Zum Inhalt der Seite

Reinkarnation

Die Frau die Sesshoumaru liebte ist zurück
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Neu in der Stadt

Erschrocken setzte ich mich im Bett auf. Woher kam dieses ständige Piepen? Misstrauisch blickte ich mich im Zimmer um. Durch die zugezogenen Vorhänge drang das Licht einer Straßenlaterne, doch ein anderes Leuchten zog meine Aufmerksamkeit auf sich. In dem ansonsten dunklen Zimmer blinkte passend zu jedem Ton mein neuer Wecker. Knurrend griff ich nach dem Gerät. Wer hatte das bloß erfunden? Dagegen war ein feuchter Waschlappen im Gesicht, wie mich mein Großvater zu wecken pflegte wenn ich zulange schlief, richtig harmlos. Zu meinem Glück fand ich schnell die richtige Taste um den Wecker verstummen zu lassen. Seufzend stand ich auf, denn mich zu beschweren brachte mich in dieser Situation nicht weiter.

Nach einer erfrischenden Dusche fühlte ich mich endlich wach und ging in die Küche. Die meisten Dinge waren noch immer in den Umzugskisten mit denen ich gestern erst in meine neue Wohnung eingezogen war. Besteck und eine Schale hatte ich mir am Vorabend zu Recht gelegt, mein Frühstück war also gerettet.

Als es Zeit wurde sich auf den Schulweg zu machen, zog mir einen schlichten Rock und ein dazu passendes Sweatshirt an. Meine Schuluniform würde ich nachher kaufen müssen. Ich griff nach meiner Schultasche in der sich ein Block, mein Mäppchen und mein Mittagessen befanden und verließ die Wohnung. Auf der Straße sah ich mich aufmerksam um. Besonders schön war die Gegend nicht, die Häuser am Straßenrand sahen eines aus wie das andere. Jedes war zweistöckig. Zu den Wohnungen im Erdgeschoss gehörte der kleine grüne Fleck mit Rasen, den die Bewohner als Garten betrachteten. Die Wohnungen im Obergeschoss hingegen, wo ich auch wohnte, hatten einen kleinen Balkon. Zwischen den Häusern gab es hier und da ein paar Bäume, immerhin.

Mein Blick folgte der Straße stadtauswärts. Dort wo die Hausreihen aufhörten standen mehr Bäume. Sie säumten eine Treppe mit vielen Stufen die, wie ich wusste, zu einem Schrein hinauf führten. Sobald mein Großvater zu Besuch kommen würde, könnte ich mit ihm den Schrein besichtigen gehen. Er war selbst Schrein-Wächter, allerdings lag unser Schrein weit abseits der Stadt. Deswegen hatte er mich bisher dort privat unterrichtet. Nun ging ich zum ersten Mal auf eine richtige Schule. In wenigen Tagen war mein 18ter Geburtstag und daher war ich nun alt genug alleine in die Stadt zu ziehen. Großvater fand es wichtig, dass ich einen anerkannten Schulabschluss machte. Ich für meinen Teil hatte große Zweifel daran, ob ich den Abschluss mit meinem Wissen überhaupt schaffen würde. Ich hatte zwar vor wenigen Wochen den Test zur Einschreibung an der Schule geschafft, aber da wurden auch ganz einfache Dinge abgefragt. Der Unterricht in der Abschlussklasse, in die ich nun kommen würde, könnte keinesfalls so leicht werden.

Meinen Blick in die andere Richtung, stadteinwärts wendend, versuchte ich mich an die Wegbeschreibung zur Schule zu erinnern. Ich hatte sie mir auf einer Karte eingezeichnet, aber die lag oben auf meinem Schreibtisch. Ich hätte sie schnell holen können, aber ich wollte auf keinen Fall gesehen werden wie ich mit einem Stadtplan durch die Gassen ging. Was für ein Gesprächsthema würde ich damit für die Leute, vor allem meine neuen Mitschüler, abgeben. Ich fürchtete auch so dass ich eine Weile im Mittelpunkt zu stehen hätte. So ging es wohl allen neuen Schülern die neu in eine geschlossene Klassengemeinschaft hinzukommen.

Ich musste in Richtung der Innenstadt gehen, soviel war mir klar. Aber das sich gleich vorne an der Straße der Weg gabelte, war mir nicht mehr bewusst. Sollte ich links oder rechts lang gehen? Machte das überhaupt einen Unterschied, oder kam ich vielleicht später sowieso wieder auf denselben Weg? Bisher hatte ich an meinem Orientierungssinn nie Zweifel gehabt, allerdings wurde mir nun schmerzlich bewusst, dass sich das nur auf die Orientierung in der freien Natur anwenden ließ. Jeder Baum sah etwas anders aus, hatte die Äste anders gen Himmel gestreckt, aber hier in der fremden Umgebung mit den eintönigen Häusern war ich ratlos.

Ein Mädchen kam nun die Stufen vom Schrein hinunter gelaufen. Sie trug eine grüne Schuluniform und war schätzungsweise in meinem Alter. Während ich noch überlegte ob ich sie ansprechen sollte, blieb sie bereits vor mir stehen und lächelte mich freundlich an.

„Hallo, kann ich dir vielleicht helfen? Oder wartest du nur auf jemanden?“, fragte sie. Ich musste wohl ebenso hilflos auf sie gewirkt haben wie ich mich im Moment fühlte.

„Nein, ich warte auf niemanden… Ich bin neu hier und bin mir nicht ganz sicher welcher Weg wohl der kürzeste zu meiner neuen Schule ist.“ Das war zwar nicht die ganze Wahrheit, aber immerhin auch nicht gelogen. Vielleicht würde sie mich aber so nicht direkt für unfähig halten. Aber wer war dieses Mädchen? Wohnte sie dort oben im Schrein? War sie immer so offen fremden Personen gegenüber?

„Oh, das ist kein Problem. Ich helfe dir gerne. Kommst du auf die Oshienoniwa? Die liegt dieser Wohngegend am nächsten.“ Ich nickte und wollte gerade Ja sagen, als das Mädchen schon weiter sprach. „Super, auf die Schule gehe ich auch. Dann können wir einfach zusammen hingehen, einverstanden?“

Ein wenig überrumpelt fühlte ich mich zwar, aber ich nickte erneut. „Gerne. Vielen Dank.“, fügte ich der Höflichkeit halber hinzu.

„Mein Name ist Kagome Higurashi.“, stellte sie sich mir dann vor und hielt mir ihre Hand hin. Ich griff danach und schüttelte sie.

„Freut mich. Ich bin Saju Tachikawa.“

Nebeneinander machten wir uns also auf den Weg zur Schule. Bei der ersten Abzweigung links, bei der Parkbank unter dem großen Baum rechts, dann den Spielplatz überqueren. Ich versuchte mir den Weg genau einzuprägen, schließlich wollte ich den Rückweg alleine finden können und ab morgen auch in der Lage sein den Hinweg alleine zu gehen. Der Weg war allerdings ziemlich verworren bis wir endlich in der Innenstadt ankamen. Dort rümpfte ich unwillkürlich die Nase. So viele Autos. Ich blickte die Straße entlang, vierspurig und voll. Zu beiden Seiten waren die verschiedensten Läden und Restaurants dicht an dicht und auf den Bürgersteigen drängelten die Leute, die es eilig hatten wohin auch immer zu kommen, wahrscheinlich zur Arbeit. Wie sollte ich mich jemals daran gewöhnen können? Zum Glück hatte ich bereits den kleinen Supermarkt gefunden der nur zwei Straßen von meiner Wohnung entfernt war. Wenn ich für jeden Einkauf in die Innenstadt gehen müsste, würde ich wohlmöglich doch lieber verhungern.

„Wohnst du in dem Schrein von wo du heute Morgen gekommen bist?“

„Ja, genau. Meine Familie wohnt dort bereits seit was-weiß-ich wie vielen Generationen. Ich bin sicher mein Großvater wüsste es genau, er ist dort Schrein-Wächter… Aber wenn wir ihn fragen würden, kämen wir die nächsten Tage nicht zur Schule bis er mit seinen Geschichten fertig ist.“, antwortet Kagome lachend.

Ich musste schmunzeln. So wie sie das sagte schienen sich unsere Großväter nur allzu ähnlich zu sein. Wenn meiner einmal angefangen hat eine Geschichte zu erzählen, dann dauert es auch seine Weile bis die Geschichte zu Ende war.

„Was ist mit dir? Bist du mit deiner Familie neu in die Stadt gezogen?“

„Nein, ich wohne jetzt alleine. Ich habe bei meinem Großvater gelebt, weit außerhalb der Stadt. Allerdings gab es dort keine Schule und nun soll ich hier einen Abschluss machen. Mein Großvater ist allerdings in unserem Schrein geblieben.“

Den restlichen Weg versuchte ich von Kagome etwas über die Schule und die Lehrer zu erfahren, wie ein durchschnittlicher Schultag abläuft und alles was mir sonst noch einfiel über das ich noch nichts wusste. Dann kamen wir bei der Schule an. An dem riesigen Gebäude hing hoch oben eine große Uhr. Die Zeiger standen fast auf 8 Uhr.

„Wir kommen zu spät zum Unterricht!“, rief ich erschrocken. Super, und das schon an meinem ersten Tag.

Kagome lächelte mir zu. „Keine Sorge. Du musst sowieso erst noch ins Sekretariat und deinen Stundenplan holen. Und wahrscheinlich auch eine Schuluniform bestellen. Neue Schüler kommen daher immer erst einige Minuten nach Stundenbeginn.“

„Oh, gut.“ Erleichtert atmete ich auf und betrat mit Kagome das Schulgelände. Dann fiel mir etwas anderes auf. „Aber was ist mit dir? Du kommst doch jetzt auch zu spät.“

Meine Begleitung wurde ein wenig rot im Gesicht. „Ach, das macht nichts. Der Lehrer wird wohl dafür Verständnis haben wenn ich dir helfe dein Klassenzimmer zu finden und so.“

Die Sekretärin war eine sehr freundliche und auch rundliche Frau. Sie wusste natürlich dass ich kommen würde und hatte meinen Stundenplan bereits ausgedruckt, zusammen mit ein paar anderen üblichen Unterlagen.

Kagome warf einen kurzen Blick darauf und rief dann erfreut aus, „Cool, du kommst in meine Klasse dazu.“

Zusätzlich hatte ich das Glück, dass eine Schuluniform in meiner Konfektionsgröße vorrätig war. Andere Schüler hätten sich vielleicht gefreut wenn sie offiziell normale Kleidung in der Schule hätten tragen dürfen, doch ich war froh mich sofort umziehen zu können. So würde ich zumindest nicht noch mehr auffallen als es das Los als neue Schülerin sowieso mit sich brachte.

Ich folgte Kagome zu unserem Klassenraum im ersten Stock. Hinter ihr trat ich ein und schloss die Türe wieder. Ich biss die Zähne zusammen damit sie nicht auf die Idee kommen könnten zu klappern. Bloß nichts anmerken lassen. Ich setze ein freundliches Lächeln auf und ging auf den Lehrer zu, der mich sogleich begrüßte. Dann musste ich mich der Klasse vorstellen. Während ich also meinen Namen nannte, sagte das ich neu in der Stadt wäre und mich auf ein schönes Schuljahr zusammen mit ihnen freuen würde, versuchte ich nicht zu genau in ihre Gesichter zu sehen. Die neugierigen und bohrenden Blicke hätten mich wohlmöglich dazu veranlasst entweder aus dem Klassenzimmer zu rennen, oder meinerseits die Schüler grimmig anzustarren. Beides war im Moment aber keine für mich akzeptable Reaktion.

Der Tisch hinter Kagome war noch frei, so dass ich in der vorletzten Sitzreihe einen Platz bekam. Das hielt die meisten Schüler davon ab mich während des Unterrichts zu beobachten und so konnte ich ungestört dem Lehrer zuhören. Ich fragte mich ob er wohl mir zuliebe nochmal ein altes Thema wiederholen würde, denn was er uns beizubringen versuchte war mir schon lange bekannt. Ich antwortete also auf seine Fragen, denn dann würde er schon merken, dass er wegen mir nicht ganz so weit zurückgehen müsste mit dem Unterrichtsstoff. Auf meine Antwort hin, die der Lehrer begeistert als vollkommen richtig kommentierte, konnte ich allerdings förmlich die Fragezeichen aus einigen Köpfen meiner Mitschüler aufsteigen sehen. War das Thema wohl doch nicht schon längst abgehandelt sondern aktuell? Und war dann vielleicht der Einschreibungstest auch nicht leicht gewesen sondern genauso wie er für die Abschlussklasse sein sollte?

In der Mittagspause setze ich mich mit Kagome auf den Schulhof. Gemeinsam aßen wir unsere mitgebrachten Lunchboxen leer.

„Du bist in den Stunden heute Vormittag sehr gut mitgekommen, oder? Vielleicht sollte ich dich bei Gelegenheit um Nachhilfe bitten.“, schlug Kagome lächelnd vor. Ich hatte allerdings den Eindruck, dass sie es tatsächlich ernst meinte.

„Es scheint so als ob der Einzelunterricht von meinem Großvater doch recht lehrreich war.“ Das Lob von ihr war mir ein wenig peinlich. So gut konnte ich doch nicht sein.

Ich packte meine nun leere Box wieder weg und zog das Armband heraus an dem ich gerade arbeitete. Armbänder mit verschiedenen Mustern zu knüpfen gehörte zu meinen Freizeitbeschäftigungen. Im Gegensatz zu anderen Hobbys ließen sich die paar benötigten Fäden auch leicht irgendwo hin mitnehmen.

Schwerter und andere Mysterien

Am nächsten Morgen erwachte ich kurz bevor mein Wecker sich einschaltete. Triumphierend hielt ich ihn für heute davon ab zu klingeln und stand freiwillig auf.

Ich richtete mich für die Schule her und packte meine Bücher und Sportkleidung für heute ein. Auf dem Stundenplan stand für heute Vormittag eine Doppelstunde Sport. Ich verließ die Wohnung. Draußen sah ich mich kurz um, konnte Kagome allerdings nicht entdecken. Da ich aber auch nicht zu spät kommen wollte und mit ihr nicht vereinbart hatte zu warten, machte ich mich alleine auf den Weg. Mein Orientierungssinn ließ mich zu meinem Glück nicht im Stich. Zumindest nicht auf der ersten Teilstrecke. Kurz bevor ich die Innenstadt erreichte, hörte ich jemanden meinen Namen rufen. Ich drehte mich um und sah Kagome hinter mir her laufen.

„Guten Morgen. Du warst wohl etwas spät dran?“, fragte ich leicht grinsend.

„Ja, guten Morgen. Ich hab noch bei dir geklingelt um sicher zu gehen, dass du nicht noch später bist als ich. Aber du warst schon weg und dann habe ich versucht dich einzuholen.“, erklärte sie, mit einigen Verschnaufpausen zwischendurch.

„Ich war mir nicht sicher ob ich auf dich warten sollte. Wir hatten gestern nicht daran gedacht etwas zu vereinbaren und ich war mir aber auch nicht sicher ob du nicht heute vielleicht schon vor mir los gegangen warst.“, rechtfertigte ich mein Handeln. Ein wenig unsicher blickte ich sie an. Ich wollte keinesfalls das sie das Gefühl bekäme ich wäre ihr nicht dankbar oder würde sie meiden.

„Kein Problem. Es ist wohl auch besser wenn du nicht auf mich wartest. Ich bin nämlich zu meiner Schande entweder spät dran, oder auch öfter mal krank und kann dann gar nicht zur Schule kommen.“ Kagome sah aus als würde sie das ernst meinen. Sie hatte also keinen Grund schlechter von mir zu denken. Aber bildete ich mir das nur ein oder hatte sie das Wort krank etwas hinausgezögert? Vielleicht lag das aber auch nur daran, dass es ihr unangenehm war über ihre Gesundheit zu reden.
 

Der Sportlehrer kündigte zuerst das bevorstehende Schul-Sportfest an, welches in zwei Tagen stattfinden würde. Dort würde jeder aus der Oberstufe mit einer von drei Sportarten am jeweiligen Wettstreit teilnehmen müssen. Zur Wahl standen Bogenschießen, Judo und Schwertkampf. Zur Vorbereitung konnten wir nun in der Sportstunde alles ausprobieren. Kagome wollte unbedingt Bogenschießen machen, also folgte ich ihr und probierte diesen Sport zuerst aus. Meine anfängliche Motivation etwas Neues auszuprobieren ließ leider für diesen Sport schnell nach. Wie es gezeigt wurde, nahm ich einen Übungspfeil zwischen die Finger der rechten Hand, hielt den Bogen in der linken und spannte die Bogensehne. Immer wieder rutschte mir dabei der Pfeil von der linken Hand, auf der er aufliegen sollte, hinunter. Als ich endlich den Bogen erfolgreich gespannt hatte und auch der Pfeil noch oben auf lag, ließ ich erfreut das Pfeilende mitsamt der Bogensehne los. Kurz bevor der Pfeil einige Meter von mir entfernt dumpf auf dem Boden aufschlug, schnellte mir die Bogensehne gegen den linken Unterarm und hinterließ einen schmerzhaft pochenden roten Striemen. Grummelnd rieb ich mir die Stelle mit der freien Hand und sah gerade noch Kagomes wer weiß wievielten Pfeil zielsicher auf die Mitte der Zielscheibe aufschlagen. Woher konnte sie bloß so gut schießen? Davon hatte sie noch gar nichts erzählt.

Da Kagome offenbar ihre favorisierte Sportart gefunden hatte, ging ich alleine zu den Judomatten. Ein Mitglied des Judo Clubs erklärte mir die Regeln und übte dann mit mir. In der Grundstellung standen wir uns gegenüber, dann ging es los. Ein kurzer Überraschender Ruck brachte mich aus dem Gleichgewicht während ich über meine Angriffsmöglichkeiten nachdachte. Ich stolperte einen Schritt auf meinen Trainingspartner zu und das nächste was ich sah, war die Decke der Turnhalle. Ich bewegte eine Hand zu meinem schmerzenden Rücken auf dem ich unsanft gelandet war, dann beugte sich mein Gegner schon über mich und hatte seine Hände an meinem Kragen, direkt neben meinem Gesicht. Ich drehte den Kopf, bereit sofort nach dem Arm zu beißen der mich hielt, da erinnerte ich mich an eine der Regeln. Beißen verboten. Mist. So hob ich meine Hände zu den Armen an. Es musste doch eine Möglichkeit geben seine Hände von meinem Kragen zu lösen. Und warum zum Teufel musste mir der Kerl dabei eigentlich so nah sein? Angestrengt atmete ich. War das Einbildung oder warum sah ich die Umgebung so fleckig? Langsam fiel mir die Erklärung ein: Blutmangel. Knurrend verstärkte ich meinen Druck auf die fremden Arme. Ich konnte mich doch nicht so einfach geschlagen geben. Als ich erneut nach Luft schnappte fiel meine eine Hand zur Seite und klatschte laut bei dem Aufprall auf der Matte. Sofort ließ mein Gegner mich los und half mir beim Aufstehen. Abklopfen hieß, dass man aufgegeben hatte. Scheinbar war mein Körper zuweilen vernünftiger als mein Verstand.

Nach einigen Minuten die ich nun auf der Bank gesessen hatte bis ich wieder normal sehen konnte und das Schwindelgefühl verschwunden war, ging ich zum Schwertkampf, den der Lehrer persönlich anleitete. Hoffentlich würde ich mich dabei nicht auch so sehr blamieren.

Gekämpft wurde mit Bokken, Holzschwertern. Der Lehrer zeigte uns einige Grundschläge zum Angriff und zur Verteidigung die zuerst ohne Gegner geübt wurden. Dann stellten sich die Trainingspartner jeweils gegenüber auf und einer musste angreifen, der andere verteidigen. Zuerst zählte der Lehrer mit, damit jeder Schlag gleichzeitig ausgeführt wurde und wir uns in dem ansonsten wohlmöglich entstehenden Chaos nicht verletzen würden. Danach ließ er uns frei üben. Mein Gegner schien Schwierigkeiten damit zu haben sich die Schlagabfolgen zu merken und so hatte ich wenigstens bei diesem Sport ein Erfolgserlebnis für heute.

Am Ende der Sportstunde trug ich mich natürlich für den Schwertkampf ein und Kagome wie zu erwarten für das Bogenschießen. Dann gingen wir gemeinsam in die Mittagspause. Als ich meine vorbereitete Lunchbox leer gegessen hatte, zog ich wieder das Armband vom Vortag hervor. Es war noch nicht ganz fertig, also arbeitete ich weiter daran.

„Woher kannst du eigentlich so gut Bogenschießen?“, versuchte ich nun von Kagome zu erfahren.

„Oh, ich hab das schon ein paar Mal ausprobiert und es machte mir ziemlichen Spaß. Wie machst du das mit den Armbändern, das sieht sehr schön aus.“

Ein paar Mal probiert? Danach sah das eigentlich nicht aus. Hatte sie etwas zu verbergen? Kaum vorstellbar. Kagome war so freundlich und offen. Aber vielleicht traf das doch nicht auf alles zu. Ich nahm mir vor dieses Geheimnis irgendwann zu lüften, aber nicht jetzt. Stattdessen zeigte ich ihr die notwendigen Arbeitsschritte um auf diese Weise Armbänder zu knüpfen.

„Wow, das ist nicht so schwer wie ich es mir vorgestellt hatte. Aber der Anfang ist wahrscheinlich auch am schwierigsten, oder?“, fragte Kagome.

„Ja, der Anfang ist das schwerste daran. Sobald die ersten zwei Reihen an Knoten sitzen geht es recht einfach weiter. Wichtig ist dann noch, dass man überall gleich stark zieht um ein regelmäßiges Muster zu bekommen.“

Das Armband wurde noch währen der Pause fertig. Dann schenkte ich es Kagome. Begeistert hielt sie mir ihren Arm hin und ich band es um ihr Gelenk.

„Vielen Dank, Saju! Das Armband werde ich bestimmt nicht mehr ablegen.“, versprach sie.
 

Nach der Schule machten wir uns gemeinsam auf den Heimweg.

„Meine Mutter möchte dich übrigens gerne heute Abend bei uns zum Essen einladen. Wenn du möchtest kannst du also gleich zu mir kommen. Wir könnten auch zusammen die Mathe Hausaufgaben machen.“, schlug Kagome fröhlich grinsend vor. Sie erhoffte sich, nach der Mathe Stunde von eben bei der sie daran verzweifelt war eine Aufgabe an der Tafel vor zu rechnen, wohl etwas Nachhilfe.

Ich lächelte. „Es wäre mir eine Freude mit deiner Familie zusammen zu Abend zu essen. Und die Hausaufgaben mit dir zusammen zu machen ist auch schöner als sich alleine daran zu setzen.“

Wir stiegen die vielen Stufen zum Tempel hinauf. Bei 12 hörte ich allerdings auf zu zählen. Ein riesiger Baum in der Mitte des Hofes zog seine Aufmerksamkeit auf mich. Er erinnerte mich an den Baum in unserem Tempel, war allerdings etwas dünner und ein buntes Band hing an seinem Stamm.

Wie in Trance ging ich auf den Baum zu und bliebt einige Schritte davor stehen, den Blick auf die Wurzeln gerichtet. Ich spürte noch wie mein linkes Ohr zuckte, bevor ich das Gefühl für meinen Körper verlor. Ich lauschte einer bekannten Melodie die im Wind mitschwang. Vor meinen Augen stand unser Baum, an dessen Wurzeln saß jemand. Der unbekannte Mann trug einen weißen Kimono, hatte lange weiße Haare und ein seltsames weißes Fell das über seine rechte Schulter hing. Er trug eine Rüstung die allerdings schwer beschädigt war. Sein linker Ärmel war vollkommen von Blut durchtränkt das sein eigenes zu sein schien. Der linke Arm fehlte ganz. Die Augen hatte der Mann geschlossen. In seinem Gesicht hatte er eine blaue abnehmende Mondsichel auf der Stirn und auf beiden Wangen hatte er zwei rote Streifen. Das allein war bereits alles sehr ungewöhnlich, doch dann fielen mir seine spitzen Ohren auf. Das war doch kein Mensch! Mein laut pochendes Herz brachte mir mein Körpergefühl zurück.

Verwirrt machte ich einen Schritt zurück und schüttelte den Kopf, wobei die Musik aus meinen Ohren verschwand und ich die Realität wieder wahrnahm. Ich sah mich nach Kagome um. Diese starrte mich kurz beunruhigt an, bevor sie fragte, „Was hast du denn Saju? Du siehst aus als hättest du einen Geist oder sowas gesehen. Wobei mich das hier im Tempel kaum wundern würde.“ Mit dem letzten Satz kam das Lächeln zurück das ich von ihr gewohnt war.

„Ich…“, brachte ich stammelnd hervor, dann schüttelte ich erneut den Kopf. Ich konnte ihr doch nicht von so einem Schwachsinn erzählen. „Ach, vergiss es. Das Gespenst ist wieder verschwunden.“, meinte ich scherzhaft und ging damit auf ihren Witz ein.

Kurz sah ich wie Kagome mich skeptisch beäugte, doch dann gingen wir fröhlich den Vorfall ignorierend nach drinnen. Wir stellten unsere Schultaschen ab und bevor wir mit den Hausaufgaben begonnen, zeigte mir Kagome den Tempel. Neben einem kleinen überdachten Teil des Tempels, zu dem Kagome nichts sagte, blieb ich stehen. Wieder diese Melodie. Ich hatte das seltsame Gefühl, dass sie von dort drinnen kam.

„Was ist dort?“, fragte ich Kagome, die gerade stehen geblieben war und sich zu mir umdrehte.

„Nur ein alter Brunnen. Er ist schon sehr lange versiegt.“

Ich runzelte ein wenig die Stirn. Das half mir als Erklärung nicht weiter. „Gibt es zu dem auch eine Legende?“, fragte ich grinsend um meine entstandene Neugierde zu überspielen.

Kagome zögerte kurz bevor sie antwortete, „Angeblich verbindet der Brunnen unsere Zeit mit dem Mittelalter. Das sagt mein Großvater zumindest.“ Sie lachte, aber es klang ein wenig gezwungen. Wieder etwas dem ich bei Gelegenheit unbedingt auf den Grund gehen musste. Aber vielleicht hing es mit Kagomes unglaublichem Talent im Bogenschießen und den anderen Dingen zusammen die mich irritiert hatten?
 

Am nächsten Morgen begegnete ich Kagome erst in der Schule. Gerade als es zum Stundenbeginn klingelte schloss sie die Türe des Klassenzimmers hinter sich und setzte sich. Lächelnd stellte ich fest, dass sie noch wie versprochen das Armband trug.

In der Mittagspause erklärte sie mir ihre beinahe Verspätung. „Ich war eigentlich mal nicht zu spät dran, aber dann fiel mir ein, dass ich die Hausaufgaben, die wir gestern zusammen gemacht hatten, auf meinem Schreibtisch vergessen hab. Da musste ich natürlich nochmal zurück laufen.“

Der Schultag verlief ansonsten sehr ruhig. Erfreut konnte ich auch feststellen, dass die ganze Schule ein viel interessanteres Thema gefunden hatte als die neue Schülerin: Das morgige Schulfest. Ich stand dem Ganzen mit gemischten Gefühlen gegenüber. Zum einen hatte ich so eine sehr abwechslungsreiche erste Schulwoche und freute mich etwas Neues ausprobieren zu können. Zum andern hatte ich allerdings auch Angst mich in dem Wettkampf vielleicht doch zu blamieren. Am Nachmittag hatten wir wieder Sport und der Lehrer gab allen die Möglichkeit unter seiner Aufsicht und der Anleitung langjähriger Clubmitglieder noch mehr zu lernen und zu üben.
 

Am Abend war ich so nervös, dass ich das Gefühl hatte nicht ordentlich schlafen zu können. Ich machte mir vorher also noch einen extra lang gezogenen Tee, der hoffentlich wie mein Großvater es mir erklärt hatte, beruhigend auf mich wirken würde. Mit dem heißen Getränk im Magen fühlte ich mich zuerst eigentlich noch schlechter, doch als ich mich nach dem Zähneputzen hinlegte ging es mir besser und ich schlief schnell ein.

Ich weiß nicht was mein Geist damit verarbeiten wollte, doch ich hatte einen sehr seltsamen Traum. Zuerst war ich in der Schule, alleine in der Turnhalle, ein echtes Katana in der Hand. Es sah rostig aus und sehr alt, doch trainierte ich damit ungestört und ging die gelernten Schläge noch einmal durch. Als ich das Schwert zurück in die Schwertscheide schob verschwand plötzlich meine Umgebung. Statt der Turnhalle stand ich im Wald auf einer kleinen Lichtung. Vor mir stand die Gestalt im weißen Kimono die ich schon am Vortag im Higurashi-Schrein gesehen hatte. Er war gut einen Kopf größer als ich, vielleicht auch fast zwei. Seine goldenen Augen waren direkt auf mich gerichtet. Sein Gesichtsausdruck war für mich vollkommen undefinierbar. Einige Momente herrschte Stille während ich ihm das Schwert am ausgestreckten Arm entgegen hielt.
 

Für das Sportfest zog ich einen traditionellen Kimono an, wie er bei Samurai üblich war. Da es recht warm war, band ich mir bereits zu Hause die Ärmel hoch, damit sie mich beim Schwertkampf nicht behindern würden. Für heute war ich mit Kagome verabredet und so gingen wir schließlich gemeinsam zur Schule. Auch sie trug heute einen Kimono, an ihrem Handgelenk konnte ich aber noch immer das Armband erkennen.

Zuerst fand der Wettbewerb im Bogenschießen statt. Fassungslos sah ich Kagome dabei zu wie ein Pfeil nach dem anderen zielsicher auf das Zentrum der Zielscheibe zuflog. Dann stand ich plötzlich auf einer Klippe. In der ausgestreckten Hand hielt ich eine blaue Kette aus Perlen die ein ungewöhnliches Leuchten verursachte. Ein Pfeil traf die Kette und sie zersprang in einem rosa-blauen Blitz. Jetzt erst fiel mir der junge Mann im roten Kimono auf der vor mir stand. Er hatte weiße Haare und… Hundeohren? Sein Blick war auf etwas in meiner anderen Hand gerichtet. Wieder dieses Schwert aus meinem Traum von letzter Nacht. Doch wo war der Pfeil her gekommen? Ich drehte den Kopf und sah Kagome. Was machte sie in meinem Traum? Sie hielt einen Bogen in der Hand, aber da sie ihre Schuluniform trug wusste ich, dass ich noch immer träumen musste. Vielleicht stimmte mit mir etwas nicht. Wohlmöglich wurde ich verrückt?

Jubelschreie rissen mich aus der Vision, oder aus was immer es gewesen sein mochte. Kagome hatte den Wettbewerb unbestreitbar gewonnen. Ich schloss mich der klatschenden Menge an. Kagome wurde noch von unserem Lehrer beglückwünscht und dann bekam sie eine Urkunde. Anschließend setzten wir uns auf den Schulhof während der Judo-Wettbewerb stattfand.
 

Als es Zeit für den Schwertkampf-Wettbewerb war, ging ich mit einem mulmigen Gefühl voraus. Kagome folgte mir und sprach mir aufmunternd zu. Wenig später stand ich, ein Bokken in der Hand, meinem ersten Gegner gegenüber. Ich nahm Kampfstellung ein und richtete meine gesamte Aufmerksamkeit auf ihn. Der Kampf wurde eröffnet und mein Gegner griff mit einem geraden Schlag von oben an. Ich blockte den Schlag und ließ sein Bokken abrutschen. Während er einen Schritt nach vorn stolperte drehte ich mich leicht und schlug mit einem schnellen Schlag auf seine Waffe die ihm daraufhin aus der Hand fiel. Bevor er sie sich wieder nehmen konnte, schubste ich das Bokken mit dem Fuß zur Seite und hielt ihm meines an die Kehle. Ein überraschender aber klarer Sieg für mich.

Mein nächster Kampf fand bald darauf statt. Auch diesem Gegner konnte ich sein Holzschwert mit einem gezielten Angriff aus der Hand schlagen. Dieses Mal griff ich dann aber selbst nach seiner Waffe und nahm sie als Zweitwaffe in die linke Hand. Dann ging in zurück in eine Grundstellung. Da mein Gegner nun aber unbewaffnet war, war damit auch dieser Kampf beendet.

Als das Publikum klatschte blickte ich irritiert auf. Meine Umgebung hatte ich während beiden Kämpfen vollkommen ignoriert. Kagome sah mich mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck an, als wäre dieses Mal sie diejenige die einen Geist vor sich hatte.

Mein dritter Gegner war ein Mitglied des Kendo Clubs. Es gab einige Schlagabtäusche, doch keiner von uns konnte sich einen Vorteil erarbeiten. Ein neuer Angriff zielte auf meine linke Seite ab, doch bevor ich mit einem passenden Block reagieren konnte, veränderte sich meine Sicht. Mein Gegner wurde zu dem Mann im weißen Kimono, doch das Bild war verzerrt. Seine Augen blitzten gefährlich und er schlug zielstrebig mit einem zweischneidigen Schwert nach mir. Ein grausiges Lachen erklang aus meiner Kehle und mit einem Schaudern landete ich wieder in der Realität. Mein Bokken lag auf dem Boden, ich hatte es wohl während diesem kurzen Traum fallen gelassen. Mein richtiger Gegner hatte dies gerade bemerkt und brach seinen Angriff auf mich ab. Ein verständnisloser Blick auf seinem Gesicht wurde schnell von einem selbstzufriedenen Grinsen abgelöst das ich ihm am liebsten zerschlagen hätte. Jetzt jedoch war meine höchste Priorität von der Matte zu kommen. Vielleicht würde mir eine kalte Dusche den Kopf wieder klären?
 

Als schließlich das Fest beendet war ging ich mit Kagome gemeinsam nach Hause. Es war noch früher als sonst wenn wir normalen Unterricht gehabt hätten, doch hatte ich keine große Lust etwas zu unternehmen. Ich wollte nach Hause und über meine Träume der letzten Tage, die sich ja nicht einmal auf die Nacht beschränkt hatten, nachdenken. Bevor sich Kagome verabschiedete, erinnerte ich mich allerdings an etwas dass ich noch tun wollte.

„Kagome, ich würde dich gerne für morgen nach der Schule zu mir einladen. Ich werde morgen 18. Mein Großvater kommt auch zu Besuch. Du könntest auch bei mir übernachten, wenn du möchtest. Es ist ja dann Wochenende.“

Kagome war überrascht. „Klar, ich komme gerne zu deinem Geburtstag.“ Dann wirkte sie plötzlich verzweifelt. „Aber warum hast du das denn nicht schon früher gesagt. Jetzt muss ich sehen wo ich noch ein Geburtstagsgeschenk für dich her bekomme.“

Ich lachte. Na solange das ihre einzige Sorge war, war ja alles in Ordnung. „Du brauchst mir nichts zu schenken. Wenn du kommst ist das schon Geschenk genug für mich.“

„Bis morgen dann in der Schule.“

Ich ging in meine Wohnung und war ein wenig überrascht die Schuhe meines Großvaters zu sehen. „Opa? Ich dachte du kommst erst später am Abend.“

Mein Großvater kam aus der Küche und brachte den Geruch von Kuchenteig mit sich. „Hallo Saju. Ich dachte mir, wenn ich sowieso einen Schlüssel zu deiner Wohnung habe ist es ja egal wann ich komme. Und so konnte ich schon mal anfangen zu backen.“

Ich lächelte und umarmte ihn. „Danke.“

Erst erwiderte er die Umarmung, dann hielt er mich auf Armeslänge entfernt und betrachtete mich skeptisch. Ich versuchte möglichst unauffällig auszusehen, doch ihn konnte ich nicht täuschen. „Was macht dir denn solche Sorgen das du dich nicht einmal anständig auf deinen Geburtstag und über meinen Besuch freuen kannst?“

Seufzend erzählte ich ihm von dem heutigen Wettbewerb, dass mich mein Können mit dem Schwert selbst überraschte und dass ich in den letzten Tagen einige seltsame Träume gehabt hatte. Die Details dazu ließ ich lieber weg.

„Vielleicht wollen dir unsere Ahnen ja eine Botschaft übermitteln. In unserem Stammbaum gab es einige Samurai. Zerbrich dir deswegen nicht den Kopf. Stattdessen könntest du lieber schon anfangen zu raten, was du wohl schönes von mir zum Geburtstag geschenkt bekommst. Es ist was Besonderes, aber mehr verrate ich nicht.“ Er zwinkerte und ging dann zurück in die Küche um nach dem Kuchen zu sehen.

Ich folgte ihm. „Willst du mir nicht doch vielleicht noch einen Tipp geben der mir wenigstens weiter hilft?“, fragte ich mit einer so unschuldigen Stimme wie es für mich möglich war.

Er drehte den Kopf zu mir und grinste. „Nein, ich denke nicht.“

Gemein wie immer.

Sinne eines Hundes

Während Saju und Kagome in der Neuzeit auf dem Schulfest waren, stand Sesshoumaru alleine auf einer Wiese. Seine Begleiter Jaken, Rin und Ah-Uhn waren auf einer Lichtung im nahen Wald. Es war bereits Nachmittag, daher war es wahrscheinlich dass sie Nahrung suchten. Das ständige Bedürfnis nach Nahrungsaufnahme hielt Sesshoumarus Meinung nach nur auf, doch allmählich gewöhnte er sich an diese notwendigen Unterbrechungen. Wenigstens war sein Körper nicht so schwach dass er alle paar Stunden etwas essen musste. Auch so oft schlafen, wie das Menschenmädchen oder auch der schwache Krötendämon, musste er nicht. Dennoch half ihm die viele Zeit die ihm zur Verfügung stand momentan nicht weiter. Er suchte nach Naraku. Dieser verdammte und feige Halbdämon brachte es immer wieder fertig im letzten Augenblick seiner endgültigen Vernichtung zu entgehen. Bei dem letzten Kampf gegen ihn, war Sesshoumaru selbst nicht dabei gewesen, doch er hatte die Zerstörung gesehen die definitiv von Tessaiga angerichtet worden war. Der Kampf war vielleicht ein oder zwei Wochen her, doch seitdem gab es keine noch so geringe Spur von Naraku. Es blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als seinen jüngeren Halbbruder aufzusuchen um Informationen über das was geschehen war zu bekommen. Mit einem leisen Knurren verwandelte sich Sesshoumaru in seine Energiegestalt und machte sich auf den Weg zu dem Dorf in dem er Inu Yasha zu finden hoffte. Nur wenig später hatte er seinen Bruder gefunden, der auf einem Ast saß und in den Himmel schaute. Sesshoumaru nahm auf einem Hüttendach gegenüber wieder Gestalt an. Auf dem Boden, und damit tiefer als Inu Yasha zu stehen, wäre keine Option.

Inu Yasha erschrak als er den Geruch seines älteren Halbbruders wahrnahm. „Sesshoumaru, was willst du denn hier?“, rief er ihm zu. Dann sprang er von seinem Ast und legte die Hand an Tessaigas Griff.

Auch Sesshoumaru sprang nun auf den Boden und landete elegant auf seinen Füßen, knapp vor seinem Bruder. „Welch netter Empfang. Ich bin nicht zum Kämpfen hier. Nicht heute.“

Inu Yasha ließ den Schwertgriff wieder los. Zumindest auf die Ehrlichkeit Sesshoumarus war Verlass. „Was willst du dann?“, fragte Inu Yasha mit skeptischem Blick.

„Antworten.“

„Dann stell doch vielleicht erst ein paar Fragen!“

Sesshoumarus Augen verengten sich kurz. „Etwas mehr Respekt wäre durchaus angebracht.“

Inu Yasha knurrte kurz. „Und was möchtest du gerne wissen, großer Bruder?“, fragte er betont höflich, den Sarkasmus unterdrückend. Offenbar war er gerade selbst nicht zwangsweise auf einen Kampf aus.

Sesshoumaru hob für einen Moment eine Augenbraue an. Ihm war bewusst dass Inu Yasha seine Lektion keineswegs gelernt hatte, aber das war nun vorerst nebensächlich. Zumindest bis er seine Antworten bekommen hatte. „Ihr habt gegen Naraku gekämpft. Seitdem gibt es keine Spur von ihm. Erzähl mir von dem Kampf.“, verlangte er. Die Möglichkeit, dass es Inu Yasha gelungen sein könnte Naraku dieses Mal tatsächlich zu vernichten, bestand für ihn nicht. Naraku gehörte ihm selbst. Er würde sich persönlich um seine Beseitigung kümmern.
 

Sesshoumaru hörte seinem Halbbruder aufmerksam zu, als dieser die letzte Etappe der Suche schilderte, ebenso wie den letzten Kampf gegen Naraku. „Zusammengefasst: Narakus Herz ist irgendwo versteckt und durch einen Beschützer-Stein wird seine Aura ausgeglichen. Dadurch kann das Herz nicht aufgespürt werden. Naraku kann, solange sein Herz existiert, aber scheinbar nicht vernichtet werden. Hakudoshi ist auf Entei unterwegs, weshalb er zu schnell entwischen kann und Kagura, die man wenigstens was fragen könnte, hat nicht genug Vertrauen von Naraku um wichtige Informationen zu haben. Andere Schöpfungen Narakus sind uns lange nicht begegnet.“

„Was ist mit diesem Juwel? Habt ihr noch Splitter davon? Deine Freundin kann sie aufspüren, richtig?“, fragte Sesshoumaru weiter, wobei er das Wort Freundin ungewöhnlich betonte.

„Sie ist nicht meine Freundin!“, erwiderte Inu Yasha nachdrücklich. Seine Wangen passten sich dabei aber ein wenig der Farbe seines Kimonos an, rot.

„Dann ist es dir wohl lieber wenn ich sie weiterhin als Menschenweib bezeichne.“, stellte er sachlich fest, und verzog dabei keine Miene. Doch hob Sesshoumaru seine rechte Hand ein wenig, Zeige- und Mittelfinger waren gestreckt.

Inu Yasha war diese Geste nicht entgangen und er wusste genau, dass dies den Einsatz von Sesshoumarus Giftpeitsche bedeutete. Gerade wollte er protestieren als auch er den niederen Dämon spürte der sich dem Dorf näherte. Einen Peitschenschlag später war der Dämon Vergangenheit.

„Was ist nun mit dem Juwel?“, fragte Sesshoumaru erneut, und seine Stimme klang bedrohlich, ähnlich einem Knurren. „Ich habe kein Interesse daran den restlichen Tag mit dir zu verbringen und ich wiederhole mich nicht gerne.“

„Kagome hat noch ein paar Splitter. Die braucht sie auch um in ihre Zeit und zurück zu kommen. Sie kann Splitter fühlen wenn wir einigermaßen nah sind. Ein paar Kilometer vielleicht. Auf dem Rückweg hierher hat sie allerdings keine gespürt und jetzt ist sie ein paar Tage in ihrer Welt. Sie wollte übermorgen zurück sein. Da hat sie Wochenende, oder wie sie das nennt.“, antwortete Inu Yasha daraufhin zügig.

Sesshoumaru hatte nun erfahren was er wollte, doch gerade als er sich in seine Energieform verwandeln wollte, roch er etwas. „Sie kommt.“, sagte er knapp.

Inu Yasha blickte sich um. „Kagome? Jetzt schon?“, fragte er nach, denn noch konnte er sie nicht riechen. Dann sah er sie allerdings auf ihrem Fahrrad. Der Wind blies ihr entgegen, kein Wunder das er sie nicht schon früher bemerkt hatte.

Sesshoumarus Augenbrauen zogen sich zusammen und skeptisch beäugte er das Mädchen, das gerade von ihrem Fahrrad abstieg und ihrerseits verwirrt die beiden Geschwister ansah. War es jemals vorgekommen, dass die beiden am selben Ort waren und die Umgebung keine Schäden davon trug? Scheinbar gab es doch noch Wunder.

Kagome fand schließlich ihre Sprache wieder. „Hallo ihr beiden. Darf ich danach fragen wie es kommt, dass ihr euch so friedlich unterhaltet? Ihr habt doch sonst selbst dann noch gegeneinander gekämpft wenn ihr einen gemeinsamen Gegner hattet.“

Inu Yasha und Kagome blickten beide erwartungsvoll zu Sesshoumaru, da sie mit einer Antwort seinerseits rechneten. Dieser jedoch ließ seinen Blick weiter über Kagome wandern, bis er scheinbar das entdeckt hatte, was ihn irritierte. Er machte einen Sprung auf Kagome zu, sodass er direkt vor ihr stand. Dann griff er nach ihrem Arm an dem sie das Armband trug. Während Kagome einen erschrockenen Laut von sich gab und Inu Yasha nur die Augen aufriss, hatte Sesshoumaru schon mit einer seiner Krallen den Knoten durchtrennt und verschwand nun mitsamt dem Armband.
 

Einen Moment lang starrten sowohl Inu Yasha als auch Kagome dem Hundedämon verständnislos hinterher. Dann gingen sie gemeinsam in Kaedes Hütte um sich in Ruhe zu unterhalten.

„Was war das, was Sesshoumaru da mitgenommen hat?“, fragte Inu Yasha nun.

„Ein Freundschaftsarmband… Meine neue Klassenkameradin hat es mir geschenkt. Sie ist auch der Grund warum ich heute hergekommen bin.“, erklärte Kagome daraufhin nachdenklich. Was hatte das nur alles zu bedeuten?

„Warum kommst du wegen einer Klassenkameradin zu mir? Und warum nimmt Sesshoumaru ihr Armband mit? Das macht doch garkeinen Sinn. Nicht das Sesshoumarus Verhalten jemals Sinn ergeben würde.“

„Dieses Mädchen, Saju, sie erinnert mich an diese Frau, Sara, die versucht hatte dir Tessaiga zu stehlen um es Sesshoumaru zu geben. Wir hatten heute ein Sportfest in der Schule und Saju hatte denselben Kampfstil benutzt den ich bei Sara beobachten konnte.“

„Was soll das denn schon bedeuten? Das ist wahrscheinlich purer Zufall, falls du dir das sowieso nicht nur eingebildet hast.“, meinte der Halbdämon desinteressiert.

„Inu Yasha!“, sagte Kagome wütend, worauf dieser sich vor ihrem ‚Mach Platz‘ fürchten musste, was jedoch zu seiner Erleichterung ausblieb. „Ich bilde mir so was doch nicht einfach ein. Und warum sollte Sesshoumaru mir ein Armband von jemandem klauen, den er überhaupt nicht kennt? Von einem Menschen aus der Neuzeit, der keinerlei Verbindung zum Mittelalter hat?“, überlegte sie weiter.

„Hm, gute Frage. Dann muss er ihren Geruch wohl eigenartig oder bekannt gefunden haben. Mir ist er jedoch nicht aufgefallen. Vielleicht ist sie ja mit Rin verwandt? Sie ist doch der einzige Mensch den Sesshoumaru interessiert.“

„Ich konnte keine Ähnlichkeit zwischen Saju und Rin feststellen. Was hast du denn für ein Problem mit der Vorstellung, dass Saju vielleicht Saras Wiedergeburt ist?“ Darauf hätte er nach Kagomes Auffassung mittlerweile selbst kommen sollen.

„Es wird doch nicht jeder Mensch einfach so wiedergeboren.“, betonte dann Inu Yasha seinen Standpunkt, wodurch er eine Diskussion mit Kagome anfachte, über den Grund warum Kikyou wiedergeboren worden war, und warum Saras Wiedergeburt abwegig sein sollte.
 

Während dessen war Sesshoumaru wieder auf einem freien Feld gelandet und blickte hinab auf das bunte Armband in seiner Hand. Er zeigte, wie es für ihn normal war, keinerlei Mimik die auf seine Gedanken hätte schließen lassen, doch innerlich war er bei weitem nicht so ruhig wie es den Anschein hatte. Im Moment beschäftigte ihn vor allem, aus welchem Grund er diesem Mädchen das Armband überhaupt abgenommen hatte. Er fand jedoch keine logische Erklärung mit der er sich abfinden konnte, was ihn wütend machte. Seit wann handelte er denn derart unüberlegt? Er hatte stets einen Grund für seine Handlungen, auch wenn anderen Personen diese Gründe selten bekannt waren. Aber nun fiel ihm nichts anderes ein, als dass er diesen Geruch kannte, da war er sich sicher. Die Hand, zu einer Faust geballt aus der nur ein Ende des Armbands noch hinaus hing, hob er empor zu seiner Nase und atmete nachdenklich den Geruch ein. Woher kannte er ihn nur, überlegte er kurz, doch dann kam ihm ein Bild in den Sinn, begleitet von einer Flötenmelodie. „Sara…“

Daraufhin erinnerte er sich, dass es noch eine Situation gegeben hatte, bei der er ohne ersichtlichen Grund gehandelt hatte. Nur hatte es da keine Zeugen gegeben die sich über sein Verhalten hätten wundern können. Bisher wusste keiner davon. Seine Gedanken wanderten zurück zu seinen Begegnungen mit Sara Asano, einer menschlichen Prinzessin.
 

Sesshoumaru landete in Mitten eines Schlachtfeldes. Sein linker Ärmel war von seinem eigenen Blut durchtränkt, da er erst eben seinen Arm im Kampf gegen Inu Yasha mit Tessaiga verloren hatte.

Um ihn herum standen Soldaten die ihn hochmütig ansahen. Offenbar hielten sie ihn für einen schwachen Gegner und nur wenigen schien klar zu sein, dass sie einem Dämon gegenüber standen. Er konnte zwar nicht verstehen wie sie ihn nur so unterschätzen konnten, aber es waren eben nur Menschen. Allzu viel Intelligenz erwartete er von ihnen erst gar nicht. Als sie einen Angriff starteten ließ er nur genervt seine Peitsche knallen. Dann blickte er auf, denn er spürte mehrere Blicke die auf ihn gerichtet waren. Oben auf dem Hügel vor dem er gelandet war, stand ein Schloss aus dessen Fenster ein Mann und eine Frau zu ihm sahen. Den Kimonos nach zu urteilen handelte es sich wohl um den Schlossherrn und seine Tochter. Da sie ihn jedoch nicht angriffen ignorierte er die beiden und begab sich in den nahen Wald. Er suchte sich einen angemessenen Baumstamm und ließ sich an den Wurzeln nieder um sich auszuruhen.

Am nächsten Morgen erwachte er, als sich ein Mensch näherte. Seine Sinne sagten ihm, dass es sich um dieselbe Frau vom Vortag handelte. Dem Geruch nach hatte sie einige Feldblumen gepflückt. Eine Weile blieb sie in seiner Nähe, bis Jaken ihn fand und laut über Inu Yashas Dreistigkeit wetterte. Dann entfernte sie sich ein Stück und wenig später trug der Wind ihren Geruch mitsamt einer Flötenmelodie an ihn heran. Die Melodie half dabei Jakens unaufhörliches Geplapper zu ignorieren.
 

Einige Tage vergingen in denen die Frau immer wieder mit frischen Blumen zu seinem Ruheplatz im Wald kam, ihn eine Weile beobachtete und dann in der Nähe auf ihrer Flöte spielte. Dann kam eines Nachmittags ein Trupp Soldaten. Unter ihnen war auch der Schlossherr selbst, der die Krieger von seinem Pferd aus anführte.

„Dämon! Du hast zwar unseren Feinden zugesetzt, doch ich kann es nicht länger dulden, dass du hier verweilst. Um die Ehre meiner Tochter und meines Hauses zu sichern, musst du nun sterben!“, sprach der Schlossherr, bevor er seinen Gewehrschützen das Zeichen zum Angriff gab.

Es war ein leichtes für Sesshoumaru die Kugeln mit seinen Peitschen zu den Angreifern zurück zu schlagen. Die Überlebenden flohen umgehend, doch er hatte kein Interesse daran sie zu verfolgen. Der Schlossherr schien sowieso nicht bei Sinnen zu sein, denn warum sollte er, Sesshoumaru, eine Bedrohung für die Ehre seiner Tochter darstellen?

Er blickte in die Richtung aus der das Flötenspiel gekommen war. Es war mit dem Fall der Schüsse verstummt.
 

Sesshoumaru hielt mittlerweile ein kleines Bündel in seiner rechten Hand, während er in der linken noch das Armband hielt. Das Bündel hatte er unter seiner Rüstung hervorgezogen, während er sich erinnert hatte. Nun fiel ihm ein kleiner feiner Unterschied im Geruch zwischen dem Inhalt des Bündels und dem Armband auf. Doch beide Gerüche waren sich zu ähnlich als das es Zufall hätte sein können. Nicht einmal Geschwister hatten einen so ähnlichen Geruch. Doch diese Priesterin, Kikyou, die ihm schon einmal begegnet war, und die Menschenfreundin seines Bruders hatten einen ebenso ähnlichen Geruch. Und sie hatten doch gesagt, dass diese Kagome die Wiedergeburt der Priesterin sei. Konnte dieses unbekannte Mädchen die Wiedergeburt von Sara sein? Aber warum interessierte ihn das überhaupt? Das alles erklärte noch nicht, warum er wegen ihr Dinge tat, die er sich selbst nicht erklären konnte. Aber eine Erklärung musste es geben und er würde sie finden!
 

Sesshoumaru nahm gerade wieder Gestalt im Dorf an, als Inu Yasha erneut bei seiner Diskussion mit Kagome beteuerte, „Kikyou war eine Priesterin. Nicht jeder einfache Mensch wird wiedergeboren!“

Sesshoumaru betrat die kleine Hütte und bedachte seinen kleinen Halbbruder mit einem kühlen Blick. „Sara war eine Prinzessin mit spirituellen Kräften.“, sagte er und zog erneut das Bündel hervor, das er nun Kagome entgegen hielt. „Gib das ihrer Wiedergeburt.“

Er wartete noch ab bis Kagome den eingewickelten Gegenstand entgegen genommen hatte und endlich begriff dass er erwartete, dass sie sofort aufbrach. Erst als sie versprochen hatte ihre Freundin möglichst bald herzubringen, bzw. es wenigstens zu versuchen, und erst als sie daraufhin verschwunden war, verschwand er selbst wieder ohne noch ein Wort mit Inu Yasha zu wechseln.

Geburtstagsgeschenke

Als ich am nächsten Morgen von meinem Wecker, an den ich mich noch immer nicht so recht gewöhnt hatte, geweckt wurde, war mein Großvater noch am Schlafen. Bis ich jedoch fertig mit dem Frühstück war, war auch er aufgewacht und kam aus dem Gästezimmer.

„Guten Morgen meine Kleine. Alles Gute zum Geburtstag.“, wünschte er mir fröhlich grinsend.

„Opa, ich bin jetzt 18. Meinst du nicht du könntest wenigstens jetzt damit aufhören mich ‚Kleine‘ zu nennen?“, fragte ich seufzend, noch ein wenig missmutig wegen der frühen Stunde. „Aber ich wünsche auch dir einen Guten Morgen.“, fügte ich dann betont freundlich hinzu. Er kannte mich ja lange genug um zu wissen wie ich das meinte.

„Lädst du deine neuen Freunde für heute Nachmittag nach der Schule ein, um deinen Geburtstag ordentlich zu feiern?“

„Ich habe Kagome eingeladen und sie wird wohl dann nach der Schule her kommen. Aber ansonsten habe ich noch keine wirklichen Freundschaften geschlossen.“, gab ich zu. Es fiel mir immer schwer Unbekannten richtig zu vertrauen, und ohne Vertrauen funktionierten Freundschaften bekanntlich nicht. Kagome bildete mit ihrem besonderen Charakter irgendwie eine Ausnahme. Sie war einfach so offen und freundlich, anderen Gegenüber.

Ich griff nach meiner Schultasche, es wurde Zeit sich auf den Weg zu machen. Kurz verabschiedete ich mich von meinem Großvater, dann verließ ich die Wohnung und sah draußen wie Kagome gerade wieder einmal die Treppen vom Schrein hinunter lief, also wartete ich auf sie.

„Guten Morgen Saju und herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.“, rief sie mir bereits entgegen, als sie noch ein paar Schritte entfernt war.

Glücklich lächelte ich sie an, es war toll eine Freundin wie sie zu haben. Doch dann fiel mein Blick auf ihre Hand in der sie ihre Schultasche trug, die vom Laufen noch nachschwang und ich runzelte kurz die Stirn. „Hast du das Armband doch wieder ausgezogen?“, fragte ich nach, denn auch an ihrem anderen Handgelenk konnte ich es nicht entdecken. Dabei hatte sie doch versprochen es nicht wieder abzulegen. Natürlich war mir klar, dass sie es wohl nicht bis in alle Ewigkeit tragen würde, aber dass sie es schon nach wenigen Tagen wieder ablegte, enttäuschte mich doch ein wenig. Und das an meinem Geburtstag…

Kagome schaute beschämt zu Boden. „Sess… So ein Hund hat es mir abgerissen. Das hört sich jetzt wahrscheinlich ziemlich blöd an, aber es ist die Wahrheit.“, sagte sie, und ihre Stimme klang aufrichtig. Sie hatte den Kopf wieder erhoben und sah mich geradezu flehend an. Es hörte sich tatsächlich lächerlich an, denn warum sollte ein Hund ihr das Armband klauen, und wie hatte er das angestellt? Nach ihr geschnappt und statt ihrer Hand das Band erwischt? Dennoch konnte ich bei ihrem Blick nicht anders als ihr zu glauben und Lust zu Streiten hatte ich auch nicht. „Das muss ja ein boshafter Hund gewesen sein. Zum Glück hat er dich nicht verletzt.“, sagte ich daher, denn sie schien keine Wunden zu haben.

Kagome nickte scheinbar nachdenklich. „Ja, er war gestern wirklich seltsam.“
 

Der Schultag an sich verlief sehr ruhig. Es wurde zwar viel über das Sportfest geredet, aber außer mir schien keiner mehr über mein Glück gegen die ersten beiden Gegner nachzudenken. Auf dem Weg nach Hause begann Kagome ein neues Gespräch. „Sag mal, hast du eigentlich für nachher schon irgendwas geplant? Und fürs Wochenende?“, fragte sie neugierig.

„Nichts Besonderes eigentlich. Mein Opa ist gestern schon angekommen und hat außerdem auch Kuchen gebacken. Und wenn uns wider Erwarten langweilig wird, hätte ich ein paar Gesellschaftsspiele da.“, sagte ich grinsend. Ich glaubte nicht daran, dass uns so schnell langweilig werden würde. Wir hatten uns mit Sicherheit sehr viel zu erzählen, davon war ich überzeugt. Und wenn ich wieder an das gestrige Fest dachte, dann kamen mir auch direkt genügend Fragen in den Sinn die ich ihr stellen konnte und die wahrscheinlich für einen ganzen Tag ausreichen würden.

Kagome lachte. „Ich denke wir haben genügend Gesprächsstoff.“, sagte sie bestimmt und es hörte sich an, als würde sie damit auf etwas Bestimmtes hin deuten.

Ich nutzte die Gelegenheit die sich mir darbot und ging sogleich genauer darauf ein. „Ja, zum Beispiel kannst du mir erzählen wie man von ‚Ausprobieren‘, so wie du es meiner Erinnerung nach ausgedrückt hattest, so gut Bogenschießen lernt. Du hast mit jedem einzelnen Schuss ins Schwarze Getroffen.“ Meine Stimme hörte sich nun beinahe ein wenig vorwurfsvoll an, wie ich fand. Wie konnte sie mich auch vor so einem Rätsel stehen lassen und dabei so unschuldig tun? Ich seufzte.

„Das kann ich dir heute Abend wohl erzählen. Wird bestimmt eine passende ‚Gute Nacht Geschichte‘.“, antwortete sie darauf nur.

Ich runzelte die Stirn. Das hörte sich ja fast an, als würde die Aufklärung dieses Rätsels in einer Geistergeschichte enden? „Kommst du dann nachher vorbei wenn du deine Schultasche abgestellt hast?“, fragte ich nun, denn wir waren vor meiner Wohnung angelangt.

Kagome nickte mir zu. „Ja, ich brauche nicht lange. Soll ich noch irgendwas Bestimmtes mitbringen?“

Ich überlegte kurz. „Wenn du bei mir übernachten möchtest, bräuchtest du wohl einen Schlafsack. Großvater ist ja auch noch bis morgen früh da, und ich habe nur ein zusätzliches Bettzeug für Gäste.“

„Gut, dann bis gleich.“, sagte sie noch, bevor sie zum Schrein ging.

Ich ging nach oben in meine Wohnung und begegnete im Flur prompt meinem Großvater der geschäftig vom Wohnzimmer in die Küche eilte. „Hallo Saju, da bist du ja wieder. Hast du deine Freundin gar nicht mitgebracht?“, begrüßte er mich herzlich.

„Kagome kommt gleich.“, antwortete ich ihm. „Würdest du mir verraten warum du hier so eilig herum läufst?“

„Na, ich musste doch fertig werden bevor du nach Hause kommst.“

„Fertig?“, fragte ich misstrauisch, und ging mit achtsamen Schritten ins Wohnzimmer, aus dem er ja gerade gekommen war. Vor Überraschung rutschte mir der Griff meiner Schultasche aus der Hand. „Opa! Was hast du mit dem Wohnzimmer angestellt?“, rutschte es mir heraus als ich die unzähligen Girlanden sah die an der Decke und den Wänden entlang verteilt waren.

Ich hörte ihn hinter mir lachen. „Bitte, gern geschehen. Du bist jetzt 18, das muss doch ordentlich gefeiert werden.“

„Aber wir sind doch nur zu dritt…“, warf ich mit verständnisloser Stimme ein.

„Das ist doch immerhin eine Person mehr als bei deinen früheren Geburtstagen.“

Ich seufzte als mir bewusst wurde, dass er Recht hatte. „Ja. Danke Großvater.“, brachte ich dann endlich zustande zu sagen und drehte mich lächelnd zu ihm um.
 

Ich hatte gerade meine Schultasche in meinem Zimmer abgestellt und mir etwas anderes angezogen, da klingelte es an der Türe. „Kagome!“, rief ich erfreut aus, und lief los um sie herein zu bitten.

„Da bin ich wieder.“, lachte sie mir entgegen als ich die Wohnungstüre aufriss. Fröhlich grinste ich sie an, dann sah ich wie voll bepackt sie war.

„Was bringst du denn da alles mit? Ich hab doch gesagt du brauchst nur einen Schlafsack.“ Ich runzelte kurz die Stirn als ich ihren großen Rucksack in Augenschein nahm. So voll wie er zu sein schien, hatte sie vielleicht gleich ein ganzes Zelt mitgebracht.

Sie trat ein und stellte ihre Tasche im Flur ab. „Meine Mutter hat darauf bestanden das ich noch Kekse mitbringe und einen Kuchen den sie gebacken hat. Du weißt ja wie sie ist.“, meinte Kagome entschuldigend.

Ich nickte, schließlich hatte ich ihre Mutter bereits kennen gelernt als ich bei Kagome zum Abendessen eingeladen war. „Komm mit ins Wohnzimmer.“ Ich ging voraus, mein Großvater wartete bereits und hatte sich in den Sessel gesetzt. „Opa, das hier ist Kagome. Kagome, das ist mein Großvater.“, stellte ich die beiden einander vor und wedelte dabei ein wenig unkoordiniert mit meiner Hand zwischen beiden hin und her. Ich war allzu viel Förmlichkeit nicht gewohnt, woher auch. Anschließend setzte ich mich auf das kleine Sofa.

„Kagome, freut mich deine Bekanntschaft zu machen.“, sagte nun mein Großvater. Freundlich nickte er ihr zu.

Kagome erwiderte diese Geste. „Es ist mir ebenfalls eine Freude Sie kennen zu lernen, Herr Tachikawa.“, grüßte sie ihn höflich bevor sie die Plätzchen und den Kuchen die sie mitgebracht hatte zu den anderen auf den Tisch stellte. Dann setzte sie sich neben mich.

„Damit wird es dann Zeit dir endlich dein Geburtstagsgeschenk zu überreichen. Alles Gute zum 18. Geburtstag, Saju.“, sprach mein Großvater und reichte mir ein sehr schmales Päckchen. „Und nun darfst du raten.“

Ein wenig skeptisch blickte ich ihn an. Woher sollte ich denn wissen was er mir da schenkte? Konnte ich etwa Hellsehen? Mal außer Acht gelassen, dass man als Mensch im Dunkeln sowieso generell nichts sehen kann. Ich betastete das Geschenk vorsichtig, vielleicht war es ja zerbrechlich, so schmal wie es war. Es war auf jeden Fall sehr leicht. Nachdenklich ließ ich meine Finger der Länge nach darüber gleiten, bis ich einige Unregelmäßigkeiten in der ansonsten glatten Oberfläche fühlte. Wieder kam ein Bild aus dem nichts heraus in meine Gedanken. Ich saß auf einem Stück Fels oben auf einem Berg. Vor diesem erstreckte sich das weite Meer, doch mein Blick war auf den Strauß Wildblumen gerichtet der auf meinem Schoß lag. Dann zog ich eine Flöte hervor die halb im Kragen meines Kimonos verborgen gewesen war. Ich führte die Flöte zum Mund und begann zu spielen, gerade als ein Windhauch vom Meer mir ins Gesicht blies und mein Haar flattern ließ, nur um sich danach einen Weg durch den Wald zu bahnen der hinter meinem Rücken lag.

Erschrocken über diesen erneuten Tagtraum riss ich den Kopf hoch und blickte in die nun verwirrten Augen meines Großvaters. Ich besann mich wieder wo ich war und auch wenn ich mir selbst nun noch mehr Sorgen um meinen Geisteszustand machte, wollte ich meinen Großvater nicht beunruhigen. „Eine Flöte.“, brachte ich hervor und versuchte meine Gedanken soweit zu ordnen, dass ich neugierig aussah und er wieder beruhigt wäre.

„Ja. Ich habe sie wohl nicht gut genug verpackt wenn du das so leicht erraten konntest?“, fragte er und klang fast ein wenig enttäuscht. Immerhin war es seine Lieblingsbeschäftigung gewesen mir Rätsel aufzugeben, bis ich in diese neue Wohnung umgezogen war. „Dann kannst du sie ja auspacken und uns hören lassen ob du darauf spielen kannst. Ich bin mir außerdem nicht ganz sicher ob sie richtig klingt. Vor wenigen Tagen erst habe ich diese Flöte im Schrein gefunden. Sie lag zwischen den Wurzeln unseres großen Baumes. Ein Wunder eigentlich, dass wir sie nicht schon früher gefunden haben. Du hast doch ständig dort gespielt als du noch ein Kind warst. Und nun sieh dich an, so erwachsen…“

Bis zu seinen letzten Worten war ich damit beschäftigt gewesen, die Verpackung zu öffnen. Nun hielt ich die Flöte in der Hand und blickte doch erst lachend zu meinem Großvater hinüber. „Opa, jetzt werd' doch nicht gleich sentimental.“, meinte ich scherzhaft, bevor ich mein Geschenk musterte. War das Einbildung, oder sah diese Flöte wirklich exakt so aus wie die in meinem Traum von eben? Sahen alle Flöten gleich aus? Oder hatte ich vielleicht doch so etwas wie hellseherische Fähigkeiten? Wahrscheinlicher schien mir da doch die Erklärung, dass ich mir die Ähnlichkeit entweder einbildete, oder vielleicht doch seit einigen Tagen verrückt wurde. Genaugenommen seit ich hierher gezogen war. Aber abgesehen davon, dass dieses Exemplar viel älter aussah, da es wohl einiger Zeit der Witterung ausgesetzt gewesen war, konnte ich keinen Unterschied entdecken während ich sie umsichtig in meiner Hand drehte. Schließlich beschloss ich, dass ich einen Versuch, darauf zu spielen, wagen konnte. Als ich die Flöte zum Mund bewegte, fühlte ich mich als würde ich ein altes Hobby nach langer Zeit wieder ausführen. Genau wie in meinem kurzen Traum spielte ich dasselbe Lied, das Lied welches ich immerzu gehört hatte. Die Witterung schien dem Instrument nicht geschadet zu haben. Als ich nach einigen Takten wieder aufhörte, sah ich wie mich sowohl mein Großvater als auch Kagome seltsam ansahen. Mein Opa schien einfach nur fassungslos, dass ich ohne eine einzige Unterrichtsstunde diese alte Melodie wiederholen konnte, Kagomes Blick war schwerer zu deuten. Während sie einigermaßen überrascht aussah, was mich nicht wunderte, schien auch eine Spur von Triumpf in ihrem Blick zu liegen. Letztere konnte ich mir allerdings nicht erklären, also nahm ich mir vor sie auch darauf später noch anzusprechen. Vielleicht wenn Großvater schlief und wir über die ganzen mysteriösen Dinge reden konnten die geschehen waren seit ich ihr begegnet war. Es waren erst 5 Tage vergangen, aber sie schienen mir wie eine Ewigkeit.

„Vielen Dank, Opa. Das ist ein wundervolles Geschenk.“ Ich wiederstand dem Reflex die Flöte in den Kragen meines Oberteils zu stecken, wo ich sie im Traum getragen hatte, und legte sie stattdessen sorgsam auf den Tisch. Dann sah ich Kagome an, die mir ein Stoffbündel entgegen streckte. Ich hob eine Augenbraue.

„Ich habe nicht vergessen, dass du von mir kein Geschenk zum Geburtstag haben wolltest. Aber das hier habe ich nicht für dich gekauft, sondern es wurde mir gegeben, damit ich es dir gebe. Und das hätte ich heute auch gemacht, wenn nicht dein Geburtstag wäre. Jetzt nimm es schon.“, überredete mich Kagome mit einem leichten Grinsen im Gesicht. Dann ließ sie es mir in den Schoß fallen.

„Soll ich wieder raten was es ist?“, fragte ich und hoffte dass sie ‚nein‘ sagen würde. Das hier zu erraten würde bestimmt noch schwerer werden als bei der Flöte.

Erleichtert sah ich wie Kagome den Kopf schüttelte. „Ich weiß selbst nicht was es ist. Ich habe nicht gespickt.“

Zwar fand ich es seltsam, dass sie mir etwas schenkte, was sie selbst noch nicht gesehen hatte, und dass sie mir ein Geschenk von wem auch immer überbrachte, aber all das notierte ich mir auf meiner imaginären Liste voller Fragen an sie. Dann öffnete ich die Knoten, die den Stoff zusammen hielten und den Inhalt verbargen. Zum Vorschein kam eine Kette aus blauen Perlen, die mir merkwürdig bekannt vorkam. Ich berührte sie mit einer Fingerspitze und erinnerte mich sogleich bildlich daran, woher ich sie kannte, aus der kurzen Träumerei vom Vortag, während des Wettbewerbes im Bogenschießen. Doch war dies nur eine Erinnerung an den Traum? Ich schien tatsächlich wieder auf dieser Klippe zu stehen. Erneut hielt ich die Kette in der ausgestreckten rechten Hand, doch sie leuchtete nicht wie gestern. Oder wohl eher noch nicht, denn ich wusste genau was passieren würde. Vor mir stand ein junger Mann im roten Kimono. Derselbe wie gestern, weiße Haare und unbegreifliche Hundeohren. Er blickte wie zuvor auf das Schwert in meiner linken Hand. Ich wartete auf Kagomes Pfeil, doch stattdessen sprang der Mann auf mich zu. Nun begann die Kette zu leuchten. Blaues Licht breitete sich von ihr aus und strahlte dem Mann entgegen, der in seiner Bewegung nun innezuhalten schien, einen entsetzten Ausdruck auf dem Gesicht. Jetzt kam der Pfeil, und die Kette zersprang wie erwartet in einem Blitz aus rosa und blau. Ich steckte das Schwert in meinen Gürtel und hielt dem Mann, der knapp vor mir gelandet war und sich nun wieder bewegen konnte, meine Handflächen entgegen. Als daraus je ein schwarzes Geschoss hervor brach und auf ihn zu flog, entkam ich dem Traum endlich. Da ich die Kette, die hier bei mir im Wohnzimmer natürlich ganz geblieben war, dabei nicht losgelassen hatte, hatte ich keine Angst durch eine weitere Berührung wieder dem Traum zu verfallen. Ich hob die Kette also an und betrachtete sie in ihrer Ganzheit. „Danke, Kagome.“

„Die Kette habe ich schon einmal gesehen.“, überraschte mich nun mein Großvater mit seiner Aussage. „Auf einer alten Zeichnung. Sie sah genauso aus.“

Mein Interesse war geweckt. Eigentlich interessierten mich alte Zeichnungen ebenso wenig wie irgendwelche Legenden, doch vielleicht würde mir die Zeichnung helfen zu verstehen was mit mir los war. Vielleicht erinnerte ich mich einfach an Teile einer Legende und baute bekannte Dinge ein und mein Problem bestand lediglich in meiner blühenden Fantasie. „Vielleicht kannst du mir die ja zeigen wenn ich dich besuchen komme.“

Er nickte. „Ja, kann ich gerne machen.“, sagte er nachdenklich. Dann wand er sich Kagome zu. „Du lebst oben im Higurashi-Schrein, oder? Bevor ich morgen wieder nach Hause gehe, möchte ich den unbedingt noch besuchen.“

„Ich bin sicher, dass sich mein Großvater darüber freuen wird.“, versicherte sie ihm darauf hin.

Ich hatte derweil die Kette aus Platzmangel auf dem Tisch einfach angezogen und das Tuch in das sie gewickelt war in die Tasche gesteckt. Dann schnitt ich endlich den Kuchen an. „Der sieht richtig gut aus.“, lobte ich, und dann aßen wir gemeinsam wobei wir über allerlei alltägliche Dinge redeten.
 

Als es schließlich spät wurde, entschuldigte sich mein Großvater mit den Worten, er sei nicht mehr so jung wie Kagome und ich, und ging zu Bett. Wir wünschten ihm eine gute Nacht, dann schwiegen wir beide uns bedeutungsvoll an. Kagome schien die vielen Fragen die mir auf der Zunge brannten vielleicht bereits auf sich zufliegen zu sehen, doch nun, wo es soweit war, dass ich die Fragen stellen konnte, wusste ich nicht wo ich eigentlich anfangen sollte. Dasselbe Phänomen war mir auch seit Anfang der Woche aus dem Schulunterricht bekannt, wenn der Lehrer die ganze Stunde lang etwas zu erklären versucht hat und am Ende fragt ob es noch Fragen gibt. Selbst wenn die Schüler gar nichts verstanden haben, stellt keiner eine Frage, weil keiner weiß wo er anfangen soll oder wie er es formulieren soll ohne dumm dazustehen.

Unbewusst kratze ich mich am Hals, wobei meine Hand die Perlenkette berührte die zu tragen sich für mich seltsam gewohnt anfühlte. Ich konzentrierte mich auf die Kette und ließ meine Fingerspitzen über die Perlen wandern. Ich legte mir in Gedanken meine erste Frage an Kagome zurecht und wollte sie gerade aussprechen, als ich erschrak. Mitten in meinem Wohnzimmer standen plötzlich zwei fremde Personen, ein Mann und eine Frau. Aber abgesehen davon, dass es unmöglich war für sie unbemerkt bis hier her zu kommen, schien Kagome sie auch nicht zu sehen, wie ich mit einem kurzen Blick zu ihr feststellen konnte. Sie sah mich weiterhin abwartend, aber vollkommen ruhig, an. Ich starrte hingegen die beiden Fremden an, und nun fiel mir noch mehr ungewöhnliches an ihnen auf. Sie standen nicht weit von mir entfernt auf der anderen Seite des Tisches. Aber dort stand auch der Sessel meines Großvaters. Ich konnte die Beine der beiden im Sessel stehen sehen. Sah ich hier etwa Geister? Aber was wollten sie von mir? Konnte ich nicht einfach ein ganz normales Mädchen sein dessen einzige Sorge es ist den Schulabschluss zu schaffen?

„Sara, endlich.“, sprach nun der Mann. Er sah mich direkt an, oder sah er durch mich hindurch? Schnell blickte ich kontrollierend über meine Schulter nach hinten, meine Hand rutschte von der Kette ab und fiel hinab in meinen Schoß. Hinter mir war niemand. Ich drehte mich wieder nach vorne, doch die beiden Geister waren verschwunden. Erleichtert atmete ich auf. Aber hatte er dann mich angesprochen? Warum hatte er mich Sara genannt? Vielleicht sollte ich dem Beispiel meines Großvaters folgen und ebenfalls schlafen gehen, es war wohl doch zu spät für mich um noch klar zu denken.

„Hast du wieder einen Geist gesehen?“, hörte ich Kagome fragen. In ihrer Stimme schwang Besorgnis mit, aber sie schien auch ein wenig amüsiert zu sein. Als handelte es sich um einen Witz den sie alleine verstehen konnte.

Ratlos blickte ich sie an. „Zwei genaugenommen.“, gab ich zu, schließlich wollten wir jetzt alle Fragen klären und ich hoffte inständig, dass ich ihr vertrauen konnte. „Kagome, was hat es mit dieser Kette auf sich? Wer hat sie dir gegeben? Warum sollte ich sie bekommen? Wer ist diese Frau der die Kette und die Flöte gehört haben? Warum sehe ich ständig Geister und warum nennen sie mich ‚Sara‘?“ Ich hätte wohl noch mehr Fragen ausgesprochen, doch Kagome hob sanft lächelnd eine Hand.

„Ich denke die Fragen reichen für den Anfang.“, sagte sie lachend, und auch ich musste nun wieder grinsen, denn sie hatte natürlich Recht. „Aber wo fange ich am besten an zu erklären?“

„Wie wäre es mit dem Anfang?“, schlug ich leise vor, nicht davon ausgehend dass ihr dieser Vorschlag wirklich weiterhelfen würde, denn wie sollte sie den Anfang definieren?

„Der Anfang? Hm… Für mich hat alles damit angefangen, dass ich bei uns im Schrein, in dem kleinen Teil den ich dir nicht gezeigt habe, in den Brunnen gezogen wurde, von einem Dämon, und dadurch im Mittelalter von vor 500 Jahren landete.“

Meine Augen weiteten sich. Dämon? Es gab also wirklich wahrhaftige Dämonen, nicht nur in meinen verrückten Träumen? Gespannt und aufmerksam hörte ich ihrer weiteren Erzählung zu. Wie sie Inu Yasha kennenlernte, wie das Juwel aus ihr auftauchte und schließlich in Splitter zersprang, und wie sie es nun schon so lange suchten und dabei immer gegen neue Gegner und Probleme bestehen mussten. Es war eine sehr spannende Geschichte, und sie schien mir eigentlich absolut unglaublich zu sein, doch nach dem was ich bisher bereits selbst erlebt hatte, fiel es mir ungewöhnlich leicht ihr das glauben zu wollen. Ich merkte, dass sie einige Details weg ließ, doch als sie schließlich endete, war es auch so bereits weit nach Mitternacht. „Wow, unglaublich. Aber ich hoffe du glaubst jetzt nicht, dass du alle meine Fragen beantwortet hättest.“, neckte ich sie.

Kagome grinste. „Nein, bestimmt nicht. Aber ich denke“, ein Gähnen unterbrach ihrer Satz, „dass wir erst etwas schlafen sollten.“

Ich musste nun ebenfalls gähnen und nickte daher erst nur. „Hört sich nach einem guten Vorschlag an.“ Ich stand vom Sofa auf und gefolgt von Kagome ging ich in mein Zimmer wo wir für sie einen Schlafplatz herrichteten.
 

Ich wusste, dass ich vor kurzen erst eingeschlafen war, doch nun stand ich wieder einmal mitten im Wald, im Schatten des großen alten Baumes, der eigentlich in Großvaters Tempelanlage stand. Der weißhaarige Fremde stand mir gegenüber, hatte seinen Blick fest auf mich gerichtet und sah mich abfällig an. „Was meint Ihr damit, Lord Sesshoumaru?“, hörte ich eine Stimme, ähnlich meiner eigenen, aus meinem Mund erklingen. Sesshoumaru, das war also sein Name? Und er war ein Lord? Aber er war doch ganz offensichtlich kein Mensch, wie konnte das also sein? Warum sah er mich nun so anders an? Sein Blick versetzte mir einen Stich in der Magengegend. Und was hatte meine Frage zu bedeuten?

Bevor er allerdings zu einer Antwort kam, drehte er sich um. Mein Blick folgte seinem und erfasste den jüngeren weißhaarigen, den mit Hundeohren. Kagomes Beschreibung von Inu Yasha passte haargenau auf ihn. Aber konnte er es sein?

„Da bist du ja!“, rief er mir wütend entgegen als er gerade von seinem riesenhaften Sprung durch die Luft über die Baumgipfel, landete. Dann setzte er zu einem Angriff an, doch Sesshoumaru hielt ihn auf.

„Inu Yasha, du wirst nicht Hand an diese Frau legen. Sie geht dich nichts an.“, sagte Sesshoumaru nachdrücklich.

Es war also wirklich Inu Yasha, doch das war in diesem Moment nur nebensächlich. Viel mehr beschäftigte mich gerade Sesshoumarus Stimme, die ich nun zum ersten Mal gehört hatte. Nie zuvor hatte ich eine wohlklingendere Stimme vernommen. Doch was hatte Sesshoumaru mit Inu Yasha zu tun? Das machte für mich alles keinen Sinn. In diesem Moment griff Inu Yasha dann aber doch an. Als von seiner Hand ausgehend halbmondförmige Geschosse auf mich zu flogen, wachte ich erschrocken auf und spürte nun wie ich aufrecht im Bett saß.
 

Ich sah mich in meinem Zimmer um, das vom Mondlicht schwach erhellt wurde. Gerade schlug Kagome ihre Augen auf und sah mich besorgt an, nachdem auch sie sich aufgesetzt hatte. „Hattest du einen Alptraum?“

Erst nickte ich nur, doch wohlmöglich konnte sie das bei dem Schwachen Licht nicht sehen. „Ja, so in der Art.“, ich zögerte kurz, dann beschloss ich, dass ich ihr von dem Traum erzählen sollte. „Kennst du einen Lord Sesshoumaru? So einen großen weißhaarigen Kerl mit roten Streifen im Gesicht und einem blauen Halbmond auf der Stirn, ein komisches Fell über der Schulter und eine Stimme zum … ups.“, fragte ich sie, und hätte nun fast verraten wie angetan ich von seiner Stimme gewesen war. Aber das wollte ich lieber für mich behalten. Bei der bloßen Erinnerung an den Klang jedoch lief mir bereits ein warmer Schauer über den Rücken. Zudem spürte ich, wie meine Wangen warm wurden, doch hoffte ich inständig, dass das schwache Mondlicht nicht ausreichen würde um Kagome dies sehen zu lassen.

„Sesshoumaru? Ja, natürlich. Er ist der ältere Halbbruder von Inu Yasha. Ich habe ihn nur in meiner Erzählung eben weg gelassen, weil ich sie erst einmal kurz halten wollte. Er war aber derjenige, der mir die Kette für dich mitgegeben hat.“

Zu meinem Glück fragte sie nicht nach dem abgebrochenen Satz nach, doch sie hatte neue Fragen aufgeworfen. „Aber die Kette war doch kaputt, ein Pfeil hat sie zerspringen lassen.“

„Ja, das war mein Pfeil. Sesshoumaru muss die Kette irgendwie wieder zusammengesetzt haben. Hast du schon genug geschlafen, dass ich weiter erzählen soll?“

Zwar war ich noch immer ein wenig müde, schließlich war es mitten in der Nacht, aber meine Neugierde war erneut hellwach. „Wenn es dir nichts ausmacht würde ich die Geschichte gerne jetzt weiter hören.“

So fing Kagome erneut an vom Mittelalter zu berichten. Sie erzählte mir, dass sie die Wiedergeburt von der Priesterin sei die zu ihren Lebzeiten die Wächterin über das Juwel der vier Seelen war. Ich hatte erst Schwierigkeiten ihr das nun auch noch zu glauben, nach all den unglaublichen Dingen die sie mir bereits gesagt hatte. Doch dann erklärte sie, dass sie, ebenso wie Sesshoumaru, der Meinung war, dass ich die Wiedergeburt von Sara Asano sei, einer Prinzessin aus dem Mittelalter, bei deren Tod sie anwesend gewesen war. Genau die Prinzessin, der auch die Kette und die Flöte gehört hatten. Es hörte sich zwar absurd an, doch nun musste ich grübeln. Meine ganzen Träume hatten schließlich Kagomes Geschichte bestätigt, ich hatte Saras Erinnerungen gesehen, zumindest Ausschnitte davon, und welchen anderen verrückten Grund konnte es dafür geben, wenn nicht den, dass ich ihre Reinkarnation war? Verwirrt schüttelte ich meinen Kopf in dem bekannten Irrglauben dadurch meine Gedanken zu ordnen. Nun, zumindest waren sie nun anders durcheinander gewürfelt.

„Wie funktioniert das mit dem wiedergeboren werden? Warum sind wir beide wiedergeboren worden?“

„Ich bin mir nicht sicher. Ich glaube, dass Kikyou wiedergeboren wurde, weil sie die Wächterin des Juwels war und es auch mit ihr zusammen verbrannt wurde. Das Juwel brauchte eine neue Wächterin, vielleicht haben sich das die Seelen im Juwel also irgendwie gewünscht. Wenn diese Vermutung stimmt, dann hat in deinem Fall bestimmt die Kette damit zu tun. Sie ist etwas Besonderes, mit speziellen Kräften. Spüren kann ich sie auch ein wenig, so ähnlich wie ich die Gegenwart von Juwelensplittern fühle. Aber ich weiß nicht genau was das zu bedeuten hat.“

„Heißt das, dass ich so wie du ins Mittelalter reisen kann?“, fragte ich scheinheilig, denn natürlich war es mein Hintergedanke dort eine gewisse Person zu sehen und heraus zu finden was ich mit ihm zu tun hatte. Die Erinnerungen die ich bisher hatte, waren sehr unvollständig.

„Ich nehme es an, und Sesshoumaru auch. Dafür solltest du die Kette bekommen. Er glaubt wohl das du sie brauchen wirst für die Reise, weil ich einen Teil des Juwels dafür brauche.“ Sie wartete kurz ab das ich diese Nachricht verarbeiten konnte. „Begleitest du mich morgen dort hin?“

Ich zögerte nicht zu antworten, denn mein Entschluss hatte schon vor ihrer Frage festgestanden. „Ja.“

Weite Reise

Während ich hören konnte, dass Kagome nach unserem nächtlichen Gespräch schnell wieder eingeschlafen war, lag ich noch eine Weile wach und starrte mit offenen Augen an die, im Dunkeln liegende, Zimmerdecke. Meine ganzen Träume sollten also wahr gewesen sein, in einer vergangenen Zeit? Und ich könnte dorthin reisen und ihn sehen, Sesshoumaru. Alles was ich aus dem Leben von Sara gesehen hatte, hatte sich irgendwie um Sesshoumaru gedreht, und der bloße Gedanke an ihn, an seinen undurchschaubaren Gesichtsausdruck, seine goldenen Augen und erstrecht an seine Stimme, brachte mein Herz dazu deutlich schneller zu schlagen. Etwas wozu es meinem Verstand nach, kein Recht hatte. Sara war doch diejenige die offenbar in ihn verliebt gewesen war. Aber dies hier war jetzt mein Leben und es war meine Entscheidung für wen mein Herz schlagen sollte. Ich wollte nicht bevormundet werden, nur weil ich die Wiedergeburt von irgendjemandem war. Und ich wollte nur dort hin, um endlich die Träume ordnen zu können die ich ständig hatte. Danach würde ich sicher mein altes, eigenes Leben wie bisher weiter führen können.

Als ob es etwas bringen würde, legte ich meine linke Hand über mein Herz und befahl ihm wieder ruhiger zu werden, was es jedoch nicht vorzuhaben schien. Diesbezüglich musste ich mich wohl vorerst geschlagen geben, zog die Bettdecke enger um mich, drehte mich auf die Seite und schloss wieder die Augen. Wenn ich ihn morgen treffen würde, um alles aufzuklären, sollte ich wenigstens ausgeschlafen sein.
 

Ein Klopfen an meiner Zimmertüre weckte mich. Dann erklang die Stimme meines Großvaters. „Saju? Wenn ihr nicht vor habt den ganzen Tag zu verschlafen, solltet ihr allmählich mal aufstehen. Ich kümmere mich derweil um das Frühstück.“

Noch immer ein wenig verschlafen setzte ich mich auf, doch hörte ich bereits seine Schritte die sich von der Türe entfernten, daher sparte ich mir die Antwort die er eh nicht mehr hören würde. Ich rieb mir den Schlaf aus den Augen und ließ Kagome, die meinen Großvater wohl nicht gehört hatte, noch schlafen bis ich geduscht hatte, erst dann weckte ich sie. Während sie im Bad war, nahm ich meine Schultasche vom Boden und räumte die Bücher und Hefte aus, auf meinen Schreibtisch. Ich überlegte, was ich wohl für den heutigen Tag brauchen würde. Noch etwas unentschlossen, da ich ja auch nicht wusste wie lange Kagome eigentlich vor hatte dort zu bleiben, steckte ich zumindest schon einmal die Flöte ein, die gehörte schließlich irgendwie dazu. Saras Kette trug ich wieder um den Hals.

Kagome kam zurück ins Zimmer und sah auf meine Tasche. Offenbar konnte sie meine Gedanken erraten, denn sie machte sogleich noch einen Vorschlag was ich einpacken könnte. „Nicht weit vom Dorf gibt es eine herrliche heiße Quelle. Wenn du möchtest, könnten wir dort hingehen. Dann kannst du gemütlich einen ersten Eindruck vom Mittelalter gewinnen und auch wenigstens Sango und vielleicht Shippo kennen lernen.“

„Ja, das hört sich vielversprechend an.“ Ich nickte und packte also noch ein Handtuch ein. „Wie lange wollen wir eigentlich dort bleiben?“

„Hm, ich werde wahrscheinlich bis morgen dort bleiben, also auch übernachten. Das mache ich immer am Wochenende und oft auch unter der Woche, weshalb ich so oft in der Schule fehle und keine Hausaufgaben habe…“, sagte sie und blickte verlegen zu Boden. „Wie lange du bleiben möchtest ist natürlich dir selbst überlassen. Wenn du dich entscheidest auch zu übernachten, wäre das sicherlich kein Problem. Aber wenn du lieber nach Hause gehst, kann ich dich natürlich auch zurück begleiten.“

„Ich werde es wohl am besten spontan entscheiden.“ Abhängig davon wie sehr mich die anderen leiden können, und wie es mir dort gefällt. „Es ist ja nicht weit weg?“

Kagome lachte. „Nicht wenn man es nur räumlich betrachtet.“

Über ihre Antwort musste ich nun auch lachen. Ja, zeitlich waren es schließlich 500 Jahre, was für mich noch immer unglaublich schien. „Wie sind die eigentlich so? Also… was erwartet mich wenn ich nachher mit dir gehe und tatsächlich dorthin kann?“, fragte ich sie dann, als ich fertig gepackt hatte. Gemeinsam verließen wir das Zimmer und gingen Richtung Küche.

„Naja, die beiden Brüder sind recht aufbrausend. Wobei, eigentlich nur Inu Yasha. Sesshoumaru ist normalerweise sehr kontrolliert, aber sie streiten sich immer wenn sie sich sehen. Trotzdem können sie wohl auch nett sein. Glaube ich…“ Da Kagomes Stimme immer leiser geworden war bei den letzten zwei Sätzen, blickte ich sie fragend an, doch als ich sah wie sie ein wenig rot im Gesicht wurde, ging ich ihr zuliebe dann doch nicht weiter darauf ein. Später vielleicht könnte ich sie bei einer passenden Gelegenheit fragen, wie gut sie eigentlich wirklich mit diesem Inu Yasha befreundet war. Es hatte den Anschein, als wäre da etwas mehr dahinter.

„Guten Morgen, da seid ihr ja. Und kein bisschen zu früh, die Miso-Suppe ist eben fertig geworden.“, begrüßte uns mein Großvater, als wir in der Küche ankamen. Dann frühstückten wir gemeinsam und machten uns anschließend auf den Weg zum Higurashi-Schrein.

Dort angekommen ging Kagome nach drinnen und packte in Windeseile ihren Rucksack neu. Als sie wieder aus dem Wohnhaus kam, wurde sie begleitet von ihrem Großvater. Ich verabschiedete mich von dem meinen mit einer herzlichen Umarmung. „Mach es gut Opa. Denk daran das Bild für mich heraus zu suchen was du mir zeigen wolltest. Und gib Ryome ein Leckerli von mir, ok? Kagome und ich gehen jetzt dann baden.“

Lachend verabschiedete er sich ebenfalls und wünschte uns viel Spaß, dann ging er mit Herrn Higurashi los um den Schrein zu besichtigen. Noch während wir den Hof überquerten um zum Brunnen zu gelangen, hörten wir bereits eine laute und begeisterte Diskussion über Legenden aus der Gegend. Schweigend und beide breit grinsend, sahen wir uns kurz an. Das Verhalten der Großväter war für uns nur allzu vorhersehbar gewesen.
 

Nun standen wir vor dem Brunnen. Es war so dunkel in diesem kleinen Gebäude, das ich den Boden des Brunnes nicht klar erkennen konnte, lediglich erahnen. Ein wenig unsicher sah ich wieder Kagome an. „Noch einmal zum Mitschreiben… Du kannst also 500 Jahre zurück in die Vergangenheit reisen, durch genau diesen ausgetrockneten Brunnen vor dem wir stehen. Dort hast du einen Dämon getroffen mit dem du irgendwelche Splitter suchst von einem Juwel, das jeden Wunsch erfüllen kann. Und du warst bei meinem Tod dabei?“

„Inu Yasha ist genaugenommen ein Halbdämon und es war dein vergangenes Ich, dessen Tod ich gesehen habe. Aber ansonsten stimmt die Zusammenfassung wohl so.“, antwortete sie ruhig, und holte etwas aus ihrer Tasche hervor. „Das hier ist ein Splitter des Juwels.“

Ich griff danach und begutachtete den kleinen, unscheinbaren Splitter kurz. „Fühlt sich seltsam an.“ Besser wusste ich es nicht zu beschreiben. Meine Finger spürten deutlich die glatte Oberfläche und die Bruchkanten, doch ich hatte das schwache Gefühl, dass da noch mehr war. Verwirrt gab ich Kagome das Stück zurück. Dann sprach ich eine weitere Frage aus, die mich bereits seit der letzten Nacht plagte. „Kagome… Wer bin ich? Sara? Oder Saju? Ich weiß nur wenige Dinge aus Saras Leben, meinem vergangenen Leben, aber ich glaube dass sie einen ganz anderen Charakter hatte als ich ihn jetzt habe. Was werden die anderen von mir erwarten? Sesshoumaru, der die Kette aufbewahrt, und wie es scheint sogar extra wieder zusammengesetzt hat... Ich weiß nicht recht was zwischen den beiden war. Diese Bruchstücke aus ihren Erinnerungen ergeben keinen Sinn für mich…“ Ich merkte wie meine Stimme immer verzweifelter klang, doch sie spiegelte genau wieder wie ich mich fühlte.

Freundlich lächelte meine Freundin mir entgegen. Vielleicht konnte sie meine Verzweiflung nachvollziehen. Vielleicht hatte sie sich dieselbe Frage auch schon selbst gestellt, sie war doch auch wiedergeboren worden. „Du bist Saju Tachikawa. Genau die, die du bereits die letzten 18 Jahre gewesen bist. Ich bin Kikyou begegnet, da sie durch einen Zauber wiedererweckt wurde, und ich kann dir sagen, dass wir uns bis auf einige wenige Punkte nicht einmal ansatzweise ähneln und erstrecht nicht das sind, was man Freundinnen nennen könnte. Wenn ich im Mittelalter bin, dann bin ich einfach ich selbst, Kagome Higurashi. Allerdings habe ich auch keine Erinnerungen an Kikyous Leben… Dennoch wird es das Beste sein, wenn du einfach ganz du selbst bist.

Ich glaube nicht, dass etwas Bedeutendes zwischen Sesshoumaru und Sara war. Mal von dem offensichtlichen abgesehen, dass Sara in ihn verliebt war. Aber Sesshoumaru wird nichts Bestimmtes erwarten, das würde nicht zu ihm passen, so wie ich ihn einschätze. Als ich ihn zuletzt sah schien er mir ein wenig verändert und ich glaube, dass er selbst nicht ganz sicher ist wie er sich nun verhalten soll da Sara wiedergeboren wurde und er ihre Kette hatte. Als ich ihn kennen gelernt habe, hielt er nicht das Geringste von Menschen. Seitdem hat sich aber seine Einstellung geändert. Er wird mittlerweile von einem kleinen Mädchen begleitet und als Sara starb hockte er sich neben sie und steckte ihre Flöte in ihre Asche, wie Stäbchen in Opferreis. Außerdem war das auch das erste Mal, dass ich ihn hockend gesehen habe…

Menschen verändern sich durch alle möglichen Einflüsse, aber die Seele ist dennoch dieselbe. Kikyou hat sich eine Fassade aufgebaut und Sara wurde zu einer wohl behüteten Prinzessin erzogen. Wir hingegen sind durch den heutigen Zeitgeist beeinflusst worden, aber wir bleiben dennoch wir selbst.“

Ich hatte meinen Blick während Kagomes Ausführung wieder auf den Brunnen gerichtet und spürte die Nervosität in mir aufsteigen. „Wir werden ja sehen wer ich bin… Ich verhalte mich einfach wie es mir in den Sinn kommt. Wie immer also.“ Ich lachte, doch auch das klang nervös und erzwungen, zumindest für mich. Aber vielleicht kannte Kagome mich noch nicht gut genug um den Unterton zu bemerken.

„Na dann los.“, sagte sie mit Vorfreude in der Stimme, kletterte über den Brunnenrand und sprang hinab, nachdem sie mir noch einmal kurz zugezwinkert hatte. „Bis gleich.“

Überrascht blickte ich ihr hinterher. „Kagome?“, fragte ich in die erneut entstandene Stille hinein, doch sie antwortete nicht. Leise seufzend setzte ich mich auf den Brunnenrand und schwang meine Beine hinüber, sodass sie nach innen baumelten. „Brauche ich nicht irgendeine Zauberformel? ‚Sesam öffne dich‘ vielleicht?“, fragte ich voller Ironie in den Brunnen hinein, mittlerweile davon überzeugt, dass ich keine Antwort bekommen würde. Naja, was sollte es. Ein Versuch konnte kaum schaden. Außer vielleicht den Fußgelenken wenn ich mich beim Landen zu dumm anstellte. Mit einem Schulterzucken stieß ich mich vom Rand ab und machte mich auf eine unsanfte Landung gefasst, doch die blieb zu meinem Erstaunen aus. Ich hatte die Augen zugepresst gehabt, im Dunkeln halfen sie mir eh nicht, doch als der Boden einfach nicht kommen wollte, öffnete ich sie wieder und sah mich umringt von blauem Licht. Als der helle Schein schwächer wurde landete ich sanft auf dem Boden des Brunnens, der erstaunlich uneben war. Ich blickte hinab zu meinen Füßen und sah im Licht der Sonne, die von hoch oben hinunter in den Brunnenschacht schien, zahllose Schädelknochen und sonstiges Gebein. „Ist denn schon Halloween?“, fragte ich, und hörte darauf ein lautes Lachen von oben. Dort stand, dem Schacht bereits entkommen, Kagome und sah grinsend zu mir hinunter. „Irre ich mich, oder ist der Brunnen hier tiefer als vorher?“, rief ich fragend zu ihr hinauf.

„In den nächsten 500 Jahren wird wohl noch mehr Erde aufgeschüttet um die Knochen unter sich zu begraben. Siehst du die Ranken hier? Daran kannst du dich beim Hochklettern gut festhalten.“, antwortete sie.

Ich griff danach. „Na wenn du das sagst.“ Mit der Zeitreise schien sie ja immerhin Recht gehabt zu haben, denn dies war definitiv nicht mehr der Higurashi-Schrein. Irgendeine Reise hatten wir also hinter uns.

Mit einiger Mühe und Kagomes Tipps, wo man sich am besten festhalten konnte, schaffte ich es schließlich aus dem Schacht heraus und hatte einen freien Blick über das Land um uns herum. „Wow, genau wie zu Hause.“, gab ich beeindruckt zu. „Und ein wolkenloser Himmel. Beste Voraussetzungen zum Baden.“ Die Tatsache, dass hier etwas vor sich ging, was mit bloßer Logik nicht zu erklären war, versetzte mich in eine begeisterte Stimmung.

„Ich hoffe das Dorf steht noch, immerhin mussten die beiden nun einen ganzen Tag warten. Sonst müssen wir wohl unser Bad verschieben und dabei helfen zu retten was noch übrig geblieben ist. Was im schlimmsten Fall nicht allzu viel ist.“

Erstaunt blickte ich sie wieder an. „Sind sie denn so schlimm?“, fragte ich unschuldig, denn ich konnte mir nicht einmal ansatzweise vorstellen was für einen verheerenden Schaden die beiden Brüder zusammen anstellen konnten.

„Oh ja.“, antwortete sie nur kurz. „Dort hinter dem Ausläufer des Waldes liegt das Dorf.“, sprach sie dann und deutete in die entsprechende Richtung. „Es wundert mich dass sie noch nicht hier sind, so lange wie wir gebraucht haben um aus dem Brunnen zu kommen.“

Verlegen lachte ich. „Nun, das werde ich wohl noch ein paar Mal üben müssen. Aber woher sollten sie denn wissen wann genau wir kommen?“

„Es sind Hundedämonen und sie haben entsprechend gute Sinne. Wenn der Wind günstig steht, haben sie uns bestimmt mittlerweile gerochen.“

Wortlos blickte ich voraus und sah nun zwei kleine Punkte über den Baumspitzen des Waldes, die schnell größer wurden. „Sind sie das vielleicht?“ Ich war stehen geblieben und beobachtete nun wie die Punkte, der eine weiß, der andere Rot, auf der weiten Wiese landeten und schnell größer wurden. Nur wenige Augenblicke später stand Sesshoumaru in voller Lebensgröße vor mir, nur wenige Schritte entfernt, und blickte mich an. Sein Blick schien sich förmlich in mich hinein zu bohren und mein Herz begann wieder eilig zu pochen.

Wie von weit her hörte ich Kagomes Stimme, die die beiden freundlich begrüßte. „Hallo Inu Yasha, hallo Sesshoumaru.“

Inu Yasha nahm ich nur am Rande meines Sichtfeldes durch seine leuchtend rote Kleidung wahr. Mein Blick an sich blieb weiter auf seinen Bruder gerichtet, der auf Kagomes Begrüßung zwar nichts sagte, aber kurz mit dem Kopf in ihre Richtung nickte. Vielleicht seine Form ‚Hallo‘ oder ‚Danke‘ zu sagen, dass sie mich mitgebracht hatte. Ich konnte nicht sagen wie viel Zeit verging, doch erst nachdem ich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht gestrichen hatte, die mir der Wind dorthin geweht hatte, und sah wie sich sein imposanter Brustkorb bei dem folgenden tiefen Atemzug hob, sagte er etwas. „Sara?“

Seine Stimme, in Real noch weitaus faszinierender als in meinem Traum von letzter Nacht, vermochte mich fast aus dem Gleichgewicht zu bringen denn ich hatte weiche Knie, wie ich sie bisher nur aus Romanen kannte. Dennoch konnte ich diese Verwechslung nicht einfach auf mir sitzen lassen. Mit noch kräftiger klopfendem Herzen antwortete ich ihm. „Mein Name ist Saju.“, sagte ich mit Nachdruck und fragte mich, ob er meinen Herzschlag wohl hören konnte, wenn er wirklich so gute Sinne hatte wie Kagome sagte. Ihm war allerdings keinerlei Reaktion anzusehen. Vielleicht hatte er meine Antwort auch gar nicht gehört? Sein Gesichtsausdruck blieb weiterhin nicht deutbar für mich und seine goldenen Augen blieben - beinahe unangenehm - auf mich gerichtet, immerhin war er doch eigentlich ein Fremder. Auf der Suche nach einem Anzeichen davon, was er wohl denken mochte, ließ ich meinen Blick über ihn schweifen. Über seine Stirn, mit der blauen Mondsichel, die Wangenknochen mit den roten Streifen die ich nur zu gerne berühren würde, die kräftigen Schultern, wovon die zweite unter dem Fell nur zu erahnen war, das Fell selbst, dessen Haare sanft vom Wind liebkost wurden. Letzteres schien sogar einen noch größeren Drang in mir zu wecken, es zu berühren, als die Wangenstreifen es taten. Es wirkte so kuschelig.

Kagome räusperte sich schließlich und mit einiger Mühe wand ich meinen Blick von dem stattlichen Anblick, den der Hundedämon darbot, ab. „Saju, darf ich dir Inu Yasha vorstellen? Inu Yasha, das ist meine Freundin Saju. Saras Wiedergeburt.“

Freundlich lächelnd blickte ich nun Inu Yasha an, der von diesem Austausch an Höflichkeiten nicht viel zu halten schien. Er wirkte auf mich ziemlich ungeduldig. „Hallo Inu Yasha, es freut mich deine Bekanntschaft zu machen.“

„Keh. Hallo…“, gab dieser nur von sich und fing sich dafür einen unfreundlichen Blick von Kagome ein, die drohend seinen Namen aussprach. Er schien schlimmes zu ahnen, das außerhalb meiner Vorstellungkraft lag, und ergänzte seine Begrüßung daher eilig. „Nett dich kennen zu lernen.“ Dann blickte er über seine Schulter. Ich folgte seinen Blick und sah Sesshoumarus Rücken, der sich in gemäßigtem Tempo entfernte. Meine Augen verengten sich ein wenig. Von anständigen Begrüßungen schienen beide Brüder wohl gleich viel zu halten: gar nichts. Aber was ging bloß in seinem Kopf vor, dass er mich erst umständlich durch Kagome hierher führen ließ, und dann stehen ließ wie bestellt und nicht abgeholt. War es das etwa schon gewesen? Eine eingehende Betrachtung bis zu der Erkenntnis, dass ich tatsächlich nicht Sara war und ich ihn überhaupt nicht interessierte? Ich überlegte, dass ich wohl eigentlich froh darüber sein sollte, denn ich wollte nicht zu irgendetwas gezwungen sein, nur weil ich wiedergeboren wurde. Ich hätte mich genau in diesem Moment ebenfalls einfach umdrehen können um wieder nach Hause zu gehen, aber das hätte mir weder geholfen die Mysterien aufzuklären, die mich seit einer Woche beschäftigten, noch hätte mein Stolz es gut verkraftet wenn ich nicht wenigstens eine Gelegenheit gesucht hätte, um Sesshoumaru meine Meinung zu sagen. Was für ein unverschämter… nun, Dämon. Ein besseres Wort für ihn fiel mir im Moment einfach nicht ein.

Mein wütendes ihm hinterher Starren wurde allerdings von Kagome gestört. „Komm Saju, wir gehen ins Dorf. Dann kann ich dir noch die anderen aus unserer Gruppe vorstellen und wir können zur heißen Quelle gehen.“ Sie musterte mich besorgt. Vielleicht machte sie sich wieder einmal Gedanken über meinen Geisteszustand, und ich musste zugeben, dass ihre Sorgen dieses Mal nicht ganz unbegründet waren. Mein Temperament war immerhin drauf und dran mit mir durchzugehen. Ich nickte ihr zu, bereit ins Dorf zu folgen, denn etwas anderes blieb mir in diesem Moment ohnehin nicht übrig, nun da ich einen Rückzug für inakzeptabel befunden hatte.
 

Als wir zwischen den Reisfeldern am Dorfrand hindurch gingen wurden wir bereits neugierig von einigen dort arbeitenden Leuten gemustert. Zu meiner Erleichterung schien ihr Interesse an mir als Neuankömmling jedoch sehr begrenzt zu sein, was, wie ich vermutete, zum einen daran lag dass ich zusammen mit Kagome und Inu Yasha unterwegs war, und zum anderen daran, dass ich einen Kimono trug, wie er auch im Mittelalter üblich gewesen war, und damit nicht besonders auffiel. Sesshoumaru hatte ich aus den Augen verloren als wir durch den Wald gingen. Ob er auch hier im Dorf war?

Inu Yasha ging zielstrebig auf eine Hütte im Zentrum des Dorfes zu, während Kagome neben mir ging. Wir betraten gemeinsam die Hütte, in der sich gerade ein Schauspiel abspielte, das mich zum Staunen brachte. In einer Ecke saß eine alte Frau im rot-weißen Kimono einer Priesterin. An der gegenüberliegenden Wand saß ein Mönch, der gerade eine Hand zu seiner Wange anhob, auf der sich ein roter Handabdruck abzeichnete. Letzterer schien von der Frau ihm gegenüber her zu rühren, die ihre rechte Hand noch immer erhoben hatte, mittlerweile zu einer Faust geballt, und ihn wütend anfunkelte. Neben den beiden lag ein Kind mit ungewöhnlich roten Haaren laut lachend am Boden, während eine kleine Katze mit zwei Schwänzen den Kopf schief gelegt hatte und leise miaute. Wo war ich hier bloß hinein geraten?

„Kagome, Ihr seid endlich zurück. Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen wie unausstehlich Inu Yasha während Eurer Abwesenheit war.“, sprach nun der Mönch, der uns als erster bemerkt hatte.

Inu Yasha knurrte, vielleicht beleidigt, doch Kagome überging ihn einfach. „Hallo ihr alle. Ich möchte euch gerne Saju vorstellen.“, sagte sie fröhlich. „Saju, das hier sind Miroku, Sango, Kaede, Shippo und Kirara.“, stellte sie dann mir die einzelnen Anwesenden vor.

Ich sah mich gezwungen ebenfalls etwas dazu zu sagen, was ich nach einer knapp angedeuteten Verbeugung dann auch tat. „Es freut mich Sie alle kennen zu lernen.“, versuchte ich möglichst überzeugend zu sagen. Ich war mir nicht sicher wie gut es mir gelungen war, denn sie alle sahen mich noch mit jeweils demselben Blick an, wie bevor ich den Mund aufgemacht hatte. So musste sich dann wohl ein Tier im Zoo fühlen, eingeengt in ein kleines Gehege aus dem es nicht entkommen konnte und dazu verdammt bis in alle Ewigkeit von Fremden angestarrt zu werden. Schade eigentlich, dass hier kein Lehrer herein kam und, wie zu Beginn der Woche in der Schule, für Ordnung sorgte.

Plötzlich fauchte mich die kleine Katze an. Ihre Nackenhaare sträubten sich und sie entblößte deutlich ihre spitzen Fangzähne. Ratlos blickte ich zu ihr hinab. Vor einer normalen Katze hatte ich keine Angst, aber wie ich bereits festgestellt hatte, war dies keine normale Katze, was ihre zwei Schwänze eindeutig bewiesen. Daher sollte ich wohl nicht die Möglichkeit außer Acht lassen, dass sie durchaus mehr Schaden als ein paar Kratzer anrichten könnte. Dennoch wollte ich versuchen sie verstehen zu lassen, dass ich ihr sicher nichts tun würde. Außerdem würde mich doch sicher jemand retten, bevor etwas Schlimmes geschehen konnte. Schließlich gehörte die Katze doch zu ihrer Gruppe.

„Kirara…?“, hörte ich jemanden sagen, doch konnte ich die Stimme nicht genau zu einer Person zuordnen.

Langsam hockte ich mich hin und hielt der Katze meine Hand ein Stück weit entgegen, gerade so, dass sie es hoffentlich nicht als zu aufdringlich und bedrohlich einstufen würde. Misstrauisch und weiterhin mit gesträubtem Fell kam sie etwas näher und schnupperte intensiv an meinen Fingern. Sie schien zu dem Schluss gekommen zu sein, dass ich doch nicht gefährlich war und setzte sich mit einem leisen „Miau“ wieder hin.

„Das ist seltsam. Kirara hat noch nie jemanden grundlos angefaucht.“, überlegte Sango laut. „Aber… Was ist denn das für eine Kette. Die kenne ich doch.“ Sie schien kurz nachzudenken und verzog dann kurz das Gesicht, was mich stutzig machte. „Kirara muss dich wohl erst für die alte Trägerin der Kette gehalten haben, hat dann aber festgestellt das du einen anderen Geruch hast.“

Ich wusste noch immer nicht, was denn daran der Grund gewesen sein könnte mich anzufauchen, aber auch das würde ich noch aufklären. Hatte Sara sie denn bedroht? Sie hatte dieses Schwert gehabt, was offensichtlich Inu Yasha gehörte. Aber warum? Noch ein Gesprächsthema für später. Erst einmal wollte ich klarstellen, warum ich die Kette hatte. „Wie es scheint, bin ich die Wiedergeburt dieser Person…“

„Und noch viel hübscher.“, fügte der Mönch sofort hinzu und lächelte breit, was auf mich einen beinahe dämlichen Eindruck machte. Wollte er sich vielleicht einen Spaß auf meine Kosten gönnen? Ich wusste nicht wie ich das verstehen sollte, aber wenigstens entging meinen Wangen, durch die Zweifel die ich hatte, diese Gelegenheit rot anzulaufen.

„Miroku!“, erklang erneut die Stimme von Sango, die wieder denselben Blick aufgesetzt hatte wie zuvor, als wir die Hütte betreten hatten.

„Saju und ich haben uns vorgenommen zur heißen Quelle im Wald zu gehen. Kommt ihr mit?“, unterbrach nun Kagome den aufkeimenden Streit und richtete ihre Frage an Sango und Shippo.

„Was für eine vortreffliche Idee.“, sprach Miroku, und beugte sich dabei vorsorglich von Sango weg. In seinem Plan ihrer Wut zu entgehen, hatte er nur nicht den Mönchsstab bedacht, der gerade noch zwischen ihnen beiden an der Wand gelehnt hatte… bevor sie ihn geschnappt und ihm damit eine Beule verpasst hatte.

„Das hättest du wohl gerne.“, vermutete sie, wohl ganz zu Recht. Dann stand sie mit einem zufriedenen Grinsen auf dem Gesicht auf. „Gehen wir.“

Auch Shippo, der alles zuvor still beobachtet hatte, stand nun auf und gemeinsam verließen wir die Hütte. Nur Kaede zog es vor zurück zu bleiben. Als ich gerade hinter Inu Yasha aus der Tür trat, musste ich aber abrupt stehen bleiben, um ihn nicht umzurennen.

„Sesshoumaru! Ich dachte wir wären dich wieder losgeworden. Was willst du schon wieder hier?“, fragte der jüngere der beiden Brüder knurrend und blickte auf den älteren, der nur wenige Meter vor ihm stand. Er war tatsächlich wieder da. Ich merkte wie sich ein voreiliges Lächeln auf mein Gesicht stahl, während ich ihn über Inu Yashas Schulter hinweg ansah. Sobald mir allerdings wieder einfiel, wie er mich vorhin erst stehen gelassen hatte, verbannte ich das Lächeln schnell wieder. Trotzig wandte ich den Blick von ihm ab und bemerkte eine kleine grüne Gestalt, auf die wunderbar die Beschreibung eines Kappa passte. Noch ein Dämon also. Was hatte der mit Sesshoumaru zu tun?

Anstatt dass Sesshoumaru sich dazu herab ließ seinem Bruder eine Erklärung zu liefern, öffnete nun das grüne Etwas seinen Schnabel. „Mein Lord Sesshoumaru, ich verstehe nicht was wir hier bei den ganzen Menschen wollen.“, sprach es mit nörgelnder Stimme. Der Aufenthalt in einem menschlichen Dorf missfiel ihm offenbar.

Der Angesprochene sah nun mich an während er antwortete, was mir auffiel, da auch mein Blick wieder zu ihm gewandert war. Ein viel angenehmerer Anblick, zweifellos. „Es ist nicht an dir das zu verstehen, Jaken.“

„Natürlich, mein Lord, bitte verzeiht mir.“, stammelte Jaken. Sein Verhalten brachte mich beinahe zum Lachen, doch hielt ich es für gesünder dieses zu unterdrücken. Wer wusste schon wozu dieser, wenn auch recht kleine Dämon, fähig war, selbst wenn er nicht besonders gefährlich wirkte?

„Wenn ihr schon mal hier seid, möchtest du vielleicht mit uns baden kommen, Rin?“, mischte sich nun Kagome wieder ein. Überrascht sah ich mich um. Wer war Rin? Mein Blick fiel zuerst auf einen Drachen mit zwei Köpfen, aber den würde Kagome wohl kaum zum Baden einladen, wenn ich sie nicht gänzlich falsch einschätzte. Auch wenn er auf mich unglaublich süß wirkte, aber diesbezüglich unterschied sich meine Meinung wohl auch extrem von der landläufig weiter verbreiteten Einstellung dazu was süß war und was nicht.

Ein kleines Mädchen trat nun hervor und zog damit meine Aufmerksamkeit auf sich. Sie blickte ihrerseits fragend zu Sesshoumaru empor, der ihr knapp zunickte. Dann sah sie mit strahlendem Lächeln zu Kagome. „Ja, sehr gerne.“, antwortete sie mit klarer Kinderstimme. Hatte sie etwa Sesshoumarus Erlaubnis haben wollen? War dies das Mädchen, dass Kagome gemeint hatte, bevor wir durch den Brunnen gekommen waren?

Wir gingen weiter und Rins Blick fiel sogleich auf mich. „Hallo. Und wer seid Ihr? Ich bin Rin.“, sprach sie mich, freundlich wie sie offenbar war, direkt an.

Ich lächelte herzlich zurück. „Hallo Rin, mein Name ist Saju.“, stellte ich mich vor.

„Bleib bei Ah-Uhn.“, hörte ich Sesshoumarus unglaubliche Stimme hinter uns. Kurz schaute ich zurück und sah Jakens Gesichtsausdruck, der wenig Begeisterung zeigte, soweit ich den Schnabel richtig interpretieren konnte. Dann musste der Drache, neben dem er nun stand, wohl Ah-Uhn sein. Sesshoumaru selbst folgte uns in den Wald, während Rin fröhlich auf und ab hüpfend neben mir her lief. Sie war wirklich ein niedliches Mädchen. Wie konnte sie nur bei einem Dämon gelandet sein? Im Moment gab dieser sich alle Mühe so emotionslos wie nur möglich aufzutreten. War er in Wirklichkeit denn anders? Was hinderte ihn dann daran mit mir zu reden, denn wozu sonst hatte er gewollt, dass ich die Kette bekomme? Aber in Anbetracht des Verhältnisses zwischen ihm und seinem Bruder, war es wohlmöglich die Anwesenheit der Anderen, die ihn schweigen ließ. Dann musste ich wohl oder übel eine Gelegenheit finden, mit ihm alleine zu reden, sonst könnte ich noch lange auf meine Antworten warten.

Dass wir nun beinahe an der Quelle angelangt waren, merkte ich daran, dass die Männer stehen blieben. Wir Frauen gingen gemeinsam um die Sträucher herum, die zwischen den Bäumen standen und hatten sogleich eine freie Sicht auf die einladende Quelle. Nachdem ich meine Sachen am Rand abgelegt hatte und im Wasser saß, fühlte ich sogleich die entspannende Wirkung des Bades. „Warum sind die drei eigentlich bis in den Wald mitgekommen?“, fragte ich nun neugierig, denn ich stellte es mir langweilig vor, ewig im Wald zu stehen, nur um auf jemanden zu warten der sich möglicherweise ziemlich viel Zeit nahm.

„Wegen den Dämonen hier in der Gegend. Es ist nicht immer ganz ungefährlich als Mensch alleine unterwegs zu sein.“, erklärte Sango, und mir kam auch wieder in den Sinn, dass Kagome erwähnt hatte, sie sei eine Dämonen-Jägerin. Dann war der ‚friedliche‘ Sesshoumaru also eher eine Ausnahme, denn zumindest schien er mich nicht fressen zu wollen... Soweit ich das beurteilen konnte. Aber was er wirklich vorhatte war mit weiterhin ein Rätsel. Es war mir einfach nicht möglich zu verstehen was in ihm vor sich ging und was er dachte.

Wir redeten viel, und von Rin erfuhr ich, dass Sesshoumaru ihr vor einiger Zeit das Leben gerettet hatte, dass sie keine Familie mehr hatte, und seit der Rettung den stolzen Dämon begleitete. Ich sah es als Bestätigung dafür, dass er doch irgendwo ein schlagendes Herz haben musste, wenn er dieses niedliche Mädchen wenigstens gerettet hatte. Ich erfuhr außerdem auch noch vieles mehr über diese Zeit und die Leute hier und antwortete daher auf Kagomes Frage, wie mir die Zeitreise gefallen würde, ganz wahrheitsgetreu. „So nach den ersten Eindrücken zu urteilen, gefällt es mir hier ganz gut.“ Durch das ausführliche Gespräch über diese Welt, stand ich auch nicht mehr im Mittelpunkt, was mir sehr gelegen kam.

„Zeitreise? Was meint Ihr denn damit?“, fragte Rin neugierig.

Ich sah kurz ratlos zu Kagome. Hatte sie Rin noch nicht gesagt, dass sie aus der Zukunft stammte? Wie sollte ich das dem Mädchen nun erklären? Kagome jedoch schien ebenfalls ratlos und peinlich berührt. Offenbar hatte sie die Tatsache, dass Rin noch nicht Bescheid wusste, ganz vergessen gehabt. „Also… Kagome und ich, wir kommen beide aus der Zukunft. Und es gibt einen Weg den wir gehen können, um hierher zu kommen und wieder zurück.“, versucht ich zu erklären, war mir aber nicht sicher ob dies der kleinen weiter helfen würde.

„Sag mal Saju, kennst du Sesshoumaru eigentlich schon irgendwo her? Weißt du was er mit seinem Besuch hier bezweckt?“, fragte Sango dann, womit sich auch Shippos Aufmerksamkeit wieder zusätzlich auf mich richtete. Nur Kagome blickte, vermutlich um mir einen Gefallen zu tun, in den Himmel.

Ich habe ihn heute zum ersten Mal gesehen. Aber Sara kannte ihn und ich habe ein paar ihrer Erinnerungen gesehen. Nur Bruchstücke, nichts was irgendeinen Sinn ergeben würde.“, murmelte ich vor mich hin.

„Lady Sara? Meint Ihr die Prinzessin, die ihm einen Gefallen tun wollte und in ihn verliebt war?“, kam sogleich Rins vollkommen unschuldig gemeinte Frage. „Aber warum habt Ihr denn Erinnerungen von ihr? Wir sind ihr einmal begegnet, aber was seit dem mit ihr geschehen ist weiß ich nicht. Lord Sesshoumaru spricht nicht über sie, und als ich ihn einmal gefragt hab, hat er nicht geantwortet.“

Ich spürte wie mir die Röte ins Gesicht stieg, auch wenn mir natürlich bereits lange bewusst war, was für tiefe Gefühle Sara für Sesshoumaru gehabt hatte. „Es scheint so als wäre ich Saras Wiedergeburt…“, gab ich leise zu, und ahnte bereits was sie aus dieser neuen Information herausziehen würde. Aber mir war auch nicht wohl bei dem Gedanken sie anzulügen.

„Oh, das heißt sie ist gestorben… Das ist eine Erklärung.“, sagte Rin nachdenklich.

Ich nickte kurz zur Bestätigung. „Erklärung für was?“

„Na, dafür dass Lord Sesshoumaru so anders war, als er wieder zurück kam und ich nicht wusste was mit der Lady war.“, sagte sie, als wäre es das selbstverständlichste auf der Welt. „Wenn Ihr ihre Wiedergeburt seid, seid Ihr dann auch in Sesshoumaru verliebt, ja?“, fragte sie, mit neu entflammter Begeisterung und der wohl typischen Naivität eines Kindes.

Das Blut in meinen Wangen schien nun zu kochen, doch ein lautes Rascheln im nahen Gebüsch verschonte mich davor sofort antworten zu müssen. Ich wollte mich zu der Stelle umdrehen, von der das Geräusch kam, denn ich zog es vor meinen Angreifer sehen zu können, doch da erklang bereits ein tiefes Grollen, bei dem etwas in meinem Bauch einen Salto zu schlagen schien. Auf das Grollen folgte unmittelbar ein erstickter Schrei, der Stimme nach wohl von Miroku, dann ein schlurfendes Geräusch als würde etwas über den Waldboden rutschen, und schließlich ein empörtes „Hey!“ von Inu Yasha. Die Auseinandersetzung die sich da gerade abgespielt hatte, endete dann mit einer nun ausgesprochenen Drohung von Sesshoumaru, „Versuch das nicht noch einmal, Mönch.“.

Sango seufzte entnervt auf. „Das ist ja mal wieder typisch. Wie gut das Rin dabei ist.“ Rin blickte für einen Moment fragend Sango an, entschied sich dann aber offenbar doch dagegen zu diesem Thema nochmal etwas nach zu fragen. Stattdessen blickte sie wieder mich an, neugierig wie zuvor.

Ich fürchtete, mit Sicherheit zu Recht, dass Rin ihre Frage von zuvor wiederholen könnte, und stand schnell auf. Etwas zu schnell, denn in meinem Kopf drehte sich kurz alles, weshalb ich mir instinktiv an die Stirn fasste. „Mir wird zu heiß hier drin. Ich bin heiße Quellen einfach noch nicht so gewohnt wie ihr. Ich gehe schon mal zurück.“, entschuldigte ich mich, stieg aus der Quelle und zog mich wieder an.

„Soll ich mitkommen?“, fragte Kagome mit Besorgnis in der Stimme. Vielleicht nahm sie an ich wollte wieder nach Hause gehen.

„Ach, nein. Bleibt ihr ruhig noch etwas, ich finde den Weg ins Dorf schon alleine.“, versuchte ich sie zu beruhigen und verschwand zwischen den Bäumen aus ihrem Sichtfeld. Ich hatte tatsächlich vor gehabt ins Dorf zu gehen, doch während ich mir geistesabwesend mit den Fingern durch das nasse Haar fuhr, um es zu ordnen, merkte ich nun, dass Inu Yasha hier hinter dem natürlichen Sichtschutz nun alleine mit einem beleidigten Miroku saß, der sich noch immer den Dreck von der Robe klopfte. Wo war Sesshoumaru? Würde er ohne Rin ein Wort zu sagen verschwinden? Oder war es möglich, dass er unser Gespräch gehört hatte, und sich von den beiden Männern entfernt hatte, damit ich endlich mit ihm unter vier Augen reden konnte? Eine Hoffnung, die ich mir zu verbieten versuchte, keimte in mir auf und mit zügigen Schritten suchte ich mir einen Weg durch die Bäume

Verwirrtes Herz

Ich schätzte, dass ich etwa den halben Weg zurück ins Dorf zurückgelegt hatte, als ich zwischen den Baumstämmen hindurch Sesshoumaru erspähen konnte. Ihm gegenüber, keine zwei Schritte von ihm entfernt, stand eine mir unbekannte Frau. Das war nicht das, was ich zu sehen erwartet hatte und gewiss nicht das, was ich mir - trotz selbst auferlegtem Verbot - erhofft hatte. Entgegen meiner Annahme war er nicht alleine und die schwarzhaarige Frau verhielt sich, als würde sie ihn gut kennen. Selbstbewusst blickte sie zu ihm auf, ihren Fächer in der Hand, geradezu kokett. Zu meiner Verwunderung hatte sie die oberste Schicht ihres Kimonos nur mit einem Ärmel an. Sofort stieg ein unangenehmes Gefühl in mir auf, dass ich, wenn ich es hätte benennen müssen, wohl als Wut ausgedrückt hätte, aber das traf es eigentlich nicht ganz. Mit einem Augenblick Verzögerung entstand ein grimmiges Lächeln auf meinem Gesicht. Da hatte sich Sara also ganz umsonst Hoffnungen gemacht. Mir schien, Sesshoumaru war bereits vergeben, auch wenn ich - selbst jetzt - vergebens nach einer Regung auf seinem ausdruckslosen Gesicht suchte, was ich auf meine schwachen menschlichen Augen schob, die bei der Entfernung und dem dämmrigen Licht sicher nur nicht verlässlich genug waren.

Zögerlich ging ich näher heran, unsicher ob sie mich bereits bemerkt hatten oder wie sie reagieren würden wenn ich sie einfach - bei was auch immer - störte. Leise drangen einige Worte an mein Ohr. „…wenn dir etwas an mir liegen sollte…“, glaubte ich von den Worten der Frau zu verstehen. Dann griff sie nach etwas in ihren Haaren und verschwand plötzlich in die Luft. Sprachlos blickte ich ihr hinterher wie sie auf einer überdimensionalen Feder davon flog. In dieser Zeit hier war wohl gar nichts unmöglich.

Sobald ich den Blick vom Himmel abwenden konnte, die Frau war längst außer Sicht, bemerkte ich das Sesshoumaru mich ansah. Er schien über irgendetwas nachzudenken, was ich daran merkte, dass seine Augenbrauen eine kaum merkliche Spur enger zusammen gezogen waren als zuvor. Gut das ich näher heran gegangen war, sonst wäre mir das wahrscheinlich vollkommen entgangen. Was würde ich nur dafür geben seine Gedanken zu kennen. Da er den Blick nicht abwandte aber auch nicht näher kam, ging ich selbst weiter auf ihn zu. Wo zuvor die fremde Frau gestanden hatte, blieb ich stehen. Wenn ich meinen Arm ausstrecken würde, könnte ich ihn berühren. Aber das würde er gewiss niemals zulassen. Und ich wollte es doch auch gar nicht. Oder doch? „Wer war das?“, fragte ich mit fester Stimme und versuchte dabei in einem freundlichen Maße neugierig zu klingen. Höchst wahrscheinlich ging es mich nichts an, aber es bot eine Gelegenheit ein Gespräch anzufangen, was schließlich meine ursprüngliche Absicht gewesen war.

„Kagura.“, kam seine prompte, aber auch sehr knappe Antwort. Da mein Gesichtsausdruck aber offenbar meine innerliche Verwirrung, über diese für mich äußerst wenig hilfreiche Aussage, wiederspiegelte, fügte er großzügiger weise noch hinzu, „Sie ist ein Abkömmling von Naraku.“.

Es schien mir, als wollte er testen wie viel ich damit anfangen konnte, doch den Namen hatte ich wenigstens bereits gehört. Einen Moment lang überlegte ich wo und in welchem Zusammenhang. „Dieser größenwahnsinnige Halbdämon, der das Juwel haben will nach dem Kagome sucht?“, fragte ich dann nach, ziemlich sicher dass ich Kagomes Erzählung, an die ich mich gerade wieder erinnert hatte, damit gut zusammengefasst hatte.

„Ich sehe deine Freundin hat dir von ihm erzählt.“

Ich nickte zur Bestätigung. Schließlich war dies keine Frage gewesen und daher keine Antwort meinerseits notwendig. Stattdessen nutzte ich seine Gesprächigkeit für eine weitere Frage. „Was wollte sie hier, wenn sie doch zu Naraku gehört?“ Beinahe fürchtete ich schon, dass ich damit nun wirklich zu viel zu fragen wagte, doch es sah nicht so aus als ob es ihn stören würde. Andererseits verzog er, soweit ich das sagen konnte, so gut wie nie eine Miene, weshalb seine Mimik wenig Aussagekraft für mich besaß.

Er antwortete jedoch ganz gelassen. „Sie hielt es für notwendig mir einen überflüssigen Rat zu geben. Zweifellos ein weiterer Versuch ihrerseits um Naraku zu hintergehen.“

Kurz dachte ich über diese neuen Informationen nach, dann wollte ich überlegen wie ich nun mein eigentlich beabsichtigtes Gesprächsthema angehen sollte, doch hörte ich bereits die Stimmen der anderen laut lachend durch den Wald schallen. Seufzend musste ich mich damit abfinden, dass die Zeit, um mit ihm alleine zu reden, nun abgelaufen war. Warum mussten Kagome und ihre Freunde denn ihr Bad doch so kurz nach mir abbrechen? Ich erlaubte mir einen letzten Blick auf mein Gegenüber, der sich zum Gehen abgewandt hatte. Dann folgte ich Sesshoumaru mit einigem Abstand zurück ins Dorf.

Vor Kaedes Hütte blieb ich stehen, während Sesshoumaru sich neben Ah-Uhn hinsetzte und in den Himmel schaute. Rin kam gerade angelaufen. „Lord Sesshoumaru!“, rief sie laut und erfreut auf, was seine Aufmerksamkeit für den Moment auf sie zog.

Kagome und Sango gesellten sich zu mir und blickten nun erwartungsvoll zu Inu Yasha und Miroku, die ihnen gefolgt waren. „Warum bist du denn eigentlich so dreckig? Musstest du etwa auf dem Waldboden herum kriechen?“, fragte Sango schließlich scheinheilig, als ihr die Erde auffiel die Miroku trotz seiner Mühen nicht aus dem Gewand hatte klopfen können.

Während Miroku sich jedoch nur verlegen am Kinn kratzte und um Worte rang, ergriff Inu Yasha bereitwillig und breit grinsend das Wort, ganz offenbar voller Schadensfreude. „Sesshoumaru fand Mirokus Einfall, durch das Gebüsch zu schauen, wohl nicht allzu gut.“ Er wollte gerade noch mehr dazu sagen, wahrscheinlich wie genau Sesshoumaru den Mönch dann aufgehalten hatte und wie daher die Erde an das Gewand gelangt war, doch er wurde abgelenkt.

„Mein Lord, diese Kagura ist hier gewesen.“, sprach Jaken gerade sehr aufgeregt, was nicht nur Inu Yashas Aufmerksamkeit auf ihn zog.

„Ja.“, antwortete Sesshoumaru wortkarg, im gleichen Moment in dem sein Bruder einen Satz auf den Grünling zu machte.

„Kagura? Was wollte sie hier?“, fragte Inu Yasha und kam Jaken nun bedrohlich nahe.

„Nichts was dich etwas angehen würde.“, ergriff nun, zu meiner Überraschung aber Sesshoumaru wieder das Wort. Vielleicht wollte er nicht riskieren, dass Jaken verlauten ließ dass Kagura nach ihm, Sesshoumaru, gesucht hatte? Aber so aufgeregt wie Jaken schien, wusste er wohl nicht was zwischen seinem Herrn und Kagura war und war nicht an ihre Anwesenheit gewöhnt. Doch das wunderte mich nun auch, denn Jaken wich doch wie mir schien nur ungerne von Sesshoumarus Seite. Er sollte doch dann wissen wenn etwas zwischen den beiden lief. Hatte ich das vorhin vielleicht doch falsch gedeutet? Von ihrer Seite ausgehend gewiss nicht... Aber war es möglich dass er, wie alt auch immer er sein mochte, einer so schönen und aufreizenden Frau widerstehen konnte? Genaugenommen war er doch sicher auch nur ein Mann… Meine Gedanken wollten schon die nächsten Fragen aufwerfen, doch wieder ergriff Inu Yasha das Wort und ich hatte nicht vor die Fortsetzung des Gesprächs zu verpassen, nur weil ich diesen dämlichen Gedanken nachging.

„Und wo ist Naraku?“, fragte er. Einen Moment lang wartete er auf eine Antwort, doch sein großer Bruder schien keine geben zu wollen. Inu Yasha griff daraufhin nach seinem Schwert, das der am Gürtel trug.

Kagome, die das ebenfalls sah, blickte ihn nun wütend an. „Inu Yasha… mach Platz!“, sagte sie, und überraschte mich ziemlich mit ihrer Wortwahl. Noch mehr überraschte mich jedoch die Wirkung dieser Worte. Die Kette um seinen Hals begann zu leuchten und im nächsten Moment lag er, alle Viere von sich gestreckt, auf dem Boden. Ich konnte nicht anders als los zu lachen, denn die Situation war einfach zu komisch. Der Hundedämon Inu Yasha musste auf Hundebefehle hören. Ob das bei Sesshoumaru auch funktionierte? Die Vorstellung zauberte mir ein unverschämtes Grinsen aufs Gesicht, das erst verschwand als der Hund sich aufgerichtet hatte und mich nun böse ansah.

„Lasst uns doch nach drinnen gehen.“, schlug Kagome vor und rette mich damit wahrscheinlich vor dem Zorn Inu Yashas. In schweigender Übereinkunft betrat ihre Gruppe wieder die Hütte, und ich folgte ihnen.

„Ich glaube ich weiß nun was du gemeint hast, Kagome. Als du dir Sorgen gemacht hast ob das Dorf überhaupt noch steht.“, gab ich grinsend zu.

Sie lachte. „Ja, du hast gerade live erlebt wie schnell die beiden aneinander geraten. Aber das Ausmaß ihrer Zerstörungskraft kennst du zum Glück noch nicht. Vermutlich hätte heute der Wald dran glauben müssen.“

„Keh!“, gab Inu Yasha beleidigt von sich, bevor andere Themen aufgegriffen wurden.
 

Das weitere Gespräch verlief zu meiner Erleichterung eine erfreuliche Zeit lang ohne mir irgendwelche peinlichen Details zu entlocken. Zumindest solange, bis Mirokus Blick durch das Fenster auf Sesshoumaru fiel, der noch immer draußen vor der Hütte saß und Rin wohl beim Spielen zusah. Auf Mirokus Gesicht trat ein breites Grinsen, und auch wenn ich ihn noch nicht lange kannte, ahnte ich, dass dies nichts Gutes bedeutete. Auf jeden Fall nicht für mich. Sein Blick ruhte nun auf mir, als er mit triumphierender Stimme begann, „Ha! Ich kann mir denken was Sesshoumaru mit Saju…“. Weiter kam er nicht, denn erneut hatte er einen Schlag von Sango abbekommen, die rot geworden war – wahrscheinlich vor Wut über sein Benehmen. Der Morgen schien schon ewig weit zurück zu liegen und nur zu gerne wäre ich der engen Hütte und ihren Insassen entflohen, auch wenn ich Sango wohl dankbar sein sollte. Doch wenn ich jetzt raus gehen würde, wäre ihnen der Gesprächsstoff erstrecht sicher. Nein, jetzt raus zu gehen, wäre viel zu peinlich, und ich konnte ihn auch kaum vor allen Augen um ein Gespräch ohne neugierige Zuschauer bitten.

„Was soll er schon von ihr wollen?“, fragte Inu Yasha, der offenbar eine weitaus weniger bunte Fantasie als der Mönch hatte. Letzter seufzte auf die Frage hin nur hoffnungslos, wagte es jedoch nach einem Seitenblick zu Sango nicht seine Theorie weiter zu erörtern. Dennoch ließ auch mich die Frage nicht los. Was genau wollte er wirklich von mir? Was hatte er von Sara gewollt? Aus meinen bisherigen Träumen hatte ich eher den Eindruck, dass sie ihm gleichgültig war. Dennoch schien er einen Grund zu haben hier im Dorf zu bleiben.
 

Eine Weile später steckte Rin von draußen ihren Kopf hinein. „Spielt jemand mit mir?“, fragte sie, „Jaken hat keine Lust mehr…“.

Genau die Gelegenheit auf die ich schon die ganze Zeit gewartet hatte. Schnell stand ich von meinem Platz am Boden auf, schließlich konnte ich das arme Kind doch nicht ohne Spielgefährten lassen. Jetzt konnte ein gewisser Mönch doch wohl nicht behaupten, dass ich nur nach draußen wollte um Sesshoumaru zu sehen. Hier ging es um Rin. Vermutlich war es doch recht naiv von mir so zu denken, aber die leise zweifelnde Stimme in meinem Kopf ignorierte ich für den Moment. Eilig stolperte ich der kleinen hinterher, die nun wieder fröhlich loslief.

Draußen vor der Hütte saß Jaken, seinen – für ihn viel zu langen – Stab in den Händen, neben dem doppelköpfigen Drachen. Der kleine Dämon wirkte erschöpft, doch mein Mitleid für ihn hielt sich in sehr engen Grenzen. Ich erlaubte mir einen Blick hinüber zu Sesshoumaru, der noch immer genau dort saß wo er sich hingesetzt hatte als wir alle aus dem Wald zurückgekommen waren. Zu meiner Überraschung jedoch war sein Blick direkt auf mich gerichtet, und der Anblick seiner goldenen Augen brachte mich aus dem Tritt, sodass ich, über meine eigenen Füße stolpernd, beinahe hinfiel. Mist, warum musste mir das ausgerechnet dann passieren, wenn er zusah? Röte stieg mir in die Wangen. Vielleicht, dachte ich, passierte es aber auch genau deswegen: weil ich wusste das er zusah. Diese Erkenntnis machte mich irgendwie wütend. Nur weil Sara zu ihren Lebzeiten in diesen vermaledeiten Dämon verliebt war, musste ich mich jetzt Hals über Kopf in ihn verlieben? Das war doch nicht fair! Das hier, war mein Leben. Ich wollte nicht irgendwelchen Vorgaben folgen müssen nur weil es einer Prinzessin mal so eingefallen war! Noch dazu wusste ich so wenig über Sesshoumaru, dass es rekordverdächtig war. Selbst wenn sich ein jugendlicher Fan in meiner Zeit in einen prominenten Schauspieler aus dem neuesten Teenie Film verliebt – oder wie man das in diesem Falle nennen will – wusste das Mädchen dann mehr über den Schauspieler, mit dem sie sicher nie auch nur ein einziges Wort gewechselt hatte, als ich über Sesshoumaru wusste. Ich könnte mich natürlich auch jetzt einfach zurück in meine Zeit begeben, durch den Brunnen, und Sesshoumaru den Rücken kehren. Dann würde er schon sehen was er von seinem Wortkargen Benehmen hatte! Ja, genau das könnte ich tun… Aber jetzt noch nicht. Ich wollte doch mit Rin spielen…

Zu meiner großen Zufriedenheit blieb ich von weiteren Stolperfallen durch meine eigenen Füße verschont und das obwohl mir bei den kurzen Blicken, die ich hin und wieder zu Sesshoumaru warf, auffiel, dass er mich nicht aus den Augen zu lassen schien. Etwas beunruhigend fand ich sein neues Verhalten schon, doch es brachte auch gewisse Fragen auf. Sollte er als Dämon nicht eigentlich Menschen unbeachtet lassen und über keine anderen Gefühle als Hass verfügen? Auch wenn sein Gesichtsausdruck gerade - wie wahrscheinlich immer - vollkommen ausdruckslos auf mich wirke, dass ich mich fragen musste ob er überhaupt über Mimik verfügte, so glaubte ich nicht das es Hass war, was er im Moment empfand, falls er empfinden konnte. Als er vorhin mit Kagura gesprochen hatte, hatte ich sein Gesicht nicht genau genug erkennen können. Vielleicht hätte ich dort den Widerspruch zu meiner Theorie gefunden. Vielleicht hatte er tatsächlich auch positive Gefühle, wenn auch nur für Kagura… Und doch hatte er Saras Kette aufgehoben. Wusste er dass sie wiedergeboren würde? Hatte er es gehofft?

Einerseits wollte ich nur zu gerne mehr über ihn und die Umstände erfahren die zu Saras Wiedergeburt geführt hatten. Andererseits wollte ich nicht einfach ihren Platz hier in dieser Welt einnehmen, schließlich war dies nun mein Leben und ich wollte selbst darüber entscheiden. Doch wenn dies nun meine einzige Chance war, um Sesshoumaru überhaupt besser kennen zu lernen? Wenn ich dafür mein altes Leben akzeptieren musste, wie konnte ich mich dann noch weigern genau das zu tun?

Vermutlich war ich voreingenommen was ihn betraf. Da Sara so sehr in ihn verliebt war, hatte dies wohl über die Wiedergeburt hinaus angehalten. Aber für ihn war Saras Tod doch auch noch nicht lang her. War es dann nicht anzunehmen, dass er an mir sowieso nur sie wahrnehmen würde? Ich seufzte, und erneut wanderte mein Blick zu seinem Gesicht. Er sah mich noch immer an. Zögerlich versuchte ich ihm ein Lächeln entgegen zu bringen, doch seine Reaktion fiel nicht wie erwartet aus. Ich hätte mir ein Lächeln seinerseits erhoffen können, wäre ich noch naiver als ich es eh bereits war. Ich hatte keine Veränderung in seiner Mimik erwartet, doch es gab eine. Ein wenig verengten sich seine Augen und sein Mund wirkte strenger, was einen insgesamt zornigen Eindruck auf mich machte. Nur fragte ich mich, was ich ihm denn nun getan hatte. Endlich konnte ich ihm eine Gefühlsregung entlocken und dann war es Zorn? Das fing ja gut an…
 

Als es dunkler wurde holte Kagome mich zurück nach drinnen in die Hütte. Das Abendessen war vorbereitet und Großteils schweigend nahmen wir es ein. Rin leistete uns dabei Gesellschaft und blieb auch für die Nacht drinnen. Offenbar genoss sie es zur Abwechslung einmal nicht unter freiem Himmel zu schlafen, sodass ich mich unweigerlich fragte, warum sie nicht in einem Dorf der Menschen blieb. Für diese Nacht jedenfalls ließ sie es sich nicht nehmen dicht an meiner Seite einzuschlafen. Auf meiner anderen Seite lag Kagome, neben deren Kopf Inu Yasha saß, den Rücken an die Wand gelehnt und sein rostiges Schwert in den Armen. Ob vielleicht gerade dieser Anblick, direkt vor dem Einschlafen, mir die weitere Erinnerung in meinen Träumen bescherte?
 

Erneut stand ich unter dem Blätterdach des alten Baumes der in meiner Zeit im Schrein bei meinem Großvater stand. Ich war in eine prunkvolle Rüstung gekleidet und hielt ein Schwert samt Heft in meiner linken ausgestreckten Hand. War dies nicht das rostige Schwert von Inu Yasha? Tessaiga, ja das war sein Name. Und wem hielt ich das Schwert entgegen? Ja, natürlich, Sesshoumaru. Wem auch sonst. Aber musste dieser verflixte Dämon denn wirklich in jedem meiner seltsamen Träume die Hauptrolle spielen? Wenn die Rolle doch wenigstens mal die eines edlen Prinzen in strahlender Rüstung wäre. Stattdessen spielte er immer den schweigsamen, undurchschaubaren… ja, Dämon eben.

In meinem Augenwinkel nahm ich eine Bewegung wahr und blickte irritiert auf meinen rechten Arm. Oder vielmehr auf die Stelle an der er sein sollte. Anstelle meines Armes ragten einige Dämonen aus meiner Schulter und fixierten Sesshoumaru mit ihrem Blick. Mir wurde für einen Moment schlecht, was sich nicht besserte, als ich merkte, dass Sesshoumaru sein Schwert gegen mich richtete. Er machte einen schnellen Satz auf mich zu und schien mich mit dem glühenden Schwert zu durchtrennen. Schmerz stieg in mir auf, doch er stammte nicht von dem Hieb sondern kam von innen aus meinem Körper heraus. Es fühlte sich nichtmehr an als wäre es mein Körper. Wie betäubt, bewegungslos, sah ich was Geschah und nun erst merkte ich, wie verzerrt die Welt zu sein schien, hinter einem roten Schleier liegend. Hassgefühl stieg in mir auf. Es war so intensiv, dass es mich aus meinem Körper zu drängen schien. Ich hörte dass gesprochen wurde, eine grausame Stimme die aus meiner Kehle drang, und die Stimme von Sesshoumaru, doch ich konnte keine Worte verstehen. Nur langsam wurden die Worte verständlicher.

„Das ist nutzlos. Euer Schwert besteht aus purer Wut und Hass. Es nährt nur unsere Kraft.“, sprach die fremde Stimme verächtlich. Dennoch schlug Sesshoumaru erneut mit dem Schwert zu und zielte dieses Mal auf meinen linken Arm. Tessaiga wurde durch den Schlag aus meiner Hand geschleudert und flog einen hohen Bogen bevor es bei der Landung im Boden zwischen uns stecken blieb. Nach einem kurzen Zögern steckte Sesshoumaru nun sein Schwert weg und griff stattdessen mit grimmigem Gesichtsausdruck nach dem viel rostigerem Schwert das er mir entwendet hatte. Erstaunt bemerkte ich die Funken die um den Griff und seine Hand zuckten, als er die Finger darum schloss. Entschlossen zog er das Schwert aus dem Heft, wobei es sich verwandelte. Die Klinge wurde breit wie die eines Säbels. Er holte zum Schlag aus, während zahllose Dämonen ihm entgegen strömten und bevor ich selbst körperlos wurde sah ich noch wie sie alle spurlos verschwanden.
 

Geschockt wachte ich auf und blickte mich um. In der Hütte war alles still. Außer mir war wohl keiner wach. Ich fragte mich wie lange mein Albtraum mir zuvor zu schlafen gegönnt hatte, doch so oder so fühlte ich mich nicht in der Lage sofort weiter zu schlafen. Ich blickte auf Rins friedliches Gesicht und wünschte mir diese elenden Erinnerungen würden mich doch endlich in Ruhe lassen.

Leise verließ ich die Hütte und trat in die Nacht hinaus, die vom Mond und den Sternen hell erleuchtet wurde. Sesshoumaru saß an einen Baumstamm gelehnt und schlief, wie mir schien, seelenruhig. Ärger stieg in mir auf. Wie konnte dieser Dämon so unschuldig tun? Wieso waren Saras Gefühle für ihn nicht verschwunden? Immerhin war es doch er gewesen, wie ich nun nur zu gut wusste, der sie auf dem Gewissen hatte. Falls er überhaupt etwas wie ein Gewissen besaß.

Die kühle Nachtluft fühlte sich gut an und die Stille des Waldes, durch den ich nun schritt, ließ mich entspannen. Ich erinnerte mich an zu Hause, wo ich täglich den Wald um mich herum gehabt hatte und zahllose Ausritte im Zwielicht unternommen hatte. Ob Ryome, jetzt da ich in die Stadt gezogen war, noch ausreichend Bewegung bekam?

Ein plötzliches Knacken riss mich aus meinen Gedanken und alarmiert schaute ich mich um. Was hier wohl im Wald umher streifte? Vielleicht ein Wildschwein, überlegte ich, doch dann sah ich im fahlen Mondlicht was es war und erstarrte. Eine Spinne, so hoch wie meine Hüfte näherte sich mir mit bedrohlich aufgerichteten Greifern. Ich konnte ein verzweifeltes Wimmern nicht unterdrücken, auch wenn mir sehr wohl bewusst war, dass es die Spinne gewiss nicht abschrecken würde. Wenigstens sollte es die Situation nicht noch schlimmer gestalten – falls das überhaupt noch möglich war – schließlich waren Spinnen doch taub, oder? Langsam machte ich ein paar Schritte zurück, mir der Aussichtslosigkeit meiner Situation bewusst. Schon mit deutlich kürzeren Beinen hätte die Spinne mit meiner Laufgeschwindigkeit gewiss mithalten können, aber so? Von wegen Spinnen hätten mehr Angst vor Menschen als wir vor ihnen… Keine Ahnung wer sich diesen Mist ausgedacht hatte, aber das glaubte ich ja nicht mal wenn diese Viecher klein genug waren um sie in einer Hand zu zerquetschen.

„Du kannssst mir nicht entkommen, Mädchen. Ich werde dich fressssen!“, kam es plötzlich von der vermeintlichen Spinne. Aber wie ich nun wusste, war es doch nur ein Dämon. Noch dazu einer, der zu glauben schien dass es ihm keinen Nachteil einbringen würde seine Absichten zu verraten. Während er dreckig lachend stehen geblieben war, an einer Stelle an der Mondlicht durch die Blätter auf sein eingebildetes, menschenähnliches Gesicht fiel, das mir vorher nicht aufgefallen war, griff ich nach einem kräftig wirkendem Ast der neben mir auf dem Boden lag und hielt ihn wie ein Schwert vor mich.

„Esss hat keinen Zweck sssich zu wehren!“, sprach der Dämon erneut und setzte lachend zum Sprung an. Mit zusammen gebissenen Zähnen holte ich zum Schlag aus und traf den Dämon hart genug in seinem Sprung um nicht unter ihm begraben zu werden. Nun jedoch bebte sein massiger Körper und ehe ich begriff was geschah, sah ich für einen Moment nichts anderes mehr als Spinnenseide vor mir in der Luft, die mich umschließen wollte. Ich wollte ausweichen, doch war ich zu langsam. Dann mischte sich etwas anderes in den Kampf ein. Ein blaues Leuchten durchzuckte die Spinnenseide, ebenso wie den Dämon dahinter. Sicherlich konnte das nichts Gutes für mich bedeuten. Der Wald war voll von Dämonen, was Kagome mir ja zu sagen versucht hatte. Hätte ich mir ihre Worte doch bloß zu Herzen genommen. Die blaue Rettung war gewiss nur ein weiterer Dämon, der dem Spinnenvieh das Essen erfolgreich streitig gemacht hatte…

Erneut hob ich den Ast, den ich noch fest umklammert hatte, und schlug auf die erschienene Gestalt ein, ganz nach dem Motto Angriff ist die beste Verteidigung. Mein Schlag wurde jedoch derart abrupt gestoppt, dass ich um mein Gleichgewicht rang während ich den vermeintlichen neuen Gegner erkannte. Sesshoumaru. Der schon wieder. Ich beachtete kaum wie der Ast, den ich nun vorsorglich losließ, sich in grünem Nebel auflöste, sondern starrte meinen Retter mit funkelnden Augen an. „Warum rettest du mich?“, fragte ich ihn knurrend. Ich war skeptisch, nachdem er mich in meinem Traum gerade erst ermordet hatte. Außerdem gefiel mir nicht, dass er mich ausgerechnet so hilflos vorfinden musste und das Verschwinden meiner Waffe beunruhigte mich zusätzlich. Was er nun wohl von mir dachte? Er schien zumindest nicht erfreut über meine Frage, aber in dem fahlen Licht konnte ich nicht sicher sein.

„Wie kommt es, dass deine Angst weniger wurde, als der Dämon dir seine Absichten verraten hat?“, fragte er mich, ohne auf meine eigene Frage einzugehen. Dass er überhaupt das Wort an mich richtete grenzte auch so schon an ein Wunder. Noch dazu, dass er vorgab Interesse an meinem Verhalten zu haben.

„Ich habe Angst vor Spinnen, und dachte es wäre eine. Aber Spinnen reden nicht.“, gab ich zur Antwort. Dass ich daraus geschlussfolgert hatte, dass das Vieh nur ein Dämon war, konnte er sich von mir aus selbst denken.

„Lächerlich.“

„Ich weiß!“, schrie ich ihn beinahe an, aus der Fassung gebracht. Natürlich wusste mein Verstand wie lächerlich es war vor Spinnen Angst zu haben. Die meisten waren nun wirklich ungefährlich für Menschen. Dennoch jagten sie mir Angst ein, was ich darauf schob, dass ich bei den kleinen Tieren einfach keine Gemütsregungen erkennen konnte. Ich konnte mir nicht im Geringsten vorstellen was in deren Köpfen vor sich ging. Es war also vielmehr das Unbekannte und die Unwissenheit, die mir Angst einjagten. Der Dämon hingegen hatte über Mimik verfügt, hatte gelacht und ich wusste genau was er vorhatte. Das gab mir Sicherheit, so verrückt das auch sein mochte.

Sesshoumaru trat einen Schritt auf mich zu und alarmiert huschte mein Blick zu seinem Gesicht, nach einer Regung dort suchend. Doch war es für mich fast ebenso unmöglich seine Mimik zu erkennen, wie die einer echten Spinne. „Willst du mich wieder umbringen?“, fragte ich zornig über meine Ohnmacht, trat ihm jedoch einen Schritt meinerseits entgegen. Bei Tieren wirkte diese Einschüchterung oft… nun ja, bei Fluchttieren… Kerzengrade stand ich vor ihm, den Kopf herausfordernd erhoben. Die Genugtuung Angst vor ihm zu haben, wollte ich ihm keinesfalls geben, trotz allem.

Wo ein Wille ist...

Sesshoumaru schwieg weiterhin. Das an sich wunderte mich keineswegs. Hingegen wunderte ich mich darüber, dass er auch keinerlei Anstalten machte zu gehen, zumindest noch nicht. Vorerst starrten wir uns nur gegenseitig in die Augen.

Einer plötzlichen Eingebung folgend ergriff ich selbst wieder das Wort. Vielleicht konnte ich dadurch auch den Moment heraus zögern an dem er doch gehen würde. Der Anblick seiner Augen war den Versuch wert, auch wenn mir die Worte schwer fielen. „Danke dass du mich gerettet hast…“, sprach ich leise. Bei der Stille die um uns herrschte mussten seine Ohren aber nicht einmal übermenschlich sein – was sie gewiss waren – um die Worte zu hören.

„Er stand mir im Weg.“, antwortete Sesshoumaru darauf sachlich und schritt ausgerechnet jetzt doch an mir vorbei.

Er wollte wohl wieder zurück zu seinem Schlafplatz gehen. Mein Versuch eben dies heraus zu zögern war also ein sprichwörtlicher Schuss in den Ofen gewesen. „Dann bist du wohl ein Schlafwandler…“, entglitt es mir leise, bevor ich meinen Sarkasmus zügeln konnte. Alarmiert behielt ich meine Augen auf ihn gerichtet. Würde er das auf sich sitzen lassen? Nach allem was ich ihm in den letzten Momenten sowieso bereits an den Kopf geworfen hatte? Auch wenn ich persönlich der Auffassung war, dass er es durchaus verdient hatte.

Sesshoumaru blieb erschreckend ruhig. Nochmals blieb er stehen und drehte sich wieder zu mir um. „Glaubst du, bei dem Krach den du hier im Wald veranstaltet hast, hätte irgendjemand schlafen können?“

Ich hatte ja schon gelernt, dass er nicht zu Gefühlsausbrüchen neigte, aber die Klarheit mit der er dies sagte, klang nur nach der Ruhe vor dem nahenden Sturm. Wenn ich so weiter machte, konnte letzterer nicht mehr lange auf sich warten lassen. Darüber war ich besorgt genug um nicht zu merken, dass er gar keine Aussage darüber gemacht hatte, ob er überhaupt geschlafen hatte. Schliefen Dämonen so viel wie Menschen? Inu Yasha schien schlaf zu brauchen, aber er war nur ein Halbdämon. Aber wohin sollte Sesshoumaru unterwegs gewesen sein, dass ihm der Dämon im Weg gewesen war? In Anbetracht dessen, das er sich nun wieder auf den Rückweg machte wohl nirgendwo hin. Ob er mich einfach nur retten wollte? Es blieb mir ein Rätsel auf dessen Lösung ich nur gespannt und ungeduldig warten konnte.
 

Eiligen Schrittes folgte ich meinem Retter aus dem Wald. Mir war nicht nach weiterem Spazierengehen zu Mute. Nicht dass er mich in dieser Nacht nochmal retten musste.

Als ich zwischen den letzten Bäumen am Waldrand hervor trat konnte ich im Feuerschein Kagome und ihre Freunde entdecken, die vor der Hütte standen und mir entgegen blickten. Da Sesshoumaru mir einige Schritte voraus war, hatten sie uns schon früher entdeckt als ich sie. Ich wunderte mich jedoch kurz darüber dass sie wach waren. Hatte Sesshoumaru sie geweckt? Wohl kaum. Ob ich wirklich so laut gewesen war wie er behauptet hatte? Ich dachte wirklich ich wäre leise gewesen…

„Saju! Da bist du ja. Wir haben uns Sorgen um dich gemacht.“, sprach Kagome, hörbar erleichtert. Ich bezweifelte allerdings, dass sich außer ihr noch jemand wirklich um mich gesorgt hatte. Dennoch war es nett von ihr dies zu sagen. „Inu Yasha hat uns geweckt als er seltsame Geräusche aus dem Wald gehört hat. Da ist uns aufgefallen, dass du weg warst.“, sprach sie weiter. Wie beruhigend. Wenigstens war ich nur zu laut für die Hundeohren gewesen und hatte selbst nicht alle geweckt.

Ich trat noch einige Schritte näher zu allen heran, dann blieb ich stehen, ausgerechnet rechts von Sesshoumaru. Ich selbst dachte mir nichts dabei, blickte jedoch zu ihm. Vielleicht würde ein Wunder geschehen und er würde selbst erklären was im Wald geschehen war. Wie naiv ich war das überhaupt für möglich zu halten. Besser hätte ich sofort selbst mit der Erklärung begonnen, denn nun blickte Miroku grinsend zwischen dem Dämon und mir hin und her und hatte sich offenbar schnell seine eigene Erklärung zu Recht gelegt.

„Du brauchst dich doch dafür nicht zu schämen Saju. So was ist der natürliche Lauf der Dinge. Naja, etwas weniger natürlich da er ein Dämon ist, aber…“, begann Miroku mit verständnisvoller Stimme. Weiter ließ ich ihn nicht sprechen, denn schnell begriff ich was er sich mal wieder dachte. Das einzige nämlich, an das er überhaupt denken konnte. Die Männer im Mittelalter waren wohl keinen Deut besser als die in der Neuzeit. Seine Worte jedenfalls brachten mein bereits köchelndes Temperament endgültig zum Überkochen.

„Du hast doch einen gehörigen Dachschaden! Hast du eigentlich gar nichts anderes im Kopf?“, schrie ich ihm entgegen, bebend vor Wut.

„Aber das muss dir doch wirklich nicht peinlich sein.“, sprach Miroku wieder. Offenbar hatte er nicht begriffen wie kurz ich bereits davor gewesen war ihm an die Kehle zu springen. Mit einem wütenden Knurren griff ich blitzschnell nach der erstbesten Waffe die ich in die Finger bekommen konnte. Ich war sogar wütend genug um mich nicht darüber zu wundern, dass der Besitzer mich nicht daran hinderte sein Schwert zu ziehen. Mit funkelnden Augen hielt ich Miroku die Spitze des beidseitig geschliffenen Schwertes entgegen. Gerade versuchte ich eine angemessene Formulierung dafür zu finden, dass er für solche Gedanken seinen Kopf ja nicht mehr auf den Schultern benötigte, da hörte ich eine tiefe Stimme die nur so vor Hass triefte. „Ja! Töte ihn! Töte sie alle!“

Schockiert wand ich meinen Blick von dem unmöglichen Mönch ab und richtete ihn auf die nun blau glühende Klinge. Woher kam das Glühen? Und woher kam die Stimme? Noch mehr schockierte mich allerdings die Tatsache, dass mein Arm tatsächlich zu einem Schlag gegen Miroku ansetzte. Halt! Ich will ihn doch nicht wirklich umbringen! Nur weil er mir schon den ganzen Tag mit seinen perversen Gedanken auf die Nerven ging… Blaue Blitze zuckten nun um die Klinge und mein Arm hielt beängstigend bebend in seiner Bewegung inne.

„Töte ihn! Tu es endlich!“, befahl die Stimme erneut.

Mein Arm setzte sich wieder in Bewegung. Was zum Teufel hast du in meinem Kopf zu suchen? Verschwinde! Da mein Körper so willig der Stimme gehorchen wollte, musste sie wohl in meinem eigenen Kopf erklingen. Noch immer bewegte sich die Klinge, von meiner Hand geführt, auf Mirokus Hals zu. Konnte ich mich darauf verlassen das irgendjemand von den Umherstehenden mich aufhalten würde? Nein, ich musste das selbst schaffen. Ich will das nicht!, dachte ich bewusst und entschlossen. Vor Anstrengung bebte bereits mein ganzer Körper während dieses geistigen Duells. Ich will ihn nicht töten, dachte ich erneut verbissen. Die körperlose Stimme die meinen Arm geführt hatte blieb dieses Mal stumm und mein Arm sackte schlaff hinab als die Anspannung mit einem Schlag wich. Das blaue Leuchten verblasste und mir zwängte sich die Frage auf, ob es nicht nur Einbildung gewesen war, wie die Träume und Visionen die ich gehabt hatte. Wie die beiden geisterhaften Gestalten von meiner Geburtstagsfeier die ich bis jetzt erfolgreich aus meinen Gedanken verdrängt hatte.

Ich hob den Blick wieder von der Klinge und schaute unsicher in die Runde. Wenn ich mir diesen inneren Kampf nur eingebildet hatte, wenn ich jetzt doch endgültig verrückt wurde, dann hatte dies für die umstehenden sicher unterhaltsam ausgesehen. Oder vielleicht war beängstigend eher das richtige Wort dafür.

Verwunderte Augen blickten mich an, doch keiner schien nun Angst vor mir zu haben. Ich ließ meinen Blick nacheinander über die Anwesenden wandern und kam so schließlich bei Sesshoumarus Gesicht an. Nun war ich erstrecht verwundert, denn dort war eine erkennbare, wenn auch schwache, Regung festzustellen. Er war ebenfalls überrascht. Seine rechte Augenbraue hatte sich etwas höher als die linke gehoben. „Du hast Tokijin gebändigt.“ Seine Stimme war noch immer sachlich, nur eine Feststellung, doch ein wenig Anerkennung hörte ich darin.

„Wow, unglaublich.“, sprach nun Kagome. Bei ihr war es leicht zu hören wie beeindruckend sie das Schauspiel gefunden haben musste. Nur war mir nicht klar warum.

„Aber sie ist doch nur ein Mensch. Menschen haben nicht die Kraft um Tokijin zu widerstehen. Selbst der Schmied konnte es nicht.“, maulte Inu Yasha mit Unverständnis.

Natürlich musste Inu Yasha wieder so über mich reden als wäre ich nichts weiter als Luft. Erneut blickte ich auf die Klinge. Sie sah nun völlig normal aus. Was war an dieser Klinge das selbst ihr Erschaffer sie nicht zu führen vermochte? Konnte hier denn gar nichts normal sein? Das wurde mir nun wirklich zu viel. Ich hatte mir das Mittelalter nicht so schwierig vorgestellt. Nur hatte ich in dieser Planung keine Dämonen berücksichtigt. Einen Entschluss fassend hielt ich dem Oberdämon seine Waffe hin. Sollte er sie wieder nehmen. Warum hatte er sie mich überhaupt nehmen lassen? Er musste doch geahnt haben was passieren würde. War ihm Mirokus Leben und mein Seelenfrieden so unwichtig? Oder hatte Neugierde darauf was ich tun wollte gesiegt? Meine Gedanken fuhren Achterbahn und so nahm ich nicht einmal wahr wie Sesshoumaru den Schwertgriff aus meiner Hand entgegen nahm und die Klinge wieder verstaute. Ich merkte jedoch dass diese Last von mir genommen war und sofort stürmte ich in die Hütte, meinem Gepäck entgegen. Ehe jemand noch etwas gesagt hatte, kam ich mit meinem Rucksack auf dem Rücken, den Schlafsack sorglos zusammen geknüllt in den Armen, wieder heraus. Ich musste hier weg, zurück nach Hause, sofort!

Nun wagte Kagome es doch mich wieder anzusprechen. „Was hast du vor?“, fragte sie vorsichtig. Als ob das nicht offensichtlich wäre.

„Ich gehe!“, gab ich kurz angebunden zurück und richtete dann meine Schritte, so schnell es ging ohne zu rennen, dem Brunnen entgegen.
 

Ich fühlte mich elend, und jeder Schritt machte es schlimmer was meinen Drang nach Hause zu gelangen solange erhöhte, bis ich bei dem Schacht angelangt war durch den ich am Morgen mit Kagome hergekommen war. Meine Wut ließ allmählich nach. Was zurück blieb war Verzweiflung. Miroku brachte mich mit jedem Wort oder Blick dem Wahnsinn näher, Inu Yasha behandelte mich wie Luft. Kagome allein konnte das nicht ausgleichen. Und Sesshoumaru… Erst bringt er mein altes Selbst um, dann rettet er mir das Leben. Warum? Wollte er es wieder selbst sein der es beendete? Nur zu einem selbst gewählten Zeitpunkt und der heutige Abend war ihm dafür nicht gut genug gewesen?

Länger konnte ich die Tränen in meinen Augen nicht mehr zurück halten und schluchzend setzte ich mich auf das kühle Gras, den Rücken an den Schacht gelehnt, die Knie angezogen und die Arme um den Körper geschlungen. Meine Stirn ruhte auf meinen Knien und eine Träne folgte der anderen. Erbärmlich saß ich dort, völlig allein in der Nacht, zusammengekauert wie ein Häufchen Elend. Sollte doch wieder ein Dämon kommen. Dieses Mal würde Sesshoumaru mich kaum retten und die Schmerzen konnten unmöglich schlimmer sein als das was ich gerade fühlte.

Es verging eine gefühlte Ewigkeit bis die letzte Träne ihren Weg gefunden hatte und ich laut seufzend meinen Kopf wieder anhob. Bestimmt hatte ich rote Druckstellen auf der Stirn von meinen Knien, aber was kümmerte mich das jetzt. Vielmehr kümmerte es mich, wie kalt mir geworden war, wahrscheinlich von dem feuchten Gras und dem Wind der nun die Spuren meiner Tränen auf den Wangen trocknete. Gerade stand ich auf und klopfte mir das Gras von der Kleidung ab, da bemerkte ich die Gestalt die einige Meter von mir entfernt stand, völlig reglos. Wie leise musste er sich genähert haben, dass ich ihn erst jetzt bemerkte? War ich so in mein Selbstmitleid vertieft gewesen? „Stehst du da schon lange?“, fragte ich ihn misstrauisch.

„Hast du dich wieder unter Kontrolle?“, fragte er statt einer Antwort.

Ich konnte mir nicht vorstellen dass er sich Sorgen machte. Weder um sich selbst wegen mir, falls ich mich nicht unter Kontrolle hatte, noch Sorgen meinetwegen. Was wollte er also mit dieser Frage bezwecken? Mir klar machen wie wenig er, der ach so kontrollierte Sesshoumaru, von solchen Gefühlsausbrüchen hielt? Als ob ich das nicht schon begriffen hätte. Missmutig griff ich nach meinem Rucksack der noch am Boden stand und schwang ihn mir auf den Rücken. Dann drehte ich mich dem Schacht zu. Ich hätte schon längst wieder zurückgehen sollen. Eine schöne warme Dusche, ein kuscheliges weiches Bett, dann ging es mir bestimmt schnell wieder gut. Wenn ich ihn einfach vergessen… Meine Gedanken wurden Abrupt gestoppt als sich eine Hand um meinen linken Unterarm schloss.

„Was denkst du wo du jetzt hingehst?“, fragte Sesshoumaru nun. Seine Stimme war nicht weniger angenehm, doch es schwang eine gewisse Spannung darin mit. Wollte er mir etwa drohen?

Zwangsläufig drehte ich mich wieder zu ihm, wenn auch nur um den Druck auf meinen Arm zu verringern. „Wie ich Kagome bereits sagte, gehe ich nach Hause! Dahin wo ich offensichtlich hingehöre!“, antwortete ich trotzig. Hatte er mir denn nicht zugehört? Seine Augen verengten sich bedrohlich. „Was? Hast du anders entschieden und bringst mich doch heute noch um? Wenn nicht würde ich es begrüßen wenn du deine Hand von meinem Arm nehmen würdest!“

Er lockerte seinen Griff etwas und vielleicht hätte er es zugelassen wenn ich versucht hätte ihm meinen Arm mit Kraft zu entwenden, doch sprach er nun wieder. „Ich weiß nicht an was aus deinem früheren Leben du dich erinnern kannst, aber als Sara starb…“, begann er nun wieder mit ruhiger Stimme, doch unterbrach ich ihn an dieser Stelle.

„Sag doch gleich: Als du sie getötet hast.“

„Unterbrich mich nicht!“, verlangte er mit einem leisen Knurren in der Stimme. „…als sie starb war ihr Körper von Dämonen eingenommen. Sie selbst hatte keinerlei Kontrolle mehr darüber. Durch ihren Tod wurde sie von diesen Dämonen befreit. Es gab keinen anderen Weg und sie selbst hatte diesen gewählt. Stünde sie noch unter der Kontrolle der Dämonen wäre ihre Seele nicht wiedergeboren sondern mittlerweile restlos ausgelöscht worden.“

Das war definitiv die längste Rede die ich bisher von ihm gehört hatte. „Dann willst du mir damit wohl sagen das du ihr damit einen Gefallen getan hast?“

„Dir.“, korrigierte er mich. „Du trägst nun diese Seele. Du solltest glücklich sein das sie nicht zerstört wurde.“

„Aber ich bin nicht Sara!“, sprach ich mit Nachdruck. Warum eigentlich wollte das keiner verstehen? Und überhaupt, was wusste er schon vom glücklich sein?

„Nein, du bist nicht Sara Asano. Aber du kannst nicht bestreiten, dass du ihre Wiedergeburt bist. Ihr habt dieselbe Seele. Genau das ist der Grund warum du hier bist.“

Sesshoumaru ließ nun meinen Arm los und blickte empor. Ich fragte mich erst was er für ein plötzliches Interesse an den Sternen haben konnte – vielleicht hatte ich eine Sternschnuppe verpasst und ich konnte einen Wunsch doch ganz gut gebrauchen – doch dann hörte ich ein leises Summen und konnte die schemenhaften Umrisse eines übergroßen Insekts sehen. Einen Moment später schnellte seine rechte Hand empor, die Finger gestreckt, während ein grünes Band das Insekt in zwei Hälften teilte die sich auflösten bevor sie auf den Boden fallen konnten. Hatte hier denn gar kein Tier die richtige Größe? „Was war das für ein Vieh?“, fragte ich, auch wenn mich das grüne Band aus seiner Fingerspitze mehr interessierte. Vor allem erinnerte es mich an den grünen Dunst in dem sich vorhin im Wald meine Waffe verflüchtigt hatte. Ich traute mich allerdings im Moment nicht danach zu fragen weil ich mich vor der Antwort fürchtete. Sesshoumaru war gewiss gefährlicher als ich bisher angenommen hatte und ich ging nicht gerade behutsam mit ihm um.

„Eins von Narakus giftigen Insekten. Er setzt sie als Spione ein.“

Ich fröstelte und schlang meine Arme um den Oberkörper um mich wenigstens etwas zu wärmen. Während ich versuchte zu verstehen warum Naraku einen Spion hierher gesandt hatte, landete mein Blick auf Sesshoumarus Schulterfell, oder was auch immer es darstellte. Bestimmt war es kuschelig und warm… Ich spürte wie mir Röte ins Gesicht stieg und lenkte meine Gedanken schnell wieder in eine andere Richtung. „Da du den Spion beseitigt hast, wird Naraku wohl keine neuen Informationen von ihm bekommen haben. Oder?“

„Doch, ich denke schon. Er hat so seine Möglichkeiten.“

Als er nun wieder schwieg wanderten meine Gedanken zurück zu dem Thema bei dem sie vor dem Insekt gewesen waren: Sara. Ich wusste, dass sie eine Prinzessin war und ungewöhnliche Fähigkeiten gehabt hatte. Dass sie sich in Sesshoumaru verliebt hatte und für ihn Blumen sammelte und auf ihrer Flöte spielte. Sogar Tessaiga wollte sie für ihn beschaffen und doch starb sie am Ende durch seine Hand. Was für ein trauriges Schicksal. Wie es wohl nun aussah, nach ihrer, nein, meiner Wiedergeburt? „Wieso hast du mich heute gerettet?“, fragte ich, auf ein Neues mein Glück versuchend etwas mehr über seine Beweggründe zu erfahren.

„Das ist meine Sache.“, gab er zur Antwort, dann drehte er sich um und machte sich auf den Rückweg Richtung Dorf.

Was für eine außerordentlich hilfreiche Antwort das mal wieder gewesen war… „Und jetzt?“, fragte ich verwirrt. Er war es doch gewesen, der mich eben aufgehalten hatte.

„Tu was du willst.“

Sehr großzügig. „Dann kann ich jetzt zurück in meine Zeit gehen?“

„Interessiert mich nicht.“ Seine Stimme kam immer leiser bei mir an, denn noch immer entfernte er sich von mir und wandte zum Sprechen nicht einmal den Kopf.

„Fein!“, rief ich ihm hinterher. Wenn es ihn nicht interessierte… dann konnte ich ebenso gut noch bis morgen hier bleiben und wie geplant mit Kagome zurückgehen. Aber weswegen war er mir dann überhaupt hierher gefolgt? Hatte er nur die Umstände von Saras Tod erklären wollen? Seine Ehre dadurch erhalten? Entschlossen lief ich los bis ich ihn eingeholt hatte und neben ihm ging. „Dann stört es dich ja auch nicht wenn ich doch noch einen Tag länger bleibe.“, stellte ich fest und verschränkte die Arme, den Schlafsack, den ich noch immer nicht in den Rucksack gepackt hatte, wieder festhaltend.

Er schwieg erst, und ich dachte schon er würde gar nicht mehr antworten. „Warum ausgerechnet einen Tag?“, fragte er dann, ohne mich anzusehen.

„Dann ist das Wochenende um und ich muss wieder zur Schule.“, erklärte ich.

„Hm.“, gab er darauf nur noch leise von sich

Aussichtsloser Kampf

Zurück im Dorf war ich froh, dass Kagome und ihre Freunde sich wieder zum Schlafen hingelegt hatten. Noch ein Kommentar von Miroku, darüber warum ich wohl schon wieder zusammen mit Sesshoumaru zurück kam, noch dazu wo ich doch eigentlich nach Hause hatte gehen wollen, konnte in meinem Gemütszustand definitiv nicht förderlich sein. Nun allerdings waren Jaken und Ah-Uhn wach und blickten uns entgegen.

„Lord Sesshoumaru! Wohin wart Ihr denn verschwunden? Und was macht diese Frau schon wieder bei Euch?“, sprach der kleine Grünling aufgeregt und blickte mich missmutig an. Komisch, aber es sah fast aus als wäre er… eifersüchtig? Als ob er Sesshoumaru als sein Eigentum betrachtete, was bereits bei der Vorstellung geradezu lächerlich und unmöglich war.

Sesshoumaru ließ sich nicht einmal zu einer Antwort herab, doch Jaken schien die Bedeutung des Schweigens verstanden zu haben. Falls er dieses Talent generell hatte, konnte man ihn wirklich darum beneiden. Ob man lernte das Schweigen zu deuten wenn man nur lang genug mit dem Schweigsamen zusammen unterwegs war? Wobei er mit mir doch schon verhältnismäßig viel geredet hatte, sobald keine anderen Zuhörer zugegen waren. „Verzeiht mein Lord, dass ich gefragt habe. Natürlich geht mich das nichts an.“, stammelte Jaken.

Grinsend über sein kriecherisches Verhalten betrat ich die Hütte in der ich die anderen, wie bereits vermutet, schlafend vorfand. Leise schlüpfte ich zurück in meinen Schlafsack.

„Du bist doch wieder da?“, fragte eine leise Stimme. Irritiert blickte ich mich um und sah Inu Yashas Augen auf mich gerichtet. Für seine Ohren war ich wohl noch nicht leise genug gewesen, aber ich war auch überrascht über seinen ungewohnt freundlichen Tonfall. Hatte Kagome das bewirkt? Oder reichte allein die Abwesenheit seines Bruders dafür aus?

„Ja… Ich werde doch erst morgen mit Kagome zurückgehen. Das hatten wir ja auch ursprünglich so geplant.“, antwortete ich müde. Jetzt wo ich mich wieder hin gelegt hatte und entspannte, bemerkte ich die Müdigkeit erst richtig und wenig später schlief ich tief, fest und vor allem traumlos, worüber ich sehr dankbar war. Ich brauchte nicht noch mehr Träume über Sara und Sesshoumaru, die mich doch alle nur früher oder viel früher in den Wahnsinn stürzen würden, noch dazu wo das Original nicht weit weg war.
 

Als ich am nächsten Morgen wieder erwachte, brauchte ich einen Moment um zu begreifen wo ich war. Der Raum war, abgesehen von Kagomes riesigem Rucksack und ein paar Decken, wie leergefegt. Ob die anderen alle draußen zusammen saßen? Mir fiel wieder ein wie gut Inu Yasha sich mit seinem Bruder verstand. Das machte es unwahrscheinlich dass wirklich alle zusammen saßen. Ich streckte mich und stand dann auf um nach draußen zu gehen.

„Guten Morgen Saju.“, rief Kagome mir entgegen, sobald ich hinaus ins Freie trat.

Ich warf einen kurzen Blick gen Sonne bevor ich Kagome ansah. „Danke. Auch wenn es schon fast Mittag zu sein scheint.“, gab ich zurück. Neugierig sah ich die anderen an und begrüßte auch sie freundlich. Ich brauchte nicht erst durchzuzählen um zu bemerken dass die Truppe nicht komplett war. Wenigstens nicht nach meiner Definition. Sesshoumaru, Rin, Ah-Uhn und Jaken fehlten. Auch wenn ich letzteren nicht vermisste, fragte ich mich doch wohin die vier verschwunden waren. „Wo ist S… Rin?“, fragte ich an Kagome gewandt. Jetzt Sesshoumarus Namen aussprechen und Miroku wäre wieder für den restlichen Tag mit Gesprächsthemen versorgt…

„Sie ist heute früh mit Sesshoumaru wieder losgezogen, lässt dich aber grüßen.“, antwortete mir Kagome. „Ich wollte dich nicht aufwecken. Inu Yasha hat gesagt das du erst spät zurückgekommen bist und da die vorherige Nacht wegen deiner Geburtstagsfeier auch nicht besonders lang gewesen war, wollte ich dich ausschlafen lassen.“

Ich seufzte leise. Die Geburtstagsfeier schien nach dem gestrigen ereignisreichen Tag bereits ewig zurück zu liegen. „Danke.“, überwand ich mich dann zu sagen und setzte ein Lächeln auf. Das Ausschlafen hatte mir zwar gut getan, aber dennoch hätte ich gerne… Naja, was eigentlich? Mich von Sesshoumaru verabschiedet? Bei seiner und meiner Neigung zu vielen Worten wäre daraus eh nichts geworden. Und überhaupt wäre das für mich wahrscheinlich auch wieder überdurchschnittlich peinlich ausgefallen. „Und? Was machen wir heute, abgesehen von unseren Hausaufgaben?“, fragte ich wieder an Kagome gewandt, nun überzeugt grinsend und meine Gedanken bewusst anderen Dingen zuwendend.

„Also, ich dachte ich könnte dir etwas die Gegend zeigen, wenn es dich interessiert. Kirara kann uns tragen. Zu Fuß kämen wir vermutlich nicht besonders weit.“

Irritiert blickte ich zu der kleinen Katze die gerade damit beschäftigt war das Fell an ihren dunklen Pfoten zu putzen. Die sollte uns tragen? Die anderen lachten, als sie meinen skeptischen Blick sahen. „Ähm… Ich glaube ich bleibe lieber bei den gewöhnlicheren Fortbewegungsmitteln… Wenn mir jemand ein Pferd ausleihen kann zumindest.“

„Wenn du Reiten kannst, darfst du dir gerne mein Pferd ausleihen.“, meldete sich nun Kaede zu Wort.

„Vielen Dank! Reiten kann ich.“, sagte ich, erleichtert, woraufhin sie freundlich lächelte.

„Nun iss du erst einmal etwas. Ich bringe mein Pferd nachher hier her.“
 

Die anderen hatten bereits gefrühstückt, da, wie Kagome mir entschuldigend erklärte, Inu Yashas Hunger kaum zu bändigen war. Ich lachte, denn eben dieser warf der Schüssel vor mir gerade einen Blick zu als würde er über ein zweites Frühstück nachdenken. „Das macht doch nichts, Kagome. Ich bin doch selbst schuld wenn ich so lange schlafe.“

Nun kam Kaede zurück, ihr gesatteltes Pferd rechts neben sich führend. Neugierig stand ich auf und ging auf sie zu. Das Pferd, ein Stute mit Namen Tsuzu, war mittelgroß und braun mit wachen Augen und aufmerksam gespitzten Ohren. Die Stute schien mir etwas schmächtig, doch wen wunderte das wenn ich sie auch mit Ryome verglich. Tsuzu war ein Warmblutpferd, Ryome dagegen ein Kaltblut und einige Zentimeter größer.

Ich nahm die Zügel von Kaede entgegen und dankte ihr nochmals. Dann hielt ich der Stute eine Hand vor die Nüstern, sodass sie daran schnuppern konnte. Neugierig stupste sie meine Finger an und ließ sich streicheln. Ich prüfte nochmal den Sattelgurt und stellte die Steigbügel soweit es eben bei diesem mittelalterlichen Sattel möglich war, auf meine Länge ein. Dann blickte ich zu Kagome. „Ich bin soweit. Von mir aus können wir los.“

Kagome nickte mir kurz zu und wandte sich dann an die kleine Katze. „Kirara?“, fragte sie knapp, was mit einem Miau quittiert wurde. Dann trat die Katze ein paar Schritte vor und ich erschrak als sie sich plötzlich fauchend in eine bedeutend größere Katze mit Säbelzähnen verwandelte. Tsuzu neben mir zuckte kurz, schien sich aber viel mehr an meinem kurzen Schock-Zustand zu stören als an der Verwandlung der Katze, die ihr wohl schon bekannt war. Entschuldigend strich ich ihr über den Hals und saß dann auf. Kagome legte gerade noch ihren Bogen um die Schultern und schwang sich dann auf Kiraras Rücken. „Los geht’s!“

Die Zügel wie gewohnt in der linken Hand haltend gab ich Tsuzu das Signal los zu gehen. Kirara sprang mit einem Satz neben mich und gemeinsam machten wir uns auf in die große weite Welt. Ich schmunzelte bei dem Gedanken und winkte den anderen nochmal zum Abschied, wobei mir Inu Yashas besorgter Blick auffiel mit dem er Kagome nachsah.

„Inu Yasha hat wohl auch einen verborgenen Beschützter-Instinkt?“, fragte ich an Kagome gewandt, als wir meiner Schätzung nach außer Hörweite waren.

„Was? Wie kommst du jetzt da drauf? Und wieso ‚auch‘?“, fragte sie darauf hin.

„Naja, so besorgt wie er dir hinterher gesehen hat…“ Ich ließ den Satz unbeendet. Mochte sie sich denken wie ich es gemeint hatte.

„Es wimmelt hier eben häufig von Dämonen, aber ich hab ja meinen Bogen dabei.“, erklärte sie. Dann kam sie leider auf meinen kleinen Ausrutscher zurück. „Wieso ‚auch‘?“

„Ist mir so rausgerutscht…“, murmelte ich, und hoffte naiv wie ich mal wieder war, dass sie sich damit begnügen würde.

„Aufgrund von…?“, hakte sie dennoch nach, wenn auch in einem freundlichen Tonfall.

Ich seufzte. Nun kam ich wohl doch nicht umhin ihr zu erzählen was Sesshoumaru letzte Nacht im Wald gesucht hatte. „Sesshoumaru hat mich letzte Nacht vor einem Dämon gerettet. Ich hatte wieder so einen Traum, eine Erinnerung an Saras Leben – oder das was noch davon übrig war… Da ich dann nicht mehr weiterschlafen konnte, wollte ich etwas frische Luft schnappen. Ich gebe zu, ich hatte deine Warnung wegen den Dämonen vergessen.“ Ich grinste verlegen, dann sprach ich weiter. „Plötzlich tauchte eine riesige Spinne vor mir auf und da hab ich natürlich erst einmal Panik bekommen. Ich hasse Spinnen!“, sagte ich nachdrücklich. „Dann sprach das Vieh plötzlich und meinte es wolle mich auffressen. Ich griff nach einem Ast um zu verhindern als Spinnenfutter zu enden, doch dann war es Sesshoumaru der das Vieh ins Jenseits befördert hat. Es ging so schnell das ich gar nicht sagen kann wie er das eigentlich angestellt hat… Es ging nur auch so schnell, dass ich erst nicht bemerkt habe dass er es war und ich dachte jetzt wäre halt ein noch größerer und hungrigerer Gegner aufgetaucht. Ich schlug also mit meinem Ast zu…“ Ich machte eine Pause, nicht aus erzähltechnischen Gründen, um die Spannung zu steigern, sondern vielmehr weil es mir peinlich war das ich tatsächlich nach Sesshoumaru geschlagen hatte. Nicht dass ich eine Chance gehabt hätte ihn auch nur annähernd zu verletzten.

„Du hast tatsächlich mit diesem Ast nach Sesshoumaru geschlagen?“, fragte Kagome, scheinbar schockiert. Sie musterte mich als würde sie nach Folgen dieser Tat suchen.

„Ja. Ich hab es zumindest versucht. Ich dachte ja er wollte mich fressen oder sowas. Aber er hat den Schlag einfach mit einer Hand abgewehrt. Und dann hat sich der Ast plötzlich aufgelöst. Wie hat er das gemacht?“, fragte ich, nun wieder neugierig geworden.

„Das war bestimmt sein Gift. War es grün?“

„Ja, da war grüner Nebel oder so… Er ist giftig?“ Die Nachricht beunruhigte mich ein wenig und unbewusst fasste ich mir an das Handgelenk wo er mich gestern zurück gehalten hatte. Und danach hatte er mit einem leuchtend grünen Band eines von Narakus Insekten zerteilt.

„Seine Finger sind giftig, oder ätzend, wie auch immer.“ Sie blickte auf meinen Arm den ich noch immer umklammert hielt, in Erinnerung an seine recht unsanfte Berührung. „Keine Sorge, er kann das kontrollieren. Sonst wären seine Schwerter ja schon längst zersetzt worden. Wobei ich mir nicht sicher bin ob er das auch in Hundegestalt steuern kann, oder ob dann sein Speichel allgemein giftig ist…“

Ein wenig Röte war mir ins Gesicht gestiegen als sie bemerkt hatte wie besorgt ich meinen Arm umklammert hielt. Den hatte ich darauf hin natürlich wieder los gelassen. Nun jedoch war ich nicht unbedingt weniger beunruhigt. „Hunde-Was?“ Hatte ich das richtig gehört? Kagome hatte mir ja gesagt, dass er ein Hundedämon war, aber von einer anderen Gestalt war ganz sicher nicht die Rede gewesen. Ich stellte mir vor wie Sesshoumaru sich in einen Akita Inu verwandelte und musste dabei fast laut lachen. Aber sicher war seine Gestalt größer als ein normaler Hund. Wenn sein Größenzuwachs etwa dem von Kirara entsprach musste er riesig sein. Er war wohl doch nicht so ungefährlich wie ich die ganze Zeit über angenommen hatte. Und ich musste ihn auch noch ständig reizen. Aber er trieb mich nun einmal in den Wahnsinn. Ob das in der Familie lag? „Sag mal… Wie hältst du das eigentlich mit Inu Yasha aus? Geht der dir nicht gelegentlich auf die Nerven?“

„Ständig!“, sagte sie lachend. Dann war es wieder an ihr rot zu werden. „Aber er ist nicht immer so…“

Ich erinnerte mich wie freundlich er gewesen war, als ich diese Nacht doch wieder zur Hütte zurück kam als alle anderen schliefen. Ob ich mitleiderregend genug ausgesehen hatte? Die Wangen voller getrockneter Tränen und Gras am Kimono? Vielleicht war er in diesem Punkt aber doch wie sein Bruder. Solange es keine Zeugen gab konnten sie doch ein wenig freundlich sein.

„Wie kommt es eigentlich das du doch zurückgekommen bist? Ich war noch eine Weile wach, aber so lange wie du da bereits fort warst dachte ich du wärest längst zu Hause angekommen. Hat deine Rückkehr zufällig etwas mit einem gewissen Hundedämon zu tun?“

„Hmpf. Der Kerl ist doch auch undurchschaubar. Keine Ahnung was Sara von ihm wollte.“ Das war gelogen. Ich konnte mir denken was sie gewollt hatte. Und konnte ich es nicht auch nachvollziehen? Er sieht gut aus, er ist stark, hat eine sagenhafte Stimme, nur sein Charakter ließ zu wünschen übrig. Und letzteres war doch eigentlich der wichtigste Punkt.

„Ich glaube auch der kann ganz anders sein. Andernfalls kann ich mir nicht vorstellen wie Rin es bei ihm aushält.“

„Vielleicht kann er das… Aber nicht bei mir.“

„Er war so viele Jahre, wahrscheinlich sogar Jahrhunderte, gefühlskalt und abweisend. Ich denke er braucht nun etwas Zeit um ‚aufzutauen‘. Und Rin hat dabei schon ganze Arbeit geleistet, wenn ich seine Einstellung bedenke die er bei unserer ersten Begegnung Menschen gegenüber hatte. Noch dazu schien er nicht mit Saras so baldiger Widergeburt gerechnet zu haben, falls er damit überhaupt gerechnet hat.“

„Jahrhunderte?“ Erneut schockiert blickte ich wieder zu Kagome. Wie viel gab es noch, dass ich nicht über ihn wusste? „Wie alt ist er denn bitte?“ War ich ernsthaft in einen alten Knacker verliebt? Ob Sara anders gefühlt hätte wenn sie das gewusst hätte? Vermutlich nicht. Und woher wollte ich schon wissen ob sie es nicht sogar gewusst hatte?

Kagome lachte herzhaft. „Genau weiß ich es nicht. Aber er ist auf jeden Fall älter als 200, denn so alt ist Inu Yasha. Aber wie du an seinem Benehmen unschwer bemerken kannst, altern Dämonen und auch Halbdämonen bedeutend langsamer. Entsprechend brauchen sie auch länger um erwachsen zu werden.“

„200? Inu Yasha benimmt sich teilweise wie… 15?“ Nun lachte ich auch. 15 war vermutlich doch übertrieben, aber der Gedanke erheiterte mich.
 

Wir wechselten das Gesprächsthema und Kagome griff meine Vorstellung mit dem Schwert von letzter Nacht wieder auf.

„Ich bin neugierig. Was genau ging da diese Nacht vor sich als du Miroku Tokijin an den Hals gehalten hast?“, fragte sie.

„Miroku… der hat es echt übertrieben mit seiner Fixiertheit auf gewisse Dinge. Ich hatte nicht vor ihm wirklich etwas an zu tun, glaube ich. Aber ich war so zornig das ich die erstbeste Waffe ergriffen habe die ich in die Finger bekam. Da Sesshoumaru nun mal neben mir stand, war das sein Schwert.“ Mittlerweile war ich zu der Einsicht gelangt, dass das Schwert gewiss nicht mit mir geredet hatte – wie denn auch – und schon gar keinen eigenen Willen besaß der versucht hatte den meinen zu brechen. Bestimmt war alles Einbildung gewesen weil ich doch eindeutig zu wenig Schlaf und zu viel verwirrende Gedanken gehabt hatte.

„So viel habe ich gesehen. Und das du Miroku nicht umbringen wolltest glaube ich auch. Was ich aber meinte war: Wie lief der Kampf gegen Tokijin ab? Das Schwert wollte dich doch gewiss dazu bringen nach ihm zu schlagen.“, erklärte Kagome nun.

War dieses Gefühl was ich verspürt hatte, der Drang Miroku den überflüssigen Kopf von den Schultern zu schlagen, doch keine Einbildung gewesen? „Ich… bin nicht sicher. Warum sollte mich ein Schwert dazu bringen wollen jemanden umzubringen?“, fragte ich zurück, auf eine logische Erklärung hoffend. Vielleicht war ja mein Geisteszustand doch noch nicht so schlimm wie ich angenommen hatte. Das wären doch mal gute Neuigkeiten.

„Tokijin ist ein dämonisches Schwert. Es wurde – ebenso wie Tessaiga und Tenseiga – aus dem Zahn eines Dämons geschmiedet. In Tokijins Fall war es ein Abkömmling von Naraku, das personifizierte Böse quasi. Er hatte die Gestalt von einem haushohen Drachen und war sogar in der Lage Tessaiga durch einen Biss durchzubrechen.“

„Der muss ja gewaltige Zähne gehabt haben. Ein Säbelzahndrache?“ Ich lachte, bevor ich zu dem Schluss kam, dass das Thema zu ernst war, um darüber allzu viel zu lachen. „Wenn ich dich also richtig verstehe, dann ist der böse Wille von Tokijin in dem Schwert geblieben? Dann waren auch die blauen Blitze um die Klinge und die Stimme in meinem Kopf keine Einbildung?“, fragte ich nun, zuversichtlicher geworden.

„Genau. Und bisher hat es noch für keinen Menschen ein gutes Ende genommen wenn er ein Dämonenschwert geführt hat. Der Schmied selbst hat den Kampf gegen das Schwert verloren. Er war auch ein Mensch.“ Kagomes Stimme wurde gegen Ende des Satzes leiser.

„Aber jetzt wo Sesshoumaru das Schwert hat, geht es ihm wieder gut?“ Wie naiv ich doch war, dass erst noch zu fragen. Wo sie doch gesagt hatte, dass er ein Mensch ‚war‘.

Kagome schüttelte den Kopf. „Nein. Er ist tot.“

Ich senkte den Blick. Was für ein Schicksal ein solches Schwert zu schmieden und dann deswegen sein Leben zu verlieren. „War es dann nicht eigentlich ziemlich unverantwortlich von Sesshoumaru, überhaupt zuzulassen dass ich das Schwert ziehe? Wenn ich dieser Stimme nun nicht widerstanden…“ Ich brach den Satz ab als Tsuzus Kopf aus seiner normalen lockeren Position in die Höhe schnellte und ihre Ohren nervös zuckten. Alarmiert blickte ich mich um, denn hören konnte ich nichts Ungewöhnliches. Oder doch? War dieses Summen nicht viel zu laut für eine normale Biene? Das klang der Lautstärke nach eher nach einem ganzen Schwarm. Ich hob den Kopf und sah ein einzelnes Insekt, fast direkt über uns. Nur war dieses wieder einmal viel zu groß geraten. „Ist es normal, dass die Viecher hier so überdimensioniert sind? Oder ist das wieder einer von Narakus Spionen? Kannst du es von hier mit einem Pfeil treffen?“, fragte ich nun wieder an Kagome gewandt und deutete gen Himmel.

Nun sah auch sie das Insekt, doch statt nach ihrem Bogen zu greifen schüttelte sie den Kopf. „Nein, wir sollten es nicht abschießen. Es könnte uns zu Naraku führen und wir haben schon so lange keine brauchbare Spur mehr von ihm gehabt.“ Sie dachte scheinbar angestrengt nach.

„Warum hat Sesshoumaru letzte Nacht dann eines von ihnen zerteilt? Er sucht doch auch nach diesem Naraku?“

„Keine Ahnung. Er benimmt sich wirklich seltsam seit einigen Tagen…“ Sie schien nun zu einem Entschluss gekommen zu sein, denn ihre Miene hellte sich etwas auf. „Meinst du, du könntest ihm zu Pferd folgen? Ich gehe mit Kirara zurück zum Dorf und wir holen Inu Yasha und die anderen. Inu Yasha wird deiner Spur folgen können.“, schlug sie vor.

„Dem Insekt folgen dürfte kein Problem darstellen, wenn Tsuzu genug Ausdauer hat zumindest.“, sagte ich leichthin.

Kagome nickte und machte dann kehrt. Das letzte was ich von ihr noch sah, war ein kleiner Punkt im Himmel als Kirara fliegend zurück eilte.
 

Das Insekt hatte sich während ich Kagome nachgesehen hatte schon ein Stück von mir entfernt und so trieb ich die Stute nun zu einem leichten Galopp an um es nicht entkommen zu lassen. Schließlich wollte ich Kagome nicht enttäuschen und stattdessen auch mal von Nutzen sein. Nebenbei genoss ich die weichen Bewegungen des Pferdes, wo ich doch seit meinem Umzug in die Großstadt nicht mehr geritten war. Gerade als wir den Spion fast eingeholt hatten, legte er an Tempo zu. Komisch. Hätte das Insekt nicht schon vorher schneller fliegen sollen, falls es geplant hatte mich abzuhängen? Es schien fast als hätte es auf mich gewartet, aber was sollte das für einen Sinn haben? Es war wohl einfach zu dämlich um vorher auf die Idee gekommen zu sein.

Eine ganze Weile lang folgte ich dem fliegenden Spion über Wiesen und durch Waldstücke. Tsuzus Ausdauer war beeindruckend. Aber wenn ich darüber nachdachte, war es in dieser Zeit für die Leute auch wirklich lebenswichtig gewesen ihre Pferde gut zu trainieren und sich auf sie verlassen zu können.

Gerade verließen wir wieder ein Waldstück, als das Insekt plötzlich mit einer Geschwindigkeit wegflog, die ich ihm überhaupt nicht zugetraut hätte. Erneut fragte ich mich, warum es nicht schon vorher versucht hatte mich abzuhängen. Ich wollte die Stute schon antreiben, doch dann sah ich etwas nicht weit vor mir stehen. Etwas, oder vielleicht auch jemanden, neben dem das Insekt angehalten hatte. Nun doch noch misstrauischer geworden zügelte ich mein Pferd und kam, mit einigen Metern Sicherheitsabstand von dem Unbekanntem, zum Stehen.

„Da bist du ja endlich, Saju.“, richtete der Mann, dessen Gestalt ich nun erkennen konnte, das Wort an mich. Ich hatte seine Stimme nicht hören müssen um ihn in seiner seltsamen Rüstung für gefährlich zu halten, doch nun wo ich sie hörte verstärkte sich das ungute Gefühl das ich bereits hatte. Wenn ich doch wenigstens eine Waffe bei mir hätte…

„Woher kennst du meinen Namen? Wer bist du? Wieso ‚endlich‘? Was willst du von mir?“ Die Fragen flossen förmlich aus mir heraus und misstrauisch hielt ich die Augen auf mein Gegenüber gerichtet während ich nun die Zügel fest mit beiden Händen ergriff. Für den Fall das ich plötzlich fliehen musste wollte ich schließlich bereit sein. Warum hatte Kagome eigentlich nicht daran gedacht das ich unbewaffnet war. Und sollte Inu Yasha mich nicht auch schon längst eingeholt haben?

„Ich denke du weißt sehr gut wer ich bin. Kagome und du habt über mich gesprochen. Ebenso wie du mit Sesshoumaru über mich sprachst.“ Er machte eine dramaturgische Pause. „Glaubst du, du hättest mehr Erfolg bei ihm als Kagura die Winddämonin? Er wird sich niemals mit einem Menschen einlassen. Alles was für ihn zählt ist Tessaiga, das Schwert seines Vaters. Dafür würde er jeden umbringen. Seinen Bruder, und auch dich, wenn nötig, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.“ Seine Stimme klang verächtlich und unwillkürlich lief mir ein kalter Schauer über den Rücken. Gewiss würde er Rin nicht dafür opfern, oder? War er wirklich so kaltblütig?

„Was willst du von mir?“, wiederholte ich die unbeantwortet verbliebene Frage. Wer er war wusste ich nun, Naraku. Und da seine Spione mich belauscht hatten kannte er meinen Namen. Doch zusätzlich rief mir der Name ‚Kagura‘ wieder etwas ins Gedächtnis. Sie war doch gestern bei Sesshoumaru gelandet. Ob sie etwas über mich erfahren und Naraku berichtet hatte? Aber was interessierte er sich eigentlich für mich? Glaubte er mich als Druckmittel einsetzen zu können? Als ob sich hier in dieser Zeit irgendwer wegen mir erpressen ließ. Das Sesshoumaru sich nicht für mich interessierte, war ihm doch offenbar selbst bewusst. Naja, vielleicht Inu Yasha, wenn Kagome ihn bat mich zu retten. Aber hätte Naraku dann nicht Kagome statt mich in eine Falle gelockt? Aber wohlmöglich hatte er das auch, und deswegen war Inu Yasha noch nicht hier, weil sie ihn nicht erreicht hatte. Oder er hatte mich gewählt, weil Inu Yasha Kagome meistens beschützte und er an sie nicht so leicht heran kam.

„Es dürfte Zeitverschwendung sein, dir erst eine Begründung zu liefern. Du wirst es gleich sowieso wissen wenn ich dich erst einmal…“ Sein Blick wanderte zur Seite. Offenbar hatte etwas seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen, doch ich wagte nicht den Blick von ihm zu nehmen, aus Angst er würde nur genau darauf warten.

Die Augen fest auf Naraku und sein Insekt gerichtet gab ich Tsuzu ein Signal, worauf hin sie begann Schritte rückwärts zu machen, zurück Richtung Wald. Ob ich unbemerkt entkommen konnte wenn die Bäume mir erst einmal Deckung für meinen Rückzug gaben?

„Sesshoumaru, was für eine Überraschung.“, ergriff erneut Naraku das Wort. Ob er wirklich überrascht war oder nicht konnte ich nicht sagen. Ich zumindest war es. Was machte Sesshoumaru hier? Oder war dies nur Narakus weiterer Versuch mich abzulenken? Noch immer wagte ich nicht den Blick von ihm abzuwenden und was immer er ansah lag außerhalb meines Blickfeldes. „Habe ich dich etwa falsch eingeschätzt und dir liegt doch etwas an dieser Frau?“ Er klang nun beinahe spöttisch.

„Ich habe nur darauf gewartet, dass du dich wieder aus deinem feigen Versteck traust.“ Das war wirklich seine Stimme. Ich konnte nicht mehr anders als in dieselbe Richtung zu sehen wie Naraku. Ja, dort stand Sesshoumaru höchst persönlich. Sein Blick mit dem er den Halbdämon betrachtete war mindestens so kalt wie seine Stimme geklungen hatte. War er absichtlich in meiner Nähe geblieben? Wie sonst hätte er hier so schnell auftauchen können? Seinen Worten zufolge war ich wohl nur ein Lockvogel gewesen. So ein Mistkerl! Er musste gewusst haben, dass Naraku mich finden würde. Aber woher? Warum hatte er es mir nicht gesagt? Was wusste er über Narakus Beweggründe? Verdammt! Wie ich es hasste unwissend zu bleiben.

„Nun, hier bin ich. Allerdings habe ich keine Lust mit dir zu spielen. Ich habe wichtigeres zu tun.“ Narakus Blick ruhte nun wieder mit einem fiesen Ausdruck auf mir. Sein Insekt jedoch ließ Sesshoumaru nicht aus den Augen. „Du willst doch nicht etwa schon gehen?“, fragte er mich mit gespielter Enttäuschung. Mein begonnener Rückzug war also nicht unbemerkt geblieben.

„Doch, eigentlich würde ich ganz gerne gehen.“, antwortete ich voller Sarkasmus. Wäre ich doch bloß letzte Nacht wirklich nach Hause gegangen…

„Tja, das kann ich leider nicht zulassen. Ich hab Verwendung für dich.“ Allein die Wortwahl reichte aus um mir einen Schauer über den Rücken laufen zu lassen. Schlimmer noch war jedoch der folgende Anblick, bei dem urplötzlich lange Tentakel, oder etwas in der Art, aus Narakus Körper heraus brachen und viel zu schnell auf mich zu schossen. Reflexartig trieb ich Tsuzu zum Galopp an und lenkte sie aus der Flugbahn der Tentakel, doch um meine Verzweiflung noch zu steigern passten sie ihre Richtung der meinen umgehend an.

Dann hörte ich eine Klinge durch die Luft sausen und einige Dinge dumpf zu Boden fallen. Ich wagte einen weiteren Blick über die Schulter. Sesshoumaru hatte die Tentakel mit Tokijin durchtrennt. Statt dass diese nun leblos am Boden lagen, krochen sie allerdings weiter in meine Richtung.

„Hast du also doch Gefühle für diesen Menschen? Wirst du gar noch wie dein Vater? Ach, ich vergaß. Wenn das so wäre hätte er dir ja Tessaiga vermacht, statt deinem unwürdigen Halbbruder.“ Es war allzu offensichtlich, dass Naraku die Absicht hatte, Sesshoumaru zu provozieren. Ich hätte darauf gewettet, dass er damit erfolglos sein würde, so kontrolliert wie er immer war, doch die Wette hätte ich leider verloren.

„Gefühle machen nur schwach.“, sprach Sesshoumaru noch einigermaßen beherrscht, doch der Blick seinem Gegner gegenüber war zornig geworden. Naraku kannte also seinen wunden Punkt. Mein vermeintlicher Retter startete einen direkten Angriff auf den Halbdämon. Wie es schien, war dieser jedoch, trotz der Tatsache, dass er kein voller Dämon war, dem fürstlichen Hundedämon überlegen. Sesshoumaru kämpfte verbissen vor lauter Wut, doch Naraku schien einfach immer ein wenig stärker und schneller zu sein.

Schneller als ich sehen konnte wie es geschah, wurde Sesshoumaru einige Meter von seinem lachenden Gegner fortgeschleudert. „Wenn du darauf bestehst, dann werde ich deine dämonischen Kräfte eben heute zusammen mit der spirituellen Energie dieser Frau aufnehmen.“ Naraku begann den Satz, doch ehe er beendet war vermischte sich das was sich direkt vor meinen Augen abspielte mit einer weiteren Erinnerung aus Saras Leben.
 

„Die spirituelle Energie dieser Frau ist nun mit unserer Kraft verschmolzen und wenn wir erst einmal deine Kräfte absorbiert haben, werden wir zum allerstärksten Dämon der Welt!“, sprach dieselbe grausame Stimme, die mir schon aus einigen anderen Erinnerungen bekannt war. „Bald wird die Seele dieser Frau nicht einmal mehr in der Lage sein, in die nächste Welt hinüber zu wandern.“ Ein hässliches Lachen folgte, das jedoch von Saras Stimme unterbrochen wurde. „Lord Sesshoumaru, bitte vergebt mir! Ich bin Euch nur zur Last gefallen. Bitte, wenn es euch möglich ist, vernichtet mich, zusammen mit diesen Dämonen.“

Der Angesprochene griff daraufhin nach Tessaiga, um dessen Griff Blitze zuckten, sobald sich seine Hand darum schloss. Sein Blick war ernst, als er den Schlag ausführte der schließlich alle Dämonen vernichtete. Anschließend ließ er das Schwert sofort wieder los und blickte auf seine Hand. Sie war verletzt, aber er wirkte nicht überrascht deswegen. War es ihm diese Verletzung wert gewesen, wenn er dafür Sara, ihrem tatsächlichen Wunsch entsprechend, befreien konnte? Oder ging es ihm nur darum die Dämonen schnell los zu werden?

Er wandte den Blick von seiner verbrannten Hand ab und dem Rest von Saras Körper zu, der sich allmählich auflöste. „Danke, Lord Sesshoumaru.“, erklang noch einmal Saras, nun körperlose, Stimme, während er sich neben die zurückbleibende Asche hockte und nach der Flöte im Gras griff. War das wirklich Trauer was in diesem Moment in seinem Gesicht zu sehen war? War er dann so gefühllos, wie er immer beteuerte?
 

Mein Blick wurde wieder klar und erschrocken musste ich feststellen, dass während meiner geistigen Abwesenheit, Kagome und ihre Freunde aufgetaucht waren. Diese Erinnerungen würden mir so irgendwann noch zum Verhängnis werden, wenn ich dabei so hilflos in der Gegend herum stand.

Inu Yasha griff nun in den noch andauernden Kampf zwischen Sesshoumaru und Naraku ein, während Kagome auf mich zu lief. „Saju, ist bei dir alles in Ordnung? Hattest du wieder eine Vision? Ich hätte dich warnen müssen mehr Abstand zu halten, dass du Naraku nicht in die Arme läufst. Das ist alles meine Schuld. Und ich hab auch nicht daran gedacht das es fast Neumond ist…“

Ich nickte auf ihre ersten beiden Fragen. „Ja, alles bestens. Ich hätte halt selbst vorsichtiger sein müssen, mach dir keine Vorwürfe.“, versuchte ich sie zu beruhigen. Was der Neumond allerdings in ihrer Aussage zu suchen hatte war mir zwar schleierhaft, doch dafür war jetzt keine Zeit. Statt dass die beiden Halbbrüder die Chance nutzen würden, gemeinsam gegen ihren Feind vorzugehen, der für sie einzeln offenbar zu stark war, begannen sie nun untereinander zu kämpfen. Dass es dabei darum ging, wer Naraku vernichten durfte, war nicht schwer zu erraten.

Dieser jedoch hatte kein Interesse daran den Kampf der Brüder geduldig abzuwarten und setzte nun seinen Versuch fort, mich zu fassen zu bekommen. „Ein Streit zwischen Brüdern ist vielleicht nicht das, was du dir als letztes zu sehen wünschst, aber das lässt sich nun nicht mehr ändern.“ Fies grinsend ließ er erneut Tentakel auf mich zu rasen, doch dann wurde er überraschend zur Seite geschleudert. Sesshoumarus Augen glühten rot, als er erneut einen Satz auf Naraku zu machte und ihm einen weiteren Schlag verpasste. Irgendwie schien es, dass der Hundedämon nun schneller war und seinem Gegner viel mehr zusetzte als zuvor. Ich dachte für einen Moment, dass ich mir das nur einbildete, doch dann verschwand Naraku plötzlich, was meine Beobachtung bestätigte. Warum sonst hätte er nun fliehen sollen? Nur wo kam Sesshoumarus neue Kraft her? Hatte das mit den roten Augen zu tun? Konnte er diese Kraft denn nicht immer hervorbringen wenn er es wollte?

Ein Blick in Sesshoumarus Gesicht – seine Augen nahmen gerade wieder ihre normale Farbe an – verriet mir, dass auch er etwas überrascht war und für einen Moment schien er in Gedanken wo anders zu sein und nachzudenken. „Vater…“, sprach er leise, und es klang fast wie eine Frage. Ich hörte es wohl auch nur, da ich von Tsuzus Rücken abgesprungen und unbewusst auf meinen Retter zugegangen war.

„Du hast mich schon wieder gerettet… Danke.“, sagte leise ich zu Sesshoumarus Rücken, denn der war mir gerade zugewandt. Das änderte sich nun auf meine Worte hin, doch sogleich bedauerte ich es. Der Blick mit dem er mich bedachte, war alles andere als freundlich oder auch nur neutral. Was hatte er eigentlich für ein Problem mit mir?
 

„Lord Sesshoumaru!“, riefen zwei bekannte Stimmen im Chor. Rin und Jaken.

Verwirrt sah ich mich um, doch weit und breit konnte ich, außer Kagomes Gruppe und Sesshoumaru selbst, nur den Waldrand erspähen. Alle anderen blickten zu meinem Erstaunen aber gen Himmel. Was es da wohl zu sehen gab? Rin konnte doch bestimmt nicht fliegen und auch bei Jaken konnte ich mir das schwer vorstellen. Doch Ah-Uhn hatte ich vergessen. Dieser flog, nun landend, auf Sesshoumaru zu und trug die beiden Kleinen mit Leichtigkeit auf seinem Rücken. Beeindruckend. Dass dieser ohnehin schon total niedliche Drache auch noch fliegen konnte.

Als Ah-Uhn gelandet war sprang Rin von seinem Rücken und lief mir strahlend entgegen. „Saju!“, rief sie erfreut.

„Hallo Rin. Schön dich doch nochmal zu sehen. Ich konnte mich ja leider nicht mehr von dir verabschieden.“

„Aber ich musste mich doch verabschieden. Wir sind doch weg gegangen, und nicht du.“, korrigierte sie mich.

Ich lachte. „Ja, heute Morgen schon. Aber ich muss gleich wieder nach Hause gehen und dann bin ich ganz weit weg.“, erklärte ich.

„Ach so…“ Kurz blickte sie traurig zu Boden. „Und wann kommst du wieder?“ Schon sah sie wieder fröhlich aus. Dieses Mädchen war wahrhaftig ein Sonnenschein. Eigentlich sollte ich viel mehr die Frage stellen, wie der launische Sesshoumaru es mit diesem fröhlichen Kind aushielt, statt umgekehrt. Ihre Laune konnte kaum etwas trüben. Aber vielleicht tat es ihm auch gut, wie Kagome meinte, allmählich von dieser gefühlskalten Art abgelenkt zu werden.

„Vielleicht komme ich in 5 Tagen wieder hier her. Ich weiß es noch nicht mit Sicherheit.“

„Lord Sesshoumaru, meint Ihr wir könnten Saju nochmal besuchen, wenn sie wieder hier ist?“ Bittend blickte das Mädchen zu dem Dämon empor, dessen Laune sich, ob dieser Vorstellung, nicht besserte. Statt sie jedoch böse anzusehen wandte er den Blick ab.

„Mein Lord, diese Frau ist ja schon wieder bei Euch.“, gab Jaken missbilligend von sich und erntete im Gegenzug einen bösen Blick von mir.

„Dieser Frosch geht mir gewaltig auf die Nerven!“, knurrte ich leise, mehr zu mir selbst als an irgendwen bestimmtes gerichtet. „Was haben eigentlich alle für ein Problem mit mir, mal von dem offensichtlichen abgesehen das nur ein Teil von mir in diese Welt gehört und der große Rest absolut fehl am Platz und unerwünscht ist? Was zum Teufel wollte Naraku von mir?“, brach es aus mir heraus, wobei meine Stimme immer lauter wurde. Ich brauchte endlich eine anständige Erklärung. Von wegen, er wolle meine spirituellen Kräfte haben. Als ob ich überhaupt über so etwas verfügen würde. So toll und besonders war ich doch gar nicht.

„Teufel?“, fragte Rin verwirrt, doch auch Sesshoumaru sprach plötzlich wieder.

„Deine Kette dürfte einige Antworten für dich haben.“ Wie überaus hilfreich. Was sollte mir eine Perlenkette schon antworten können. Gerade wollte ich ihn genauer danach fragen, doch mir fielen die beiden Gestalten wieder ein, die bei meiner Geburtstagsfeier im Mobiliar gestanden hatten, als ich über die Kette nachgedacht hatte. Hatten sie etwas mit dieser kryptischen Andeutung zu tun?

„Auf Wiedersehen Saju.“, sagte Rin noch, bevor sie sich in Bewegung setzte um mit Sesshoumaru mitzuhalten, der nun ohne ein Wort der Verabschiedung wieder seines Weges ging. Aber das wäre wohl zu viel verlangt gewesen, nachdem er sein Wochenpensum an Nettigkeiten gewiss durch meine unzähligen Rettungen schon bei weitem überschritten hatte.
 

Mit gemischten Gefühlen sah ich der Gruppe um den Hundedämon einen Moment hinterher. Zum einen war ich natürlich erleichtert das er wieder ging, denn so ganz damit abgefunden Saras Wiedergeburt zu sein hatte ich mich immer noch nicht und in Sesshoumarus Nähe zu sein war für mich doch jedes Mal kompliziert und Nerven strapazierend gewesen. Andererseits wollte etwas in mir mich dazu bringen meinen verbliebenen Stolz zum Tode zu verurteilen und Sesshoumaru einfach zu folgen.

Energisch wandte ich mich von seinem Anblick ab und ging zurück zu Tsuzu die zwar die Gelegenheit zum Grasen genutzt hatte, aber ansonsten brav an dem Platz stehen geblieben war an dem ich von ihrem Rücken abgestiegen war. Seufzend griff ich nach ihren Zügeln und führte sie zu Kagome und ihren Freunden.

„Es wird allmählich Zeit für die Hausaufgaben, meinst du nicht?“, fragte ich an Kagome gerichtet.

Diese schien erstaunt über meine Themenwahl. „Ja, wahrscheinlich… Aber, Saju? Geht es dir wirklich gut?“ Kagome schien sich dessen nicht sicher zu sein.

„Klar. Mir geht es blendend. Ich bin noch an einem Stück, nicht mit Tentakeln umwickelt, Rin hat sich von mir verabschieden können und Sesshou hat mir schon wieder widerwillig das Leben gerettet. Was könnte ich mehr von einem Tag verlangen?“, sagte ich und gab mir Mühe überzeugend unbekümmert zu klingen.

Ungläubig schüttelte Kagome den Kopf, ließ das Thema aber für den Moment ruhen.

„Sesshou?“, fragte stattdessen Inu Yasha irritiert.

„Ach, ich dachte ich spare etwas Zeit wenn ich den Namen abkürze…“ Von Spitznamen hatten die hier im Mittelalter wohl noch nichts gehört. Zumindest hatte ich seinen Namen nicht irgendeiner Verniedlichung unterzogen. ‚Sessi‘ wäre nun wirklich komplett lächerlich gewesen und noch dazu mein sicheres Todesurteil, sobald Sesshoumaru das zu Ohren kam.

„Wie auch immer. Machen wir uns besser auf den Rückweg.“, sprach Kagome schnell, bevor Inu Yasha weiter nachhaken konnte. Ob sie insgeheim einen Spitznamen für ihn hatte? Spontan würde mir ‚Inu‘ einfallen, aber ihn einfach nur Hund zu nennen war doch recht seltsam. Auch wenn er – zugegeben – das ‚Mach Platz‘ Kommando einwandfrei beherrschte, wenn Kagome es benutzte. Ich grinste leicht bei der Erinnerung daran.

Ich staunte nicht schlecht als Kagome routiniert auf Inu Yashas Rücken kletterte, während Sango und Miroku auf Kiraras Rücken stiegen. Ich selbst schwang mich zurück in den Sattel von Kaedes Pferd, dann machten wir uns auf den Rückweg zum Dorf.
 

Zurück im Dorf suchte ich zu Pferd nach Kaede. Ich fand sie draußen vor ihrer Hütte, den Blick auf die Felder gerichtet. Behände sprang ich von Tsuzus Rücken ab und reichte ihrer Besitzerin die Zügel. „Vielen Dank nochmal, dass ich mir dein Pferd ausleihen durfte, Kaede. Die Stute ist sehr gut ausgebildet und leicht zu reiten.“, lobte ich.

„Wo hast du reiten gelernt? Hast du dort, wo du her kommst, ein eigenes Pferd?“

Ich nickte zögernd. „Das Pferd gehört genaugenommen meinem Großvater, aber wenn er sie nicht gebraucht hat, durfte ich reiten.“

„Nun, da du dein Pferd wohl nicht so einfach mitbringen kannst, wie Kagome das Ding das sie Fahrrad nennt, darfst du dir gerne nochmal Tsuzu leihen wenn du mal wieder da bist.“

„Danke sehr. Falls ich nochmal hierher komme werde ich bestimmt auf dieses freundliche Angebot zurückkommen.“ Gewiss würde ich das, denn auf dem Rücken eines Pferdes fühlte ich mich in dieser Welt bedeutend weniger verloren und fehl am Platz als sonst. In dieser Hinsicht unterschied sich das Mittelalter also nicht von der Neuzeit.

„Bis demnächst alle zusammen!“, verabschiedete sich nun Kagome von ihren Freunden.

Ich deutete eine leichte Verbeugung an. „Es hat mich gefreut euch alle kennen zu lernen.“, sagte ich, ganz wie es sich gehörte und im Großen und Ganzen auch der Wahrheit entsprach. Dann ging ich mit Kagome zurück durch den Schacht in unsere Welt.
 

Auf der anderen Seite sah mich Kagome erwartungsvoll an. Ganz so als wollte sie nun, da keine weiteren neugierigen Ohren zugegen waren, meine ehrliche Meinung hören. Ich seufzte.

„Und? Was denkst du?“, fragte Kagome nun vorsichtig nach.

Ich grinste ihr entgegen. „Ich denke, dass wir noch einiges an Hausaufgaben zu erledigen haben.“, sagte ich und zwinkerte.

Sie lachte. „Du weißt, dass ich das nicht gemeint habe.“

„Ja...“, gab ich zu. „Auf jeden Fall kann ich jetzt nicht mehr daran zweifeln, dass du tatsächlich einen Weg ins Mittelalter hast, oder das meine Visionen vielleicht doch einen Sinn ergeben könnten.“

„Und was denkst du nun über Sess?“, fragte sie weiter nach.

Nachdenklich blickte ich einen Moment zu Boden ehe ich antwortete. „Ich habe keine Ahnung was ich denken soll. Rettet er mich, weil er es will? Oder nur weil er mein Leben selbst beenden will wenn ihm der Sinn danach steht? Ich weiß es nicht. Sieht er in mir nur Sara oder nimmt er wahr, dass ich nun ein anderer Mensch bin? Auch das weiß ich nicht. Und bin ich denn wirklich ein so anderer Mensch? Die Erinnerungen aus Saras Leben verschwimmen mit meinen, als wäre es bereits damals mein Leben gewesen. Als wäre die Frage nach Sara oder Saju lediglich die Frage nach dem Namen und der Zeit, nicht aber nach der Person…“

Ich spürte Kagomes Hand auf meiner Schulter. „Ich will nicht behaupten, dass ich wüsste wie du dich fühlst, aber… Wenn ich dir irgendwie helfen kann, dann werde ich es tun.“

Dankbar lächelte ich sie an. „Wenn mir einfällt, dass mir doch noch irgendwie zu helfen ist, werde ich dir Bescheid geben.“, sagte ich, nun wieder fröhlicher und scherzend.

Gemeinsam gingen wir hoch in Kagomes Zimmer und setzten uns mehr oder weniger konzentriert an unsere Hausaufgaben. Wahrscheinlich hätte ich die Aufgaben alleine schneller erledigt bekommen, doch es schien Kagome zu helfen mit mir zusammen zu lernen. Sie lernte durchaus schnell, nur hatte sie eben durch ihre vielen Fehlstunden auch so einiges im Unterricht verpasst. Stattdessen hatte sie natürlich viel nützlichere Dinge im Mittelalter gelernt. Mit Bogenschießen und etwas Kräuterkunde ließ es sich gewiss eher überleben als durch Höhere Mathematik im n-dimensionalen Raum oder Wissen über irgendwelche Versmaße und Interpretation von Gedichten.

Auf die Einladung von Kagomes Mutter hin aß ich noch bei den Higurashis zu Abend, ehe ich nach Hause ging. Dort endlich angekommen, war ich aber doch erleichtert wieder alleine zu sein. Ob ich an sich ein Einzelgänger war, oder die Abgeschiedenheit in der ich aufgewachsen war mich dazu gemacht hatte, wusste ich nicht, aber nun war ich froh wieder in Ruhe meinen Gedanken nachgehen zu können. Hier musste ich kein Lächeln aufsetzen hinter dem ich meine unruhig kreisenden Überlegungen versteckte.

Ich stopfte meine Wäsche in die Waschmaschine und stellte mich derweil unter die Dusche. Was sollte ich jetzt nur tun? Dem Mittelalter fern bleiben und Sesshoumaru und alles vergessen? War ich dazu in der Lage? Und wie sah überhaupt die Alternative aus? Das Mittelalter hatte mir an diesem Wochenende doch mehrfach bewiesen wie gefährlich es für mich war. Warum hatte Naraku es ausgerechnet auf mich abgesehen? Ließ mein Stolz es überhaupt zu nicht dorthin zurück zu gehen? Nicht zu beweisen das ich auch alleine in der Lage war zu überleben und auf mich aufzupassen?

Sesshoumaru hatte so überrascht ausgesehen, als ich sein Schwert Tokijin davon abhalten konnte Miroku umzubringen. Die Erinnerung an seinen anerkennenden Blick ließ mein Herz kurz hüpfen. Wenn ich es schaffen konnte ihn mit so etwas zu überraschen, wie überrascht wäre er dann erst wenn ich richtig mit einem Schwert kämpfen konnte? Hatte ich eine Chance entdeckt interessant zu werden? Ich könnte versuchen ihn besser kennen zu lernen. Und so ungeschickt hatte ich mich bei dem Schulfest auch gar nicht angestellt, wie ich mich nun wieder erinnerte. Ich sollte wohl doch dem Kendo Club beitreten. Selbst wenn ich nicht zurück ins Mittelalter gehen würde, der Schwertkampf hatte mir Spaß gemacht, sich vertraut angefühlt und wäre eine willkommene Ablenkung. Warum wohl? Mir kamen wieder Sesshoumarus letzte Worte an mich ins Gedächtnis. Wie konnte die Kette dazu beitragen meine vielen Fragen zu beantworten? Ich nahm mir vor mich am nächsten Tag nach der Schule damit zu beschäftigen. Für heute war ich zu müde um noch irgendetwas anderes zu tun als mich von der Dusche zum Bett zu schleppen und meinen Wecker einzuschalten. Kaum hatte ich mich hingelegt, da schlief ich bereits tief, fest und traumlos

Zwei Leben in einem

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, hatte der Wecker noch nicht geklingelt. Ein Blick darauf sagte mir jedoch, dass er das in wenigen Sekunden tun würde und so griff ich schnell danach um dem Lärm zuvor zu kommen. Ich kannte dieses elende Piepen zwar noch nicht lange, aber lang genug um zu wissen, dass mein Tag ohne es, besser anfing. Nur wie sonst sollte ich sicher gehen, dass ich nicht verschlief und zu spät zur Schule kam?

Ich setzte mich im Bett auf, bereit aufzustehen, doch dann überkam mich das seltsame Gefühl nicht alleine zu sein. Alarmiert spitzte ich die Ohren und sah mich im Halbdunkel des Zimmers um. Litt ich nun unter Verfolgungswahn, oder war tatsächlich jemand hier? Aber nur mein Großvater hatte einen Schlüssel, und er war sicher nicht wieder zu Besuch gekommen. So leise wie es mir möglich war, stand ich auf und ging zum Fenster um das Licht vom Sonnenaufgang herein zu lassen, dann sah ich mich wieder um, doch niemand war zu sehen. Seltsam. Ich ging in Richtung meiner Zimmertüre um etwas zu frühstücken und kam dabei an meinem Schreibtisch vorbei. Da war es wieder, das Gefühl beobachtet zu werden. Verwirrt streckte ich meine Finger nach der Halskette aus, die ich dort gestern Abend abgelegt hatte. Schon der Gedanke, dass sie dieses Gefühl auslöste war im Grunde lächerlich. Dennoch schien sie mich zu rufen.

Als meine Fingerspitzen die Kette berührten, hörte ich eine Männerstimme hinter mir. "Konzentriere dich!"

Erschrocken drehte ich mich um, wobei meine Finger von den Perlen der Kette glitten. Niemand war zu sehen. Die Stimme war mir allerdings nicht unbekannt gewesen. Der männliche Geist von meinem Geburtstag hatte dieselbe Stimme gehabt. Auch da hatte ich die Kette berührt. Entschlossen dieses Rätsel endlich zu lösen griff ich erneut nach der Kette und legte sie mir um den Hals. Dann tat ich wie mir geheißen und richtete meine Aufmerksamkeit auf die Kette. Ich rechnete bereits damit, dass ich nun wieder die beiden Fremden sehen würde, daher erschrak ich nicht erneut als sie tatsächlich vor mit auftauchten.

Zufrieden lächelten mich die beiden an. "Wie wirst du nun genannt?", richtete der Mann erneut das Wort an mich.

„Mein Name ist Saju Tachikawa.“, antwortete ich, noch immer einigermaßen verwirrt. „Wer seid ihr?“, fragte ich im Gegenzug.

Der Mann runzelte kurz die Stirn. „Du erinnerst dich nicht an uns?“

„Vermutlich hat sie bei der Wiedergeburt die Erinnerungen an ihr altes Leben verloren.“, gab nun die Frau leise zu bedenken. Es gefiel mir nicht, dass sie so tat als würde ich nicht direkt vor ihnen stehen. Ohnehin irritierte mich ihre Erscheinung, sogar abgesehen davon das sie beide geisterhaft mit den Beinen in meinem Bett standen und leicht transparent waren. Die Frau hatte ungewöhnlich Spitze Ohren, hellblaue Augen, schneeweißes hüftlanges Haar und trug einen eleganten Kimono. Der Mann hingegen trug eine Mönchskutte und sah wie ein gewöhnlicher Mensch aus.

„Ich bin Sahiro Asano, Saras Onkel - dein Onkel. Und dies ist meine Liebste, Setsuna.“, ergriff erneut der Mann das Wort. „Wir haben darauf gewartet, dass du wiedergeboren wirst. Aber, hast du denn gar keine Erinnerungen an dein früheres Leben?“

Ich runzelte die Stirn. „Ein paar Erinnerungen aus Saras Leben habe ich mittlerweile. Doch wusste ich nicht, dass sie einen Onkel hatte oder was es überhaupt mit dieser Kette auf sich hat.“ Ich sah hinüber zu der Frau die mich neugierig musterte. „Du bist eine Dämonin?“

Setsuna hob skeptisch eine Augenbraue. „Eisdämonin, ja. Hast du ein Problem mit Dämonen?“ Ihre Worte klangen beinahe vorwurfsvoll.

Langsam schüttelte ich den Kopf. „Nein, habe ich nicht.“ Ich seufzte. „Allerdings scheinen Dämonen ein Problem mit mir zu haben…“, deutete ich, leicht niedergeschlagen, an. Es stimmte doch. Jeder Dämon oder Halbdämon dem ich bislang begegnet war, hatte ein Problem mit mir. Naraku wollte mich aufsaugen oder etwas in der Art, Sesshoumaru benutzte mich nur als Lockvogel, der Spinnendämon im Wald wollte mich fressen, Jaken hasste mich sowieso, Inu Yasha duldete mich nur weil ich mit Kagome befreundet war und sogar Kirara hatte mich zu Beginn böse angefaucht.

„Lebt denn der Dämon noch, in den du früher verliebt warst? Sesshoumaru war sein Name, oder? An ihn wirst du dich doch sicher erinnern.“, fragte Setsuna, schief grinsend. Ich wusste nicht so recht ob diese Frage freundlich gemeint war oder nicht.

„Sesshoumaru lebt noch im Mittelalter. Es gibt eine Verbindung von meiner heutigen Zeit nach dort, 500 Jahre zurück.“, erklärte ich.

„500 Jahre zurück? Mir kam es nicht so vor als hätten wir auch nur annähernd so lange auf deine Wiedergeburt warten müssen. Hast du diese Kette also aus dem ‚Mittelalter‘, wie du es nennst?“, fragte nun wieder der Mann, Sahiro.

„Ja. Sesshoumaru hat sie wohl aufbewahrt. Es ist eine etwas längere Geschichte wie ich sie schließlich bekommen habe.“ Immerhin musste ich doch nachher zur Schule und wollte ungerne zu spät kommen.

„Und bist du noch immer in ihn verliebt? Und empfindet er auch so viel für dich?“

Ob Setsuna mich mit diesen Fragen ärgern wollte oder nur neugierig war, konnte ich noch immer nicht beurteilen. Bevor ich eine Antwort formuliert hatte, spürte ich bereits die leichte Röte auf meinen Wangen. Na toll. Damit dürfte sich die erste Frage erledigt haben. „Ich weiß nicht recht. Er ist immer schrecklich abweisend… Wobei, eigentlich war er das nur wenn noch jemand dabei war. Trotzdem rettet er mich wenn es darauf ankommt. Ich verstehe einfach nicht was sein Problem ist.“, gab ich leicht genervt zu.

Setsuna kicherte hinter vorgehaltener Hand. „Sein Stolz.“

Irritiert sah ich sie an. „Wie bitte?“

„Sein Stolz ist sein Problem. Nach meiner bescheidenen Meinung – und ich denke als Dämonin weiß ich wovon ich hier rede – ist er bislang zu stolz um die Gefühle, die er für dich hat, zu akzeptieren. Es ist doch immer dasselbe mit der Jugend... Warum sonst sollte er sich die Mühe machen dich zu retten?“, erklärte sie.

„Meiner eigenen Theorie zufolge rettet er mich damit er mich noch ein wenig länger quälen kann bis er die Nase voll hat und meinem Leben selbst ein Ende bereitet das ihm passt…“ Dies war allerdings nur Theorie Nummer zwei. Die weitaus optimistischere Theorie Nummer eins war: ‚er liebt mich‘, aber das schien doch noch immer viel zu unrealistisch und auch mein eigener menschlicher Stolz ließ es noch nicht zu diese Theorie ernsthaft in Erwägung zu ziehen, geschweige denn jemandem mitzuteilen das ein Teil von mir dies tatsächlich für möglich hielt.

„Durchaus möglich, wenngleich auch in meinen Augen unwahrscheinlich.“, antwortete Setsuna unbeeindruckt von meiner pessimistischen Einstellung. Hatte ich wirklich geglaubt eine Dämonin würde versuchen mich aufzumuntern? Wie naiv ich doch selbst nach diesem Wochenende noch war.

Sahiro wandte seine Aufmerksamkeit nun wieder seiner Gefährtin zu. „Setsuna!“, sprach er leicht tadelnd und mischte sich nun selbst wieder in das Gespräch ein. „Wie vielen Menschen rettet er denn regelmäßig das Leben?“ Offenbar sollte mich das wieder zuversichtlicher stimmen.

„Mich mitgezählt? Zweien.“ Meine Laune war immer noch im Keller.

Nun war es an Sahiro irritiert zu sein. „Wer ist der zweite?“

„Ein Mädchen das ihn seit einer Weile begleitet. Ich schätze er ist so etwas wie ein Vater Ersatz für sie. Sie hat keine Familie mehr.“

„Ich verstehe“, erwiderte Sahiro.

Ich warf einen kurzen Blick auf meinen Wecker auf dem Nachttisch und beschloss auf das Frühstück zu verzichten und statt dessen etwas gegen meine unendliche Unwissenheit zu tun: „Wenn du Saras… ich meine mein Onkel bist… wie um alles in der Welt sind Setsuna und du in dieser Kette gelandet?“

Sahiro seufzte. „Eine komplizierte Geschichte… Ich fasse es für dich zusammen. Mein älterer Bruder Sojo - dein Vater - fand heraus das ich mich in eine Dämonin verliebt hatte. Er warf mir vor die Familienehre zu besudeln. Da ich mich - entgegen seines strikten Befehls - nicht von Setsuna lossagen wollte schickte er mir eines Tages einige seiner vertrautesten Samurai hinterher als ich mich mit ihr traf.“ Er unterbrach seine Erzählung kurz und warf der Dämonin neben sich einen leiderfüllten Blick zu, den sie liebevoll erwiderte. Zumindest ein Dämon auf der Welt war also schon mal fähig echte Gefühle zuzulassen und zu zeigen. „Sie brannten die Hütte nieder in der wir waren.“

„Das tut mir leid.“, sagte ich aufrichtig, während er erneut eine Pause machte.

„Ich verfügte über ein wenig spirituelle Kräfte, so wie du übrigens auch. Nur Sojo hat diese Kräfte nicht geerbt, weshalb er sie umso mehr gehasst hat. Zusammen mit Setsunas Kräften als Eisdämonin formte unser inniger Wunsch uns gegenseitig zu beschützen und vor dem Inferno zu retten diese Kette um unsere Seelen herum. Das half uns zwar zu überleben, aber seitdem sitzen wir in dieser Kette fest. Als die Hütte restlos abgebrannt war, blieb einzig die Kette zurück. Die Samurai überreichten sie meinem Bruder, der sie wiederum dir schenkte. Ignorant wie er nun einmal war meinte er sie sei ein Mahnmal und solle dich daran erinnern immer deine Pflicht als Prinzessin vor alles andere zu stellen. Er wusste nicht dass wir beide dort drin gefangen waren und mit dir kommunizieren können. Gemeinsam mit dir versuchten wir einen Weg zu finden um den Bann zu lösen und uns zu befreien. Leider haben wir noch keine Lösung gefunden und sitzen nach wie vor hier fest.“

Ich nickte nachdenklich und versuchte mir alles einzuprägen was ich soeben erfahren hatte. „Ihr wusstet das ich wiedergeboren werden würde? Woher? Und zu welchem Zweck?“

„Nachdem dein Vater völlig verrückt geworden ist und sich im eigenen Schloss eingeäschert hat, wurdest du sehr bald schwer krank. In einem Anflug von Verzweiflung hast du dein verbleibendes Leben an niedere Dämonen verkauft für die Hoffnung deinen Lord Sesshoumaru nochmal zu sehen. Nach deiner Andeutung von vorhin nehme ich an du erinnerst dich wie das ausging. Jedenfalls haben wir drei gemeinsam für deine Seele gebetet. Das du eine neue Chance bekommen würdest um dein Glück zu finden. Wie es scheint wurde dieses Gebet erhört.“

„Ja. Nur auf den Teil mit dem Glück warte ich wohl vergeblich.“, gab ich zur Antwort.

Zu meiner Überraschung war es nun wieder Setsuna die erwiderte: „Manche Dinge brauchen eben ihre Zeit. Bei dem Versuch uns zu Beweisen unterlaufen uns die seltsamsten Fehler. Dämonen wie auch Menschen. Es sind große Pfotenspuren in die Lord Sesshoumaru tritt. Sehr große.“

„Hm. Sicher hast du recht.“ Aber wessen Spuren sind es denen er folgt? Die seines Vaters? Der konnte ja kein Problem mit Menschen haben, schließlich war Inu Yashas Mutter ein Mensch. Oder waren es die seiner Mutter? Verlassen worden zu sein, noch dazu wegen einem Menschen, hatte ihr wohlmöglich ganz und gar nicht gefallen. Wer von beiden Elternteilen wohl den größeren Einfluss auf Sesshoumaru hatte? Wieder so viele neue Fragen. Seufzend ließ ich meinen Blick durch den Raum wandern. Bei meinem Wecker angelangt schreckte ich jedoch auf. „Ohje! Ich muss doch zur Schule!“
 

Eilig tauschte ich meinen Pyjama gegen die Schuluniform und hatte gerade erst das letzte Schulheft in meine Tasche geworfen als es an der Tür klingelte. Die Tasche unter den Arm geklemmt stürmte ich aus der Wohnung. „Guten Morgen Kagome.“

„Morgen Saju. Hast du heute etwa verschlafen?“, fragte diese grinsend.

„Nein, das nicht gerade. Aber ich habe noch mit Saras Onkel gesprochen und darüber die Zeit vergessen.“

„Wie hast du… Steckt etwa er in der Kette?“

„Ja. Woher weißt du das?“, fragte ich überrascht.

„Es ist ähnlich wie ich die Splitter des Juwels spüre. Aber es sind zwei Geister in der Kette, oder? Wer ist der zweite?“

Also erklärte ich Kagome auf dem Weg zur Schule was es mit der Kette auf sich hatte.
 

In der Schule fiel es mir schwer mich auf den Unterricht zu konzentrieren. Gedankenverloren kritzelte ich auf meinem Block anstatt dem Lehrer zuzuhören und mitzuschreiben. Als die Schulglocke zur Pause läutete kam Kagome zu mir an den Tisch.

„Er geht dir wohl nicht mehr aus dem Kopf?“, fragte sie freundlich.

„Wer?“ Verwundert blickte ich von Kagome zu dem Blatt auf dem ich so geistesabwesend gezeichnet hatte. Es war über und über mit Sesshoumarus Augenpartie bemalt, zweifelsfrei als solche zu erkennen weil ich einige Male auch den Mond dazu gemalt hatte den seine Stirn zeigt. „Oh.“ Wieder einmal stieg mir die Röte ins Gesicht. „Ich habe das Gefühl mein Leben verfällt in Chaos seit ich die erste Erinnerung an mein früheres Leben zurück habe.“

Mitleid lag in Kagomes Blick. „Du hast das Recht dein neues Leben zu leben. Du musst nicht nochmal ins Mittelalter reisen wenn du das nicht möchtest.“

Einen Moment dachte ich über diese Möglichkeit nach. Nicht wieder ins Mittelalter reisen. Keine Dämonen, keine Lebensgefahr, kein Sesshoumaru. Der letzte Gedanke versetzte meinem Herz jedoch einen Stich. Selbst der Tod hatte meine Gefühle nicht auslöschen können. „Doch, das muss ich.“, sagte ich leise.

Dennoch blieb das Mittelalter gefährlich. Ich war bereits Dämonen begegnet die meinen - erneuten - Tod wollten oder mich wegen irgendwelcher Kräfte absorbieren, wie Naraku angedeutet hatte. Es könnte nicht schaden wenn ich lernte mich zu verteidigen.

Nachdenklich erinnerte ich mich an den Schwerkampf vom Schulfest. Hätte mich nicht eine Erinnerung beim dritten Gegner außer Gefecht gesetzt wäre ich vielleicht noch weiter gekommen. Als Prinzessin aus einer Samurai-Familie hatte ich in meinem letzten Leben Unterricht im Schwertkampf bekommen. Im Moment wusste ich nicht wieviel ich davon noch einzusetzen vermochte, aber ich war entschlossen es herauszufinden.

Als der Unterricht vorbei war ging ich also zum Kendo-Club um mich dort zum regelmäßigen Training anzumelden. Ich bat Kagome jedoch zuvor noch ausdrücklich darum dies im Mittelalter nicht zu erwähnen. Wohlmöglich würde es nur unnötig Erwartungen hochschrauben dass ich bald kämpfen konnte um mich selbst zu verteidigen. Da ich mein Können diesbezüglich aber noch gar nicht einschätzen konnte und vielleicht ja auch in diesem Leben zu ungeschickt sein würde, war es mir lieber wenn keiner nach meinen Fortschritten fragen würde.
 

Im Club wurde mehrfach die Woche nach dem Unterricht trainiert. Mein erstes richtiges Training fand direkt diesen Nachmittag statt. Als Neueinsteiger wurden mir zuerst die korrekten Bewegungsabläufe gezeigt die ich unzählige Male wiederholte bis ich mir die richtige Körperhaltung merken konnte.

Bis zum Abend war ich einigermaßen erschöpft und gönnte mir ein entspannendes Bad bevor ich die Hausaufgaben erledigte.

Die verbliebene Zeit vor dem Schlafen gehen wollte ich nutzen um nochmals mit Sahiro und Setsuna zu sprechen. Auf dem Sofa sitzend konzentrierte ich mich auf meine Kette, die ich dadurch schwach als zwei pulsierende Punkte wahrnahm. „Sahiro?“

„Wir sind hier.“, kam die Antwort von dem Geist meines Onkels, der soeben wieder für mich sichtbar geworden war, wie auch der Geist seiner Geliebten.

„Naraku sagte er wolle meine spirituelle Energie aufnehmen. Auch du sprachst heute morgen davon, dass ich irgendwelche Kräfte geerbt hätte. Was hat es damit auf sich? Was genau sind das für Kräfte?“

„Es sind Kräfte die deiner Seele inne wohnen. Sie können zur Verteidigung und für magische Angriffe genutzt werden wenn man sie zu beherrschen weiß.“

„Bitte bringe es mir bei. Ich will nicht länger so schutzlos sein.“, bat ich ihn. Und so begannen wir mit Meditationsübungen um mir meine Kräfte bewusst zu machen und sie richtig kontrollieren zu können. Dabei erklärte mir Sahiro, dass die Menge der Energie über die ein Mensch verfügen kann individuell ist und nicht von diesem Training beeinflusst wird. Die Meditation hingegen war nötig um den Energiefluss aufzuspüren der beständig durch den Körper strömte und natürlich um diese Energie in die gewünschte Bahn zu lenken. Für den Anfang erforderte es meine volle Konzentration um die Kraft zu einem kleinen Schild zu formen der wenige Zentimeter von meiner ausgestreckten Handfläche entfernt flackerte und etwa die Größe einer Musik-CD hatte. Schon das kurze Lob das Sahiro aussprach um meine Bemühungen zu bestärken lenkte mich zu sehr ab und der Schild verschwand wieder.

Ich übte eine Weile weiter bis ich Kopfschmerzen bekam. Bis dahin hatte ich es geschafft meinen Schild um ein paar Zentimeter im Durchmesser zu vergrößern. Er flackerte jedoch nach wie vor als würde er zittern wie ein verkrampfter Muskel. Außerdem löste er sich bei der kleinsten Ablenkung wieder auf, was mich verbissen grummeln ließ.

„Du verkrampfst dich zu sehr. Versuche dich weniger in deiner Kraft fest zu beißen und mehr zu entspannen, dann verlierst du nicht bei jeder Ablenkung die Kontrolle. Weniger denken und dafür mehr fühlen.“, sagte Sahiro zum Abschluss, lächelte jedoch aufmunternd.

Ich nickte. „Ja, danke. Ich versuche es morgen weiter. Jetzt habe ich Kopfschmerzen und es ist spät. Ich sollte definitiv schlafen gehen. Gute Nacht.“
 

Die nächsten Wochentage verliefen ähnlich. Jede Nacht sah ich im Traum weitere Erinnerungen aus Saras Leben, von ihrer Kindheit und dem Leben als Prinzessin. Direkt vor dem Aufwachen jedoch wechselten meine Träume immer zu Sesshoumaru und seinen unergründlichen goldenen Augen. Ich kam mir vor als sei ich besessen doch konnte ich mich einfach nicht von ihm los sagen.

Dann ging ich zur Schule und machte mit Kagome zusammen die Hausaufgaben. Die restliche Zeit verbrachte ich mit dem Trainieren für Schwerkämpfe - an den Tagen an denen der Club kein Training hatte übte ich für mich allein - und der Beherrschung meiner Kräfte. Außerdem spielte ich auch ein wenig auf meiner Flöte, sodass mir zumindest im wachen Zustand wenig Zeit blieb um über Sesshoumarus Verhalten mir gegenüber nach zu grübeln oder mir wohlmöglich irgendwelche Hoffnungen für die Zukunft zu machen.

Was meine Kräfte anging machte ich jeden Tag ein wenig Fortschritte. Sahiro und Setsuna verwickelten mich in Gespräche während ich versuchte den Schild um mich herum wachsen zu lassen. Sie sagten es sei besonders wichtig dass ich auch bei Ablenkung meine Kräfte kontrollieren könnte denn im Ernstfall müsste ich meinen Schild aufrecht erhalten und gleichzeitig auf meine Umgebung achten können.

Ich stellte fest, dass die Kopfschmerzen die ich von dem Einsatz dieser Kräfte bekam umso stärker wurden wenn ich eine größere Menge zu kontrollieren versuchte um zum Beispiel einen Schild komplett um mich herum anwachsen zu lassen.

Es frustrierte mich, dass ich noch keinen Schild um mich herum schließen konnte.

Sahiro versuchte mich zu beruhigen. „Du hast genug Kraft dafür und du machst gewaltige Fortschritte. Dadurch dass du dich mehr und mehr an dein altes Leben erinnerst musst du mit der Kontrolle deiner Kräfte nicht ohne Vorkenntnisse anfangen und hast schon weitaus mehr geschafft als ein Anfänger in dieser Kunst. Es ist allerdings wie ein weiterer Muskel den du trainieren musst. Im Moment ist er nicht trainiert genug um deine gesamte Kraft einzusetzen und dein Körper ist so klug dir deine Grenze aufzuzeigen. Im Training solltest du darauf achten. Hebe dir deine Reserven für den Ernstfall auf. Wobei wir natürlich hoffen dass du in diesem Leben von weiteren derartigen Situationen verschont bleibst. Aber da du ja planst wieder ins Mittelalter - wie du es nennst - zu gehen… Da kann man nie wissen.“, schloss er seine Rede lachend ab.

Ich rieb mir die Schläfen die nach der letzten Trainingseinheit nun schmerzhaft pochten. „Dann sind diese Kopfschmerzen wohl sowas wie Muskelkater im Geiste? Aber wenn ich wieder diesem Naraku begegne muss ich mich verteidigen können!“

„Das kannst du! Setsuna und ich, wir glauben an dich.“, sagte Sahiro.

„Und wir sind immer da wenn du uns brauchst.“, fügte Setsuna hinzu, klang jedoch eher deprimiert als aufmunternd.

Nun ja, wo sonst sollten die beiden aber auch hin gehen. Sie steckten seit Jahren in dieser Kette fest die nun in meinem Besitz war. In diesem Fall war er nur allzu verständlich dass sie deprimiert war. Ich hingegen war frei mein Leben zu leben. Ein Lächeln schlich sich auf mein Gesicht. Ja, ich würde mich verteidigen. Vielleicht noch nicht perfekt, aber allemal besser als am letzten Wochenende.

Und wenn ich erstmal meine Kräfte nutzen könnte ohne mich danach zu fühlen als wäre ein Lastwagen über mein Hirn gefahren, dann würden wir zusammen eine Lösung finden um die beiden aus ihrem Gefängnis in der Kette zu befreien.
 

Am Samstag früh packte ich aufgeregt meinen Rucksack fürs Wochenende um wie verabredet mit Kagome ins Mittelalter aufzubrechen. Der Rucksack enthielt unter anderem Waschzeug und Handtuch, Wechselkleidung falls ich es irgendwie schaffte an einem Wochenende meinen Kimono einzusauen - ich wusste ja schließlich auch nicht wie das Wetter vor 500 Jahren sein würde - und eine kleine Erste Hilfe Ausstattung.

Ich trug einen Kimono wie beim Training, sodass ich mich uneingeschränkt bewegen konnte. Meine Flöte nahm ich dieses mal auch mit und steckte sie wie gewohnt in den Kragen des Oberteils. Dann schwang ich mir meinen Rucksack auf den Rücken und lief voller Ungeduld die Treppen zum Higurashi-Schrein empor.

Ob Sesshoumaru wieder im Dorf wäre? Obwohl ich es nicht erwarten konnte ihn wieder zu sehen war ich mir nicht sicher ob ich wollte das er dort im Dorf war. Es würde wieder viele Neugierige Ohren geben und viel lieber wollte ich mit ihm alleine Sprechen. Ansonsten würde ich eh nicht viel aus ihm heraus bekommen denn jedes Mal wenn jemand dazu gekommen war, war er wieder verschwunden.

Ich klopfte bei den Higurashis, die gerade noch am Frühstückstisch saßen und mich einluden mit ihnen zu essen. Da ich mein Frühstück vor lauter Ungeduld ausgelassen hatte, nahm ich danken an. Allerdings brachte ich nur wenige Bissen runter weil mein Magen rebellierte. War ich dieses Wochenende noch aufgeregter als zuvor? Mein Versuch mir keine Hoffnungen zu machen war dann wohl gescheitert.
 

Schließlich brachen Kagome und ich auf.

„Das wird sicher ein tolles Wochenende.“, sagte Kagome fröhlich. Versuchte sie mich aufzumuntern? Ob sie wohl gesehen hatte wie ich unruhig mit den Zähnen knirschte? Oder war es nur ihre eigene echte Freude wieder ins Mittelalter zu gehen? Vielleicht freute sie sich so sehr auf Inu Yasha und ihrer beider Freunde. Wie lange reiste sie wohl schon ständig zwischen den Zeiten hin und her? Und nun hatte sie mich als Klotz am Bein. Ich bekam ein leicht schlechtes Gewissen.

„Ja, bestimmt wird es toll.“, stimmte ich ihr zu und versuchte möglichst erfreut zu klingen. Ich kontrollierte allerdings nicht ob ich sie überzeugt hatte sondern sprang voraus in den Schacht des Knochenfresser-Brunnens und ins Mittelalter, in Gedanken wieder bei Sesshoumaru.

In der Falle

Wie sich schnell herausstellte waren meine Gedanken das einzige dass bei Sesshoumaru sein würde, denn er war nicht bei Inu Yasha und seinen Gefährten im Dorf. Wieso sollte er auch? Hatte ich ernsthaft gehofft er würde hier auf mich warten? Er hatte doch schon am letzten Wochenende festgestellt dass ich nicht mehr die höfliche Prinzessin war die er gekannt hatte.

Kagome begrüßte ihre Freunde vergnügt, was diese erwiderten. Auch ich setzte ein Lächeln auf und versuchte es mit einem freundlichen: „Hallo zusammen.“

„Oh. Hallo Saju. Du bist also auch wieder da.“, war eine der Reaktionen die ich bekam.

„Kagome, sag mir dass wir nicht wieder Zeit verschwenden werden die wir besser in die Suche nach Naraku investieren würden!“, sagte Inu Yasha nach einem kurzen Blick auf mich, woraufhin Kagome unschlüssig zu mir blickte.

„Lasst euch von mir bitte nicht abhalten. Ich werde euch einfach begleiten wenn euch das nicht stört.“, erwiderte ich lächelnd. Was sollte ich auch sonst tun? Alleine los ziehen und wohlmöglich nach Sesshoumaru suchen? Bei meinem Glück würde ich kurzerhand in den nächsten Dämonen laufen der mich entweder fressen oder aufsaugen würde. Keine gute Idee also. Aber in ihrer Reisegruppe konnte ich mich vielleicht nützlich machen. Ich wollte schließlich niemandem zu Last fallen. Ob mein hartes Training der letzten Tage wohl schon zu irgendwas gut sein würde? Ein Wochenende würde ich ja wohl überleben ohne all zuviel Ärger zu verursachen.

So zogen wir also zu Fuß los um nach Naraku zu suchen. Ich fragte mich ob er vielleicht auch dieses Wochenende gefunden werden wollte. Er schien ja ein Vergnügen daran zu haben Leute in seine Fallen zu locken um deren Kräfte zu absorbieren.

Kagome erzählte mir unterdessen mehr über die Splitter des Juwels der vier Seelen und dass sie diese in einem gewissen Radius fühlen könne. Im Moment jedoch war wohl kein Splitter in Reichweite, außer dem den sie bei sich trug und der ihr erlaubte den Brunnen zwischen den Zeiten zu passieren. Das zu hören trug bei Inu Yasha nicht gerade zu guter Laune bei, doch der Rest der Gruppe ließ sich davon nicht beirren.

Der Anblick der weitläufigen Landschaft weckte in mir die Lust auf Abenteuer. Weit und breit war keine Stadt in Sicht, natürlich keine Hochhäuser, keine Industrie und auch Kaedes Dorf verschwand bald außer Sicht als wird das erste Waldstück passiert hatten. Einfach Traumhaft!

Kagome ließ sich von ihren Freunden in allen Einzelheiten erzählen was die letzten Tage über geschehen war und lächelte dabei wehmütig. Offenbar war es ihr wirklich schwer gefallen nun die zweite Woche am Stück geregelt zur Schule zu gehen anstatt ein paar Tage krank zu machen. Ob sie mir zuliebe in unserer Zeit geblieben war? Ich konnte ihr nicht verübeln dass sie lieber Abenteuer im Mittelalter erleben wollte, seien sie auch noch so gefährlich. Es war nicht zu übersehen wie sehr ihr Herz an ihren Freunden hier, vor allem an Inu Yasha, hing. Aber wir mussten nun einmal unseren Schulabschluss machen. Ohne einen Abschluss konnte man in unserer Zeit nichts werden.
 

Wir kamen gerade an einem einzelnen Berg vorbei, den ich aufgrund der abgeflachten Spitze für einen Vulkan hielt, als jemand nach Inu Yasha rief. Wir hielten an und wandten uns der - mir unbekannten - Stimme zu. Dort stand ein alter Mann in einem grün und schwarz gestreiften Kimono. Die ihm verbliebenen grauen Haare hatte er am Hinterkopf zu einem kurzen Zopf zusammen gebunden. Was mich allerdings viel mehr irritierte war die Tatsache das er mit seinem überdimensionierten Hammer winkte, den er in der Hand hielt, und den für meine Begriffe viel zu lang geratenen Stil anschließend auf seiner Schulter abstützte.

„Hallo Totosai!“, rief Inu Yasha zur Antwort und die Gruppe setzte sich wieder in Bewegung. Bei dem alten Mann blieben wir wieder stehen, sodass wir uns nun in normaler Lautstärke unterhalten konnten.

Er begrüßte alle und ließ seinen Blick dabei über die Gruppe wandern bis er an mir hängen blieb. „Dich kenne ich noch nicht.“, stellte er fest.

„Das ist Saju. Sie kommt ebenfalls aus meiner Zeit.“, stellte mich Kagome vor. Dann sprach sie zu mir: „Saju, das hier ist Totosai. Der Schmied der die beiden Schwerter Tessaiga und Tenseiga geschmiedet hat.“

Bei diesen Worten horchte ich interessiert auf. „Tatsächlich? Und Tokijin auch?“, fragte ich vorschnell an Totosai gewandt, bevor ich richtig darüber nachgedacht hatte und mir einfiel dass ich es besser wissen sollte. „Ach nein, Kagome sagte der Schmied von Tokijin sei gestorben.“ Und obwohl Totosai nicht gerade der jüngste war, dem Aussehen nach zu urteilen, war er offensichtlich noch am Leben.

„Wohl eher gestorben worden… Er konnte sein eigenes Werk nicht kontrollieren, der törichte Narr.“, sprach nun wieder Totosai. „Tokijin ist ein von Grund auf böses Schwert. Allein Lord Sesshoumaru scheint die Geistesstärke zu besitzen es zu unterwerfen. Wahrscheinlich weil er selbst noch böser ist als der Geist der im Schwert verblieben ist.“, sagte er so dahin.

„Das glaube ich nicht.“, widersprach ich mit Nachdruck. So bösartig konnte Sesshoumaru nicht sein! „Tokijin wollte mich dazu bringen Miroku einen Kopf kürzer zu machen. Wäre Sesshoumaru wirklich noch böser als die Klinge würde er sicher jeden der ihm begegnet grundlos nieder metzeln.“ Während Miroku sich gerade mit einer Hand vergewisserte das sein Kopf noch immer auf seinen Schultern ruhte schien Inu Yashas Blick förmlich zu sagen: „Wäre ja nicht das erste Mal.“ Unweigerlich erinnerte ich mich an das erste Mal dass ich Sesshoumaru gesehen hatte. Es war in meinem letzten Leben als Prinzessin Sara gewesen. Sesshoumaru war mit blutdurchtränktem linken Ärmel inmitten des Krieger-Trupps aufgetaucht welches unser Schloss umstellt hatte und er hatte sie alle ohne mit der Wimper zu zucken nieder gemacht. Einfach weil sie ihm im Weg waren und er schlechte Laune hatte. Trotzig schob ich diese Erinnerung beiseite und bemerkte nun Totosais neu erwachtes Interesse an mir.

„Du hast Tokijin kontrolliert?“, fragte der Schmied ungläubig. „Wie bist du überhaupt daran gekommen?“

„Ich war etwas… ungehalten. Da habe ich eben nach der ersten Waffe gegriffen die in Reichweite war. Da Sesshoumaru neben mir stand war das eben Tokijin...“, druckste ich herum.

„Aber wie? Er hat es dich einfach ziehen lassen? Du bist doch ein Mensch… Warum sollte er das zulassen?“, sagte Totosai und kam etwas näher um mir eindringlich in die Augen zu starren als würde er dort nach einer Antwort auf eine unausgesprochene Frage suchen. „Ich frage mich… ob er wohl doch eines Tages auf den Weg seines Vaters finden wird?“

Tja, diese Frage hatte ich mir auch schon gestellt. Warum hatte Sesshoumaru mich das Schwert ziehen lassen? Samurai sicherten ihre Klinge üblicherweise mit der linken Hand damit niemand sie unbefugt ziehen konnte. Sesshoumaru fehlte zwar der linke Arm und so blieb ihm diese Möglichkeit nicht, zumal er zwei Schwerter zugleich sichern müsste, doch gewiss waren seine Reflexe als vollwertiger Dämon einem Menschen wie mir derart überlegen dass er mich hätte aufhalten können. Doch bei der Erwähnung von seinem Vater wurde ich hellhörig. „Kanntet ihr seinen Vater gut?“, fragte ich scheinheilig.

Totosai lachte kurz. „Ob ich ihn gut kannte? Mädchen, sein Vater, Lord Inu no Taishou, der Herr des Westens, war mein Lehnsherr. Ich habe aus seinem Fangzahn die Schwerter Tessaiga und Tenseiga für ihn geschmiedet die er nach seinem Tod seinen beiden Söhnen vererbt hat.“

Ein kurzer Schauer lief mir über den Rücken. Der Herr des Westens, diesen Titels als Lord hatte Sesshoumaru sicher von seinem Vater geerbt. Doch so unterschiedlich wie Totosai von Vater und Sohn berichtete, war der Respekt den Inu no Taishou unter seinen Gefolgsleuten genossen hatte, wohl nicht mit dem Titel zusammen auf Sesshoumaru übergegangen.

„Keh. Ich habe genug davon gehört! Lasst uns endlich weiter nach Naraku suchen!“, nörgelte Inu Yasha. Er sah aus als wäre es ihm unangenehm wie das Gespräch verlaufen war. So verabschiedeten wir uns also von dem Schmied, der uns nachdenklich hinterher sah, und setzten unsere Suche fort.
 

Bis zum Abend legten wir noch einiges an Strecke zurück, doch noch immer hatten wir keinen Anhaltspunkt wo Naraku zu finden sein könnte. Wir schlugen unser Lager für die Nacht auf einer Lichtung im Wald auf. Nach dem Abendessen blieb ich nah beim Lagerfeuer sitzen und holte meine Flöte hervor und spielte ein paar der alten Melodien an die ich mich aus meinem letzten Leben erinnerte. Nach und nach verstummten die Gespräche der anderen und sogar Inu Yasha hörte auf sich zu beklagen und lauschte statt dessen. In Gedanken ließ ich den Tag Revue passieren. So sehr mir der ausgiebige Spaziergang durch unberührte Natur gefallen hatte, wurde ich das Gefühl nicht los dass Kagome und ihre Freunde etwas planlos unterwegs waren. Gab es denn gar keine Möglichkeit Naraku ausfindig zu machen und ihn endgültig zu besiegen ohne dass er wieder die Flucht ergreifen würde und alles von vorn los ging? Nicht einmal Sesshoumaru waren wir begegnet, aber zumindest hatte ich von Totosai ein paar mehr Informationen über ihn bekommen.

Ich bekam nicht genau mit wann ich von den alten Melodien beim Flöte spielen zu einem Liebeslied aus der Neuzeit gewechselt war, bis mir eine einsame Träne die Wange hinunter kullerte und ich erschrocken aufhörte zu spielen. Warum nur musste ich so sensibel auf Musik reagieren? Das war doch peinlich! Ich versuchte möglichst unauffällig die Träne mit meinem Ärmel weg zu wischen und schaute verstohlen zu den anderen hinüber als der Wind drehte und mir einige Haarsträhnen ins Gesicht wehten. In dem Moment setzte sich Inu Yasha alarmiert auf und seine rechte Hand wanderte zu Tessaigas Griff. Er schnupperte nach einem Geruch den wohl nur seine feine Hundenase riechen konnte und entspannte sich dann wieder. Das war dann wohl ein Fehlalarm. Achselzuckend legte ich mich ins Gras und starrte den Himmel an mit den vielen Sternen und einer dünnen, zunehmenden Mondsichel, spiegelverkehrt zu der auf Sesshoumarus Stirn.

Und so hatte er sich schon wieder in meine Gedanken geschlichen. Meine Güte. Seinetwegen würde ich wirklich noch eines Tages den Verstand verlieren. Oder mein Leben… Schon wieder.

Den Blick weiter auf die Mondsichel geheftet schlief ich schließlich ein.
 

Am nächsten Morgen zogen wir wieder weiter. Kurz vor Mittag - als ich gerade nach geeigneten Worten suchte um Kagome darauf hinzuweisen dass es ja schon wieder Sonntag war und wir morgen zur Schule müssten - spürte sie einen Splitter des Juwels der vier Seelen der sich in nicht allzu großer Entfernung bewegte. Wir setzten unseren Weg also in diese Richtung fort und die frisch erwachte Abenteuerlust verdrängte den Gedanken an Schule für den Moment.

Es dauerte nicht lange bis sich ein fliegender Punkt näherte den wir bald als Ah-Uhn erkennen konnten. Auf seinem Rücken saß Rin und blickte sich scheinbar nach etwas oder jemandem suchend um. Ja, auch dafür war ein fliegender Drache überaus praktisch. Als sie uns sah lenkte sie die beiden Köpfe zu uns hinunter und landete.

„Hallo Rin.“, rief ich ihr entgegen. Wo sie wohl Sesshoumaru und den nörgelnden Kröten-Dämon gelassen hatte?

„Hallo ihr alle. Bitte kommt schnell mit. Ihr müsst Lord Sesshoumaru helfen!“, sagte sie aufgebracht.

Inu Yasha lachte schallend. Sesshoumaru brauchte Hilfe? Mein Herz pochte panisch. Worauf warteten wir dann noch? Eilig rannte ich nun zu Rin und Ah-Uhn und stieg hinter ihr auf den Drachen auf. Dann blickte ich ungeduldig zurück zu den anderen. Kirara hatte sich wieder in ihre große Gestalt mit Säbelzähnen verwandelt und trug Miroku, Sango und Shippo auf ihrem Rücken. Kagome ließ gerade wieder Inu Yashas Ohr los an dem sie gezogen hatte damit er zu lachen aufhörte und kletterte dann auf seinen Rücken. Nun gab Rin dem Drachen ein Signal und wir hoben vom Boden ab. Obwohl dies mein erster Flug war, blieb mir nicht viel Gelegenheit ihn und das Freiheitsgefühl zu genießen, weil ich mir natürlich Sorgen machte. Wir flogen in die Richtung aus der Rin gekommen war und in die wir ohnehin unterwegs gewesen waren. Dann hatte der Juwelensplitter der Kagome gefühlt hatte wohl mit Sesshoumarus misslicher Lage zu tun.

Als wir ein Stück geflogen waren bot sich mir hinter einem Berghang ein seltsames Schauspiel. Ein Hund mit weißem langen Fell kauerte bereit zum Sprung unter einer durchschimmernden Kuppel deren Material ich nicht einordnen konnte. Sie waberte ein wenig und es schien fast als würde sie aus purer Energie bestehen. Vor der Kuppel in der Luft schwebte eine Frau mit langem feuerroten Haar und lachte boshaft. Sie trug einen edel verzierten Kimono aus vielen Lagen der gewiss nicht zum Kämpfen geeignet war. Erst in Relation zu der Frau konnte ich auf die Entfernung einschätzen wie groß dieser Hund war. Seine Schulterhöhe war sicher das vierfache eines normalen Menschen. Um seinen Rumpf zog sich ein zusätzliches Fellteil quer über die rechte Schulter und nun wo wir näher heran flogen fiel mir auch auf, dass ihm das linke Vorderbein fehlte. Es dämmerte mir bereits, um wen es sich bei diesem Hund handeln musste, doch erst als wir landeten und er einen kurzen Blick in unsere Richtung warf war ich mir sicher. Die roten Augen hatte ich bei ihm schließlich schon bei meinem letzten Besuch im Mittelalter gesehen und die blaue Mondsichel auf seiner Stirn war unverkennbar. Seine beiden Wangenstreifen jedoch waren in dieser Gestalt um die Lefzen geschwungen. Dennoch bestand für mich und mein dummes pochendes Herz kein Zweifel. Das hier war Sesshoumaru in seiner wahren Gestalt als Hundedämon.

Der Ausdruck auf seinem Gesicht jagte mir einen kurzen Schauer über den Rücken. Seine Augen und die angelegten Ohren sagten deutlich dass er nicht in dieser misslichen Lage stecken und noch weniger auf unsere Hilfe angewiesen sein wollte. Dafür war er einfach zu Stolz.

Gerade sprang ich von Ah-Uhns Rücken als dieser beinahe gelandet war, als bereits ein Pfeil an mir vorbei auf die Kuppel zu sauste. Kagome versuchte wohl mit ihrer Kraft die Barriere zum Einsturz zu bringen. Obwohl ich mir wünschte das Sesshoumaru schnell befreit würde, wollte ich eigentlich selbst dazu beitragen. Mit gemischten Gefühlen beobachtete ich also wie der Pfeil auf die Barriere traf die daraufhin kurz durch den Aufprall bebte, ansonsten jedoch völlig unversehrt blieb.

„Seht es endlich ein Lord Sesshoumaru. Ihr könnt Euch nicht aus meinem Bann befreien und auch Eure armselige Verstärkung wird daran nichts ändern. Der einzige Weg dem zu entrinnen ist Euch mir anzuschließen.“, sprache die Rothaarige nun.

Nur über meine Leiche!

Sesshoumarus Antwort war ein Knurren von dem ich hoffte dass es Niemals hieß und er versuchte - wohl nicht zum ersten Mal - mit einem Sprungangriff und seinen Klauen gegen die Barriere anzugehen. Ihn so zu sehen, noch dazu auf nur drei Beinen, stimmte mich noch verzweifelter.

Wozu hatte ich denn die ganzen Meditationsübungen gemacht um meine eigenen Kräfte aufzuspüren und nach meinem Willen einzusetzen? Zwar hatte ich immer geübt einen Schild zu errichten, doch nach Sahiros Lektionen zu urteilen sollte ein punktueller Angriff einfacher sein als einen großflächigen Schild zu errichten. Allerdings hatte ich meine Einrichtung in der Mietwohnung nicht riskieren wollen und es daher für die Übungen auf den Schild zurück gegriffen.

Mit neuer Entschlossenheit lief ich die letzten Schritte auf die Barriere zu die Sesshoumaru gefangen hielt und streckte meine linke Hand, die Handfläche voraus, nach dieser aus bis ich einen Widerstand in der Luft spürte der von der wabernden Energie stammen musste. Jetzt war nicht die Zeit zu zögern oder Schwäche zu zeigen. Ich würde dieser blöden Barriere schon zeigen zu was ich fähig war - oder zumindest hoffte fähig zu sein, denn bisher hatte ich noch keine Gelegenheit gehabt meine wahre Grenze zu testen.

„Was auch immer du da vor hast, dummes Ding, wird nichts nutzen.“, sprach nun wieder die Dämonin. Offenbar hatte sie mich entdeckt, doch bevor sie gegen mich vorgehen konnte sprang nun Inu Yasha vor und verwickelte sie in einen Kampf.

Ich nutzte die Zeit und schloss die Augen um im Geiste nach meiner Kraft zu tasten. Am Anfang wand sie sich ein wenig weil meine Gedanken zu hektisch waren. ‚Nicht verkrampfen Saju!‘, ermahnte ich mich selbst. Dies war nicht die Zeit in Panik zu verfallen. Sesshoumaru brauchte meine Hilfe und dafür brauchte ich einen klaren Kopf.

Ich atmete tief durch und zählte meine Atemzüge um mich wieder zu konzentrieren. Dann tastete ich erneut nach meinem Energiefluss. Bald hatte ich ihn und spürte wie die Kraft mich durchströmte. Ich konzentrierte sie auf meine linke Handfläche um sie gebündelt gegen die Barriere einzusetzen. Das Aufeinanderprallen der Energien brachte die Kuppel dazu stetig zu zittern und auch Sesshoumaru setzte ihr von innen weiter zu, doch noch hielt sie stand. Ich intensivierte meine Bemühungen und versuchte meine gesamte Kraft in diese von mir gewünschte Bahn zu lenken ohne zu verkrampfen. Desto mehr Kraft ich mobilisierte, umso weniger bekam ich von meiner Umwelt mit, also wäre meine Wahrnehmung derzeit überflutet. Wenigstens hielt Inu Yasha weiterhin die rothaarige Dämonin in Schach sodass ich nicht ständig in meiner Konzentration unterbrochen wurde. Dennoch reichten meine Kräfte nicht aus.

Wieder erklang ein böses Lachen. „Ha! Gegen die vereinten Kräfte von Naraku und mir mit dem Juwelensplitter kommt keiner an!“

Vereinte Kräfte also? Na das konnte ich doch auch, oder? Nochmals schloss ich für einen Moment die Augen und richtete einen Teil meiner Konzentration auf meine Kette um nach Sahiro und Setsuna zu rufen und sie um Hilfe zu bitten. Ich wollte Sesshoumaru endlich befreien. Es fiel mir ein wenig schwer meinen bisherigen Angriff auf die Barriere aufrecht zu halten und gleichzeitig mit ihnen zu sprechen, aber mit leichten Kopfschmerzen gelang es mir den Kontakt herzustellen.

„Sahiro! Setsuna! Meine Kraft reicht nicht aus um die Barriere zu durchbrechen. Bitte helft mir.“

„Glaubst du, du kannst unsere Kräfte mit den deinen Bündeln?“, fragte Sahiro, der noch zögerte.

„Es wird sehr viel schwieriger als nur deine eigene Kraft in die gewünschte Bahn zu lenken.“, warnte Setsuna.

„Mit dem folgenden Muskelkater kann ich leben wenn ich nur Sesshoumaru befreien kann.“, wandte ich gegen ihrer beider Bedenken ein.

„Hoffentlich hast du Recht. Und hoffentlich bleibt es nur bei deinen Kopfschmerzen.“, erwiderte Sahiro wieder.

Ich bemerkte sofort als die beiden Geister meine Bitte erhörten denn die Kraft die nun durch mich strömte war bedeutend gewachsen und brannte förmlich während sie durch mich hindurch floss.

Mit einem grimmigen Lächeln richtete ich auch diese zusätzliche Energie zusammen mit meiner auf die Barriere, die nun endlich erste Risse zeigte. Die Spannung um mich herum wirbelte die Luft auf und meine Haare flogen mir wild um den Kopf und teilweise vor meinem Gesicht umher, doch dass war egal. In der Kuppel setzte Sesshoumaru, dem die Risse ebenfalls aufgefallen waren, zu einem weiteren Angriff an und dieses Mal durchbohrten seine Krallen die Barriere die mit einem Knall zersprang und mich rücklings zu Boden warf sodass mir die Luft aus den Lungen gepresst wurde obwohl ich von meinem Rucksack auf dem Rücken vermutlich sogar noch abgefangen wurde. Unvorbereitet wie ich war schlug ich mir allerdings den Hinterkopf schmerzhaft am Boden an. Als ob mein Kopf nicht schon genug schmerzen würde.

Die Kräfte die ich kontrolliert hatte entwischten meinem geistigen Griff und ließen mich atemlos und mit pochenden Kopfschmerzen zurück. Das wichtigste jedoch war, dass Sesshoumaru nun frei war. In einer für mich unscharfen weißen Wolke rauschte er in seiner riesigen Hundegestalt an mir vorbei und stürzte sich in den Kampf gegen die Dämonin. Diese schien entkommen zu wollen, denn nun nahm sie reiß aus und beide Brüder nahmen die Verfolgung auf.
 

Ich dankte Sahiro und Setsuna für ihre Hilfe. Dann stand ich schwankend vom Boden auf, klopfte mir Erde und Grashalme von der Kleidung und tastete nach meinem Hinterkopf wo ich ihn mir angeschlagen hatte. Es tat weh, aber zumindest hatte ich kein Loch im Kopf weil ich nur im Gras gelandet war.

Rin kam auf mich zu gerannt und schlang ihre dünnen Arme um meine Taille. Höher kam sie nicht. „Danke Saju! Danke dass du Lord Sesshoumaru geholfen hast!“

Ich drückte die Kleine kurz an mich. „Das habe ich gerne gemacht. Ich bin froh dass ich helfen konnte.“, antwortete ich wahrheitsgemäß. Andererseits war froh noch völlig untertrieben. Ich fühlte mich geradezu berauscht. Ob das eine Nachwirkung davon war soviel Kraft gelenkt zu haben? Oder war es nur mein Stolz über das Kunststück das mir gelungen war, das ich Sesshoumaru helfen konnte und zu etwas nutze war?

Im Hintergrund sah ich wie Jaken noch der Mund offen stand, dann schob sich Kagome in mein Blickfeld. „Saju, das war der Wahnsinn! Ich wusste nicht dass du so stark bist.“

„Tja, da sind wir schon zwei. Das war das erste Mal dass ich meine Kräfte richtig eingesetzt habe. Außerdem hatte ich Hilfe.“, erklärte ich und zupfte kurz meine Kette zurecht.

Rin hatte mich mittlerweile wieder los gelassen und war zurück zu Jaken gegangen. „Meinst du Lord Sesshoumaru kommt jetzt alleine gegen die Dämonin an?“, fragte sie ihn gerade.

„Natürlich kommt er das!“, erwiderte dieser empört.

„Inu Yasha ist ja auch dabei. Die kommen sicher zurecht.“, mischte sich Kagome ein, doch ihr Blick war besorgt in die Richtung gerichtet in welche die Dämonin und die Brüder verschwunden waren.

Gerade wollte ich vorschlagen dass wir uns ja in die Richtung begeben könnten, als mich etwas von hinten packte, von den Füßen riss und in die Luft hob. Alles was ich noch hervor brachte war ein entsetzter Aufschrei und obwohl ich versuchte mich aus dem Griff zu befreien musste ich mit ansehen wie die anderen am Boden binnen Sekunden kleiner und kleiner wurden. Sango griff noch reflexartig nach ihrem übergroßen Bumerang, doch warf sie ihn nicht. Vermutlich sollte ich dankbar sein. Das Risiko war wohl zu groß dass sie mich ebenfalls treffen würde.
 

Ein schöner Schlamassel war das. Erst steckte Sesshoumaru in einer Falle und dann als er und Inu Yasha weg waren um diese blöde Dämonin zu verfolgen wurde ich entführt? Wer steckte dahinter? Und warum? Die Dämonin hatte Naraku erwähnt. Konnte es sein dass ihre Flucht nur ein taktischer Schachzug war um die beiden brauchbaren Kämpfer fort zu locken? Wollte er wieder versuchen mich zu absorbieren?

Wieder versuchte ich mich von meinem Entführer los zu reißen, doch es hatte keinen Zweck. Wenn ich mich umdrehen könnte, könnte ich versuchen erneut meine Kraft herauf zu beschwören und einen Energieball versuchen wie in meinem früheren Leben. Aber wenn mir das gelänge würde ich in die Tiefe stürzen, denn Fliegen gehörte definitiv nicht zu meinen Fähigkeiten. So musste ich die Entführung also vorerst ertragen, wenigstens bis wir wieder Boden unter den Füßen hatten.

Nach einer Weile landeten wir im Innenhof eines Anwesens wo bereits ein selbstgefällig lächelnder Naraku wartete. Also steckte er tatsächlich hinter alldem.

„Saju. Da bist du ja wieder. Und dieses Mal wird dir keiner zur Hilfe eilen.“, begann er und seufzte theatralisch. „Also dann… Hast du noch irgendwelche letzten Worte?“

Eilig dachte ich nach und tastete erneut nach meiner Kraft, meinen pochenden Kopfschmerz ignorierend. „Ich will kein Teil von dir werden!“, antwortete ich als die Kraft meinen Körper durchströmte.

Naraku lachte. „Tja, das steht hier nicht zur Debatte. Aber sei unbesorgt, Lord Sesshoumaru wird bald ebenfalls ein Teil von uns sein und dann seid ihr für immer vereint. Das ist es doch was du willst?“ Mit diesen Worten schossen wieder die altbekannten Tentakel aus ihm hervor und umgaben mich binnen Sekunden.

Dieses Mal jedoch war ich vorbereitet. Ich wusste dass ich nicht ausweichen konnte, aber eins konnte ich nun, wozu ich letztes Wochenende nicht in der Lage gewesen war. Hoffend dass es genügen würde formte ich die Kraft die durch mich strömte zu einem Schutzschild der sich wie eine Eihülle um mich legte. Narakus Tentakel schlossen sich um den Schild und so saß ich nun im Inneren fest und wurde von der Außenwelt völlig abgeschottet. Nicht einmal der geringste Lichtstrahl konnte mein Gefängnis durchdringen.

Ich saß in der Falle.

Ob mein weißer Ritte mit dem eiskalten Blick mich retten würde? Wie lange würde er brauchen? Konnte ich solange durchhalten? Ich wusste von Sahiros Unterricht, dass es nicht die Kraft war die ich trainieren musste, sondern die Kontrolle darüber. Vor dem heutigen Tag hatte ich sie nie einsetzen müssen und nur in meiner Wohnung trainiert, in der mich nichts ablenkte. Vorhin war ich bereits an meine Grenzen gegangen und hatte pochende Kopfschmerzen geerntet. Nun gesellte sich noch ein stechender Schmerz hinzu, aber ich musste durchhalten. Wenn ich versagte würde ich sterben. Oder schlimmeres.

Bereits in meinem letzten Leben hatte ich erlebt wie es war im eigenen Körper gefangen zu sein und mit ansehen zu müssen wie Dämonen ihn kontrollierten und grausame Dinge sagten und taten. Ein Teil von Naraku zu werden und dabei bei Bewusstsein zu sein, dass wäre schlimmer als zu sterben. Aber ich wollte nicht sterben! Dies hier war meine zweite Chance glücklich zu werden und die würde ich mir nicht widerstandslos nehmen lassen.
 

In der Dunkelheit verlor ich jedes Zeitgefühl. Dann und wann hörte ich gedämpfte Geräusche, konnte jedoch kein Wort verstehen falls dort draußen gesprochen wurde.

Vielleicht war alles schon verloren und ohne es zu merken war ich bereits ein körperloser Gefangener Geist in Naraku? Ein kurzer Anfall von Panik breitete sich aus und meine Barriere wurde instabil. Nein! Noch hatte ich nicht verloren. Positiv denken… „Ich kann das. Ich werde durchhalten, solange es auch dauern mag!“ Mein Schild hielt wieder stand. Für den Moment. Ob ich wohl rechtzeitig nach Hause kommen würde um zur Schule zu gehen? Was würde nur mein Großvater sagen wenn ich plötzlich im Mittelalter verschollen war?

Allmählich wurde ich müde und so konnte ich nicht genau sagen zu welchem Zeitpunkt mir die Funken das erste Mal bewusst auffielen. Zwei kleine helle Funken strahlten aus meiner Kette heraus. Draußen neben meinem Gefängnis konnte ich lange nur einen großen dunklen Funken ausfindig machen.

Irgendwann erhob sich ein unverständliches Stimmengewirr und zwei weitere helle Funken kamen in meine Sichtweite. Dann mischte sich das klirrende Geräusch aufeinander prallender Schwerter in das Gewirr. Dazu kam ein Lachen dass mein Gefängnis unangenehm beben ließ.

Was sollten die Schwerter? Naraku kämpfte nicht mit dem Schwert soweit ich das sagen konnte. Aber Sessshoumaru und Inu Yasha taten es. Und wenn sie aufeinander los gingen war das für Naraku sicherlich witzig anzusehen… Nur warum? Konnten sie nicht einfach zusammen kämpfen und mich hier endlich raus holen? Anschließend blieb noch genug Zeit für ihre übliche Auseinandersetzung. Das war doch nicht zu fassen!

Während der Kampf draußen tobte hatte ich allmählich das Gefühl mein Kreislauf würde versagen. Vermutlich wurde mir schwarz vor Augen, doch da ich eh im finstern saß war dies schwer zu beurteilen.

Dann sackte ich zusammen und mein Schild verschwand. Ich musste vor Erschöpfung kurz eingenickt sein. Nun wachte ich jedoch vor Schmerz schreiend wieder auf denn Narakus Tentakel waren ohne meinen Schutzschild natürlich zu mir vorgedrungen und umgaben mich eklig mit saugendem und schmatzendem Geräusch.

Verzweifelt sammelte ich meine letzten Reserven um erneut einen Schild zu errichten. Gerade rechtzeitig und lange genug um mit anzusehen wie mein Gefängnis von grellen blauen Lichtblitzen zerrissen wurde und sich auflöste. Dann fiel ich und wurde ohnmächtig.

Unterhaltung mit 'Ah-Uhn'

Als ich wieder zu mir kam spürte ich zuerst den harten Boden auf dem ich lag. Ich fühlte mich schwer wie ein Stein, als hätte sich die Erdanziehungskraft plötzlich vervielfacht und mein eigener Körper schien mich zu erdrücken. Hektisch schnappte ich nach Luft um den Druck auf meinen Brustkorb zu verringern, keuchte jedoch sogleich schmerzerfüllt auf als sich tausende kleiner Nadeln in meine Muskulatur bohrten. Die gute Nachricht war: Ich war offenbar noch immer am Leben und mir meines eigenen Körpers bewusst. Die schlechte Nachricht jedoch: Mir tat einfach alles weh.

Etwas kitzelte mich am linken Ohr und so drehte ich den Kopf leicht nach rechts während ich die Augen aufschlug. Schon diese kleine Bewegung verursachte ein starkes Pochen an meinen Schläfen und der Stirn und im ersten Moment war alles was ich sehen konnte ein grüner Schleier. Ich blinzelte ein paar mal und meine Umgebung nahm allmählich erkennbare Formen an. Ich lag auf grasbewachsenem Boden. Über mir erstreckte sich ein helles Blätterdach. Dann musste ich also in einem Wald sein. Nur wie kam ich hier her? War ich nicht zuletzt auf dem gepflasterten Innenhof eines Anwesens gestanden? Mein Kopf pochte dumpf bei dem Versuch mich zu erinnern. Was war geschehen? Wieviel Zeit war vergangen? Und wo zum Geier war ich hier?
 

Mein Blick fiel auf das geschuppte Ende eines Schwanzes. Ohne mich völlig zu verrenken - der Versuch zog eine erneute Schmerzexplosion in meinem Kopf nach sich - konnte ich nicht erkennen was am anderen Ende des Schwanzes war und so dauerte es einen Moment bis ich mich erinnerte woher ich diese Schuppen kannte: Ah-Uhn, der zweiköpfige Drache der zu Sesshoumaru gehörte.

Sesshoumaru…

Nun erinnerte ich mich wieder. Ich hatte meine Reserven mobilisiert um ihn aus einer Barriere zu befreien. Anschließend war er wortlos verschwunden und hatte die Verfolgung der verantwortlichen Dämonin aufgenommen. Schutzlos wie ich in diesem Moment war hatte Naraku mich entführen lassen und wieder versucht mich zu absorbieren. Hatte Sesshoumaru mich schließlich gerettet und hierher in den Wald gebracht?

Ich drehte den Kopf nach links und wieder verschwamm meine Sicht. Etwas großes und überwiegend weißes war auf dieser Seite zu sehen. Ich blinzelte. Das weiße Etwas nahm die Form von Sesshoumaru an, der mit dem Rücken an einen Baumstamm gelehnt, nicht weit von mir entfernt saß. Ich blinzelte nochmals und konnte nun auch sein Gesicht klar sehen und seine goldenen Augen die unverwandt auf mich gerichtet waren. Unsere Blicke trafen sich. Hatte er die ganze Zeit über mich gewacht? Wie lange lag ich wohl schon hier im Gras?

Ich öffnete den Mund um ihn zu fragen wie lange ich bewusstlos gewesen war, doch alles was aus meiner Kehle erklang war ein heiseres Krächzen aus dem sich selbst seine perfekten Ohren keinen Reim machen könnten. Genervt seufzte ich - was musste ich auch derart entkräftet vor seiner Nase auf dem Präsentierteller liegen - und versuchte mich aufzusetzen. Für den Moment schaffte ich es jedoch nur den Kopf anzuheben und meinen Puls durch die Anstrengung zum Rasen zu bringen. Mein restlicher Körper widersetzte sich mir und unterbrach meinen Versuch mit einer neuen Schmerzwelle. Na toll. Frustriert starrte ich auf das Blätterdach über mir, dass den Himmel nur erahnen ließ.
 

Kurz überdachte ich meine Optionen. Entweder blieb ich hier jämmerlich liegen und bewies wie schwach ich als Mensch war, oder ich versuchte mich den Schmerzen zum Trotz zu erheben und zu sehen aus welchem Holz ich gemacht war. Meine Entscheidung stand quasi sofort fest. Erneut spannte ich meine Muskeln an um mich aufzurichten, verzog jedoch unwillkürlich das Gesicht.

„Du bist schwach. Bleib liegen.“, ergriff nun Sesshoumaru das Wort.

Der angenehme Klang seiner tiefen Stimme durchflutete mich wie eine warme Sommerbriese. Seine Formulierung jedoch machte mich noch trotziger. Vielleicht wäre es klüger noch etwas liegen zu bleiben, aber so wie er das gesagt hatte, kam genau das jetzt auf keinen Fall mehr für mich in Frage. Statt dessen biss ich die Zähne zusammen und strengte mich noch mehr an. Ein leises knurren entwich mir, doch schließlich schaffte ich es und saß endlich aufrecht.

Hatte die Welt vorhin auch schon geschwankt? Unsicher stützte ich mich mit den Händen am Boden ab und atmete einige Male tief durch bis mein Puls sich ein wenig beruhigte und das Hämmern in meinem Kopf nachließ.
 

Mein Blick fiel auf meinen Rucksack den ich getragen hatte. Jemand hatte ihn neben meinen Füßen ins Gras gestellt. Ich zog ihn näher zu mir heran und griff dann nach meiner Trinkflasche die an der Seite befestigt war. Eilig trank ich den Rest des Wassers, das sich darin befand, aus. Es war nicht mehr viel, aber meine Kehle fühlte sich schon gleich besser an.

„Wie lange war ich bewusstlos?“, fragte ich, den Blick wieder Sesshoumaru zugewandt. Meine Stimme klang noch immer etwas dünn, aber zumindest verständlich.

„Einen Tag.“, antwortete er knapp.

Erschrocken riss ich die Augen auf. Einen ganzen Tag sollte ich geschlafen haben? Nie zuvor hatte ich so lange am Stück geschlafen. Wir waren Rin am Sonntag gegen Mittag begegnet. Ich rechnete etwas Zeit dazu, die es gedauert hatte Sesshoumaru zu Hilfe zu kommen. Dann noch die Entführung durch Naraku und eine gefühlte Ewigkeit in der Dunkelheit, von der ich unmöglich sagen konnte wie lange ich dort ausgeharrt hatte. Wenn ich dann noch einen Tag Bewusstlosigkeit hinzu addierte… dann war es nun also Montag Nachmittag?

Ich fehlte unentschuldigt in der Schule!

Ein Anflug von Panik überkam mich. Noch nicht lange ging ich auf eine anständige Schule in der Stadt und da mutierte ich schon zur Schulschwänzerin? Was würde mein Großvater dazu sagen? Hoffentlich machte er sich keine unnötigen Sorgen um mich... Wenn sie doch nur unnötig wären.

Ob Kagome ohne mich zurück in unsere Zeit gegangen war?

Nun, in meiner aktuellen Verfassung konnte ich ohnehin nicht in der Schule sitzen und dem Unterricht folgen. Entschlossen schob ich meine Sorgen um mich beiseite. Ich musste mir einen Reim aus dem machen was passiert war und zusehen dass ich mich wieder erholte. Außerdem drängten sich mir andere Fragen auf. Das wichtigste zuerst.
 

Unsicher erhob ich wieder die Stimme. „Geht es dir gut?“

„Warum?“ Die Frage irritierte ihn wohl und er hielt es für überflüssig sie zu beantworten.

„Ich habe die Warnungen meines Körpers ignoriert weil ich dir helfen und dich beschützen wollte. Ich will nur wissen ob es das Wert war.“, erklärte ich ausweichend. Ich spürte wie mir die Röte in die Wangen stieg, aber zu meinem Glück - und Verdruss - sah er gerade nicht zu mir sondern zu dem grünen Meer an Blättern über uns, die sanft im Wind raschelten.

Beschützen…“, wiederholte er, betonte das Wort jedoch als wolle er es in seine Einzelteile zerlegen um eine tiefere Bedeutung aufzudecken. „Was für ein Blödsinn.“, fügte er einige Momente später hinzu.

Klar. In seinen Ohren musste das wirklich lächerlich klingen. Ich, eine Menschenfrau von gerade erst 18 Jahren, wollte ihn, einen mächtigen Dämon von über 200 Jahren, beschützen? Ich kicherte bei dieser Vorstellung, bereute es jedoch sogleich als ein neuer Schmerz durch meine Muskeln fuhr.

Sein Blick wanderte bei meinem Kichern kurz zu mir, dann weiter zu meiner Hand die ich auf die stechenden Rippenmuskeln presste. Sein Kiefer wirkte irgendwie angespannt. Dann wand er den Blick wieder von mir ab.

„Ich brauchte keine Hilfe.“, stellte Sesshoumaru klar.

Darüber ließe sich streiten, aber für meine ohnehin angeschlagene Gesundheit war es gewiss besser dies zu vertagen.

„Trotzdem hast du sie bekommen.“, erwiderte ich also mit demselben sachlichen Tonfall den er benutzte.

Rin war vermutlich auf eigene Faust unterwegs gewesen um seinetwillen nach Hilfe zu suchen. Gewiss hatte sie dies nicht leichtfertig getan, wo sie doch schon seit einer Weile in seiner Gesellschaft reiste. Sollte sie nicht wissen wann er zurecht kam und wann es schlecht für ihn aussah? Konnte er überhaupt zugeben dass er Hilfe brauchte oder würde sein Stolz ihn bis zuletzt daran hindern?

„Hast du die Dämonin erwischt?“, stellte ich die nächste Frage.

Nun da wir einmal Gelegenheit hatten uns in Ruhe zu unterhalten wollte ich das Gespräch irgendwie in Gang bringen.

„Natürlich.“, war seine Antwort.

Wahrscheinlich hätte ich bereits wissen sollen, dass er auf eine Ja-Nein Frage eben auch nur mit einem Wort antwortete. Zumindest war es mehr als einsilbig.

„Was ist geschehen? Ich weiß nur dass mich plötzlich jemand von hinten gepackt hat. Danach saß ich, wer weiß wie lange, in Naraku...“ - ich suchte nach einem passenden Wort, fand jedoch keins - „… fest.“, beendete ich den Satz etwas holprig. „Als ich meine Kraft schließlich nicht länger kontrollieren konnte waren da blaue Blitze die mich in letzter Sekunde befreit haben. An mehr kann ich mich nicht erinnern.“

Gespannt wartete ich auf seine Antwort und einen hoffentlich ausführlichen Bericht über alles was mir entgangen war. Sesshoumarus goldenen Augen ruhten nun wieder auf mir und schienen sich durch mich hindurch zu bohren. Er sah mich an als würde er darüber nachdenken ob ich die Atemluft, die er zum Antworten verbrauchen würde, überhaupt wert war. Bei diesem Gedanken lief mir ein eiskalter Schauer über den Rücken und ich fröstelte unwillkürlich.

„Narakus Handlangerin ist mit ihrem Fluchtversuch nicht weit gekommen. Nachdem ihr einziger Trumpf erfolglos blieb, hatte sie mir nichts weiter entgegen zu setzen, obwohl Inu Yasha sich in unseren Kampf eingemischt hat.“, begann er endlich mit der von mir ersehnten Antwort. „Als ich zurück kam sagte Rin du seist entführt worden. Im Grunde konnte nur Naraku dahinter stecken, daher bin ich der Spur gefolgt.“

Er war der Spur gefolgt um Naraku zu finden? Nicht um mich zu retten? Warum machte sich mein dummes Herz eigentlich noch immer Hoffnungen dass Sesshoumarus Herz jemals für mich schlagen könnte? Ich war nur ein geeigneter Lockvogel für seinen Feind. War das etwa der Grund dass er mich hierher mitgenommen hatte statt mich bei Kagome und ihren Reisegefährten zurück zu lassen? Das wollte ich einfach nicht glauben!

„Weil mein unwürdiger Halbbruder sich auch in diesen Kampf eingemischt hat, konnte Naraku im letzten Moment entkommen.“, fuhr er fort.

Ich erinnerte mich, dass ich klirrendes Metall gehört hatte. Dann hatten Sesshoumaru und Inu Yasha also wirklich in dieser Situation die Schwerter gekreuzt. Warum konnten sie nicht miteinander kämpfen sondern nur gegeneinander? Hatten sie dieses aufbrausende Verhalten von ihrem gemeinsamen Vater geerbt? In meiner Vorstellung sah ich einen Dämon wie Sesshoumaru vor mir, aber nach dem was Totosai erzählt hatte versuchte ich ihn mir mit einem gütigen Lächeln auf dem Gesicht vorzustellen, fähig einen Menschen zu lieben. Hier ließ mich meine Vorstellungskraft jedoch im Stich.

Da er nicht weiter sprach hakte ich nochmal nach. „Und was waren das für blaue Blitze die mich aus meinem Gefängnis befreit haben? Wie komme ich hierher?“

„Die Blitze gehörten zu Tokijins Angriff.“, erklärte er mit einem Hauch Widerwillen in der Stimme.

„Dann hast du mich gerettet. Wieder einmal. Danke sehr.“, sagte ich lächelnd.

Er wand den Blick von mir ab und blickte zu dem zweiköpfigen Drachen der zwei Meter weiter weg genüsslich Blätter von einem tief hängenden Baum zupfte. „Ah-Uhn hat dich getragen.“
 

Sicher doch. Vermutlich hatte Ah-Uhn mich zuletzt getragen, also bis hierher in den Wald, aber gewiss hatte er mich nicht selbst in diesem Innenhof aufgegabelt und auf seinen Rücken gesetzt. Wenn Sesshoumaru diese Lorbeeren jedoch gern abtreten wollte, dann spielte ich eben mit.

Ich stand mühevoll auf, bei weitem nicht so elegant wie ich es beabsichtigt hatte, und ging mit vorsichtigen Schritten auf die Drachenköpfe zu, die mich nun neugierig musterten. Vorsichtig, nicht etwa weil ich Angst vor den riesigen Köpfen gehabt hätte, sondern vielmehr weil ich mich wacklig auf den Beinen fühlte und um alles in der Welt vermeiden wollte, ausgerechnet jetzt, über meine eigenen Füße zu stolpern.

„Danke sehr Ah-Uhn. Das war sehr freundlich.“, sprach ich zu dem Drachen, was eigentlich für Sesshoumaru bestimmt war. Lächelnd streckte ich meine Hände nach den Drachennasen aus und streichelte die beiden sanft. Sie fühlten sich unerwartet weich an, trotz des feinen Schuppenpanzers.

„Und geht es dir gut?“, fragte ich ihn unbekümmert. Auch diese Frage war ursprünglich für den dickköpfigen Hundedämon bestimmt, aber der wollte ja dass ich meine Aufmerksamkeit auf seinen Drachen lenkte. Beide gaben mir keine Antwort, aber in Anbetracht der Tatsache, dass der Drache - soweit ich wusste - nicht reden konnte, war zumindest er entschuldigt.

Ich fuhr damit fort die Drachenköpfe zu streicheln. Als der eine mir vorwitzig ein Ohr entgegen reckte ging ich dazu über ihn dort zu kraulen. Es schien ihm zu gefallen denn er gab sowas wie ein Schnurren von sich, nur dass es ganz und gar nicht nach einer Katze klang. Ich lachte fröhlich. Es erinnerte mich an Ryome, das Pferd bei meinem Großvater, die das auch immer genossen hatte.

Aus dem Augenwinkel konnte ich erahnen, dass Sesshoumaru das Schauspiel still beobachtete. Schließlich, einige Minuten und drei Drachenohren später, war er es, der das Schweigen brach.

„Tokijin.“, begann er.

Ich ließ davon ab den Drachen weiter zu kraulen und drehte mich neugierig um. Aus dem Rascheln hinter mir schloss ich, dass Ah-Uhn sich wieder dem Laub widmete, während Sesshoumaru sich, in einer einzigen flüssigen Bewegung mit der Anmut eines Gottes, von seinem Platz erhob, sodass ich nun wieder zu ihm hinauf blicken musste.

„Du hast dich nicht von dem Schwert beherrschen lassen, obwohl du nur ein Mensch bist. Wie konntest du es kontrollieren?“, fuhr er fort.

Nur ein Mensch? Da schwang wieder dieser abwertende Unterton mit. Gab es denn keinen Aspekt bei dem ein Mensch mit einem Dämon mithalten oder ihn gar übertreffen konnte? Wie hatte ich das Schwert kontrolliert, als schwacher Mensch der ich doch war?

Ich dachte zurück an dem Moment als ich das Schwert gezogen hatte um diesem nervigen Mönch Manieren beizubringen. Ich war stink wütend geworden aufgrund seiner Andeutungen und weil ich schon zuvor gereizt war.

„Als ich das Schwert ergriff, hörte ich eine hasserfüllte Stimme. Sie verlangte dass ich euch alle töten sollte, angefangen bei Miroku. Weil mein Arm so bereitwillig zum Schlag ausholte, wurde mir klar dass die Stimme in meinem Kopf war. Ich habe mich ihr widersetzt und es kam zu einem geistigen Kräftemessen bis die Stimme schließlich aus meinem Kopf verschwand. Dann habe ich dir das Schwert zurück gegeben.“, berichtete ich. Als all dies geschah, dachte ich, dass ich mir das nur eingebildet hätte. Es erschien mir so unwirklich. Doch nach dem was ich in der Zwischenzeit gesehen und von Sahiro und Setsuna gelernt hatte, war es weitaus weniger abwegig geworden.

Skeptisch blickte ich ihn an. War dies die Antwort die er hören wollte? Was sagte ihm das nun über mich? Und warum zum Teufel war er das Risiko eingegangen, dass ich von dem Schwert beherrscht würde?

„Wieso hast du mich nicht aufgehalten? Hätte ich dieses Kräftemessen verloren, erginge es mir dann jetzt wie dem Schmied? Oder müsste ich wohlmöglich mit den Schuldgefühlen leben jemanden verletzt oder gar getötet zu haben? Was wenn ich mich gegen dich gewandt hätte?“ Hier unterbrach ich mich, denn meine Stimme klang mehr und mehr verzweifelt und ich durfte mich jetzt nicht in dieses Leid hinein steigern. Am Ende würde ich nur wieder weinen. Ich kannte mich doch…

„Ich hätte dich jederzeit aufhalten können.“, war seine Antwort. Sachlich wie immer.

Also war es ein Test gewesen? Ein Experiment? Schlimm genug dass ich sein Lockvogel war, jetzt war ich außerdem auch noch sein Versuchskaninchen!

„Warum hast du nach dem Schwert gegriffen? Kannst du damit umgehen?“, fragte er weiter.

War da eine Spur von Neugierde in seiner Stimme?

Ich schluckte meinen Ärger hinunter.

„Ich wollte Miroku einschüchtern weil er mir derart auf die Nerven ging. Es wäre wohl nicht zu einem Kampf gekommen.“, erwiderte ich. „In meinem vorherigen Leben habe ich Unterricht im Schwertkampf bekommen, wie es sich für die Tochter eines Samurai gehört. Ich konnte allerdings noch nicht prüfen, wieviel mir das in diesem Leben noch bringt.“, fuhr ich fort.

Außerdem wusste ich auch nicht, welchen Maßstab Sesshoumaru bei mir Ansetzen würde. Ich war doch nur ein Mensch… Dass ich in diesem Leben nun auch wieder Unterricht im Schwertkampf bekam, wollte ich weiterhin für mich behalten. Vielleicht würde ich es ihm sagen wenn ich nach menschlichen Maßstäben vorzeigbar kämpfen konnte. Beim ersten oder zweiten Meistergrad vielleicht - sollte ich es jemals so weit bringen.
 

Meine Beine schmerzten allmählich vom Stehen, was mich wieder daran erinnerte dass ich vor kurzem noch bewusstlos gewesen war und mich zuerst kaum rühren konnte. Gut dass der überreizte Zustand meiner Nerven und Muskeln sich - so wie bei Muskelkater - durch Bewegung schneller erholte.

Gerade wollte ich mein Gewicht verlagern um ein Bein etwas zu entlasten, da knickte ohne Vorwarnung mein linkes Knie weg und ich drohte zu Fallen.

Schneller als ich gucken konnte, hatte Sesshoumaru einen Schritt auf mich zu gemacht und seinen Arm nach mir ausgestreckt. Mit seiner rechten Hand umfasste er meinen linken Oberarm knapp unter dem Schultergelenk und verhinderte so dass ich stürzte.

Peinlich wie mir das war, lief ich rot an. Mein Blick wanderte zu seiner Hand mit den kräftigen, klauenbesetzten, Fingern die so dicht bei meinem Gesicht waren. Mir war als könnte ich die Wärme, die von ihm ausging, durch meinen Kimono hindurch fühlen.

Mein Puls raste und zum wiederholten Male fragte ich mich, ob er es hören konnte. Aber wahrscheinlich brauchte er das gar nicht. Es war sicher auch an der Hauptschlagader an meinem Hals zu sehen.

Als ich mein Gleichgewicht wieder gefunden hatte - was gar nicht so leicht war weil mich seine bloße Nähe auf ihre eigene Art aus dem Gleichgewicht brachte - ließ er seine Hand wieder sinken.

„Verzeihung.“, sagte ich leise. „Ich bin noch immer erschöpft von dem was gestern passiert ist und nun falle ich dir zur Last.“

„Ruh dich noch was aus.“, war seine Antwort.

Die Formulierung klang wie ein Befehl, sein Tonfall jedoch nicht. Ich würde nicht soweit gehen ihn als sanft zu bezeichnen, aber er war definitiv angenehmer als bei seinem ‚Du bist schwach. Bleib liegen.‘.

Wie gerne würde ich jetzt ein warmes Bad nehmen und im Anschluss eine stärkende Nudelsuppe zu mir nehmen. Nur war ich nicht zu Hause. Keine Badewanne, keine Nudelsuppe.

Wie hoch standen die Chancen dass es hier im Nirgendwo eine warme Quelle gab?

„Gibt es in der Nähe einen Quell zum Baden?“, fragte ich, noch immer etwas verschüchtert wegen meinem Ungeschicklichkeitsanfall.

„Ein Gebirgsbach.“ Er zeigte mit dem Arm zu meiner Rechten in den Wald hinein.

Ich nickte dankbar. Dann kam mir plötzlich ein Gedanke und ich wunderte mich, dass mir dies nicht schon vorher aufgefallen war. Wo waren Rin und Jaken? Nicht das ich letzteren vermissen würde, aber ihr Abwesenheit beunruhigte mich. Sesshoumaru würde mich doch nicht alleine im Wald zurück lassen?

„Wo sind eigentlich Rin und Jaken?“, fragte ich, und versuchte dabei seinen sachlichen Tonfall zu treffen um meine innere Unruhe zu überspielen.

„Auf Nahrungssuche.“, antwortete er, wieder kurz angebunden.

Zumindest schien ihn meine Frage nicht misstrauisch gemacht zu haben. Er schenkte dem, wie es schien - wie üblich - keine große Beachtung. Ich seufzte leise.
 

Ich ging zu meinem Rucksack und verstaute meine Flöte, die bislang in meinem Kragen gesteckt hatte. Dafür nahm ich das Handtuch heraus, das ich mitgebracht hatte, sowie auch meine Trinkflasche.

Kurz überlegte ich, ob ich noch etwas sagen sollte, bevor ich ging, kam jedoch zu dem Schluss, dass ihm das wohl auch nichts bedeuten würde. Ich wiederstand dem Drang mich noch einmal nach ihm umzusehen und ging auf die Bäume zu auf die er gedeutet hatte.

„Saju.“, sagte er plötzlich, als ich die ersten Bäume fast erreicht hatte.

Es war das erste Mal dass er mich mit meinem neuen Namen ansprach. Mein Herz machte einen Hüpfer. Ich hielt inne, drehte mich nun doch nochmals zu ihm um und unsere Blicke trafen sich. Es schien als wollte er noch etwas sagen, zögerte jedoch. Geduldig wartete ich einige Herzschläge lang und versank solange in seinen goldenen Augen.

„Danke.“, fügte er schließlich hinzu. Es klang seltsam fremd aus seinem Mund.

Im ersten Moment war ich verwirrt. Wofür war das nun? Dafür das ich jetzt baden gehen wollte? Das ergab wenig Sinn.

Wenn es für meine Hilfe, bei der Barriere gestern, sein sollte, warum sagte er es dann erst jetzt? Außer er hätte so lange mit sich selbst gerungen: Stolz gegen Ehrgefühl. Sein Stolz mochte noch immer der Meinung sein, dass er keine Hilfe gebraucht hätte. Sein Ehrgefühl jedoch hatte ihn dazu gebracht sich für meine Hilfe - ob benötigt oder nicht - zu bedanken.

Ich war mir sicher, dass dies die richtige Erklärung war. Ein Lächeln huschte auf mein Gesicht. Ob spät oder nicht, sein Dank bedeutete mir viel.

Als er sich abwand und zurück zu seinem ursprünglichen Platz am Baum ging, konnte ich mich von seinem Anblick los reißen und setzte meinen Weg durch den Wald fort.
 

Ich war gerade erst an den ersten Büschen und Bäumen hindurch gegangen, als ich schon ein leises, fröhliches Plätschern hören konnte.

Gut dass es nicht allzu weit weg war, denn mein Körper fühlte sich noch immer eigenartig schwer und steif an. Meine Kräfte würde ich sicher nicht so bald wieder in brauchbarer Menge verwenden können. Da fühlte ich mich dann doch sicherer, wenn Sesshoumaru in Rufweite war. Andererseits wollte ich gewiss nicht beim Baden überrascht werden. Von niemandem. Auch nicht von Sesshoumaru, so verliebt mein närrisches Herz auch sein mochte. Wenn er mich beim Baden retten müsste, würde ich vor Scham tot umfallen.

Aufmerksam ließ ich meinen Blick über die Umgebung schweifen, während ich meinen Weg fortsetzte, doch außer der üblichen Flora war nichts zu sehen.

Der angekündigte Gebirgsbach kam als kleiner Wasserfall in Schulterhöhe aus einem Felsspalt. Darunter befand sich ein natürliches Becken, das kaum mehr als hüfttief sein konnte und voll mit klarem Quellwasser war.

Ich hockte mich an den Rand und schöpfte mit den Händen prüfend von dem Wasser. Es war recht kühl, aber sauber und frisch im Geschmack. Zufrieden füllte ich meine Trinkflasche auf und stillte meinen verbliebenen Durst.

Anschließend legte ich meinen Kimono ordentlich am Rande des Beckens zusammen uns ging Schritt für Schritt ins Wasser hinein. Es war zwar weit entfernt von einer heißen Quelle und ein warmes Bad oder auch meine Dusche zu Hause hätte ich vorgezogen, doch hier im Mittelalter, fernab von der Zivilisation, konnte ich nicht wählerisch sein. Langsam arbeitete ich mich vor bis zu der Stelle an der der Wasserfall aus dem Fels kam. Allmählich gewöhnte ich mich an die Temperatur und mein Kreislauf kam in Gang.

Ein Weile lang ließ ich das Wasser über meinen Rücken fallen, die Massage genießend, bis mir die Kälte schließlich zu viel wurde. Dann floh ich eilig zurück an den Rand des Beckens und trocknete mich hastig ab.
 

Wieder in meinen Kimono gekleidet, das Handtuch und die befüllte Trinkflasche in den Händen, machte ich mich auf den Rückweg zu Sesshoumaru und Ah-Uhn.

Schon bevor ich den Lagerplatz durch die Büsche und das Geäst sehen konnte, war zu hören dass Rin und Jaken von der Nahrungssuche zurück waren, da ich ihre Stimmen wieder erkannte. Worüber genau sie sich unterhielten konnte ich allerdings nicht verstehen.

Als ich mich raschelnd durch die letzten Büsche schlug, die mir den Weg versperrten, drehten sich Rin und Jaken zu mir um. Ihre Gesichtsausdrücke hätten unterschiedlicher nicht sein können. Während Rin mich freudestrahlend anlächelte und noch mit dem Brennholz in der Hand auf mich zu lief, verfinsterte sich Jakens Miene als würde die Welt untergehen.

„Saju! Geht es dir wieder gut? Ich hatte Angst dir sei was schreckliches passiert als du entführt wurdest. Und du hast sooooo lange geschlafen nachdem Lord Sesshoumaru mit dir im Arm zurück kam...“, sprach Rin besorgt.

Sesshoumarus Arm also? Triumphierend rief ich mir in Erinnerung dass er gesagt hatte Ah-Uhn hätte mich getragen. Aber ich war ja bereits selbst zu dem Schluss gekommen, dass er mich bis zu dem Drachen getragen haben musste. Schade nur dass ich zu der Zeit völlig bewusstlos gewesen war und mich nicht daran erinnern konnte. Ich hätte gerne gewusst wie es sich anfühlte von ihm im Arm gehalten zu werden... Oder das Fell zu berühren dass über seine rechte Schulter hing.

Einzig Rins neugieriger Blick hielt mich davon ab, weiter versonnen diesen Gedanken nachzuhängen. Was hatte sie noch gleich gefragt, bevor die Erwähnung von Sesshoumarus Arm mich abgelenkt hatte? Achja... Eilig formulierte ich eine Antwort bevor meine Wangen die Gelegenheit rot anzulaufen wahrnehmen würden. „Ja, danke Rin. Mir geht es schon viel besser. Ich war wohl nur vollkommen erschöpft.“, sagte ich, ihr Lächeln erwidernd.

„Das ist gut. Wir sind gerade dabei ein Lagerfeuer zu machen, dann können wir die Fische grillen, die Jaken und ich vorhin fangen konnten!“, verkündete Rin stolz.

„Super!“, antwortete ich. Etwas zu Essen würde mir sicher gut tun, auch wenn ich Fisch am Spieß eher skeptisch gegenüber stand. Aber vor allem würde ein warmes Lagerfeuer gut tun, erst recht nach dem kühlen Bad im Bach.
 

Mein Blick wanderte zu dem Brennholz dass Rin gerade zu Ende stapelte. Wie zündeten wir es nun an? Stöckchen aneinander reiben? Oder mit einem Feuerstein? Ich war mir ziemlich sicher, dass ich beim Packen meines Rucksacks nicht an ein Feuerzeug gedacht hatte.

Gerade wollte ich nachfragen wie wir das Feuer entfachen wollten, da hob Jaken den hässlichen Stab mit den zwei Köpfen vor sich. Der Kopf des Mannes öffnete den Mund und ein breiter Feuerstrahl schoss hervor. Ich zuckte unwillkürlich zurück. Das war unerwartet!

„Nicht schlecht...“, gab ich zu.

Jaken grinste voller Genugtuung zu mir empor. „Ja! Besser du legst dich also nicht mit mir an, Mädchen!“

Mädchen? ‚Ich bin erwachsen du Wicht!‘ Ich schluckte meine kindische Empörung hinunter und versuchte statt dessen den dezent-bösen-Blick von Sesshoumaru nachzuahmen. „Ich heiße Saju. Und wenn ich das Bedürfnis verspüren sollte, mich mit dir anzulegen, dann nehme ich dir den Stab einfach vorher weg.“

Jakens Blick war einen Moment lang voller Entsetzen und huschte panisch hinüber zu Sesshoumaru, der die ganze Szene mit scheinbarem Desinteresse verfolgte. Ob es jedoch meine Worte oder mein Blick waren, die Jaken derart aus der Fassung brachten, vermochte ich nicht zu sagen.

„Das würdest du nicht wagen! Lord Sesshoumaru hat mir Nintoujo persönlich anvertraut.“, erwiderte Jaken.

Nunja, Sesshoumaru würde mit diesem Stab - Nintoujo - auch komisch aussehen. Die Vorstellung huschte kurz durch meine Gedanken und ein Schmunzeln stahl sich auf meine Lippen, was Jakens Entsetzen auf ein Neues hervor rief. Sah mein Schmunzeln etwa so gefährlich aus? Oder lag es am Lagerfeuer, dessen Schein meine Augen vielleicht funkeln ließ?

Aber warum war dieser Stab eigentlich so wichtig für Sesshoumaru? Rechtfertigte er die Gesellschaft des kleinen nervigen Dämons? War Jaken vielleicht gar keine so große Nervensäge wie ich es glaubte? Oder hatte Sesshoumaru einfach Nerven aus Stahl?

Mein Blick wanderte zu Sesshoumaru, der jedoch nicht mehr zu uns hinüber sah, und schließlich zurück zu Jaken. Sicher waren die Nerven aus Stahl die korrekte Antwort auf meine unausgesprochene Frage. Jaken war wohlmöglich das beste Training für Sesshoumarus Maske der Gleichgültigkeit.

Nun setzte ich mich endlich, meinen Rucksack neben mir. Rin und Jaken setzten sich rechts von mir ebenfalls ans Lagerfeuer. Gemeinsam aßen wir einige Beeren die sie im Wald gesammelt hatten und schließlich die fertig gegarten Fische.
 

Nach dem Essen seufzte ich wohlig. Das Lagerfeuer hatte meinen unterkühlten Körper angenehm erwärmt, nur mein dem Feuer abgewandter Rücken kam mir gerade im Vergleich zum Rest noch kalt vor. Der Fisch hatte auch nicht so schlecht geschmeckt wie ich befürchtet hatte.

Ob ich meine Flöte hervor holen sollte? Ich drehte den Kopf nach links zu Sesshoumaru um ihn zu fragen, wodurch auch der doppelköpfige Drache wieder in mein Blickfeld gelang. „Ah-Uhn, soll ich dir etwas auf der Flöte vorspielen?“, fragte ich, die Augen auf Sesshoumaru gerichtet.

„Dummes Mädchen... Spricht mit dem Drachen.“, murmelte Jaken ungläubig. Er und Rin konnten ja nicht sehen dass ich nicht wirklich zu dem Drachen hinüber schaute.

Ich war mir nicht sicher ob Sesshoumaru mein Spiel inzwischen durchschaut hatte, doch er wandte seinen Kopf nun wieder mir zu. Sein Blick durchbohrte mich einige hastige Herzschläge lang, bevor er ihn wieder abwand. Er nickte.

Lächelnd nahm ich die Flöte aus meinem Rucksack und begann zu spielen, die irritierten Blicke zu meiner rechten ignorierend.

Eine Weile beobachtete ich beim Spielen das prasselnde Lagerfeuer. Einzelne Flämmchen züngelten eifrig hoch und höher in der frisch werdenden Nachtluft. Es schien als versuchten sie nach dem Blätterdach über uns zu greifen, zu etwas größerem aufzusteigen und ihrem Schicksal zu entfliehen. Trotz aller Mühen jedoch verpufften die einzelnen Flammenzungen und was von ihnen blieb, verschmolz erneut mit der Masse des Lagerfeuers.

Unwillkürlich wanderte mein Blick wieder zu dem stolzen Hundedämon. Er machte einen geradezu entspannten Eindruck, wie er in die Finsternis des Waldes schaute. Was war es, nach dem er strebte? Was hielt sein Schicksal für ihn bereit?

Als ob er meinen Blick gespürt hätte, drehte er den Kopf und sah direkt in meine Augen. Der Eindruck von Entspannung verflog und ich fühlte mich, als wäre ich bei einer Straftat erwischt worden. Vor lauter Schreck verhaspelten sich meine Finger beim Spielen und ein paar falsche Töne mischten sich in die Melodie. Mein Herz pochte.

Eilig schaute ich wieder zum Feuerschein und ließ das Lied schließlich ausklingen.
 

„Das war schön.“, lobte Rin mich.

Jaken hingegen starrte mich irritiert an. „Die Melodie kommt mir irgendwo her bekannt vor...“

„Du hast sie vermutlich im Wald gehört, damals als Sesshoumaru gerade seinen linken Arm verloren hatte...“, erklärte ich bedrückt. „Als Lord Asano mit seinen Samurai kam um ihn fort zu jagen.“

Die Stirn des kleinen Dämons wurde runzeliger als sie es ohnehin schon war. „Wie kannst du das wissen?“

„Ich war dort. Ich habe die Flöte gespielt. Diese Flöte.“, sagte ich und deutete auf mein Instrument. Noch bevor Jaken mich mit seinem angesetzten ‚Aber‘ unterbrechen konnte, ergänzte ich: „In meinem früheren Leben.“

„Früheres Leben?“, fragte er nun skeptisch.

Rin antwortete ihm eifrig, bevor ich auch nur den Mund für eine erneute Antwort öffnen konnte. „Saju ist die Wiedergeburt von Prinzessin Sara.“, sagte sie, was sie ja von unserem gemeinsamen Bad mit Kagome und Sango in der heißen Quelle wusste. Es schien mir bereits eine Ewigkeit her zu sein.

Jaken lachte gackernd. „Wie eine Prinzessin wirkt sie aber nicht gerade...“

„Tja, in 500 Jahren kann sich die Welt ganz schön verändern.“, gab ich zu bedenken. Ob Sesshoumaru über 500 Jahre alt war? Wie sehr mochte sich seine Welt wohl schon verändert haben?

„Das werden wir ja sehen...“, antwortete Jaken.

Ich nahm an dass es als Widerspruch gemeint war, doch auf die eine oder andere Art hatte er Recht. Dennoch wunderte es mich, nun da ich darüber nachdachte: In meiner Zeit hatte ich noch keinen einzigen Dämon gesehen, obwohl es hier - nach allem was ich bisher mitbekommen hatte - geradezu von ihnen wimmelte.
 

„Darf ich auch mal probieren auf deiner Flöte zu spielen?“, fragte Rin nun.

„Sicher.“, sagte ich lächelnd.

Ich zeigte ihr wie man das Instrument richtig in den Händen hielt und gab es ihr. Sie brauchte ein paar Versuche, bevor die ersten Töne erschallten, schrill und abgehackt.

Jaken begann zu quengeln. „Aufhören! Meine armen Ohren!“

Ich unterdrückte ein Kichern. Auch für meine Ohren war es eine Folter, aber schließlich fing jeder mal klein an. Nur lag mein eigener Anfang diesbezüglich ein Leben zurück. Rin konnte gerade einer Hundepfeife Konkurrenz machen...

Moment mal. Hundepfeife? Wie schrill mussten diese Töne erst für Hundeohren - Hundedämonen-Ohren - klingen?

Mein Blick huschte hinüber zu besagtem Dämon und in der zunehmenden Dunkelheit schien Sesshoumarus uns zugewandtes Ohr im Feuerschein zu zucken. Ich schluckte. Hatte ich ihn nun verärgert?

„Es ist schon spät. Wir üben lieber ein anderes Mal weiter.“, sagte ich, wieder an Rin gewandt.

Das Mädchen nickte, machte jedoch einen geknickten Eindruck. Sie hatte sich sicherlich schönere Klänge erhofft und Jakens Nörgelei war wohl auch nicht von Vorteil.
 

Ich überlegte wie ich sie wieder aufmuntern könnte und erinnerte mich plötzlich, dass meine Mutter mir damals, als ich noch klein war, am Abend immer die Haare gekämmt und zu einem Zopf für die Nacht geflochten hatte. Dabei war ich glücklich gewesen.

„Rin, soll ich dir die Haare flechten?“, fragte ich freundlich.

Kurz sah sie mich erstaunt an, dann lächelte sie breit und war wieder fröhlich. „Ja, das wäre toll!“

Ich kramte meine Bürste aus dem Rucksack und rutschte hinter Rins Rücken. Es dauerte eine ganze Weile bis ich ihre Haare durchgekämmt hatte. Sie hatte viele Knoten in den Haaren, sowie auch ein oder zwei kleine Holzstängel. Wann ihre Haare wohl zuletzt Bekanntschaft mit einer Bürste oder einem Kamm gemacht hatten?

Als Rins Haare schließlich frei von Überresten des Waldes waren und glatt über ihren Rücken fielen, flocht ich sie zu einem einfachen Zopf zusammen.

Rin gähnte herzhaft als ich fertig war. „Vielen Dank Saju. Gute Nacht.“, sagte sie schläfrig und machte es sich auf dem Boden bequem.

„Gute Nacht Rin. Schlaf gut.“, antwortete ich.

Dann kämmte ich auch meine Haare, die mittlerweile vollständig getrocknet waren, und flocht mir ebenfalls einen Zopf für die Nacht.

„Gute Nacht Jaken.“, sagte ich frech. „Gute Nacht Ah-Uhn.“, fügte ich mit Nachdruck und einem Lächeln zu Sesshoumaru hinzu, der daraufhin mit nicht zu deutender Miene zu mir hinüber schielte. War ihm schließlich aufgefallen, dass ich schon den ganzen Tag eigentlich ihn meinte wenn ich mit Ah-Uhn sprach? So niedlich ich den Drachen mit den zwei Köpfen auch fand, hatte ich doch für Sesshoumaru auf der Flöte gespielt. Sein Nicken hatte ich mir doch nicht eingebildet? Und ob er nun Schlaf brauchte oder nicht, ich wünschte ihm dennoch eine gute Nacht.

„Warum wünschst du Lord Sesshoumaru keine gute Nacht?“, murmelte Rin im Halbschlaf.

„Ha! Als ob Lord Sesshoumaru darauf Wert legen würde.“, widersprach Jaken.

Also, entweder war Jaken kein besonders aufmerksamer Beobachter seines Lords, oder ich musste dringend meine rosarote Brille putzen...

Mit diesen Gedanken machte ich es mir neben Rin so bequem wie, in Anbetracht des Waldbodens, eben möglich und schlief mit einem Schmunzeln ein.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (20)
[1] [2]
/ 2

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  YamiYamira
2016-03-01T21:36:51+00:00 01.03.2016 22:36
Hallo,

Auch ich lese die ganze Zeit weiter mit :-). Da du aber meintest, das dies nur die Hälfte des Kapitels ist, käme schon bald die zweite Hälfte, dann hätte ich das komplette Kapitel kommentiert.

Ich fand die "andeutende" Art und Weise recht treffend! Irgendwie nicht anders zu erwarten, schließlich ist Sesshomaru kein einfacher Charakter über den man einfach losschreiben kann, das ist ja wohl klar. Mach weiter so! Bin schon gespannt wohin das führt.
Antwort von: abgemeldet
02.03.2016 07:48
Danke :D
Ich bin im Moment mit einem anderen Projekt (Doujinshi) beschäftigt gewesen, versuche aber bald die Fortsetzung dieser Fanfiction online zu bringen. ^^°
Von:  CheyennesDream
2016-02-01T01:24:27+00:00 01.02.2016 02:24
Irgendwie schön geschrieben. Weiß nicht, das kapi hatte etwas. Vielleicht eine unterschwellig Berührung zwischen den beiden. Ein Schritt in die gemeinsame Zukunft.

Ich finde die Länge deines Kapitel so okay. schreibe den Rest doch ins nächste. Oder muss es unbedingt noch hier rein?

Freue mich so oder so auf den Fortgang.

Chris
Antwort von: abgemeldet
01.02.2016 07:46
Danke schön :)
Das 'unterschwellige' war der Plan in diesem Kapitel. Hatte etwas Sorge dass es zu kitschig wird ^^'
Eigentlich gehört der Rest schon noch in dieses Kapitel. Sonst wird das nächste etwas kurz. Mal schauen.
Schön zu wissen dass hier noch wer mit liest. Dann bekommt die Fanfiction bei meinen Freizeitprojekten wieder ne höhere Priorität XD
Antwort von:  CheyennesDream
01.02.2016 14:05
Doch, doch ich lese noch mit. Bin aber auch mit meinen eigenen Projekten( mehreren Inu FFs) beschäftigt. Daher lese ich dann immer zwei drei Kapis vermutlich zusammen und hinterlasse was.

Ich weiß wie das hier auf Animexx ist keine Kommentare zu bekommen ;)

Chris
Von:  YamiYamira
2015-12-23T21:50:38+00:00 23.12.2015 22:50
Wie kurz einem so ein Kapitel vorkommt, wenn man so gespannt auf die Fortsetzung wartet :-)

Ich habe dieses Mal kaum Feedback für dich, da hier kaum etwas Neues passiert ist. Allerdings bin ich weiterhin gespannt wie es weitergeht. Wie wird Sesshomaru darauf reagieren, dass Saju nun solche Kräfte hat? Wird es ihm nützlich vorkommen? Bekommt Saju einen Grund auch weiterhin ins Mittelalter zu reisen, außer ihrer Zuneigung zu dem Daiyoukai?
Eine kleine Anmerkung habe ich allerdings doch: Ich finde nach wie vor, dass manche Dinge bei dir zu "schnell" passieren. Als Beispiel die Kraft ihrer geistigen Fähigkeiten, obwohl Sie diese erst eine Woche lang "trainiert" hat. Ich stelle mir das als langwierigen Prozess vor, selbst bei ausreichend vorhandenem Talent. Diesen Prozess zu verfolgen, sowohl Fortschritte als auch Rückschläge fände ich als Leser noch spannender, als plötzlich auftauchende Stärke ;-)

Schreib bloß schnell weiter :-)
LG
YamiYamira
Antwort von: abgemeldet
07.01.2016 07:58
Danke sehr :)
Beim Lesen bin ich auch sehr viel schneller durch als beim Schreiben ^^
Saju profitiert ja davon, dass sie sich an ihr vorheriges Leben erinnert. Daher hat sie bezüglich ihrer Kräfte einen Trainingsbonus. Aber du hast recht, es wird spannender wenn sie sich da erst entwickeln muss.
Ich versuche deine Ratschläge zu berücksichtigen. Nach der langen Schreibpause komme ich mir etwas eingerostet vor :D
Von:  YamiYamira
2015-12-16T20:19:48+00:00 16.12.2015 21:19
Hallo Eponadis,

Ich finde deine Geschichte sehr gut und habe sie fast am Stück gelesen. Mir gefällt dein Schreibstil dahingehend sehr gut, dass du die Geschichte nicht überstürzt, allerdings finde ich wiederum, dass sich anderes sehr hinzieht. Ich hoffe dir ist konstruktive Kritik willkommen:

Mich wundert es, dass die ganze Truppe um Kagome und Inu Yasha so viel Zeit im Dorf verbringt, anstatt auszuziehen und Naraku bzw. die Juwelensplitter zu sammeln. Die Ausflüge sind natürlich bisher auf die Wochenenden beschränkt, weil du versucht die ganze Geschichte logisch zu halten und alles passend zu machen....aber vielleicht würde etwas Chaos oder die Angst, nicht in die normale Zeit zurückkehren zu können, für noch mehr Spannung beim Lesen sorgen? Sind natürlich nur Gedanken von mir persönlich aber ich hoffe du merkst, wohin sich meine Kritik richtet?

Mir gefällt es zudem sehr, dass du konsequent in der Ich-Perspektive bleibst. Dadurch betrachtest du auch Sesshomaru aus den Augen einer jungen Frau, die kaum etwas über ihn weiß und lässt ihn so weiterhin geheimnisvoll und unnahbar erscheinen. Wenn du eine Rat hören möchtest: bleib absolut dabei! Wechsle nicht zwischendurch hin und he.

Was ich mir noch wünschen würde: dass Saju tatsächlich eine wichtige Rolle in der Handlung bekommt und nicht etwa ins Mittelalter geht aus einer Laune heraus. Es wirkt auf mich als Leser manchmal fast, als wäre das für Saju lediglich eine Freizeitbeschäftigung. Ich würde mir wünschen zu erkennen, dass sie unabdingbar ist. So wie InuYasga darauf wartet, dass Kagome endlich aus dem Brunnen kommt, um mit ihrer Hilfe nach den Splittern zu suchen, so sollte es auch für Sesshomaru einen Grund geben auf Saju zu warten.

Aber genug für dieses Mal! Ich kann das nächste Kapitel gar nicht erwarten :-)
Von:  CheyennesDream
2015-12-09T14:42:32+00:00 09.12.2015 15:42
Jetzt habe ich die FF durchgelesen und jedes kapi fesselte mich. Dabei habe ich nicht einmal bewusst wahrgenommen das sie in Ich Form - korrigiere Saju Part in Ich Form ist. Zum Glück.
Kompliment. Wer das bei mir schafft hat was drauf.

Kann es kaum erwarten bis es weitergeht. Da ich weiß wie viel Arbeit in einer Geschichte steckt, übe ich mich in Geduld, solange du tatsächlich weitermachst.

Chris


Antwort von: abgemeldet
07.01.2016 08:03
Danke sehr :)
Ich habe die Geschichte als ich die ersten Kapitel fertig hatte nachträglich in die Ich-Form umgeschrieben weil es mir ermöglicht viel mehr auf Sajus Gefühle und Gedanken einzugehen.
Von:  CheyennesDream
2015-12-08T22:48:04+00:00 08.12.2015 23:48
Oh, ich wusste gar nicht das es eine FF mit dem Hintergrund Sess & Sara gibt. (auch wenn es eine Reinkarnation ist)

Die älteren FFs auf animex kenne ich kaum, da ich eher auf FF.de lese.

Ich freue mich das du weiter schreibst und ich darauf aufmerksam geworden bin.
Sicherlich darfst du mich ab jetzt zu deinen Lesern zählen

Chris


Von:  Hotepneith
2010-12-06T08:42:50+00:00 06.12.2010 09:42
Irgendwie finde ich, der letzte Absatz macht das ganez Dilemma und die Hin- und Hergerissenheit am deutlichsten.
Schwertkampf, Naraku - und Wäsche in die Waschmaschine stecken und heiss Duschen. Da prallen wirklich zwei Welten aufeinander.

Du hast dich wieder sehr bemüht, die Ich-Perspektive zu halten, nichts zu erwähnen, dass Sahju nicht kennen kann ( und ich bleibe dabei: Ich-Erzählungen so zu schreiben ist schwer, ich traue mich das nicht) und so langsam ihre Veränderung bzw. Erkenntnisse darzustellen.
Wobei ich ihr recht gebe: es wäre nett, wenn man mal alle Hintergründe erfahren würde, wenn man schon mitten in einer derartigen Geschcihte steckt.

Nur das mit dem Spitznamen..hm. Mal abgesehen davon, dass Seine Eisigkeit in der Tat kaum entzückt wäre - der komplette Name bedeutet, der der perfekt tötet, wobei das maru für vollendet, perfekt steht. Sesshou müsste dann eigentlich die korrekte Abkürzung sein...Muss glatt mal recherchieren.

Danke für die Informationsens.

bye

hotep



Von:  Hotepneith
2010-10-15T06:33:44+00:00 15.10.2010 08:33
Sesshoumaru redet wirklich für seine Verhältnisse viel mit ihr^^.
Und sie braucht sich eignetlich nicht zu wundern, dass Inuyasha sie nicht gerade freundlich behandelt - immer wieder entkommt ihr in Gedanken: nur ein Halbdämon, das könnte er mitbekommen.
Die Szene mit Toukejin fand ich sehr interessant - und ein wenig leichtfertig von Seiner Lordschaft. Es sollte wissen, dass ihm ein Duell mit seinem Halbbruder bevorsteht, wenn er dessen Freunde wenn auch nur indirekt umbringen lässt. Und mich würde wirklich interessieren, warum sie in der Lage war, ein Schwert zu kontrollieren, das Toutousai nicht einmal anfassen wollte. Ich hoffe, dass du das noch erklären wirst.
Auf alle Fälle finde ich die Ich-Schreibweise, die ja sejr schwer ist, gut eingehalten und dargestellt.

bye

hotep


Von:  Hotepneith
2010-09-29T10:14:16+00:00 29.09.2010 12:14
Interessant, wie du die Ich-Erzählerin schreibtechnisch hältst. Und sehr gut, denn du vergisst nie, was sie wissen kann und was nicht. Die Sache mit den Spinnen finde ich gut hergeleitet - etwas, vor dem sie Angst hat und dann doch wieder nicht, in dem Fall, dass es ein Dämon ist, ein Wesen, mit dem sie sich theoretisch unterhalten kann.
Auch, dass sie sich darüber beschwert, nicht ihr eigenes Leben führen zu sollen/können.


Dann hoffe ich mal, dass das nächste Kapiztel nciht so lange auf sich warten lässt....

bye

hotep




Von:  Hotepneith
2010-02-17T05:20:18+00:00 17.02.2010 06:20
Bislang schlägst du dich tapfer in der Ich-Form. Du lässt Saju nur wissen, was sie wissen kann und betrachtest auch die anderen sozusagen durch ihre Brille. Und da ist der erste Eindruck natürlich auch manchmal sehr einseitig.

Auf das Gespräch zwischen ihr und Sesshoumaru wäre ich neugierig - zumal, weil er ja in der Regel nicht gerade Gespräche führt oder gar zu Erklärungen neigt.^^
Aber uach ich wäre neugierig, was nun eigentlich mit dieser Kette ist, als Leser und als Saju.

Kleiner Einwand meinerseits noch: Als Saju denkt, sie wolle Kagome mal fragen, was da zwischen ihr und Inuyasha sei :"zur Rede stellen" finde ich da einen etws unpassenden Ausdruck. Immerhin ist Kagome ihr ja keinesfalls Rechenschaft schuldig. ME. wäre da: ausfragen, befragen, nachhaken besser.

bye

hotep






Zurück