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Sonne und Mond I

Schattenwesen
von

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Wer bist du? 1/2

Mit einem leisen Klicken fiel die Tür hinter mir ins Schloss. Ich ließ meine Schultasche im Flur auf den Boden sinken und hörte schon das freudige Quieken aus meinem Zimmer. Es zauberte ein Lächeln auf meine Lippen und ließ die Schwere auf meinem Herzen verschwinden.

„Ja, dir auch ein herzliches Hallo, Akirai. Ich komme gleich. Weißt ja, erst einmal essen und telefonieren.“ Ich lachte kurz auf, als die Freiheit, die mich immer in meinem Zuhause heimsuchte, auch die letzte Schwere von meinen Schultern nahm. Meine Mutter kam immer nur kurz zur Mittagspause nach Hause, doch war nun schon wieder in der Arbeit. Wir sahen uns dadurch immer nur abends. 

Mein Weg führte mich in die Küche und dort direkt zu unserem Kühlschrank, der in einer Ecke stand. Mit einem kräftigen Ruck öffnete ich die Tür und tauchte in seinen kühlen Schlund ein, um die Tupperdose mit meiner Portion des Mittagessens herauszuholen. Es sollte noch das letzte Stück der Lasagne sein, die wir am Wochenende hatten.

Sie wanderte in die Mikrowelle und ich stellte sie kurz ein, um dann schon nach dem Haustelefon zu greifen und bei meiner Mutter in der Arbeit anzurufen. Das war unser Ritual, damit sie wusste, dass ich sicher zuhause angekommen war. Seit diesem einem traurigen Zwischenfall bestand sie darauf und wenn es sie beruhigte, dann sollte sie es haben. Ich brach mir damit keine Zacke aus der Krone. 

Es klingelte nur kurz, als schon ihre Stimme erklang: „Hallo, Tsuki, schön, dass du gut nach Hause gekommen bist. Wie geht es dir? Wie war die Schule heute?“ 

Ich lächelte, denn ihre Stimme beruhigte mich jedes Mal, auch wenn ich schon lange nicht mehr ehrlich auf diese sporadischen Fragen antwortete. „Passt schon. Schule war anders heute. Wir haben einen neuen Mitschüler bekommen.“

„Einen neuen Mitschüler? Ist er nett? Wie heißt er denn?“

„Sein Name ist Taiyo Hikari.“

„Taiyo Hikari? Ein... ein seltsamer Name.“

„Findest du? Tsuki Kage fällt hier auch eher auf.“ Ich verdrehte genervt die Augen. Wieso ignorierte sie immer wieder, dass auch wir nicht gänzlich in die Kultur passten. 

„Ja, aber wir sind Japaner. Wie wahrscheinlich ist es, dass sie auch Japaner sind?“

„Sehr sogar, weil wir uns zum Verwechseln ähnlich sehen.“

„Echt? Das ist jetzt schon verrückt.“ Sie wirkte leicht beunruhigt, doch auch wenn ich wartete, dass noch etwas kam, schwieg sie.

„Das findest nicht nur du, Mama. Taiyo war auch ganz besessen davon. Er... er war sehr anhänglich.“ Langsam ging ich aus dem Flur zurück in die Küche und ließ mich an unseren kleinen Esstisch nieder. 

„Das ist doch gut. Dann hast du endlich wieder einen Freund und kommst vielleicht öfters raus aus deinem Zimmer. Ich hatte schon Sorge, dass sowas nie passieren würde.“ Die Schwere war aus ihrer Stimme wieder verschwunden und ich wollte gerade nachhaken, doch das Klingeln der Mikrowelle unterbrach mich und meine Mutter nutzte die Chance sofort.

„Dein Essen ist fertig. Dann lass es dir schmecken. Wir reden heute Abend weiter, okay?“ Sie wirkte kurz angebunden, und kaum bestätigte ich ihr die Planung, legte sie auch schon auf. Ich selbst lauschte noch einer Weile dem Belegtzeichen, bevor ich dann ebenfalls die Verbindung unterbrach und mein Essen aus der Mikrowelle holte. 

Heißer Dampf stieg empor und auch der Teller war nur mit Hilfe von einem Handtuch berührbar, sodass ich ihn erst einmal auf den Tisch stellte, um mir dann Besteck zu holen. Das leise Rascheln von Stroh und Heu drang zu mir durch und mit einem Klicken sprang der Kühlschrank surrend an. Ansonsten war es still in der Wohnung. Eine Stille, die ich gerade sehr genoss, doch immer wieder erwischte ich meine Gedanken dabei, wie sie zu dir zurückkehrten. 

Dein Lächeln, deine sanften Worte und deine unumstößliche Nähe. Diese Selbstverständlichkeit, mit der du an meiner Seite bliebst. Etwas, was ich schon seit Jahren nicht mehr erfuhr, doch auch wenn sich meine Mutter darüber freute, war ich selbst zwiegespalten. Denn schon lange hatte sich mehr jemand in meine Nähe begeben, der mich später nicht verraten hatte. Alle erlagen früher oder später den Verlockungen von Mitsumi. So wird es dir auch ergehen. Ganz sicher.

Um nicht mehr an dich zu denken, ließ ich meinen Blick durch den großen Raum wandern. Wir hatten eine Drei-Zimmer-Wohnung. Küche, Ess- und Wohnzimmer teilten sich den größten Raum in der Wohnung. Dann hatte meine Mutter noch ihr eigens Reich, genauso wie ich. Vom kleinen Flur gingen alle vier Zimmer weg, daher stand dort auch nur ein kleiner Schuhschrank und die Garderobe hang an der Wand darüber. Das kleine Bad lag direkt rechts neben der Wohnungstür und war gerade groß genug für eine Person. Es hatte nur eine Dusche, ein Waschbecken und eine Toilette, aber das reichte für uns vollkommen.

Die Küche bestand nur aus Kühlschrank, einer zweiteiligen Theke und einem Herd. Auf der Theke selbst standen die Mikrowelle und der Brotkasten. Die Kochutensilien und Bestecke waren in den Schubladen und Schränken verstaut. Ich selbst saß an unserem kleinen Esstisch zwischen Herd und Couch, die zusammen mit einem Fernseher, einem Regal und einem kleinen Tischchen unser Wohnzimmer bildete.

Mein Zimmer war gegenüber von der Wohnungstür. Das meiner Mutter lag neben dem Badezimmer. Sie war klein und kuschelig, doch genau das mochte ich an ihr. Man konnte sich darin nicht verlieren und wir hatten jetzt keinen Wunsch nach mehr Platz. Es reichte gänzlich für uns Zwei, denn wer sollte schon noch dazu kommen. Ja, wir zwei waren uns genug. Mehr als genug.

Schließlich hatte die Lasagne eine essbare Temperatur und so nahm ich das Besteck in die Hand, um zum Essen anzufangen, sodass sich unter die ruhigen Geräusche der Wohnung nun das Klappern des Metalls auf den Porzellanteller einmischte und mich ruhig durch meine Mahlzeit begleitete. Genauso wie der Gedanke an dich, der stetig bei mir blieb und versuchte zu verstehen, wer du warst und warum du jetzt in mein Leben tratst. Doch ich kam auf kein Ergebnis. Noch nicht...



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