weiteres Frühstück an dem Tisch meiner Eltern und ich war wieder an dem Punkt angelangt, an dem ich mich schon seit fast 17 Jahren befand.

Nicht mal das Geräusch der Tür ließ mich hochschrecken, als jemand mein Zimmer betrat. Anhand der Gangart vermutete ich meine Mutter. Ich hatte sogar Recht. Ihre Stimme war nicht zu verwechseln.

"Elena, was ist denn nun. Die Gäste warten und deine Schwester auch. Komm herunter zu uns. Es gibt Kuchen und ich möchte nicht, das dein Verhalten ein schlechtes Licht auf unsere Familie wirft.", drängelte meine Mutter ungeduldig mit ihrer unangenehm schrillen Stimme, die bis auf dreihundert Yards zu hören war, selbst wenn sie (zumindest nach ihrem Dafürhalten) leise sprach. Ich rutschte provozierend langsam vom Fensterbrett und schaute meine Stiefmutter ein paar Sekunden lang kalt an, bevor ich mich in Bewegung setzte und die Treppe hinunter in das Wohnzimmer ging. Der kleine Raum war komplett umgeräumt worden, sodass ein langer Tisch in der Mitte Platz fand, an dem sich die halbe Verwandtschaft niedergelassen hatte. Zwei Plätze waren frei, einer neben meiner Schwester und einer zwischen zwei älteren Herren, die ich nicht wirklich kannte. Ich beschloss meine Mutter zu ärgern, indem ich mich auf den Platz neben meiner Schwester setzte, sodass sie gezwungen war sich auf den Platz zwischen den beiden Unbekannten zu setzten.

Mit einem eiskalten Lächeln begrüßte ich die Runde und ließ mich neben meiner fünf Jahre jüngeren Schwester, Marina, nieder. Diese sah mich eindeutig gequält an. Offensichtlich musste sie das sinnlose Gerede der Verwandten schon länger über sich ergehen lassen.

Ich schlang die Arme um sie und flüsterte ihr ins Ohr: "Ich bringe dich so schnell wie möglich hier raus, Kleine. Gedulde dich noch ein wenig, jetzt bin ich ja da."

Marina sah mich aus ihren großen, grünen Augen hoffnungsvoll an und nickte. "Aber handele dir keinen Ärger mit Mom ein."

"Werde ich schon nicht.", erwiderte ich und strich ihr liebkosend durch das blonde, schulterlange Haar.

Marina lächelte.

Ich löste mich wieder von ihr, warf den uns Gegenübersitzenden einen spöttischen Blick zu und widmete mich dann den leckeren Kuchen, die vor meiner Nase standen. Dem entsetzten Gemurmel von den Verwandten schenkte ich keine Beachtung, im Gegenteil, ich ging sogar so weit, dass ich dem jungen Herrn mir gegenüber sogar ein Stück anbot. In seine dunkelblauen Augen blitzte es amüsiert auf. "Aber natürlich." Er hielt mir seinen Teller hin.

Zum ersten Mal betrachtete ich ihn genauer. Er hatte schwarze Haare, die er nach hintern gegelt trug und vorne hingen ihm zwei schwarze Strähnen in die Stirn. Sein Gesicht war etwas breiter, ohne dabei grobschlächtig zu wirken, eher etwas kindlicher. Er hatte volle Lippen, eine schmale Stupsnase und gerade dünne Augenbrauen.

Etwas verwirrt musste ich mir eingestehen, dass ich ihn recht hübsch fand, allerdings konnte ich mich nicht daran erinnern, ihn jemals gesehen zu haben, geschweige denn, dass er irgendwie mit uns verwandt war. Vielleicht nur ein Bekannter, denn seine Kleidung wirkte teuer, und auch Haargel war etwas, was sich nicht jeder leisten konnte. Ich vermutete, dass er aus reicheren Verhältnissen stammte, möglicherweise sogar ein eigenes Haus besaß. Unsere Familie war arm, wir hatten eine kleine Wohnung, die nur durch Zufall über zwei Stockwerke ging und deren Vermieter ein Ausländer war, sodass er nicht auf die Idee kam sie teuerer zu vermieten. Wir hatten halt einfach mal etwas Glück gehabt in unserem sonst von Pech gebeuteltem Leben.

Ein bitteres Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Oh ja, wir waren vom Pech verfolgt, zumindest ich und Marina. Einen gewalttätigen Stiefvater, eine Stiefmutter, die manchmal Dinge mit meiner Schwester anstellte, dass mir vor Ekel schlecht wurde und zumindest mein richtiger Vater war ein bisexueller Prostituierter. Wunderbar, besser konnte es nicht sein.

Wer der leibliche Vater meiner Schwester war, das wusste ich nicht. Unsere gemeinsame leibliche Mutter hatte viele Männer gehabt, bis sie sich dann irgendwann selber umgebracht hatte. Den Abschiedsbrief von ihr hatten Marina und ich fest in einer Schublade verschlossen.

Langsam nur fand ich in die Wirklichkeit zurück. Peinlich berührt senkte ich den Blick, als ich merkte, dass ich den jungen Mann die ganze Zeit angestarrt hatte. Sein Lächeln war ehrlich, aber irgendwie konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass etwas nicht mit ihm stimmte. Er hatte schon die Gabel in das Kuchenstückchen gesteckt, aber trotzdem nicht begonnen zu Essen, sondern meinen Blick erwidert. Selten hatte ich so ehrliche Augen gesehen, tief wie ein Ozean und von derselben dunklen, unergründlichen Farbe. Ich hatte auch noch nie jemanden getroffen, der meinem Blick so lange standgehalten hatte. Der Ausdruck meiner Augen war stets etwas leidend, sodass mein Gegenüber sich unwohl zu fühlen begann, dass wusste ich, aber anscheinend wirkte das nicht auf den jungen Mann.

Aber auch er senkte jetzt den Blick und begann sein Stück Kuchen zu essen.

Meine Mutter hatte aus Verzweiflung schnell einen guten Appetit gewünscht, sodass auch der Rest der Gäste anfangen konnte, sich etwas von den Kuchen und Torten zu nehmen.

Ich spürte ihren Blick auf mir lasten, wie die Berührung einer unangenehmen Hand und auch die Blicke meines Vaters verhießen nichts Gutes. Sobald die Feier vorüber war, würde er mich schlagen, dessen war ich mir bewusst, aber genau deswegen gehorchte ich ihm nicht, gerade seine Gewalt regte den Trotzkopf in mir nur zu mehr und mehr Widerstand an. Ich wollte mich seiner widerwärtigen Person nicht beugen, ihm nicht die Genugtuung bieten und auf seine Worte und Schläge hören, ich konnte nicht mal mehr weinen. Meine Tränen hatte ich verloren, genauso wie übermäßige Gefühlsausbrüche. Immer wenn ich drohte zu zerbrechen und in den Abgrund des Wahnsinns zu rutschen, dann schaltete mein Kopf einfach ab, eine dumpfe Taubheit erstickt dann alle Gefühle im Keim und ich kann nicht mehr auch nur eine einzige Träne weinen. Dieser Schutzmechanismus meines Geistes hatte mich schon öfters vor dem völligen Abrutschen in den schwarzen Schlund bewahrt, der einen verlockenden Sog aussandte, um mich in seine Fänge zu bekommen.

Meine Schwester schaute mich an und ich sah Tränen in ihren Augen glitzern. In einem plötzlichen Anfall Zärtlichkeit schlang ich wieder meine Arme um sie. Ich spürte, wie sie ihr Gesicht in meiner Schulter barg und warme Tränen an meiner Schulter hinab liefen. Sachte streichelte ich ihr Haar. "Psst, bleib stark. Ist ja alles gleich vorbei."

"Stimmt etwas nicht?", hörte ich eine sanfte, fast noch jugendliche Stimme fragen und wandte den Kopf in die entsprechende Richtung. Es war der Schwarzhaarige mit den dunklen Augen.

Ich schüttelte den Kopf. "Geht schon. Sie hatte heute Nacht schlecht geschlafen, das ist alles."

"Vielleicht solltet ihr mal kurz rausgehen.", schlug er vor.

Er war der einzige, der sich um Marina Sorgen machte. Wie immer beachtete niemand sie, wenn es Anzeichen gab, dass es ihr nicht so gut ging.

"Ist vielleicht besser.", erwiderte ich mit einem dankbaren Lächeln. "Komm, Kleine, wir gehen kurz raus.", wandte ich mich wieder an Marina. Jedes Jahr dasselbe, nur diesmal war ein mitfühlender Mensch da, den ich nicht kannte. Vielleicht ein Wink des Schicksals? Wirklich glauben konnte ich es nicht. Ich grübelte noch ein wenig weiter, während Marina und ich den Raum verließen und hinunter in den Garten gingen.

Ich bemerkte die hochgewachsene, schlanke Gestalt in der schwarzen Lederhose und dem dunklen T-Shirt, die uns folgte, nicht.

Im Garten angekommen, zog ich zuerst mal eine Zigarettenpackung aus der Tasche und schob mir eine zwischen die Lippen. Marina hatte sich an mich gelehnt, ihr schmaler Körper bebte vom Weinen und lautlose Tränen liefen ihre Wange hinab. Ich legte meinen Arm um ihre Schulter, um sie wenigstens etwas zu wärmen. Schritte erklangen hinter uns, als jemand den Gang entlang kam, der unter den Häusern lang führte. Sie stockten kurz, änderten dann den Rhythmus, als sie an der kleinen Treppe angelangt waren.

Marina und ich drehten uns gleichzeitig um. Es war der junge Mann mit den dunklen, blauen Augen und den schwarzen Haaren. Er lächelte verlegen und bot mir Feuer an, als er die Zigarette bemerkte. Ich nahm es dankbar an und sog genüsslich an der Zigarette, sodass das Ende in der Dunkelheit rot aufglühte.

"Du solltest nicht rauchen, ist nicht gut für die Stimme.", bemerkte er, sichtlich aus Mangel an etwas anderem, was er hätte sagen können.

Ich musste lächeln. Wie oft war mir das schon gesagt worden. Ich hatte eine angenehme und schöne, helle Stimme, sodass viele ihren Augen nicht trauten, wenn ich eine Zigarettenschachtel aus der Tasche zog. "Eine Sucht werde ich ja wohl noch habe dürfen."

Er zuckte mit den Schultern. "Ich sollte meinen Mund halten. Ich rauche ja schließlich auch." Ein helles Lachen erklang von seinen Lippen.

Ich musste unwillkürlich mitlachen. Es klang so unbeschreiblich schön, etwas was ich schon seit Jahren nicht mehr gehört hatte. Ehrliches Lachen kam in meiner Umgebung so gut wie nie vor. Kaum ein Mensch, den ich kannte, hatte so ein glockenhelles, reines Lachen, wie dieser Mann vor mir. Ich ahnte plötzlich, dass es einen Grund geben musste, warum er hier war.

"Wer sind Sie eigentlich?", fragte ich vorsichtig.

"Sag ruhig »du« zu mir.", berichtigte er mich. "Mein Name ist Lucifer de Angelus."

"Und was machst... also... na ja, was ist der Grund, warum du hier bist? Verwandt bist du doch nicht mit uns, oder? Bist du ein Bekannter?"

"Weder das eine, noch das andere. Ich bin sogar ziemlich unerwünscht.", lächelte er.

"Warum denn unerwünscht? Meine Mom hätte dich doch nie rein gelassen, wenn du... unerwünscht wärest." Ich hoffte, das ihm das Zögern vor »unerwünscht« nicht auffiel.

"Tja, hätte sie es nicht getan, dann wäre sie euch beide sehr schnell losgeworden. Ich bin im Auftrag von Tom Taylor hier."

"Mein Vater...", entfuhr es mir ungläubig. "Wie geht es ihm? Was macht er zurzeit? Denkt er manchmal an mich? Kennst du ihn etwa? Warum hat er dich zu uns ge-"

"Immer mit der Ruhe.", unterbrach Lucifer mich mit einem amüsierten Lachen.

Marina neben mir hatte aufgehört zu schluchzen und lauschte ebenfalls gespannt.

"Also, ich bin ziemlich eng mit deinem Dad befreundet, wir kennen uns noch aus der Grundschulzeit. Ihm geht es bis auf sein - vorsichtig ausgedrückt - beschissenes Leben und die Drogen ganz gut. Ich habe ihn vor kurzem bei... per Zufall wieder gesehen und wir gerieten ins Quatschen. Da hat er mir alles erzählt, auch, dass man ihm seine Tochter weggenommen hatte, weil er so einen scheiß Job hat, noch ziemlich jung war und all das."

"Und dann?", fragte ich ungeduldig, als er nicht weiter sprach.

"Na dann hat er mich gebeten auf euch beide acht zu geben und zu schauen, ob man euch gut behandelt. Ich hatte mir extra deinen Geburtstag, Marina, ausgesucht, weil ich mir denken konnte, das dann viele Gäste kommen und ich nicht ganz so doll auffallen würde."

"Und nun?", fragte Marina, mit zittriger Stimme.

"Tja, wie werdet ihr denn behandelt? Also, ich vermute mal nicht sonderlich gut."

Ich schüttelte den Kopf. "Von guter Behandlung kann echt keine Rede sein. Unser Vater schlägt uns, unsere Mutter..." Ich stockte. Die Wahrheit war einfach nur grausam. Selbst ich hatte meiner Schwester nicht glauben können, bis ich es mit eigenen Augen gesehen hatte.

Marina begann wieder zu schluchzen. Ich konnte mir denken, wie sehr sie das mitnahm.

Lucifers Blick wurde schmerzhaft. "Hey Kleine.", begann er sanft. "Ich werde euch da schon irgendwie raus hauen. Wird schon wieder." Er näherte sich, wie um sie auch zu umarmen, aber Marina zuckte erschrocken zusammen, sodass er es dann doch bleiben ließ. Ich schlang meine Arme nur noch fester um sie, auch wenn ich mir irgendwie wünschte, ebenfalls von irgendwem Trost zu bekommen, einfach, dass Lucifer mir nahe sein würde. Aber meine Schwester war mir wichtiger, als die eigenen Bedürfnisse, also blieb ich bei ihr. Meine Zigarette war mittlerweile bis auf den Filter heruntergebrannt und ich ließ sie achtlos auf den Steinboden fallen.

"Lass uns wieder nach oben gehen, sonst könnte es ja ein schlechtes Licht auf unsere Familie werfen.", sagte ich ironisch.

Lucifer schaute mich verwundert an. "Woher hast du denn den Quatsch?"

"Von meiner Mutter.", antwortete ich mit hochgezogenen Augenbrauen. "Sie labert ständig solche Scheiße."

Marina musste lachen. "Stimmt." Aber sie wurde sofort wieder ernst. "Wir sollten wirklich wieder nach oben gehen."

Gesagt, getan. Lucifer wich den ganzen Abend nicht mehr von unserer Seite. Wie ein unauffälliger Schatten blieb er stets in unserer Nähe und beobachtete die Personen und deren Reaktionen auf uns. Die meisten waren gezwungen freundlich, erkundigten sich nach der Schule und all solche langweiligen Dinge, die sie nicht mal selber interessierten, andere hingegen behandelten meine Schwester wie ein kleines Kind, obwohl sie mittlerweile ja schon elf Jahre alt war. Ich wurde nur selten in irgendeiner Weise bemerkt. Nur ein notwendiges Übel an Marinas Seite...

Chapter 2

~Vorwort~

So, ich hab es endlich geschafft, das zweite Kapitel zu vollenden... ich hab total lange dafür gebraucht, die letzten Zeilen zu schreiben... is ja typisch für mich! -.-* Aber hier ist es ja nun endlich! ^^

Viel Spaß beim Lesen!

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Chapter2
 

Selbst die Zeit schien sich gegen mich verschworen zu haben, denn sie verlief so langsam, als hätte irgendjemand vergessen die Uhr wieder aufzuziehen. Marina und ich verließen den Raum so oft es ging, um wenigstens ein paar Minuten Ruhe zu haben vor dem sinnlosen Gequatsche unserer leicht bis total betrunkenen Verwandtschaft.

Ich spürte schon gar nicht mehr, wenn mein Geist auf Abwehrmodus schaltete und ich kühl und wortkarg reagierte, wenn mich jemand ansprach. Es erschien mir alles so unwirklich, wie ein Alptraum von jener Sorte, die aussah, als hätte der Film, mit dem die Aufnahmen gemacht wurden, einen Hauch Schwärze bekommen. Ich schwebte über dem ganzen Szenario, sah mich selbst in dem engen, muffigen Raum wie ein eingesperrtes Tier hin und her laufen, Marina an meiner Seite, Lucifer stets in der Nähe.

Als das Grauen schließlich beendet war, in dem ein Teil der Verwandtschaft sich schlafen legte und der Rest nach Hause fuhr, wusste ich, dass mich nun noch etwas wesentlich schlimmeres erwartete. Ich dachte ohne jegliches Gefühl darüber nach, was mein Dad mit mir anstellen würde. Mein Gehirn hatte schon längst abgeschaltet und der klägliche Rest, der vergeblich versuchte, mich vor der absoluten Abgestumpftheit zu bewahren, wurde von den Mengen Alkohol, die ich in mich reinstürzte, auch zum Schweigen gebracht.

Ich registrierte nur am Rande, wie mein Stiefvater mich in die Küche zerrte, weg von Marina, weg von Lucifer und den zwei, drei Bekannten, die sich noch von meiner Mutter verabschiedeten.

Er packte meine Schultern, begann mich durchzuschütteln und brüllte unverständliche Worte, die für mich nur wie das Blubbern eines überdimensionalen Fisches klangen. Verwundert versuchte ich den Grund für diesen seltsamen Vergleich zu finden, aber ich kam nicht drauf, sondern musste nur kichern, bei der Vorstellung, wie mein Vater von einem Fisch verschluckt wurde.

Ein brennender Schmerz in meinem Gesicht riss mich unsanft aus meiner Vorstellung und ließ mich vor Schreck zurückweichen. Ich sah meinen Vater durch einen weißen Schleier hindurch, wie er seine Hand zu einem weiteren Schlag erhob, spannte mich und versuchte an Marina zu denken. Marina... meine Kleine... für sie war es wert durchzuhalten.

Der zweite Schlag kam mit ungeahnter Wucht. Ich taumelte ein paar Schritte zurück, aber der Alkohol machte sich bemerkbar - ich begann wieder zu kichern, seltsame Laute, die nicht wie mein normales Lachen klangen, sondern vollkommen wahnsinnig und als wenn ich nicht mehr recht bei Verstand wäre. Aber selbst jetzt, wo ich das registrierte, konnte ich nicht aufhören. Es war wie ein Zwang, ich musste etwas tun, irgendetwas, damit ich nicht daran dachte, was mein Vater tat, nicht den Schmerz spürte, der in meiner Seele noch stärker tobte, als in meinem Gesicht, denn das Schlimmste war der Verrat einer Person, zu der man normalerweise Vertrauen hat, in die man seinen Glauben setzt, sie sei ein Vorbild und für einen da, wenn man ein Problem hat - nun, ich war bitter enttäuscht worden. Bis jetzt hatte ich mit allem alleine klarkommen müssen, nie jemanden an meiner Seite gehabt, wenn es mir nicht gut ging.

"Du verdammtes Miststück!!!", brüllte mein Vater. "Wieso lachst du?" Er schlug mich wieder. Seine Faust raste in meinen Magen, so dass ich mich unter irrsinnigen Schmerzen krümmte und zu Boden fiel. Gepeinigt schloss ich die Augen und wartete auf das Ende.

"Du bist das letzte.", zischte er. "Die letzte Tochter, die sich jemand wünscht."

Und wieder. Ich spürte den Schmerz schon gar nicht mehr, als sein Fuß meine Rippen traf. Verzweifelt rang ich nach Atem und kroch rückwärts vor ihm zurück, bis ich mit dem Rücken an die Küchentheke stieß.

"Du müsstest dich sehen." Er lachte. Es klang so erbärmlich, dass mir vor Ekel schlecht wurde. "Wie du hier vor mir liegst, auf dem Boden, zusammengekrümmt, ein kleines Häufchen Elend. Jetzt kicherst du nicht mehr so bekloppt rum, was?"

Ich spürte, wie der Alkohol sich langsam den Weg aus meinem Körper bahnte, aber genau denselben, wie er hereingekommen war. Verzweifelt presste ich die Zähne zusammen, um mich nicht zu übergeben.

Mein Vater schlich um mich herum, wie eine Hyäne um ihr wehrloses Opfer, dieselbe grimmige und widerliche Zufriedenheit im Gesicht. Seine Hand griff nach dem Messer auf der Arbeitsfläche.

Ich schloss entsetzt die Augen. Noch ein paar Narben mehr auf meinem Rücken.

Der schwarze Schlund in meinem Inneren wurde immer größer, aber zugleich auch die Gleichgültigkeit, das Wissen, das auch die Zeit besiegbar war, denn irgendwann war es vorbei, irgendwann würde er von mir ablassen - bis zum nächsten Mal.

Eine Hand packte barbarisch fest mein Kinn und riss mich in die Höhe, nur um mich mit einem Ruck gegen die Theke hinter mir zu schleudern, sodass ich darüber zusammen brach. Meine Arme hatte nicht mehr die Kraft, das Gewicht meines Körpers zu halten und ich sank halb auf die Arbeitsfläche.

Auf einmal fuhr ein heller Schmerz durch meinen Rücken. Etwas Warmes, Klebriges lief in absurder Zeitlupe meine Haut hinab und tropfte mit einem leisen Platschen auf den Boden. Rotes Blut sammelte sich unter meinen Füßen.

Ich musste nicht hinsehen, um zu wissen, dass mein Vater wieder mit der Klinge ansetzte.

"Bist du jetzt gehorsamer, du Schlampe?", fragte er und seine Stimme klang nicht im Geringsten drohend, er wirkte einfach nur wie ein dümmlicher Vollidiot, der nichts anderes konnte, als Gewalt an Schwächeren auszuüben.

Ich ließ den Kopf hängen und starrte vor mir auf das Muster der Küchentheke. Kleine sandfarbene Federn, auf weißem Untergrund, die sich in einander verschlangen. Weiche, zarte, sanfte Federn, wie sie Engel an ihren Flügeln besaßen...

Grob wurde ich herumgerissen. Den Schmerz der weiteren Schnitte hatte ich nicht registriert. Ich starrte in das wutverzerrte Gesicht meines Vaters, der in der anderen Hand immer noch das Messer hielt, von dessen Klinge Blut tropfte, eine zähe dunkelrote Flüssigkeit, die irrsinnigerweise Durst in mir wachrief. Mein Blick blieb an dem Messer hängen.

"Du wischt jetzt das Blut weg, das du hier überall verteilt hast und dann gehst du raus und sagst deiner Mutter gute Nacht, verstanden?" Er blickte mich aus seinen kleinen blauen Augen an, in denen ein gieriges Funkeln stand, gepaart mit der Überzeugung eine Tat für das Wohle der Allgemeinheit vollbracht zu haben.

Mitleidig und kalt schaute ich ihn an, ohne ein Wort zu sagen. Ich wusste, dass er meinem Blick nicht lange standhielt, denn er wusste, dass ich Recht hatte, mit all meinen Gedanken und Gefühlen.

Mit einem Ruck wandte er sich von mir ab, schmiss das Messer in die Abwäsche und verließ den Raum, nachdem er mir noch einen - zumindest seiner Meinung nach - drohenden Blick zugeworfen hatte.

Ich stand ein paar Sekunden lang wie erschüttert da und starrte in das Nichts, dass sich vor meinen Augen breit zu machen drohte.

Irgendwann hatte ich mich dann soweit überwunden, dass ich das Blut wegwischen konnte und auch meinen Rücken weitestgehend davon befreite.

Mit eiserner Miene wandte ich mich der Spüle zu und griff nach dem Messer, dass dort drin lag, wobei ich pedantisch darauf achtete, es nicht an dem Griff zu berühren, an dem mein Stiefvater es angefasst hatte.

Einen winzigen Moment wurde die Vorstellung, wie ich es mir selbst in den Hals stieß übermächtig, aber sofort schwebte mir wieder Marina vor Augen, ihre Tränen, wenn sie mich finden würde und dann, was mich selber sehr erstaunte, sogar Lucifer. Seine dunklen Augen ruhten auf mir, sein Lachen drang in mein Ohr... nein, ich durfte nicht aufgeben!

Mit mühsamen Bewegungen wusch ich das Messer ab, verschwand ebenfalls aus der Küche und wünschte meiner Stiefmutter (mit regelrecht gefrorener Stimme) eine gute Nacht, als sie gerade das Zimmer meiner Schwester verließ. Ich wusste, was sie mit ihr gemacht hatte.

Die Gardinen waren zugezogen, Marina lag zusammengekrümmt auf dem Bett, die Laken total zerwühlt, und schluchzte leise. Ihr ganzer, schmaler Körper bebte.

Plötzlich wurde mir bewusst, dass sie vollkommen unangezogen vor mir lag.

Entsetzt eilte ich zu ihr, griff die Decke und zog sie sachte über Marina. Das arme Mädchen musste höllisch frieren, denn es war eiskalt hier drin.

Sie zuckte zusammen, als sie die Berührung meiner Hand auf der Wange spürte, drehte den Kopf und sah mich an.

Es war wie ein Schlag ins Gesicht. Immer und immer wieder. Jedes Mal, wenn ich sie so sah, schien sich mein Herz zu einem schmerzhaften Klumpen in meiner Brust zusammen zu ziehen. Ich hatte mich nie an den Anblick gewöhnen oder auch nur ansatzweise damit klarkommen können.

Ihre Augen waren gerötet vom vielen Weinen, ein grausamer Schmerz stand darin geschrieben, so unendlich tief und leidend, dass ich jedes Mal das Gefühl hatte in den Abgrund des Wahnsinns zu blicken. Das Grün ihrer Augen war dunkel vor Angst und der schöne Glanz fast vollkommen verschwunden. Er würde auch wieder lange brauchen, um zurückzukehren, dass wusste ich.

Es war wie immer... jede Woche mehrmals derselbe Ablauf. Unsere Stiefeltern fanden immer wieder einen Grund uns so zu behandeln, nein, misshandeln trifft es wohl eher.

Ich wünschte mir im Moment nichts sehnlicher, als das Lucifer hier wäre, mich trösten und mir versprechen würde, dass er uns aus dieser abgrundtiefen Hölle befreit.

Aber stattdessen deckte ich wortlos meine kleine Schwester zu, setzte mich auf die Bettkante, strich beruhigend über ihr Haar und starrte in das Dunkel vor mir.

Wie immer.

Stundenlang.

Bis Marina eingeschlafen war, erst dann erlaubte ich mir, mich leise aus ihrem Zimmer zu entfernen und in meines zu begeben.

Der Regen klopfte immer noch an das Fenster und die Straßenlaterne war immer noch kaputt. Das Licht, das von draußen hereinfiel, flackerte, genauso wie es immer tat.

Ich legte mich auf den Rücken und blickte aus dem Fenster. Der Nebel hatte sich ein wenig gelichtet und ich konnte in dem unruhigen Licht der Laterne das gegenüberliegende Haus erkennen. Es war heruntergekommen und sah aus, als wenn es jeden Moment zusammenfallen würde, genauso wie unseres.

Im fünften Stock wohnte ein alter Mann. Ich hatte ihn mehrmals gesehen und wir hatten uns zugenickt. Ich wusste, dass er einmal in der Armee gedient hatte, aber dann war seine Sehschärfe ganz plötzlich rapide gesunken, dabei war er zu dem Zeitpunkt gerade mal 32 Jahre alt gewesen.

Wir hatten uns viel unterhalten, daher wusste ich das alles von ihm. Nun, er musste das einzige tun, was man in der Situation tun kann - sich einen anderen Job suchen. Aber dadurch, dass er so viele Jahre an der Waffe gedient hatte, waren seine anderen Fähigkeiten nicht sonderlich gut ausgebildet, sodass er keine Arbeit fand. Er war gezwungen billige und unterbezahlte Teilzeitjobs anzunehmen und weit unter der Armutsgrenze zu leben.

Mittlerweile war er in Rente gegangen, aber seine finanzielle Situation hatte sich auch heute nicht gebessert, also lebte er in einer kleinen Wohnung in dem heruntergekommen Haus uns gegenüber.

Mir hatte der alte Mann mit dem herzlichen Gemüt sehr Leid getan. Er schien sehr nett und gutmütig zu sein. Ich bin oft mit ihm spazieren gegangen, wahrscheinlich würde ich es morgen auch wieder tun, denn es war Mittwoch, einer der drei Tage in der Woche, wenn ich ihn besuchen ging.

Die Gedanken an den alten Mann verschlechterten meine Laune nur noch mehr, soweit das überhaupt noch ging. Ich fragte mich echt, warum es soviel Leid geben musste. Warum können Menschen so grausam sein, wie unsere Stiefeltern? Was hat das für einen Sinn? Macht es ihnen Spaß? Verdammt, warum konnte Glück und Pech nicht gleich verteilt sein auf alle Menschen?

Immer wenn ich diese zufrieden lächelnden Menschen aus den reichen Vierteln sah, die Schüler in meiner Klasse, die mit dem Geld nur so um sich warfen und über ihre ach so bösen Eltern meckerten, weil sie einmal den Müll runter bringen mussten, dann würde ich am liebsten schreien, alles rauslassen, was sich in diesen Jahren des Schweigens so an sammelte. Solche blinden, gefühlslosen Menschen, die es absolut nicht verstehen konnten, wenn man unglücklich ist, weil man im Gegensatz zu ihnen einen triftigen Grund hat.

Die Menschen verschließen ihre Augen vor all dem Unglück, wollen es nicht sehen, weil dann ihre schöne "Realität" zusammenbrechen würde, die sie sich aufgebaut haben, um an der Wahrheit nicht teilhaben zu müssen. Jedes wahre Leiden wird ausgeschlossen, sie sind sich einfach zu schade, um anderen zu helfen. Ein Abwehrmechanismus, um nicht in das Leiden hineingezogen zu werden, nicht in die Situation zu geraten, das schwere Problem eines anderen lösen helfen zu müssen.

Mit diesen letzten Gedanken schlief ich ein, aber ich wusste nicht, ob ich dankbar sein sollte, denn sobald mein bewusstest Denken weg glitt, packte mich das Alptraumland und verschlang mich für weitere Stunden, um mir vor Augen zu führen, wie verhasst ich in dieser Welt war.

Ein Tag wie jeder andere... nur das meine Schwester Geburtstag hatte und ein Engel aufgetaucht war.

Ansonsten war es wie immer gewesen.

Ein monotoner Höllentrip durch mein Leben.

Wie immer.
 

~Nachtrag~

Tja, nun muss ich mir noch das dritte ausdenken... Oh je, Stunden mit depressiver Musik kommen auf mich zu... T.T Na ja, ich werds schon überleben! ^^

Ich würde mich auch hier wieder sehr über Kommentare eurerseits freuen!

Eure Vampirin Caty

Chapter 3

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Chapter 3
 

Das schlechte Wetter hatte wohl nicht vor London in den nächsten Tagen zu verlassen, denn als ich das Radio anschaltete, wurde Regen für die ganze nächste Woche angekündigt.

Mein erster Gedanke nach dem Aufstehen hatte Lucifer gegolten und er begleitete mich immer noch, als ich mich umzog und zum Frühstück hinunterging in die Küche. Irgendwie hatte ich Bedürfnis ihn zu sehen, denn er schien mir im Moment der einzige Mensch auf dieser Welt, der mir Kontakt zu meinem Vater ermöglichen konnte.

Meine Eltern waren alle beide arbeiten, wie ich beruhigt feststellte, und Marina schien noch zu schlafen. Also aß ich eine Schüssel Cornflakes, schrieb dann einen Zettel, dass ich spazieren war und zu Mittag zurückkommen würde und wagte mich dann raus in den Regen. Die Kälte schlug über mir zusammen, wie eine eisige Decke, das Licht wirkte grau und trist, denn die schwere Wolkendecke verhinderte, dass die Sonne schien und es war ungewöhnlich dämmrig für diese Uhrzeit.

In der Wohnung des alten Mannes brannte Licht und als ich klingelte, dauerte es auch nicht lange, bis er sich mit brüchiger Stimme meldete. Wir machten ab, dass wir das Spazierengehen auf einen weniger regnerischen Tag verschoben.

Etwas demotiviert machte ich mich auf den Weg zum Park. Unterwegs kam ich an einem Zeitungskiosk vorbei und sofort fiel mir das Titelblatt der Times ins Auge - Lucifer war darauf im Vorgarten einer hübschen Villa abgebildet. Neugierig beäugte ich die Umgebung näher. Ich kannte sie, es war das Viertel der einflussreichsten Personen Londons. Der Untertitel zu dem Foto besagte, dass Lucifer sich vor seinem Haus befand, offensichtlich ein Schnappschuss, denn er war in eine Geste vertieft, die er wahrscheinlich bitter bereute, wenn er heute in die Zeitung schauen würde. Er hatte den Zeigefinger unter das Kinn einen jungen Mannes, vielleicht der Gärtner, gelegt und zwang ihn so, ihm in die Augen zu schauen. Das Lächeln, das dabei auf Lucifers Lippen lag, war eindeutig anzüglich. Irritiert betrachtete ich den Titel des Artikels: Ist der reichste Mann Londons homosexuell? Noch verwirrter schaute ich wieder auf das Bild. Es konnte tausend harmlose Gründe für diese Geste geben, warum glaubte man gleich, das er schwul sein sollte?

"Ey, Miss, entweder kaufen Sie die Zeitung oder Sie legen sie wieder zurück!", meckerte die Verkäuferin mich an.

Ich warf ihr nur einen genervten Blick zu und beschloss, meine Zigaretten künftig woanders zu kaufen.

Zumindest wusste ich jetzt wo Lucifer wohnte.

Der Gedanke war auf einmal da und geisterte die ganze Zeit in meinem Unterbewusstsein herum. Sollte ich ihn wirklich besuchen gehen? Er konnte mir sicher sagen, wo ich meinen Vater fand. Nur leider wusste ich selber, dass das nur ein Vorwand war, um Lucifer zu sehen.

Seufzend machte ich mich auf den Weg nach Oakwood (so hieß das Viertel, in dem er wohnte). Der Regen war in ein unangenehmes Nieseln übergegangen, sodass ich kaum die Augen offen halten konnte, weil er wie kleine Nadeln stach. Zirka nach einer halben Stunde kam ich in besagtem Viertel an, völlig entnervt, weil man bei dem verdammten Regen nicht mal rauchen konnte.

Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es eine scheiß Idee gewesen war, denn die Häuser sahen alle gleich aus. Verzweifelt versuchte ich mich an Einzelheiten zu erinnern. Das Einzige, was mir im Gedächtnis geblieben war, war eine kleine Engelstatue, die im Vorgarten stand, und dass Lucifer offensichtlich ziemlich wenig von Gardinen hielt. Schön, musste ich also in diesem eintönigen Viertel nach einer Engelstatue und gardinenlosen Fernster suchen. Wunderbar, besser konnte es nicht gehen. Meine Laune war mittlerweile an absoluten Tiefpunkt angekommen.

Aber diesmal schien ich Glück im Unglück zu haben, denn Lucifers Haus befand sich nahe dem Rande des Viertels, sodass ich nicht lange zu laufen brauchte, bis mir die kleine Statue ins Auge fiel. Und tatsächlich, auf dem Schild neben der Klingel stand ,De Angelus'.

Nach einem kurzen Zögern betätigte ich die Klingel und ein paar Sekunden später war ein Summen zu hören, sodass ich das Gartentor öffnen konnte. Auf halben Weg durch den Vorgarten öffnete sich die Haustür und ein total verschlafener Lucifer blickte mir entgegen.

Er schien völlig neben sich zu stehen, denn sein Blick war leicht verwirrt und er starrte mich ohne jegliches Erkennen an.

"Post?", fragte er, als ich die Haustür erreicht hatte.

Ich bemerkte, dass er sich nur hastig seine Bettdecke um die Hüfte gewickelt hatte. Etwas irritiert, dass er mich nicht erkannte, stotterte ich mir irgendwas zusammen, was letzen Endes wohl Nein bedeuten sollte.

Lucifer schaute mit einem nicht ganz unterdrückten Lächeln kurz zur Seite und schien nachzudenken. "Moment." Er schaute mich etwas genauer an. "Ich kenne dich doch."

Ich nickte erfreut.

"Lara? Ach nee, Sue, oder?"

"Wie bitte?" Jetzt hatte er mich endgültig aus der Bahn geworfen.

Lucifer lachte los. "Nur ein Scherz. Komm rein, Elena." Er trat zur Seite, sodass ich an ihm vorbei in den langen Flur gehen konnte, und schloss hinter mir die Tür.

"Ich zieh mich mal schnell an, okay? Mach es dir solange auf der Couch bequem und bitte beachte das Chaos in der Küche nicht." Er legte die Hände in einer um Verzeihung bittenden Geste unter dem Kinn zusammen und verschwand dann durch eine Tür, von der ich vermutete, dass sie in sein Schlafzimmer führte.

Er schien ein ziemlich ruheloser Mensch zu sein.

Ich ging durch die offene Wohnzimmertür und setzte mich auf die Ledercouch. Beeindruckt schaute ich mich um. Alles war teuer und ästhetisch eingerichtet, dabei wirkte nichts zu groß oder zu überladen, denn die Möblierung war dezent und zierlich. Mit einer langsamen Bewegung, aus Angst ich könnte etwas kaputtmachen, beugte ich mich zu der Vase vor, die auf dem niedrigen Tisch vor der Couch stand, und schnupperte staunend an den weißen Blüten der Blume, die darin stand. Der Geruch wirkte frisch und erinnerte mich an Schnee, ohne dass ich sagen konnte, warum.

Lucifer betrat den Raum, er hatte ein schwarzes Jackett an, darunter ein ebenfalls schwarzes Hemd und seine Lederhose. "Guten Morgen erstmal." Er lächelte mich an und ich hatte das Gefühl unter seinem Blick zu verglühen. Hastig richtete ich mich wieder auf.

"Guten Morgen. Ich hab dich geweckt, oder? Das tut mir leid.", antwortete ich zerknirscht.

Das schalkhafte Funkeln in seinen Augen verstärkte sich. "Keine Sorge, ich werde es überleben, obwohl ich am liebsten alle einsperren lasse würde, die vor 11Uhr aufstehen."

Ich schaute auf die Uhr an der Wand. 8Uhr46.

Lucifer grinste noch ein Stück breiter, als er meinen Blick bemerkte. "Hast du schon Frühstück gegessen?"

Ich wollte erst nicken, entschied mich dann aber um, weil ich mittlerweile wieder Hunger bekommen hatte.

"Na gut, dann esse ich mal zur Abwechslung nicht alleine.", sagte er vergnügt. "Was möchtest du?"

Ich antwortete, dass ich auch einfach nur mit Cornflakes zufrieden sein würde und Lucifer ging in die Küche.

Ich sah ihm durch die Tür nach. Er wirkte auf mich so gepflegt, ich konnte mir nicht vorstellen, dass er es auch nur eine Sekunde aushalten würde, so zu leben, wie ich und Marina es mussten. Genauso wenig konnte ich mir vorstellen, dass seine schlanken, weißen Finger auch nur einmal mit irgendwas Dreckigem in Berührung gekommen waren. Sicher war es für ihn eine Zumutung, sich mit mir abgeben zu müssen. Ich fühlte mich so wohl in seiner Nähe, er war so, wie ich immer sein wollte. Es war fast wie ein Sakrament, wenn seine Aufmerksamkeit mir galt, wenn ich Teil seiner Welt sein durfte, ja, sogar teilhaben durfte.

Völlig in meine Gedanken versunken, hörte ich nicht, wie Lucifer mich rief. Erst als er ins Wohnzimmer kam und mich verwundert anschaute, bemerkte ich ihn.

"Was?", fragte ich zerstreut, da ich nur am Rand wahrgenommen hatte, dass er etwas sagte.

"Ich hab dich gerufen, dass du in die Küche kommen kannst, junge Dame."

Der seichte Spott in seiner Stimme verletzte mich, obwohl ich selber wusste, wie unsinnig das war.

"'Tschuldigung.", murmelte ich und stand auf, um ihn in die Küche zu folgen. Der geräumige Raum, der mit dem Flur verbunden war, wirkte tatsächlich etwas chaotisch, aber auf andere, angenehmere Art und Weise, denn die Arbeitsfläche war nicht überfüllt und es stand nicht überall schmutziges Geschirr rum. Das Chaos in Lucifers Küche rührte von allen möglichen Gegenständen her, von denen ich wusste, dass sie definitiv nicht in eine Küche gehörten. CDs, DVDs, irgendwelche Sachen, die ich nicht so wirklich definieren konnte... Trotzdem wirkte alles sauber und irgendwie so gewollt. Die CDs waren fein säuberlich gestapelt und auch die anderen Sachen lagen nicht durcheinander gewürfelt herum.

Auf dem rechteckigen Tisch, um den sechs Stühle platziert worden waren, standen eine Schüssel mit Cornflakes und ein Teller mit Toast. Wir setzten uns und begannen zu essen.

Gegenüber Lucifer kam ich mir vor, wie ein ungeschicktes, plumpes Mädchen. Meine Finger waren auch relativ schlank und meine Haut ebenfalls fast weiß, aber trotzdem wirkte seine glatter, denn ich hatte die schlechte Angewohnheit an meinen Fingern zu knabbern, sodass die Haut um meine Nägel ganz kaputt war. Seine Art sich zu bewegen, wirkte viel kontrollierter und geschmeidiger, als meine, deswegen faszinierte sie mich auch so.

"Hey, alles okay mit dir?", riss mich Lucifer aus meinen Gedanken.

Ich blickte auf und schaute direkt in seine dunklen unergründlich tiefen Augen. Mein Denken war wie weggefegt, ich konnte keinen einzigen klaren Gedanken fassen und ehe ich auf seine Frage antwortete verstrichen sicher mehrere Sekunden. "J-ja... schon... es ist alles okay..." Ich wünschte mir, er würde mich ewig so anschauen, aber andererseits auch, er möge endlich wegschauen, damit ich mich nicht mehr so hilflos fühlte.

"Du wirkst aber nicht so." Seine Stimme war so weich wie die eines Engels, ich konnte sie fast körperlich spüren, wie sie meine Sinne streichelte und sie in Brand setzte.

Ich schüttelte leicht den Kopf. Alles war okay mit mir, natürlich, wie kam er nur auf die Idee, dass etwas nicht stimmen konnte. Ich flehte, dass, er das Gefühlschaos nicht bemerkte, dass sich in mir ausbreitete.

"Geht's dir nicht gut?" In seiner Stimme schwang nun eindeutig Sorge mit.

Das Klingeln an der Tür rettete mich vor dem endgültigen Zusammenbruch.

Lucifer schreckte zusammen, als der Glockenton erklang, erhob sich dann mit einer Entschuldigung von seinem Stuhl und eilte zur Tür, um sie zu öffnen.

Ich war heilfroh, denn so konnte ich mich wieder ein wenig fassen und meine Gefühle unter Kontrolle bringen. Ich verstand überhaupt nicht, was mit mir los gewesen war, wieso ich so reagiert hatte.

Die Stimme eines fremden Mannes ertönte von der Tür. Diesmal schien es wirklich ein Postbote gewesen zu sein, denn Lucifer kam mit einem kleinen Paket in den Händen und einem freudigen Lächeln auf den Lippen wieder.

"Darauf hab ich schon lange gewartet." Er setzte sich wieder zu mir an den Tisch und öffnete mit hastigen Bewegungen den Deckel.

Zum Vorschein kam ein ganzer Stapel eng bedruckter Blätter.

Lucifer musste wohl meinen verblüfften Gesichtsausdruck bemerkt haben, denn er lachte plötzlich los. "Weißt du, was ich hier in den Händen halte?" Er grinste mich an.

Ich schüttelte verwundert den Kopf.

"Deine und Marinas Freiheit.", beantwortete er seine Frage selbst.

"Wie jetzt?", hakte ich nach.

"Das hier sind die Papiere, die ich brauche, um euch von euren Stiefeltern wegzuholen. Es sind Bestimmungen, Richtlinien des Jugendamtes und all so was, dann noch die Verträge, die ausgehandelt wurden, dass ihr zu euren Stiefeltern sollt und die Mitschriften der Gerichtsverhandlungen um euch beide, klar? Ich werde nach Fehlern suchen und nach Gesetzen, die eure Eltern ins Gefängnis bringen, dann noch ein paar Richter finden, die mich gern haben und die Sache ist erledigt." Er lächelte so glücklich und in seinen Augen stand so ein helles Glitzern, dass ich auch lachen musste.

"So einfach ist das?", fragte ich.

"Na ja, kommt drauf an, wie man es sieht. Ich finde es nicht gerade einfach diese ganzen Papiere durch zu suchen und Beweise für eure schlechte Behandlung zu finden, aber der ganze Ablauf an sich ist nicht so schwer."

Ich kam gar nicht mehr aus dem Lächeln raus, endlich gab es wirklich Hoffnung für mich und Marina, es war so ein unglaublicher Gedanke, dass mein Denken ihn gar nicht wirklich begreifen konnte. Am liebsten wäre ich aufgesprungen und Lucifer um den Hals gefallen, aber ich beherrschte mich gerade noch so. Jetzt fehlte nur noch eins; ich wollte meinen Vater wieder sehen.

"Lucifer, du weißt doch sicher, wo ich meinen Vater finde, oder?", erkundigte ich mich.

Lucifer blickte auf. "In diesem Viertel solltest du dich lieber nicht herumtreiben, ich glaube dein Vater würde das sicher auch nicht wollen. Aber", fügte er hinzu, als er meinen enttäuschten Blick bemerkte "ich könnte ihn bitten zu einem Ort zu kommen, den du mir nennst, klar?"

Wieder dieses wunderbare Lächeln auf seinen Lippen. Ich nickte leicht geistesabwesend.

"Also?", fragte Lucifer, als ich nichts mehr sagte.

Verständnislos schaute ich ihn an.

"Nenn mir einen Ort, wo ihr euch treffen wollt.", erklärte er leicht ungeduldig.

"A-achso...", stotterte ich. "In dem Park, der am Ende der Straße ist, in der ich wohne. Weißt du, welchen ich meine?"

Lucifer nickte. "Ich werde Tommy bitten morgen um..." Er dachte kurz nach. "Sagen wir 13Uhr da zu sein, okay?"

"Morgen erst?"

Ich musste wohl sehr enttäuscht ausgesehen haben, denn Lucifers Blick wurde schmerzlich.

"Schätzchen, das geht nicht alles so schnell. Ich muss selber sehen, dass ich Kontakt zu deinem Vater bekomme."

"Was ist denn mit ihm? Kannst du ihn nicht einfach anrufen?", fragte ich, in dem verzweifelten Versuch meinen Vater doch noch eher sehen zu können.

"Tommy... dein Vater... er hat kein eigenes Telefon. Ich weiß wo er sich..." Lucifer stockte. "Wo er wohnt, also kann ich zu ihm gehen, aber dein Vater ist auch nicht ständig zu Hause. Er muss arbeiten."

"Okay.", sagte ich, meine Stimme war sehr leise geworden. Ich biss mir auf die Unterlippe, um das Zittern zu unterdrücken, das die Tränen, die mir in die Augen stiegen, verriet. Ich ahnte, von was für einer Art Arbeit Lucifer sprach.

Er seufzte. "Es ist alles nicht so leicht, aber ich kann deinem Vater helfen, mach dir keine Sorgen."

Ich nickte und senkte den Blick, um das verräterische Funkeln darin zu verbergen, aber Lucifer griff unter mein Kinn und zwang meinen Kopf mit sanfter Gewalt nach oben.

"Versprich mir eins", begann er. Seine sanfte Stimme, kaum mehr als ein Flüstern, jagte mir Schauer über den Rücken. "Vergiss nie, dass dein Vater dich liebt. Mehr als alles andere auf dieser gottverdammten Welt." Der Blick seiner dunkelblauen Augen bohrte sich in mein Inneres. "Versprichst du es mir?"

Ich nickte, soweit es mir möglich war, denn Lucifers schmale Finger waren erstaunlich kraftvoll und hielten mein Kinn unerbittlich fest. Sein Worte versetzten mir Stiche ins Herz, ich hatte schon öfters an der Liebe meines Vaters gezweifelt, ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass es so leicht war, einem Menschen sein Kind wegzunehmen, deswegen kam mir manchmal der Gedanke, dass er gar nicht um mich gekämpft hatte, aber dann musste ich wieder an die wenigen Augenblicke denken, in denen ich ihm begegnet war. Seine Augen waren stets voller Liebe und Zärtlichkeit, gemischt mit Sorge und Verzweiflung gewesen. Und irgendwie war ich mir sicher, dass nichts davon geschauspielert und gelogen war. Ich spürte diese Aufruhr und diese Intensität seiner Gefühle einfach, genauso wie er sicher auch meine Sehnsucht nach ihm spürte. Jetzt konnte ich erst recht nicht mehr gegen die Tränen ankämpfen. In warmen Tropfen, die eine nasse kalte Spur hinterließen, liefen sie meine Wangen hinab.

In Lucifers Augen stand Leiden geschrieben, er wischte die Tränen sanft mit dem Daumen fort und zog mich dann zu sich ran, um die Arme um mich zu legen.

Die Geste, so einfach sie auch war, rührte etwas in mir. Etwas, das sehr lange geschlafen hatte und nun mit einem Fluss von Wärme und Geborgenheit sich den Weg zu meinem Herzen brach. Ich schluchzte hemmungslos und krallte mich in Lucifers schwarzes Jackett, ungeachtet der Tatsache, dass ich ihm damit wehtun könnte. Wie hatte ich es vermisst, dass mich nur mal jemand in den Arm nahm und mich tröstete, nicht mehr, er musste ja nicht mal großartig was sagen, ich wollte nur spüren, dass da jemand war, dem ich mich anvertrauen konnte und der auf mich aufpasste.

"Geht's wieder?", erkundigte sich Lucifer vorsichtig nach einer Weile.

Ich löste mich wieder von ihm und nickte.

Nachdem er mir einige Sekunden prüfend in die Augen geschaut hatte, reichte er mir ein Taschentuch. "Vielleicht solltest du wieder nach Hause gehen und nach deiner Schwester schauen.", schlug er vor.

Ein heißer Schock raste durch meinen Körper. Marina, ich hatte sie total vergessen. Hastig sprang ich auf und eilte zu dem Jackenständer, an dem meine durchnässte Regenjacke und mein Regenschirm hingen. Mit fahrigen Bewegungen schlüpfte ich wieder in die Jacke, griff nach dem Regenschirm und schaute mich nach Lucifer um. Dieser lehnte mit einem Lächeln an der Wand. Er streckte seine Arme nach mir aus und als ich mich dankbar in seine Umarmung sinken ließ, drückte er mir sachte einen Kuss auf die Stirn. "Hol dir keine Erkältung, Sweetheart. Es ist ziemlich kalt da draußen."

Noch völlig überrascht von der sanften Berührung seiner Lippen, nickte ich und stotterte irgendwas, das eigentlich heißen sollte, dass ich auf schnellstem Wege nach Hause gehen würde. Er geleitete mich noch zur Tür hinaus und als ich den Vorgarten fast durchquert hatte und mich noch mal umdrehte, da stand er immer noch an den Türrahmen gelehnt mit diesem eigenartigen Lächeln auf den Lippen. Scheu winkte ich ihm noch mal zu und verschwand dann durch das Gartentor, um mich auf den Weg zu Marina zu machen.
 

So, das war also das dritte Kapitel! ^^ Das vierte habe ich auch schon fertig! Ich hoffe es hat euch ebenso gefallen, wie die anderen beiden Kapitel. Fals es Vorschläge gibt - nur her damit, ich freue mich immer über neue Ideen!
 

Viel Spaß auch weiterhin, wünscht euch eure Caty de Lioncourt.

Chapter 4

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Chapter 4
 

Es war Donnerstag. Und es war 12Uhr30. Noch ein halbe Stunde, dann würde ich ihn endlich wieder sehen. So nervös wie jetzt war ich mein ganzes Leben noch nicht gewesen.

Mein Vater war für mich bisher immer unerreichbar gewesen, denn ihm war es verboten worden mich zu sehen und ich wusste nicht, wo ich ihn finden sollte, sodass ich ihn immer nur dann gesehen hatte, wenn es etwas Rechtliches zwischen ihm und meinen Stiefeltern zu klären gab.

Langsam begab ich mich nach unten, in den Flur.

Es war immer noch regnerisch draußen, dazu kam jetzt ein dichter Nebel, sodass man nicht weiter, als ein paar Meter gucken konnte. Zum Glück war der Park am Ende der Straße nicht sonderlich groß, lediglich ein paar Bäume, Bänke und dazwischen Rasenflächen und Büsche. Außerdem war er sehr licht.

Ich verabschiedete mich von Marina, indem ich ihr einen Kuss gab und sie bat, auf sich aufzupassen, dann verließ ich das Haus und wandte mich nach rechts, in die Richtung, wo der kleine Park war. Ich wusste, dass ich viel zu früh da sein würde, aber ich hielt es nicht mehr aus still zu sitzen und nichts zu tun, außer warten, warten und nochmals warten. Der Weg zum Park würde höchstens, wenn man sehr langsam ging, drei Minuten dauern, also begann ich jeden Pflasterstein in Reihen abzugehen, wobei ich sie auch noch zählte. So verstrichen ungefähr zehn Minuten, bis ich beim Park angelangt war. Entnervte Fußgänger, die es etwas eiliger als ich hatten, überholten mich und verschwanden rasch wieder im Nebel, vereinzelt fuhren Autos an mir vorbei.

Im Park selber konnte ich keine Pflastersteine mehr zählen, denn die Wege waren aus Sand. Etwas zögerlich ging tiefer hinein. Ich hielt Ausschau nach meinem Vater, auch wenn ich mir sicher war, dass er noch nicht da war. Der Nebel erlaubte mir nicht den ganzen Park zu überblicken und ich begann zu bereuen, keinen festen Treffpunkt ausgemacht zu haben, so wanderte ich immer hin und her in der Hoffnung, dass wir uns auf die Art und Weise nicht verfehlen konnten.

Endlich rückte der Zeiger meiner Armbanduhr auf fünf Minuten vor um eins. Es war nicht mehr allzu lange hin. Mein Magen fühlte sich langsam so an, als würde er sich zu einem schmerzenden Klumpen zusammenziehen und ich begann immer rastloser zu werden.

Würde er pünktlich sein? Ich wusste nur, dass er zu gerichtlichen Terminen immer überpünktlich erschien, vielleicht würde er genau wie ich zu früh kommen, weil er es nicht mehr aushielt, mich wieder zu sehen. Oder Lucifer hatte ihn nicht erreicht und ich war völlig umsonst hergekommen. Eventuell wollte er mich auch gar nicht sehen...

Ich verscheuchte die Gedanken. Warum sollte ein Vater seine Tochter nicht sehen wollen? Ich war mal wieder total in Selbstmitleid versunken, schalt ich mich in Gedanken selber eine Närrin. Warum dachte ich bloß immer solchen Unsinn?

Schritte erklangen hinter mir.

Erschrocken hob ich den Kopf und drehte mich mit einem Ruck um. Ein grauer Schemen zeichnete sich gegen den Nebel ab und schälte sich langsam daraus hervor. Nur noch einige wenige Schritte, dann... die Person, die aus dem Nebel trat, war eine Frau, nicht mein Vater.

Enttäuscht ließ ich den Kopf hängen und trat zur Seite, um ihr nicht im Weg zu stehen.

Die Frau schaute mich etwas verwirrt und irgendwie auch besorgt an. "Sag mal, kenn ich dich nicht?"

Ich schüttelte den Kopf. Diese Frau hatte ich mit Sicherheit noch nicht gesehen.

"Aber du kommst mir so bekannt vor. Nenne mir doch deinen Namen? Vielleicht erinnere ich mich daran.", beharrte sie.

"Elena.", sagte ich zögernd.

"Elena...", wiederholte die Frau nachdenklich. "In welchen Kindergarten bist du gegangen?"

"Häh?", machte ich völlig verdutzt. "Keine Ahnung. Ich glaube auf einen, der hier ganz in der Nähe ist. Wieso?"

"Ich bin Kindergärtnerin und oft sehe ich Jahre später Kinder wieder, die ich mal betreut habe."

"Ach so..."

"Was machst du eigentlich so ganz alleine hier draußen, vor allem bei diesem Sauwetter?", fragte sie.

"Ich warte auf jemanden.", antwortete ich ausweichend.

"Du holst dir noch einen Schnupfen in deinem kurzen Rock. Bist du sicher, dass du auf jemanden wartest?"

"Natürlich. Ich bin noch nicht so vertrottelt, dass ich nicht weiß, was ich mache.", erwiderte ich ärgerlich. Was sollte diese dämliche Fragerei?

"Ich dachte vielleicht, dass du erst mal zu mir kommst und dich aufwärmst. Schätzchen, es ist doch nichts, wo für du dich schämen brauchst, wenn du kein Zuhause hast.", sagte die Frau mit einem Lächeln.

"Wie bitte? Sie haben ja einen Schuss in der Birne. Sehe ich so aus, oder wie?", entgegnete ich heftig. Diese Frau regte mich auf. Was bildete die sich eigentlich ein? Wütend setzte ich zu einer weiteren Beleidigung an, aber da erschallte eine Stimme hinter mir, die meinen Namen rief. Hastig drehte ich mich um und rannte in die Richtung, die perplexe Frau allein lassend, aus der die Stimme meines Vaters erklungen war.

"Elena!"

Jetzt nahm ich auch noch Schritte wahr, die sich auf mich zu bewegten. Ein schmaler, dunkler Schatten wurde vom Nebel freigegeben und ich warf mich mit einem Freudenschrei in die ausgebreiteten Arme meines Vaters, wobei ich ihn fast umriss, denn er war nicht sonderlich größer und wesentlich zierlicher als ich. Lachend versuchte er die Balance wieder zu finden.

"Nicht so stürmisch, Mäuschen, nicht so stürmisch." Er schob mich auf Armeslänge von sich. "Du lächelst noch genauso süß wie eh und je.", grinste er. Dann fiel sein Blick hinter mir und wurde misstrauisch. "Wer ist denn das?", fragte er leise.

Ich zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung, die hat mich einfach angesprochen und gedacht, ich hätte kein Zuhause.."

Er ließ mich los und tat ein paar Schritte auf die Frau zu. "Hey, lassen sie meine Tochter in Ruhe, klar?", rief er zu der nur undeutlich wahrnehmbaren Person im Nebel.

"Ich habe deiner Tochter nichts getan, Tom."

Mein Vater wurde bleich, obwohl das kaum noch ging, denn seine Haut war fast so weiß, wie Papier. "Kassidy...", hauchte er fassungslos.

Ich trat erschrocken neben ihn und legte meinen Arm um seine Schultern. "Wer ist die Frau? Woher kennst du sie?", fragte ich ihn, wobei meine Stimme besorgter klang, als sie eigentlich sollte. Ich spürte, dass er am ganzen Leib zitterte.

Zornig ballte er die Fäuste. "Lass mich in Ruhe, Kassidy, was willst du noch von mir? Du hast bekommen, was du wolltest und damit genug. Und wehe, du sprichst auch nur noch ein einziges Wort mit meiner Tochter, dann... dann..." Er brach ab, doch der ungesprochene Teil seines Satzes schien in der Luft zu schweben, wie eine kurz vor der Detonation stehende Bombe.

Kassidy drehte sich mit einem Ruck um und verschwand im Nebel, nachdem sie meinen Vater und mich noch einige Sekunden mit einem undeutbaren Blick angestarrt hatte.

"Vati, wer war das?", brach ich das Schweigen.

"Niemand, den du zu kennen brauchst. Es ist sogar besser, wenn du sie nicht kennst, Schatz.", antwortete mein Vater, den Blick immer noch starr auf die Stelle gerichtete, an der diese geheimnisvolle Kassidy verschwunden war. "Komm." Er riss sich davon los. "Lass uns in irgendein Café gehen, auf jeden Fall irgendwo hin, wo es trocken und warm ist." Er lächelte mich zärtlich an, aber ich hatte das Gefühl, dass ein seichter Schmerz dieses zerbrechliche Gebilde von Lächeln zerstörte. Aber ich nickte nur und versuchte daran zu denken, dass ich es ausnutzen musste meinen Vater endlich mal ungestört sehen zu können. Also folgte ich ihm, als er mich an der Hand nahm und wie ein kleines Kind aus dem Park und in ein kleines gemütliches Straßencafé führte. Wir setzten uns ans Fenster. Die Sitzmöglichkeiten bestanden aus je zwei Bänken, die immer um einen rechteckigen Tisch platziert waren.

Ich kuschelte mich an meinen Vater, der ohne die dicke Jacke noch zarter aussah. In dem hellen und warmen Licht, dass die Lampen verströmten, erkannte ich, dass er ziemlich erschöpft war, denn er hatte schwarze Schatten um die Augen und er wirkte etwas zu knochig in dem jungen Gesicht, als dass es einfach nur auf seinen schlanken Wuchs zu schieben war. Die braunen Haare rahmten leicht zerzaust sein Gesicht und seine grünen Augen leuchteten froh, wenn mein Blick sie streifte. Er hatte eine gerade, schmale Nase, ebensolche Augenbrauen und volle Lippen. Das weich geschwungene Kinn ließ seine Gesichtszüge weiblicher erscheinen. Ich entdeckte einen unnatürlichen Schimmer auf seinen Lippen, wie als wenn er Lippenstift tragen würde, aber ich verscheuchte den Gedanken schnell wieder.

"Wie geht es dir, Spatz? Lucifer meinte, dass du nicht sonderlich glücklich bei deinen Stiefeltern wärest.", riss mich mein Vater aus meinen Gedanken.

Ich zuckte zusammen. Hatte ich ernsthaft geglaubt, er würde das Thema nicht ansprechen?

"Schon, aber müssen wir das jetzt besprechen?", fragte ich in gequältem Ton. "Wir sehen uns jetzt endlich mal alleine, lass uns doch wenigstens für solche Momente so tun, als wenn es keine Stiefeltern gäbe, ja?" Ich schaute ihn bettelnd an. "Bitte, bitte, bitte." Ich faltete die Hände flehend unter dem Kinn.

Er musste lachen. "Na gut, wenn du willst." Ein leises Seufzen entrang sich seinen Lippen und ich spürte, wie seine Brust sich unter dem tiefen Atemzug hob und senkte. "Sagen wir also, du lebst bei mir. In einer großen Villa irgendwo im Nirgendwo."

Jetzt musste ich lachen. "Ja, und wir haben ganz viele Katzen als Haustiere und Marina ist auch da und außerdem nehme ich Privatunterricht und du bist Besitzer einer Hotelkette."

"Genau." Mein Vater lächelte gedankenverloren. "Das wäre doch ein Leben, nicht?", fragte er so leise, dass ich ihn kaum hörte.

"Schon, aber wenn wir es hätten, dann würden wir es gar nicht zu schätzen wissen, weißt du? Mir würde auch eine hübsche kleine Wohnung am Fluss reichen, meinetwegen eine Katze als Haustier und ich muss nicht mal ein eigenes Zimmer haben, würde mir auch eines teilen mit dir." Ich schaute ihn fragend an. "Was sagst du dazu?"

"Anspruchslos wie immer.", antwortete mein Vater mit einem Grinsen. "Aber es würde mir auch vollkommen reichen. Du gehst ganz normal zur Schule und ich arbeite - ganz normal."

Seine Worte waren wie ein Schlag ins Gesicht. Ich hatte gar nicht mehr daran gedacht, dass er seinen Körper verkaufte, um sich finanziell über Wasser zu halten.

In einem plötzlichen Anfall von Mitleid schlang ich meine Arme um ihn und drückte ihn so fest an mich, dass er überrascht nach Luft schnappte.

"Mein Engel...", hörte ich ihn flüstern.

Verlegen löste ich mich nach ein paar Sekunden wieder von ihm.

Eine Kellnerin fragte, was wir bestellen wollten. Wir blieben einfach nur bei Tee. Während wir auf das warme Getränk warteten, redeten wir über dieses und jenes, mein Vater erkundigte sich nach der Schule, was ich in meiner Freizeit tat, für was ich mich interessierte, woher der Hang zur schwarzen Kleidung kam, was für Musik ich hörte und was für Bücher ich las, welche Filme ich geschaut hatte in letzter Zeit, was meine Gesundheit machte, ob ich irgendwelche Allergien hatte... ich hatte das Gefühl, dass er alles über mich wissen wollte, was er in den letzten Jahren nicht von mir mitbekommen hatte. Lachend versuchte ich ihm jede Frage so genau wie möglich zu beantworten.

Zwischen uns machte sich so ein Gefühl von Wärme und Vertrautheit breit, wie ich es noch nie bei einem Menschen empfunden hatte, außer bei Marina. Trotzdem war es etwas anderes, viel spezielleres, denn ich kannte meinen Vater nicht halb so gut wie Marina. Sein Lächeln kam mir vor, wie das liebevollste, was ich je gesehen hatte, die Gefühle, die sich in seinen Augen widerspiegelten, waren ungleich zärtlicher und die Art, wie er sich mir gegenüber verhielt, spiegelte mehr von seinem jahrelangen Leiden wieder, als er bestimmt zugeben wollte.

"Sag mal", begann mein Vater plötzlich, "kommt nur mir das so vor oder ist das hier drinnen irgendwie kälter geworden?"

Beunruhigt sah ich mich um, als wenn ich dadurch die Kälte besser spüren würde, aber mein Vater hatte recht, es war kälter geworden und nicht nur das, es war, als wenn ein unangenehmer Hauch mit der Kälte hereingekommen war. Das Unbehagen wurde so stark, dass ich es körperlich spüren konnte.

"Was ist das?", hauchte ich entsetzt.

Mein Vater hatte sich aufgerichtet und schaute sich alarmiert um. "Ich weiß es nicht."

Die Menschen um uns herum waren ebenfalls unruhig geworden. Die meisten hatte das kleine Lokal bereits verlassen, andere waren im Aufstehen inbegriffen.

"Lass uns gehen." Die Unruhe war in mir so sehr herangewachsen, dass ich es nicht mehr aushielt auch nur eine weitere Sekunde auf dieser Bank zu sitzen. Die Angst streckte ihre Klauen nach mir aus und begann mir langsam, aber sicher die Kehle zu zuschnüren.

Mein Vater rührte sich nicht vom Fleck, wie erstarrt saß er da, ich konnte nicht mal erkennen, ob er atmete. "Bitte, komm, ich will hier raus.", flehte ich und griff nach seiner Hand, während ich aufstand.

Ich erschrak. Seine Hand war eiskalt und er krallte sich plötzlich mit solcher Kraft in meine Hand, dass es wehtat. Seine Augen irrten völlig verängstigt im Raum umher, in dem sich mittlerweile niemand mehr befand. Die Temperatur schien noch weiter zu sinken, ich konnte meinem Atem als weiße Wolke vor meinem Gesicht erkennen.

"Tommy...", begann ich wieder mit inständig beschwörender Stimme.

Eine liebliche Frauenstimme begann zu singen. "Meister, Meister,..."

Entsetzt fuhr ich herum. Die Stimme schien aus dem Nichts zu kommen, von überall her, sodass man keine eindeutige Richtung wahrnehmen konnte.

"...gebt mir Rosen..."

Endlich bewegte sich mein Vater doch. Langsam erhob er sich, meine Hand immer noch in seiner haltend, und bewegte sich auf die Mitte des Raumes zu, von dem nun ein helles, grünes Licht zu erstrahlen begann. Dabei zog er mich unbarmherzig mit sich. Ich begann ihn wieder zu bedrängen, dass er doch mit mir raus kommen möge, aber er war wie in Trance, schien mich nicht zu hören.

"...Rosen auf mein weißes Kleid..."

Aus meiner Angst war nun pure Panik geworden. Ich wusste nicht, was das alles zu bedeuten hatte, aber ich spürte ganz deutlich, dass es nicht gut war. Dies waren Mächte, an denen ein Sterblicher nicht rühren sollte, sonst könnte es ungeahnte Auswirkungen haben und das nicht nur auf ihn sondern auf die ganze Welt.

"...stecht die Blumen..."

Ich zerrte an dem Arm meines Vaters, aber dieser schien auf einmal ungeheure Kräfte zu entwickeln, denn es bedurfte ihn nicht einmal der geringsten Anstrengung mich einfach weiter zu dem Licht hin zu zerren.

"...in den bloßen, unberührten Mädchenleib."

Ich begann zu schreien, als eine Gestalt aus dem Licht trat. Es konnte nicht wahr sein, nein, ich musste einfach träumen. Solch eine Kreatur konnte es nicht mehr geben...

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Chapter 5
 

Es war ein Dämon. Ein Dämons des Lichts, seine Gesicht war eine grausame Verhöhnung eines menschlichen Antlitzes, gleichzeitig aber auch von gefährlicher Schönheit. Glühend rote Augen, die schuppige Haut so weiß wie Schnee, aus dem Mund ragten spitze und viel zu lange Zähne, an den Händen, die ein paar mehr Gelenke als normal zu haben schienen, befanden sich rasiermesserscharfe Krallen und aus dem Rücken ragten zwei Paar Flügel, die mit weißem, ebenfalls schuppigen Leder bespannt waren. Dieses Exemplar schien weiblich zu sein. Es hatte seine langen, schlohweißen Haare zu zwei Knoten über den spitzen Ohren gebunden.

Die Dämonin kam mit gemessenen Schritten auf uns zu. Ihre Augen funkelten. In einer ihrer furchtbaren Klauen hielt sie eine blutrote Rose, ungeachtet der spitzen Stacheln, die sich an dem Stiel befanden und in ihr Fleisch schnitten, so dass türkisfarbenes Blut auf die Fliesen des Restaurantbodens tropfte. Ein boshaftes Lächeln lag auf ihren katzenartigen Zügen, als sie die Rose mit einem Knicks meinem Vater hinhielt.

Dieser starrte die Blume ein paar Sekunden lang an, dann verlor er so plötzlich das Bewusstsein, dass er mich mit umriss, als er zu Boden fiel.

Panisch versuchte ich ihn mit mir zu zerren, weg von dieser Höllengestalt, die immer noch in einer nahezu heilig wirkenden Geste die Rose in unsere Richtung hielt.

Auf Händen und Knien entfernte ich mich rückwärts, wobei ich so gut es ging meinen Vater mitschleifte. Die Eingangstür des Restaurants war nicht sonderlich weit weg, aber sie hätte genauso gut auch hundert Meter entfernt sein können, denn mit dem Gewicht meines Vaters in den Armen kam ich kaum von der Stelle.

Die Kreatur ließ ein leises Lachen von sich hören.

Ich hatte das Gefühl, meine Seele würde zu Eis erstarren. Der Klang hatte nichts Gutes an sich, er war auf reiner Kälte und Gefühllosigkeit aufgebaut.

Sie folgte mir gerade soweit, dass sie mir mit grausamer Deutlichkeit vor Augen führen konnte, wie sinnlos meine Bemühungen waren.

"Nimm sie schon." Ihre Stimme war genauso kalt wie ihr Lachen, sie schien zu klirren und war ungewöhnlich hoch.

Völlig verwirrt schaute ich sie an, bis ich begriff, dass sie die Blume meinte. Mein logisches Denken riet mir, es zu tun, aber meine Gefühle, vor allem meine Angst, hatten mittlerweile soweit Oberhand gewonnen, dass ich den Rat meines Denkens einfach in den Wind schlug und weiter vor ihr zurückwich. Dabei wusste ich ganz genau, dass es ein Fehler war, aber allein schon der Gedanke mich dem Wesen bis auf Körperkontakt zu nähern, überschwemmte mein Denken mit einer schwarzen Woge aus Panik. Natürlich war es klüger, den Aufforderungen von Dämonen nachzukommen, aber im Moment wollte ich einfach nur weg und meinen Vater in Sicherheit wissen.

Die lang gezogenen Erhebungen über ihren Augen, wo bei einem Menschen normalerweise die Augenbrauen lagen, zogen sich in einer eindeutig ärgerlichen Geste zusammen. Mit einem Schritt war sie bei mir, griff nach meinen Haaren und riss meinen Kopf in den Nacken.

Ein greller Schmerz explodierte in meinem Hinterkopf und ich schrie auf.

"Nimm sie endlich, du dummes Mädchen.", zischte die Dämonin.

Ihre bloße Nähe gab mir das Gefühl, mich in eiskaltem Wasser zu befinden. Das grelle Licht, das von ihrer Haut auszugehen schien, ließ mich geblendet die Augen schließen. Mit einer schwachen Geste löste ich meine Hände aus dem schwarzen Shirt meines Vaters und hob sie hoch. Sofort spürte ich eine sanfte Bewegung, mit der die Lichtkreatur die Rose hineinbettete. Der Druck auf meinen Hinterkopf ließ schlagartig nach, als sie von meinen Haaren abließ und wieder in der Pforte verschwand.

Kraftlos sank ich in mir zusammen. Die Temperatur im Raum stieg wieder, aber ich hatte trotzdem das Gefühl, als wenn etwas in mir erfroren und damit auch gestorben war.

Geradezu ängstlich wandte ich meinen Blick der Rose in meinen Händen zu. Die Dämonin hatte sie so sachte auf meine verletzliche Haut gelegt, dass die Stacheln mir keine Wunden hinzugefügt hatten. Es klebte noch türkises Blut an ihnen.

Neben mir regte sich mein Vater.

Ich nahm die Blume so zwischen zwei Finger, dass die Stacheln mich nicht verletzten und schaute dann zu meinem Vater hinunter. Er war noch blasser, als er von Natur aus schon war und in seinen Augen stand das pure Entsetzen geschrieben. Hastig rannte ich zu dem Telefon, das hinter der Theke stand und wählte die Nummer von einem Krankenwagen. Ich hörte wie Menschen hinter mir in das Restaurant kamen und mit entsetzten Schreien und Gemurmel meinen Vater begutachteten. Nach ein paar Minuten kam endlich der Krankenwagen. Die Sanitäter hoben meinen Vater mit routinierten Bewegungen auf eine Bahre und schoben ihn nach draußen in den Wagen.

Ich folgte ihnen.

"Geh zu Lucifer.", sagte mein Vater schwach. "Ein Schlüssel ist bei der kleinen... Statue..." Dann verlor er wieder das Bewusstsein.

Die Sanitäter hielten mich fest, als ich meinem Vater in den Krankenwagen hinterher eilen wollte.

"Er ist mein Vater.", erklärte ich verzweifelt.

"Der Kerl hat ganz sicher keine Tochter. Das ist eine Hure." Der eine Sanitäter schüttelte verständnislos den Kopf. "Verstehen Sie mich nicht falsch, junge Dame, aber es wäre besser, wenn sie sich von ihm fernhalten."

"Aber..."

"Müssen Sie etwa noch zahlen?", fragte der zweite Sanitäter unwirsch.

"Wa-was? Nein, ganz sicher nicht.", antwortete ich entsetzt.

"Na sehen Sie, dann hauen Sie endlich ab und halten Sie sich von solchen Personen fern. Die nehmen einen nur aus." Damit verschwand er mit einem Satz in dem Wagen und schloss die Türen. Dieser startete sofort mit Blaulicht und fuhr mit quietschenden Reifen davon.

Verloren stand ich in der Menschenmasse, die sich sensationslüstern und wie Aasgeier um das Geschehen gedrängt hatte. Am liebsten hätte ich losgeheult, aber das erlaubte ich mir in zwischen all diesen Menschen nicht. Nachdem ich dem Krankenwagen ein paar Sekunden lang hinterher geschaut hatte, drehte ich mich mit einem Ruck um und stürmte in Richtung Oakwood davon.

Atemlos kam ich vor Lucifers Villa an und rauchte erst mal eine Zigarette, um mich zu beruhigen. Anschließend suchte ich bei der kleinen Engelstatue nach dem Schlüssel für die Haustür. Ich drehte und wendete die schmale Gestalt aus Stein, bis mir auf der Rückseite des Sockels, auf dem der Engel saß, ein schmaler Schlitz auffiel, in den perfekt ein Schlüssel passte. Nachdem ich ein wenig herumprobierte den Schlüssel da raus zu kriegen, gelang es mir und ich schloss mit einem etwas beklemmten Gefühl die Tür auf. Irgendwie war mir nicht wohl zu mute, bei dem Gedanken, dass ich einfach in Lucifers Wohnung eindrang, aber mein Vater hatte es mir schließlich geraten.

Ich zog Jacke und Schuhe aus und ging in die Küche um mich an den Tisch zu setzen und zu überlegen, was ich nun tun sollte.

Als ich etwas eingeschüchtert in der Küche stand, fiel mir ein Foto ins Auge, das auf der niedrigen Bar lag, die den Flur und die Küche trennte. Langsam ging ich darauf zu und nahm es mit einer fast ängstlichen Bewegung in die Hand. Die Rose hatte ich zuvor auf den Tisch gelegt.

Es waren zwei Männer darauf zu sehen. Der eine war etwas größer und hatte schwarze Haare, während der andere ziemlich klein zu sein schien und dunkelbraune Haare hatte. Der Kleinere hatte die Arme um die Hüfte des Schwarzhaarigen geschlungen, der einen Rock trug. Allerdings musste ich mir eingestehen, dass das nicht mal schlecht aussah, denn er war schlank und die Körperformen waren nicht unbedingt sehr männlich, was natürlich nicht bedeutete, dass er zu sehr weiblich aussah. Er hatte einen Arm auf die Schulter des Kleinen gelegt und winkte mit der anderen Hand und einem breiten Grinsen dem Fotografen zu.

Beide trugen die Haare ziemlich zerstrubbelt und hatten schwarzen Kajal um die Augen, sowie auf den Lippen und die Innenflächen mit dunkelrotem Lippenstift ausgefüllt. Ich begann ernsthaft an meinem Geschmack zu zweifeln, denn ich fand die beiden durchaus hübsch und anziehend.

Bis mir auf einmal auffiel, wer sie waren.

Mir wurde total warm und ich musste nicht in den Spiegel schauen, um zu wissen, dass ich knallrot angelaufen war.

Die Schminke hatte die Gesichtszüge weitestgehend überlagert, aber nachdem ich nun eine geraume Weile das Bild angestarrt hatte, kamen sie mir nicht mehr ganz so unbekannt vor.

Es waren Lucifer und mein Vater.

Lucifer trug die Haare ganz anders, als ich es kannte, deswegen war es noch schwerer gewesen, ihn zu erkennen, und auch mein Vater sah da noch ganz anders aus, irgendwie viel glücklicher und unbesorgter, ein Ausdruck den ich im Gesicht meines Vaters noch nie gesehen hatte. Es schien ein älteres Bild zu sein. Vorsichtig drehte ich es um und wünschte fast, ich hätte es nicht getan. Ganz wie ich vermutet hatte, stand auf der Rückseite etwas geschrieben:

So, Darling, das wäre dann das Bild, was du letztens gesucht hast. Du kannst es behalten, ich habe noch andere von dem Konzert. Ich liebe dich.

Dein Tommy...

Völlig perplex starrte ich die Unterschrift an. Mein Vater hatte das geschrieben, daran bestand kein Zweifel, aber er konnte es ganz sicher nicht an Lucifer geschrieben haben. Dann stellte sich bloß die Frage, an wen es sonst war und wieso es dann bei Lucifer gelandet war.

Die Schrift war zierlich und neigte sich stark nach rechts, aber sehr klar lesbar. Wenn dort nicht Tommy gestanden hätte, ich hätte geschworen, dass das eine Frau geschrieben hatte.

Ich legte das Bild wieder zurück und ließ mich kraftlos auf einen Stuhl sinken. Die Rose lag unverändert auf dem Tisch, aber was hatte ich auch erwartet? Dass sie sich in Luft auflöste? Ein Seufzer entrang sich meinen Lippen. Was geschah mit dieser Stadt, mit diesen Menschen?

Dämonen durfte es nicht mehr geben, denn sie waren vor Jahrhunderten aus den Untergrundgefilden Londons vertrieben und ausgerottet worden.

Meine Gedanken drehten sich im Kreis. Es gab so vieles, was ich wissen wollte, so unendlich viele Fragen schwirrten in meinem Kopf herum, aber es war niemand da, der mir auch nur eine einzige dieser Fragen hätte beantworten können. Was sollte diese Rose bedeuten? Was wollte die Dämonin von meinem Vater? Gab es auch noch Dämonen der Dunkelheit, wenn die Lichtdämonen nicht ausgestorben waren?

Wo war Lucifer gerade? Ich schaute auf die Uhr. 15Uhr57. Plötzlich wurde mir bewusst, dass von innen der Schlüssel noch gesteckt hatte, als ich die Tür geöffnet hatte. Lucifer war also noch im Haus.

Ganz automatisch ging ich zu der Tür, hinter der das Schlafzimmer liegen musste. So leise wie es ging öffnete ich sie und schaute zwischen dem schmalen Schlitz hindurch.

Lucifer lag vollkommen angezogen auf seinem Bett. Ein Bein hatte er untergeschlagen, dass andere hing an der Seite hinunter, genauso wie sein rechter Arm, der andere lag angewinkelt auf seinem Oberkörper. Er schien ein Glas in der rechten Hand gehalten zu haben, denn es lag unter den schlanken Fingern, die rote Flüssigkeit war ausgelaufen. Auf dem Nachttisch stand eine halbleere Flasche Sherry. Erschrocken bemerkte ich, dass er seine Stiefel noch anhatte.

Ich öffnete die Tür ganz und kniete neben ihn an das Bett. Sein Kopf war zur Seite gesunken und seine Brust hob und senkte sich mit jedem leichten Atemzug. Er trug ein weißes, langärmliges Hemd zum Knöpfen und eine ausgewaschene Jeans. Sanft strich ich ihm über die schneeweiße Wange.

Lucifer regte sich, griff träge nach meiner Hand und fragte dann verschlafen: "Tommy?", ehe er die Augen öffnete und mich erblickte.

"Ach du scheiße.", entfuhr es ihm. Hektisch richtete er sich auf und versuchte sein Hemd zurecht zu zupfen.

"Meine Güte, hast du mich erschrocken.", lächelte er etwas unglücklich, als er meinen verunsicherten Gesichtsausdruck bemerkte. "Wie muss ich denn jetzt auf dich wirken?" Den letzten Satz hatte er mit einem nun eindeutig verzweifelten Blick an sich herunter gesagt.

Ich tat, als hätte ich den Satz gar nicht gehört und stand wieder auf.

Lucifer schaute wieder hoch zu mir. "Du brauchst nicht gehen.", sagte er eilig.

Nun war ich komplett verwirrt. "Hatte ich doch gar nicht vor."

"Ach so.", erwiderte er erleichtert. "Dann ist gut." Er schaute sich um und deutete auf ein schwarzes Shirt, das über dem einzigen Stuhl in diesem Raum lag. "Gibst du mir das mal?"

Ich tat ihm den Gefallen und reichte es ihm rüber. Er schwang seine Beine vom Bett, bemerkte dabei mit einem neuerlichen Schrecken, dass er seine Schuhe noch trug, und begann sich vor meinen Augen das weiße Hemd auszuziehen und das Schwarze überzustreifen.

Scheu schaute ich zur Seite, bis er fertig war. Wenn er nun auch noch seine Hose wechselte, dann würde ich ganz sicher das Zimmer verlassen, überlegte ich. Obwohl... so sicher war ich mir da gar nicht mehr...

Lucifer riss mich aus meinen Gedanken, indem er aufstand und mich vor sich her aus dem Zimmer schob. Müde ließ er sich auf einen Stuhl an dem Tisch sinken, wobei ihm natürlich nicht die Rose entging, aber er stellte keine entsprechende Frage, genauso wenig, wie über den Umstand, dass ich mich in seinem Haus befand, sondern ließ seinen Blick weiter nervös durch den Raum schweifen. Ich wusste genau, wonach er suchte und ich hatte sogar Recht, denn als er das Foto sah, zuckte er leicht zusammen.

"Sag mal, Maus, würdest du ins Bad gehen und mir eine Aspirin aus dem Schrank hinter dem Spiegel holen? Ich hab fürchterliche Kopfschmerzen.", wandte er sich an mich.

Ich stand immer noch schüchtern in der Gegend rum. "Klar.", antwortete ich, dabei machte er nicht gerade den Eindruck auf mich, als wenn er rasende Kopfschmerzen hätte. Aber ich ging gehorsam ins Bad und öffnete den Schrank, wobei mir gleich zwei Packungen und eine runde Dose entgegen fielen. Die Packungen konnte ich noch auffangen, aber die Dose fiel ins Waschbecken und leerte ihren Inhalt in den Abfluss aus. Fluchend versuchte ich noch einige der runden, weißen Tabletten zu retten und zurück in die Dose zu legen, leider war das Ergebnis nicht sehr erbauend. Ich hoffte, dass es kein teures Medikament war. Die Aufschrift auf der Dose sagte mir nichts.

Ich stellte alles wieder zurück in das Schränkchen und suchte nach den Aspirintabletten. Nachdem ich den halben Schrank ausgeräumt hatte, fand ich sie endlich und konnte alles wieder einräumen.

Seufzend betrachtete ich die leere Packung. Lucifer sollte wirklich mehr darauf achten, was sein Kopfschmerztablettenvorrat machte.

Ich ging wieder in die Küche. Lucifer saß immer noch am Tisch, aber ich war sicher, dass ich das Foto nicht mehr auf der Theke finden würde und auch die Rose hatte er in eine Vase gestellt. Mit dem unschuldigsten Lächeln, das ich je gesehen hatte, blickte er mir entgegen und streckte erwartungsvoll die Hand aus. Ich musste unwillkürlich lächeln.

"Die sind alle.", wies ich ihn auf die leere Packung hin und legte sie vor ihm auf den Tisch.

"Oh.", machte er und schaute verdutzt auf die Packung. "Schon wieder? Langsam kriege ich das Gefühl, dass ich ein Tabletten fressendes Monster im Haus habe." Er lachte und ich musste noch breiter grinsen, allerdings verging mir das sofort wieder, angesichts des Gedankens an die Tabletten, die mir ins Waschbecken gefallen waren.

"Du, Lucifer..." Ich stockte. "Na ja... mir ist da eine Dose ins Waschbecken gefallen und die Tabletten sind fast alle in den Ausguss gerollt. Aber ich konnte einige noch retten.", fügte ich hastig hinzu, als ich sah, wie sein Gesichtsausdruck immer entsetzter wurde.

"Welche Dose? Die weiße, die ganz vorne stand?"

"Na ja, kann sein, dass sie ganz vorne stand. Sie fiel mir entgegen, als ich die Schranktür geöffnet habe.", antwortete ich zerknirscht.

"Oh nein, das ist jetzt nicht wahr.", hauchte Lucifer fassungslos, sprang so heftig auf, dass der Stuhl nach hinten über kippte und eilte ins Bad. Ein paar Sekunden später sank er völlig kraftlos gegen am Türrahmen nach unten und presste sich die Handballen gegen die Stirn. "Scheiße...", hörte ich ihn murmeln. "So eine verdammte Scheiße!" Das letzte Wort schrie er, wobei er mit dem Fuß nach vorne gegen den Türrahmen trat. Dann fiel sein Blick auf mich und er war mit einem Satz wieder auf den Füßen.

Angsterfüllt wich ich vor ihm zurück. Seine Augen loderten vor Wut und seine Stimme zitterte vor Erregung. "Weißt du wie scheißeteuer das Zeug ist?"

"Wie-wieso? Was war das denn?", stotterte ich mit bebender Unterlippe. Lucifers Wut tat noch viel mehr weh, als die Wut meines Vaters, denn Lucifer traf mich mit jedem Wort direkt ins Herz. Seelischer Schmerz konnte um so vieles schlimmer sein, als körperlicher.

"Was denkst du denn, was es war?", fauchte er und breitete in einer wütenden Geste die Arme aus.

"Ich weiß es nicht...", antwortete ich leise. Mittlerweile war ich bis ins Wohnzimmer an die Wand vor ihm zurückgewichen, nun gab es nichts mehr, wo ich hätte hin fliehen können.

Lucifer betonte jedes Wort und kam immer näher. "Das waren Drogen, sauteure Drogen vom Feinsten. Was denkst du tun reiche Menschen, die sich langweilen? Hm? Na was wohl, sie kiffen sich zu, um wenigstens etwas Interessantes in ihrem Leben zu tun, verstehst du das?" Er war mir mittlerweile so nahe, dass ich seine Körperwärme spüren konnte.

Ich spielte nervös mit meinen Haaren und starrte den Boden zwischen unseren Füßen an.

Etwas Merkwürdiges geschah.

"Jetzt schau mir wenigstens in die Augen, wenn ich mit dir spreche." Aus seiner Stimme war auf einmal jeglicher Zorn verschwunden. Erstaunt schaute ich hoch, direkt in seine dunklen Augen, die auch jetzt gänzlich undurchschaubar waren. Seine Hände suchten auf einmal meine Finger, schlangen sich darum, drückten sie hoch und gegen die Wand.
 

Safe me, heal me, kill me, bring me home

Every day, every way, I keep on watching us sleep

Relieve the old sin of Adam and Eve

Of you and me, forgive the adoring beast
 

Er schien auf einmal alles vergessen zu haben, worüber er eben noch zornig war. Wir waren uns so unendlich nahe, war es das, was ich mir gewünscht hatte? Seine Lippen brannten sich auf meine, ich spürte seine Zunge mit meiner spielen. Ein Schauer nach dem anderen lief meinen Rücken hinab, ich hatte das Gefühl, seine Körpertemperatur würde immer weiter steigen und meine Haut verbrennen. Seine schlanken Finger glitten meine Arme hinab zu den Bändern, die mein T-Shirt vorne zusammenhielten und machten sich daran zu schaffen. Gleichzeitig wanderten seine Lippen meinen Hals hinab, folgten seinen Fingern, die die Bänder immer weiter öffneten. Ich konnte seine Zunge auf meiner Haut fühlen. Mein Herz raste und mein Atem ging immer schneller. Ich lehnte den Kopf nach hinten an die Wand, drängte meinen Körper Lucifer entgegen und schlang die Arme um seinen Nacken.

Der kleine Teil meines logischen Denkens, der noch klar bei Sinnen war, schrie geradezu, dass ich eine Idiotin war. Er war bestimmt schon über zwanzig und ich gerade mal 16 Jahre alt, aber ich wollte nicht mehr zurück, es war zu spät, Lucifer hatte mich in seinen Fängen und ich spürte einfach, dass er mich nicht so schnell wieder hergab.

Er richtete sich plötzlich auf und zog mich rückwärtsgehend Richtung Couch. Ineinander verschlungen sanken wir darauf nieder. Ich konnte ihm gar nicht schnell genug die Sachen vom Leib reißen, so wie die Lust in mir loderte. Lucifer hatte ein Feuer in mir entfacht, das nicht mehr so schnell verlöschen würde. Ich hörte ihn kurz lachen, achtete aber nicht weiter darauf, sondern begann seinen weißen Hals zu küssen, wurde dreister, ging immer tiefer, über seine Brust, seine Hüfte, weiter hinunter...

Chapter 6

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Chapter 6
 

Als ich aufwachte, fand ich mich nicht auf der Couch, sondern im Schlafzimmer auf Lucifers Bett wieder. Es war schon dunkel und der Mond schien durch das Fenster herein. Das Kopfkissen roch angenehm nach seinem Parfüm und die weiche Decke wärmte meinen erschöpften Körper. Aber die Müdigkeit, die ich verspürte, war eine wohlige, schläfrige Erschöpfung, begleitet von einem himmlischen Glücksgefühl.

Allerdings fühlte sich meine Sehnsucht nicht wirklich erfüllt an, irgendwie war sie sogar noch stärker geworden. Ich hatte das Verbotene besessen, hatte Sünde in ihrem höchsten Ausmaß kennen gelernt und nun wollte ich noch mehr davon haben, denn sie war so unglaublich süß gewesen.

Ich schloss wieder die Augen, merkte aber bald, dass ich kein zweites Mal einschlafen würde, also stand ich auf und schlang mir die Decke um den Leib, denn ich hatte kein Stück Kleidung auf der Haut. Ich verließ das Schlafzimmer und ging ins Wohnzimmer, um meine Sachen zusammen zu sammeln.

Dort fand ich auch Lucifer. Er saß mit überschlagenen Beinen auf der Couch und spielte gedankenverloren mit meiner Pentagrammkette. Ich bemerkte, dass er kein Licht angemacht hatte und meine Sachen ordentlich zusammengefaltet über der Lehne hingen.

"Hey.", machte ich auf mich aufmerksam.

Lucifer fuhr zusammen und schaute erschrocken auf. Als er mich erkannte, entspannte er sich sichtlich. Ich überlegte, warum er so schreckhaft war.

"Ausgeschlafen, Mäuschen?", erkundigte er sich lächelnd.

Ich nickte.

"Na dann können wir uns ja sicher wie zwei vernünftige Menschen unterhalten, nachdem du so über mich her gefallen bist." Sein Grinsen wurde eine Spur breiter.

Ich schaute ihn leicht verunsichert an. Wer war hier wohl über wen hergefallen? Aber ich sprach den Gedanken nicht laut aus, sondern nickte nur ein weiteres Mal und begann mich umständlich anzuziehen, wobei ich die Decke umbehielt.

Lucifer schaute mir interessiert und eindeutig amüsiert zu. "Wie bist du in mein Haus gekommen?", fragte er völlig unvermittelt.

"Paps hat mir gesagt, wo ich den Schlüssel finde."

Lucifer stockte kurz, ich konnte direkt sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. "Tommy würde dir doch nicht grundlos sagen, wo der Schlüssel ist."

Ich schlüpfte in meinen Rock. "Hat er auch nicht.", antwortete ich einsilbig.

"Ist Tommy was zugestoßen?" Lucifer richtete sich alarmiert auf der Couch auf.

Ich hielt inne und schaute ihn genau bei meinen nächsten Worten an. "Paps liegt im Krankenhaus."

Das Entsetzen in Lucifers Augen war so bodenlos tief, dass ich glaubte, er würde jeden Moment in Ohnmacht fallen. "Was ist... also ich meine, was hat er angestellt? Wieso liegt er im... Krankenhaus?" Seine Finger krallten sich so fest in das Leder des Sofas, dass die Knöchel weiß hervortraten. Mein Pentagramm baumelte in seiner linken Hand über die Sofakante.

Ich setzte mich neben ihn. "Es gibt doch eigentlich keine Dämonen mehr, oder?", flüsterte ich. Die Erinnerung an diese grausige Kreatur ließ mich frösteln.

Lucifer starrte auf den Boden vor sich. "Nein, eigentlich wurden sie vor einem halben Jahrhundert ausgerottet.", erwiderte er genauso leise.

"Aber ich bin mir sicher, dass ich einen gesehen habe. Sie sind wieder da, Lucifer."

Sein Atem stockte. "Das kann nicht sein." Er blickte mit einem Ruck zu mir hoch. "Das kann nicht sein. Du musst dich irren."

"Nein, mein Vater hat ihn auch gesehen. Er verlor das Bewusstsein, also habe ich einen Krankenwagen gerufen. Frag ihn, wenn wir ihn besuchen gehen.", beharrte ich.

Lucifer griff unter mein Kinn. "Sag, dass du lügst..." Seine Stimme war nur noch ein Wispern. "Sag mir, dass du lügst..."

Er tat mir so leid. Ich wusste nicht, warum er so entsetzt war, denn er konnte vor einem halben Jahrhundert nicht gelebt haben, um Erfahrungen mit diesen Wesen zu haben, aber ich sah die Tränen in seinen Augen und es tat mir einfach nur so entsetzlich weh. Ich schlang die Arme um ihn. "Wenn ich sagen würde, dass ich gelogen habe, dann würde ich lügen.", antwortete ich niedergeschlagen.

Seine Tränen liefen warm meinen Hals hinab und sein Körper bebte in meinen Armen.

"Hey, es war nur eine Dämonin, die ich gesehen habe.", versuchte ich ihn zu beruhigen.

Er küsste meinen Hals und richtete sich dann wieder auf. Mir fiel plötzlich auf, dass er um die Augen schwarz geschminkt war, was aber allerdings nur daran lag, dass die Schminke in hellen, grauen Streifen seine Wange hinab lief. "Ist schon gut." Er legte seine Hände an meine Wangen. "In welchem Krankenhaus liegt Tommy?"

"Saint Nick Hospital.", antwortete ich und blickte ihm besorgt in die Augen. Nie hätte ich gedacht, dass Lucifer in der Lage war, so vollkommen die Fassung zu verlieren. Er war mir immer so beherrscht und kühl vorgekommen. Nun gut, das letzte Erlebnis mit ihm erzählte das genaue Gegenteil.

Lucifer machte sich aus meinen Armen los, sprang auf und rannte aus dem Zimmer.

"Hey!", rief ich, während ich ihm nachlief. "Was hast du denn?"

Er stand vor dem Spiegel im Flur und wischte die Tränenspur von seinen Wangen.

"Wir fahren ins Krankenhaus.", antwortete er knapp.

Ich zog die Augenbrauen besorgt zusammen. "Falls du vergessen haben solltest, es ist mitten in der Nacht.", erinnerte ich ihn.

"Und falls du vergessen haben solltest, ich bin ein Mann mit Einfluss." Er blinzelte mir zu und ich war mir auf einmal nicht mehr so sicher, ob es gut gewesen war, ihm den Namen des Krankenhauses genannt zu haben. "Komm, zieh dich an, ich fahr schon mal das Auto aus der Garage." Damit verschwand er durch die Haustür.

Ich zögerte noch ein paar Sekunden, tat dann was er mir gesagt hatte und folgte ihm nach draußen.

Das Auto war ein nachtschwarzer BMW. Ich kannte mich zwar nicht mit Autos aus, aber es sah schnell und teuer aus.

Lucifer winkte mir einzusteigen. Auch die Innenausstattung des Wagens war eher in Schwarztönen gehalten.

Das Gaspedal bis zum Anschlag durchgedrückt raste Lucifer durch die menschenleeren Straßen, überfuhr dabei mindestens ein Dutzend rote Ampeln und überholte rücksichtslos alles, was ihm in die Quere kam. Ich klammerte mich mit aller Kraft an den Türgriff und versuchte meinen rebellierenden Magen unter Kontrolle zu kriegen.

Wenn es etwas gab, was mir genauso Panik bereitete wie Spinnen, dann war es Autofahren - und Lucifer trug nicht gerade dazu bei meine Angst zu beruhigen.

Nach einer halben Ewigkeit, wie mir schien, kamen wir endlich am Saint Nick Hospital an. Hastig stieg ich aus dem Auto. Die Vorstellung, dass ich damit auch noch wieder zurück fahren musste, schnürte mir die Kehle zu.

Lucifer schloss das Auto ab, packte meine Hand und zog mich wie ein willenloses Kind hinter sich her ins Krankenhaus.

Die Schwester an der Rezeption schreckte hoch, als Lucifer mit der flachen Hand an die Glasscheibe klopfte, und schenkte uns einen giftigen Blick. Missmutig öffnete sie die kleine runde Klappe und fragte: "Was gibt's?"

"Wir wollen zu einem Herrn Taylor.", sagte Lucifer, lauter als nötig gewesen wäre.

"Schön für Sie." Die Krankenschwester warf einen demonstrativen Blick auf ihre Armbanduhr. "Da sind Sie ungefähr sieben Stunden zu spät. Standen Sie im Stau?"

Lucifer rollte entnervt mit den Augen. "Es ist dringend." Er zog einen Ausweis aus seiner hinteren Hosentasche und hielt ihn der Frau unter die Nase, welche sichtlich zusammenschrumpfte.

"Ah, Mister de Angelus, sagen Sie das doch gleich. Zu wem wollten Sie?" Sie lächelte gequält.

"Thomas Taylor."

Sie tippte den Namen in den Computer. "Zimmer 267. Dazu müssen sie in den zweiten Stock und dann nach links."

Lucifer hastete ohne ein Wort des Dankes los, wobei er mich wieder hinter sich herzog, als wäre ich ein kleines Kind. Mit dem Fahrstuhl ging es in den zweiten Stock, dann wandten wir uns, wie die Krankenschwester es uns beschrieben hatte, nach links und gingen ein Stück geradeaus, bis wir die Zimmernummer gefunden hatten. Dabei passierten wir eine Tür, auf der das beunruhigende Wort "Intensivstation" stand. Lucifer kümmerte sich nicht weiter darum. Ungerührt stürmte er in das angegebene Zimmer und taste nach einem Lichtschalter. Die Helligkeit stach unangenehm in meine Augen, nachdem wir die ganze Zeit durch das Halbdunkel der Flure gerannt waren.

Als ich endlich aufhören konnte zu blinzeln, weil meine Augen nicht mehr tränten und sich an das Licht gewöhnt hatten, sah ich meinen Vater auf dem Bett liegen.

Er war fast so weiß wie die Laken und wirkte in dem riesigen Bett nahezu verloren. Langsam ging ich näher. Lucifer folgte mir in geringem Abstand.

Tommy hatte die Augen nur einen Spalt breit geöffnet. Seine Arme waren mit Schläuchen verbunden, die zu einer riesigen Ansammlung elektronischer Geräte führte, an denen hunderte Lämpchen blinkten und ein leises Piepen erschallte.

Vorsichtig streckte ich die Hand nach seiner Wange aus. Eine Atemmaske war über seinem Mund und seiner Nase angebracht. Ich konnte sehen wie sich seine Brust in regelmäßigen Zügen hob und senkte, aber die Bewegung wirkte schwach und viel zu flach um gesund zu sein.

Er reagierte kaum, als ich seine Wange berührte, lediglich seine Wimpern zuckten. Es wirkte als würde er versuchen den Kopf zu bewegen, aber irgendetwas würde ihn daran hindern.

"Meine Güte, was ist passiert...", hauchte Lucifer fassungslos. Er sank neben dem Bett auf die Knie und schlang seine schmalen Finger um Tommys weiße Hand.

"Eigentlich ging es ihm noch ganz gut, als der Krankenwagen kam. Ich weiß nicht, vielleicht ist es der Schock, der nachträglich eingetreten ist. Ich weiß es echt nicht.", antwortete ich genauso leise. Der Anblick meines Vaters lähmte mich, ich konnte nicht mal richtig atmen.

"Dann habt ihr also wirklich eine Dämonin gesehen?"

"Ja."

"Und die Rose?" Lucifer schaute zu mir hoch und ich sah mühsam unterdrückte Tränen in seinen Augen schimmern.

"Keine Ahnung. Sie hat sie mir einfach in die Hand gedrückt, nachdem Tommy umgekippt ist." Ratlos schaute ich in den schmalen Ausschnitt von Tommys Augen. Sie wirkten fast schwarz, dabei hatte er eigentlich leuchtend grüne Augen.

Lucifer wandte wieder den Blick von mir ab und schaute ebenfalls in Tommys Gesicht, allerdings war ich mir nicht so sicher wo genau sein Blick hinwanderte. "Rosen sind das Symbol der Dämonen gewesen. Sie hatten sie auf ihren Rüstungen und Flaggen, auf allen Gegenständen eingraviert, einfach überall, wo man sie sehen konnte. Sie stand für die Schönheit, die Sanftheit und dem Anmut, verbunden mit der Stärke und der Wehrhaftigkeit der Dämonen. Die Rose verkörpert das alles. Sie ist wunderschön und hat trotzdem Stacheln, damit man sie nicht so leicht brechen kann."

"Du weißt aber eine Menge darüber.", erwiderte ich erstaunt.

"Mich haben diese Wesen fasziniert, deswegen habe ich Nachforschungen über sie angestellt.", erklärte Lucifer.

"Aber wieso hat die Dämonin mir die Rose gegeben?"

"Normalerweise haben sie so einen Packt besiegelt, in dem man dem anderen jeweils eine Rose übergibt."

Ich dachte nach. "Könnte mein Vater einen Pakt mit den Dämonen gehabt haben?" Der Gedanke war eigentlich unvorstellbar und grauenvoll, aber einmal gedacht, ließ er sich nicht so einfach vertreiben.

Lucifer schaute erschrocken zu mir hoch. "Dazu wäre Tommy nicht in der Lage."

Ich zuckte mit den Schultern. Eigentlich konnte es uns im Moment ja egal sein. Das Wichtigste war, dass mein Vater endlich aus seinem Zustand erwachte. Ich hoffte inständig, dass er noch nicht in dem Stadium eines richtigen Komas angelangt war.

Trotzdem konnte ich den Gedanken einfach nicht mehr verbannen. Was für ein Pakt könnte das sein? Und wieso hatte die Dämonin sie mir gegeben? Hatte ich etwas mit dem Pakt zu tun? Fragen über Fragen, und ich wusste, dass ich so schnell keine Antwort darauf finden würde. Mein Kopf begann zu schmerzen, je mehr ich nachdachte, also versuchte ich mich auf etwas anderes zu konzentrieren.

Lucifers mühsam unterdrücktes Schluchzen riss mich endgültig aus meinen Gedanken. Erstaunt schaute ich zu ihm runter. Er biss sich auf die Unterlippe und die weggewischten Tränenspuren waren wieder zu sehen, denn seine schwarze Schminke verlief erneut mit den Tränen, die seine Wangen hinab rannen. Der Anblick schmerzte fast noch mehr, als der meines Vaters. Warum war Lucifer so stark sensibel, wenn es um meinen Vater ging?

"Willst du ein Taschentuch?", fragte ich ungeschickt, weil es im Moment das einzige war, was mir einfiel.

Lucifer nickte dankbar und ich reichte ihm eins. Ich hatte immer Taschentücher in der Jackentasche. Er wischte sich die Tränen fort und lächelte dann ungeschickt zu mir hoch.

"Du hast nicht zufällig auch einen Taschenspiegel dabei?"

Ich grinste und reichte ihm meinen samt Kayal-Stift.

Geschickt zog Lucifer die Schminke nach und gab mir beides wieder. Eine Weile schwiegen wir, versunken in Gedanken, wobei meine eigenen sich mehr und mehr um Lucifer zu drehen begannen. Gab es da etwas, was ich nicht wusste? Nun gut, die Frage war leicht zu beantworten - es gab eine Menge, was ich nicht wusste. Aber gab es etwas, was zwischen den beiden war und was mit bisher auch beide verheimlicht hatten?

Lucifer raffte sich sichtlich zusammen und stand auf. "Was nun?", fragte er und schlang die Arme um mich.

Ich erwiderte seine Umarmung. "Ist mir egal."

"Willst du, dass wir hier im Krankenhaus bleiben, bei Tommy? Oder willst du nach Hause? Zu mir?", schlug Lucifer vor.

"Ehrlich gesagt, nach Hause will ich nicht. Ich habe genug von meinen Stiefeltern, lieber bleibe ich hier oder gehe zu dir."

Lucifer lächelte. "Na dann bleiben wir hier. Ich könnte mir Ärger einhandeln, wenn du zu mir kommst. Deine Stiefeltern könnten das als Kindesentführung oder auch -missbrauch ansehen."

Also verbrachten wir den Rest der Nacht im Krankenhaus auf den unbequemen Stühlen, die im Zimmer standen. Ich hatte den Kopf auf Lucifers Schoß gelegt, während er den Kopf an die Wand hinter dem Stuhl lehnte...

Chapter 7

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Chapter 7
 

Am nächsten Morgen tat mir mein Nacken höllisch weh und Lucifer schien es nicht besser zu gehen, aber er biss die Zähne zusammen und sagte nichts. Trotzdem sah man es ihm deutlich an, denn er bewegte sich äußerst verkrampft und angespannt.

Eine Schwester war hereingekommen und hatte sich um ein wenig um meinen Vater gekümmert. Natürlich hatte sie uns bei der Gelegenheit gleich geweckt. Mein Magen knurrte, denn ich hatte am Vortag nicht sehr viel gegessen und morgens dazu immer noch den größten Hunger. Mit einem Seufzen streckte ich meine verspannten Glieder und ließ mich dann auf dem Bettrand bei meinem Vater nieder.

Seine fast weiblichen Gesichtszüge waren entspannt, ein fast glücklicher Ausdruck lag auf ihnen und seine Lippen waren leicht geöffnet und zu einem verträumten Lächeln verzogen.

Etwas geschah.

Und es war grauenvoll.

Ich konnte nicht direkt sagen, was, aber man könnte es so beschreiben, dass die Wirklichkeit sich veränderte, wie das Spiegelbild im See, wenn man einen Stein hineinwirft und die seichten Wellen es verzerren, entstellen und verspotten.

Ich zuckte zusammen. Mein Vater bäumte sich neben mir auf, von unsichtbaren Fäden brutal in die Höhe gezogen und wieder fallen gelassen. Panisch schaute ich mich nach Lucifer um, aber dann fiel mir ein, dass er sich auf die Suche nach einem Sandwich-Automaten gemacht hatte. Alles um mich herum veränderte sich, aber nicht auf eine direkt visuelle Art und Weise, sonder mehr auf der Ebene des Fühlbaren. Hier und da waren die Schatten tiefer, als sie sein durften, ich glaubte den flackernden Feuerschein von Fackeln zu sehen und Schreie zu hören. Die pure Verzweiflung ließ mich zu einem kleinen Kind werden, das sich einfach nur noch unter der Decke verkriechen und abwarten wollte, bis alles vorbei war. Mit einem Ruck drehte ich mich um und vergrub das Gesicht in der Decke, während ich mich an dich Schultern meines Vaters krallte. Sein Körper bebte immer noch.

Ich wusste nicht genau, was mir solche Angst machte, und es war auch nicht normale Angst, sondern der tief sitzende, dunkle Urinstinkt, der in allen Menschen schläft und ihnen unverkennbar sagt, wann sie bedroht sind.

Genauso schnell, wie es begann, endete es auch. Ich spürte wie sich die Brust meines Vaters unter mir in hastigen Atemzügen hob und senkte, er keuchte schwer und war schweißgebadet.

Zitternd richtete ich mich auf. Die Welt um mich herum war wieder normal, der Wahnsinn war verschwunden, aber nicht spurlos. Tief in mir war etwas Dunkles, Lauerndes erwacht, als hätten die Schreie es gerufen und ich wusste, dass es nicht so schnell wieder verschwinden würde.

Die Tür hinter mir ging auf und ich hörte Lucifer wie aus weiter Ferne sprechen.

"Elena, was ist los? Du hast ja wie am Spieß geschrieen." Besorgt ging er neben mir in die Hocke und schaute zu mir hoch. Seine Hände ruhten auf meinem Schoß. Ich hatte immer noch das Gefühl, dass ein dicker Vorhang über meinen Sinnen lag, denn ich nahm alles nur gedämpft und so seltsam unreal wahr. Lucifers Gesicht verschwamm vor meinen Augen, als ich versuchte etwas zu sagen.

"Schätzchen, jetzt sag doch was." Er richtete sich auf und setzte sich neben mich auf das Bett. Ich ließ mich dankbar in seine einladend ausgebreiteten Arme sinken. Jedes bisschen Wärme und Geborgenheit, was ich bekommen konnte, brauchte ich jetzt. Lucifers Blicke wanderten immer wieder nervös zu meinem Vater.

"Ist etwas mit ihm passiert?"

Ich schüttelte den Kopf. "Nein... ich... ich hab nur irgendwie... also..." Ich brach ab. Wie sollte ich ihm das erklären? "Meine Fantasie ist nur mit mir durchgegangen.", seufzte ich.

Lucifers Blick konnte ich deutlich entnehmen, dass ihn die Antwort nicht sonderlich zufrieden stellte, aber er schien auch zu spüren, dass ich nicht so wirklich in der Lage war ihm das zu erklären, also hakte er nicht weiter nach. Er nahm mich einfach nur noch fester in den Arm, auch wenn seine Augen eher auf Tommy ruhten.

Nachdem wir uns ein paar Minuten lang angeschwiegen hatten, unterbrach Lucifer die Stille: "Aber Tommy sieht irgendwie nicht sonderlich gut aus. War er vorher auch schon so schweißgebadet?"

Ich löste mich von ihm, drehte mich wieder halb zu meinem Vater um und griff nach seiner Hand. Die Haut war heiß und trocken, er hatte eindeutig Fieber.

"Vielleicht sollten wir eine Krankenschwester rufen.", schlug ich vor. Meine Stimme zitterte mehr, als ich es zugeben wollte.

Lucifer sah mich ein paar Sekunden lang prüfend an, dann erhob er sich. "Was ist mit Marina?"

Ich zuckte wie vom Blitz getroffen zusammen.

Meine Schwester.

Ich hatte sie total vergessen. Wie konnte mir das nur passieren?

"Du solltest sie abholen. Deine Eltern arbeiten sicher, also hast du freie Bahn." Die Sorge in Lucifers Augen war groß. "Nicht das deine Eltern ihre Wut doppelt an ihr auslassen, weil du nicht da bist."

Ich erhob mich ebenfalls, schnappte mir meine Jacke und stürmte aus dem Zimmer. Wieder drohte Panik mein Denken zu überfluten. Ich hastete die Straße vor dem Hospital entlang zur nächsten Bushaltestelle. Das ich schwarzfahren würde, war mir in dem Moment scheißegal. Hauptsache ich kam schnell genug zu Marina.

Meine kleine, süße Marina.

Ich mochte mir gar nicht ausmalen, was meine Stiefeltern mit ihr angestellt hatten. Tränen brannten in meine Augen, ich musste mich wirklich zusammenreißen, um nicht in aller Öffentlichkeit loszuheulen.

Endlich hatte ich das Haus erreicht. Meine Fantasie spielte jetzt wirklich verrückt und die Panik wandelte sich langsam in nackte Verzweiflung. Vor einem Mord würden meine Eltern ganz sicher nicht zurückschrecken... Ich verscheuchte den Gedanken und rannte die Treppen hoch, so schnell ich konnte. Natürlich bekam ich den Schlüssel nicht so schnell ins Schloss, wie ich wollte, ganz wie es immer in Situationen ist, wo es schnell gehen muss.

Als ich endlich im Flur stand, merkte - nein, hörte - ich, dass meine Sorge offensichtlich unbegründet war, Marinas Musik erklang ziemlich laut aus dem Wohnzimmer und dazu ihr etwas zu hoher Gesang. Ich konnte ein leicht amüsiertes Lächeln nicht unterdrücken.

Schon wesentlich beruhigter schälte ich mich aus meiner Jacke und tapste zur Wohnzimmertür, die einen Spalt offen stand. Marina hockte auf mit unterschlagenen Beinen auf der Couch, hielt ein Booklet in der Hand und sang lautstark mit.

Vorsichtig schlich mich an sie ran und schlang die Arme von hinten um sie.

Marina zuckte zusammen, drehte sich hastig um und entspannte sich sichtlich, als sie mich erkannte.

"Elena!" Freudig erwiderte sie meine Umarmung. "Wo hast du dich rumgetrieben? Ich hab dich so vermisst und ich hatte solche Angst. Woher soll ich wissen, ob dir was passiert ist? Und..." Die Worte sprudelten geradezu aus ihr heraus.

"Scht.", machte ich und legte den Zeigefinger auf ihre Lippen. "Ich bin ja wieder da. Ich erkläre dir gleich alles, aber bitte lass mich erst mal was essen, ich hab höllischen Hunger..."

Gesagt, getan. Ich aß ausführlich Frühstück und erzählte Marina dann alles, was passiert war, anschließend zogen wir uns an und machten uns zurück auf den Weg zum Krankenhaus. Marina hatte erzählt, dass unser Stiefvater sich das Bein gebrochen hatte und daher nicht dazu gekommen war, sich um sie zu "kümmern". Natürlich hatte auch unsere Stiefmutter dadurch etwas weniger Zeit für Marina - zum Glück!

Im Saint Nick Hospital kam uns Lucifer schon auf dem Gang entgegen. Er musste uns aus dem Fenster heraus gesehen haben. Aufgeregt fing er schon an von weitem zu reden, kam schließlich doch zu dem Schluss, dass wir ihn nicht verstanden und begann zu laufen, bis er uns erreicht hatte. Atemlos begann er wieder zu sprechen. "Tommy... er ist... aus dem Koma erwacht. Die Ärzte wissen... wissen nicht warum, aber... es ist wie ein Wunder." Er strahlte über das ganze Gesicht.

Ich spürte plötzlich, wie das alles an mir gezerrt hatte, wie die Erleichterung mich mit der Wucht einer Flutwelle überrannte, bis ich glaubte, nicht mehr klar denken zu können.

"Wow, das ist ja... das ist ja... mehr als fantastisch. Ich bin so froh!" Ich schlang die Arme um Lucifers Hals und drückte ihn so fest an mich, wie ich konnte. "Ich bin so froh, ich bin so froh..." Es war das einzige, was ich sagen konnte. Ständig stammelte ich diesen Satz, küsste Marina und Lucifer abwechselnd und hastete dann in das Krankenzimmer meines Vaters.

Tommy saß, von einem Kissen im Rücken gestützt, aufrecht in seinem Bett und lächelte erfreut, als ich in den Raum gestürmt kam. Er war immer noch sehr blass, aber ich vermutete, dass er auch nicht sehr viel brauner sein würde, wenn er sich erholt hatte.

Ich konnte nicht mehr an mich halten und warf mich in seine Arme.

Mein Vater lachte.

"Hey, nicht so stürmisch, Schatz. Ich bin noch nicht sonderlich bei Kräften."

"Aber ich bin so froh, dass du nicht im Koma liegst.", gab ich zurück, aber lockerte meine Umarmung doch, wenn auch nur ein bisschen.

Danach ging alles furchtbar schnell. Da die Situation um Londons Hospitals nicht sonderlich gut bestellt war, waren die Ärzte froh, wenn sie einen weiteren Patienten nach Hause schicken konnten und dadurch wieder ein Bett frei hatten. So kam es, dass Tommy noch am Morgen desselben Tages entlassen wurde, worüber er augenscheinlich nicht sonderlich begeistert war. Wir begaben uns alle vier zu Lucifers Haus, wo mein Vater sich erst mal auf die Couch legte und schlief.

Marina blieb bei ihm, denn sie wollte ein wenig lesen, was sie in der Küche nicht so gut gekonnt hätte, denn Lucifer wusch ab und machte Mittag (ich war regelrecht erstaunt, dass er das alles selber tat...), was zu einem ziemlichen Lärm führte. Ich schaute ihm interessiert zu.

"Sag mal, wo hast du mein Pentagramm eigentlich hingelegt?", fragte ich plötzlich.

Lucifer hielt inne, schien einen Moment zu überlegen, dann antwortete er: "Müsste noch im Wohnzimmer liegen, glaube ich."

"Na gut, dann hole ich es nachher." Ich wollte meinen Vater nicht unnötig stören. Ich dachte weiter nach. Da war doch noch etwas, was ich vergessen hatte... "Und die Unterlagen, die du über den Prozess gegen meinen Vater hast? Wie weit bist du damit?"

Er rührte im Kochtopf, aus dem es verlockend nach Nudeln duftete. "Hab mich grob durchgekämpft, aber die Feinarbeit kommt noch. Auf jeden Fall komme ich voran." Er drehte sich zu mir um und lächelte. "Nicht so ungeduldig. Das braucht seine Zeit, wenn ich gute Arbeit leisten soll."

Ich musste grinsen. Lucifer kam zu mir rüber, setzte sich vor mich und legte den Kopf auf meinen Schoß. Sachte streichelte ich durch seine Haare. Er hatte die Augen geschlossen, aber ich konnte trotzdem erkennen, dass sie sich schon wieder mit Tränen füllten. Was war denn nur los mit ihm? Aber ich sprach die Frage nicht laut aus. Wahrscheinlich war er einfach nur komplett fertig, es war schließlich eine Menge geschehen. Ich wunderte mich, dass ich noch nicht zusammen gebrochen war, aber das würde vielleicht noch kommen.

Nach einer Weile kam Marina aus dem Wohnzimmer, Lucifer kümmerte sich mittlerweile wieder um die Nudeln, aber als er Marina bemerkte, drehte er den Herd runter und verschwand nun seinerseits im Wohnzimmer. Marina schaute ihm etwas verdattert hinterher.

"Was ist denn mit dem los?"

Ich zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung." Aber ich wüsste es auch gerne. Natürlich sagte ich das nicht laut, denn Marinas Misstrauen gegen Lucifer war schon ziemlich groß, wobei ich allerdings nicht so recht verstand warum. Vielleicht lag es einfach an seinem Namen, der ja doch etwas befremdlich klang. Marina hatte stets eine Abneigung gegen alles, was nach dem Teufel klang, denn als sie ungefähr zwei, drei Jahre alt gewesen war, da hatte ein Pferd mit dem Namen Satansbraten sie gebissen. Die Narbe war immer noch vorhanden. Auf jeden Fall war sie seitdem sehr schreckhaft gegenüber allem, was nach Antichrist klang. Ich persönlich hatte damit sicher kein Problem.

Marina verschwand auf der Toilette. Ich weiß auch nicht mehr, was mich getrieben hatte, aber ich ging auf einmal, aus einem drängenden Gefühl heraus zu der Wohnzimmertür und öffnete sie einen Spalt breit, gerade so, dass man es aus der Entfernung nicht sehen konnte, ich aber einen Überblick über einen Teil des Zimmers hatte, unter anderem auch die Couch. Tommy hockte mit unterschlagenen Beinen auf dem Sofa und Lucifer kniete vor ihm, die Hände auf den Schenkeln meines Vaters. Er sprach gerade.

"Denk doch einmal an dich selber. Du lebst doch nicht, um die Welt zu verbessern, Tommy."

"Aber was soll ich denn tun, verdammt noch mal? Mir wurde die Wohnung gekündigt diese bescheuerte Kassidy hat echt nichts Besseres zu tun, als mir vorzuhalten, wie sehr ich doch im Rückstand sei mit der Miete. Als wenn ich das nicht selber wüsste. Lucifer, wo soll ich bloß hin?"

Jetzt wusste ich endlich wer diese Kassidy war, aber es brachte mich auch nicht weiter.

"Vielleicht", begann Lucifer, "sollte ich noch mal mit ihr reden, du weißt..."

Mein Vater unterbrach ihn. "Mit ihr schlafen, meinst du wohl?" Verächtlich drehte er den Kopf Richtung Fenster. "Willst du dich auch noch von ihr erpressen lassen?"

"Nein, aber ich mein ja nur. Ich lass dich doch nicht auf der Straße enden, oder so." Lucifer richtete sich auf, wobei er sich immer noch auf Tommys Beinen abstützte, und näherte sich dem Hals meines Vaters.

Jetzt konnte ich mich von dem Szenario ganz sicher nicht mehr losreißen.

Mein Vater drehte ihm den Kopf zu, als er die Berührung seiner Lippen spürte, wich dann aber seitlich aus. Lucifer bewegte sich wieder ein Stück zurück, so dass er meinem Vater direkt in die Augen schauen konnte, Sein Gesicht befand sich bestimmt nur ein paar Zentimeter von dem Tommys entfernt und sein Blick war eindeutig enttäuscht. "Och Schätzchen, sei doch nicht so..." Seine Stimme war so honigsüß, dass mir ein Schauer über den ganzen Körper lief. Wieder beugte er sich vor und näherte sich dem Hals meines Dads. Diesmal wich dieser nicht vor ihm zurück, sondern ließ ihn gewähren. Ich sah nicht genau, was Lucifer tat, aber mein Vater zuckte zusammen und schlang plötzlich die Arme um ihn und drückte ihn fest an sich.

"Du verdammter Sadist.", presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

Lucifer löste sich ein bisschen von ihm, gerade so, dass er sprechen konnte. "Ach, und du geniest es nicht, oder was?" Sein Grinsen war eindeutig anzüglich. Er hatte seine Arme inzwischen auch um die Hüfte meines Vaters geschlungen und seine Lippen näherten sich den seinen. Mein Vater lachte und warf den Kopf in den Nacken.

"Ich habe grad keine Ahnung wo ich wohnen soll und du denkst nur an deine Notgeilheit, Lucifer." Er hob die Hände und strich sachte über Lucifers Wangen.

"Tja, ich hab es ja auch eine ganze Weile ohne dich aushalten müssen." Er wirkte nun doch etwas ungeduldig. Mein Vater schien das zu bemerken, denn er ließ sich endlich auf Lucifers Annäherungsversuche ein und küsste ihn. Ich konnte die Zungen von den beiden erkennen.

In meinem Kopf drehte sich alles. Ich musste an das Bild in der Zeitung denken, an das Foto auf der Theke und an das Verhalten Lucifers, wenn ich meinen Vater erwähnte. Klar, jetzt ergab das alles einen Zusammenhang. Wieso hatte ich das nicht von Anfang an erkannt? Aber trotzdem ich den Beweis direkt und live vor der Nase hatte, konnte ich es einfach nicht glauben. Mein Vater war gay und dazu auch noch mit Lucifer zusammen, dem Mann, mit dem ich vor einem Tag noch geschlafen hatte! Fassungslos starrte ich auf die Szene vor mir.

Lucifer hatte inzwischen das Hemd meines Vaters aufgeknöpft und ich erkannte endlich was er dessen Hals antat - er biss ihn, wenn auch nur ganz sanft, aber er biss ihn. Das war endgültig zu viel für mich. Mein Herz raste und ich spürte wie mir heiß und kalt zu gleich wurde. Was war nur los mit mir? Alles in mir schrie danach die Tür zu schließen oder reinzustürmen oder einfach nur irgendwas zu tun, damit ich mir das nicht länger antat, aber ich konnte nicht. Ich stand wie gelähmt da und starrte die beiden an,

Lucifers Blick war schon wieder genauso, wie an dem einen schicksalhaften Nachmittag. Irgendwas hatte sich in seinem Augenausdruck geändert, ohne dass ich direkt sagen konnte, was. Seine Hände bewegten sich unablässig über Tommys Körper, sodass dieser sich regelrecht unter den Berührungen wand.

Ich konnte ihn verstehen, denn mir war es auch nicht besser ergangen. Lucifers sanfte Berührungen waren so weich wie Federn und gleichzeitig drückten sie aus, wer hier das Sagen hatte. Ohne dass er es wollte, hatte ich ihn nicht küssen können, er bestimmte wann der Kuss zu Ende war und überhaupt alles, das hatte er mir unmissverständlich beigebracht.

Plötzlich spürte ich eine Hand auf meinem Rücken. Erschrocken fuhr ich rum, wobei ich dir Tür beinahe mit einem Knall zugeschlagen hätte. Marina stand hinter mir und sah ich fragend mit großen Augen an.

"Was...", begann sie, aber ich legte ihr hastig Zeige- und Mittelfinger auf den Mund, damit sie ja ruhig war, schloss leise die Tür und gab ihr mir Gesten zu verstehen, sie solle sich von der Tür entfernen. Sie ging zum Tisch hinüber und setzte sich. Ich tat es ihr gleich.

"Was ist denn nun los?", fragte sie. "Du hast mir selber mal gesagt, man soll niemanden belauschen."

"Ja, es war auch nur eher... aus Versehen.", erklärte ich ungeschickt.

"Aus Versehen?" Marinas Blick ließ nicht offen, wie sehr sie der Erklärung glaubte.

Ich druckste ein wenig herum. "Weißt du... na ja... ich hatte einfach kein gutes Gefühl... und ich wollte außerdem meine Kette aus dem Wohnzimmer holen, also habe ich die Tür geöffnet und... und... und... ähm... na ja, die beiden haben gerade geredet, da wollte ich nicht stören."

"Und deswegen standest du da eine ganze Weile rum?"

"Na ja... ich war schon neugierig... da hast du mich wirklich ertappt." Ich lachte verlegen und absolut so unecht, dass selbst der Dümmste geschnallt hätte, dass das alles bloß ne Lüge war.

Marina aber hatte schon immer ein Gespür dafür gehabt, wann sie weiterfragen durfte und wann nicht, also beließ sie es dabei.
 


 

Also hier an der Stelle mal nen Gruß an maronleinchen und Doppi! ^^ *knuddel* Thx das ihr meine Story so fleißig lest! ^^

Chapter 8

Okay, nach einer mehr oder weniger kleinen Pause habe ich endlich das nächste Kapitel geschrieben! *g* Viel Spaß beim Lesen!
 

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Chapter 8
 

Es war unangenehm still, als wir vier am Tisch saßen und aßen. Niemand sprach ein Wort, jeder war nur mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Ich für meinen Teil überlegte die ganze Zeit, wieso ich das offensichtliche nicht sofort erkannt hatte? Wie blind musste man eigentlich sein? Ich starrte wie betäubt auf meinen Teller und krampfte meine Finger so stark um die Gabel, dass die Knöchel weiß hervortraten.

"Elena, ist alles okay?", erkundigte sich mein Vater, fast flüsternd. Wahrscheinlich behagte ihm die Stille genauso wenig wie mir und irgendwie war es komisch auf einmal wieder zu sprechen. Ich antwortete auch genauso leise.

"Ja, ich muss nur die ganze Zeit an den Dämon denken."

Tommy wechselte einen Blick mit Lucifer.

"Glaubst du, es gibt noch mehr von ihnen?", fuhr ich fort. "Warum sollte es nur einen einzigen geben und was wollte der von dir?"

Mein Vater blickte eindeutig nervös auf den Tisch und Lucifer zog die Augenbrauen zusammen, als wenn er nachdenken würde. In seinem Gesicht stand Unmut geschrieben.

"Tommy, wir würden das alle gerne wissen.", sagte er zu meinem Vater.

Dieser zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung." Er steckte sich die volle Gabel in den Mund, um nicht mehr sagen zu müssen, was mir ganz gegen meinen Willen ein amüsiertes Lächeln entlockte. Er wirkte wie ein kleines Kind, das man zur Rede stellte.

"Von wegen keine Ahnung!", fuhr Lucifer plötzlich auf, die ganze Situation meines Vaters offensichtlich nicht sonderlich amüsant findend. Die Anspannung der letzten Tage brach sich endgültig Bahn in ihm. "Du erzählst uns jetzt auf der Stelle, was diese verdammte Lichtschluckerin von dir wollte!". schrie er meinen Vater an, wobei er seine Gabel so ungestüm in die Tischplatte rammte, dass sie zitternd stecken blieb.

Ich zuckte so heftig zusammen, dass ich mich verschluckte. Mein Husten war das einzige, was die vollkommene Stille störte. Mein Vater starrte Lucifer aus aufgerissenen Augen an und Marina war von ihrem Stuhl gerutscht, um ins Wohnzimmer zu laufen.

Lucifers Brust hob und senkte sich viel zu schnell bei jedem Atemzug und er bebte am ganzen Leib vor Erregung, die Hand, mit der er die Gabel in den Tisch gestoßen hatte, immer noch halb erhoben, die andere zur Faust geballt. Man konnte deutlich erkennen, wie er versuchte sich wieder unter Kontrolle zu bekommen, die kühle, beherrschte Fassade wieder aufzusetzen, aber er konnte sein Gesicht und vor allem seine Augen nicht wieder zurück unter die Maske zwingen. Sie loderten vor... ja, was eigentlich? Wut? Entsetzen? Sorge? Schmerz? Es war irgendwie eine Mischung aus so vielen Gefühlen, dass keines richtig heraus zusehen war.

"Ich...", begann mein Vater und schluckte mühsam. Er sprach nicht weiter.

Lucifer zwang sich mit aller Kraft den Blick zu senken, ich konnte genau sehen, wie viel Anstrengung ihn das kostete, und versuchte dann wieder die Gabel aus der Tischplatte zu ziehen, was ihm nicht so wirklich gelingen wollte. Wäre die Situation nicht so furchtbar morbide gewesen, ich hätte loslachen können, wie er so verzweifelt an dem Griff zog, aber im Moment war mir wirklich nicht nach lachen zumute. Schon eher zum Heulen. Lucifer gab es auf, wobei er sich gerade noch im letzten Moment beherrschte, nicht mit der flachen Hand auf den Tisch zu hauen. Sein Gesicht zuckte schon wieder vor verhaltener Wut, als er den Stuhl etwas zu heftig zurückschob, um dann im Schlafzimmer zu verschwinden.

"Scheiße...", murmelte mein Vater, was die Situation ganz treffend beschrieb. Er schaute mich ratlos an und ich zuckte mit den Schultern. Was sollte ich ihm jetzt sagen? Dass ich auch ganz gerne wüsste, was hier los war? Dann würde sich mein Vater sicherlich ziemlich verarscht vorkommen.

"Lass uns rausgehen. Ich muss eine rauchen.", sagte ich und stand auf, um mir meinen Mantel überzuziehen. Mein Vater folgte mir und schließlich standen wir draußen, im Vorgarten Lucifers und ich zog hastig an meiner Zigarette.

"Du hast dir das immer noch nicht abgewöhnt.", stellte mein Vater mit einem Seufzen fest.

Ich lächelte etwas unglücklich. "Tut mir leid."

"Na ja, jeder hat ja so seine Laster." Mein Vater lächelte ebenfalls und ich schmiss die heruntergebrannte Zigarette auf den nassen Gehweg, um sie auszutreten. Als ich den vorwurfsvollen Blick meines Vaters bemerkte, hob ich sie anschließend mit spitzen Fingern auf und wickelte sie in ein Taschentuch.

Mein Vater seufzte erneut und ich kam einfach nicht umhin, meine Arme um ihn zu legen. "Lucifer ist ganz schön ausgerastet.", meinte er leise.

"Irgendwie klar, oder?", murmelte ich. Es tat mir weh, dass ich meinem Vater einmal nicht zustimmen konnte.

"Ja...", antwortete er gedehnt.

"Und?", fragte ich vorsichtig.

"Was und?"

Ich war mir sicher, dass er wusste, was ich meinte, es nur nicht wahrhaben wollte.

"Komm schon.", drängte ich ihn leise.

"Okay..." Seine Stimme befand sich genau neben meinem Ohr. "Es ist... im Grunde ganz einfach." Er stockte kurz und holte Luft. Seine Arme schlangen sich noch ein wenig stärker um mich. "Eigentlich... eigentlich geht es darum, dass... also... Hast du vorhin gehört, was Lucifer sagte?"

"Ja, wieso? Lenk jetzt bloß nicht ab.", antwortete ich.

"Auch wie er sagte Lichtschluckerin?"

"Stimmt." Ich hatte mich schon ein wenig über diesen Ausdruck für eine Lichtdämonin gewundert. "Was hat das mit dir und der Dämonin auf sich?"

"Lucifer ist... war auch... also, er war auch mal einer.", stotterte mein Vater erklärend, seine Stimme war so leise geworden, dass ich ihn fast nicht mehr verstanden hätte.

"Was? Was war er auch mal?", hakte ich nach, obwohl ich tief um Grunde meines Herzens genau verstanden hatte, was mein Vater meinte. Die Wahrheit war einfach nur zu schrecklich, um sie zu akzeptieren.

"Ein Dämon.", hauchte mein Vater und es wäre nicht anders gewesen, hätte er plötzlich eine 9mm hervorgezogen und mir in den Kopf geschossen. Ich wich zurück. Obwohl, die zweite Variante hätte ich wahrscheinlich noch eher glauben können, als seine Worte.

"Er war... er war ein Dämon?", fragte ich fassungslos. Wie war das möglich?

Mein Vater nickte und sein Blick wurde schmerzhaft.

"Aber..." Ich konnte das einfach nicht glauben.

"Du fragst dich jetzt sicher, wieso er einem Menschen zum Verwechseln ähnlich ist." Mein Vater blickte zu Boden. "Ganz einfach..." Er brach ab und als er mich anschaute, hatte ich das Gefühl ins Bodenlose zu stürzen. Seine Augen schrieen vor Schmerzen, vor Erinnerungen, die er am liebsten völlig aus seinem Gedächtnis gebannt hätte, die sich aber so unauslöschbar in seinen Kopf gebrannt hatten, wie die Narbe eines glühenden Messers.

"Paps, was ist geschehen?", fragte ich und trat auf ihn zu, da ich dachte, er würde jeden Moment zusammenbrechen, so bleich war er plötzlich.

"Nichts... gar nichts.", antwortete er zerstreut. "Vergiss es einfach." Damit wandte er sich ab und stieg die drei Stufen, zu Lucifers Haus empor, um in der Tür zu verschwinden. Ich sah ihm nach. In mir war auf einmal nur noch eine Leere, die mich völlig zu verschlingen drohte. Und tausende von Fragen, auf die mir niemand eine Antwort gab. Selbst die Frage, die mein Vater eben noch bereit gewesen war zu beantworten, hatte er letzten Endes nicht geklärt. Welche schreckliche Sache hatten die Dämonen getan, um Lucifer zu einem Menschen zu machen? Und was hatte das mit dem Pakt zu tun, an dem ich langsam nicht mehr zweifelte? Wieder nur weitere hundert Fragen und keine einzige Antwort dazu gewonnen. Ich folgte meinem Vater ins Haus, schlüpfte wieder aus meinem Mantel und warf das Taschentuch mit dem Zigarettenstummel in den Müllbehälter. Meinen Vater konnte ich in der Küche nicht sehen, sicherlich war zu Marina ins Wohnzimmer gegangen. Dafür hörte ich einen gedämpften langgezogenen Schrei aus dem Schlafzimmer. Es klang, als wenn jemand in ein Kissen brüllte.

Etwas irritiert näherte ich mich der Schlafzimmertür. Ich kannte es von mir, dass ich den Schmerz, der sich in mir ansammelte, manchmal einfach hinausschrie, wobei ich das Gesicht in ein Kissen presste, um den Schrei wenigstens etwas zu dämpfen. Dass Lucifer so etwas tat, konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen und schon gar nicht nach dem, was ich erfahren hatte. Aber als ich die Tür in weiteres Mal an diesem Tag vorsichtig öffnete, sah ich gerade noch wie der schwarzhaarige Mann ein Kissen mit aller Kraft in die Ecke schleuderte und dann mit geballten Fäusten und schwer atmend stehen blieb. Lucifer schien sich nicht wirklich beruhigt zu haben. Erschrocken bemerkte ich, wie er die Finger so sehr in die Haare krallte, dass es definitiv wehtun musste.

Ich öffnete die Tür ganz und trat ins Zimmer. "Lucifer, was tust du?", fragte ich in Ermanglung von etwas anderem, was ich hätte tun können, damit er endlich aufhörte sich selbst weh zu tun.

Lucifer fuhr so hastig herum, dass er beinahe das Gleichgewicht verloren hätte. Tränen glitzerten auf seiner Wange und zogen schwarze Spuren bis zu seinem schmalen Kinn. Er starrte mich nur ausdruckslos und mit leicht schief gelegtem Kopf an.

Ich begann mich auf einmal ziemlich unwohl zu fühlen und blickte nervös in nach links und nach rechts, damit ich die Verzweiflung in seinem Gesicht nicht ertragen musste. Krampfhaft überlegte ich, was ich nun tun sollte. Lucifer nahm mir die Entscheidung kurzerhand ab, in dem er plötzlich anfing zu schluchzen und zusammenbrach. Die Hand vor den Mund gepresst und auf Knien zusammengesunken saß er neben seinem Bett und versuchte verzweifelte wieder seine Fassung zurück zu gewinnen.

Es war wie der Stich eines Dolches in mein Herz, als ich ihn so sah. Ich ließ mich vor ihm nieder und griff nach seiner anderen Hand. Lucifer bebte am ganzen Körper und er schien kaum Luft zu bekommen, aber ich wusste nicht, was ich hätte sagen können, um sein Leiden zu verringern. Manchmal half eine kleine Geste mehr als tausend Worte es vermochten. Wir saßen einfach nur so da, Lucifers Hand zwischen meinen, die andere vor den Mund gepresst und beide darum bemüht, das eigene Gefühlschaos zu ordnen.

Irgendwann, ich wusste nicht wie viel Zeit vergangen war, hörten seine Finger endlich auf zu zittern und die Tränen versiegten. Er saß einfach nur da und starrte mit halb zusammen gekniffenen Augen auf den Boden zwischen unseren Knien. Seine Lippen waren trocken und rissig und hatten einiges von ihrer roten Farbe eingebüßt. Schließlich blinzelte er und fuhr sich mit der freien Hand über die Schläfe. Ich war direkt erleichtert, dass er ein Zeichen von sich gab, dass er noch nicht völlig in dem Land aus Qual verloren war. Sein Blick suchte meine Augen, fast als sehnte er sich etwas herbei, an das er sich halten konnte, um nicht endgültig abzurutschen. Ich bemühte mich, dem stechenden Blick seiner dunkelblauen Augen standzuhalten, die so vorwurfsvoll zu mir aufschauten, mit einer einzigen Frage: "Warum ich?"

Ich konnte ihn nur zu gut verstehen. Ich hatte mir diese Frage schließlich selber oft genug gestellt. Warum musste ich leiden, warum musste Lucifer leiden, warum nicht jemand anderes? Es mochte egoistisch klingen, aber es war so. Wieso ausgerechnet die, die niemandem etwas getan hatten?

"Komm, steh auf.", sagte ich leise. "Der Boden ist kalt. Du wirst nur krank." Es war total absurd, dass ich als 16-Jährige einem erwachsenen Mann sagte, dass er sich eine Erkältung zuziehen würde, wenn er länger auf dem Boden sitzen blieb, aber im Moment schien Lucifer nicht wie ein Erwachsener auf mich und ob er ein Mensch war, dass war ja nun auch fraglich. Er kam meiner Aufforderung nach, aber erst nachdem ich ihn hochzog, schaffte er es, sich aufrecht hinzustellen.

"Geht's wieder?", erkundigte ich mich vorsichtig und Lucifer nickte. Ich hob die Hände, um ihm die gräulichen Tränenspuren von der Wange zu wischen. Lucifer ließ es wortlos geschehen. Schweigend setzten wir uns auf den Rand seines Bettes. Ich wusste einfach nicht, was ich noch sagen sollte und Lucifer schien es genauso zu gehen.

"Schau mich mal an.", forderte er mich plötzlich mit schwacher Stimme auf. Ich hob den Kopf und blickte ihm in die Augen. Lucifer zögerte einen Moment, dann legte er seine Hände seitlich auf mein Haar und meine Wangen und murmelte fast unhörbar ein paar Worte. Entweder waren sie wirklich so leise gesprochen oder sie waren von einer fremden Sprach, aber ich verstand sie nicht, genauso wenig wie ich begriff, was das bringen sollte. Seine dunklen Augen wurden auf einmal eindringlicher, trotzdem begann ich auf einmal Dinge zu sehen. Dinge, die offensichtlich in der Vergangenheit gewesen waren, unscharf und verzerrt, aus der Sicht eines anderen Wesens, das ich wahrscheinlich nie verstehen würde, denn jeder Mensch, ja jeder Organismus sah seine Umgebung so viel anders, als es sein Nebensitzender tat. Ich sah plötzlich mehrer Dunkeldämonen, Lucifers Gesicht im Hintergrund wurde immer schwächer und auf einmal hörte ich sogar, was die Dunkeldämonen sprachen, alles aus dieser so fürchterlich fremden Perspektive, aus der alle bekannten Gegenstände immer noch vertraut und trotzdem so eigenartig wirkten, so wie ich sie noch nie gesehen hatte.

"Komm, Baphomet. Zier dich nicht so.", sprach einer der Dämonen und trat näher an mich heran. Ich sah mein eigenes Spiegelbild in seinen Augen - und schrie. Zumindest wollte ich es, aber eine ungemein starke Macht hinderte mich daran, auch nur einen Muskel zu rühren. Ich konnte nur noch atmen, hören und sehen. Und ich sah das Gesicht eines Dunkeldämons in den Augen meines Gegenübers. Mein Spiegelbild sah, bis auf die charakteristischen, katzenartigen Züge der Dämonen, Lucifer zum Verwechseln ähnlich und ich begann mich zu fragen, ob Lucifer mir seine eigene Erinnerung zeigte.

Der Dämon, der sich zu mir heruntergebeugt hatte, trat wieder beiseite, um einem anderen Platz zu machen. Ich zerrte an den Eisenfesseln, die meine Arm- und Fußgelenke banden und eine unbegründbare Wut stieg in mir hoch, als ich ein kräftiges Dämonengesicht sah, das mir irgendwie bekannt vorkam. Wie von selbst bewegte sich nun mein Mund und ich spie ihn an. "Vater.", zischte ich.

Mein Gegenüber lachte. "Gut erkannt." Er machte eine wedelnde Handbewegung zu den anderen vier Dämonen, die noch im Raum standen, der offensichtlich unterirdisch war. "Schafft ihn in den OP-Raum."

Die vier ungemein starken Dämonen ergriffen mich und zerrten mich mit sich, in einen wesentlich helleren Raum, der trotzdem noch vollkommen in Grautönen gehalten war. Das weiße sterile Licht, das von überall her zu kommen schien, verstärkte den kalten Eindruck nur noch mehr und ich musste unwillkürlich frösteln.

"Baphomet, überleg es dir. Willst du sterben oder in Ruhm und Ehre weiterleben?", fragte mich die Person, die ich eben als Vater bezeichnet hatte.

Wieder sprach ich, ohne mein Zutun. "Lieber sterbe ich."

"Sicher?" Er grinste. "Nur ein paar kleine Eingriffe und du kannst zu den Menschen gehen, um dann ruhmreich wieder hierher zurück zu kehren. Unser anderer Spion ist ja leider zu dämlich gewesen, die Klappe zu halten." Er spukte abwertend auf den Boden neben sich, was ihm einen strafenden Blick von einem Dunkeldämon einfing, der kaum etwas Menschliches an sich hatte. Offensichtlich gehörte ihm dieser OP-Raum.

"Ja, ein paar Eingriffe... Du spinnst!", sagte ich verächtlich.

"Und wenn ich dir sage, dass ich einen Menschen in meiner Hand habe, der dir lieb und teuer ist?" Er klatschte in die Hände und die Tür öffnete sich. Eine Dunkeldämonin trat ein, in den Armen ein kleines Baby haltend, kaum sechs Monate alt. In mir regte sich ein Erkennen, das eigentlich nicht da sein durfte. Ich hatte dieses Kind noch nie gesehen, aber der andere Geist gewann die Oberhand. Lucifers Augen hatten dieses kleine Wesen schon öfters gesehen und es offensichtlich sehr lieb gewonnen. Wut, Schmerz, Trauer, alles stürmte zugleich und mit einer Wucht auf mich ein, dass ich in Tränen ausbrach, dabei war ich mir nicht mal sicher, ob ich es nicht wirklich ebenfalls tat. Die Gefühle waren so überwältigend, dass ich mich fragte, wieso Lucifer daran noch nicht zerbrochen war.

"Du hinterhältiges Schwein!", schrie ich meinen Vater an. "Wie kannst du nur? Wie kannst du es wagen Hand an ein Menschbaby zu legen."

"Ob ich Hand an den Kleinen lege, dass liegt ganz bei dir. Wenn du lieber stirbst, dann stirbt das Kind mit dir, wenn du die Spionage vorziehst, dann wirst du bei ihm sein dürfen, so lange du willst, Baphomet." Er wedelte erneut mit der Hand. "Bindet ihn auf den OP-Tisch."

Die vier Dunkeldämonen kamen seiner Aufforderung nach und fesselten mich auf den kalten Eisentisch in der Mitte des Raumes. Lauter Geräte und eine Lampe hingen darüber.

"Und nun, Baphomet? Was wählst du, mein Sohn?", fragte mein Vater mit einem kalten Lachen. Er wusste ganz genau, was ich, beziehungsweise Lucifer wählen würde. Es kostete mich trotzdem unglaublich viel Überwindung. Ich spürte die Flügel auf meine Rücken, dann die Tränen auf meiner Wange und schließlich hörte ich die unkoordinierten Laute, die das kleine Baby ausstieß. Es stand fest. Ich würde die Spionage vorziehen.

"Ich gehe zu den Menschen.", sagte ich mit zitternder Stimme und mit einmal begriff ich, was man Lucifer angetan hatte. "Dafür will ich im selben Alter sein, wie das Kind."

"Dein Wunsch soll dir gewährt werden. Wir setzen dich in die Grundschulzeit, damit du wenigstens noch klar denken kannst. Dein kleiner Schatz Tom wird bei dir sein." Er befahl dem Dunkeldämon, der sicherlich so etwas wie ein Arzt war, mich zu betäuben und dann sofort zu beginnen. Ich spürte einen stechenden Schmerz in meinem Hals, dann versank ich in Dunkelheit.

Die Zeit schien einen Sprung zu machen oder es war einfach nur ein Teil, an den Lucifer sich nicht erinnerte, aber auf jeden Fall schien viel Zeit vergangen zu sein, als ich zu mir kam. Ich lag auf einem ganz normalen Bett, trug keine Lederrüstung, sondern ganz normale Kleidung und befand mich sogar in einem ganz normalen Zimmer. Ich wusste auf einmal, dass ich zur Schule musste, ohne indes zu begreifen, woher. Also stand ich auf und trat vor den Spiegel, der an der einen Schranktür angebracht war. Wieder hätte ich beinahe aufgeschrieen. Diesmal steckte ich in dem Körper eines vielleicht sechsjährigen Jungen, der wie eine jüngere Ausgabe Lucifers aussah. Diese Gesichtszüge, diese dunkelblauen Augen waren unverkennbar. In meinen Gedanken machte sich Entsetzen breit, aber diesmal von Lucifer ausgehend. Meine Flügel, wo waren meine Flügel? Wie grausam war es, wenn man sein ganzes Leben lang hatte fliegen können, wenn einem der Himmel gehört hatte und man nun plötzlich von der Schwerkraft gebunden war, gezwungen zu laufen? Die Tränen liefen dem kleinen Jungen über die Wangen. Er hatte Schmerzen und ich erkannte, dass man selbst die Zähne abgefeilt hatte. Als ich mit der Zunge darüber fuhr, spürte ich etwas hauchdünnes plastikartiges, das meine Zähne daran hinderte wieder nachzuwachsen. Das war es, was diese bestialischen Schmerzen verursachte.

Wieder ein Zeitsprung. Ich fand mich auf einer kleinen Bank sitzend wieder und als ich zur Seite schaute, saß mein Vater neben mir. Aber diesmal mein richtiger Vater, Tom Taylor! Und ich spürte plötzlich Zuneigung, Liebe, aber nicht mehr auf der Ebene, wie ein Kind seinen Vater liebt, sondern so, wie man einen fremden Menschen liebt, mit dem man ewig zusammen sein möchte. Lucifer liebte meinen Vater, natürlich.

"Lucifer de Angelus?", fragte die Lehrerin. Als ich sie ansah, wurde mir plötzlich bewusst, wie anders Lucifer die Menschen um sich herum sah. Mein Vater war auf einmal so unglaublich hübsch, wie ich ihn noch nie gesehen hatte und die Lehrerin, die definitiv ein Männerschwarm war, kam mir plötzlich so ausdruckslos und dumm vor. Ihre übergroßen Brüste wirkten einfach nur erschlagend und das hübsche Gesicht war leblos und Angst einflößend. Dagegen kam mir das Mädchen, einen Tisch neben mir, plötzlich so anziehend vor. Es hatte große Augen und einen kleinen Schmollmund. All diese Gegenstände, die ich kannte und immer für selbstverständlich gehalten hatte, wirkten so verzerrt und zugleich so vertraut wie eh und je. Lucifer hatte so eine befremdende Sichtweise. An seiner Stelle kam mir alles so furchtbar und grausig vor, dass ich am liebsten davongerannt wäre.

Jäh verschwamm alles vor mir und ich begann wieder zu mir selber zurück zu finden, Lucifers dunkelblaue Augen direkt auf meine gerichtet. Ich starrte ihn an, unfähig auch nur ein Wort zu sagen.
 

So, das is ja nun ne ziemliche Menge gewesen... Hoffe es hat euch trotzdem gefallen! =)

Eure Caty de Lioncourt

Chapter 9

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Chapter 9
 

„Die Dämonen, egal ob Licht oder Dunkel, haben immer Spitzel unter den Menschen gehabt, um stets genau zu wissen, was diese vorhaben. Dabei sind diese so genannten Projects sehr angesehen bei ihrem Volk. Um ein Project zu werden muss man ein wenig menschenähnlich sein. Es gibt Dämonen, die einigen Wesen ähnlicher sind, die ihr Menschen als Tiere bezeichnet. Solche können natürlich keine Projects werden, denn obwohl unsere Sarriu, die bei euch Ärzte genannt werden, fast so etwas wie Wunder vollbringen, können sie nicht den ganzen Körper verändern, dann wäre der Dämon gar nicht mehr lebensfähig.“, erklärte Lucifer. „Es gibt eigentlich nicht viele Dämonen, die geeignet sind ein Project zu werden.“

„Und du warst einer von denen, die geeignet sind?“, fragte ich, immer noch vollkommen fassungslos.

Lucifer nickte. „Leider. Der einzige Makel waren meine Flügel, etwas, das bei uns Dunkeldämonen selten vorkommt.“

Ich schüttelte verständnislos den Kopf. Es war ja so, als wenn man einem Vogel die Flügel abschnitt oder einem Fisch seine Flossen nahm, ja, als wenn man einem Menschen seine Beine vorenthielt. „Wie konnte dein Vater das tun?“

„Er wollte, dass ich berühmt werde. Dafür war ihm jedes Mittel recht, auch wenn ich darunter leiden würde. Die Operationen sind schmerzhaft, sehr schmerzhaft, ich kann mich daran nur noch wie im Delirium erinnern, auch an die Zeit danach. Mit den Schmerzen in meinen Kiefern habe ich mittlerweile gelernt umzugehen, aber es tut an manchen Tagen immer noch sehr weh. Du kannst einem Körper nicht sagen ‚Hör auf zu wachsen!’, genauso wenig, wie du zu einer Pflanze sagen kannst ‚Dreh dich nicht mehr zur Sonne!’, verstehst du?“

Ich nickte. Und wie ich ihn verstand. Ich hatte die Gefühle, die er durchlebte, ja nur schemenhaft und unvollständig mitbekommen, aber das bisschen hatte gereicht, um meinen Respekt vor diesem Mann noch weiter ansteigen zu lassen. Das, was er durchmachte, war so grausam, dass jeder andere schon lange daran zerbrochen wäre. Sie hatten ihm alles genommen, erpressten ihn mit dem einzigen Menschen, den er je wirklich geliebt hatte und nun hatte dieser Mensch offensichtlich auch noch einen Pakt mit den Dämonen.

„Die Dämonen sind nicht ausgestorben, ihr Menschen solltet dies nur glauben, denn eigentlich sollten wir uns im Untergrund halten, uns nicht den Menschen zeigen, aber irgendwie hat Tommy doch Wind davon gekriegt. Er kann ja nur von den Dämonen wissen, dass ich auch einst einer von ihnen war.“ Lucifer seufzte. „Aber ich begreife nicht, was er von diesen Kreaturen will?“

Ich zuckte mit den Schultern. „Meinst du nicht, dass es irgendwas mit dir zu tun hat?“

Lucifer blickte mich erschrocken an. „Sprich es bloß nicht laut aus. Daran habe ich auch schon gedacht, aber es sofort wieder verdrängt.“

„’Tschuldigung.“, antwortete ich leise, aber ich konnte mir nicht vorstellen, weswegen sonst mein Vater einen Pakt mit Dämonen einging.

Wir saßen wieder schweigend nebeneinander, bis Lucifer schließlich meinte, dass wir in die Küche gehen sollen, nach Marina und Paps schauen, so standen wir auf und traten in die große Küche. Dort befanden sich die beiden allerdings nicht, also durchquerten wir den Raum und betraten das Wohnzimmer. Etwas überrascht stellte ich fest, dass sich die beiden auch hier nicht befanden. Ich warf Lucifer einen fragenden Blick zu, den dieser mit einem sorgenvollen Verziehen der Augenbrauen quittierte. Mit einer kurzen Kopfbewegung bedeutete er mir, das Wohnzimmer wieder zu verlassen und wandte sich dem Bad zu. Er klopfte an der Tür, aber als kein Wort von innen erscholl, öffnete er sie zögerlich. Auch im Badezimmer war niemand.

„Lucifer...“, flüsterte ich. „Was geht hier vor? Wo sind Marina und Pa?“

Lucifer blickte mich nachdenklich an. „Ich weiß auch nicht. Vielleicht sind die Beiden spazieren gegangen...“ Er musste genauso gut wie ich wissen, dass das nur eine Ausrede war, um von dem dräuenden Gefühl einer nahen Gefahr abzulenken. Ich spürte es einfach, dass mehr dahinter steckte. Wie ein schwarzer Schatten, schien plötzlich irgendetwas in der Luft zu schweben und das Atmen zu erschweren, leise Stimmen, die drohend flüsterten und leise zu kichern schienen, sie verspotteten ob ihrer Unwissenheit, wie sie hier so in der geräumigen Küche standen, sich ratlos anschauten und nur den Ansatz der Gefahr erahnten, in der ihre Liebsten sich befanden. Die Anwesenheit von etwas Dunklem, abgrundtief Schlechtem schien sich in das Haus geschlichen zu haben und die Bewohner mit seinem bloßem Dasein zu verhöhnen, ihre Seelen zu vergiften und die Saat der uralten Furcht vor der Dunkelheit in ihren Herzen aufblühen zu lassen, zu einem klebrigen Spinnennetz aus fatal dünnen Fäden, in das man sich immer weiter verstrickte, war man einmal hineingeraten und...

Ich schüttelte mit einer heftigen Geste den Kopf. Warum zur Hölle kam ich nur auf solch absurde Gedanken? Diese Geschichte von den Dämonen schien schon soweit in meinen Geist gedrungen zu sein, dass ich die Realität langsam nicht mehr von meiner Einbildung unterscheiden konnte. Aber – was war eigentlich noch unmöglich? Im Prinzip nichts mehr.

Eine Hand berührte mich mit festem Griff am Oberarm und zerrte mich herum. Verstört blickte ich in das sorgenerfüllte Gesicht Lucifers und es dauerte einige Sekunden, ehe ich die harten Linien und Kanten, die blutigen Tränenspuren und die raubtierartigen Züge aus seinem Antlitz gewischt hatte, die meine überreizten Nerven hineingemalt hatten, meinen Augen einen Streich spielend.

„Elena, ist alles okay?“, hörte ich ihn wie durch eine geschlossene Tür fragen. Unendliche Augenblicke lang starrte ich ihn an, bis ich begriff, wie seine Worte gemeint waren und hastig nickte. „Du wirkst aber nicht so...“, meinte er leise.

Ich rettete mich in ein Lächeln, was aber kläglich misslang, wie ich seinem Gesichtsausdruck entnahm. „Nichts, es ist alles... in Ordnung. Ich... mache mir nur Sorgen um Marina und meinen Vater.“, stotterte ich rasch.

„Es wird schon nichts passiert sein. Was sollte auch?“ Er lächelte verlegen, aber es scheiterte so schmählich, wie mein Versuch noch vor wenigen Momenten. „Lass uns rausgehen, sie werden sicher im Garten sein.“ Lucifer straffte sichtlich die Schultern und ging zu dem Kleiderständer, um sich seine Jacke zu nehmen. Ich folgte ihm und zog mir ebenfalls meine Jacke an. Hintereinander verließen wir das Haus und Lucifer schloss sorgfältig die Tür ab, nachdem ich sie hinter mir geschlossen hatte. Ein plötzliches Empfinden von Endgültigkeit überflutete meine Seele, aber ehe ich es richtig greifen konnte, war es wieder vorbei. Ich warf Lucifer noch einen letzten, fast trotzigen Blick zu, ehe ich seinem Haus den Rücken drehte und voran gehend den Garten verließ. Aus einer rein intuitiven Eingebung heraus wandte ich mich nach links, in Richtung des Stadtkernes. Warum es ausgerechnet diese Gegend war, die ich anstrebte, und was ich dort zu finden hoffte, war mir selber noch nicht ganz klar, aber eine innere Stimme sagte mir, dass sich das alles vor Ort klären würde, ich wusste es plötzlich so sicher, wie ich wusste, dass das Gras grün und der Himmel blau war. Lucifers Nähe spendete das trügerische Gefühl von Sicherheit, sein Arm, der bei jeder Vor- und Rückbewegung meine Schulter streifte, schien Geborgenheit zu vermitteln und ich begann mich zu fragen, worüber ich mir überhaupt Sorgen machte? Allenfalls hatten sich die beiden in London verlaufen, was allerdings recht unwahrscheinlich war, denn Tommy kannte sich hier so sicher aus, wie in seiner Handtasche. Sie waren bestimmt nur spazieren, so wie Lucifer es gesagt hatte. Nicht mehr und nicht weniger.

Luzifer und ich sprachen kein Wort, während wir uns beharrlich dem Stadtzentrum näherten. Es war sicherlich eine halbe Stunde verstrichen, in der wir nur schweigend nebeneinander her gewandert waren, wie ein jahrelang aufeinander eingespieltes Team ohne ein sichtbares Zeichen der Absprache in diese oder jene Gasse bogen, um den Weg zu kürzen, vielleicht auch zu verlängern, es war unwichtig. Wichtig war nur, dass wir gingen und irgendwann ankamen, dass keiner von uns alleine war, stets die Nähe des anderen spürte und wusste, dass er sich fallen lassen konnte, ohne jemals fallen gelassen zu werden. Eine morbide Faszination meinen eigenen Gedanken gegenüber kam plötzlich in mir auf und ich begann mich selber wie ein Außenstehender zu betrachten.

Ein recht kräftig gebautes Mädchen von vielleicht einem Meter und sechzig Zentimetern, mit braunem Haar, etwas länger als schulterlang, und einem leicht kantigen, schmalen Gesicht, einer Stupsnase und braunen Augen, komplett in schwarz gekleidet, eine schwarze Hose mit leichtem Schlag, eine schwarze Jacke über einem schwarzen, enganliegendem T-Shirt... Warum eigentlich? Warum trug ich nur schwarz? Weil ich mich abheben wollte? Weil eine bestimmte Musik hörte? Weil ich ein Pessimist war? Ich wusste, dass es alles Ausreden waren, die von dem wahren Grund ablenkten, der einfach zu schrecklich war, um ihn wirklich bewusst denken zu können. Ich trug schwarz, weil ich schrie. Meine gepeinigte Seele schrie, mein zerschundener Körper schrie, alles an und in mir schrie nach Erlösung, nach der wärmenden Hand eines verständnisvollen Menschen. Aber niemand hatte es jemals wirklich wahrgenommen, was in mir, diesem unscheinbaren Mädchen von nebenan überhaupt vorging. Es war nur ein Modetick, Ausdruck für die Musik, die das Kind hörte, es war die Pubertät, es würde vorübergehen, genauso wie es früher eine zeitlang nur rot getragen hatte und nun nur noch schwarz. Nein, es gab keinen absurden Grund dafür. Keinen, mit dem sich jemand belasten wollte, diese vielen Menschen um mich herum schlossen einfach die Augen und die Ohren, um meine Schreie weder sehen noch hören zu müssen. Und je mehr ich tat, um die Aufmerksamkeit meines Umfeldes zu erlangen, umso mehr verschlossen sich die Menschen und zwangen sich wegzusehen.

„Schau, da vorne ist die Waterloo Bridge.“, murmelte Lucifer und zerrte mich damit aus meinen unangenehmen Gedanken.

Ich riss die Augen auf und blinzelte angestrengt durch den leichten Vorhang aus Nebel, der sich über die langsam verdunkelnde Stadt legte. Dieser trübe, alles durchnässende, kalte Nebel war vor einigen Minuten aufgekommen, hatte sich wie ein barmherziger Vorhang über die Straßen gesenkt, als müsse er etwas Schreckliches verbergen, etwas, das zu grausam war, um es dem menschlichen Auge preisgeben zu dürfen. Die Brücke war nur noch wenige Yards vor uns. Wir näherten uns aus einer kleineren Straße heraus, nicht direkt von der Lancaster Plane. Das Stadtzentrum war groß und der Fluss lag in etwa genau in der Mitte, unbewusst hatte ich die Waterloo Bridge zu unserem Ziel gemacht, auch wenn ich einfach nicht begriff warum.

„Und was machen wir jetzt?“, erwiderte ich genauso leise. Ich spürte wie Lucifer mit den Schultern zuckte.

„Ich dachte, du hättest eine Idee.“, meinte er beinahe hilflos.

Ich blickte zu ihm hoch. Seine dunkelblauen Augen waren fast schwarz in der Dämmerung und der kalte Wind, der aufgekommen war, zauste sein schwarzes Haar, ließ die Strähnen wie züngelnde Flammen tanzen. Mehr denn je wurde mir seine andersartige Ausstrahlung bewusst, die wahrscheinlich dafür verantwortlich war, dass ich ihn so interessant und anziehend fand. Er kam aus einer anderen Welt und war mehr oder weniger in diese hier hineingeworfen worden, sodass er sich selbst jetzt, nach all den Jahren, die er nun schon hier lebte, noch nicht an sie gewöhnt hatte.

„Darf ich dich was fragen?“, sagte ich zögernd.

Lucifer löste seinen Blick von einem unsichtbaren Punkt irgendwo vor uns im Nebel und schaute zu mir herab. „Natürlich.“, antwortete er.

Ich räusperte mich umständlich. „Na ja, ich würde gerne wissen, wie... also wie du dazu kamst, ein Menschenbaby in dein Herz zu schließen?“

Ein leises Lächeln schlich sich auf Lucifers Lippen. „Die Frage hatte ich fast erwartet.“, erwiderte er leise. „Es ist leicht zu erzählen. Ich bin oft an der Oberfläche gewesen, um zu fliegen, natürlich in Gegenden, die kaum besiedelt waren. Ich war viel in Schottland oben. Einen Tag hatte ich mich etwas zu nahe an eines der kleinen Dörfer herangewagt und erblickte ein junges Mädchen, vielleicht sechzehn Jahre alt, das ein kleines Baby in einen Korb setzte und diesen dann der Strömung eines Flusses überließ. Ich begriff nicht, wie sie das dem kleinen Wesen antun konnte, heute denke ich mir, dass sie sich zu jung gefühlt hatte, um das Kind zu erziehen, aber damals war ich entsetzt. Ich meine, ich wäre es heute noch, aber ich konnte es halt einfach nicht verstehen. So verstieß ich gegen alle Gesetze der Dämonen und holte das Kind aus dem Korb heraus. Ich wusste erst nicht recht, was ich tun sollte, kam dann aber zu dem Schluss, dass ich es vielleicht selbst erziehen könnte. Also setzte ich mich mit dem Kind in das Gras und versuchte mich zu erinnern, was man einem Baby als Nahrung vorsetzte. Ich kam zu dem Schluss, dass ich es alleine nicht auf die Reihe kriegen würde und fragte also eine Freundin von mir. Sie half mir dabei richtig mit dem Kind umzugehen. Einige Wochen schaffte ich es, die ganzen Tage an der Oberfläche zu verbringen und mindestens einmal in der Nacht nach dem Kind zu schauen. Abends legte ich es immer in den Korb zurück und stellte diesen auf eine hohe Eiche, natürlich nicht ohne das Kind vorher fest zu binden. Wie gesagt, ein paar Wochen ging es gut so, aber dann kamen mir ein paar Dunkeldämonen auf die Schliche, wahrscheinlich hatte meine Freundin ihnen von dem Kind erzählt, und verrieten alles meinem Vater. Da er eh vorhatte ein Project aus mir zu machen, kam es ihm recht gelegen. Nun ja, den Rest der Geschichte kennst du ja...“

Ich nickte. „Erstaunlich eigentlich, dass du dich in Tommy verliebt hast, wo du ihn als Baby kennen gelernt hast und selber schon erwachsen warst.“

Lucifers Blick wandelte sich in Schrecken. „Was... was hast du da eben gesagt?“

Ich hielt irritiert inne, als mir plötzlich bewusst wurde, dass ich eigentlich nichts von der Beziehung Lucifers zu meinem Vater wissen konnte, zumindest in Lucifers Augen. „Ich...“ Ich brach ab. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, ohne lügen zu müssen, und schaute fast beschämt zu Boden.

„Woher... ich meine... wie zum Teufel kommst du darauf, dass ich Tommy lieben würde?“, brach es aus Lucifer hervor. Die Anspannung ließ seine Stimme merklich zittern, in den letzten Stunden hatte er alles von seiner kalten, scheinbar unbeteiligten Maske verloren und zeigte sich so, wie er wirklich war: Ein junger Mann völlig am Ende mit den Nerven und wenige Schritte nur noch vom endgültigen Zusammenbruch entfernt.

Ich zuckte hilflos mit den Schultern. „Irgendwie... na ja... dachte ich so...“ Wieder fehlten mir die Worte. Sollte ich ihm etwa sagen, dass ich ihn und meinen Vater belauscht hatte? Still und heimlich? Vollkommen hinterhältig?

„Einfach so?“, fragte Lucifer misstrauisch. „Da steckt doch mehr dahinter.“

„Na ja, ich... ich habe... also nur so aus reinem Zufall... das Bild, auf dem Küchentisch, das von dir und Paps... und dann noch...“ Ich blickte schuldbewusst wieder zu ihm hoch. „Also auch nur durch Zufall... na ja, ich habe dich und Paps im Wohnzimmer... gesehen...“ Es fiel mir mit jeder Sekunde schwerer ihm in die Augen zu schauen, obwohl ich paradoxerweise mich so furchtbar erleichtert fühlte, dass es endlich heraus war.

Lucifer erwiderte meinen Blick für Ewigkeiten, wie es mir schien, einfach nur ohne irgendetwas zu sagen, irgendeine Reaktion zu zeigen, was fast noch schlimmer war, als wäre er ausgerastet, hätte mich angeschrieen oder einfach nur auf seine gewohnt kühle Art und Weise reagiert, denn sein Nicht-Reagieren zeigte mehr denn je, wie fertig er mit sich und der Welt war, wie schwer es ihm zu fallen schien noch großartig viele Emotionen zu empfinden, sich zu streiten, noch irgendwie in einem größeren Maße gegen den Wahnsinn um ihn herum zu halten. Schließlich senkte er selber den Blick und nach einem kurzen Zögern schloss er mich plötzlich in die Arme. Verwirrt ließ ich mich in seine Umarmung sinken, das Gefühl der Wärme genießend, das stets von ihm ausging. Das war wirklich das letzte, was ich nun erwartet hatte.

„Du hast ja so recht.“, flüsterte Lucifer. „Ich habe mich in ihn verliebt... und es tut mir leid, dass ich dir das nicht gesagt habe. Das zwischen dir und mir hätte niemals passieren dürfen.“ Ein leises Seufzen entrang sich seinen Lippen. „Es lässt sich nicht mehr rückgängig machen, aber um ehrlich zu sein, ich will die Erfahrung auch nicht mehr missen.“

Ich zuckte zusammen. Dieses eine Erlebnis an dem einen Nachmittag hatte ich schon fast aus meinem bewussten Denken verdrängt, einfach aus dem Grund, weil es mir vollkommen absurd erschien, dass ein Vater und eine Tochter mit ein und demselben Mann schliefen. Der Gedanke war so krank, dass ich ihn kaum zu denken wagte. Lucifer musste sich schrecklich vorkommen. Vorsichtig streichelte ich seinen Rücken.

„Schon okay. Es ist ja im Moment eh egal.“, erwiderte ich leise. Ich spürte wie Lucifer die Schultern straffte und mich dann wieder losließ.

„Wir haben im Moment wirklich andere Sorgen.“ Er rettete sich in ein verlegenes Lächeln und deutete mit einer Kopfbewegung zur Brücke. „Lass uns gehen.“
 

So, die finalen Kapitel folgen auch bald! ^___________^ Ich hoffe, es hat euch bis hierhin gefallen!

Chapter 10

Ja, ich bin seit langem endlich mal wieder zu nem Kapitel gekommen... -puh- Und es ist recht kurz ausgefallen, dafür wird das nächste länger! ;) Versprochen!
 

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Die Wirklichkeit schien einen Sprung zu erhalten, andere Dimensionen schienen über sie hereinzubrechen und sie zu verfälschen, den Schatten einen anderen, fast grausamen Ton zu geben. Dunkle Ausläufer einer Realität, die zu anders war, als dass ein menschlicher Verstand sie jemals begreifen konnte, ohne daran zu zerbrechen.

Wir näherten uns langsam der Brücke, auch wenn ich noch immer nicht begriff, warum ich uns genau hierher geführt hatte. Es war inzwischen wirklich dunkel geworden, nur das unwirkliche Licht der Straßenlaternen erhellte die Waterloo Bridge und einen Teil der Themse unter ihr. Es war still, nahezu unheimlich still. Auf dem Weg hierher waren wir keinem Auto, ja nicht einmal einem Lebewesen begegnet. Was auch immer für Mächte hier am Werk waren, sie waren so gewaltig, dass selbst der normale Mensch, in seinem Alltag gefangen, die Bedrohung spürte und die offene, dunkle Straße mied.

Oder wir waren bereits, ohne es zu merken, in eine andere Dimension gewechselt, eine, die der unsrigen ähnlich war, nur leer, verlassen und trostlos, bar jeden Lebens, bar jeder Wärme, jeden Empfindens, das positive Assoziationen hervorrufen konnte. Wieder war da in mir irgendetwas, das auf das Rufen und Locken antwortete, dass von irgendwoher zu kommen schien. Ein Gefühl der Endgültigkeit, das erneut von mir Besitz ergriff, das mir sagte, dass sich hier und jetzt alles entscheiden würde, entweder das Leben oder nicht das Leben. Und trotz dem ich wusste, dass nur der Sieger sein Leben behalten durfte, so hatte ich doch keine Angst, Lucifer gab mir Sicherheit, ich war mir gewiss, dass er der entscheidende Schlüssel in dem bevorstehenden Kampf (?) war, der das ganze Blatt nach Belieben wenden konnte, denn er war der Mittelpunkt. Ich vermochte nicht zu sagen, wieso auf einmal solche Gedanken in meinem Kopf waren, geschweige denn, wieso plötzlich solch ein gewaltiges Wissen in mir war, aber ich dachte auch nicht weiter darüber nach. Mein Gefühl sagte es mir einfach, dass ich dem Wissen vertrauen konnte, so sicher, wie ich vorhin geahnt hatte, dass wir zur Waterloo Bridge mussten.

Wir betraten die Brücke und je weiter wir uns der Mitte näherten, desto langsamer gingen wir. Es war seltsam, meine anfängliche Furcht wandelte sich mehr und mehr in eine nahezu morbide Neugierde auf das, was vor uns lag und das trügerische Gefühl von Stärke, das sich in mir breit machte, intensivierte sie nur noch.

Lucifer stockte plötzlich im Schritt neben mir und ich hielt an.

„Was ist?“, fragte ich. Meine Stimme durchbrach die beklemmende Stille wie ein Pistolenschuss und ich wäre beinahe selber zusammengezuckt, als ich sie hörte. Irgendwie fühlte ich, dass die Geräusche eines Menschen oder gar seine Anwesenheit nicht hier hin gehörten. Es war ein Ort, der allein durch seine Existenz das Leben verspottete und es zunichte machte. Mehr denn je war ich mir sicher, dass irgendetwas geschah, dass nicht mit der normalen Wissenschaft zu erklären war.

„Da vorne.“ Lucifer streckte seinen Arm aus und deutete irgendwo voraus in die vielen Lichtkegel der Laternen. „Ein Dämon, ich spüre es...“, wisperte er.

Ich starrte angestrengt in die neblige Luft vor uns und nach einigen Sekunden bemerkte auch ich die einsame Gestalt, die dort in einem der Lichtkegel stand. Die Konturen waren etwas zu unförmig, um einen Menschen zu gehören. Die Person, die sich dort befand, war breitschultrig, kräftig und viel größer als ein normaler Mensch. Wahrscheinlich hatte Lucifer recht und wir standen einem Dämon gegenüber. Die Gestalt hob plötzlich einen Arm und bedeutete uns näher zu kommen.

Ich blickte hilfesuchend zu Lucifer und dieser erwiderte meinen Blick mit einem genauso ratlosen Ausdruck in den dunklen Augen. Schließlich zuckte er mit den Schultern und ging einfach los. Ich folgte ihm nach kurzem Zögern. Ein paar hastige Schritte und ich hatte aufgeholt, sodass wir wieder auf einer Höhe gingen. Die Straßenlaternen flogen an uns vorbei, das Wasser brach sich schäumend an den Brückenpfeilern und die Nebelfetzen schienen langsam zu verfliegen, fast als würde die Zeit auf einmal doppelt so schnell ablaufen.

Erneut überkam mich ein Gefühl, wie jenes, wenn eine schwere Tür hinter einem zuschlug und man nicht mehr zurückkonnte. Und trotzdem wir uns der Gestalt immer weiter näherten, schien sie nicht wirklich deutlicher erkennbar. Ihre Konturen zerflossen immer wieder, wie Rauchschwaden von einem Windhauch und dem launenhaften Willen der Natur stets in die vage Form zurückgedrängt. Aber eines erkannte ich mit dem näher Kommen schon: Rote Augen blitzten in den dunklen Schatten unter den Erhebungen, die vermutlich die Augebrauen darstellen sollten. Teuflisch, fast schon gierig glimmten sie mir entgegen ohne eine Pupille oder sonstiges. Sie waren einfach nur glühend rote Punkte wie erhitztes Eisen und glommen unheimlich in der Dunkelheit.

Das Licht der Laternen schien hier seine eigentliche Funktion zu verfehlen. Statt die Dunkelheit zu erhellen, schien es durch den scharfen Gegensatz des kleinen Kreises Helligkeit, nur die Schwärze und Schatten noch zu unterstreichen.

Schließlich waren wir dem Dämon so nahe, dass ich wenigstens erkennen konnte, was diese eigenartige Unförmigkeit hervor rief. Er trug einen schwarzen Mantel von einer so lichtschluckenden Intensität, dass keine Schatten und damit auch keine Falten erkennbar waren, sodass das menschliche Auge sich einfach nicht daran festhalten konnte und der Blick ständig wieder abglitt, um so einen zerfasernden Effekt zu erzeugen. Ich begriff, dass diese Art von Mantel sicher nicht von ungefähr angefertigt worden war. In tiefen Schatten und in der Nacht war er die perfekte Tarnung und wenn dieser so andersartige Stoff in dem normalen Licht meiner Welt erschien, musste er schier unsichtbar sein. Sicher bewegten sich die Dämonen so ebenfalls unerkannt in unseren Dimensionen. Und trotzdem führten sie grausame Operationen durch, um so Dämonen herauf zu schicken, die als Spitzel dienten? Ich runzelte unwillig die Stirn.

Nur wenige Schritte vor der Gestalt blieben wir stehen. Lucifer befand sich so dicht neben mir, dass ich ihn vor Kälte – und vielleicht nicht nur deswegen – sogar durch unser beider Jacken hindurch zittern spürte.

Der Dämon nahm seine Kapuze herunter und -

Ich zuckte erschrocken zusammen und zeitgleich stieß Lucifer einen entsetzten Schrei aus, als wir das Gesicht erkannten, das darunter deutlich zum Vorschein kam, nun nicht mehr verfälscht durch den fremdartigen Stoff des Mantels.

Es war der Dämon mit dem kräftigen Gesicht, der, den Lucifer so abwertend Vater genannt hatte in seiner Erinnerung.
 


 

So, hoffe es gefiel! ^^ Man darf gespannt sein, was genau passieren wird! Soviel verrate ich schon mal: Es ist ein ziemlicher Umschwung! ^^

Chapter 11

Now killing the other sphere… where are you?

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Chapter 11
 

Gänge, Gänge, Gänge und nochmals Gänge. Gänge ohne Ende, mit stahlharten, glatten Wänden, keine Anhaltspunkte, nichts, nur dieses unwirkliche Licht, das von den fluoreszierenden Neonleuchten an der Decke herunterfiel wie ein weißer Schleier. Fast schon körperlich fühlbare Kälte ging davon aus und ich konnte ein entsetztes Schaudern nicht unterdrücken.

Wahrscheinlich schon seit Stunden irrte ich in diesem Labyrinth herum, ohne jegliche Aussicht auf einen Ausgang. Meine Stimme war wund geschrieen und ich konnte mich kaum noch auf den Beinen halten. Wo war ich hier gelandet?

Mühsam vorwärts stolpernd quälte ich mich zur nächsten Abzweigung und ließ mich dann erschöpft auf den eiskalten Boden sinken. Schon im nächsten Moment sprang ich wieder auf.

Ein unheimliches Raunen wehte mir durch die alles erstickende Stille entgegen und ich versuchte verzweifelt die Richtung auszumachen, aus der es kam. Vorsichtig tapste ich näher zu der einen Abzweigung heran und legte den Kopf leicht schief. Eigentlich lachhaft, in Anbetracht der Umstände, aber es war eine gewohnte Geste, die jeder unbewusst ausführte, um so die Richtung der Geräusche zu orten. Ich kam zu dem Ergebnis, dass das Raunen aus dem Gang vor mir kommen sollte. Unbehaglich blickte ich noch einmal zurück. Seit etwa, ich würde schätzen, zehn Minuten hatte ich das beängstigende Gefühl, beobachtet zu werden. Unsichtbare Augen in den Wänden, die jeden einzelnen Schritt, den ich machte, verfolgten und vielleicht vorausplanten, wann ich ihnen in die Falle gehen würde... wer auch immer „ihnen“ waren. Ich seufzte.

Zu den nächsten Schritten musste ich mich regelrecht zwingen. Das Raunen wurde tatsächlich lauter, aber damit nicht unbedingt weniger unheimlich, im Gegenteil, es machte mir nur noch mehr Angst und es fiel mir immer schwerer einen Fuß vor den anderen zu setzen. Die Neonlampe über mir flackerte.

Ich blieb erschrocken stehen und stützte mich mit einer Hand an der Wand ab, während mein Blick gebannt nach oben gerichtet war. „Scheiße...“, murmelte ich. Meine Stimme klang fremd, nicht wirklich mehr diese liebe-Mädchen-Stimme, sondern mit einem eigenartigen, fast verrucht klingendem Unterton. Ich schrieb diese Veränderung der verzerrten Akustik um mich herum zu, ansonsten hätte mich die Feststellung zu sehr beunruhigt. Und ich war schon fast am Ende mit den Nerven, weil ich keine Ahnung hatte, was ich tun sollte, um hier drin nicht zu verhungern. Das flackernde Licht rief in mir die unangenehme Vorstellung wach, dass gleich der ganze Strom (oder woher auch immer diese Einrichtung Energie gewann) ausfiel und ich komplett im Dunkeln stand.

Meine Beine begannen auf einmal zu zittern und ich musste mich erneut zu Boden lassen, um nicht zusammenzubrechen und vielleicht noch unglücklich auf dem steinharten Boden aufzukommen. Ich schloss die Augen und drängte die Bilder zurück, mit denen meine rege Fantasie mein Inneres überflutete. Wenn Panik die Oberhand gewinnen würde, dann wäre ich endgültig verloren, also musste ich ruhig bleiben. Es gab einfach keinen unbegrenzten Ort, das war einfach unmöglich. Irgendwann musste man auf ein Ende treffen. Aber war überhaupt noch irgendetwas unmöglich? Ich war in die Welt der Dämonen geglitten. Nur bruchstückchenhaft erinnerte ich mich noch an den Übergang. Aber deutlich sah ich die vor Furcht schwarz gewordenen Augen Lucifers vor mir, mein Spiegelbild darin, dass eine beklemmende Veränderung...

Ich riss mich selber unsanft aus meinen Gedanken, in dem ich meine Augen hastig aufriss. Mein Atem ging schwerer und als ich wieder versuchte auf das Raunen zu achten, fiel mir auf, dass es näher schien und sich wohl in meine Richtung bewegte.

Mühsam rappelte ich mich wieder auf und machte einige Schritte vorwärts. Die Neonlampe flackerte stärker hinter mir und mehr denn je kam es mir wie ein Warnzeichen vor. Mein Herz begann zu rasen und das Blut in meinen Ohren rauschte. Was war hier nur los? Ich blieb stehen. Aus dem Raunen hörte ich nun deutlich ein hohes, bösartiges Kichern heraus und der starke Geruch von Rosen schlug mir auf einmal mit einem kalten Luftzug entgegen.

Irgendwo schlug eine Tür zu.

Die Geräusche verstummten schlagartig, nur der Geruch lag noch in der Luft und auf einmal vernahm ich Schritte hinter dem Knick des Ganges vor mir. Sie waren langsam, fast gemächlich lauernd und hallten durch die plötzliche Stille wie Pistolenschüsse.

Wie gelähmt stand ich da, die eine Hand wieder an die Wand gestützt und nach vorne aus weit aufgerissenen Augen in das kalte, weiße Licht starrend. Ich konnte nicht mal zittern, so paralysiert war ich vor Angst. Ich wusste irgendwie, dass die Person (?) vor mir, nicht zwangsläufig nur Erlösung bringen würde.

Endlose Sekunden verstrichen, dann waren die Schritte heran und-

ein Dämon bog um die Ecke. Ich zuckte so heftig zusammen, dass ich nach hinten fiel und unsanft mit dem Hintern auf dem Boden aufkam. Ein Dämon, was hatte ich denn bitte schön anderes erwartet?

Das Wesen stockte im Schritt und blieb dann stehen, mich mit stutzigem Blick betrachtend. Offenbar war es wohl doch nicht deswegen hier herunter gekommen, weil es gewusst hatte, dass ich hier war, sondern aus irgendeinem anderen, mir unbekannten Grund. Es war ein männlicher Dunkeldämon. Gräulich-blaue Haut, schlank und groß, mit dunkelvioletten Augen und rabenschwarzem Haar, das glatt, glänzend und schulterlang sein Gesicht rahmte. Nachdem wir uns gegenseitig ein paar Sekunden lang gemustert hatten, stemmte er die Hände in die Seiten und zog fragend eine Augenbraue hoch.

„Habe ich irgendetwas wichtiges verpasst?“, kam es mit starkem Akzent von ihm.

Ich starrte in sein Gesicht, unfähig auch nur ein Wort zu sagen. Seine Hand zuckte zu der Schusswaffe, die an seinem breiten, schwarzen Ledergürtel hing.

„Krieg ich heute noch eine Antwort?“

Ich schüttelte nur stumm den Kopf. Meine Kehle fühlte sich ausgedörrt an und meine Arme versagten mir den Dienst, als ich mich wieder in die Höhe stemmen wollte.

Der Dämon mahlte nachdenklich mit seinen Kiefern, dann machte er zwei Schritte auf mich zu und zog mich mit einem Ruck hoch. Ehe ich wieder umfallen konnte, packte er mich fest am Oberarm und schleifte mich regelrecht mit sich. Wir erreichten die Kurve und ich begann mich mehr den je zu fragen, was eigentlich dahinter lag. Noch ein Schritt und wir bogen um die Ecke.

Ich sog heftig die Luft zwischen den Zähnen ein. Nichts.

Hinter dem Knick lag nichts. Aber woher war das Türknallen gekommen? Und woher der Luftzug? Und überhaupt, wie war der Dämon hierher gelangt? Es dauerte nicht lange und ich hatte eine Antwort auf alle Fragen.

Wir gingen noch einige Meter, die mir allerdings wie Kilometer vorkamen, denn meine Kräfte verließen mich immer schneller, jetzt wo ich nicht mehr selbstständig um mein Überleben kämpfen musste und ich wusste, dass mich jemand aus diesem teuflischen Labyrinth holen würde. Wieder flackerte die Lampe, ich hörte es regelrecht, wie der Strom immer kurzzeitig aufhörte zu fließen und dann wieder summend einsetzte. Die nächste Lampe war noch etwa zwei Meter entfernt von uns an der Decke.

Der Dämon stoppte plötzlich, ließ mich los und begann Worte zu murmeln, in einer gutturalen Sprache, so versunken und alt, wie die Völker, die sie einst verwendeten. Götter, mit Kräften, die wir als Magie bezeichnen würden und die vor der Zeit gelebt hatten in einer Welt, die der unseren so abgrundtief unähnlich war, dass das menschliche Auge sie nicht anschauen konnte ohne den Verstand zu verlieren. Sein Murmeln schwoll an, seine Zunge formte geschickt die grausigen Worte, Relikte einer Vorvergangenheit, die so unantastbar war, wie das Leben selbst. Er hob die Hände mit den langen, krallenartigen Nägeln und wob feine Linien aus Licht in die Luft. Das filigrane Gespinst zersprang mit einem hellen Klirren und anstelle seiner trat plötzlich eine Tür aus dunklem, schmutzigem Eisen.

Der Dämon öffnete sie und ich hätte beinahe aufgeschrieen. Dahinter lag eine niedrige Treppe, die nach oben zu einem Raum führte, den man mit bestem Willen als eine Bar bezeichnen konnte. Er war voll gestopft mit Tischen, Stühlen und so vielen Dämonen, die einen Heidenlärm veranstalteten, dass mir schnell klar wurde, woher das Raunen gekommen war, dass ich die ganze Zeit über gehört hatte.

Das Wesen hinter mir stieß mich unsanft die Treppe hinauf und schloss dann die Tür wieder. Alles in diesem Raum schien irgendwie dunkel zu sein, alle Materialien, aus denen jegliche Gegenstände hier gefertigt worden waren, die Kleidung der Dämonen, alles war in dunklen Schwarz-, Grau- und Grünbrauntönen gehalten worden. Nur einige schwach leuchtende Neonröhren waren an der Wand hinter der schmalen Bar angebracht, die dem Raum einen leichten lila-roten Schimmer verliehen.

Schlagartig, als ich mit zitternden Beinen und Tränen in den Augen vor den ganzen Dunkeldämonen stand, wurde es still. Jeder einzelne Kopf hatte sich mir zugewandt und bestimmt zwanzig Augenpaare starrten mich an. Einige davon sogar verschiedenfarbig, wie mir absurderweise auffiel. Ich senkte automatisch den Blick, um die Wesen nicht zu provozieren. Neben mir trat der Dämon, der mich aus dem Labyrinth geholt hatte, ebenfalls die Treppe hinauf und blieb stehen.

„Starrt nicht so bescheuert, ihr Hohlköpfe. Ich weiß auch nicht, wie diese Missgeburt ins Kara kam.“ Er machte eine ungeduldige Geste und die meisten wandten sich ab, mich aber trotzdem noch verstohlen aus den Augenwinkeln beobachtend.

Von irgendwoher ertönte eine Stimme. „Aus dem Kara? Das ist nicht dein Ernst, oder?“

„Doch.“, knurrte er neben mir. „Und jetzt trink endlich weiter. Ich will heute noch was verdienen.“ Den letzten Satz hatte er leiser gesprochen, sodass der andere ihn sicher nicht mehr vernommen hatten. Dann packte er mich wieder am Oberarm und zerrte mich hinter die Theke zu einer weiteren Tür, welche allerdings wesentlich schmaler war und zu einer weiteren Treppe führte.

„Geh die Treppe hoch, dann die erste Tür links. Erwische ich dich in einem anderen Zimmer, dann hat dein letztes Stündchen geschlagen, klar?“, zischte er grob. Sein Akzent fiel mir noch stärker auf als vorher, aber ich nickte einfach nur und wandte mich dann der Treppe zu, um mich mit letzter Kraft hoch zu quälen. Der Dämon schlug die Tür hinter mir zu.

Ich hatte keine Ahnung, was das werden sollte, aber ich hoffte, dass er mir helfen könnte. Wobei genau, hatte ich ehrlich gesagt noch keine Vorstellung. Vermutlich würde ich Lucifer suchen müssen oder vielleicht auch schon gleich meinen Vater und Marina, aber sicher war, dass ich irgendwann zurück in meine Welt wollte. Ich seufzte. Alles hatte damit begonnen, dass ein Anwalt, Lucifer de Angelus, aufgetaucht war, der mich und Marine von unseren gewalttätigen Stiefeltern befreien wollte und dann hatte sich herausgestellt, dass er ein Dämon war. Schließlich war alles schlag auf schlag gekommen, mein leiblicher Vater und meine Schwester Marina waren verschwunden und ich und Lucifer hatten Lucifers Vater wieder getroffen, der mich wahrscheinlich in diese Welt verschlagen hatte. Und nun? Tja, nun war ich einer fremden Dimension gefangen, beherrscht von noch fremderen Regeln und umgeben von Wesen, die sehr wenig mit Menschen gemeinsam hatten, allenfalls einige Parallelen im Aussehen.

Ich kam recht atemlos oben an der Treppe an. Die Stufen waren einen Tick zu hoch, um wirklich angenehm zu sein und ich war nicht gerade in sonderlich guter körperlicher Verfassung. Die erste Tür links, war auch die einzige Tür links in einem schmalen Gang, kaum so breit wie die Treppe, an dessen Ende ein bodenlanges Fenster war. Durch Schlitze der Jalousie fiel gräuliches Tageslicht. Einen Moment lang war die Verlockung übermächtig, mal schnell einen Blick durch die Jalousie zu werfen, um sich die Welt zu beschauen, aber dann hatte ich doch zu sehr Angst, dass der Dämon mir den Kopf abreißen würde.

So öffnete ich nach einigen Sekunden Verschnaufpause die Tür und betrat den Raum. Er war ähnlich aufgebaut wie ein menschliches Badezimmer. Ein großes Becken aus schwarzem Granit befand sich in der Mitte, zu dem Stufen hinaufführten. Wahrscheinlich eine Art Badewanne. Dann befand sich an der Wand links von mir ein kleineres Becken aus demselben Material mit einem dunkelgrünen wasserhahnähnlichen Ding darüber. Und zu guter Letzt eine getreue Nachbildung der menschlichen Toiletten an der Wand rechts von mir, nur eben wieder aus diesem schwarzen Material.

Das Bad wirkte dunkel und beengt, obwohl der Raum sicher recht groß war, aber die dunklen Farben und die zugezogenen Gardinen, die wenig Licht hereinließen, gaben dem Badezimmer eine düstere und beklemmende Atmosphäre.

Ich bewegte mich um die Wanne herum, die unglaublich groß war, mit einem Rand zum Sitzen, innen wie außen, und näherte mich dem Fenster. Gerade als ich die Hand nach den Gardinen ausstreckte, ging hinter mir die Tür und ich fuhr hastig herum. Es war natürlich der Dämon, der herein getreten war. Mit einer stummen Geste bedeutete er mir, näher zu treten, nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, und ich folgte seiner Aufforderung und ging wieder um die Wanne herum zu ihm.

Einige Sekunden lang musterte er mich abschätzend, dann wedelte er ungeduldig mit der Hand. „Zieh deine Sachen aus. Der Gestank der Menschen ist ja unerträglich.“

Ich blickte ihn einige Sekunden lang perplex an, tat dann aber, was er verlangte und wollte nach den Knöpfen meines Hemdes greifen.

Als mir augenblicklich einfiel, ich hatte kein Hemd angehabt, bevor ich in diese Welt übergetreten war. Unendlich langsam senkte ich den Kopf und starrte an mir herunter, die Hände halb erhoben. Eine eiskalte Welle des Entsetzens überrannte meine Gedanken und ich begann auf einmal am ganzen Leib zu zittern wie Espenlaub.

Chapter 12

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Chapter 12
 

Meine Brust war so flach wie die eines Jungen, dabei hatte ich vorher eine recht gut bemessene Oberweite besessen. Und meine Hüfte war so schlank, wie ich es mir immer gewünscht hatte. Mein Blick fiel auf meine Hände. Sie wirkten ein Tick größer, die Finger länger, als ich es gewohnt war und die Fingernägel ganz anders geformt. Kleine Details, die mir erst jetzt im Dämmerlicht dieses Badezimmers und bei genauerem Hinsehen auffielen.

Ein Seufzen, das fast wie ein leiser, fassungsloser Schrei klang, entrang sich meinen spröden Lippen. Ich trug tatsächlich ein Hemd, ein dunkelrotes, um genau zu sein, dazu eine schwarze Jeans, mit ausgewaschenen grauen Stellen an den Oberschenkeln. Und die Hose sah eindeutig männlich aus.

Ich schloss ohnmächtig die Augen. Das konnte nicht wahr sein. Deswegen klang meine Stimme so eigenartig. So männlich, ich hatte es mir nur nicht eingestehen wollen, aber nun konnte ich die Augen nicht mehr vor den Tatsachen verschließen. Ich spürte, wie erneut Tränen in meine wunden Augen traten. Was hatte Lucifers Vater nur getan? Ich war ein Mädchen gewesen und ich musste zugeben, ich hatte mir so oft gewünscht ein Junge zu sein, aber doch nicht so! Nicht auf diese Art und Weise und nicht an diesem Ort.

Meine Beine gaben endgültig nach, ich sank verzweifelt zu Boden und begann haltlos zu schluchzen. Elena, das war doch mein Name gewesen... Und jetzt? Ich vergrub mein fremdes Gesicht in den so andersartigen Händen. Selbst meine Nase, meine Augen und mein Mund fühlten sich anders an, die ganze Hautstruktur, die Knochen darunter, jedes winzige Detail, das ich von mir kannte, war verändert. Es war so furchtbar absurd, dass es einfach nicht in meinen Kopf wollte.

„Was ist denn jetzt?“, stöhnte der Dämon entnervt. Ich spürte, wie eine kalte Hand, mich am Hemdkragen packte und mit einem Ruck in die Höhe zerrte, dann unter mein Kinn griff und mich zwang ihm ins Gesicht zu sehen. „Ist es zuviel verlangt, dass ich dir anbiete, ein Bad zu nehmen?“ Jetzt, wo er fast schrie, war sein Akzent so stark, dass ich ihn nur mit Mühe verstand. Er sprach die Buchstaben auf eine unbeschreibliche Art und Weise hart aus und hatte Mühe mit den z-Lauten, während er die Vokale sehr lang zog.

Ich schüttelte hastig den Kopf und versuchte meine Tränen runterzuschlucken. Was sollte ich ihm schon erzählen?

„’Tschuldigung...“, nuschelte ich. Er ließ mich wieder los und ich rieb mir das schmerzende Kinn. Mit einem abfälligen Seitenblick rauschte er an mir vorbei hinüber zu der Badewanne und begann Wasser einzulassen. Selbst dieses kam mir irgendwie dunkel vor. Die niedrigen Absätze seiner schwarzen Stiefel klackerten hell auf den marmorierten Fliesen.

Ich schluckte schwer und begann mit langsamen Bewegungen mein Hemd aufzuknöpfen.

„Gibt es hier auch... Spiegel?“, fragte ich stockend.

Der Dämon blickte auf, schien einen Moment zu überlegen und stellte dann das Fläschchen, aus dem er gerade eine nach Rosen duftende Flüssigkeit in das Wasser geschüttet hatte, zurück auf den Wannenrand, um zum Waschbecken hinüber zu gehen. Dort sprach er ein einzelnes Wort und die Fliesen begannen auf einmal einen glasigen Glanz zu bekommen und verwandelten sich schließlich ganz in einen großen Spiegel über dem Waschbecken. Er deute darauf.

„Ein Spiegel. Ich komme in einer halben Stunde wieder her. Du bleibst solange im Wasser. Ich kann es nur noch einmal betonen: Erwische ich dich in einem anderen Raum, dann bist du fällig!“ Mit diesen Worten wandte er sich ab und wollte gerade de Tür öffnen, als er in der Bewegung inne hielt und sich noch einmal halb herum drehte. „Wie ist dein Name?“

„Ich... ich weiß es nicht...“, stotterte ich.

„Du musst doch einen Namen haben.“ Er blickte unwillig. „Meiner lautet May, damit ruft man mich gewöhnlich. So etwas besitzt ihr Menschen im Allgemeinen doch auch.“

„Das ist ein wenig kompliziert.“, erwiderte ich hastig.

„Was soll daran kompliziert sein?“

„Na ja... ich bin eigentlich ein... Mädchen.“

May nahm die Hand von der Türklinke und drehte sich ganz herum.

„Ein Mädchen? Wie darf ich das verstehen?“ Er verengte drohend die Augen.

„I-ich weiß doch auch nicht. Bevor ich hier herkam war ich eben weiblich. Ich weiß auch nicht, was geschehen ist.“, versuchte ich verzweifelt zu erklären.

„Aha.“, kam es von ihm zurück. Wieder streifte sein Blick kritisch meinen Körper, dann trat er mit einem einzigen Schritt wieder zu mir und ich begriff gar nicht, wie mir geschah, da hatte er schon mein Hemd beiseite geschoben, meinen Gürtel geöffnet und blickte mir tatsächlich in die Hose.

Peinlich berührt schlug ich seine Hände zur Seite und wich jäh einen Schritt zurück. Mir war total warm geworden und ich musste keinen Blick in den Spiegel werfen, um zu wissen, dass ich hochrot angelaufen war. Wütend funkelte ich ihn an. „Sonst ist alles in Ordnung, oder?“, entfuhr es mir lauter als gewollt.

May zog nur wieder eine Augenbraue hoch. „Du bist ein Mann, es gibt nichts, was ich nicht schon mal gesehen hätte.“ Damit drehte er sich endgültig um und verschwand durch die Tür.

Ich stand bestimmt eine halbe Minute lang nur da und starrte auf die geschlossene Tür, seine Worte immer und immer wieder in meinen Gedanken wiederholend. Du bist ein Mann... Ein Mann, na wunderbar, dachte ich nahe an der Hysterie.

Als ich mich schließlich endlich wieder rühren konnte und begann, mich meiner Sachen zu entledigen, um in die Wanne zu steigen, vermied ich es geflissentlich einen Blick an meinem Körper entlang nach unten zu werfen.

Wie betäubt saß ich in dem heißen Wasser, der überwältigende Rosenduft machte es nur noch schlimmer und benebelte meine eh schon wie zähes Gummi dahin fließenden Gedanken nur noch mehr. Jetzt, wo ich es mit hundertprozentiger Sicherheit wusste, spürte ich die Veränderung sogar direkt. Einfach das Gefühl in diesem Körper zu sein, war anders. Ich bewegte mich auf eine ganz andere Art und Weise und hatte manchmal sogar das Gefühl, einige Bewegungen ganz neu erlernen zu müssen wie ein Kleinkind, das gerade erst Laufen lernt.

Ich führte meine Hand langsam noch oben zu meinem Kopf. Was wohl mit meinen Haaren geschehen war? Fast ängstlich vor dem, was ich ertasten würde, führte ich die Bewegung zu Ende. Meine Finger griffen in weiches, glattes Haar, das vielleicht fünf Zentimeter lang war, eingestuft und hinten hochgegelt.

Das mir das vorher nicht aufgefallen war, dass meine langen Haare mir nicht mehr im Gesicht herumhingen. Ich schüttelte verwirrt den Kopf und der Pony fiel mir von meinem Seitenscheitel in die Augen. Ich strich ihn beiseite und rutschte etwas tiefer ins Wasser, lehnte den Kopf zurück und tauchte so meinen Hinterkopf ein.

Etwa eine halbe Stunde später, in der ich die seltsamen Fläschchen auf dem Wannenrand alle einmal durchprobiert hatte und zu dem Ergebnis kam, dass sie alle gleich rochen, trotz verschiedener Aufschriften, betrat May wieder das Badezimmer. Über dem Arm trug er eine Art schwarzen Bademantel aus einem seidig glänzenden Stoff. Er legte ihn über den Deckel der Toilette und bedeutete mir die Wanne zu verlassen. Ich hievte mich hoch und stieg mit gesenktem Kopf die glatten Stufen hinab, fest darauf bedacht, bloß nicht dahin zu schauen oder auf den Stufen auszurutschen.

Der Dämon stand mit verschränkten Armen an das Waschbecken gelehnt und versperrte mir so jegliche Sicht auf den Spiegel und damit auf mich selbst. Fast war ich erleichtert darüber, so den Moment der Wahrheit noch hinauszuzögern. Ich ging zu der Toilette und nahm das Stück Stoff, um es mir überzustreifen. Es war tatsächlich so eine Art Bademantel mit einem asiatischen Schnitt. Ich knotete den Gürtel zu und drehte mich denn zu May um, den Blick fragend auf sein Gesicht gerichtet. Ich war irgendwie froh, dass ich den Mantel nun anhatte und sich so keine Gelegenheit mehr bot, irgendetwas zu sehen, das ich nicht sehen wollte.

„Wenigstens stinkst du nicht mehr so, Junge.“, knurrte er.

Ich zuckte zusammen ob seiner schroffen Wort- und Tonwahl.

„Kannst du bitte...“, begann ich leise und machte mir der Hand eine Bewegung, dass er zur Seite treten möge.

May verzog die Augenbrauen, stieß sich dann aber vom Waschbecken ab und machte einen Schritt zur Seite, sodass ich einen Blick in den Spiegel werfen konnte.

Ich gewahrte mich zum ersten Mal, sofort begann wieder Tränen meinen Blick verschwimmen zu lassen und ich tapste unendlich langsam auf den Spiegel zu, unverwandt auf mein Antlitz blickend.

Chapter 13

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Chapter 13
 

Mein Haar war schwarz und recht voluminös, in den seitlich liegenden, glatten Pony war eine knallpinke Strähne gefärbt. Jetzt war es nass und rahmte strähnig mein Gesicht teilweise bis auf meine Schultern hinunter.

Tja, und mein Gesicht, es war so hübsch, dass ich mich als Elena sofort darin verliebt hätte. Feine, wie mit einem Pinsel gezogene Augenbrauen, eine schmale Nase und volle Lippen, die weich geschwungen waren und leicht melancholisch wirkten. Zwischen Wangenknochen und Kiefer lagen Schatten, sodass meine Wangen sehr schmal erschienen und mein Kinn war nicht zu klein, aber auch nicht zu prägnant, genau so, dass man nicht eindeutig sagen konnte, ob es weiblich oder männlich wirkte. Einzig die goldbraune Farbe meiner Augen, die nun leicht schräg standen, war geblieben.

Ich sah eben aus wie der typische Emo-Boy oder wie auch immer man das nannte heutzutage. Meine Haut war weiß wie Alabaster und leuchtete in dem dunklen Raum als das einzige, was wirklich hell war. Der Dunkeldämon hinter mir schien wie in Schatten gehüllt, seine ganze Aura war von etwas Dunklem geprägt, dass sich schwer beschreiben ließ, aber fast greifbar da war.

Und ich war stockschwul. Anders konnte man es nicht sagen. Mein Denken war so weiblich geblieben, wie es schon immer gewesen war und ich musste sagen, der Dämon war nicht gerade unattraktiv. Aber wie konnte ich in dieser Situation überhaupt an so was denken? Ich schüttelte leicht den Kopf, um meine Gedanken zu vertreiben. Ich musste unbedingt herausfinden, was mit Lucifer geschehen war und dann musste ich noch Tommy und Marina finden. Ein beißender Schmerz begann sich in meinem übermüdeten Kopf breit zu machen und ich rieb mir die Schläfe.

„Hast du dich genug betrachtet? Welch eine eitle Rasse ihr doch seid, Mensch.“, unterbrach May meine Gedanken. Ich sah im Spiegel, wie er missbilligend den Kopf schüttelte und drehte mich zu ihm um.

„Wieso tust du das?“ Auf einmal kam es mir so seltsam absurd vor, dass der Dunkeldämon mich nicht schon längst getötet hatte, sondern mir auch noch ein Bad ermöglichte und saubere Sachen zur Verfügung stellte. Und auf einmal wollte ich endlich mal eine Antwort auf meine tausend Fragen erhalten, selbst wenn es nur so eine unbedeutende war.

„Was tue ich?“, knurrte er betont langsam. Der Blick seiner so fremdartig violetten Augen war stechend.

„Das alles.“, antwortete ich mit einem Schulterzucken und versuchte so gut es ging seinem Blick standzuhalten. Und tatsächlich, nach einigen Sekunden flackerten seine Augen und irgendetwas zerbrach zwischen uns, diese unsichtbare Anspannung entlud sich in einer einzigen, winzigen Geste; er schlug die Augen nieder.

„Sollte ich dich lieber sterben lassen?“

Ich war verwirrt. „Nein. So meinte ich das nicht, aber... du ziehst doch überhaupt keinen Nutzen daraus, wenn du mit hilfst. Du hättest mich doch einfach in dem Gang zurücklassen können oder wenigstens einfach aus dieser Bar schmeißen oder...“

Er machte eine herrische Geste mit der Hand, die mich zum Verstummen brachte. „Stell nicht so viele Fragen. Alles zu seiner Zeit. Und jetzt komm mit.“ Der Dunkeldämon wandte sich zur Tür um und ging hinaus.

Ein paar Sekunden lang blickte ich ihm komplett verstört hinterher, aber dann folgte ich ihm in ein Zimmer auf der anderen Seite und am Ende des schmalen Flures. Auch dieses war in Schwarztönen gehalten und allem Anschein nach ein Raum für alles. Ich entdeckte ein Bett, einige Schränke und Regale mit undefinierbarem Inhalt, Einrichtungen einer Küche, Tische, Stühle und ein Sofa und noch andere Einrichtungsgegenstände, die mir ziemlich unbekannt waren. May riss die hohen Doppeltüren eines Schrankes auf und schaute nachdenklich auf die unterschiedlichen Kleidungsstücke. Derweil betrachtete ich neugierig die bodenlangen Fenster die zwei Wände komplett einnahmen, wurde aber auch hier enttäuscht, denn weißgraue Vorhänge, die zwar lichtdurchlässig waren, aber ziemlich blickfest, versperrten auch hier jegliche Aussicht auf die Stadt.

„Ah.“, kam es von dem Dämon und ich wandte meine Aufmerksamkeit hastig wieder ihm zu. Er zog eine Art ziemlich große Klammer, ähnlich wie ein Bügel, aus dem überfüllten Schrank, in die ein komplettes Outfit geklemmt schien. „Das dürfte dir passen.“ Er drehte sich um, kam zu mir herüber und drückte es mir in die Hand. „Die Sachen sind ein wenig alt. Ich trug sie, als ich noch so klein war, wie du es bist und das ist schon eine Weile her.“

Ich pflückte die Sachen aus der überdimensionalen Klammer und betrachtete sie erst eine Weile skeptisch, ehe ich sie mir dezent unter dem Bademantel anzog, so weit es ging. Es war eine Hose aus einem glatten, braunschwarzen Material mit verschiedenen Schnallen und Gürteln dran, Shorts natürlich darunter, dazu ein T-Shirt von der Farbe schmutziges Dunkelgrün und aus demselben Material gefertigt und darüber eine dünne, schwarzbraune Jacke mit mindestens ebenso vielen Schnallen wie an der Hose. Nach einigem weiteren Suchen stellte May mir noch kniehohe Stiefel von der Farbe der Jacke und der Hose vor die Nase, die ich mir ebenfalls überstreifte. Die Sachen waren allesamt hauteng und ich fühlte mich wie in einer schlechten Science-Fiction-Story. Etwas argwöhnisch schaute ich an mir herunter.

„Ach, ich vergaß.“, meinte May plötzlich und ging hinüber zu dem Fleckchen freier Wand neben der Tür. Er wiederholte die Worte aus dem Bad und erneut erschien ein Spiegel aus dem Nichts. „Die eitle Rasse braucht einen Spiegel.“ Er wies mit einer angedeuteten Verbeugung und einem spöttischen Grinsen auf das reflektierende Glas. Ich kam der Aufforderung wortlos nach und blickte auf das mir vollkommen fremde Spiegelbild, das mir mit großen, fast verängstigten Augen entgegenschaute. Im ersten Moment erschrak ich wieder, aber ich zwang mich genauer hinzusehen. Es war, wie als hätte ich mir die Haare gefärbt und musste mich an den Anblick erst mal gewöhnen, nur dass die Veränderung dieses Mal auf den ganzen Körper bezogen war und so drastisch, dass ich nicht wusste, ob ich mich jemals damit abfinden könnte. Ich hoffte immer noch, dass ich mein altes Ich zurückgewinnen würde, wenn ich zurück in meine Welt käme.

„Zufrieden mit dem, was du siehst?“, kam es von May ungeduldig.

Ich zuckte mit den Schultern und blickte beinahe hilfesuchend zu dem Dunkeldämonen.

„Du hast mir immer noch nicht gesagt, wie du heißt.“, fuhr er fort.

„Aber ich...“

Er unterbrach mich erneut. „Und hör bloß auf mit dem Quatsch, du seiest ein Mädchen gewesen.“, meinte er dann unwirsch.

Ich seufzte leise. Eigentlich würde ich mir selber die Geschichte auch nicht glauben, musste ich mir eingestehen. „Ich heiße...“ Den Bruchteil einer Sekunde lang überlegte ich verzweifelt, welcher männliche Name mir am besten gefiel, ehe ich den Satz beendete. „...Dorian LeBlanc.“

„Dorian. Na also, geht doch.“ Er nickte zufrieden. „Und jetzt erklär mir gefälligst, wie ein Menschenwesen in unser Kara kommt.“

„Wenn du mir sagst, was das Kara sein soll?“, erwiderte ich mit hochgezogenen Augenbrauen.

„Es ist unser Gängesystem ähnlich wie eure Fußwege, nur dass es eigentlich sehr lange Strecken stark kürzt. Dieser Effekt entsteht durch die andere Dimension, in die es nach seiner Fertigstellung versetzt wurde.“, erklärte May. „Mit Hilfe unserer Kräfte schufen wir Türen von jedem Haus zu diesem System, sodass man bequem von einem Punkt zum anderen reisen kann. Es ist unsicher dort geworden in letzter Zeit. Räuberbanden machen sich über Alleinreisende her, deswegen sollte man immer acht geben, dass man ausreichend bewaffnet ist.“ Er hielt kurz inne und betrachtete mich. „Du kannst von Glück reden, dass ich dich gefunden habe und nicht eine von diesen Banden.“

Ich nickte. Bei der Vorstellung, was man mit mir anstellen würde, wäre ich diesen dämonischen Vandalen begegnet, war ziemlich unangenehm und jagte mir kalte Schauer über den Rücken.

„Jetzt erklär es mir endlich.“, meinte May ungeduldig und ich begann ihm in groben Zügen zu erzählen, was geschehen war, pedantisch darauf bedacht, Lucifer nicht bei seinem Namen zu nennen.

May lauschte schweigend und mit schief gelegtem Kopf, bis ich geendet hatte und schien danach noch einige Sekunden zu überlegen, vielleicht wie viel Wahrheitsgehalt in meiner Geschichte war. Ich blickte erwartungsvoll zu ihm hoch, bis er das Schweigen brach. „Und jetzt suchst du deinen Vater und deine Schwester?“

Ich nickte erneut.

„Häh?“, machte May in einem Ton kompletter Verwirrung und ließ die verschränkten Arme sinken.

Ich konnte mir ein Grinsen nicht ganz verkneifen. „Was verstehst du denn jetzt nicht?“

Er zuckte mit den Schultern. „Das klingt alles irgendwie absurd. Wir schicken schon seit Jahrhunderten keine Projects mehr auf die Menschenebene. Aber andererseits klingt diese ganze Sache arg nach Cane. Er wäre der einzige, der wirklich in der Lage ist, dich unbemerkt in eine andere Dimension zu schicken.“

„Cane?“

„Unangenehm berühmt unter Dämonen, dunkel wie hell. Er ist einer der mächtigsten Magier, die diese Welt je erschaffen hat. Und er verlor vor Jahrhunderten seinen Sohn Baphomet auf eine unbekannte Weise. Manchmal bekommt man das Gefühl, der Typ wird noch ewig leben. Mit Magie lässt sich eben alles anstellen. Wenn er wollte, könnte er die ganze Welt aus ihrem Raum-Zeit-Gefüge heben.“

Ich zuckte zusammen. „Baphomet sagst du?“

May nickte.

Der Name kam mir bekannt vor, aber ich brauchte einige Momente, ehe mir einfiel, wo ich ihn das erste Mal vernommen hatte: Lucifers Erinnerungen. Sein Vater hatte ihn so genannt. Aber wieso waren Jahrhunderte vergangen? Lucifer lebte nach seinen eigenen Angaben genauso lange wie mein Vater in der Menschenwelt. Irgendetwas stimmte hier nicht, aber mir war nicht klar, was genau hier schief gegangen war. „Kann Cane auch die Zeit verändern? Ich meine, hätte er mich auch in die Zukunft versetzen können oder so?“, fragte ich hastig.

Erneut nickte der Dunkeldämon. „Er kann alles, wie gesagt. Die Zeit ist für ihn nur ein Spielzeug.“

„Und welches Jahr haben wir jetzt?“, fragte ich weiter.

„2009.“, antwortete er.

Das war das ganz normale Jahr, in dem ich auch aus der Menschenwelt verschwunden war, also daran konnte es nicht liegen, dachte ich verwundert. „Würde es auffallen, wenn zwei weitere Menschen in eurer Welt auftauchen?“

„Du meinst deinen Vater und deine Schwester?“ Er zuckte mit den Schultern. „Wahrscheinlich würde es auffallen, die Frage ist nur, ob das auch wirklich bis hier her durchdringt und wo sie überhaupt gelandet sind und ob sie noch leben und all so was. Ich würde mich nicht darauf verlassen, aber es gibt bekanntlich Wege und Mittel so etwas herauszufinden.“

Ich blickte ihn hoffnungsvoll an, aber May machte eine abwertende Handbewegung. „Du solltest nicht zuviel vom Leben erwarten. Ich hab schon genug Zeit mit dir vertrödelt. Komm lieber mit und geh mir zur Hand.“

Ich schluckte schwer, nickte dann aber und folgte ihm aus dem Raum hinaus, hinunter in die Bar.

Chapter 14

May wies mich an, das dreckige Geschirr abzuwaschen und anschließend abzutrocknen, um es dann wieder in die Regale einzuordnen. Er selber wuselte im Raum umher, bediente die Kunden, nahm Bezahlungen entgegen und schmiss diejenigen raus, die ihm oder anderen auf die Nerven gingen. Mir fiel auf, dass er trotz seiner schmalen Figur, die eindeutig nicht kräftig wirkte, von allen ziemlich respektiert wurde. Keiner der Dunklen muckste noch lange rum, wenn May ihm eine Anweisung gab, auch die nicht, die er souverän und mit viel Hohn rausschmiss.

Ich stand oder saß sicher mehr als zwei Stunden hinter der hohen Theke, versteckte mich so gut es ging vor den durchdringenden Blicken der ganzen Dunkeldämonen und wusch ab, was mir May hinstellte. Schließlich saß nur noch eine Gruppe Dämonen von vielleicht einem halben Dutzend an einem der Tische und unterhielt sich gedämpft. May klopfte mir auf die Schulter. „Ich bin zufrieden. Wenn das jeden Tag so reibungslos läuft, dann kannst du gerne hier bleiben.“

Ich trocknete mir die Hände ab und seufzte leise. Mal ganz davon abgesehen, dass ich sicher irgendwann tiefste Depressionen bekommen würde, weil alles so schwarz hier war, hatte ich sicher nicht Lust hier Tag für Tag bis ans Ende meines Lebens zu sitzen und abzuwaschen, ohne jemals Marina und meinen Dad zu finden. Vorsichtig schielte ich zu May hoch, der sich zufrieden in dem kleinen Raum umschaute. Seine violetten Augen blitzten im unwirklichen Licht der Neonröhren und seine eigentlich recht graue Haut hatte einen leichten, rötlich-lilafarbenen Schimmer bekommen.

„Lass das.“, knurrte May leise. Ich senkte erschrocken den Blick. Offensichtlich waren Dämonen um einiges empfindsamer, wenn man sie beobachtete. Ein Mensch hätte es nicht bemerkt, denn May stand seitlich zu mir und schaute zu der Gruppe Dunkeldämonen, sodass er mich eigentlich nicht mal aus den Augenwinkeln sehen konnte. „Ich denke, für heute war es das.“, murmelte er anschließend und blickte zu mir hinunter. „Wir räumen auf und holen neue Güter, dann kannst du machen, was du willst.“ Mit diesen Worten schnappte er sich eine Art Besen und kam hinter der Theke hervor, um den ganzen Dreck auf einen Haufen zu kehren, der sich über den Tag angesammelt hatte.

Ich seufzte erneut. Was erwartete er denn? Das ich hier tatsächlich blieb und ihm half? Das konnte er doch nicht allen Ernstes denken. Mit einer resignierten Bewegung rutschte ich von dem Hocker, nahm mir einen Lappen und wischte die Theke sauber. Wahrscheinlich blieb mir erst mal nichts anderes übrig. Alleine würde ich in dieser Ebene, wie May es nannte, nicht klar kommen, also musste ich wohl oder übel erst mal hier ausharren und möglichst viele Informationen sammeln.

Die fünf Dunkeldämonen hatten aufgehört zu reden, was mir aber erst jetzt auffiel. Alarmiert schaute ich auf, konnte aber nichts Ungewöhnliches entdecken. Die Gruppe saß einfach nur um ihren Tisch herum und wirkte ziemlich müde. May fegte ungerührt seinen Boden.

Ich wischte weiter und wollte gerade nach einem Tuch greifen, um die nasse Theke zu trocknen, als einer der unbekannten Fünf zu sprechen begann, in der unheimlichen Stille sehr gut zu vernehmen.

„Ich habe heute tatsächlich einen Typen in meinem Keller gefunden, der sein Gedächtnis verloren hat. Ich möchte mal wissen, wie der da rein kam.“ Er schüttelte missmutig den Kopf. „Eigentlich kommt an meiner Frau niemand unbemerkt vorbei.“

Sein linker Nachbar schaute ihn erstaunt an. „Ein Typ, der sein Gedächtnis verloren hat? Inwiefern?“

Der andere zuckte mit den Schultern. „Er lag zwischen meinen Weinfässern und war völlig benommen. Ich sprach ihn an, wer er sei und wie er hierher gekommen war, aber er konnte mir keine der Fragen beantworten.“

„Eigenartig.“ Der zweite blickte nachdenklich in sein leeres Glas. „Wie sah er denn aus? Hast du die Vermisstenkarteien mal durchgeschaut?“

„Ja, hab ich gleich als erstes gemacht.“, antwortete der andere.

„Und? Nichts gefunden?“

„Nö, absolut nichts. Ich habe das Gefühl, das mit dem Typen etwas nicht stimmt.“ Er wog nachdenklich seinen Kopf, der eine beunruhigende Ähnlichkeit mit einem Tiger hatte.

„Wie meinst du das?“, erkundigte sich der Zweite.

„Ich habe gehört, dass in letzter Zeit eine der Kara-Banden sich einen Spaß daraus macht, Reisende mit sich zu nehmen und ihnen das Gehirn aus dem Schädel zu schlagen.“

„Und was soll das mit dem Kerl in deinem Keller zu tun haben?“

„Keine Ahnung.“ Der erste zuckte wieder mit den Schultern. „Aber... Ach, ich weiß auch nicht.“ Er verzog zornig die Augenbrauen. „Der Bursche ist noch jung. Und ich habe keine Ahnung, was ich mit ihm anstellen soll.“

„Lass ihn doch deiner Frau zur Hand gehen. Sie hat mit euren vier Söhnen eine Menge zu tun.“

Der erste überlegte und schwieg.

Gebannt hielt ich den Atem an und wartete darauf, dass er weiter sprach, aber die Fünf schienen zu dem Schluss zu kommen, dass sie hier genug herumgesessen hatten. Sie bezahlten wortlos und verließen dann die Bar.

May schloss die Tür hinter ihnen mit einem eigenartigen Chip ab und drehte sich dann zu mir, um mich eingehend zu mustern. Nachdenklich rieb er sich die Nase, seine flauschigen Katzenohren waren aufmerksam in meine Richtung gedreht.

Ich erwiderte seinen Blick ohne Reaktion, bis er plötzlich begann heftig zu husten, die eine Hand auf dem Mund, die andere auf seine Brust gepresst und nach vornüber gebeugt. Entsetzt hastete ich zu ihm und packte mich erst mal der Länge nach hin, da ich nicht an die Stufe gedacht hatte, die in der Mitte des Raumes war. Mit einem erschrockenen Keuchen landete ich schmerzhaft auf dem harten Boden und brauchte einige Augenblicke ehe ich mich aufrappeln und zu May eilen konnte, der mittlerweile auf die Knie gesunken war und kaum noch Luft zu bekommen schien. Hilflos klopfte ich ihm mit der flachen Hand auf den Rücken und schaute mich dann um, ob ich vielleicht irgendetwas entdeckte, dass einem Telefon gleich kam.

Der Dunkeldämon holte rasselnd Luft und schlug sich mit der geballten Faust auf den Brustkorb. Ich bemerkte bestürzt, dass dunkelrotes Blut aus seinem Mundwinkel und das Kinn hinab lief und hatte immer noch nicht den geringsten Schimmer, was ich tun konnte, um ihm zu helfen. Tatenlos musste ich mit ansehen, wie er auf einmal begann Blut hervorzuwürgen und dann, mit einem heftigen Husten, einen kleinen, silbrigen Gegenstand auf den Boden spie.

Keuchend holte er Luft und ich war so unendlich erleichtert, dass er nicht vor meinen Augen erstickt war. Hastig rutschte ich etwas näher und legte einen Arm um seine Schultern, als er gefährlich zu schwanken begann.

„Geht’s wieder?“, fragte ich vorsichtig.

Der Blick seiner fremdartigen Augen flackerte und er lehnte kraftlos seinen Kopf an meine Schulter, wobei eines seiner weichen Katzenohren immer wieder unruhig meine Wange streifte. Es vergingen einige Minuten ehe er die Kraft zu finden schien, um etwas zu sagen.

„Verdammt.“, brachte er hervor. „Jetzt muss ich schon wieder dahin.“ Er seufzte hörbar.

„Wohin?“, hakte ich verwundert nach.

„Zu Sarriu Maron.“ Er löste sich von mir. „Du tust es schon wieder.“, meinte er dann fast trotzig und blickte mich an.

Ich war verwirrt. „Was tue ich schon wieder?“

„Mich so komisch anschauen.“ Er wischte sich mit dem Handrücken über das blutverschmierte Kinn. „Sag doch einfach, wenn du was von mir willst.“ Verständnislos schüttelte er den Kopf und rappelte sich dann hoch.

Ich musste mir ein Grinsen verkneifen. Sicher hatte er den Satz nicht so gemeint, wie ich ihn jetzt am liebsten aufgefasst hätte, und wahrscheinlich ahnte er auch nicht, wie ein Mensch ihn auslegen würde. Vielleicht gab es diese Redewendung „von jemandem etwas wollen“ im Sinne von jemanden attraktiv finden hier nicht. Ich stand ebenfalls auf und sah schweigend zu, wie er sich das Gesicht wusch und anschließend das Blut vom Boden aufwischte und den schmalen, silbernen Gegenstand säuberte.

„Was ist das eigentlich?“, fragte ich, als er das silberfarbene Ding ratlos in seinen Händen drehte.

„Ein Implantat.“, erläuterte er. „Es verhindert, dass sich mein Herz an zu starken Emotionen aufhängt.“ Er stopfte das Ding in die kleine Tasche, die an dem Oberteil an seinem Oberarm angebracht war. „Blöderweise ist mein Herz schwach und wenn ich mich aufrege, weswegen auch immer, dann erhängt es sich, genauso wie einen Computer, den man mit zu schnellen Aktionen lahm legt.“

Der Vergleich war für meinen Geschmack etwas makaber, aber schien es wohl recht treffend zu beschreiben. „Ist der Herzfehler angeboren?“, fragte ich behutsam.

May nickte. „Ich musste allerdings erst dreimal wiederbelebt werden, ehe man erkannte, woran es lag. Und manchmal kommt es vor, dass ich das dumme Ding einfach rauswürge, weil mein Körper es nicht wirklich akzeptiert.“ Er schnaubte. „Ist ja auch zuviel verlangt, gesund sein zu wollen.“ Damit schob er mich Richtung der Tür, die zu dem Kara führte. „Und jetzt lass uns neue Güter holen.“

Das Betreten des Karas schien ungleich einfacher, als das Verlassen. May öffnete einfach die Tür und dahinter lag schon gleich der Gang. Ich folgte ihm schweigend und fragte mich plötzlich, wie die Dämonen sich hier unten eigentlich orientierten. Ich sprach May darauf an.

„Es sind Zeichen an der Wand, Karten und Wegweiser, verschiedene Sachen. Du siehst sie mit deinem menschlichen Auge nicht und andere Wesen können diese auch nicht erkennen, aber ein Dämon schon. Es dient unserem Schutze.“

Ich nickte und wir gingen wieder wortlos hintereinander weiter. Nach genauem Hinsehen fiel mir tatsächlich auf, dass May ab und zu einen Blick auf die Wand warf, wie um sich zu vergewissern, dass wir auch den richtigen Weg wählten und nach zwei, drei Minuten stoppte er so abrupt, dass ich beinahe gegen ihn gerannt wäre.

„Da wären wir.“, meinte er. Wieder sprach er diese seltsamen Worte und diesmal erschien ein leuchtendgrünes Gespinst in der Luft, das ebenfalls mit einem hellen Klirren zersprang, um einer grauen Eisentür platz zu machen. May öffnete sie und wir betraten einen geräumigen Keller, der offensichtlich als Lagerraum diente. Der Dunkeldämon wies mir an, verschiedene Sachen zu tragen und belud sich selber auch noch mit einer Unmenge von Kisten und Säcken. Voll beladen kamen wir wieder in seiner Bar an. Mir taten die Arme furchtbar weh und meine Kräfte schrumpften rapide mit jedem Schritt. Atemlos ließ ich das ganze Zeug zu Boden gleiten und holte erst mal tief Luft.

May sah sich zufrieden um. „Schön, geh nach oben. Ich komme gleich nach.“

Ich atmete noch einmal tief durch, erhob mich dann von der Kiste, auf die ich mich gesetzt hatte und ging dann die Treppe hinauf in das Bad, um mir Hände und Gesicht zu waschen. Der Spiegel war immer noch da und ich betrachtete diesmal eingehend mein Gesicht. Bedächtig tastete ich mit den Fingerspitzen über Wange und Stirn und kam zu dem Schluss, dass, was auch immer Cane getan hatte, er es ziemlich gut getan hatte. Mein Blick wanderte zu dem verhangenen Fenster. May war noch unten und er hatte mir nicht verboten hinauszuschauen, also tapste ich unsicher um die Wanne herum und zog mit zitternden Fingern die Gardine beiseite.

Was ich denn allerdings erblickte, war nicht wirklich spektakulär und ich begann zu begreifen, warum May die Gardine zugezogen hatte. Ich schaute auf eine andere, schmutzig-graue Hauswand, die vielleicht ein Meter oder weniger entfernt errichtet worden war und an der auch so einige Fenster angebracht waren, von denen eines direkt gegenüber dem Badezimmerfenster von May lag. Es schien zu einem Wohnzimmer zu gehören, denn ich entdeckte eine couchähnliche Einrichtung und eine Stehlampe.

Ich presste mir die Nase an der Scheibe platt, um nach unten schauen zu können, was dann schon etwas mehr erschreckend war. Vielleicht vier Meter unter mir war ein brauner Boden, auf dem nachtschwarze Gewächse wucherten, die irgendwie ziemlich krank aussahen. Aus der gegenüberliegenden Hauswand ragte ein Rohr heraus, dass eine dreckige Brühe in den kleinen Zwischenhof leitete, der auf der einen schmalen Seite von einer Hauswand und auf der anderen von einer Mauer begrenzt war.

Plötzlich erschien in dem gegenüberliegenden Fenster ein Dunkeldämon, der ziemlich viel Ähnlichkeit mit einer Perserkatze hatte, mit Ausnahme, dass er aufrecht auf zwei Beinen ging. Ich fuhr erschrocken von der Fensterscheibe zurück und starrte perplex zu dem Dämon, der nicht minder erstaunt mich anblickte. Dann verzog er seine flache Schnauze, sodass seine Zähne zu sehen waren. Ich brauchte einen Moment, ehe ich begriff, dass es ein Lächeln sein sollte. Zaghaft erwiderte ich das Lächeln. Anhand der Kleidung merkte ich, dass es ein weiblicher Dämon war, denn er trug eine Art kurzen Rock und Bluse, unter der zumindest der Ansatz einer Brust zu erkennen war.

„Dorian?“

Im ersten Moment realisierte ich gar nicht, dass May mich damit meinte, aber dann fuhr ich hastig herum und blickte ihn schuldbewusst an. Ich hatte gar nicht gehört, wie er hereingekommen war.

„Soll ich sie dir vorstellen?“, meinte er mit einem amüsierten Grinsen und ich erkannte, dass er offensichtlich dachte, ich hätte Interesse an der Dämonin, was zweifelsohne daher rührte, dass er nicht wusste, dass mein Denken immer noch weiblich war.

Ich schüttelte heftig den Kopf.

„Dann nicht.“ Er zuckte mit den Schultern. „Sie müsste dein Alter sein.“

Ich schüttelte wieder den Kopf.

May zog eine Augenbraue hoch, sagte darauf aber nichts mehr, sondern machte die Gardine wieder zu, nachdem er seiner Nachbarin kurz zugenickt hatte, und bedeutete mir dann, ihm zu folgen. Er führte mich zurück in den Wohnraum und machte eine Geste in Richtung Sofa, auf dem jetzt ein Kissen und eine Decke lagen, natürlich rabenschwarz.

„Leg dich dahin, wenn du schlafen willst. Ansonsten werde ich noch etwas zu essen machen.“, meinte er.

Ich merkte meinen Magen plötzlich mehr denn je und dieser gab sogleich ein grummelndes Geräusch von sich. „Ich glaube, ich will auch noch etwas essen.“, sagte ich.

May grinste spöttisch. „Setz dich.“

Ich kam seiner Aufforderung nach und setzte mich rein aus Gewohnheit mit überschlagenen Beinen an den Tisch. Ich musste mir eingestehen, dass die Dämonen eine sehr menschliche Einrichtung besaßen, auch wenn sie vom Aussehen und ihren Traditionen her eher weniger menschliche Eigenschaften an sich hatten. „Weißt du, worüber die beiden Dämonen sich vorhin unterhalten haben?“, fragte ich unvermittelt.

„Was meinst du?“

„Der eine hat doch erzählt, dass ein ‚Typ’ in seinem Keller aufgetaucht ist.“, erklärte ich und betrachtete Mays Rücken.

„Ach, das meinst du. Ich habe keine Ahnung, wovon er gesprochen hat.“ May zuckte mit den Schultern.

„Könnten sie von meinem Vater gesprochen haben?“, hakte ich hoffnungsvoll nach.

„Ich denke eher nicht. Sie würden einen Menschen nicht als ‚Typen’ bezeichnen.“

Mir fiel auf, dass May nicht »wir« sagte, als er von den Dämonen sprach. „Was bist du eigentlich, May?“, erkundigte ich mich.

May drehte sich um und zog eine Augenbraue hoch. „Warum fragst du?“

„Na ja, bist du wirklich ein Dämon?“ Ich sah ihn prüfend an.

„Was soll ich denn sonst sein?“ Er wandte sich wieder dem Essen zu, das er in einem durchsichtigen Gefäß auf einer bläulich schimmernden Platte offensichtlich erhitzte.

„Keine Ahnung. Deshalb frage ich doch.“, antwortete ich wahrheitsgemäß.

„Ich bin ein Dämon, nicht mehr und nicht weniger. Auch wenn wir nur so heißen, weil ihr Menschen uns so betitelt habt.“, erwiderte er.

„Wie nennt ihr euch denn selber?“

„Die Bezeichnung ist schon lange verschollen.“ May zuckte erneut mit den Schultern. „Jetzt hör auf, mich zu löchern, sonst bekommst du nichts zu Essen.“

Das hatte gesessen.



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Kommentare zu dieser Fanfic (17)
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Von:  Angie_Cortez
2009-12-12T10:47:42+00:00 12.12.2009 11:47
Jetzt hast du mich ja ganz kalt erwischt. Ich habe keine Ahnung mehr wo ich war. XD Hab eben mal das Kapitel angelesen, aber bin nicht schlauer geworden. Im "schlimmsten" Fall muss ich von vorn anfangen. ^^

hdl
Von: abgemeldet
2006-11-29T12:52:53+00:00 29.11.2006 13:52
Also, man merkt eindeutig das dein stil, von kapitel zu kapitel immer immer tollerer wird :D

*gg*
du arbeitest di verschiedenen charakter auch gaanz toll heraus :D

ich hab auch ne nue fanfic, vllt hassu ja mal lust sie zu lesen :D
http://animexx.onlinewelten.com/fanfic/?doc_modus=startseite&ff=129187

bussooo
Von: abgemeldet
2006-11-29T12:49:13+00:00 29.11.2006 13:49
Huiiiii
und dann hab ich dich und paps im wohnzimmer gesehen XDDDD
raahhhhaaahaha tolles und aufschlussreiches kapitel :D
Von: abgemeldet
2006-04-10T21:19:02+00:00 10.04.2006 23:19
wow...*staun*
lucifer...ein dämon..?
also, sowas in der art hab ich mir shcon fast gedacht*g*
aber,...puh

mir fehlen die worte..*g*
nur nocheins: der arme tisch XD
in dem steckt einfach so ne gabel hihi^^

*großes KNUFF+
Das dein doppi
Von: abgemeldet
2005-11-02T09:37:30+00:00 02.11.2005 10:37
XD
Dankeschöööööön *knuddl*
Haaaaa ich habs doch gewust er is doch schwul...^^
oder halt bi wenn er mit elena schläft^^

total geile story echt...
du schreibst ei kapiel total horrormäßig und dann kommt wieder ein heißer....herm..ja^^
so wird es einem nie langweilig und man MUSS einfach weiterlesen.
also schau das du schnell weiterschreibst XD!!!!!
knuddlz dein Doppilein
Von: abgemeldet
2005-11-02T09:25:56+00:00 02.11.2005 10:25
...seit ein paar kapitel qäult mich die frage...is lucifer...schwul...?
aber er hat doch...also...bi ^^
das wird sich doch noch rausstellen oder ???!!!
boa die story macht süchtig!!!
*weiter...lesen...mu..ssssss*
XD
dein Doppi
Von: abgemeldet
2005-11-02T09:17:46+00:00 02.11.2005 10:17
o.O
also das hät ich wirklich nicht gedacht^^
passt aber irgendwie^^
du hast einen super stil der das ganze richig düster und doch naja leicht höhö erotisch macht^.^
lucifer wird immer fasettenreicher,...das gefällt mir...
hehe ich freu mich schon aufs nächste kapitel....
Von: abgemeldet
2005-11-02T09:06:04+00:00 02.11.2005 10:06
was isses?
waaahhhhh *angsthab*^^
das war jetzt echt überraschend....wow super kapitel!
Von: abgemeldet
2005-11-02T08:57:46+00:00 02.11.2005 09:57
ha!
Jetzt bin ich endlich zum lesen gekommen!^^
Ich muss schon sagen :
Das ist total super das kapitel!!!!!
vorallem die beschreibung von lucifer...*rrrrrrrr*
ich muss schon sagen...ich glaub zu dem würd ich auch nicht nein sagen höhö^^
bussi DoppI
Von: abgemeldet
2005-10-15T12:58:36+00:00 15.10.2005 14:58
Ach Mensch wie kannst du mir das nur antun, ich will weiter lesen und das geht einfach nicht...*heul*
Naja da muss ich mich wohl weiter gedulden...

Ich finde es wird immer besser, und aufregender. Ich kann immer wieder nur staunen wie gut du schreiben kannst und diese kreativität. Einfach klasse.
Achja ab und zu hast du bei ein paar Worten immer unddavor und dahinter gemacht, das verwirrt ein wenig... *g*
Aber sonst wie immer super geschrieben, und ich warte Sehnsüchtigs auf die die nächsten kapitel.
*umknuddel* deine maronlein


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