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Sonne und Mond I

Schattenwesen
von

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Mein Ebenbild 4/4

Egal wie sehr ich mir meine Einsamkeit zurückwünschte, du bliebst an meiner Seite. Deine Wärme kroch langsam meinem Arm hinauf und deine Worte legten sich wie eine sanfte Umarmung um mein Herz. All diese Nähe klang so vielversprechend und zu schön um wahr zu sein, doch die kalten Blicke der anderen verhinderten, dass ich mich in dieser Scheinwelt gänzlich verlor. 

„Normalerweise hasse ich es, wenn wir umziehen müssen. Dauernd neue Freunde finden und neue Schule. Ich hatte mich geschworen, dass ich dieses Mal einen auf Einzelgänger mache, aber dann hab ich dich gesehen und diese Ähnlichkeit. Das kann kein Zufall sein. Wir sollten der Sache auf den Grund gehen.“ Deine Stimme verstummte nicht. Sie war immer da, wenn gerade kein Unterricht stattfand. Sie war da, genauso wie die Argwohn unserer Klassenkameraden. 

„Es wäre besser, wenn du dir einen anderen Sitzplatz suchen würdest.“ Ich versuchte dich von mir zu stoßen. Deine verlockende Wärme raubte mir den Blick für die kalte Wirklichkeit. Es gab hier keine Freundlichkeit für mich. Dieses Gebäude war das reinste Kriegsgebiet für mich und auch wenn du jetzt noch ein Verbündeter zu sein schienst, so würdest du dich am Ende auf die Seite des Feindes begeben.

„Wieso denn? Ich mag es neben dir.“ Du verstandest nicht und dein irritierter Blick sprach Bände. Du solltest verschwinden, solange es noch ging, und vor allem aufhören, dich zu belügen. Neben mir war dir dein Unglück sicher, das du dann zu meinem machtest. So war es immer und so wird es immer sein.

„Außerdem ist es doch witzig, wenn wir die Lehrer mit unserer Ähnlichkeit verwirren.“ Schon wieder. Dich schien nur mein Aussehen zu interessieren. Diese trügerische Gleichheit, die alle um uns herum irritierte, doch an sich, auch wenn unsere Gesichter sich ähnelten, so war dort die Kleidung, die doch für jeden hier Zeichen genug sein sollte, aber es reichte nicht. Sie sahen uns und erkannten mich nicht.

„Wir müssen jetzt in einen anderen Raum.“ Meine Worte waren ruhig und ich packte wie alle anderen meine Sachen zusammen. Sofort folgtest du meinen Beispiel und wir verließen gemeinsam das Zimmer, um dann zum Chemieraum zu gehen. 

Fröhlich summtest du ein Lied neben mir und dein Lächeln begann auf mich abzufärben, doch als hätte sie es gespürt, rempelte mich Mitsumi grob an. Dabei riss sie mir meinen Rucksack von der Schulter. Die Tatsache, dass ich den Tragegurt aber festhielt, verhinderte, dass er zu Boden fiel, doch dein Lied verstummte.

„Was ist ihr Problem?“, knurrtest du neben mir und ich lächelte nur traurig, als ich den pochenden Schmerz in meiner Schulter ignorierte und meine Tasche wieder schulterte. „Der Gang ist breit genug. Sie hätte dich nicht anrempeln müssen. Oder ging der Angriff gegen mich? Schließlich sehen wir uns ähnlich. Vielleicht hat sie uns verwechselt.“

Deine irrsinnige Spekulation ließ mich kurz auflachen. Wie kommst du denn auf diesen Schwachsinn? Mitsumi weiß ganz genau, wer von uns beiden du bist. Sie lässt mich nur spüren, dass sie mich noch mehr hasst, weil du dich für mich und nicht für sie entschieden hast.

„Nein.“ Meine Antwort war kurz und knapp. Zu kurz für dich, denn die Verwirrung kam zurück in dein Gesicht und du kräuseltest irritiert die Augenbrauen. „Was macht dich da so sicher? Schließlich sehen wir uns echt zum Verwechseln ähnlich. Die Lehrer kriegen es ja nicht einmal gebacken, obwohl wir unseren festen Platz haben.“

Schon wieder. Kennst du denn kein anderes Thema? Interessierst du dich nur dafür? Das ist doch totaler Schwachsinn. Als wäre das so toll. In erster Linie ist es nervig. Warum kannst du nicht jemand anderen ähnlich sehen?

„Ja, ich versteh es auch nicht.“ Ich versuchte, das Gespräch zu vermeiden, doch du bliebst. Mit deinen Worten, deiner Nähe und deiner Wärme. Du wolltest nicht mehr weggehen, auch nicht als wir im neuen Raum ankamen. Natürlich war der Platz neben mir frei, weil ich von der Klasse gemieden wurde. Jetzt nicht mehr, denn sofort nahmst du ihn für dich ein. Dein Lächeln wurde breiter und in deine Augen trat ein fasziniertes Glitzern.

„Faszinierend wie ähnlich wir uns sind. Ich dachte, dass sowas immer nur unter Geschwistern möglich sei.“ Deine Stimme war nur ein Hauch, doch er reichte aus, um die Botschaft gänzlich eiskalt in mein Herz zu hämmern: Du bist nur hier, weil wir uns ähnlich sehen. Nur deswegen und aus keinem anderen Grund.

„Es heißt doch, dass jeder einen Doppelgänger auf der Welt hat. Tada, du hast deinen gefunden. Können wir das Thema jetzt gut sein lassen, okay?“ Ein dumpfer Schmerz jagte durch mein Herz und ich konzentrierte mich krampfhaft auf das Pult vor mir. Ich wollte deine Reaktion auf meine Worte nicht sehen. Nicht erkennen, was ich dir damit vielleicht angetan habe und deine Stimme verstummte für den Rest des Schultages. 

Ich hatte Recht. Ich interessiere dich nicht. Du willst nur wissen, warum wir uns so ähnlich sehen. Wäre sie nicht, dann hättest du mich niemals wahrgenommen und darum ist es gut, wenn dieser Kontakt nicht tiefer geht. Unsere Wege müssen sich trennen. So schnell wie möglich und dürfen sich nie wieder berühren. Ja, nie wieder.

Du schwiegst den Rest des Schultages, doch du bliebst an meiner Seite. Stumm und leise, doch deine Wärme war immer spürbar. Genauso wie dieser sanfte Duft nach Moschus, der mich den ganzen Tag begleitete und kaum schlug das letzte Mal der Schulgong, trennten sich unsere Wege am Tor. 

„Bis morgen, Tsuki.“ Eine so belanglose Floskel, doch Worte, die ich seit Jahren nicht mehr gehört hatte und mein geschundenes Herz sanft küssten. Deine Wärme verschwand und hinterließ die altbekannte Kälte. Sie kroch meine Arme hoch und krallte sich in mein Herz, um all die Wunden, die sich durch deine Anwesenheit langsam zu schließen begannen, wieder aufzureißen. 

Ein trauriges Lächeln legte sich auf meine Lippen und ich atmete tief durch, um dann meinen Heimweg anzutreten.

Lass mich bitte gehen. Hör auf mich mit falschen Versprechen zu locken. Ich will nur den Tag irgendwie überlegen. Daher, lass ab von mir und geh deinen eigenen Weg. Mir geht es gut, so wie es ist. Glaube mir, das ist die Wahrheit. Daher, verschwinde wieder und lass mich alleine. Denn das ist mein Leben und damit kann ich umgehen. Deine Nähe dagegen ist zu viel. So viel, dass sie mich zerstören wird.

Aber du warst nun in meinem Leben und dachtest gar nicht mehr daran zu gehen. Nicht solange es dir gänzlich gehörte und du es zerbrachst.



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