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Ineffable

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Kapitel 1 – Am Ende

Kapitel 1 – Am Ende
 

Am Ende war…
 

Nichts. Es war nichts geblieben von der fragilen, friedlichen Existenz, die er sich…nein, die sie sich zusammen geschaffen hatten.

Nichts davon war übrig und diese kleine Welt, sein eigenes kleines Paradies, sein eigener Garten Eden, lag in Trümmern. Da hätte es genauso gut die Apokalypse geben können, die sie verhindert hatten. Schlimmer konnte es doch nicht mehr werden. Doch genauso fühlte es sich an: Wie das Ende der Welt.

Dunkel, grau und kalt.

Genauso fühlte sich der Verrat von Aziraphale an. Wie eine Apokalypse, die über ihn hereinbrach, wie ein Unwetter, ein Orkan, der alles mit sich riss und nicht als Trümmer und Leere hinterließ. Ein großes schwarzes Loch, was alles in sich verschlang.

Da war Leere und Finsternis, die sich in seinem Inneren ausbreitete.

Es fehlte das warme angenehme Gefühl in seinem Bauch. Dieses warme Gefühl, dass sich vergleichen ließ, wie ein heißes Bad bei einem kaltem Wintertag, die Crowley so hasste. Das Gegenteil von...gespenstisch oder furchtbar, wie der Engel ihm einmal erklärt hatte, als sie den Antichristen gesucht hatten und zum Krankenhaus gefahren waren, um die Geburtsaufzeichnungen zu suchen.

Der Dämon hatte zwar Menschen in all seinen Jahrhunderten beobachtet, die sich sich zueinander hingezogen gefühlt hatten, aber das Wort und das Gefühl „Liebe“ war ihm so fremd gewesen, wie lange Zeit der Geschmack einer Auster.

Dämonen liebten eben nicht. Dämonen kannten das Gefühl auch nicht. Dämonen verabscheuten dieses Gefühl.

Doch das hatte es erklärt. So viel erklärt. Eben dieses warme Gefühl und nicht den Engel zu verabscheuen. Er hatte sich damit auseinander gesetzt, Filme gesehen...viele Filme – vor allem von Richard Curtis - und jeden Anlass, den sein Engel gefunden hatte, um einen Film über Liebe mit ihm zu sehen, hatte er grummelnd, aber insgeheim doch neugierig, mit ihm diese Abende verbracht. Während der Engel emotional wurde und kleine Tränen in seinen Augen waren, hatte er die Gelegenheiten genutzt, um zu lernen. Er wollte dieses Gefühl, was ihm so fremd war, verstehen, wissen, wie es funktionierte und ob man es wieder los wurde.

Es war eben ein menschliches Gefühl und nach all der Zeit auf der Erde hatte es zwei Menschen gebraucht, um die Erkenntnis zu bekommen.

Es sah so einfach aus.

Die Leute wurden durch Regen nass, stellten sich unter eine Markise, schauten sich in die Augen, verliebten sich und wussten, dass sie füreinander bestimmt waren.

Welche Ironie, dass sie sich jeweils unter ihren Engelschwingen Schutz gegeben hatten, sich in die Augen gesehen hatten und...es war nichts passiert. Kein Kuss, keine romantische Liebe und doch...

Der Engel hatte ihm Schutz beim ersten Regen auf der Welt geboten, als sie sich im Garten Eden getroffen hatten. Aziraphale hatte immer das Gute in ihm sehen wollen, obwohl er ein Dämon war und ganz bestimmt nicht nett. Dieser Engel, sein Engel, war jedoch seine erste Liebe.

Das alles hatte der Engel mitgenommen, als er in diesen Aufzug gestiegen war und seine Entscheidung getroffen hatte. Er hatte all die Gefühle, all die gemeinsame Zeit, all die Erinnerungen mitgenommen.

Dabei hatte Crowley geglaubt, der Engel sei besser als all das. Sie brauchten diese Seiten gar nicht. Er hatte der Hölle eine Abfuhr erteilt und gehofft, dass Aziraphale das gleiche mit dem Himmel tat. Er war so ein Idiot gewesen. Ein richtiger Hornochse!

Nach allem, was der Himmel getan hatte, glaubte der Engel immer noch an das Gute. Dabei spielte es keine Rolle, wer Menschen opferte und tötete. Tot war tot.

Es ging doch nur um Macht und die Menschen waren die dummen Bauern, die darunter litten.

Und Crowley...er hatte keine Ambitionen wieder ein Engel zu werden. Er wollte nicht zurück.

Er wollte nur...was?

Dass sie wieder ein Team waren? Ihre eigene kleine Gruppe?

Sie konnten sich aufeinander verlassen und diese Scharade so zu tun, als würden sie diese Partnerschaft nicht haben, sollte aufhören. Einfach an sich denken und abhauen, wie er es schon einmal vorgeschlagen hatte, als die Beinahe-Apokalypse gestartet war.

Er hatte seine Sachen gepackt, war aus seiner Wohnung abgehauen und hatte mehrere Jahre danach im Auto gelebt, nur mit ein paar Pflanzen, die in Kartons herumgetragen wurden. Doch der Engel nicht. Er ging diesen vielen Schritte nicht. Er war nicht bereit irgendwas zu tun, damit diese Scharade aufhörte und sein Ruf nicht noch weiter geschädigt wurde.

Und jetzt?

Jetzt war dort diese unbändige Wut, die Kraftlosigkeit, Erschöpfung und Trauer.

Dass ein Dämon wie er dazu überhaupt in der Lage war so etwas wie Trauer zu empfinden, hätte Crowley nicht gedacht. Scheinbar hatte der Engel doch mehr Einfluss auf ihn ausgeübt, als er gedacht und erwartet hätte. Im Gegensatz dazu hatte er selbst nicht annähernd so viel Einfluss gehabt, dass Aziraphale sich für ihn entscheiden würde. Aziraphale hatte so viel Angst davor er selbst zu sein.

Was hatte er auch erwartet?

Er war ein Dämon! Warum also sollte sich der Engel für ihn entscheiden?

Aziraphale war der wundervollste Engel, den er von dem ganzen Misthaufen da oben kannte und wie könnte er da gut genug für ihn sein? Wie hätte er sich da je für ihn entscheiden können, wenn der Himmel nach ihm rief?

Dafür waren Engel doch geschaffen worden: blinder gehorsam, keinen eigenen Willen, nur dem Willen des Himmels gehorchen.

Aber genau das hatte er an Aziraphale immer gemocht. Er arbeitete für den Himmel, soweit es sein Gewissen zuließ und traf auch eigene Entscheidungen, wie die Tatsache Gabriel lieber zu verstecken statt es direkt an die Zentrale zu melden. Hätte er ihn direkt gemeldet, hätte er mit Sicherheit einen Orden und eine Beförderung bekommen. Aber er hatte es nicht getan. Er hatte es ihm erzählt, seinem besten Freund.

Dem Freund, den er aus drei Gründen anrief: Langeweile, er hatte etwas angestellt oder weil er etwas getan hatte und seine Freude teilen wollte.

Doch jetzt blieb das Telefon stumm. Es blieb schon so lange stumm. Keine Anrufe mehr von diesem kleinen kindlich naiven Engel, der ihm voller Freude die neueste Errungenschaft eines Buches erzählte. Kein Engel, der in ihm das Gute sah. Kein Engel, der mit schlechten Zaubertricks versuchte für gute Stimmung zu Sorgen und kein Engel, der immer in seiner Nähe war.

Kein Engel mit diesem vertrauten Geruch nach Moschus, Zedernholz und dem Geruch von staubigen alten Büchern, die er im Lauf der Jahrhunderte gesammelt hatte und auf die der Engel so stolz war.

Das wenige Gute, was Aziraphale gemeint hatte in ihm zu sehen, war nicht gut genug gewesen. Für nichts.

Ja, wer würde ihn schon lieben?

Er war ein Dämon! Er war gefallen und nichts weiter als Abschaum.

Doch, wenn Beelzebub etwas Wichtigeres finden konnte, als den Krieg zwischen Himmel und Hölle, wieso konnte sein Engel das nicht auch?

Hatten sie nicht schon längst ihre eigenen Seiten aufgebaut und angefangen sich ein Leben zu zweit zu leisten? Wozu lebten sie sonst in Soho, dem bekanntesten Viertel in London für multikulturelle Menschen?

Über sechstausend Jahre Menschheitsgeschichte lag hinter ihnen und wenn Crowley sich zurückerinnerte, dann hatte jede dieser Begegnung Einfluss auf sie beide gehabt. Sie hatten Vertrauen aufgebaut und so sehr der kleine Engel mit den blauen Augen sich auch wehren mochte, konnte er nicht leugnen, dass sie eine Partnerschaft gehabt hatten, Vertrauen, Freundschaft und vielleicht auch ohne Worte mehr geteilt hatten als nur gemeinsames Kaffee trinken, Crêpes essen und sich gegenseitig vor der Bestrafung retten.

Da waren doch diese unzähligen Berührungen und Blicke gewesen. Dinge, die sie seit Jahrhunderten wie auf natürliche Weise teilten.

Hatte er am Ende doch zu viel hineininterpretiert?

Hatte er sich am Ende getäuscht und Aziraphale empfand es gar nicht so, wie er?

Er war so dumm gewesen!

Aziraphale hatte das alles nur als Verbrüderung gesehen. Er hatte ihn nur als jemand gesehen, den er gebraucht hatte, nachdem der Himmel ihn als Verräter abgestempelt hatte, sonst nichts!

Doch wie könnte das sein, wenn der blauäugige Engel von „uns“ geprochen hatte, „wir“ und sich ihre Blicke immer wieder trafen, sie immer wieder die Nähe suchten und sich immer wieder finden konnten, als würden sich zwei Magnete anziehen?

Crowley konnte spüren, wenn sein Engel in der Nähe war. Die Luft veränderte sich, die Realität nahm gefühlt eine andere Energie an, was er nie als schlecht empfunden hatte und die Stimmung wurde...nun...fast schon friedlich.

Allein bei der Erinnerung des panischen Blickes in den Augen von Aziraphale, als Nina gefragt hatte, wie es seinem nackten Freund ginge, war zu herrlich gewesen. Als erwartete sein Engelchen, dass er eine Szene machen würde vor lauter Eifersucht. Gut, im ersten Augenblick hatte Crowley auch so etwas empfunden gehabt, aber nicht gezeigt.

Seine Gedanken waren gekreist und er hatte nach außen hin nur die Stirn in Falten gelegt gehabt.

Crowley erinnerte sich heute noch daran als wäre es erst gestern gewesen, wie sie in dem Café „Gib mir Kaffee oder den Tod“ gesessen hatten mit diesen blauen Wänden und der bunten Schrift an der Wand.

Nur bei der bloßen Erinnerung kamen ihm die gleichen Gedanken, wie vor fünf Jahren schon.

Wie konnte es sein, dass Aziraphale einen nackten Mann als Freund hatte? Wieso hatte Aziraphale einen nackten Mann als Freund, der nicht er selbst war? Wer war dieser Freund?

Hingen sie zusammen rum und aßen Eccles-Cakes oder passierte da noch etwas mehr? Hatte sich sein Engelchen endlich der Keuschheit entledigt und seine Neugierde gefunden andere Dinge zu tun als nur Crêpes zu essen, Bücher zu lesen und ein wenig in der Zeit hängen zu bleiben?

Crowley hatte in dem Moment gedacht, dass er diesen verdammten Bastard von Engel kannte, aber er machte nach über sechstausend Jahren Abstinenz und Asexualität plötzlich Sachen mit nackten, fremden Männern. Für wen zum Teufel hielt er sich? Dann leugnete er es nicht mal!

Sie beide waren normalerweise das Duo non plus ultra und wurden für ein Paar gehalten.

In dem Moment waren Mordgedanken durch seine Gehirnzellen gewandert, gefolgt von der Frage, wann das angefangen hatte. Hatte er da irgendwas übersehen? Hatte Aziraphale, der freudige Dinge, nie für sich behalten konnte, irgendwas erzählt und er hatte nur halb zugehört, weil er lieber in diese blauen Augen sah? Hatte der Engel in irgendeinem Nebensatz erwähnt, dass er jemanden datete?

Nein, andernfalls wäre Crowley viel schneller hellhörig geworden damals.

Er hatte doch nur in seinem Auto ein Nickerchen gemacht. Das war nicht lange gewesen, aber offenbar lange genug, damit sich sein geliebter Engel die Mühe machte sich ein Smartphone zu kaufen – was Crowley ihm bereits mehr als einmal geraten hatte - und Tinder oder irgendeine andere Datingapp runter zu laden.

Sechs Espresso Shots wären nicht mal annähernd genug gewesen, um ihn zu beruhigen. Crowley hatte für den Bruchteil von Sekunden die Welt nicht mehr verstanden und sich gefragt, wer das war.

Sofort war ihm der Kammerjäger eingefallen, der hatte kommen müssen, weil in der starken Regenzeit des Herbstes eine Maus oder mehrere den Weg in den Buchladen gefunden hatten. Mehrere Keller waren überschwemmt gewesen und auch der vom Buchladen. So war in dem kleinen Stadtviertel mehrere Mäuseprobleme aufgetreten.

Dieser alte Bastard mit dem Flanellhemd und dem unrasierten Gesicht! Er hatte gewusst, dass dieser Kerl nicht Koscher gewesen war und Crowley als Schlange hätte die Maus mit einem Haps aus der Welt schaffen können. Er hätte die ganze Mäusefamilie auffressen können, von der ganzen Straße hätte er die Mäuse fressen können und sich dann an einem warmen Plätzchen ein Nickerchen gegönnt, um sie alle zu verdauen. Aber nein! Sein Engelchen hatte darauf bestanden einen Profi zu rufen und da hatte er den Salat. Einen nackten Mann im Buchladen seines Engels und sie trieben irgendwelche Dinge miteinander und das auch noch nackt!

Crowley konnte allein bei der Erinnerung spüren, wie die Eifersucht unter seiner Haut kochte und sein Herz sich zusammen zog vor unbändiger, dämonischer Wut.

Eigentlich war das ihre Trinkwette aus Rom gewesen, dass sie solche Dinge machen würden, wenn sie zehntausend Jahre als Alter geschafft hatten.

Aziraphale schien es von alleine gespürt zu haben, dass Crowley missmutig gestimmt war. Hilflos hatte er drein geblickt, als er ihn abwartend und mit hochgezogener Augenbraue angeschaut hatte, ehe er provokant gefragt hatte, ob der nackte Mann der Grund war, wieso sie im Café saßen und nicht im vertrauten Buchladen, wo er immer die Sonnenbrille hatte abnehmen können, die seine Schlangenaugen versteckten. Und genauso provokant war seine Frage, ob er ihm bei irgendwas helfen sollte.

Vielleicht ein dämonischer Dreier?

Doch am Ende war es nur Gabriel gewesen. Nur dieser gottverdammte Erzengel!

Aber genau so funktionierte es eben zwischen ihnen beiden. Sie kommunizierten teilweise ohne Worte, nur mit Blicke und dem feinen Gespür, was sie miteinander hatten und dann sagte man nicht mal eben, dass man sich liebte. Dann kamen Sätze dabei heraus wie: „Du kannst den Buchladen nicht verlassen“, statt „Du kannst mich nicht verlassen“.

Und doch hatte dieser Engel es getan. Nach all der Zeit. Nach dem Kuss, der ihm seinen ganzen Mut gekostet hatte und alles was aus dem Mund von Aziraphale gekommen war, war ein „Ich vergebe dir“.

Knurrend und wütend über die Erinnerungen, die ihn seit fünf Jahren quälten, warf er die ausgetrunkene Rotweinflasche gegen die Wand in seiner Wohnung. Dann griff er zur nächsten Flasche, in der Hoffnung, dass dort noch etwas von der roten Flüssigkeit drin war. Aber sie war genauso leer, wie die davor.

Auf dem sonst so sauberen Tisch mit der roten Marmorplatte und den goldenen Verzierungen als Tischbeine, und der aussah wie aus einem anderen Jahrhundert, waren mehrere dieser grünen Flaschen verteilt. Sie tummelten sich munter zwischen Anrufbeantworter, seinem Notizbuch, Telefon und der goldenen Schatulle.

Alle Flaschen auf dem Tisch waren leer. Allesamt von Crowley getrunken worden, der die Hitze und das Brennen in seinem Magen spürte, genauso wie die Leichtigkeit in seinen Gliedern. Es war die einzige Wärme, die er noch fühlen konnte. Vielleicht wäre sogar Laudanum besser gewesen, aber wer wusste schon, ob er dann nicht wieder gute Taten vollbrachte. Da war Whiskey, Rotwein, Bier oder Schnaps die bessere Alternative.

Dazwischen tummelte sich auch irgendwo eine von Aziraphales Fliegen, die er sich immer um den Hals gebunden hatte. Etwas, was Crowley aus der Wohnung über dem Buchladen hatte mitgehen lassen und die er wie einen Schatz hütete. Irgendwo stand auch ein Aschenbecher zwischen dem Chaos, weil er wieder mit dem Rauchen angefangen hatte, wie in den siebzigern zu seiner Zeit als Kettenraucher. Nach einer Woche jedoch, hatte er es wieder aufgegeben, weil er sich erinnerte, wie eklig der Engel den Geruch an seinen Händen gefunden hatte und auch, weil er sich erinnerte, dass Aziraphale ebenfalls durch ihn zu diesem Laster gekommen war.

„Halt die Klappe!“, rief er in den großen Raum hinein, als die Erinnerung ihn wieder zu übermannen drohte, „Sei endlich still!“

Der Dämon mit den roten Haaren knurrte und sein Schädel pochte schmerzhaft von den vielen Getränken und Erinnerungen, die durch seinen Kopf rasten. „Du brauchst mich nicht! Und ich...ich...“ Die Flasche in der Hand zerbrach , wo er sie gepackt hatte. Scherben rieselten auf den Boden und eine schnitt sich in seine Handfläche bis der rote Lebenssaft hervorquoll.

„Ich brauche dich verdammt noch mal nicht, um mir zu verzeihen!“, murmelte er kraftlos. Seine Handfläche pochte und sein Blick wanderte ins Leere zu den Fenstern. Normalerweise war die Aussicht aus seiner Wohnung fantastisch.

Er konnte auf die Westminster Hall, Big Ben und die Themse sehen. Er hatte sogar einen Blick in den Florence Nightigal Garden. Die großen Panoramafenster mit dem Balkon erlaubten ihm eine gute Aussicht. Das Licht war durch die schwarzen Rollos immer etwas gedimmt, aber hell genug, dass man alles von der schlichten, stilvollen Einrichtung sehen konnte und immer noch einen guten Ausblick nach draußen hatte, wenn man am Schreibtisch saß.

Bis zum St. James Park und Soho war es auch nicht weit. Nur ein Katzensprung. Mit dem Bentley und seinem Fahrstil normalerweise in weniger als fünf Minuten erreichbar, wenn er mit neunzig oder über hundert durch die Straßen raste.

Alles lag immer in Reichweite, was er immer für perfekt gehalten hatte.

Jetzt war der Park ein Ort voller schmerzhafter Erinnerungen und Stunden, die er trübselig auf der Bank saß und auf den Teich starrte mit den Enten. Selbst bei Regen saß er manchmal da in der Hoffnung Aziraphale würde kommen und einen Schirm über ihn halten und sie würden wieder eines ihrer üblichen Gespräche führen.

Nach Soho fuhr er nur, wenn es nötig war, um nach dem Buchladen zu sehen und Muriel davon abzuhalten, dass sie eines der Bücher verkaufte.

Wieder tropfte etwas Blut zu Boden und Crowley legte einen Arm über seine Stirn.

„Ich brauche deine verdammte Liebe zurück“, murmelte er kraftlos.

Niemand würde ihn lieben. Nicht mal Gott liebte ihn. Er wäre niemals gut genug für den Engel gewesen. Er war auch nicht gut genug für Gott, wieso sollte er es dann für eines von seinen Geschöpfen sein?

„Ohne dich, Aziraphale, ist es nicht mehr dasselbe“, sprach er leise weiter. Ohne diesen Engel kam ihm alles grau und trüb vor. Er griff mit der nicht verletzten Hand unter seine Sonnenbrille und rieb sich die brennenden Augen, deren Blick sich wieder trüben wollte.

Konnte der Engel ihn überhaupt hören, wenn er zu ihm betete? Sollte er das mal versuchen und einfach hoffen, dass er seinen Arsch hier runter bewegte?

Der Dämon gab einen Laut des Unmuts von sich und griff zu einer Flasche, um anzusetzen, nur um zu bemerken, dass es wieder eine leere war. Er brauchte dringend Nachschub!

Der Alkohol half ihm die Leere und den Schmerz zu betäuben und nicht wie ein Häufchen Elend im Bett zu liegen und zu flennen, wie ein Baby.

So etwas taten Dämonen nicht! Sie weinten keinem Engel hinterher!

Sie betranken sich und wenn sie betrunken waren und sich elendig fühlten, wunderte man sich einfach wieder nüchtern, füllte die Flaschen wieder auf oder reparierte die Zerbrochenen und begann von Neuem! So lief das!

Sein Gesicht verzog sich vor Anstrengung und ein wenig krümmte er sich zusammen, als genau das geschah. Er nüchterte sich auf wundersame Weise aus und der Wein floss zurück in die Flaschen. Die Flaschen, die zerbrochen am Boden lagen, reparierten sich und füllte sich ebenfalls auf.

Dann sank sein Körper im Stuhl zusammen und er fühlte sich so schlapp, wie schon lange nicht mehr. Kein Wunder, wenn man alles vernachlässigte und nur noch vom Alkohol lebte.

Seine Hand hörte auf zu pochen und heilte.

Als Dämon konnte er aber weder an Krebs, Alkoholvergiftung, fehlendem Essen oder Schlaf sterben.

Irgendwo hatte Crowley gelesen, dass man pro Monat, den man mit einer Person zusammen war, im Durchschnitt etwa einen halben brauchte, um über diese hinweg zu kommen. Bei über sechstausend Jahre waren das 72.000 Monate Zeit, die sie gehabt hatten, um aus dem du und ich ein wir zu machen. Das wären dann wohl etwa 144.000 Monate leiden, die vor ihm lagen, um Aziraphale zu vergessen und mit diesem Schmerz zu leben. Fünf Jahren waren bereits rum, also abzüglich sechzig Monate. Da blieben noch 143.940 Monate.

Hei, er hatte den Fall aus dem Himmel überstanden und weitergelebt und das war schon schmerzhaft gewesen. Da wäre das doch ein Klacks!

143.940 Monate...das waren 11.995 Jahre....für einen Dämons nichts und doch kam ihm diese Qual so unendlich lang vor. Viel länger als die Einsamkeit unter den Dämonen, viel länger und qualvoller als seine Verbannung.

Vielleicht hatte er sich auch verrechnet. So sicher war sich der Dämon da nämlich nicht.

Träge hob er die genesene Hand und betrachtete die saubere Fläche. Nichts. Keine Narbe.

Aber so war es auch mit dem Verlust. Die Wunde konnte niemand sehen, aber sie war da, schmerzte und fraß ihn von innen auf.

Mit einem Stöhnen erhob sich Crowley aus seinem thronartigen Stuhl. Seine Beine zitterten und er goss sich von dem frisch gewunderten Wein sein Glas voll, hielt es auf seine lässige Art in der Hand und griff sich die Fliege vom Tisch, um sie in seine Hosentasche zu stecken und schlurfte mit schweren Schritten durch seine Wohnung. Vorbei an der Maltese Falcon Figur, die er in New York ersteigert hatte.

Seine geliebten Pflanzen , die einst so schön gewesen waren, waren vertrocknet und verdorrt. Die Blätter welk und abgefallen, brüchig wie rissiges Papier. Selbst die erste Pflanze, die er vom Engelchen bekommen hatte war trocken und tot.

Tot wie sein dunkles, verdorbenes Herz.

Die einst so grüne Pflanze hatte einen braunen Stiel und obwohl er hätte alles wieder richten können, sah er keinen Sinn darin.

Normalerweise waren die Zimmerpflanzen morgens das erste, was er vom Schlafzimmer aus sehen konnte, wenn er das Bett verließ. Sie hatten immer stramm gestanden und ihre Blätter gereckt, wenn er aufgewacht war.

Wie lange hatte er nicht mehr geschlafen und sich den Genuss dieser irdischen Freude gegönnt? Es musste Monate her sein. Denn immer, wenn er versuchte zu schlafen, plagten ihn Alpträume vom Moment der Trennung.

Er wachte mit noch schwererem Herzen in der Brust und noch viel stärkerer Sehnsucht nach seinem Engel auf.

So war das Doppelbett also schon lange nicht mehr benutzt worden. Vielleicht konnte er diese Nacht schlafen und würde sich hinlegen. Doch sein Weg führte erstmal nicht ins Schlafzimmer, sondern in das angrenzende Badezimmer.

Mit der freien Hand schob er die Brille etwas hoch.

Ein Blick in den Spiegel offenbarten tiefe Augenringe und leblose rote Haare, die viel zu lang geworden waren. Ein Bart breitete sich an seinem Kinn aus, wie er ihn seit Jahren nicht mehr gehabt hatte. Zuletzt seit...seit...seit Hiobs' Zeit als sie den Himmel ausgetrickst hatten.

Aber dafür fehlte dem Dämon die Muße, um seinen schwarzen düsteren Look einen frisierten und stylischen Touch zu geben, zu pflegen und die Lässigkeit zu geben, die er sonst zur Schau trug.

Normalerweise war es auch der Engel, der seine Haare pflegte, nach Mode der aktuellen Zeit kürzte und...

Die gelben Schlangenaugen senkten den Blick. Das Glas mit Wein kippte aus seiner Hand und ergoss sich im Ausguss.

Crowley musste aufhören an Aziraphale zu denken!

„Aus! Schluss damit!“, tadelte er sich selbst, als wäre er ein böser, ungehorsamer Hund. Er starrte auf das Waschbecken, schloss die Augen und seufzte.

Ja, vielleicht wäre der Versuch zu schlafen gar nicht so schlecht. Noch eine Runde Alkohol und Entnüchtern würde bestimmt nicht gut enden.

Crowley blickt auf und sah sich in seinem Apartment um, als hätte er etwas gehört. Doch das war es nicht. Etwas anderes erregte seine Aufmerksamkeit.

Die Luft hatte sich verändert. Die Realität war anders und er spürte die Veränderung, als würde etwas über seine Haut streicheln und in seiner Nase kitzeln. Da lag ein Geruch in der Luft, der nicht vom Staub stammte, der sich seit fünf Jahren hier sammelte und den er nur noch sporadisch wegwunderte, wenn ihm danach war und damit es keine Zentimeter an Staubschichten wurden.

Das hier war etwas anderes als abgestandene Luft.

Er konnte es spüren.

Ein Engel war hierher kommen und Crowley wirbelte herum.

Ein Schatten am Fenster erregte seine Aufmerksamkeit und zum ersten Mal seit Monaten wurde ihm bewusst, dass es tiefster Winter war, es schneite und die Stimmung auf Erde zu liebenswürdig war.

Es war nicht so schlimm wie an Weihnachten, aber der Hauch davon war noch in der Luft und wurde bestärkt durch den Engel, der dort in der Nacht sein Unwesen trieb, seine kleinen Babyengel Befehle gab und sie ihre unsichtbaren Liebespfeile auf Menschen schossen.

Valentin.

Der Engel, der zur falschen Zeit am falschen Ort war. Der Engel, den er hätte gebrauchen können, als er seinen Engel geküsst hatte. Der Engel, der nun ein Ventil für seine Wut war.

Crowleys Blick verfinsterte sich. Die Wolken am Himmel bauschten sich zu einer dicken, dunklen Wand auf. Ein Gewitter grollte über London mitten im Februar, mitten im Schneefall und kurz vor Valentinstag.

Heute war jemand fällig für dieses Fiasko.

Heute würde jemand die Rechnung dafür bekommen.

Nicht, dass der Dämon ohnehin im Winter schlecht gelaunt war, wegen den nahe beieinander liegenden Festlichkeiten. Igitt, Weihnachten und Valentinstag. Tage, die man durchaus aus dem Kalender streichen konnte. Dafür mochte er Halloween am liebsten.

Aziraphale war da natürlich anderer Meinung – so ein kleiner Angsthase vor Friedhöfen und Horrorfilme! - und er konnte schon die Argumente des Engels in seinen Ohren hören, dass das zwei wichtige Tage waren.

Die Geburt von Gottes Sohn und Valentin der Liebe brachte, die zu dieser finsteren Zeit sehr wichtig war. Bla bla bla...

Dieser Valentin brauchte kein Mensch!

Der Anblick dieses Engels, der unscheinbar und unsichtbar vor den Augen der Menschen sein Unwesen trieb, ließ die Wut in ihm kochen.

Was hatte dieser ach so heilige Valentin getan?

Hatte er das Universum erschaffen? Die Sterne? Den Sternennebel? Den Pferdekopfnebel? Alpha Centauri? Die Milchstraße oder Planeten? Hatte er die Mauern vom Garten Eden beschützt?

NEIN!

Er hatte nur ein paar Leute zum Gottesglauben geführt und war gestorben!

Grund genug für die da oben einen neuen Engel ins Amt zu setzen und die Menschen widmeten ihm einen Tag im Jahr. Den Valentinstag.

Wenn er sich nicht grade nüchtern gewundert hätte, hätte er jetzt definitiv den Inhalt seines Magens geleert.

Ein wütender Schrei entkam dem Dämon und dann war er aus dem Badezimmer verschwunden auf der Jagd nach dem Liebesengel.

Kapitel 2 - Bring mir Kaffee

Schnee fiel aus seinen Haaren, als Crowley sich bewegte und sich auf die Ellenbogen abstützte. Sein Kopf dröhnte und pochte unangenehm. Daran war aber nicht der Alkohol Schuld, sondern etwas anderes, was ihn hart am Kopf getroffen und vor den Grabstein einer gewissen Mariebella Greyard befördert hatte, geliebte Frau, Mutter, Tante, Schwester...

Der übliche Schwachsinn, der eben auf so einem Stein stand.

Wäre er nicht so wütend, würde er vielleicht sogar den Anstand besitzen sich kurz bei Mariebella zu entschuldigen, aber da warteten größere Probleme auf ihn als nur ein angeschlagener Kopf mit einer vermutlich immer größer werdenden Beule.

Crowley spuckte ein paar Blütenblätter und geschmolzenen Schnee aus, die in seinem Mund gelandet waren. Die Erde unter ihm war wenigstens weich, wenn auch matschig, da das Grab noch nicht sehr alt zu sein schien. Vielleicht ein paar Stunden. Sein Hemd nahm diesen feuchten Dreck auch noch zu gerne auf.

Doch die Sauberkeit seiner Sachen interessierte ihn nicht. Da war Valentin mit dem er eine offene Rechnung hatte und egal, wie dreckig es werden würde, er würde immer wieder aufstehen. Was für ein Pech für den Engel, dass er eben ein Stehauf-Männchen war und so schwer zu vernichten, wie das schlimmste Unkraut im Garten eines jedes Gärtners. Doch eines musste er zugeben: Der Schlag war überraschend gewesen.

So schmerzhaft hatte ihn schon lange nichts mehr getroffen, körperlich zumindest und er hielt sich die Rippen. Keuchend vor Anstrengung ging sein Atem schwer und stoßweise.

Der kalte Schnee brannte auf Crowleys nackter Haut an den Händen. Als Schlange war er ohnehin bei kalten Temperaturen empfindlicher, bevorzugte er es doch warm und sonnig. Seine Kleidung war auch nicht unbedingt ideal für einen Spaziergang im Schnee.

Dünne schwarze Röhrenjeans, Bikerboots und ein halboffenes dünnes Hemd. Alles war nass und klamm. Selbst seine wildgewachsene Frisur war nass und vom Himmel fiel immer weiter dichter Schnee.

Irgendwo lag auch seine Sonnenbrille herum, die er schnell zwischen dem Grünzeug fand und eilig wieder aufsetzte. Seine Augen im Dunkeln hatten keine Probleme mit der Orientierung und ein klein wenig leuchteten sie auch, was ihm einen gehörigen Vorteil verschaffte.

Es gab nicht viele Engel, die so einen Schlag austeilen konnten und Valentin gehörte definitiv zu den Weichpflaumen von da oben, die es gab. Er gehörte nicht zu den Kämpfern und den kriegerischen Engeln, die eine Schlacht zogen, um das Böse zu bekämpfen.

Er war ein friedlicher Engel, der nur mit Liebespfeilen schoss, um Menschen romantische Gefühle zu bescheren. Aber einen Dämon von seiner Klasse vermöbeln? Nein, bestimmt nicht. Doch die Tatsache war, er hatte einen harten Schlag kassiert.

Leicht bewegte Crowley seinen Kiefer und gab ein Knurren von sich. Dass sein miserabler körperlicher Zustand mit daran Schuld sein konnte, dass er so hart eingesteckt hatte, daran dachte der Dämon nicht im Traum.

„Du Bastard", sagte er halblaut und knirschte mit den Zähnen. Er hatte die Nummer schon lange nicht mehr abgezogen, aber wenn Valentin das so wollte, dann würde er eben die harte Dämonennummer abziehen!

In seiner Hand bildete sich pure Hitze und gleichermaßen grollte es über ihnen. Ein Blitz zuckte über den dunklen Nachthimmel hinweg und erhellte für einen Moment den Friedhof mit den verwitterten Grabsteinen. Der Schnee mischte sich mit Regen und die Temperatur sank weiter. Die dicken Regentropfen waren unangenehm und kalt, aber ein Dämon musste tun, was ein Dämon eben tun musste.

Wenn Crowley eines gut konnte, dann war es Regen und Gewitter, aber noch etwas anderes konnte er gut.

Das hatte er seit Jahren nicht mehr getan, aber es wurde wohl wieder an der Zeit wirklich Böse zu werden. Er war ein Dämon in Satans Namen noch eins!

Sollte dieses weiß gefederten Geflügel da oben es ruhig merken! Sollte Aziraphale es merken, was er getan hatte! Sollte doch jeder im Himmel und in der Hölle es wissen, was für ein widerlicher Dämonenabschaum er doch war!

Sollte Gott es selbst merken!

Er war böse und das sollte jeder wissen!

Crowley konnte doch sowieso alle nur enttäuschen und er war auch nicht perfekt, sowie die anderen Lieblinge, die noch im Himmel waren. Er war nicht so wie Aziraphale, so lieb und brav. Er hatte die Hölle verraten und war allein, hatte seine eigene Seite. Niemand wollte ihn!

Er war weich geworden durch den Engel, ohne Frage! Viel zu weich und der Pfad des Böses lag so klar vor ihm, als würde dort ein Neonschild stehen mit der Aufschrift "hier entlang". Er war verdammt. Gott würde ihm nie verzeihen und Aziraphale würde nie begreifen, dass er nicht zum Engel taugte.

Er war ein Nichts.

Die Zerstörung und das Chaos waren alles, was er hatte. Die Finsternis war ein Teil von ihm und ebenso gut das Feuer der Hölle!

Unter seinen Fingern begann der Schnee zu schmelzen und der Grabschmuck trocknete unter der sengende Hitze aus bis ein kleiner Funke reichte, um es in Brand zu stecken. Warm und heiß loderten die Flammen auf und tanzten in die kalte Nachtluft. Der Duft von Tanne stieg in seine Nase als das Harz anfing zu kochen und zu verdampfen.

Sein Atmen ging immer noch schnell vor Anstrengung.

„Gott wird dich nicht retten", entkam es Crowley von den Lippen. Seine Stimme klang schwer und als hätte er Mühe sie zu benutzen. Er richtete sich zu voller Größe auf und straffte die Schultern. Seine roten Haare hingen ihm feucht im Gesicht, aber das spielte keine Rolle. „Pech gehabt, du wirst jetzt sterben."

Helles flammendes Licht strömte aus seinen Händen und bildeten eine Feuerkugel, die er spielend leicht in der Luft halten konnte, bereit sie dem Liebesengel entgegen zu werfen.

Sein Blick war auf den alten Engel mit dem Rauschebart fixiert, so dass er etwas anderes nicht bemerkte. Etwas, was ihn hätte warnen können und auch schon vor dem ersten Schlag hätte sagen können, dass Valentin nicht allein war. Aber Crowley war nicht in der Lage dazu die Anzeichen zu bemerken, so sehr hatte er die Scheuklappen auf.

„Verschwinde Dämon!", rief eine altbekannte Stimme, die ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ, „Lass ab davon im Namen des allmächtigen Gottes!"

Diesen Text hatte er genauso oder zumindest so ähnlich schon einmal gehört vor vielen, vielen tausend Jahren.

Mit einem Mal war sich der rothaarige Dämon der vielen Wassertropfen bewusst, die ihm über das Gesicht liefen. Eine davon kroch seinen Nacken entlang und fuhr seine Wirbelsäule hinunter. Die Hitze von dem brennenden Grabschmuck im Rücken vertrieb auch nicht die Kälte, die sich plötzlich ansammelte und der Feuerball in seiner Hand wurde kleiner und kleiner bis er dampfend erlosch. Hart schluckte er und sein Kehlkopf hüpfte vor Anstrengung auf und ab.

Sein Blick war starr auf den Boden gerichtet und seine Schultern hingen mit einem Mal schlapp herab, als wäre jegliche Kraft aus ihm herausgewichen.

Es war wie ein Eimer kaltes Wasser, was über ihn geleert worden war.

Aus dem Augenwinkel konnte er den Engel bereits wahrnehmen und jetzt, wo er wusste, dass er da war, war es fast idiotisch gewesen, dass er es nicht bemerkt hatte, wie die Realität sich verändert hatte.

So oft hatte er die Szene in seinem Kopf abgespielt. So oft hatte er sich gewünscht die Stimme wieder zu hören. So oft war er aufgewacht und hatte sich gewünscht kein unsterbliches ewig lebendes Wesen zu sein, nur um den vielen Gedanken an den Engel zu entkommen, den er am meisten liebte. Wie oft hatte er sich den Wunschträumen hingegeben, dass sie sich wieder fanden und versöhnten.

Doch niemals hätte er so viel Kälte und Abscheu in der Stimme von Aziraphale vermutet, wenn sie sich trafen.

Das war seine persönliche Hölle. Die Bestätigung dafür, was er all die Zeit gedacht hatte. Er war Dreck unter den Füßen der anderen!

„Im Namen des allmächtigen Gottes befehle ich dir: VERSCHWINDE!", ertönte die Stimme von Aziraphale wieder.

Den Engel umgab ein helles Licht und Crowley konnte das Rascheln des Stoffes hören, als Aziraphale eine wegschickende Bewegung machte. Als ob das helfen würde, dass er die Flucht ergriff. Er stand eher kurz davor sich in eine Schlange zu verwandeln und sich so fest um den Engel zu wickeln, dass dieser nie wieder entkommen würde. Aber so etwas tat ein stolzer Dämon nicht!

Ein Dämon kuschelte nicht mit einem Engel!

Bei Gott und Satan…war das sein Schicksal? Ein Kampf mit seinem besten Freund? War das einer der Pläne von Gott? War das die eigentliche Strafe für seine Sünde?

Wenn das der ach so tolle Plan von Gott war, dann würde er ausnahmsweise mitspielen und dem Herrn da oben eine Show bieten, die sich gewaschen hatte. Dann sollte der Engel ihn eben vernichten, wenn es sein musste. Er war bereit zu gehen, wenn es das war, was aus ihnen geworden war und wenn es das war, was sein Engel noch für ihn empfand.

Seine Hand ballte sich zitternd zur Faust, bereit sein dunkelstes Wesen hervorzulocken.

Crowley grinste diabolisch und seine Schultern fingen an zu beben. Zuerst war es nur ein stummes Lachen, ehe er lauter und lauter wurde und sein Lachen über die Stille des Friedhofs hallte und in der Nacht verklang.

Die Flammen des Brandes ließen seinen Schatten tanzen und warfen ein unruhiges Licht auf seine Rückansicht. Obwohl das Feuer so nahe war und ihm hätte helfen müssen die Kälte besser zu verkraften, nahm er es kaum wahr.

Sein Lachen verstummte, doch das freche Grinsen mit den weißen Zähnen blieb.

„Nö", war die lockere, grinsende Antwort auf den Befehl und mit einer lässigen Drehung wandte er sich dem weißhaarigen Engel zu. In seiner Sonnenbrille reflektierte sich das Feuer. Lässig schob der Dämon die Hände in die Hosentaschen.

Alles nur Show, um seine Unruhe zu verstecken.

Seine gelben Augen weiteten sich hinter den dunklen Gläsern vor Überraschung. Irgendwie hatte er nicht glauben können, dass dort sein Engelchen sein würde. Er hatte tief im Inneren erwartet, dass er sich nur verhört hatte.

Aber da war er mit ausgebreiteten Schwingen. Weiß, rein und in voller Pracht.

Aziraphale sah...gut aus.

Der Anzug war so hell, wie aus einer Waschmittelwerbung für weiße Wäsche und fast verschmolz er mit der Umgebung so unbefleckt wirkte es. Nichts war zu sehen von den creme- und erdfarbenen Tönen, die sein Engelchen früher gerne getragen hatte.

Das Haar war wie eh und je, kurz und in der selben Farbe wie seine Kleidung, etwas strubbelig und von allen Seiten abstehend. Die Fliege jedoch war geblieben, doch statt kariert zu sein, war sie ebenfalls schneeweiß und ohne Muster. Es erinnerte ihn an Muriel in ihrer möchtegern Polizeiuniform. Er hatte zudem abgenommen. Er sah genauso dünn aus, wie damals als Engel im Garten Eden. Etwas trainierter und selbstbewusster.

Im Gesicht hatte Aziraphale goldene Sprenkel, wie es die meisten Engel da oben trugen. Er strahlte Macht und Erhabenheit aus, wie er sie ewig nicht bei ihm gesehen hatte. Zuletzt hatte der Engel sehr menschlich gewirkt, was wohl an der langen Zeit auf Erde gelegen hatte. Doch nur fünf Jahre reichten aus, um ihn wieder zu einem Engel mit Stock im Arsch zu machen.

Er war kaum wiederzuerkennen.

In der rechten Hand hielt er sein flammendes Schwert. Es züngelte, wie wild und mit eisernem Griff hielt er es fest.

„Verschwinde von hier, Valentin! Ich regel das!"

Die kräftige und selbstbewusste Stimme des Engels erschreckte ihn ein wenig. Kein weicher Ton, keine Sanftmut. Nur ein kräftiger Befehl, dem der Liebesengel mit panischem, angstvollem Blick nur zu gerne nach kam und sich von diesem Planeten verkroch.

Sollte sich die Ratte doch verpissen! Vor ihm war jemand viel Besseres.

Hätte Crowley gewusst, dass es reichte einen anderen Engel zu treffen, damit Aziraphale angedüst kam, hätte er das schon vor Jahren gemacht! Eifersucht war doch das beste Mittel!

Aber besser spät als nie. Doch es war scheinbar nicht Eifersucht, die den Engel hierher trieben, sondern eine Aufgabe des Herrn, so ernst wie er drein blickte und vor allem so hart wie er ihn gegen den Grabstein gedonnert hatte. Sein Schädel pochte immer noch.

Anders als vor tausenden von Jahren, als er genauso aufgetreten war mit heiligem Licht und erhabener Stimme, erkannte ihn das Engelchen nicht wieder. Sein Gesicht nahm nicht die vertrauten Züge an, zeigte keine Regung der Wiedererkennung und auch sonst nicht, dass er das flammende Schwert ablegen würde.

Was war nur mit Aziraphale passiert? Wieso wirkte er wie ein Fremder?

„Nein? Du wagst es dich einem Diener Gottes zu widersetzen?", fragte er empört zurück und blies für einen Moment die Wangen auf. Scheinbar war doch nicht alles verloren. Die Reaktion war ihm vertraut. Aber dann hörte es auch schon auf.

„Nein, danke? Ist dir das lieber?", fragte Crowley spöttisch zurück, „Ich bin ein Dämon. Warum sollte ich auf dich hören?"

„Nun...weil ich ein Flammenschwert habe und ich werde nicht zögern es zu benutzen", erwiderte Aziraphale.

„Ach wirklich?" Er hob fragend eine Augenbraue. „Sag mal...ist das ein Witz?"

„Wieso sollte ich Witze machen?"

Der Engel ließ sich langsam zu Boden gleiten und seine Füße landeten lautlos im Schnee. Aziraphale klappte seine Flügel zusammen, wie eine von den Enten im St. James Park, wenn sie im Teich landeten. Dann verschwanden sie auch und der Engel wirkte wie ein Mensch, wäre da nicht das flammende Schwert, was er immer noch in der Hand hielt. Bedrohlich und mit scharfer Klinge.

Crowley deutete auf sich. „Hallo? Sag mal geht es dir gut, Engel? Ja, ich weiß, dass der Bart und die Haare mal wieder ab müssten, aber ich habe in all der Zeit noch nie einen Frisör gebraucht, weil du mir das immer gerichtet und darauf bestanden hast!"

„Warum sollte ich einem Dämon die Haare und den Bart frisieren?" Die Verwirrung stand Aziraphale deutlich ins Gesicht geschrieben und nun war es Crowley der die Stirn in tiefe Falten legte, den Mund aufklappte und wieder empört schloss. Hatte er da Abscheu gehört? Der Engel, der den Spaß seines Lebens hatte, wenn er ihm die Haare zu Locken frisieren, sie kürzen, flechten und bürsten durfte? Der Engel, der mit einer Rasierklinge darauf bestand seinen Bart zu trimmen und vorsichtig mit dem Messer über seine Wangen entlang ging und ihm bei den Frisuren der aktuellen Zeit half und das seit...seit…seit Ewigkeiten eben!

Dieser Engel hatte nun Abscheu in der Stimme?

Wer das auch war, es war nicht sein Aziraphale!

„Ich dachte, ich mache die Witze hier von uns beiden", erwiderte Crowley und legte leicht den Kopf schief. Sein Kinn reckte sich provozierend vor.

„Ich weiß nicht, für wen du dich hältst, Dämon", sagte Aziraphale und betonte dabei das Wort Dämon überdeutlich, „Aber ich kenne dich nicht und ich habe dich in meinem ganzen Leben noch nie gesehen, geschweige denn..." Er machte eine kurze Pause und deutete auf seine eigenen Haare und den nicht vorhandenen Bart. „...dass ich einem Dämon helfen würde bei irgendwas. Weder bei den Sünden, noch bei den Haaren, damit das klar ist! Außerdem...selbst wenn wir uns kennen würden, würde ich nichts mit jemanden zu tun haben, der so...so...widerlich riecht und aussieht."

Autsch. Das saß.

Gut, er hatte sich gehen lassen, aber weder klebten Fliegen an ihm, als hätte er sich in Hundescheiße gewälzt noch sah er aus wie jemand von der Straße. Es war einfach nur alles wie wild gewachsen und durch die Erde, in die er gelandet war, sah es auch schlimmer aus, als es war. Nichts, was ein heißes Bad, frische Kleidung und die magischen Hände von seinem Engel nicht wieder hinkriegen würden.

Es gab keinen Grund so unter die Gürtellinie zu gehen.

„Oho...tun wir also so, als hätten wir uns noch nie gesehen? Spielen wir das Spiel, also? Ja?" Der wütende Tonfall von Crowley ließ sich nicht verstecken, dazu der Spott in seiner Stimme und er fing an auf und ab zu laufen, wie ein aufgedrehter Wolf in einem viel zu engen Käfig.

Er umkreiste den Engel. „Und nur fürs Protokoll: es sind fünf Jahre vergangen! Fucking fünf Jahre in denen du dich nicht einmal hast blicken lassen! Du bist Metatron wohl schön in den Arsch gekrochen, wenn ich mich dir so ansehe! Hast du da oben gut Karriere gemacht? Hast dich befördern lassen? Gratuliere. Lieber irgendwelchen heimtückischen toxischen Engeln hinterher rennen, als die Möglichkeit zu haben du selbst zu sein! Lieber lässt du deinen Buchladen im Stich und alles, was du liebst, als auf den Himmel zu verzichten. Als wäre das alles, was dich ausmacht."

Er schrie wütend in die Nacht hinaus und stellte zufrieden fest, wie Aziraphale zusammen zuckte bei seinen Worten.

„Möge dir vergeben werden."

„Das wird nicht passieren. Niemals", sagte Crowley noch immer wütend und man könnte meinen einen zischenden Laut am Ende zu hören, wie es bei einer Schlange der Fall war. Seine wahre Natur kam ein wenig hervor so aufgebracht, war er. „Das ist nämlich die Jobbeschreibung, um ein Dämon zu sein, Engelchen. Keine Vergebung. Niemals. Nie! Nicht mal am jüngsten Tag!"

„Und doch warst du mal einer von uns." Da war wieder diese sanfte Stimme, die an das Gute glauben wollte und versuchte das Gute zu sehen. Dahin hatte er sich also nicht verändert.

„Das ist sehr lange her, Engel. Also schlag dir das aus dem Kopf!"

„Außerdem weiß ich nicht, wovon du redest. Ich habe keinen Buchladen oder sonst irgendwas von dem, was du da behauptest! Ich kenne dich nicht!"

Crowley war mit wenigen Schritte direkt vor ihm und packte den Engel wütend am Kragen. Hart stieß er ihn gegen einen großen Grabstein. Ein Schlag auf den Hinterkopf könnte vielleicht helfen, damit Aziraphale mit diesem Spiel aufhörte!

Zischend fiel das Schwert zu Boden und ließ den Schnee schmelzen, ehe es erlosch.

Crowley war ihm so nahe, dass sich ihre Nasenspitzen berührten und da war tatsächlich Angst in dem Blick von Aziraphale. Etwas, was er damals vor vielen Jahren nicht gehabt hatte. Damals hatte er ihn direkt angesehen, aber von Angst keine Spur.

Dieser Blick war ein Stich in sein dunkles Herz.

„Du bist ganz schön scheinheilig", knurrte er, „Tu nicht so, als wärst du auf der besseren Seite. Muss ich dich an die vielen ertränkten Kinder erinnern bei der Flut? An die armen Menschen, die dein Gott hat alle sterben lassen? Die Folter und den Tod am Kreuz bei seinem eigenen Sohn? An die Sklaven, die mit Moses in die Wüste geflohen sind? Es war dein Gott, der die Plagen schickte! An die Kreuzzüge bei denen unzählige Menschen gefoltert, getötet und missbraucht wurden, an die Hexenverfolgungen? Oder an die Päpstin oder Jeanne d‘Arc, die für eure Seite gekämpft haben und die ihr bereitwillig geopfert habt? Das waren nicht wir Dämonen, die das verbockt haben! Dieses Blut klebt an den Händen des Himmels. Du standes jedes Mal neben mir, Engel, wir haben die Geschichte gesehen, das Leid, die Kriege, die Folter, die Hungersnöte, den Frieden und nach all dem, willst du mir immer noch sagen, der Himmel wäre toll?"

„Ich bin Heiliger als du es bist und nimm deine dreckigen Finger von mir, du widerliche Kreatur!" Aziraphale stieß ihn tatsächlich von sich. Doch das wäre auch nicht nötig gewesen.

Die Worte hatten gesessen und Crowley war froh, dass es nicht nur dunkel war, sondern auch die Sonnenbrille den Schmerz in seinen Augen verdeckte.

Wieder musste der Dämon hart schlucken und sich Mühe geben die Tränen zu unterdrücken.

Erkannte ihn sein Engel wirklich nicht mehr? Hatte er wirklich alle Erinnerungen gelöscht? Freiwillig, um dem Himmel ein guter Diener zu sein und nicht mehr an ihn zu denken?

War der Kuss so...schrecklich gewesen, dass er lieber alles vergessen wollte?

„Du bist so lächerlich, Engel", stieß er zischend wie eine Schlange hervor und trat ein paar Schritte zurück. Er musste Atmen, Platz haben für sich und Abstand. Abstand zu diesem Engel, der sein Herz erneut in Stücke reißen wollte.

Hätte er in seine Brust gepackt und es herausgezogen, hätte es nicht weniger weh getan. Selbst der Blutadler der Wikinger wäre ein Spaziergang im Gegensatz zu diesem Schmerz.

„Ich weiß gar nicht, warum ich noch mit dir rede", murmelte er halblaut.

„Ich habe auch nicht darum gebeten mit dir zu reden, Dämon. Du hast Valentin angegriffen und ich bin hier, um dich dafür zur Rechenschaft zu ziehen!"

„Ja, schön. Können wir damit verbuchen, dass...dass..." Dass er ihm das Herz gebrochen hatte. „...ach vergiss es! Wir sind über sechstausend Jahre Freunde und du willst so tun, als ob es das nie gegeben hat! Schön!"

„Wir sind keine Freunde! Wir sind ein Engel und ein Dämon und wir stehen nicht auf der gleichen Seite und haben nichts miteinander zu schaffen. Ich kann Dämonen auf den Tod nicht ausstehen!"

„Doch, du hast mich gemocht!", erwiderte Crowley trotzig und seine Stimme klang brüchig. Wie viel Folter musste er noch ertragen? Wie viel Zurückweisung noch? „Wir standen auf unserer Seite!", zischte er ihm zu, ein wenig verzweifelt und trat noch einmal näher heran.

Doch die blauen Augen zeigten nur Abscheu und Ablehnung. Mit einer fließenden Bewegung nahm der Engel das Schwert wieder auf und die Flammen züngelten augenblicklich über die Klinge.

„Es gibt kein uns, Dämon, hör mit deinen Lügen auf!" Dem Schwerthieb konnte Crowley nur um Haaresbreite ausweichen.

Das Herz in seiner Brust hämmerte, wie verrückt. Noch nie hatte Aziraphale ihn angegriffen. Ihre Kräfte hoben sich eigentlich gegenseitig auf und sie gingen dann getrennte Wege. Er fälschte die Papiere an die Zentrale und damit war das Thema erledigt.

Doch Aziraphale schien es diesmal darauf anzulegen zu kämpfen.

„Komm schon, Engel! Hör auf damit zu spielen, ehe du dir noch in den Finger schneidest!" Er versuchte scherzend zu klingen, doch in seiner Stimme klang auch Sorge mit. Das wurde ziemlich brenzlig und im Gegensatz zum Engel hatte er keine Waffe bei sich. Doch er konnte eine Sache tun.

Crowley schob die Sonnenbrille kurz nach oben und sah den Engel mit seinen gelben Augen an. Er grinste zufrieden, als er die kurze Angst aufblitzen sah.

Auch hier hatte sich nichts verändert. Sein Engel hatte noch immer Angst vor seinen Augen, wenn sie in der Dunkelheit glimmten. Nur kurz, aber es reichte.

Zeit genug, um etwas Abstand zwischen sich und dem Schwert zu bekommen.

„Komm schon, Aziraphale, erinnere dich! Oder hör auf so zu tun, als kennst du mich nicht!" Ablenkung! Er brauchte Ablenkung!

„Was ist deine Lieblingsfarbe?", fragte er.

„Gelb!", antwortete der Engel sofort und trat näher, um wieder mit dem Schwert zuzuschlagen.

„HA!" Crowley wies mit dem Finger auf sein Gegenüber. "Meine ist blau und weißt du, wieso? Weil deine Augen blau sind! Du hast sogar meinen Bentley gelb gemacht, als du ihn gefahren bist, weil du die Farbe so magst!"

„Ich habe keine Ahnung, wovon du redest. Ich bin noch nie einen...Bentley gefahren." Der nächste hieb folgte und Crowley wich geschickt aus. Der schneebedeckte Boden war rutschig und er musste aufpassen.

„Komm schon, Aziraphale, streng deine grauen Zellen an!", forderte er heraus, „Du hast dir mit meiner Hilfe einen Facebook Account gemacht und du liebst diese Motivationszitate und liebevollen Sprüche. Unser gemeinsames Hobby ist es ins Museum zu gehen und uns darüber zu amüsieren, wie falsch einige Informationen zu den Stücken sind und uns zu erinnern, was wir in den Epochen erlebt haben. Komm schon!"

Crowley wich erneut der scharfen und heißen Klinge aus. Der Boden war ziemlich trickreich, wenn man rückwärts gehen musste und alles voller Schnee war.

Der Dämon schob sich ein paar feuchte Haare aus dem Gesicht.

„Bei Filmen wirst du immer emotional, deine Lieblingsspeise sind Crêpes, wir essen gerne im Rizz..." Kurz musste der Dämon Luft holen und vollführte eine elegante Drehung. Er packte das Handgelenk von Aziraphale und drehte ihm den Arm auf den Rücken. „In deinem Laden hast du eine große Wasserflasche mit Trackingfunktion, nur damit du nicht dehydrierst. Mich versuchst du auch dazu zu überreden, aber ich habe seit 1952 kein Wasser mehr getrunken und das war auch nur Regenwasser, das in meinen Mund gekommen ist."

„Engel können nicht dehydrieren und Dämonen auch nicht!"

„Genau das habe ich dir auch gesagt und dennoch machst du diesen Unsinn!" Crowley grinste neckisch und neigte sich ein Stück nach vorn. Er hauchte einen Kuss auf den Nacken des Engels. Er hatte ihn einmal geküsst, wieso also nicht wieder und dann an einer anderen Stelle?

Vielleicht war das ja sowas wie eine verzauberte Dornröschennummer. Ein Kuss und alles wurde wieder gut!

Aziraphale wischte sich angewidert über die Stelle und wandte sich in seinem Griff.

Oder auch nicht.

Er konnte sogar den Schauder spüren, den der Engel ergriff.

„Was haben die da oben mit dir angestellt?", fragte er ein wenig überfordert und frustriert. Geduld war nicht seine Stärke. Das war aber bei keinem Dämon der Fall, den er kannte. „Himmel...was soll ich dir sonst noch erzählen, um deine grauen Zellen anzukurbeln?" Ihm fielen da viele Geschichten ein. Bei über tausend Jahren Geschichte kein Wunder. Sie hatten so viel erlebt. „Deine Vorliebe zum Essen hast du mir zu verdanken. Wegen mir hast du Fleisch probiert. Du...liebst Bücher und hast einen gottverdammten Buchladen, denn du 1800 eröffnet hast! Du hasst es, wenn ich mit dem Auto zu schnell fahre. Du ermahnst mich immer langsamer zu fahren und wenn du im Auto bist, fahre ich auch unter hundert...nur für dich!"

Er tippte dem Engel auf dem Rücken mit den Fingern entlang.

„Ich..."

Gespannt auf die Erwiderung wartete Crowley. Doch da passierte nichts außer, dass sie beide nass vom Schneeregen wurden. Die Kälte kroch ihm in die Knochen und als Schlange fand er das nicht so geil. Die winterliche Kälte war unangenehm und normalerweise kleidete er sich bei dem Wetter viel passender. Er konnte sich auch drauf verlassen, dass der Engel vor ihm im Laden immer etwas Warmes hattes, damit er schnell wieder auftaute, wie warmen Wein oder eben eine heiße Schokolade.

„Ich bin ein Engel des allmächtigen Gottes. Ich verkehre nicht mit Dämonen und ich werde dich zurück in die Hölle schicken!"

Sein kleiner Engel hatte mehr Mumm in den Knochen, als er zugeben wollte und es war schon ein wenig beeindruckend, wie er sich wehrte.

Ergeben seufzte Crowley und drehte den Engel zu sich herum. Er packte auch das zweite Handgelenk, damit ihn das Schwert nicht treffen konnte. Die Wärme, die es ausstrahlte, war immerhin ein angenehmer Nebeneffekt.

„Hör zu...du bist mein Engel", sagte er ernst und knurrend, „Und du hast mich verlassen. Du wolltest lieber in den Himmel gehen statt bei mir zu bleiben und verdammt noch mal...in Gottes...in Satans...im Namen von irgendwem. Sieh mich an! Sieh mir in die Augen und sag mir, dass du all das vergessen hast!"

Sein Atem bildete kleine Wolken zwischen ihnen und Crowley atmete hörbar ein und aus. Es fiel ihm schwer zu sprechen. Das letzte Mal war es bei ihrem Gespräch gewesen und da hatte er schon nicht den Mut gehabt alles zu sagen.

„Ich kenne dich nicht! Ich habe dich noch nie gesehen, du Werkzeug Satans!"

„Doch, Engel, irgendwas haben sie mit dir gemacht und wenn ich es gewusst hätte, dann...dann hätte ich dich in mein Auto geschleppt und wäre mit dir sonst wohin gefahren. Hauptsache du bleibst du", sagte er schwermütig und irgendwie lief seine Nase. Seine Augen trübten sich.

Himmel, es war doch noch gar nicht Zeit sich zu häuten!

Normalerweise konnte er es spüren, wenn die Zeit gekommen war sich etwas mehr zurückzuziehen, weil die Augen trüber wurden und sich die Haut von ihm abschälte. Meist war er dann auch gereizter als sonst, weil seine Haut unbeschreiblich juckte und er auch keine Lust auf Alkohol oder Essen hatte. Als Schlange funktionierte das auch besser als wenn er ein Mensch war und in dieser Zeit wollte er niemanden sehen oder sprechen. Auch nicht den Engel. Er rollte sich dann gerne in seiner Wohnung zusammen und überstand die Zeit in seinem Bett.

Es war ihm unglaublich unangenehm, wenn er sich in dieser Phase befand und war es doch mal nötig den Engel zu treffen, dann versuchte er das alles zu überspielen und als Dämon war schlechte Laune ohnehin ein Normalzustand.

„Mit mir hat Niemand was gemacht!", fauchte der Engel ihm gegenüber und er drehte seine Hand ein Stück. Um Haaresbreite verfehlte das Schwert sein Gesicht. Doch ein Teil seines Bartes fing etwas Feuer, so dass Crowley zurück sprang und die Glut ausklopfte.

„Verdammt! Siehst du wie gefährlich dieses Ding ist?", fragte er und deutete mit einem Finger auf das Flammenschwert.

„Du kannst mich nicht in Versuchung führen, Dämon!"

„Schon wieder diese Nummer? Crowley! Mein Name ist Anthony J. Crowley!", sagte er ungeduldig und machte einen Hüpfer zur Seite, um den Flammen auszuweichen. Es wäre so leicht den Engel anzugreifen, aber...es war Aziraphale. Der Engel, der ihm am meisten etwas bedeutete! „Und den Namen kennst du! Diesen Namen habe ich seit den Vierzigern und Crowley schon seit tausenden Jahren!"

„Nein, kenne ich nicht und mir ist es egal, ob du Asmodeos, Crowley oder sonst wie heißt!"

„Ach verdammt, Engel", fluchte er und atmete hörbar tief durch, „Wir waren so gute Freunde, dass ich dich sogar eingeladen habe, dass wir zusammen wohnen nach der Beinahe-Apokalypse."

„Apokalypse?" Die Stirn des Engels legte sich in Falten und zum ersten Mal seit sie aufeinander getroffen waren, senkte Aziraphale das Schwert.

„Ja!", rief er freudig aus, „Ja, genau. Wir haben Adam geholfen und die Apokalypse verhindert. Deshalb wurden wir beide verbannt. Wir haben die Plätze getauscht, um den Strafen zu entgehen und unsere Ruhe zu haben. Wir hatten ein Leben zusammen! Komm schon...erinnere dich!"

Das Herz des Dämons hüpfte und er sah den Engel hoffnungsvoll an.

„Ich....ich bin mir nicht sicher...aber..." Die Selbstsicherheit verschwand.

Erwartungsvoll sah er den weißhaarigen Engel an.

„Ja, komm...erinnere dich!"

Aziraphaele sah aus, als hätte er Kopfschmerzen. Ein milder Preis, wenn er sich dafür erinnerte und die würden auch von alleine weggehen.

„Da war ein brennendes Auto..."

„Ach komm schon! Genau das! Aber ich nicht?" Das war doch wirklich ein Witz! Ein ganz gemeiner, schlechter Witz!

„Und...ein Bus...ich saß in einem Bus..."

„Ja?" Crowley umfasste die Schultern des Engels und nickte ihm aufgeregt zu.

„...mit..."

„MIR! Verdammt noch mal! Wir sind die ganze Nacht bis nach London zurückgefahren mit diesem gottverdammten Bus und dein Buchladen war abgebrannt, genauso wie mein Auto. Komm schon, Aziraphale...streng dich weiter an!"

Leicht rüttelte er an den Schultern von seinem Engel und dieser sah verwirrt aus. Benommen sah er sich um, als würde er seine Umgebung zum ersten Mal wahrnehmen.

„Du warst ein Engel..."

„Leider ja. Aber könntest du dich bitte mal an das wesentliche und wichtigste erinnern?" Ein drängelnder und besorgter Tonfall hatte sich in seine Stimme gemischt und die Augen des Dämons huschten über den Friedhof, zu den Grabsteinen und zu den einzelnen tanzenden Lichtern der Grabkerzen, die in der Dunkelheit schimmerten.

Das Gabgesteck von Mrs. Mariebella Greyard brannte noch immer und sie beide hatten einiges an Abstand davon genommen, dass zwar die Flammen ein wenig Licht brachten, aber die Wärme nicht mehr zu spüren war, die er gut gebrauchen könnte, um sich besser zu fühlen.

Die blauen Augen des Engels suchten die Dunkelheit ab. „Ich war schon mal auf einem Friedhof...das war aber nicht dieser und auch nicht diese Zeit...und du warst weg..."

Erkenntnis schwang in der Stimme des Engels mit. Er schien sicherer zu werden, was seine Erinnerung betraf.

Langsam, in den Augen des Dämons viel zu langsam, nahmen wieder die sanften Züge in dem Gesicht seines Gegenübers Gestalt an. Etwas hilfesuchend schaute er Crowley an.

Da war also sein Engelchen und ein kurzes, erleichtertes Lächeln huschte über seine Mundwinkel. Er spürte seine Augen brennen. Doch all das war jedoch schnell wieder verschwunden. Crowley verzog bei der genannten Erinnerung die Lippen und eigentlich auch das ganze Gesicht.

„Ja...Laudanum...bin nicht freiwillig gegangen", sagte er mit einer grinsenden Entschuldigung und sog scharf die Luft durch die Zähne ein, als er sich an diesen unangenehmen Teil erinnerte. Laudanum hatte wirklich keine gute Wirkung auf ihn und das hatte die Hölle auch schnell bemerkt gehabt.

„Es war gruselig dort..." Der Engel tippte mit dem Finger nachdenklich in der Luft herum und die Stirn zog sich tiefer in Falten.

„Weißt du was, Engel, wir gehen jetzt in meine Wohnung und dann kannst du dich an alles erinnern. Es ist Scheiße kalt hier!"

„Und du magst keine Kälte", schlussfolgerte er langsam.

Bei allen Höllenkreisen! Das wurde ein Planet auch noch mal alt!

„Ja, genau und jetzt lass uns abdüsen!", presste er zwischen den Zähnen ungeduldig hervor. Crowley umfasste das Handgelenk seines Engels. Bereit ihn mitzuziehen und nicht mehr los zu lassen.

„Weil...du eine Schlange bist..."

„Ja, deine Lieblingskuschelschlage und ich winde mich später gerne um dich, wenn es dir hilft, dich zu erinnern. Aber komm jetzt! Du kannst dich auch unterwegs erinnern!" So langsam wurde es mehr als nur ungemütlich und die Temperaturen zerrten an seinen Nerven. Ein drängelnder Tonfall lag in seiner Stimme. Dazu lag etwas in der Luft, was ihm nicht geheuer war und ihn nervös auf und ab tippeln ließ, als würde er in einer Kirche auf geweihtem Boden stehen.

„Nein...warte..." Der unsichere Tonfall ließ ihn innehalten und leicht mit den Augen rollen. Eine der schlechten Angewohnheiten von Aziraphale war es manchmal den ernst einer Lage zu unterschätzen und nicht zum ersten Mal hörte der Engel ihm nicht zu. Das war im Buchladen genau das gleiche gewesen. Statt auf ihn zu hören und die Warnung mit den Dämonen ernst zu nehmen, wollte er lieber tanzen!

„Was denn noch? Aziraphale, hier stimmt etwas nicht und zwar ganz und gar nicht", knirschte der Dämon mit den Zähnen und seine Schultern spannten sich an. „In meiner Wohnung sind wir in Sicherheit! Deine Erinnerungen holen wir später und kümmern uns darum, was die da oben mit dir angestellt haben, Engel. Ich habe keine Lust zu Schaden zu kommen!"

Sein Tonfall wurde noch drängelnder und etwas aggressiver.

Warum musste dieser Engel nur ein Trödelengel sein?

Der Engel an seiner Hand stöhnte vor Schmerz und sank auf die Knie. Das Schwert in seiner Hand fiel erneut zu Boden und Aziraphale hielt sich den Kopf, krümmte sich vor Schmerzen und Crowley konnte nur hilflos zusehen.

„Mein Kopf..."

Crowley stützte ihn so gut es ging und versuchte ihm Halt zu geben, ihn wieder aufzurichten, doch es war, als würde er zu Boden gezogen werden.

„Komm schon, reiß dich zusammen", sagte er eindringlich, „Oder..."

Was oder?

Würde er ihn hier liegen lassen? Niemals!

So sauer er auch war, er würde ihn nie im Stich lassen.

„...oder ich rede nie wieder mit dir!" Die Worte, die ihn damals motiviert hatten aufzustehen, als Satan gekommen war, um den Antichristen zu bestrafen. Vielleicht half es auch seinem Engel, wenn er ihm diese Drohung an den Kopf warf?

Wenn das hier vorbei war, würde er auf jeden Fall Alkohol brauchen. Die ganze Situation zerrte so an seinen Nerven, dass es sich langsam anfühlte, als würde man mit Schmiergelpapier über seine Haut kratzen.

Als der Engel nach einer gefühlten Ewigkeit den Blick hob, waren die harten Züge zurück. „Besser wäre es! Ich habe nichts mit Dämonen zu schaffen!"

Der Engel umgriff schneller das Schwert als Crowley begriff, was vor sich ging. Pure Entschlossenheit lag in den blauen Augen des Engels.

„Verdammt...!", fluchte der Rothaarige und die scharfe Klingenspitze streifte über sein schwarzes Hemd, riss es auf und kratze die Haut darunter an. Die Engelsklinge brannte und Crowley schrie vor Schmerz auf. Die Wunde gab ein zischen von sich und dampfte, was in Form einer kleinen Rauchwolke zu sehen war.

„Mich wirst du nicht in Versuchung führen, elender Dämon! Ich höre nicht auf dein Geschwätz!"

Crowley wich zurück. Das war nicht gut!

„Aziraphale, komm zu dir!", flehte er und spürte im nächsten Moment den harten Stein in seinen Knien, der ihn aus dem Gleichgewicht brachte. Rücklings fiel der Dämon nach hinten und wirbelte Schnee auf.

Dicke Flocken landeten auf seinem Gesicht, die aus dem Himmel fielen. Sein Regen und das Gewitter hatten schon längst aufgehört seit er versuchte zu Aziraphale durchzudringen. Kalt blieb es dennoch und die Nässe an seiner Kleidung machte es nicht besser. Schwer atmend starrte er in den dunklen Nachthimmel.

Crowley schloss angespannt die Augen, spürte seinen Herzschlag überdeutlich in seiner Brust. Die Adern an seinem Hals pochten und alles, was er Aziraphale entgegen zu setzen hatte, wäre ein Schnellball.

Etwas anderes könnte er auch nicht vollbringen. Nicht ohne ihn zu verletzen. Großartig!

Was für eine Ironie, dass er direkt auf einem Friedhof sterben würde, hingerichtet von einem Engel. Da brauchte dieser ihn nur noch in ein Grab werfen und Ende, aus, vorbei.

Er öffnete die Augen und sah Aziraphale über sich. Das Schwert erhoben, kampfbereit und mehr als bereit ihn zu vernichten.

„Habe ich dir je gesagt, wie großartig du aussiehst?", fragte Crowley leise und der Engel über ihm hielt in der Bewegung inne. Die Klinge stoppte nur ein paar Zentimeter über seinem Herz.

„Was...?" Die Entschlossenheit wandelte sich in Unglauben, Verwirrtheit und Schreck.

Der Dämon sah in die blauen Augen seines Engelchens und wie wild diese hin und her huschten, als suchten sie eine Erklärung.

„Ich...ich...was tue ich hier?", flüsterte Aziraphale und betrachtete voller Unglauben die Engelsklinge in seiner Hand. Die Flammen hörten auf zu züngeln und er warf es zur Seite, weit weg, als könnte er nicht glauben, was er grade getan hatte oder beinahe hätte tun wollen.

„Gott sei Dank", hauchte der Dämon am Boden und sah erleichtert aus. Die Anspannung wich aus ihm heraus.

„Hast du das grade wirklich gesagt?"

Die warmen Hände des Engels fühlten sich gut auf seinem Gesicht an.

„Offensichtlich, Engel." Leicht berührte seine Hand die des anderen. „Schön, dass du wieder da bist."

„Oh Crowley..." Der Unglaube lag noch immer im Gesicht von Aziraphale. „Es tut mir so leid. Was habe ich getan? Ich war kurz davor dich zu..."

„Wie gut, dass ich ein Überlebenskünstler bin, was", grinste er zurück und richtete sich auf. Seine Schulter schmerzte von der Klinge und besorgt zog er den Stoff etwas zur Seite. Die Wunde war rot und wirkte entzündet. Nichts, was nicht heilen würde durch ein kleines Wunder.

Doch den Schmerzenslaut konnte er nicht unterdrücken.

„Was tue ich hier?"

„Fragst du das grade wirklich?" Crowley klang angepisst.

„Ja...ich...ähm...also..." Da war wieder das unsichere Gestammel und das Spielen mit seinen Händen, wenn er nervös wurde. Er griff nach dem Zipfel seines weißen Jacketts und knetete den Stoff.

„Du hast versucht mich abzumurksen mit deinem flammenden Zahnstocher! Das ist los! Sieh dir mein Hemd an! Komplett ruiniert!", schimpfte Crowley los und zupfte demonstrativ an dem gerissenen Stoff. „Ich habe die letzten Minuten damit zugebracht dich daran zu erinnern, wer ich bin, verdammt noch mal!"

„Ich habe dich verletzt. Es tut mir leid...lass mich dir helfen", bat der Engel und reichte ihm die Hand, um ihn aufzuhelfen. Gleichzeitig machte er mit der anderen Hand eine Bewegung und die Wunde schloss sich. Der Schmerz ließ augenblicklich nach und das Hemd sah aus, als wäre dort nie etwas gewesen.

Crowley nahm es mit einem Brummen hin. Eine kleine Entschuldigung dafür, was hier grade ablief. Aber nicht annähernd genug für die letzten Jahre.

„Jetzt lass uns abhauen, Engel", sagte er bestimmend, stand auf und schaute sich auf dem Friedhof um. Noch immer war die Luft so anders. Das gefiel ihm nicht und er hatte keine Lust noch mehr Engel zu treffen. Valentin war eine Sache. Aziraphale eine andere und weitere Engel noch mal eine andere Nummer!

Er konnte gut und gerne auf diesen Stress verzichten.

Crowley klopfte sich etwas von dem Schnee von der Kleidung und versuchte sie zu richten so gut es ging.

„Crowley...du...du siehst furchtbar aus", bemerkte Aziraphale vorsichtig, „Deine Haare und der Bart..."

"Ja...ich weiß...wild gewachsen.", wank Crowley ab, als wäre es nichts besonderes. Er strich sich über den angesengten Bart und ein paar Haare zurück, die wild in seinem Gesicht hingen. Nichts was sein Engel nicht wieder richten konnte.

Es gab keinen Grund für Aziraphale darauf jetzt herumzureiten, wieso er so vernachlässigt aussah. Da gab es bessere Momente dafür, als nachts auf einem beschissen kalten Friedhof.

Wessen Schuld das auch noch war, dass er sich so hatte gehen lassen, verschwieg Crowley erstmal. Der Engel musste vorrangig seine Erinnerungen wieder kriegen und dann konnten sie darüber sprechen, wieso er sich so vernachlässigt hatte.

Mit einem fast sanften und sehnsuchtsvollen Blick schaute er Aziraphale an und spürte die warme Hand von dem blauäugigen Engel, die seine ergriff. Es wärmte ihn und er sehnte sich danach, sich an die Schulter des Engels zu kuscheln und sich zu wärmen. Er fühlte pure Erleichterung ihn wieder zu sehen, während gleichzeitig die Wut mit den Vorwürfen nur darauf wartete auf Aziraphale einzuschlagen. Da gab es einiges zu klären zwischen ihnen.

Doch im Moment überwog die Freude einfach, diesen naiven Engel wieder zu sehen. So sehr, dass sich wieder seine Augen trübten. Das musste die Kälte sein! Nichts anderes!

„Sehr gut gemacht, Aziraphale. Du hast den Dämon gefunden. Jetzt vernichte ihn, wie ich es dir gesagt habe!"

Die alte brüchige Stimme hinter ihm, ließ Crowley zusammenzucken. Er kannte diese Stimme. Diese Stimme klang für ihn, als würde man mit einer Gabel auf einer Schiefertafel kratzen und in dem Moment wünschte er sich, dass er mal wieder schlechter hörte. Aber genau in so einem Moment hatte er ein ausgezeichnetes Gehör.

Die Stimme hinter ihm war bestimmend, kühl und kein bisschen warmherzig, wie das gebrechliche Aussehen es einem gerne weißmachen wollte.

Crowley verzog so demonstrativ das Gesicht, dass er den Abscheu nicht mal versuchte zu verstecken, den er gegenüber Metatron empfand. Noch ein Engel bei dem er eine Rechnung...nein...zwei...offen hatte.

„Metatron, altes Haus!", sagte er lautstark und drehte sich herum und ließ damit widerwillig die Hand von Aziraphale los. Selbstsicher und das Kinn stolz nach vorne gestreckt, schaute er in die Richtung aus der die Stimme gekommen war. Die Schultern schoben sich ein Stück zurück und Crowley versuchte die lässige Haltung zu bewahren, während alles in ihm schrie sich in eine riesige Schlange zu verwandeln und diesem Engel mit seinen Giftzähnen zu beißen.

Als Schlange wäre es ein leichtes blitzschnell zuzubeißen und sein tödliches Gift unter die Haut des alten Engels zu jagen.

Crowley konnte sogar schon spüren, wie seine Zunge sich teilte und sich die Schuppen über seine Hand zogen. Doch er musste sich konzentrieren und nicht den animalischen Instinkten nachgeben.

Ein wenig schützend schob er sich vor dem Weißhaarigen, doch statt hinter ihm zu bleiben, trat der Engel neben ihn.

„Euer Hochwürden, was tut Ihr hier?" Aziraphale sah fragend den alten Mann mit dem dunklen Mantel an, der dort neben dem abgebrannten Blumenschmuck stand und einen Kaffeebecher in der Hand hielt, als würde er nur mal eben einen Spaziergang machen.

„Nun, ich beobachte, wie du deinen ersten Auftrag erledigst. Das tue ich hier!", fuhr er ihn an und Crowley hasste diesen Tonfall. Diesem Engel hatte wohl noch Niemand gesagt, dass er die Klappe halten sollte!

Metatron war ein Arschloch-Engel, wie er im Buche stand. Er ruhte auf sich auf den Stand und den Privilegien aus, die er als Stimme Gottes hatte und niemand wagte es ihm zu widersprechen.

Grund genug erneut für den Dämon das Gesicht angewidert zu verziehen, als hätte man ihm Karottensaft vorgesetzt.

„Aber...nun...ähm...was meint Ihr mit...vernichten?" Die Bestürzung in der Stimme von Aziraphale war deutlich zu hören. „Ich verstehe nicht...welcher Auftrag? Und wieso bin ich auf einem Friedhof? Ich war doch eben noch...in Soho und im Laden...und es war...Tag...Sir, Eurer Hochwürden, habe ich...etwas falsch gemacht?"

Crowley warf einen fragenden Blick auf den Engel neben sich. Wie bitte?

Ihm fielen da ein paar Antworten auf die Fragen ein, was der Engel hier tat und dass er nicht eben noch im Buchladen gewesen war, aber die Antwort von Metatron interessierte ihn brennender.

Der oberste Engel sah verärgert aus und seine Lippen bildeten eine schmale Linie. „Nun, ob du etwas falsch gemacht hast, werde ich noch sehen, aber jetzt beweg dich hier rüber, los jetzt!"

Der zischende, drohende Tonfall war aus Crowley schneller heraus gekommen, als er sich selbst ermahnen konnte ruhig zu bleiben. Normalerweise war er gelassener, aber heute war eine Ausnahmesituation. Einen emotionalen Ausbruch durfte auch ein Dämon haben.

„Rede nicht so mit meinem besten Freund!", fauchte er und seine Schlangenzunge schnellte heraus.

„Crowley, beruhig dich! Es wird sich alles klären. Ich bin sicher seine Heiligkeit hat eine Erklärung dafür!"

Der hilflose Versuch Metatron in ein gutes Licht zu rücken, prallte an ihm ab.

„Auf die bin ich ja mal wahnsinnig gespannt, Engel", knurrte er wütend und seine angestauten Emotionen konnten sich nicht mal ansatzweise beruhigen, wie es vielleicht hilfreicher gewesen wäre.

Es war wie der Bruch bei einem Staustamm. Zuerst tröpfelte es nur langsam durch die feinen Risse der Mauer und dann kam die Sintflut, die alles niederriss und zum Einsturz brachte. Die Mauer, die er um sich errichtet hatte, fiel in sich zusammen, wie ein Kartenhaus und es riss ihn jetzt mit sich. Die letzten frustrierenden, einsamen, dunklen Jahre ohne Aziraphale fluteten über ihn hinweg und er hatte keine Kontrolle über das auf und ab der Gefühlsachterbahn.

Dieser alte Engel war ein rotes Tuch für ihn und er reagierte darauf wie ein gereizter Stier.

„Du vergisst dich, Crowley!", fuhr ihn Aziraphale an, „Du wirst zu einer Schlange!"

„Weil er eine ist! Du darfst ihm nicht trauen, Fürstentum Aziraphale und jetzt komm hierher!"

Als wäre sein Engel irgendein Hund, dem man Befehle erteilen konnte und der brav Beifuß machte! Es reichte langsam! Knurrend und bedrohlich baute sich der Dämon auf und nahm immer mehr die Gestalt der großen rotbäuchigen Schwarzotter an bis er gänzlich die menschliche Gestalt verloren hatte.

Bedrohlich bäumte er sich auf, zischte und öffnete sein Maul. Die Giftzähne waren nach vorne geschlagen und die ersten Tropfen liefen heraus. Der Schnee schmolz unter der Stelle und der Boden verfaulte durch das Gift, als wäre es eine Säure. Brodelnd und blubbernd wich das Leben aus der Erde und hinterließ nichts als einen fauligen Geruch.

„Siehst du, Aziraphale. Er vergiftet alles, was in seine Nähe kommt. Wir müssen ihn töten! Er hätte beinahe Valentin getötet."

„Nein, ich weiß, dass er nicht so ist und es gab sicher einen Grund wegen Valentin. Crowley würde niemals einen Engel töten!" Panisch sah das Engelchen zwischen der Stimme Gottes und seinem besten Freund hin und her. „Crowley, beruhige dich!"

Die Zunge der Schlange schnellte raus und witterte in der Luft, ob sich etwas verändern würde. Er lokalisierte damit seinen Engel und Metatron. Als Schlange konnte er zwar auch sehen, aber nicht ganz so gut und sein Gehör war richtig beschissen. Er konnte nur noch die Bodenschwingungen spüren, die Bewegungen von Metatron und dem weißhaarigen Engel. Ein Grund, weshalb er den Zustand nur selten wählte.

Aziraphale lief an ihm vorbei und stand genau zwischen ihnen.

Metatron räusperte sich, als würde er gleich vor einem Publikum eine Rede halten wollen.

„Nun, Crowley, der Auftrag lautete, dass der Dämon gefangen und getötet wird, der Valentin angreifen wollte. In Anbetracht eurer...nunja...Bekanntschaft...lässt es sich sicher regeln, dass wir das anders klären können."

„Siehst du, Crowley!" Sein Engel sah hoffnungsvoll zu ihm, doch er traute dem nicht und wollte sich auch noch nicht beruhigen lassen. Fünf Jahre dämonische Wut brauchte einfach auch mal Platz!

Damals hatte Metatron es geschafft, Aziraphale einzunehmen und ihn dazu zu bringen alles hinter sich zu lassen. Noch mal nicht!

„Ach ehe ich es vergesse...ich habe hier etwas für dich." Der Metatron wirkte wieder wie ein älterer harmloser Mann, der nicht bis vor wenigen Augenblicken den Befehl zu seiner Tötung erteilt hatte.

„So? Was denn?", fragte Aziraphale verwirrt, aber mit diesem hoffnungsvollen Unterton, dass es etwas Gutes war.

„Den Becher Kaffee, den du so magst. Ich dachte, da es nach langer Zeit wieder ein Besuch auf der Erde ist, könntest du ihn gut gebrauchen. Soviel ich weiß warst du zwar hier unten, aber hast das alles nicht so genießen können und vielleicht muntert dich die Begegnung mit deinem alten Freund ja etwas auf, dass es dir wieder besser schmeckt."

Diese freundliche Geste ließ Crowley zischen. Wie war das?

Der Engel war auf der Erde gewesen und hatte es nicht mal für nötig gehalten nach ihm zu sehen, anzurufen oder sich zu treffen! War er wirklich so wenig wert in den Augen des Engels?

Sein Herz pochte schmerzhaft in der Brust und er hätte nicht gedacht, dass es noch mehr weh tun könnte, als ohnehin schon.

Zischend schnellte seine Zunge heraus. „Sag, dass das nicht wahr ist!", zischte Crowley als Schlange wütend.

„Nein, ich…ich sagte doch, ich war eben noch im Buchladen und...!", verteidigte sich der Engel hilflos und nahm den Becher in die Hand, den Metatron ihn nachdrücklich reichte.

„Mit einem Schuss Mandelsirup, wie du ihn so magst", sagte Metatron ruhig, als würden sie grade gemütlich in einem Café sitzen und keine Riesenschlange bedrohend die Giftzähne zeigen. Er nickte aufmunternd zu dem Becher hin. „Aber da siehst du es, was ich immer gesagt habe. Dämonen geben keine guten Freunde ab."

„Wir kennen uns aber nunja...schon...seit...seit...ewig...eben", murmelte Aziraphale betroffen und schob etwas Schnee mit dem Fuß zur Seite. Unsicherheit schwang mit, wie immer, wenn er in einer Situation war, die zu Streit führen könnte und wo er niemandem weh tun wollte.

Der Metatron gab einen Laut von sich, der deutlich machte, wie wenig er von dieser Beziehung hielt. Arroganter Bastard!

Die Augen der Schlange verengten sich kurzzeitig und er ließ von der drohenden Haltung nicht ab.

„Crowley, jetzt sei bitte nicht albern und beruhig dich wieder. Ich bin sicher, wir können das klären, ohne dass du...naja...du weißt schon..."

Sterben musst?

Er war schon gestorben, als der Engel gegangen war. Er war innerlich tot. Da gab er nichts drauf, ob es nun auch körperlich sein würde.

„Trink erstmal den Kaffee und dann reden wir weiter. Vielleicht sollte sich dein Freund erstmal beruhigen."

„Das klingt...vernünftig. Mit Wut erreicht man selten etwas." Ein kurzes Lächeln von Aziraphale war zu sehen, ehe er unsicher zu dem Dämon sah.

Musste der Engel jetzt wirklich wie ein schlechter Sprüchekalender klingen?

„Lass mich das eben regeln. Genieß du ruhig den Kaffee und wärm dich auf." Die Fürsorge in der Stimme des alten Mannes machte ihn wütend. Es war seine Aufgabe sich um den Engel zu kümmern! Nur seine und niemandes sonst!

„Was werdet Ihr tun?"

„Deinem Freund helfen wieder menschliche Gestalt anzunehmen. Ich glaube, dann ist es leichter zu reden als mit einer...monströsen Schlange." Das Zögern machte deutlich, dass ihm etwas anderes auf der Zunge gelegen hatte als monströse Schlange und Crowley war alt genug, um einige der Beleidigungen der Engel gegenüber Dämonen zu kennen.

Wenn der Metatron nicht aufpasste, würde er als Chicken Nugget enden!

Wieder züngelte seine Zunge heraus und er bewegte sich auf dem kalten Boden geschmeidig vor und zurück.

„Crowley, lass dir helfen, bitte!" Flehentlich sahen ihn die blauen Augen an und die stumme Bitte konnte er nicht ignorieren. Die Luft war fast voll von diesem flehentlichen Gefühl und Crowley war schon bereit sich wütend und widerwillig wieder zurückzuverwandeln. Er spannte sich an und wollte schon mit der Rückverwandlung anfangen. Doch dazu kam es nicht.

Ein heller Blitz traf ihn in der Brust und riss ihn zu Boden.

Schreiend fiel er zurück und spürte eine weitere Veränderung der Luft. Crowley konnte nicht so schnell sagen, was passiert war, ehe er auch schon in einem ausgehobenen Grab landete und der Sarg ihn mit offenem Deckel empfing.

Hart schlug er mit dem Rücken auf einen viel zu weichen, matschigen Körper unter sich und dessen Knochen knacken. Dreck wirbelte auf und er musste husten. Nicht zuletzt, weil dieser Geruch ihn würgen ließ.

„Bastard!", schrie er in den Nachthimmel, den er als einziges aus der Position sehen konnte. Leicht dreht er den Kopf zur Seite und entdeckte neben sich das halb verfaulte Gesicht einer Frau. Maden krabbelten an der Leiche entlang und krochen zu dem frischen Fleisch rüber.

Angewidert schüttelte er das Getier ab und versuchte sich zu rühren. Doch etwas hielt ihn im Sarg gefangen. Er konnte sich kaum bewegen.

„Nun, Aziraphale", sagte Metatron und Schritte knirschten über den Schnee, „Dass der Dämon gefangen wurde, ist dein Verdienst. Meinen Glückwunsch. Den Auftrag hast du großartig abgeschlossen."

„Oh vielen Dank, Hochwürden."

Wirklich? Verriet Aziraphale ihn erneut?

Crowley war wirklich wütend und sein Körper fing an zu dampfen. Er schrie lautstark, dass der Boden um ihn herum bebte.

„Soll sich diese elende Kreatur ein wenig abkühlen und zur Besinnung kommen", sagte Metatron. Der alte Engel trat zusammen mit Aziraphale in sein Blickfeld und sie starrten zu ihm herunter als wäre er ein ekliges Tier.

„Gute Idee. Der Sarg ist äußerst passend für ihn", meinte Aziraphale kühl neben ihm und der Blick war so kalt, wie die Nacht um sie herum.

Das Herz gefror ihm in der Brust und er sah verständnislos Aziraphale an. Was war jetzt wieder los? Eben hatte sich dieser Engel an ihn scheinbar erinnern können und jetzt wollte er ihn hier drin liegen lassen?

„Engel, hör auf Spiele zu spielen und hilf mir hier raus!", fauchte er und sah knurrend Metatron an. Dieser elende Mistkerl!

„Warum sollte ich einem Dämon helfen?"

Fassungslos sah er ihn an und die Engelsklinge blitzte wieder auf.

„Soll ich dem ein Ende machen, Hochwürden?"

Crowleys Herz pochte und er konnte kaum atmen. Innerlich stieß er tausend Flüche aus.

„Aziraphale, lass den Unsinn!"

Der Engel ignorierte seinen Schrei und sah erwartungsvoll Metatron an. Dieser schüttelte nur den Kopf. "Nein, ich glaube, wir können es dabei belassen. Den Papierkram will niemand haben, wenn wir ihn jetzt töten und wir müssten uns der Hölle gegenüber erklären. Nein, nein...es ist besser wir lassen ihn hier und verschwinden. Valentin ist in Sicherheit."

„Wie Ihr wünscht", sagte der Engel demütig.

„Aziraphale!", schrie Crowley und hoffte, dass er wieder zu ihm durchdringen konnte.

„Geh schon mal vor. Ich muss noch etwas hier auf der Erde erledigen." Die Stimme des Mannes war ruhig und Crowley konnte aus seiner unbequemen Liegeposition sehen, wie er die Hand auf die Schulter des Engels legte.

„Aziraphale!", schrie er erneut und Panik breitete sich aus. Sein Herzschlag dröhnte in seinen Ohren und er stemmte sich gegen das, was ihn in diesem Sarg hielt.

„Nur bevor du gehst...", hielt Metatron ihn noch auf, „Ich möchte dich bitten den Boden hier heilig zu sprechen. Ich denke, das wird diesem Monster eine Lehre sein sich nicht mehr mit uns anzulegen. Außerdem hätten wir dann einen Platz, wo andere Engel sicher sein können vor den Dämonen außer in den Kirchen, die leider immer seltener werden und immer weniger heilig sind."

Nein, nein, nein, nein! FUCK!

Crowley atmete zischend ein und aus. Er brauchte einen Plan. Einen schnellen, effektiven und gewaltigen Plan!

„Aziraphale, tu das nicht!", schrie er panisch und konnte sich kaum rühren. Metatron hatte ihn mit dem Blitz, der ihn getroffen hatte, festgenagelt. Das hier würde sein Grab werden, wenn er nicht verschwand und den Friedhof hinter sich ließ. Er konnte nicht mal ein dämonisches Wunder wirken, weil etwas ihn blockierte.

„Natürlich, kein Problem." Aziraphale schloss kurz konzentriert die Augen und bewegte seine Hand in der Luft.

Sofort spürte der Dämon im Grab die Veränderung. Der Boden auf dem er lag fühlte sich an, als würde er auf einem heißen Kirschkernkissen liegen und die Wärme breitete sich weiter aus, schien langsam zu kochen und brannte auf seinem Körper.

Scharf sog er die Luft ein und blinzelte zu Aziraphale hoch.

Wie konnte er das tun?

Über hundert Jahre lang hatte er sich geweigert ihm Weihwasser zu geben, weil er nicht wollte, dass ihm etwas passierte und jetzt sprach er ohne zu zögern den Boden heilig, wohl wissend, welche Qualen das für ihn bedeutete.

„Aziraphale!", schrie er erneut, „Aziraphale!"

Die Atmung ging hörbar ein und aus. Die Hitze drohte seinen Körper zu versengen. Es war unangenehm und er wandte sich vor Schmerz, bog sich unter den Stellen, die er berührte und konnte nicht entkommen.

„Azi...raphale!", schrie er keuchend. Der Schmerz brannte auf seiner Haut, trotz der Kleidung, die er trug. Schweiß trat auf seine Stirn und er stöhnte vor Anstrengung. Er würde nicht vor Schmerz schreien. Diese Genugtuung würde er Metatron nicht geben!

Aziraphale warf einen kühlen, arroganten Blick zu ihm herunter, ehe er dem Metatron zunickte und sich in ein helles Licht auflöste.

„ENGEL! Komm zurück!", schrie er lautstark und seine Stimme hallte in der Nacht wider. Er war alleine mit der Stimme Gottes. Seine Kehle brannte und er spürte das Brennen von heißen Tränen in seinen Augen.

Wie konnte Aziraphale ihm das antun? Waren die letzten sechstausend Jahre nichts wert? Warf er das alles lieber weg, als an ihrer Freundschaft festzuhalten?

Wollte er sich nicht erinnern, wer er war?

„Verdammter Engel!", schrie er und unterdrückte das Schluchzen.

„Du siehst es selbst, Crowley...oder wie auch immer du dich nennen magst", sagte Metatron kühl und der finstere Blick war fast schon angsteinflößend, „Es war schon richtig, wie Aziraphale sich entschieden hat. Mir war klar, dass du es ablehnen würdest, wieder in den Himmel zu kommen. Du hast ohnehin nicht dazu gepasst mit deinen querulanten Fragen. Einen Störenfried wie dich können wir da oben nicht brauchen und Aziraphale braucht dich auch nicht. Kehr zurück in die Hölle, wo der Allmächtige dich hingeschickt hat. Du bist es nicht wert ein Engel zu sein und du solltest es auch nicht wagen, weitere Engel ins Verderben zu locken. Wenn du Aziraphale wirklich...liebst...sollte ein Dämon, wie du überhaupt dazu in der Lage sein, dann lässt du die Finger von ihm und hältst dich von ihm fern." Ein höhnendes Lachen war zu hören. „Ein Engel und ein Dämon, was glaubst du, was das für Konsequenzen hätte. Du hast Aziraphale mehr als einmal in eine Notlage gebracht. Willst du wirklich, dass er alles verliert? Du kannst ihm nicht das bieten, was er braucht und was der Himmel ihm geben kann. Ich kümmere mich um ihn und er wird zu einem perfekten Engel werden im Dienste des Herrn und all seine Sünden werden ihm vergeben."

Crowley schluckte schwer.

Er hatte Aziraphale nie in Sünde führen oder ihm Schaden wollen. Das, was er getan hatte, war in seinen Augen keine Sünde gewesen. Er hatte immer nur Entscheidungen offen gelegt, dass es noch andere Wege gab, einen eigenen Willen und...dass man immer eine Wahl hatte. Egal, ob man Kinder töten sollte, eine Frau verführen sollte um von einem gottverdammten Apfel zu essen oder ob er ein Telefonnetz lahm legte, damit die Leute sich wieder unterhielten.

Er hatte auch immer eine Wahl gehabt, die Regeln zu umgehen und seinen Weg zu gehen.

Crowley wollte nur das Beste für seinen Engel und das hieße wohl auch, dass er ihn gehen lassen musste, wenn es sein Wunsch war.

Die Tränen flossen an seiner Schläfe entlang und mischten sich mit dem Schnee, der auf ihm schmolz.

Ihm war bewusst, dass er kein guter Engel gewesen war, dass seine Fragen auf Missfallen gestoßen und er sich mit den falschen Leuten abgegeben hatte, die eine Revolution geplant hatten. Er hatte keinen Rückzieher mehr machen können, als ihm das bewusst geworden war.

Aber er wollte nicht zurück zu diesen toxischen Engeln!

Kräftig holte er Luft und stieß diese wieder aus. Weiße Wolken bildeten sich vor seinem Mund. Er atmete so schnell ein und aus, als hätte er einen Marathon hinter sich. Dabei war es dieser unendliche Schmerz, der durch seinen Körper zog.

Wieder schrie er den Namen des Engels in der Hoffnung, er käme zurück und würde sich erinnern. Wieder und wieder. Aber er kam nicht.

Konnte Aziraphale wirklich freiwillig die Erinnerungen an ihn gelöscht haben?

Angestrengt verzerrte Crowley das Gesicht und presste die Zähne aufeinander.

„Nun, Crowley, ich denke, es ist genug gesagt. Leb wohl und möge Gott dir vergeben.“ Der kalte Blick des Engels verhieß nichts Gutes und sein Herz sprang wie verrückt in seiner Brust. Erneut zog das Donnergrollen über den Friedhof.

Zorn und Enttäuschung luden die Luft um ihn statisch auf, dass es knisterte.

„NEIN!“, schrie er, „Was habt ihr mit Aziraphale gemacht?“

„Nichts“, war die prompte Antwort und der Engel sprang zur Seite, als ein Blitz auf den Grabstein einschlug und ihn spaltete.

Crowley konnte die Elektrizität und die pure Energie fühlen, die durch seine Wut und Verzweiflung entfacht wurde.

„Halte dich von Aziraphale fern“, knurrte der Alte in einem warnenden Unterton und mit einem Wink seiner Hand krachte der Sargdeckel über ihn zusammen.

Dunkelheit legte sich über ihn.

„Das ist meine letzte Warnung, Gefallener.“

„Lass mich hier raus!“, schrie Crowley in die Finsternis und bäumte sich auf. Das Holz über ihn knarzte und Erde rieselte durch die Lücken. Feiner Staub und Dreck landete auf seinem Gesicht und brannte, als würde jemand eine Zigarette auf seinem Gesicht ausdrücken. Er spuckte und der faule Geruch der Leiche stieg in seine Nase und Mund, dass ihm schlecht wurde. An seiner Wange spürte er eine Made entlang kriechen und wischte sie mit der Hand fort.

„Lass mich hier raus!“, schrie er und seine Worte wurden von der dicken Schicht Erde, die über ihm lag, verschluckt. Seine Faust schlug gegen das Holz und ließ weitere Erde auf ihn rieseln. Der Blitz schlug oben erneut zu. „Aziraphale!“

Crowley wusste und spürte, dass auch der Metatron gegangen war. Niemand hörte ihn und sein Flehen.

Gott würde ihn nicht retten.

Die Leute aus der Hölle auch nicht. Der Boden war heilig und kein Dämon hatte genug Mumm in den Knochen, um ihn hier herauszuholen. Schon gar nicht einen Geächteten.

Er knurrte wütend und die Tränen brannten noch heißer auf seinem Gesicht.

„AZIRAPHALE!“

Kapitel 3 - Klein, aber oho

„FUCK!“

Er war am Arsch. Er war sowas von am Arsch.

Crowley rutschte mit seinem Hintern hin und her, soweit es in diesem engen Sarg zusammen mit einer Leiche möglich war.

Dieser heilige Boden brannte, als würde man im Sommer barfuß über heißen Asphalt laufen! Immer wieder zischte er und knurrte vor Schmerz. Der tote Körper neben ihm machte es nicht einfacher sich zu bewegen.

Jetzt, wo Metatron fort war, hielt ihn nichts mehr fest und er hatte wieder die Möglichkeit seine Glieder zu bewegen. Wenn Metatron also glaubte, dass er so leicht klein zu kriegen wäre, dann unterschätzte er den Dämon aber gewaltig! Er würde hier rauskommen und sowohl Aziraphale als auch Metatron in den Arsch treten!

Nur müsste er sich beeilen, um aus diesem Grab herauszukommen, damit er nicht die Ewigkeit damit zubrachte mit einer toten Frau zu kuscheln. Darauf stand der Dämon gewiss nicht! Außerdem würde er vorher vor Schmerz verrückt werden und vielleicht auch in Flammen aufgehen, wenn er zu lange mit dieser Erde in Berührung war.

Crowley war zwar experimentierfreudig, aber so experimentierfreudig nun auch nicht, dass er vor hatte sich entkörpern zu lassen.

„Verzeihung, Süße, aber würde es dir was ausmachen etwas Platz zu machen“, sagte er und schob einen lästigen toten Arm zur Seite, um das Holz besser packen zu können. „Oder kannst du zufällig helfen das hier aufzukriegen? Nein, habe ich auch nicht erwartet von einer Lady.“

Mit dem Fuß trat er gegen den Deckel. Die Erde wog Tonnen über ihn und wenn er den Sarg knackte, dann würde das ganze über ihn einbrechen. Crowley würde sich nach oben graben müssen.

„Dieser verdammte Bastard“, fluchte er, während er mit seiner Kraft gegen das Holz arbeitete. Während des Fluchens war nicht ganz klar, ob er damit Metatron meinte oder Aziraphale.

Die Tränen brannten auf seinem Gesicht oder vielleicht war es auch nur die Erde. Genau sagen konnte es Crowley nicht. Vielleicht war es auch eine Mischung aus beiden.

Sein bester Freund hatte ihn erneut verraten. Sein bester Freund war wieder gegangen! Die Person, die er am meisten liebte, hatte ihm wieder das Herz rausgerissen.

Ein Schluchzen entkam dem Dämon.

„Aziraphale!“, schrie Crowley und schlug gegen das Holz. Seine Knöchel taten weh und so gerne er sich auch hier rausgewundert hätte, konnte er nicht. Entweder hatte Metatron einen Wunderblocker über diesen Friedhof gelegt oder er war zu schwach.

Der Gedanke so schwach zu sein, dass er nicht mal mehr ein Wunder wirken konnte, machte dem rothaarigen Dämon deutlich, dass seine körperliche Verfassung fast genauso schlecht war, wie seine geistige Verfassung.

Er hatte sich in so vielen Dingen gehen lassen.

In so vielen Jahrhunderten und Jahrtausenden der Geschichte hatte er Leid erlebt, Freude, Glück und auch Verzweiflung und Schmerz. Doch nie hatte es ihn so heruntergezogen, wie jetzt.

Unweigerlich war Aziraphale ein Teil seines Lebens geworden. Er war ein Stützpfeiler in seinem Leben, der es zusammenhielt und jetzt war alles zusammengebrochen, wie ein Kartenhaus.

Wenn er nur laut genug schrie, flehte und bettelte, vielleicht würde sein Freund wiederkommen. Vielleicht würde dann dieses helle Licht von seinem Engel wieder in sein Leben kommen und die Kälte vertreiben. Vielleicht würde er ihm wieder sagen, dass er tief im Inneren ein guter Kerl war und vielleicht würde er sich wieder erinnern, wer sie beide waren, was sie gehabt und was sie geteilt hatten.

Vielleicht konnte alles so schön sein wie früher, wenn er in den Buchladen kam, der vertraute Geruch von alten Büchern und Schokolade ihn empfing und er sich auf einen der alten Ohrensessel lümmeln konnte? Vielleicht konnten sie wieder im Ritz essen gehen? Vielleicht konnten sie wieder miteinander Witze machen und lachen und einfach die Zeit miteinander verbringen, im Park sitzen?

Vielleicht würde er wieder anfangen können Pflanzen zu züchten und sie wachsen zu lassen, um zu Hause seinen persönlichen Garten Eden zu haben als Erinnerung an früher, wo es nach frischen Sommeräpfel, Blumen und Gras roch. Vielleicht konnten es wieder die schönsten Hauspflanzen von London werden und vielleicht würde er auch das tote Bäumchen wieder zum Leben erwecken, was Aziraphle ihm vor Jahren geschenkt hatte?

Und all das, ohne Schmerzen.

Er würde sogar seinen Bentley gelb färben für diesen verdammten Engel und erlauben, dass er diese dumme Hupe, die wie eine Ente klang benutzte. Hauptsache er kam zurück!

Es wäre ihm egal, wie viel Mitleid sein Freund mit ihm hätte, wenn er sich sogar an den Kuss erinnerte und all das nicht erwidern würde. Es würde ihm reichen, wenn sie auch nur Freunde blieben und sich nahe standen. Hauptsache Aziraphale blieb bei ihm und würde ihn nicht noch einmal verlassen. Das würde ihm alles genügen.

Hauptsache…er kam zurück…zurück zu ihm.

Es war alles, was er wollte und brauchte. Diesen weißhaarigen Engel.

Es konnte doch nicht sein, dass alles weg war? Es konnte doch nicht sein, dass er all das freiwillig weg warf!

Crowley hatte sich noch nie so tief am Boden und verwundbar gefühlt.

Aziraphale war ein Schwachpunkt in seinem Leben geworden, den er hatte schützen wollen und das hatte ihm den Boden unter den Füßen weggerissen. Er war als Dämon verwundbar geworden. Doch diesen verdammten Schwachpunkt liebte er und kam nicht davon los.

Nicht mal sein Fall aus dem Himmel hatte sich so tief angefühlt, war da immer noch die Hoffnung, dass alles gut werden würde, dass der Allmächtige ihnen verzieh und zurückließ. Jetzt fühlte sich alles leer und hoffnungslos an.

Es gab keinen Silberstreif am Horizont. Keine Rettung. Nicht aus diesem Grab und auch nicht aus der Hölle.

Wem machte er also etwas vor?

Seine Faust schlug wieder gegen den Sargdeckel und er legte erschöpft die Stirn dagegen. Crowley spannte den Kiefer an, seine Lippen waren zu einer dünnen Linie zusammengepresst, während die Tränen aus seinen Augen liefen und sich in seinen Haaren verloren.

Er sollte diesen Engel einfach hassen, wie alle geflügelten Arschlöcher da oben! Egal, wie weh es tun würde. Egal, wie schmerzlich es sein würde.

Der Schmerz vom Fall war doch auch vergangen. Dann würde das auch vergehen. Er musst es nur oft genug sagen, sich immer wieder vor Augen rufen.

Er brauchte ihn nicht! Er mochte den Engel nicht! Er empfand nichts für Aziraphale. Sie hatten nur ein Abkommen gehabt, keine Freundschaft, keine tieferen Gefühle.

Wenn Crowley sich das nur oft genug sagte, dann würde diese Selbstlüge irgendwann zur Wahrheit werden. Dann würde er das irgendwann selbst glauben können und alles würde aufhören weh zu tun.

Aziraphale ging es gut, wieso sollte es ihm dann auch nicht gut gehen? Warum ließ er sich überhaupt gehen? Das war doch lächerlich! Crowley selbst benahm sich lächerlich mit dem vielen Alkohol und dass er Valentin hinterhergerannt war!

Diesem Engel würde er noch zeigen, wie gut es ihm ohne ihn ging!

Er würde es ihm beweisen!

Wütend riss er an dem Holz und spürte, wie der Deckel lockerer wurde. Schweiß lief seine Stirn entlang und er atmete schwerer gegen die stickige, immer weniger werdende, Luft an.

Er brauchte Sauerstoff nicht unbedingt zum Leben, aber frische Luft war besser als hier unten mit Maden und einer Leiche neue Freundschaften zu schließen und Therapiesitzungen abzuhalten über sein Gefühlsleben. Außerdem roch die Lady unter ihm nicht mehr so gut, als dass er lange ihre Gesellschaft genießen wollte.

„Warum…?“, murmelte er wütend in der Dunkelheit und seine Stimme zitterte. Wieder war da dieses unbändige Schluchzen in seiner Kehle und er musste die Nase hochziehen. „Du Idiot…du hättest mit mir gehen sollen. Wir hätten wir sein können. Wir hätten niemanden gebraucht…und du wärst nicht so geworden. Ich hätte dich beschützen können…“, keuchte er und seine Nägel kratzten über das Material. Ein Nagel blieb stecken und brach schmerzlich von seinem Zeigefinger ab.

Crowley fluchte.

Es war nicht leicht sich frei zu kämpfen und gleichzeitig ruhig liegen zu bleiben, während einem der Hintern halb abgefackelt wurde.

So mussten sich die Menschen im spanischen Bullen gefühlt haben. Gefangen wie ein Hummer im kochenden Suppentopf. Eine Erfahrung auf die er gerne verzichtet hätte.

„Ich hätte dir gerne so viel gesagt, Aziraphale…“, sagte er in der Dunkelheit. Dieser Engel war seine Sonne, sein Licht, was ihm diesen ewig dunklen Pfad erhellte und Hoffnung gab, dass er nicht ganz verloren war.

Doch wenn er die Hoffnung aufgab, dass er wieder kam, würde es würde weniger weh tun, als nur wieder enttäuscht zu werden, als wieder fallen gelassen zu werden, wie ein kaputtes Spielzeug, was nicht richtig funktionierte.

Der Weg war für ihn allein bestimmt und nicht mit einem Engel an der Seite, der ihm das Gefühl gab in Ordnung zu sein. Die Pforte zum Himmel würde sich niemals für ihn öffnen und er würde es nicht wert sein gerettet zu werden. Niemals, sonst wäre er kein Dämon mehr.

Er würde sein falsches Lächeln wieder aufsetzen, wie vor tausenden Jahren schon einmal und den Schmerz verdrängen. Er würde all die Dinge ein eine unsichtbare Schachtel packen und wegschließen. All den Schmerz würde er wegsperren und nie wieder rauslassen, wie eine Büchse der Pandora. Es würde seine eigene kleine Schachtel des Chaos und des Unheils werden.

Doch trotz dieses Vorhabens und des festen Entschlusses, ohne den Engel fortan zu leben, schrie er wieder.

Er schrie nicht den Namen seines Engels, wie die letzten Minuten oder Stunden, die er schon hier unten zubrachte.

Crowley schrie vor Schmerz und hätte ihn durch die vielen Schichten Erde jemand gehört, dann wäre dieser sicherlich taub oder vom Blitz getroffen worden.

Obwohl er unter der Erde lag, gehorchte ihm das Unwetter oben noch, was ihm zeigte, dass noch nicht all seine Kraft verloren war. Ein bisschen war noch übrig.

„Gott!“, stieß er fluchend raus. Er hatte schon lange nicht mehr nach oben gerufen.

Was sollte er sagen?

Verzeih mir?

Das hatte er schon und es war nur Stille gewesen, die ihm geantwortet hatte.

Hol mich hier raus?

Auch das hatte er versucht und es war still geblieben. Also war es recht unwahrscheinlich, dass Gott auch jetzt zu ihm sprechen würde oder sein Flehen erhören würde.

Egal, wie viel er auf den Händen und Knien kriechen würde. Gott und Aziraphale waren unerreichbar für ihn geworden.

Ein Schnalzen entfuhr ihm. Wo war nur sein Optimismus hin? Er war doch auch vor dem Engel nicht so…so…so depressiv gewesen.

Mit einem angestrengten Stöhnen versuchte er sich zu bewegen, stärker zu ziehen und Erde rieselte auf sein Gesicht. Er spuckte und schlug mit der Faust auf das Holz.

Der Geruch machte ihn wahnsinnig und trieb ihn an härter zuzuschlagen. Der Strudel der Gefühle wandelte sich von Trauer wieder in Wut um und brachte neue Energie mit sich.

Metatron würde dafür bezahlen!

Eigentlich sollte der Himmel gut sein!

Eigentlich, aber was hatte er auch erwartet von einer Seite, die sogar Kinder gnadenlos ertränkte?

„Komm schon!“, murmelte er angestrengt und riss sich den Handrücken auf als das Material nachgab. Noch mehr Erde rieselte auf ihn nieder und begrub ihn unter sich. Die Hitze brannte auf seiner Haut, doch er konnte den Mund nicht öffnen.

Die Last drückte auf seine Brust, doch zum Klagen war keine Zeit. Jetzt hieß es graben, wie ein Maulwurf.

Seine Finger wühlten sich durch die weiche Erde, schoben sie Stück für Stück zur Seite und in den Sarg hinein. Irgendwo musste die Erde hin und er hier raus, egal, wie sehr das brannte oder schmerzte. Egal, welche Verletzungen er davon trug, diese Engel würden ihn nicht klein kriegen!

Wie schwer konnte es schon werden sich selbst zu lieben, wenn es niemand anderes tat? Wie schwer konnte es sein, seine eigene Hoffnung zu finden, wenn er Engel fort war und sie ihm nicht schenkte?

Er hatte so viel erlebt und war Wege gegangen an denen andere Dämonen gescheitert waren. Da würde er jetzt nicht aufgeben.

Angestrengt schob er die Erde runter zu seinen Füßen, seinen Körper drückte er dabei nach oben. Er trat mehrfach gegen die Leiche der Frau und wühlte sich weiter hoch bis er sitzen konnte.

Der einzige Gedanke, der ihn antrieb, war die Wut und Verzweiflung, der Schmerz und dass das hier nicht sein Grab werden sollte. Wenn er diese Welt irgendwann verlassen sollte, dann doch mit Stil und nicht wie ein Häufchen Elend in einem Sarg mit einer unbekannten Frau!

Knurrend schob er sich weiter und weiter. Aus der sitzenden Haltung wurde irgendwann eine stehende und er konnte sich durch die Erde graben bis er frische, kühle Luft an seinen geschwollenen und aufgeplatzten Fingern fühlte.

Kühle Luft, die sich so viel besser anfühlte als das modrige, feuchte und stinkende Loch der letzten Minuten in dem er schon fast Platzangst bekommen hätte.

Er konnte noch immer keine Wunder wirken oder sich in eine Schlange verwandeln, um das restliche Stück an die Oberfläche zu schaffen. Mit aller Kraft zog sich der Dämon nach oben. Seine Hand suchte Halt im Boden und grub sich in den Schnee, der es nicht einfacher machte.

Tief holte er mit seiner Lunge nach Atem als die kalte Winterluft an seiner Nase kitzelte. Die Sonne blendete ihn trotz der schwarzen Sonnenbrille für einen Moment und er musste die Augen zusammen kneifen.

Mit einem Stöhnen sank er auf dem Boden, steckte noch halb in der Erde fest und atmete durch. Das Brennen ignorierte er. Sein Atem ging hörbar und der Schnee kühlte die Verbrennungen. Doch er hatte es geschafft. Er war an der frischen Morgenluft Londons und konnte wieder atmen. Er lag nicht mehr auf einer fremden, toten Frau und musste in einem dunklen Sarg zubringen.

Die Wintersonne war eine Wohltat dagegen.

Was für eine Nacht!

Dieser Engel machte ihn fertig und mit Sicherheit nicht auf die schöne Art und Weise, wie er sich das gerne wünschen würde.

Crowley stöhnte und sobald er wieder genug Energie hatte, stemmte er sich auf die Ellenbogen und robbte das letzte Stück aus dem Grab raus. Dann atmete er tief durch, genoss die Kälte, ehe er schon leicht fror.

Ein heller Schrei erfüllte die Morgenluft und er blickte überrascht auf. In der morgendlichen Sonne stand eine Frau und hatte den Grabschmuck aus Tanne fallen gelassen. Sie starrte auf die Stelle, wo er rausgekrochen war

Crowley stöhnte genervt und rollte nicht nur genervt mit den Augen, sondern legte auch den Kopf in den Nacken. Instinktiv schnippte er mit dem Finger, um die Frau am weglaufen zu hindern. Doch nichts passierte.

„Oh…fuck“, entfuhr es ihm. Jetzt musste er ihr hinterher rennen und sie von diesem Friedhof schleppen, um ihre Erinnerungen zu löschen. Andernfalls würde es nur Probleme geben und unnötigen Ärger, den der Dämon im Moment absolut nicht brauchen konnte.

Crowley hasste es zu rennen. Schnell fahren, war okay, aber rennen?

Das war mit Sicherheit nicht seine Disziplin.

Mit der wenigen Kraft, die er noch hatte, richtete er sich auf und fluchte wieder über das Brennen an seinen Füßen. Dieser heilige Boden war unangenehm und er zischte vor Anstrengung.

Crowley warf keinen Blick zurück, was für ein Schlachtfeld das Grab nun war, sondern rannte der Frau fluchend hinterher. Seine Schritte waren alles andere als gezielt und sicher, wie sonst.

Sein Rennen konnte man eher als unsicheres Tapsen betiteln. Obwohl er seine Bikerstiefel trug, fühlte es sich wie glühende Kohlen an.

Was suchte auch eine Frau morgens bei Sonnenaufgang auf einem Friedhof?

Mit den Zähnen knirschend lief er weiter und konnte fühlen, wo die Grenze von dem Wunderblocker war. Perfekt!

Bald konnte er wieder seine kleinen dämonischen Wunder wirken und aus diesem Schlamassel herauskommen. Er grinste zufrieden und es fühlte sich an, als würde er kurz durch Wackelpudding gehen, als er die Grenze passierte.

„HA!“ Er blieb schlitternd stehen und schnippte mit dem Finger. Sofort gefror die Frau in der Bewegung und regte sich nicht mehr.

Er hatte nun alle Zeit der Welt, um zu ihr zu gehen. Mit großen, hüpften Schritten trat er auf sie zu und blickte in ihre angstvollen, gefrorenen Augen.

„Hör zu, Schnucki, du wirst dich jetzt beruhigen, dich wieder umdrehen, den Grabschmuck wieder aufnehmen und alles andere vergessen, was du vorher gesehen hast. Insbesondere mich“, sagte er und tänzelte um die Frau herum, weil er nicht lange still stehen konnte. Dann wandte er sich um, vergewisserte sich, dass niemand in der Nähe war und brachte sich aus ihrer Reichweite bis zu Grenze des Friedhofes, die wieder auf die normale Straße Londons führte.

Crowley lehnte sich erschöpft gegen die Steinmauer und war dankbar über den wenigen Verkehr. Er schnipste mit dem Finger, um die Frau, die er zurückgelassen hatte aus ihrer Starre zu befreien.

Nun hatte er Zeit durchzuatmen. Müde rieb er sich über das Gesicht und die Augen. Etwas krabbelte an seiner Wange und er schupste die Made zur Seite. Er war bestimmt kein neues Futter!

Es war Zeit nach Hause zu gehen.

Der Dämon legte genervt den Kopf in den Nacken und stöhnte leicht, ehe er sich nach Hause brachte. Sein Wagen war leider nicht da und würde sich wohl auch nur unter Protest vom Friedhof zu sich nach Hause bewegen. Die meiste Zeit wollte es lieber vor dem Buchladen parken, als wollte es auf Aziraphale warten.

Wenn das Endziel nicht wieder der Laden war, streikte der Wagen, was ihn immer noch zur Weißglut brachte.

Also musste er wieder seine Kraft einsetzen und fand sich nur binnen eines Augenblicks wieder in seiner Wohnung. Müde rieb sich der Dämon über die klammen Hände.

Eine Schlange zu sein war im Winter wirklich nicht von Vorteil und er zog die Nase hoch.

Aber endlich konnte er der Kälte entgehen und ohne zu zögern, entledigte er sich des dreckigen Hemdes. Achtlos warf er den Stoff auf den Boden. Mit jedem Schritt durch seine Wohnung hinterließ er weitere Kleidungsstücke. Schuhe, Unterhemd, Socken. Achtlos kickte er sie zur Seite.

Seine Haut war von Rötungen und Blessuren übersäht. Eine Nebenwirkung von dem geweihten Boden und leicht verärgert kratzte er sich über den Arm, wo die Haut vom Ausschlag juckte und schuppte.

Ein zischendes Geräusch verließ seine Lippen. Wenigstens bekam er keine Niesanfälle.

Kurz wanderte seine Hand in die Hosentasche und holte die Fliege von Aziraphale hervor, die er sich vor Stunden eingepackt hatte, um eigentlich ins Bett zu gehen. Zum Glück war ihr nichts passiert.

Sanft strich er über den Stoff und führte ihn an seine Lippen.

„Oh Engel…du machst mich fertig“, flüsterte er und legte das Accessoire auf das Waschbecken im Badezimmer.

Dann zog er seine Hose aus und wanderte noch einmal zurück in den Raum, in dem sein Marmortisch stand und holte eine Flasche Wein.

Crowley war die Nacht deutlich anzusehen und er freute sich auf ein heißes Bad. Zielsicher ging er ins Badezimmer und schnipste mit dem Finger, um das Wasser in die große Wanne laufen zu lassen und die Heizung anzustellen. Auf einem kleinen Hocker erschien eine Wärmelampe, die ihm zusätzlich warmes Licht spenden würde, wie es bei den Reptilien in den Terrarien der Fall war.

Es war doch kälter in seiner Wohnung als er gedacht hatte und das lag wohl mit den vielen Alkohol Episoden, die dafür gesorgt hatten, dass er alles andere ausblendete.

„Okay…dann wollen wir mal“, murmelte er und pflückte sich eine Made aus dem Barthaar. „Igitt…“

Nachdenklich betrachtete der Dämon sein Spiegelbild und überlegte, wie Aziraphale seinen Bart immer getrimmt hatte. So schwer konnte das nicht sein. Andererseits…wozu sich die Mühe machen?

Am Ende schnippelte er sich noch die Finger ab oder stach sich die Wangen auf. Eine Vorstellung, die Crowley so gar nicht gefiel.

Nachdenklich bewegte er den Mund und legte den Kopf schief. „Wieso auch nicht?“, murmelte er und schnippte erneut mit dem Finger.

Seine Haare im Gesicht verschwanden und zurück blieb ein glatt rasiertes Kinn, keine krabbelnden Maden und auch seine Haare waren wieder kürzer. Wunderbar kurz und frei im Nacken, während es oben länger blieb, damit er sich wieder seine hochgestylte Frisur machen konnte, wenn er wollte.

Es sah schon viel besser aus und tief atmete der Dämon durch. Der Teil wäre schon mal geschafft.

Wenn er wirklich und wahrhaftig aus diesem dunklen Loch kommen wollte, dann müsste er wohl noch mehr tun. Angefangen bei seinen Pflanzen, aber das schaffte er nicht. Noch nicht.

Aber immerhin sah er wieder besser aus und ein heißes Bad vertrieb wohl hoffentlich auch die Kälte.

Er musste wieder zu seinem alten Stil kommen. Doch das war nicht so einfach, wenn einem das Herz in der Brust weh tat.

Mit einem Wink seiner Hand hörte das Wasser auf zu fließen und ein angenehmer Duft von Zedernholz, Moschus und Zitrone breitete sich im Badezimmer aus. Der Duft vom Garten Eden. Der Duft von Aziraphale, den er so mochte.

Crowley entledigte sich dem letzten Kleidungsstück und ließ sich in das warme Wasser gleiten. Seufzend legte der Dämon den Kopf in den Nacken und griff zur Weinflasche, um einen tiefen Schluck zu nehmen. Genüsslich streckte er sich aus und überschlug die Beine, während die Wärmelampe ihr übriges tat. Instinktiv streckte er sich dem Licht mehr entgegen.
 

Klingelnd ging die rote Tür des alten Buchladens von Aziraphale auf. Das Glöckchen war ein so vertrauter Ton, dass Crowley dem kaum eine Beachtung schenkte. Obendrein war er im oberen Bereich des Hauses, wo die Schlafzimmer waren und das Klingeln erklang nur leise.

Hoffentlich war es kein Kunde. Das kleine Englein hatte noch immer Probleme damit Menschen abzuwimmeln und ihnen keine Bücher, die sein Engel so sehr liebte, zu verkaufen. Leider musste er ihr oft genug ins Gewissen reden und dazwischen gehen, wenn doch mal jemand etwas gekommen war. Zum Glück rief sie ihn dann an und fragte um Hilfe statt einfach nett zu sein.

„Bitte…vielleicht können Sie ihm helfen“, sagte Muriel flehentlich und der Dämon spitzte die Ohren. Ein Brummen entkam seinen Lippen und ein Wink mit dem Finger und die Musik spielte etwas lauter. Der Bass hallte von den Wänden wider und unterstrich die E-Gitarre, während der Sänger mit tiefer, aber kräftiger Stimme sang.

„You pulled my heart from the dirt“, erklang es aus den Boxen. „Alone in pieces, you found me…“

Es war zwar nicht Queens, aber die Band war nicht schlecht, wie er feststellen musste und ihre Musik sprach ihm aus der tiefsten, dunkelsten Seele, sangen sie doch immer wieder über das Monster aus Erinnerungen, die Stücke, in die man zerbrochen war, fehlender Hoffnung und einem zerbrochenem Ich.

Die Musik gefiel ihm und sprach genau das an, was er nie in Worte hätte fassen können und wenn es nicht die Musik war, die er hörte, dann war es Romeo & Julia als Film, den er sich ansah, nur um sich an das Theaterstück als Uraufführung zu erinnern zu dem Aziraphale ihn damals eingeladen hatte.

Es war die erste Tragödie, die er von Shakespeare gesehen hatte und schon damals hatte ihm das Stück die Tränen in die Augen getrieben und unkontrolliert Schluchzen lassen. Das war heute nicht anders, auch wenn es nicht mehr dem genauen Wortlaut von früher entsprach und etwas angepasst war.

Sein Vorhaben sich nicht mehr gehen zu lassen, hatte nur ein paar Stunden gehalten. Nach dem heißen Bad hatte sich Crowley seinen schwarzen Pyjama angezogen und war ins Bett gestiegen in der Hoffnung von der Nacht so fertig zu sein, dass er schlafen konnte. Doch die Gedanken blieben nicht still.

Er musst an seinen Engel denken, wie besorgt er geschaut hatte und an die Abscheu als die Erinnerungen verloren gegangen waren. Crowley wollte nichts sehnlicher als ihn wieder bei sich haben und der Schlaf, der gefolgt war, war noch schlimmer als alle Alpträume, die er je gehabt hatte.

Sobald er die Augen schloss und in einen Halbschlaf abdriftete, war er wieder im Buchladen vor fünf Jahren und wie er einfach hoffte, dass Aziraphale nein zum Himmel gesagt hatte.

Der hilfesuchende Blick von seinem Engel hatte sich in sein Gehirn gebrannt. Es hatte ihm so viel Mut gekostet die Worte zu finden und es war nicht mal annähernd das, was alles in seiner Brust geschlummert hatte, um diesem dummen Engel begreiflich zu machen, was er empfand.

Hätte er andere Worte finden müssen? Hätte er noch deutlicher werden müssen?

Rückblickend hatte er angefangen, wie bei einem schlechten Heiratsantrag und sein Kehlkopf hatte vor Aufregung gestockt, dass er kaum hatte sprechen können. Nicht mal dem Blick von Aziraphale hatte er standhalten können, weil seine Augen so feucht gewesen waren. Er hatte zur Decke geschaut, aus dem Fenster und sich selbst geärgert, wie nervös er gewesen war. Nichts da mit Show und cooler Fassade. Nur nackte Tatsachen. Nur sein blankes Inneres.

Gabriel und Beelzebub als Beispiel anzuführen, war das Beste gewesen, um zu dem Punkt zu kommen, wo er hinwollte. Gemeinsam abhauen und glücklich werden. Gemeinsam die Ewigkeit verbringen ohne irgendwelche Seiten, ohne Kämpfe und Krieg.

Wieder hatte er dem Engel angeboten nur zu zweit zu verschwinden.

Das erste Mal war es nur gewesen, weil er dachte, er würde seinen besten Freund mit retten wollen und hatte eine Abfuhr kassiert.

Das zweite Mal hatte ihm so viel mehr bedeutet und doch hatte Aziraphale so sehr am Himmel festgehalten.

Dann war da der Todesstoß gewesen.

„Oh Crowley…nichts hält wirklich ewig.“

Die Worte klangen in seinem Kopf noch genauso deutlich wieder wie damals. Es war als, wollte der Engel sagen, dass auch ihre Freundschaft oder ihre Art von Beziehung nicht für immer halten würde. Nichts hielt ewig.

Ja, genauso war es.

Genauso hatten sie die Zeit erlebt. Keine Stadt hielt ewig, kein Land lebte ewig und kein Mensch lebte ewig. Dinge veränderten sich. Er selbst war ein lebendes Beispiel dafür, wie oft er sich der Zeit angepasst hatte und doch viel ihm diese Art der Veränderung unglaublich schwer. Schwerer als alle anderen Zeiten, die er erlebt hatte, war die Veränderung doch eher schleichend und nicht so abrupt.

Weder der Buchladen noch ihre Beziehung konnte die Ewigkeit überstehen und das hatte Crowley deutlich verstanden. Aziraphale wollte ihn nur unter sich als Helferlein im Himmel. Nichts sonst.

All die Jahrtausende hatte er nur versucht ihn zu läutern und einen Engel aus ihm zu machen, der er schon lange nicht mehr war.

„Crowley! Crowley, komm zurück…in den Himmel!“

Zuerst hatte er wirklich in der Hoffnung inne gehalten gehabt, dass sein Engel seine Gefühle endlich verstanden hatte, bereit war zu reden und zu verstehen. Doch es ging wieder nur um den Himmel.

Um diesen gottverdammten, verfluchten toxischen Himmel!

Was hätte er dazu sagen sollen? Was hätte er noch tun können, um ihn zu überzeugen bei ihm zu bleiben? Das große L-Wort sagen?

Er hatte diesen Idioten von Engel den Zaunpfahl vor den Kopf geworfen und er redete immer noch von einer Partnerschaft, Zusammenarbeit und Vergebung.

Selbst nach dem Kuss in dem er alles hineingelegt gehabt hatte, all seine Gefühle und Verzweiflung, all sein Flehen. Aber auch das…nichts.

Für einen Moment hatte er sogar gedacht, der Engel würde diesen Kuss erwidern. Da war diese Hand auf seinem Schulterblatt gewesen.

Es endete im Nichts, im Chaos und wie alles, was er versuchte. Er war eben ein Dämon, dazu verdammt genau das hervorzubringen.

Als Antwort auf seinen Kuss, der mehr als überdeutlich gewesen war, hatte es nur ein Zittern der Lippen gegeben. Kein „Ich liebe dich“. Kein „Ich bleibe bei dir“. Nur ein stammelndes „Ich vergebe dir“.

Crowley hatte an diesem Punkt auch nicht mehr weitergewusst und war gegangen, hatte am Bentley gewartet und hatte dem Engel zugesehen, wie er in den Aufzug gestiegen war. Ein letzter Blick, ob Aziraphale seine Meinung ändern würde.

„Aziraphale…du Idiot“, murmelte er und das angefangene Lied wechselte mit einem Wink seiner Hand zu einem anderen. Die Fliege des Engels hielt er fest in der Hand.

Geigenklänge, die normalerweise so gar nicht sein Stil waren, erklangen und ein sanfter Tackt von einem Bass, während der Sänger traurig vom Verlust sang und sich wünschte sich an all die Sekunden zu erinnern, die er mit der Person hatte und versuchte sie zu zählen.

Oh ja…jede Sekunde, die Aziraphale und er hatten…er konnte wirklich nicht mehr alle nennen und zählen. Es gab Momente, die konnte er perfekt erzählen und dann waren da nur schwache Erinnerungen, vor allem an dem Himmel. Er war nicht so akribisch, wie sein Engel, der alles aufhob und sich von nichts trennen konnte. Kleidung, Schmuck…all das verschwand irgendwann.

Jetzt wünschte er sich, er hätte mehr als nur diese Fliege als Erinnerung. Mehr als diesen Buchladen und mehr als die Musik, die seine Gefühle widerspiegelte.

Kaum hatte das Lied geendet, ging es wieder von vorne los und die Musik tarnte sein Schluchzen.

„Ich weiß nicht, was ich noch tun soll“, sagte Muriel vor der Tür und klang hoffnungsvoll, „Er liegt jetzt schon eine Woche hier in diesem Zimmer und hört die Musik rauf und runter und wenn es das nicht ist, dann ist es irgendein Film.“

„Ohje“, erklang die weibliche Stimme hörbar besorgt.

„Bitte…ich halte das nicht mehr aus.“ Muriel klang wirklich so, als würde sie gleich weinen und nicht er. Hatte sie sich jetzt ernsthaft Hilfe von Maggie und Nina geholt und startete eine Intervention gegen ihn?

Crowley drehte sich im Bett auf den Bauch und drückte sein Gesicht ins Kissen.

Durfte ein Dämon nicht auch Liebeskummer haben?

Zu Hause hielt er es nicht aus. Er hatte versucht zu schlafen und wachte doch nur mit Alpträumen auf.

Der Engel und er, der Kuss und nun mischte sich die Nacht auf dem Friedhof dazu.

Sobald er sich vom Engel löste, war da kein zitternder Mund und keine Ungläubigkeit, sondern Abscheu und Hass, der ihm um die Ohren flog.

Schweißgebadet war er aufgewacht, hatte versucht wieder zu schlafen, aber er wollte nicht in diese Alpträume zurückkehren. Crowley hatte sich Stunden im Bett gewälzt, an der Zimmerdecke, an der Wand und zum Schluss sogar an der Drehwand im Flur versucht zu schlafen. Doch nichts fand seine Befriedigung, weshalb er in den Laden gekommen war, um irgendwie seinem geliebten Engel nahe zu sein und in besseren Erinnerungen zu schwelgen.

„Wir hätten wohl besser nichts gesagt“, sagte Maggie besorgt.

„Nein…irgendwann wäre es sowieso passiert.“ Da war die kräftige und selbstbewusste Stimme von Nina aus dem Coffeeshop gegenüber. Crowley wappnete sich damit, dass die beiden Frauen gleich hereinkommen würden und sein schlechte Laune machte sich jetzt schon breit.

Das Klopfen an der Tür ließ ihn Brummen.

„Dürfen wir reinkommen? Wir sind es, Maggie und Nina“, sagte die Frau auf der anderen Seite. Als ob er das nicht schon längst gehört hätte!

„Danke!“, sagte Muriel erleichtert und das Grinsen konnte er sogar förmlich hören. Manchmal war dieser naive Engel eine angenehme Gesellschaft, tröstete ihn die Anwesenheit hin und wieder. Aber jetzt fragte er sich, was sie sich dabei gedacht hatte.

„Verschwindet!“, schrie er und wandte nur kurz das Gesicht herum, „Verschwindet einfach!“

„Bestimmt nicht. Ihnen geht es schlecht und wir wollen Ihnen helfen!“

Der rothaarige Dämon schnaubte und im nächsten Moment ging die Tür auf. Er blickte nicht auf und machte auch keine Anstalten die Musik leiser zu machen. Im Gegenteil. Er ließ sie lauter aufdrehen, um bloß kein Wort zu hören.

„Okay…kommen Sie. Stehen Sie auf“, forderte Nina ihn auf und die Musik stoppte abrupt, als sie die Box ausstellte.

„HEY!“, protestierte er und wurde an den Schultern gepackt. Nina drehte ihn grob herum und zog ihn am Handgelenk hoch.

„Jetzt hören Sie mal auf sich wie ein Kind zu benehmen und hier herum zu liegen wie ein Trauerkloß!“, forderte sie ihn auf und ächzte leicht unter seinem Gewicht.

„Wieso?“, protestierte er wieder und machte sich absichtlich schwerer, damit sie ihn nicht hochziehen konnte. Aber die Frau war stark und ließ nicht los. Wie bei einem Tauziehen, zog sie an seinem Handgelenk, verlagerte damit sein Gewicht und zog ihn soweit hoch, dass er aufrecht sitzen musste.

Der Dämon stöhnte frustriert.

Crowley schaute die Frau nicht an und mied ihren Blick, während er nur die Nase hoch zog.

„Die ganze Sache geht euch gar nichts an“, war sein halbherziger Versuch sie los zu werden.

„Wir wissen ja, dass es damals nicht gut gelaufen ist, aber fünf Jahre sind für die Verarbeitung einer Abfuhr einfach zu lang“, sagte sie tadelnd und stellte nachdrücklich einen Becher aus ihrem Shop auf den Nachtisch. Er konnte den Duft von Schokolade riechen. Das typisch menschliche Trinken, wenn man Liebeskummer hatte.

Crowley brummte. Die Frau hatte keine Ahnung. Es war mehr als nur eine Abfuhr und fünf Jahre waren für die Verarbeitung von sechstausend Jahren nicht mal annähernd genug.

„Hören Sie, Sie verschwenden Ihre Zeit“, erwiderte er so ruhig es ging und richtete seine Sonnenbrille, ehe er den Blick wieder zu ihr warf. „Ich habe es vermasselt. Er hasst mich. Der Rest ist meine Angelegenheit und wie ich damit umgehe, geht Sie nichts an.“

Crowley ließ sich wieder in das Kissen zurückplumpsen und starrte leblos an die Decke.

„Ach kommen Sie, andere Mütter haben auch schöne Söhne“, versuchte sie ihn aufzumuntern und erntete nur ein Schnauben.

Kein Mensch würde gleichzusetzen sein wie sein Engel. Er würde sich niemals so öffnen können und nie so ehrlich sein können, wie zu Aziraphale. Ein Mensch würde altern und sterben, während er jung blieb.

Nein, es kam nicht in Frage!

Die Frau hatte einfach keine Ahnung.

„Was wollen Sie tun? Für den Rest Ihres Lebens depressive Musik hören, sich die Augen aus dem Kopf und Ihrem Freund nachweinen?“

Crowley brummte. Wenn es sein musste, würde er das tun.

„Das ist kein Leben. Da draußen ist das Leben und es ist bald Valentinstag. Kommen Sie…vielleicht finden Sie ja jemanden mit dem Sie den romantischen Tag verbringen können?“

Crowley starrte die Frau mit hochgezogenen Augenbrauen an, als wäre sie verrückt geworden.

Wortlos setzte er sich noch mal auf, griff zu dem Becher mit Kakao und setzte zum Trinken an. Schnell und mit tiefen Zügen leerte er das süße Getränk, um sich anschließend über die Lippen zu lecken.

Er warf einen Blick aus dem Fenster und griff dann zur Decke, um sich darin einzuwickeln, wie eine Raupe in einem Kokon, nur dass er nicht im Frühling zu einem Schmetterling werden würde. Flügel hatte er bereits, auch wenn er sie ewig nicht mehr ausgebreitet und gepflegt hatte. Nicht seit Aziraphale fort war.

Wie sehr er es vermisste, wenn sie sich gegenseitig die Flügel richteten und die Federn glätteten.

Es war so intim dem anderen sanft über die weichen Federn zu streichen. Intimer als alles andere, was Menschen je hätten teilen können. Immerhin waren die Schwingen empfindlich und jede noch so kleine Berührung konnte kitzeln und feine Schauer auslösen. Sie zu beschädigen, zu brechen oder rauszureißen…das war als würde man wohl vergleichsweise einem Mann seiner Männlichkeit berauben oder einer Frau die Brüste abnehmen. Es war eben ihre Existenz, was sie zu dem machten, was sie waren.

Der Schnee draußen motivierte ihn nicht unbedingt dieses gemütliche, warme Plätzchen zu verlassen. Nach dem Kampf auf dem Friedhof hatte er von der weißen Pampe auch genug bis zum nächsten Winter.

Er gab ein Schnauben von sich und nur seine Nase und Augen waren noch zu sehen, die nicht von der Decke verhüllt waren.

Hier drin duftete es wenigstens nach seinem Engel. Draußen war es kalt. Hier drinnen war es warm und draußen roch es nach den Autos, den Menschen und vielen anderen Dingen.

Vielleicht sollte er sich ein Kissen auf die Heizung legen und dort als Schlange einfach einen Winterschlaf halten. Das klang nach einer passenden Idee. Aber draußen spazieren?

War er eine Oma?

„Das ist doch lächerlich!“, beschwerte sich Nina.

„Sie hat Recht. Nur hier drin sitzen, hilft Ihnen nicht auf andere Gedanken zu kommen“, versuchte es nun Maggie sanftmütig, „Sie müssen raus gehen, etwas erleben, neue Leute kennen lernen. Wir wissen alle, dass Liebeskummer nicht schön ist und jeder kann verstehen, dass es Ihnen schlecht geht, aber das ist kein Grund die ganze Welt auszusperren.“

Immer diese Argumente!

Crowley verengte hinter seiner Sonnenbrille die Augen und nuschelte etwas in die Decke hinein.

„Wie war das?“ Nina stemmte die Hände in die Hüfte und sah ihn abwartend an, als wäre er ein kleiner Schuljunge und kein sechstausend Jahre alter gefallener Engel. Sie griff zum Rand der Decke und zog sie ein Stück herunter.

„Es bringt doch alles nichts! Davon kommt er auch nicht wieder!“, beschwerte er sich diesmal lauter.

„Nein, mag sein, aber Sie gehen dann Muriel nicht mehr auf den Sack und spielen hier den Trauerkloß, der die Stimmung mies macht. Das Leben will raus und geht weiter!“

Wieder schnaubte der Dämon und kratzte mit dem Nagel, der zum Glück geheilt war, nachdem er im Sarg stecken geblieben war, über die Naht vom Stoff der Decke. Das unebene Muster war ein wenig beruhigend gegen die Anspannung, ebenso das leichte bewegen seiner Füße.

Wieso mussten jetzt alle gegen ihn intervenieren? Es war doch alles gut so wie es war. Sie ließen ihn in Ruhe, er ließ die anderen in Ruhe. Quitt pro Quo.

Konnte er nicht einfach in sein Loch und dann war Ruhe? Menschen waren wirklich komisch und manchmal überraschten sie ihn doch noch.

„Hier, ich habe sogar einen Schal für Sie!“, sagte Muriel freudestrahlend und hielt ihm einen karierten Wollschal vor die Nase. Cremefarben mit sanften Rot- und Blautönen, die seinem Engel sicher gefallen hätten.

„Warm anziehen ist alles“, sagte Maggie und schob die Decke von seinem Kopf. Von hinten drückte sie gegen seinen Rücken, während Nina vorne an seiner Hand zog. Zwangsweise musste Crowley aus dem Bett aufspringen und seufzte.

Sie würden ihn nie in Ruhe lassen!

„Und wehe Sie gehen in Ihre Wohnung und machen da weiter“, warnte Nina.

„Wer würde mich aufhalten wollen?“, fragte er frech grinsend und mit hochgezogener Augenbraue zurück, „Ihr wisst nicht, wo ich wohne.“

„Stimmt, aber ich bin sicher, dass Muriel es weiß und Mr. Fell hat sicherlich irgendwo eine Adresse von Ihnen notiert.“

Crowley brummte. Verdammt!

„Sie gehen jetzt da raus“, sagte Nina bestimmend und deutete nach draußen, während Muriel ihm den Wollschal umwickelte. Nina sah ihm fest in die Augen soweit sie durch die Sonnenbrille konnte. „Wenn Sie da draußen sind, gehen Sie spazieren. Besuchen sie den St. James Park, den Hyde Park, machen Sie eine Touristentour, gehen Sie in die Bücherei…egal…nur tun Sie was und ich will Sie nicht unter zwei Stunden wieder hier sehen. Andernfalls schicke ich Sie wieder raus!“

War er ein kleines Kind?

„Hier sind auch passende Handschuhe“, verkündete Muriel freudestrahlend über das ganze Gesicht und nahm seine Hand, um ihm die Handschuhe anzuziehen. Unwirsch zog er seine Hand weg.

„Ich kann das alleine!“, knurrte Crowley und griff sich seinen Mantel vom Stuhl. Hier würde er keine Ruhe finden. Die Frage war nur, wo sollte er hingehen? Alle Orte waren so…voller Erinnerung und alles hatte er mit Aziraphale besucht. Das Museum, den Park…es gab nur selten Dinge, die er alleine tat.

Vielleicht ein Kinofilm? Wenn nicht grade irgendeine Schnulze lief oder der möchtegern-Porno Shades of Grey.

Oder er könnte mal wieder zu dem Friedhof mit der Statue von Gabriel und könnte diese mit faulen Eiern bewerfen. Dann könnte er wieder seinen Frust abbauen.

Tief seufzend stieß er die Luft aus und knöpfte den langen schwarzen Mantel zu. Der Schal stach von der ganzen schwarzen Kleidung heraus, aber das war ihm egal. Nur die bunten Handschuhe nicht, die Muriel ihm aufdrücken wollte.

Wortlos reichte er sie ihr zurück und zog sich schwarze Lederhandschuhe über.

„Ich gehe“, verkündete der Dämon resigniert und ging wortlos an den Frauen vorbei, um zur Treppe zu gelangen.

„Der St. James Park ist aktuell sehr schön. Vielleicht sollten Sie dorthin gehen!“, rief Maggie ihm nach und er gab nur ein Brummen zur Antwort.

„Wollen Sie mir helfen die Bücher zu sortieren?“, fragte Muriel begeistert.

„FINGER WEG VON DEN BÜCHERN!“, schrie er auf halben Weg der Treppe und war dabei noch mal umzudrehen.

„Nur nach Autor, Mr. Crowley!“, beruhigte ihn Muriel und streckte das grinsende Gesicht in den Flur.

Crowley sah ihr in die Augen und sein Augenlid zuckte leicht. „Wehe, wenn den Büchern etwas passiert“, knurrte er drohend mit dem Finger und stapfte aus dem Buchladen.

Crowley warf die Tür hinter sich ins Schloss, um in die Kälte zu treten. Er fröstelte sofort, schob frustriert die Hände in die Taschen und stampfte durch den Matsch, den London Schnee nannte.

Grummelnd und mit schnellen Schritten ging er an den bunten Geschäften vorbei und das Bordell ein paar Straßen weiter, was ein dickes Schild an der Tür hatte, dass man den Mann mit der Sonnenbrille nicht bezahlen sollte.

Normalerweise entlockte es dem Dämon immer ein freches Grinsen, aber heute hatte er nicht mal dafür etwas übrig.

Vertrieben von dem einzigen Ort, wo er sich zu Hause fühlte! Was glaubten diese beiden Frauen und dieser kleine Jungengel, wer sie waren?

Er war ein Dämon und keine kleine Nullnummer!

Wenn er wollte, könnte er sie zu Asche verwandeln!

Aber was redete er da?

Er hatte noch nie einen Menschen getötet. Ob man es glauben wollte oder nicht, aber er hatte bisher keinem Menschen ein Haar gekrümmt. Weder in Kriegszeiten noch wenn es sein Auftrag war und er würde es auch jetzt nicht können.

Vielleicht war er manchmal doch zu nett und er verlor seinen Biss, wie ein zahmer alter Löwe. Die Leute hatten keine Angst vor ihm. Die Frage war nur…wie lange war er schon auf der Seite der Menschen und versuchte eher Leben zu retten, als sie zu vernichten, wie viele andere Dämonen es getan hätten.

Wenn Aziraphale das alles wüsste, dann würde er erst recht glauben, dass er zu…nett…war.

Apropos nett…Da lag wieder diese Nettigkeit in der Luft. Crowley blieb auf dem verschneiten Weg vom St. James Park stehen. Auf dem kleinen Teich tummelten sich ein paar tapferen Enten und nur ein paar Menschen waren unterwegs, um einen romantischen Spaziergang zu machen. Hier lag der Schnee viel dichter als auf den Hauptstraßen. Die dicken Schichten knirschten unter jedem Schritt und zeigte ihm, wie viel eigentlich von dem weißen Zeug herunter gefallen war.

Ein paar Schulkinder bauten einen Schneemann und bewarfen sich mit Schneebälle.

So viele Jahrhunderte und nichts hatte sich verändert. Egal, ob es 1803 war, 1710 oder 2023. Sobald Schnee lag, spielten Kinder damit.

Der Dämon verzog leicht das Gesicht und schaute sich betroffen um. Dieser Park war ihm so vertraut, wie sein eigenes Auto es nur sein konnte und er konnte es nicht fassen, was er dort sah.

„Aziraphale“, entkam es ihm atemlos und er blieb in sicherem Abstand stehen. Auf einen neuen Kampf – vor allem mit so vielen Menschen – war er nicht erpicht. Aber was tat der Engel hier?

Er sah so…wartend aus.

In der Tasche ballte Crowley seine Hand zur Faust und blieb unschlüssig stehen.

Sollte er hingehen? Sollte er umdrehen und gehen?

Das Herz in seiner Brust schwoll vor Trauer und Liebe gleichermaßen an. Wenn der Engel ihn nicht erkannte, könnte er sich doch einfach dazu setzen und sie redeten wieder. Aber was, wenn er den Dämon in ihm entdeckte?

Zischend atmete er hörbar ein und aus und beobachtete die weiße Wolke vor seinem Mund. Er wollte diesem Engel so nahe sein. Es war ein unbeschreibliches Gefühl sich so hingezogen zu fühlen und gleichzeitig zu wissen, dass es da keine Hoffnung gab.

Dennoch brach ihm der Anblick von Aziraphale, der da alleine auf der Bank saß und sich immer wieder umsah, das Herz.

Nervös schluckte der Dämon. Das könnte in die Hose gehen.

Mit schnellen Schritten bewegte er sich auf die Bank zu und verlangsamte in der Umgebung die Zeit. Dann ließ er seinen Körper von Schuppen überziehen, wurde kleiner und seine Zunge schnellte heraus. Zischelnd nahm er seine Umgebung wahr und die Zeit ging weiter, als wäre nie etwas passiert.

Es war verdammt kalt!

Er würde für diesen Engel noch den Tod durch Erfrieren erleiden!

Wenig begeistert auf dem Schnee herum zu gleiten, zischelte die Schlange und bewegte sich elegant und lautlos zur Bank auf dem das Engelchen saß. Fröstelnd zischte er immer wieder.

Hoffentlich würde dieser kleine Idiot das irgendwann zu schätzen wissen, was er durchmachte!

Crowley hatte sich etwas in eine humanere Größe von einer Schlange verwandelt, so dass keiner der Menschen groß Notiz von ihm nahm und es auch keine Panik kam, dass eine Giftschlange im St. James Park mitten im Winter gemütlich einen Spaziergang machte. Vorsichtig und lautlos glitt er über die Sitzfläche und seine Zunge fuhr sanft über die Hand von Aziraphale.

Der weißhaarige Engel zuckte zusammen. Panisch und leicht erschrocken sahen die blauen Augen sich um und wanderten zu seiner Hand.

„Oh…du warst das“, sprach der Engel sanft und ein liebevolles Lächeln legte sich um seine Mundwinkel. „Mein Lieber, es ist doch viel zu kalt für dich hier draußen!“

Wem sagte er das? Aber was tat man nicht alles für die Person, die man liebte?

Aziraphale sah sich um, als suchte er wieder jemanden.

„Bist du aus dem Zoo abgehauen?“, fragte er und strich mit den Fingern über seinen Kopf.

Ein Schauer durchlief Crowley und bei der Berührung hämmerte sein Herz wie verrückt. Seine Schwanzspitze bewegte sich verräterisch freudig hin und her, als wäre er eine Klapperschlange.

„Ich kenne mich mit Schlangen nicht so gut aus, aber ich weiß, dass sie Kälte nicht mögen und davon müde werden“, sagte er ein wenig liebevoll und wickelte sich den Schal ab. „Bitte beiß mich nicht, wenn du eine Giftschlange bist, ja?“

Crowley blinzelte ein paar Mal. Noch hatte er das nicht vor. Im Gegenteil. Im Moment fühlte es sich fast…normal an, was sie hier taten. Normal, soweit man davon sprechen konnte, dass ein Engel mit einer Schlange sprach.

Richtig neben Aziraphale zu sitzen und normal zu sprechen, wäre schöner.

Vorsichtig griffen die warmen Hände nach seinem dünnen Körper und hoben ihn etwas an. Dann legte sich der angewärmte Schal um ihn. Der Engel drapierte das Stück Stoff so, als wäre es ein gemütliches Nest.

Das Herz von Crowley schwoll bei dieser Geste an und er ringelte sich zufrieden in diesen Stoff ein. Seine Zunge tastete das Gewebe entlang und nahm den Geruch vom Engel auf.

Wie herrlich gut sich das anfühlte!

So lebendig!

Aziraphale bewegte seine Finger und Crowley befand sich in einer Art selbstgestrickten Pullover für Schlangen wieder.

Wie peinlich! Aber gleichzeitig…süß von ihm, dass er ein Miniwunder wirkte, um ihn warm zu halten.

„Das sollte besser sein, oder?“, fragte er grinsend und Crowley richtete sich etwas auf, um ihm glücklich zuzuzischen.

„Ich nehme an, das heißt ja“, sagte der Engel grinsend und hob das kleine Bündel hoch, mit der anderen Hand öffnete er seinen weißen Mantel und ließ das selbstgebaute Schlangennest darin verschwinden, ehe er ihn leicht zumachte.

Seinem Engel so nahe zu sein, ließ sein Herz pochen und er bewegte sich etwas, was Aziraphale lachen ließ. Er spürte das Pochen vom Herzen unter sich.

„Was tust du da, kleiner Freund?“ Die blauen Augen schauten ihn neugierig an, als er sich nach oben aus dem Kragen schlängelte und sich leicht um seinen Hals legte. Sein Kopf stupste leicht gegen die Wange von Aziraphale.

„Achso…du willst Schal spielen?“ Er holte den Schal aus dem Mantel, wickelte ihn sich um und wärmte ihn wieder zusätzlich.

Noch immer zuckte seine Schwanzspitze vor Freude wie verrückt. Er hatte sich ewig nicht so glücklich gefühlt und so zufrieden! Anschmiegsam suchte er die Nähe zu seinem Engel und ließ sich das Kinn und den Kopf streicheln.

Diese warmen Hände waren Balsam für seine geschundene Seele.

„Gefällt es dir?“

Wieder streckte er die Zunge raus und züngelte über die Wange des Engels, was diesen Kichern ließ.

„Hast du Hunger? Ich habe keine Maus dabei, die du bestimmt lieber magst, aber ich habe hier einen Crêpe!“

Wäre Crowley in seiner menschlichen Gestalt, hätte er gelacht. Immer diese Crêpes!

Aziraphale nahm eine kleine Tüte zur Hand und wickelte das Papier ab. Der Duft des warmen Gebäcks mit Schokolade und Erdbeeren erfüllte die Luft.

Sein Engelchen zupfte etwas davon ab und hielt es ihm hin.

„Hier, es ist wirklich köstlich!“ Zuversichtlich lächelte er und Crowley öffnete sein Maul, renkte den Kiefer etwas aus und ließ seine Giftzähne drin. Mit einem großen Haps verschwand das Stück in seinem Maul.

Der süße Geschmack breitete sich in seinem Mund aus und er blinzelte zufrieden, während er den Bissen hinunterschluckte.

„Ist es gut?“

Crowley blinzelte glücklich und schmiegte sich so eng an den Engel heran, wie es ihm möglich war. Er konnte spüren, wie der warme Bissen in seinen Magen rutschte und ihn von Innen wärmte. Dazu die Wärme des Engels und er fühlte sich wie auf Wolke sieben.

„Hier, kleiner Freund“, sagte Aziraphale und hielt das nächste Stückchen bereit, was er gerne verschlang.

Crowley hatte das Bedürfnis größer zu werden und sich ganz um den Engel zu schlingen, damit dieser Moment nicht aufhörte.

Fünf Jahre war es her, dass er so viel Glück empfunden hatte, so viel Ruhe und Frieden. Es war perfekt.

„Weißt du…es ist komisch“, begann der Engel nachdenklich, „Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich schon mal mit einer Schlange zu tun hatte. Das ist merkwürdig, denn da wo ich herkomme, nämlich aus dem Himmel, gibt es Wesen wie dich nicht.“

Leicht legte die Schlange den Kopf schief und blinzelte fragend. Was erzählte sein Engel da? Erinnerte er sich?

„Und auch, wenn ich ab und zu die Erde besuche…ich habe hier auch noch nie eine Schlange getroffen und ich kenne vieles nicht. Aber dennoch esse ich Crêpes und sitze hier und habe das Gefühl, als könnte jemand kommen. Jemand, der wichtig ist“, sagte Aziraphale nachdenklich. Sein Engel seufzte und starrte kurz in die Ferne. Crowley richtete sich etwas höher auf. Der Engel gab ihm ein wenig Stütze mit seiner Hand, so dass sie sich ansehen konnten.

Sein kleines Schlangenherz pochte wie verrückt.

„Manchmal bin ich auch im Museumscafé, im Bus oder bei einem alten Pavillon. Nichts davon sagt mir etwas, aber ich weiß nicht…mir scheint so, als wären diese Orte wichtig…und als müsste ich dort jemanden treffen. Es ist verrückt!“

Das war ganz und gar nicht verrückt und würde er nicht an seiner Tarnung hängen und diesem Moment, hätte er sich augenblicklich zurückverwandelt und den Engel umarmt. Da waren also noch Erinnerungen übrig. Schwammig, aber sie waren da!

Gegen die Liebe zu den Crêpes würde er wohl nie ankommen können, doch er erinnerte sich an die Orte, wo sie gewesen waren!

Die Schlange schüttelte leicht mit dem Kopf.

„Nein? Ist das ein Nein von dir? Willst du mir sagen, dass das nicht verrückt ist? Genauso wenig wie mit dir zu sprechen?“ Der Engel hob beide Augenbrauen und Crowley blinzelte nur hilflos.

Genau betrachtet war es verrückt. Ziemlich sogar und wäre Aziraphale etwas jünger, sehr viel mehr jünger, hätte er auch Harry Potter spielen können, der mit Schlangen im Zoo sprach!

„Also ich glaube, du hast keine Ahnung, wie verwirrend es ist. Ich habe keine Erinnerungen an die Erde und doch erinnere ich mich an Orte und Plätze und habe Heißhunger auf Crêpes!“, sagte Aziraphale ein wenig hilflos, „Und ich kann nicht sagen, wieso!“

Er zuckte mit den Schultern. Crowley hätte seinem Freund gerne gesagt, dass alles wieder in Ordnung käme und er ihm helfen würde. Aber das konnte er nicht. Nicht, ohne zu offenbaren, dass er ein Dämon war.

„Und…“ Der Engel senkte bedeutungsvoll die Stimme. „Manchmal habe ich Tagträume…ich träume dann von einem schwarzen Auto und einem Mann, ganz dunkel und groß, stark und sehr attraktiv. Ich weiß nicht, ob das eine Warnung sein soll, weil er so düster ist, aber ich merke auf jeden Fall, wie mein Herz klopft und…“ Er atmete hörbar ein und aus und führte das Reptil zu seiner Brust.

Crowley konnte das Pochen mit seinen sensiblen Sinnen fühlen und wie ihm die Hitze zu Kopf stieg. Als Schlange durchaus praktisch, aber für seinen Gemütszustand nicht hilfereich!

„…und ich habe davon sinniert, wie wir uns geküsst haben“, flüsterte der Engel und Crowley verkroch sich kurz vor lauter Scham im Kragen des Mantels. Das war fast zu viel für ihn!

Fünf Jahre nach seinem bedeutungsvollen Kuss rückte sein Engel mit der Sprache raus und auch nur, weil ein Tier vor ihm war!

Bei allen Dämonen der Hölle, das konnte doch nicht wahr sein!

Wenn er nicht aufpasste, färbten sich bald alle Schuppen vor lauter Scham rot.

„Es ist dumm, ich weiß“, seufzte Aziraphale und Crowley steckte den Kopf wieder aus dem Kragen heraus. Mit der Zunge zischte er kurz protestierend. Es war nicht dumm! Seine Gefühle waren nicht dumm! Er sollte sie behalten und es ihm ins Gesicht sagen, wenn sie sich je Wiedersehen würden.

„Vor allem habe ich noch nie jemanden…geküsst, weißt du“, erzählte er der Schlange weiter und erntete ein protestierendes Zischen, was fast beleidigt klang.

Doch die verlegene Stimme des Engels war süß.

„Es macht mich manchmal echt verrückt, dass ich es nicht weiß…und diese Sehnsüchte habe. Als würde ein Teil von mir fehlen.“ Die Stimme des Engels klang ein wenig verzweifelt. Aziraphale sah traurig aus und er wünschte, er könnte ihn in den Arm nehmen.

Crowley konnte das alles nur zu gut verstehen. Er vermisste den Engel jeden Tag schmerzlich und dieser Teil, der fehlte…ihm ging es genauso. Es zerriss ihn jeden Tag und zu wissen, dass der Engel genauso litt, stimmte den Dämon traurig. Er musste aufpassen, dass er nicht weinte. So etwas taten echte Schlangen nicht. Doch er spürte es, wie nass seine Pupillen wurden.

Leider konnte Crowley es ihm nicht sagen und schmiegte sich nur wieder an seine Wange heran, um ihn zu trösten.

„Du bist eine brave Schlange“, sagte Aziraphale und gab dem viel zu warmen Reptil ein Küsschen auf den schuppigen Kopf. Es war mehr als gut, dass er ein Reptil war. In seiner menschlichen Gestalt könnte er jetzt mit seiner Gesichtsfarbe den Verkehr regeln. „Was hältst du von einem Besuch im Museum? Da ist es wärmer als hier. Du musst dich nur gut versteckt halten in meinem Mantel. Schaffst du das?“

Crowley nickte und zischelte. Das würde er schaffen!

Kapitel 4 - Die Schlange, die die Welt umarmt

Vorsichtig glitt die Schlange die Stufen zum Tempel hinauf, vorbei an den Sphingen, die den Eingang säumten und bewachten. Leise und sanft schlängelnd bewegte sie sich über die hellen Marmorstufen.

Die Luft war geschwängert von dem schweren Duft aus Weihrauch, Kardamon, Benzoe, Myrrhe, Zeder, Zimt, Zypresse, Lotus und Honig. Gewürze so schwer wie die sengende Hitze der Wüste und doch leitete der Geruch ihn genau dorthin, wo er hinwollte.

In die heiligen Hallen des Tempels von Apophis. Einem Gott in Form einer Schlange von übernatürlicher Größe mit vielen Windungen. Der Gott der Finsternis, des Chaos und dem Widersacher der Göttin Maat. Ein Gott, der im Glauben der Ägypter schon bei der Schöpfung existierte und immer wieder die gute Seite angriff.

Es war wie für ihn gemacht und Crawley hatte nichts dagegen, dass sein Lord ihn dafür lobte, dass die Menschen einen Tempel zu Ehren eines Dämons errichteten und anbeteten. Alles, was für die eigene Seite gut war, war eben…gut.

Wenn die Rasse Mensch einem Dämon folgen wollten, würde er sie bestimmt nicht davon abhalten. Wozu sonst, war der freie Wille da?

Doch die Menschen hatten den Tempel nach ihren eigenen Vorstellungen geformt, das Böse nach ihren Vorstellungen erfunden. Er hatte damit nichts zu tun und das, was er sich ausdenken würde, um die einzelnen Seelen auf diesem Planeten zu verführen, war nichts im Vergleich dazu, dass man Tiere oder Tier-Menschen anbetete und den alleinigen Gott verleugnete.

Wozu sich also unnötig die Hände schmutzig machen, wenn die Menschheit ihren eigenen Erfindungsreichtum hatte und ihm offensichtlich einen Tempel widmen wollten?

Einen Tempel, der so prunkvoll war, dass es einem Palast gleich kam. Einen Tempel, der ihm Sicherheit bot, Bequemlichkeit, Opfergaben, Respekt und Ruhe!

Alles nur, damit diese riesige schwarze Schlange mit den gelben Augen alle in Ruhe ließ.

Zumindest war es die meiste Zeit so, wenn er dort war. Doch es hatte sich einiges verändert.

Vorsichtig zischelte er und tastete mit der Zunge den Weg entlang, um zu prüfen, ob es sicher war.

Doch der Tempel schien verlassen, zurückgelassen mit ein paar Räucherungen, die den Gott milde stimmen sollten. Als ob er irgendeinen Einfluss darauf nehmen könnte, was die Menschen taten! Er war ein Dämon mit ein paar Fähigkeiten, aber nichts weiter. Er hatte auch kein Interesse daran die Menschen zu retten oder gutes zu tun. Dafür gab es die andere Seite.

Leicht säuerlich zischte die Schlange und bewegte sich elegant die letzten Stufen hinauf zum Inneren des Tempels.

Feiner Sand und Staub bedeckte den Boden vom letzten Sturm. Hier war lange niemand mehr gewesen, um sauber zu machen, aber vergessen war dieser Tempel nicht, wie der Geruch der Räucherung ihm bestätigte.

Im sicheren Schatten der Säulen bäumte sich die Schlange auf und nahm die Gestalt des rothaarigen Dämons an.

Crawley fühlte sich direkt besser und klopfte sich etwas von dem Sand aus dem Lendenschurz, den er trug. Seine roten Haare bildeten zu dem dunklen Stoff einen starken Kontrast und die goldenen Reife in Form einer Schlange funkelte an seinen Oberarmen.

Mit ausdruckslosem Gesicht betrachtete er die Scherben der Zerstörung vor der Schlangenstatue. Der Altar war zerstört, Tonkrüge zerbrochen und die Namen der Götter aus dem Stein geschlagen worden.

So viel Wut und Hass. So viel Egoismus und das alles nur für einen Gott.

Crawley gab einen zischenden Laut von sich und schnalzte mit der Zunge. Langsam bückte er sich und hob eine der kunstvoll verzierten Scherben von einem der Krüge auf. Der Geruch von den Opfergaben klebte noch daran.

Wie Schade, um das gute Essen.

Er hätte nichts gegen einen guten Wein gehabt und die Ägypter verstanden sich sehr gut in der Herstellung von Wein und Bier.

Besorgt legte sich seine Stirn in Falten und er hob den Blick zu den Säulen empor. Die farbigen Bilder strahlten ihm so lebendig entgegen, erzählten von der Geschichte, Gebete, Ängste und den Göttern. Was für eine unruhige Zeit es doch mal wieder war.

Crawley sah sich unschlüssig um und trat ein paar Schritte durch den Tempel. Die warmen Strahlen der Sonne, die sich einen Weg in die Hallen suchten, wärmte seine Haut und er blinzelte etwas, als er Richtung Nil blickte. Das Wasser schimmerte grünlich und am Ufer bogen sich die Schilfhalme sanft hin und her. Es würde bald wieder Zeit werden, dass der Fluss zu einem See anschwoll und die Felder mit seinem Wasser tränkte, um die Felder bestellen zu können.

Kleine Fischerboote segelten auf dem hellen Wasser, während die großen Händlerschiffe ihren Weg vom Hafen in die große weite Welt hinaustraten, um Stoffe, Gewürze und andere Dinge zu verkaufen oder um aus dem Süden die neuen Quader für den neuen Tempel in der Hauptstadt zu liefern.

Der Himmel erstrahlte in einem hellen blau mit wenigen weißen Wolken, die worüber zogen.

Achetaton war in gleißendes, warmes Mittagslicht getaucht und die schwitzenden Leiber der Menschen flitzen von einer Stelle zur nächsten, Kamel- und Eseltreiber trieben ihr Vieh zum Markt, der mit Sicherheit überlaufen war von den Schmieden, Webern, Glasbläsern und Schustern, die lautstark ihre Kehlen wund schrien, um den vorbeiziehenden Menschen die Ware schmackhaft zu machen.

Der Wind blies aus der Wüste warme Luft in die Stadt und brachte feinen Sand mit sich.

Crawley beobachtete die Umgebung. Er war in Gedanken versunken, suchte die Luft und den Raum nach etwas verdächtiges ab. Der Dämon wusste selbst nicht genau, wonach er suchte. Aber so wie die Dinge sich in den letzten Tagen entwickelt hatten, stand irgendwas bevor.

Was genau das, war, vermochte der Dämon nicht zu sagen, doch die Luft war anders als sonst. Es war nicht so, wie bei einem Regenschauer, der alle ertränken würde oder wie ein Sturm, um ein Haus niederzureißen.

Es war einfach…anders.

Nicht himmlischen Ursprungs und nichts Dämonisches.

Leicht unzufrieden mit der Tatsache, dass er es nicht bestimmen konnte, verzog er das Gesicht und wandte sich von dem Anblick ab, der sich ihm aus dem verlassenen Tempel bot.

Unter seinen Füßen knirschte es und er spürte ein paar Scherben. Vorsichtig schob er diese zur Seite.

„Was für eine Verschwendung“, entkam es ihm fast schon sanft von den Lippen und hob die kleine Pflanze mit den Händen auf. Etwas Erde rieselte von seinen Händen, als er zum Altar ging. Ein kleiner Krug war nicht zerbrochen und er ließ das Pflänzchen mit den grünen Blättern vorsichtig hineinsinken.

„Dafür, dass ich dich gerettet habe, solltest du jetzt besser wachsen und schön grün bleiben“, sagte er und seine gelben Augen blitzten dämonisch auf. Obwohl er eben so sanft zu diesem sterbenden Grün war, war die kalte Grausamkeit deutlich herauszuhören. Das, was passieren würde, würde dieses grüne Etwas nicht seinen Erwartungen entsprechen, blieb unausgesprochen, aber genauso überdeutlich in der Luft schwebend.

Die Blätter zitterten ein wenig, als wären sie von einem starken Wind erfasst und der Dämon grinste zufrieden.

Irgendwo hatte es hier einen eigenen Brunnen gegeben und wenn die Menschen nicht alles zerstört hatten, war dieser noch intakt.

Mit einem Schnipp seines Fingers fügten sich die zerbrochenen Krüge und Scherben wieder zusammen und der Boden befreite sich von dem Sand.

Auch, wenn das hier nur ein Tempel war, war es doch zu einem gewissen Teil auch sein zu Hause geworden in dem er sich niederlassen konnte. Hier war er sicher, hier ging es ihm gut und er konnte ein Nickerchen halten, ohne dass er gestört, angegriffen oder anderweitig belästigt wurde.

Die Anlage des Tempels war weitläufig gebaut und soweit er es wahrnehmen konnte, war niemand mehr hier. Alles war verlassen, geplündert und zerstört worden.

Alles nur für einen Gott. Alles nur, um das Ego eines Gottes zu befriedigen, der es nicht haben konnte das Rampenlicht zu teilen!

Die Menschen lebten doch gut so, wie es war. Tausende von Jahren erbauten die Ägypter ihre Pyramiden, Obelisken, Gräber und Sphingen. Wieso musste das jetzt alles geändert werden, weil irgendjemand das wollte?

Gott hatte doch auch kein Problem damit, wenn es irgendwo sonst auf der Welt andere Götter gab. Wieso musste es jetzt ein Problem werden? Wieso hier?

Brummend trat er hinaus in die Sonne und zum Brunnen im Innenhof und zog mühsam einen Eimer herauf, um den Krug mit dem Wasser zu füllen. Vorsichtig schnupperte er, doch es schien nicht vergiftet zu sein.

Wein wäre ihm zwar lieber, aber in der Not tat es auch Wasser. Mit der Hand schöpfte sich der Dämon etwas Wasser in die Hand und trank es.

„Hastur, was willst du hier?“, fragte Crawley kühl und drehte sich nicht zu dem Dämon um, der einen Geruch verbreitete als wäre er eben erst in den See aus Schwefel gefallen. Die Aura war so spürbar, als würde ihn der Dämon direkt berühren.

„Da bist du ja endlich“, sagte er, „Ich war schon besorgt, dass die Gegenseite dich gefunden hätte.“

Das Grinsen konnte er sehen, ohne dass er den Dämon ansehen musste. Sorgen hatte sich Hastur keineswegs gemacht. Im Gegenteil.

Der Dämon hinter ihm spuckte auf den Boden.

„Du bist schon ziemlich lange hier oben. Wird dir das nicht zu langweilig? Du trinkst sogar Menschenzeug!“ Der angewiderte Tonfall entging ihm nicht und Crawley setzte eine undurchdringliche Mine auf. Erst dann drehte er sich zu Hastur um.

„Das hier ist mein Gebiet. Was willst du?“ Die gelben Augen des Dämons fixierten sein Gegenüber. Crawley wusste, dass der Dämon nichts von der Menschenwelt hielt und viel lieber in der Hölle seine Zeit verbrachte. Doch dadurch entging ihm der Fortschritt und der Lauf der Geschichte, der wichtig war, um sich anzupassen und ein paar Sünden zu begehen. Das machte ihn zu einem eher mittelklassischen Dämon in Crawleys Augen. Jemand, der nicht viel und auch nicht soweit denken konnte.

Hastur schnaubte.

„Wir haben eine besondere Aufgabe für dich“, grinste der Dämon.

„Für mich?“, erwiderte der Dämon ungläubig, „Also, ich will ja niemandem die Hauptrolle wegnehmen. Ich bin lieber im Hintergrund und…“

„Ja, du“, unterbrach Hastur ihn, „Scheint, als hätte jemand da unten großes Vertrauen in dich.“

Crowley gab keine Antwort dazu. Wenn die da unten wüssten, wie viele Berichte er fälschte…

Aber das sagte er lieber nicht. Hastur war kein vertrauenswürdiger Dämon oder allgemein jemand, dem er sein Leben in die Hand geben würde.

„Oder jemand glaubt, du kennst dich mit der Gegenseite besser aus“, milderte der Dämon seine Worte, um Crawley nicht zu viel Honig um den Mund zu schmieren. Vielleicht aber auch, um die volle Aufmerksamkeit von dem Rothaarigen zu bekommen. Denn die war ihm jetzt gewiss.

Wenn die Gegenseite beteiligt war, hieß das, dass der kleine Engel mit dem weißen Haar auch nicht weit war und er hatte wieder einen Grund diesen aufzusuchen, mit ihm zu reden und…

In seinem Magen machte sich wieder dieses flattrige Gefühl breit, was eindeutig Engelsmagie entspringen musste. Kurz rieb sich Crawley über seinen Bauch als könnte er das Flattern darin verscheuchen und seinen Herzschlag beruhigen. Er tarnte die Geste damit, um seine feuchten Hände an dem Lendenschurz abzuwischen und die Nervosität abzuschütteln, die ihn bei einer möglichen Unterhaltung mit dem weißhaarigen Engel mit den strahlend blauen Augen ergriff.

Der Dämon sollte auch dringend aus der Sonne rausgehen und zusehen etwas Abkühlung zu bekommen. Crawley spürte sein Gesicht brennen, als hätte er zu lange in der Wüste gelegen und ein Nickerchen gemacht. Aber als Dämon war er resistent gegenüber Krankheiten und sowas wie einen Hitzschlag, Sonnenbrand oder andere menschliche Probleme.

„…und für unsere Seite gewinnen, wenn wir schon wieder an Macht verlieren!“, sagte Hastur und Crawley bemerkte, dass er gar nicht mehr zugehört hatte.

Er blinzelte ein paar Mal, als würde er aus einem Tagtraum aufwachen und nickte.

„Also hör mal…es ist nicht meine Schuld, dass…“ Dass was? Er hatte durch sein langes Schläfchen in der Sonne sicherlich ein paar Monate verpasst und war noch gar nicht richtig auf den neuesten Stand der aktuellen Geschehnisse.

Er hatte nur mitbekommen, dass die Zeiten unruhig waren und dazu musste er nicht mal seine Kräfte einsetzen. Es gab zerstörte Tempel, die Menschen tuschelten leise, Namen von Götter waren aus den Tempel geschlagen worden, der Name der Stadt hat sich geändert und irgendwas ging im Palast des Pharaos vor sich.

Regierte eigentlich noch Amenophis III? Oder hatte sein Sohn IV die Nachfolge übernommen?

Wie viele Monate waren vergangen, seit er sich hier hatte blicken lassen?

Crawley rieb sich die Augen und fühlte sich noch immer schläfrig. Er brauchte erstmal etwas Zeit, um sein Gehirn auf Leistung zu bringen und da kam Hastur und redete ihm ein Ei an die Backe!

„Was soll deine Schuld sein?“, hakte der Dämon skeptisch nach und schien einen Verrat wittern zu wollen. „Niemand hat gesagt, dass es deine Schuld ist, dass dieser…Engel…sich in den Palast einschleusen konnte!“

„Oh…na dann.“ Er versuchte gelangweilt auszusehen und lehnte sich an den steinernen Rand vom Brunnen an. Crawley verschränkte die Hände vor der nackten Brust und in Gedanken machte er sich eine Notiz, dass er sich wieder etwas anpassen musste. Die Ägypter mochten es ja nicht, wenn man Körperbehaarung hatte und rasierten sich gerne sämtliche Haare – inklusive der Augenbrauen beim Tod einer Hauskatze – ab. Er würde ein wenig nachhelfen müssen. Sein längeres Schläfchen hatte dafür gesorgt, dass sein Brusthaar wieder sichtbar war. Nicht besonders göttlich, wenn man sich als diesen ausgab.

„Wenn das klappt, bekommen wir tausende von Seelen!“, freute sich Hastur und Crawley merkte, dass er wieder nicht zugehört hatte. Der Dämon hatte auch eine zu einschläfernde Stimme, dass man nichts anderes konnte, außer wegzuhören.

„Jeder Dämon würde seine Beine dafür opfern! Wenn das klappt, bist du der nächste Höllenfürst.“

Crawley machte ein schnalzendes Geräusch mit der Zunge. Wie immer, wenn er nicht genau wusste, was er sagen sollte oder wie er es ausdrücken sollte, was ihm quer lag.

Wie sollte man seinem Boss oder einem anderen dummen Dämon klar machen, dass man gar nicht Höllenfürst werden wollte, dass man viel lieber auf der Erde bleiben wollte?

Wie sollte man herzlosen Wesen klar machen, dass man hier Dinge hatte, die…erforscht werden wollten und die man….eben gerne hatte?

„Nun…ich schätze, das ist ein Titel, der nicht leichtfertig vergeben wird“, sagte er gedehnt, um zumindest irgendwas zu sagen, was nach Begeisterung klang oder einer Reaktion.

Nicht, dass Hastur auf die Idee kam unten irgendwas über ihn zu sagen, was ihn in Frage stellen würde. Dabei hatte er einfach nur hier seine Ruhe haben wollen. Der Tempel war immer ein Ort gewesen, wo die Stille genießen konnte.

„Darauf kannst du Engelsflügel wetten!“, grinste der Dämon und schien immer noch auf etwas zu warten. „Man…dein Glück möchte ich haben. Wenn du das hier packst, dann musst du nie wieder hierher…ich kann mir immer noch nicht vorstellen, wie du es hier aushältst. Fast schon denkwürdig, wie viel Zeit du hier opferst.“

Hastur schüttelte den Kopf.

„Nunja ähm…“ Was sollte er sagen? Da gab es schon interessante Dinge, wie Wein, Bier, Essen und natürlich den Engel. Irgendwie war da vorrangig und als allererstes der Engel in seinen Gedanken. Irgendwie merkwürdig, wenn man bedachte, dass dieser sein Feind war und sein sollte.

Stattdessen war sein Kopf voll von diesem blauäugigen Wesen mit diesem sanften Gesichtsausdruck und dem hilflosen Blick, wenn dieser von Unsicherheit geplagt war. Sein Magen fing wieder an zu flattern und er brummte über dieses ungewohnte Gefühl. Dieses Gefühl, was ihn seit Jahrtausenden begleitete, wenn er nur diesen Engel sah und inzwischen auch, wenn er an ihn dachte.

Seit der Sache mit Hiob…es war zum verrückt werden.

Seit der Geschichte mit Hiob und die Nacht im Keller war es irgendwie…anders zwischen ihnen geworden. Merkwürdig anders.

Sein Blick glitt über den kleinen Innenhof und suchte nach einem Weg den unliebsamen Besucher los zu werden, als er einen weißen Haarschopf hinter einer Säule erblickte.

Sofort begann sein Herz zu rasen und er sog die Luft ein. Als hätte dieser Engel einen siebten Sinn oder sowas und würde es merken, sobald seine Gedanken in dessen Richtung abschweiften.

Der Kopf des Engels schaute hinter der bemalten Säule hervor und in seiner Hand hielt er einen Krug mit einer Pflanze. Er lächelte dem Dämon schüchtern zu und Crawley hatte Mühe diese Geste nicht zu erwidern.

„Jaaaa weißt du, Hastur“, sagte Crawley gedehnt, „Ich würde ja gerne mit dir weiterreden und die Mittagszeit verstreichen lassen, aber der Auftrag, den du mir gegeben hast, ist ja sehr wichtig und ich sollte mich anfangen darum zu kümmern! Immerhin kenne ich die Gegenseite lange genug und kann mir vorstellen, was abgeht und was ich zu tun habe.“

Er grinste Hastur an und legte dem Dämon einen Arm um die Schultern. Er führte ihn Richtung Brunnen und zur anderen Seite, weg von dem Engel.

„Also hast du das schon mal gemacht?“ Der Dämon wirkte überrascht.

„Klar…tausend Mal! Sowas mach ich im Schlaf. Das ist ein Kinderspiel!“, wank Crawley ab und grinste selbstsicher. „So eine kleine Verführung…und ein bisschen die Engel ärgern…das wird ein Spaß!“

Hastur sah ihn mit großen Augen an. „Tausend Mal? Du hast schon tausend Mal…wie fühlt sich das an?“

„Naja, wie es sich eben anfühlt…großartig!“, sagte Crawley, „Es ist ein unbeschreibliches Gefühl. Aber das müsstest du doch wissen?“

„Ich?“ Hastur hob abwehrend die Hände und schüttelte angewidert den Kopf. „Nein, ich tue solche widerlichen Dinge bestimmt nicht.“

Nun legte Crowley leicht den Kopf schief und runzelte die Stirn. „Ähm wieso nicht?“

„Na…Menschen sind schon widerlich und sich ihnen auf die Art zu nähern…das muss wirklich viel Überwindung sein.“

„Ach was! So viel Überwindung ist das gar nicht. Ich meine…die Hölle hat hier einen klaren Experten vor sich! Engel Ärgern und Verführung der Menschen. Das sind zwei meiner liebsten Beschäftigungen hier auf Erden!“, sagte er lautstark und gestikulierte wild mit der Hand herum. Ein bisschen fühlte er sich wieder in die Rolle von Bildad dem Shuhiten zurückversetzt.

Er hatte keinen Schimmer, was er tun sollte, plapperte wild drauf los und versuchte seine Ahnungslosigkeit zu überspielen. Offensichtlich hatte die Hölle ihm eine Aufgabe gegeben vor denen sich andere ekelten und die wichtig genug war, damit man den Titel Höllenfürst bekam.

Na, wie schlimm konnte es schon werden?

„Experten?“, wiederholte Hastur und seine Augen wurden größer. Ein dümmliches Lachen entkam dem Dämon und der Rothaarige warf einen Blick zu den Säulen zurück, wo der Engel die Stirn verärgert in Falten legte.

„Ja, natürlich und ich meine, denkst du wirklich jemand da unten hätte sich für mich entschieden, wenn ich keine Erfahrung hätte?“

„Stimmt…jetzt, wo du es sagst.“ Hastur wog den Kopf leicht hin und her, ehe er Crawley zuversichtlich angrinste.

„Siehst du…Oder denkst du, du kannst es mit diesem gottgläubigen, scharfsinnigen, schlauen, mächtigen Engel Aziraphale aufnehmen? Er hat immerhin ein Flammenschwert!“

„Kann es sein, dass du den Engel magst?“

Crawley hätte sich fast an seiner eigenen Spucke verschluckt. „Ich verabscheue den Engel!“, zischte er und ließ seine Schlangenzunge herausschnellen. „Er ist ein würdiger Gegner und wir bekämpfen uns schon seit tausenden von Jahren! Mein lieber Hastur…ich glaube, die Sonne bekommt dir nicht, dass du auf solchen Unfug kommst! Wenn ich diesen Engel sehe, will ich am liebsten Brathähnchen aus ihm machen…apropos Brathähnchen. Mich gelüstet es nach einem und ich würde beim Essen gerne alleine sein! Ist so ein Schlangending…weißt du…“ Kurz verzog er leicht das Gesicht. „Ich mag es nicht, wenn man mir dabei zusieht…“

Besorgt warf er einen Blick über die Schulter von seinem Gegenüber. Das Engelchen stand noch immer da und lauschte ihrer Unterhaltung.

„Na schön. Aber lass dir nicht so viel Zeit damit. Wir verlieren unsere Seelen und diese Frau ist die Einzige, die uns helfen kann. Sie ist schon auf dem Weg hierher. Die Gegenseite versucht sie auch zu jagen. Also tu dein Bestes, du Verführer.“

„Öhm…klar doch! Ich kann es kaum erwarten. Wieso ist sie noch nicht hier? Ich will direkt anfangen!“ Freudig rieb er sich die Hände. „Die Kleine braucht nicht schüchtern sein. Ich werde ganz lieb sein!“

Er grinste frech und Hastur erwiderte sein Lächeln.

„Ich werde der Zentrale von deinen Taten berichten“, versprach Hastur, „Sie werden sicherlich erfreut sein zu hören, dass die Aufgabe in den Händen eines erfahrenen Verführers ist.“

Dann löste er sich in Rauch auf ohne etwas Weiteres zu sagen. Crawley atmete tief durch und ließ die Schultern kurz hängen. Hastur war ein anstrengender Dämon. Er war froh ihn los zu sein. Doch was war sein Auftrag?

Der Dämon runzelte die Stirn und ging das Gespräch noch mal durch. Der Engel hatte ihn völlig abgelenkt!

Da fiel ihm ein, dass dieser noch immer da war und er drehte sich grinsend zu ihm um.

„Engel, die Luft ist rein!“, rief er und Aziraphale kam hinter seinem Versteck hervor.

„Oh Gott…“, sagte er zur Begrüßung.

„Blasphemie, Engel?“

Aziraphale hob seine weiße Robe ein Stück an. Der Engel wirkte empört, wie er mit der Pflanze im Arm auf ihn zukam, als wäre etwas Schreckliches passiert.

„Nein, sag das das nicht wahr ist!“, forderte er ihn auf und blieb mit den Händen in der Hüfte vor ihm stehen.

Seit ein paar Monaten hatten sie sich nicht mehr gesehen und der Engel hatte sich kaum verändert. Nicht mal seine Haut war brauner geworden unter der ägyptischen Sonne, das Gewand strahlend weiß und das Haar wie eh und je, dass er am liebsten seine Finger darin einmal vergraben und durchwuscheln würde.

„Was? Ich verstehe deine Aufregung nicht.“ Crawley legte die Stirn in Falten.

„Na das eben!“

„Ach das….also…“ Crawley blickte verlegen drein.

„Also hast du wirklich schon tausende Male…?“ Der Engel blies empört die Wangen auf und sah aus wie ein kleines schmollendes Kind, dem man eine Süßigkeit vor der Nase weggenommen hatte.

„Ich bin ein Dämon, was glaubst du, was ich den ganzen Tag tue?“ Er grinste ihn an. „Klar, muss ich auch mal was Böses tun! Ich kann ja nicht nur als Schlange irgendwo rumliegen und Nickerchen halten, obwohl ich das durchaus bevorzuge.“

„Aber…das eben war gelogen, oder?“ Es schwang ein wenig Hoffnung in der Stimme mit.

„Dass ich Menschen verführt habe? Engel, ich bin ein Dämon. Schon vergessen?“

„Dann hast du also wirklich…“ Aziraphale senkte die Stimme und sah sich um, als ob jemand lauschen könnte. „…mit tausenden von Frauen…also das mit den Bienen und Blumen…gemacht?“

„Was? Wie kommst du auf den Käse?“

„Nun, das hast du doch grade behauptet. Du bist ein Experte, hast das tausend Mal gemacht, es würde sich großartig anfühlen, das machst du im Schlaf, kannst es kaum erwarten bis die Frau hier ist, willst direkt loslegen…“, zählte der Engel auf.

Crawley blinzelte verwirrt und verlegen gleichermaßen. Was hatte er da behauptet?

„Oh…Scheiße“, entkam es ihm langsam und er ließ sich zusammen sacken. Sein Hintern landete hart auf dem staubigen Sandboden.

„Hast du überhaupt zugehört, was der Dämon da eben gesagt hat und was dein Auftrag ist?“

Nervös zuckte seine Schlangenzunge kurz heraus. Crawley blinzelte etwas verwirrt, noch immer dabei die Information und die Scheiße zu verarbeiten in die er sich geritten hatte.

Hastur würde in der Hölle erzählen, dass er mit Menschenfrauen das Paarungsverhalten der Menschen vollzogen hatte und das…wie er selbst großspurig behauptet hatte, weil er nicht zugehört hatte…tausende Male und inzwischen ein Experte war.

„Was in Satans Namen…“, murmelte der Dämon leise und atmete hörbar ein und aus. Er legte eine Hand über seine Augen. Das war ein Alptraum. Sicherlich lag er noch an einem gemütlichen Plätzchen unter einem warmen Stein und döste eingerollt als Schlange vor sich hin.

„Crawley?“ Aziraphale sah ihn besorgt an und stellte das Pflänzchen neben sich auf dem Boden ab. Mit der Hand wunderte der Engel einen Krug herbei und hielt ihm diesem hin.

Crawley zögerte nicht und setzte zum Trinken an. Aziraphale wusste genau, was er brauchte und kannte ihn inzwischen ziemlich gut.

Der süße Rotwein brannte in seiner Kehle und der Alkohol betäubte seine Sinne. Ein wundervolles Gefühl und…

Er setzte ab.

„Also ist das dein Wein?“, fragte Crawley verwirrt den Engel vor sich.

„Ich habe ihn eben gewundert.“ Aziraphale legte die Stirn in Falten.

„Nein…all die Monate und Wochen davor, wenn am Altar Weinkrüge waren…War das alles von dir? Es ist derselbe Wein!“ Seine Stimme war leiser geworden und da war wieder dieses schreckliche Kribbeln in seinem Magen, als wäre ein Schwarm Bienen darin gefangen, die ihn ärgern wollten.

„Nein!“, wehrte Aziraphale schnell ab und irgendwie wirkte sein Gesicht rot. Der Engel konnte ihm kaum in die Augen sehen. In der Luft lag der Geruch von Lüge. „Das ist bloß Zufall! Du bist ein Dämon und ich ein Engel. Ich würde dir niemals etwas opfern oder als Opfergabe bringen.“

„Nein, du bist ein Engel, der dem Himmel folgt, soweit er das kann und ich ein Dämon, der der Hölle folgt, soweit er das kann. Die Unterhaltung hatten wir schon mal“, rollte Crawley mit den Augen. Warum musste das nur so kompliziert sein? „Und was ist das da? Trägst du Pflanzen jetzt nur zufällig spazieren?“

Er nickte zu dem grünen Etwas hin, was der Engel mitgebracht hatte. „Ich wollte es nur bewässern“, verteidigte sich Aziraphale und knetete den Stoff seines Gewandes. „Lenk jetzt nicht vom Thema ab! Du hast eben der Hölle versprochen dafür zu sorgen, dass sich eine Menschenfrau in dich verliebt und sie dir freiwillig ihre Seele gibt! Du hast eben versprochen Dinge zu tun, die nur Menschen miteinander tun sollten.“

Was sollte er sagen? Er hatte es scheinbar versprochen. Irgendwie.

„Ach mach dir darüber keine Gedanken, Engel. Das werde ich nicht tun.“ Er griff zu dem Krug und trank wieder einen großzügigen Schluck Wein, um seine flatternden Nerven zu beruhigen.

„Du bist ein ziemlicher Optimist für einen Dämon“, brummte Aziraphale und reichte ihm die Hand, „Ich glaube, wir sollten reingehen und…dann reden wir über deinen Auftrag.“

Er sah ein wenig besorgt aus, als könnte man sie hier belauschen. Der Engel hielt dem Dämon die Hand hin, um ihm aufzuhelfen. „Ich glaube, du hast kein bisschen zugehört.“

Crawley fuhr sich verlegen durch den Nacken.

„Erwischt“, gestand er leise und der Engel brummte erneut. „Ich war einfach in Gedanken.“

Crawley zuckte mit den Schultern.

„Na dann komm…dann bringe ich dich auf den neuesten Stand. Du hast über ein Jahr geschlafen, du Schnarchnase.“

„So kurz?“ Er wischte sich den Staub von den Kleidern und nahm den Eimer mit Wasser mit, während der Engel die Papyruspflanze und den Wein in die Hand nahm. Gemeinsam gingen sie ins Tempelinnere und sobald sie es betreten hatten, sorgte der Dämon dafür, dass niemand sie belauschen würde oder den Tempel betrat.

„Also…was habe ich verpasst? Mein letzter Stand ist, dass der alte Amenophis nicht mehr so gut drauf war“, sagte er und goss der Pflanze, die er gerettet hatte etwas Wasser in die Erde, ehe er auch das kleine Ding vom Engel mitgoss. Der Boden sog das erfrischende Nass auf und fast konnte man meinen ein Seufzen von den Blättern zu hören.

„Wunderschön“, sagte Aziraphale zu der Pflanze und Crawley zuckte zusammen. Mit großen Augen sah er den Engel an und spürte das Brennen seiner Wangen. Doch das galt gar nicht ihm. Der Engel betrachtete das Grünzeug.

„Hör auf damit! Sei ja nicht nett zu denen!“, knurrte er zischend.

„Wieso nicht? Das ist doch eine wundervolle und schöne Babypflanze“, sagte der Engel und strich mit den Fingern über die grünen Blätter. Diese reckten sich sogar der Berührung entgegen und die dünnen Blätter erschienen grüner als vorher.

Machte er das mit Absicht?

„Nein, nein, nein“, knurrte er und wollte die Pflanze aus der Nähe des Engels bringen, aber dieser riss den Krug aus seiner Reichweite.

„Ach komm…es ist eine süße kleine Babypflanze und ich weiß doch, dass du Pflanzen magst und alle andere sind doch…zerstört worden.“

Oh bei Satan! Musste dieser Engel wieder die Hundeaugennummer bringen?

Crawley presste die Lippen aufeinander und knurrte. Er konnte diesem traurigen Blick nichts abschlagen!

„Ach mach was du willst, Engel. Aber wenn sie eingeht, bist du Schuld“, drohte er mit dem Finger und stellte die andere Papyruspflanze auf den Altar ab. Er ließ nachdenklich den Blick über den Raum schweifen und beobachtete, wie in der Ferne eine Gruppe Reisender mit Kamelen den Nil entlang ritt.

„Also was ist der Grund für deinen Besuch hier“, sagte der Dämon und durchbrach die Stille. Er ließ sich auf dem Boden nieder und der Engel gesellte sich an seine Seite.

„Amenophis III ist tot. Kurz nachdem du dein Nickerchen angefangen hast, ist er gestorben und sein Sohn hat den Thron bestiegen mit Nofretete, wunderschöne Frau…“

„Ich höre da ein Aber.“ Er hielt dem Engel den Krug hin und dieser nahm ihn an, um davon zu nippen.

„Nun, eigentlich sollte ich dir das nicht erzählen…aber…nunja…ich erhielt den Auftrag die Ägypter zu bekehren. All diese Tiere oder Tier-Menschen zu verehren. Das ist doch nicht richtig und ich konnte mich erfolgreich am Hof bewähren. Ich stand als Priester Amenophis zur Seite und konnte ihn davon überzeugen, dass es naja…nur einen Gott gibt.“

„Du meinst diesen lächerlichen Aton-Kult, den es seit Jahren gibt?“

„Genau dieser…ich habe versucht den Namen ändern zu lassen, aber stattdessen hat Amenophis seinen Namen geändert. Er heißt jetzt Echnaton und hat veranlasst, dass alle anderen Götter in Ägypten untersagt sind.“

„Ach deshalb die miese Stimmung hier“, nickte Crawley wissend und nahm noch einen Schluck vom Wein.

„Ja, die Ägypter haben das nicht so gut aufgenommen, dass die Götter verbannt wurden und nur noch die Sonne als Gott verehrt wurde. Ich meine, wir wissen beide, dass Gott mehr ist als nur die Sonne…aber besser einen Gott als so viele! Die wenigen Tempel, die noch da sind, werden leider geplündert und geschlossen, so wie dieser hier oder nur noch stillschweigend geduldet, um das Geld darin einzunehmen für die Aton-Heiligtümer…“ Entschuldigend blickte Aziraphale ihn an.

„Also ist es deine Schuld, dass hier so viel Unordnung ist“, sagte der Dämon und presste kurz die Lippen zusammen.

„Nun ja…ich habe nie gesagt, schickt Leute los und zerstört alles andere“, verteidigte sich der Engel nervös als glaubte er, der Dämon neben ihm würde einen Wutausbruch bekommen. „Ich sagte nur, dass es einen Schöpfer gibt, dem alles Leben entspringt und dem man mehr huldigen sollte.“

„Und darauf hin, hat der König direkt übertrieben“, seufzte Crawley. Der Krug in seiner Hand war nicht annähernd groß genug, um all das zu überstehen. Vor allem nüchtern. Mit einer Bewegung seiner Hand und ließ einen zweiten Tonkrug erscheinen, der gefüllt war mit seinem Lieblingswein.

„Und was hat es jetzt mit dieser Frau auf sich?“

„Ähm…ja…sie ist eine Priesterin mit besonderen Fähigkeiten. Sie kann in die Zukunft sehen und jede ihrer Vorhersagen waren auf den Punkt! Echnaton hat sie an den Hof beordert und…sie weigert sich dort zu bleiben und seine Nebenfrau zu werden. Ich habe versucht auf sie einzureden und sie zu überzeugen, dass es für eine gute Sache ist…“

Crawley grinste. „Verstehe. Der Himmel will mit gezinkten Karten spielen. Deshalb hat die Hölle jetzt Interesse an ihr.“

„Sag das nicht so“, wehrte Aziraphale ab und blickte verlegen drein, „Aber ja…es hätte seinen Vorteil für den Himmel, wenn sie die Zukunft für uns vorhersieht. Ihr würde dadurch ein Platz im Himmel gewährt.“

Der Engel warf dabei einen Blick nach oben als könnte er direkt in den Himmel sehen.

„Ahhh“, grinste Crawley wissend, „Ihr macht also auch schon Deals mit den Menschen. Interessant! Und ich dachte, dass nur wir zu solchen Tricks greifen.“

„Wir stehen immer noch auf der Seite Gottes!“

„Dem gleichen Gott, der Hiobs Kinder töten wollte?“, rief er ihm in Erinnerung und der Engel schwieg betreten. „Und wo ist die Frau jetzt?“

„Sie ist weggelaufen. Einige der Wachen aus dem Palast suchen sie bereits.“ Aziraphale sah besorgt auf den Nil und Crawley schnalzte mit der Zunge. Er drückte dem Engel den Weinkrug in die Hand und dieser trank daraus. Seit er die erste Nahrung probiert hatte, schien der Engel auch dem Alkohol nicht mehr abgeneigt zu sein.

„Echnaton würde ihr entsprechend vergeben, wenn ich ein gutes Wort einlege, aber…“

„Aber was? Schlechtes Gewissen, Engel? Willst du gar nicht, dass deine Seite die Zukunft kennt?“, erwiderte der Dämon.

„Ich will sie gar nicht da rein ziehen. Sie ist eine rechtschaffende Frau und ihr Leben war mit dieser Gabe nicht einfach. Wenn sie in den Palast einheiratet, dann…“

„…dann wird sie zu genau dem Spielball der Menschen, wie für uns. Schon klar“, seufzte er und rieb sich durch die Haare. „Und was hat das mit mir zu tun? Ich meine…wozu diese Verführungsnummer?“

Er runzelte verwirrt die Stirn.

„Nun, ich nehme an, sie würde sich nicht einfach so eurer Seite anschließen. Liebe hat Menschen schon zu vielen Taten bewegt, gute wie böse. Ich schätze, wenn sie sich in dich verliebt oder dir als „Gott“ treue schwört, wäre ihre Seele nicht mehr zu retten und selbst wir könnten sie nicht mehr aufnehmen.“

Der Engel umging dabei den wesentlichen Part, aber schlussendlich erklärte es genug für den Dämon, dass er das Gesicht verzog. Er hatte kein Interesse an Sterbliche und schon gar nicht an Liebe oder das Paarungsverhalten von Menschen. Essen, Trinken ohne Frage. Aber der Rest konnte ihm gerne gestohlen bleiben.

„Tja…und wenn ich meinen Job gut mache, dann hat die Hölle eine Prophetin, die sie nutzen kann und aussaugen wird bis die Arme nicht mal mehr ihren eigenen Namen weiß.“ Er fuhr sich durch den Nacken. „Scheiße…Scheiße…Scheiße! Wieso ich?“

Der nächste Schluck Wein folgte.

Der Engel neben ihm schloss die Augen. „Darauf kannst du dich verlassen. Sie zu töten kommt also auch nicht in Infrage, weil irgendwo wird ihre Seele hingehen.“

„Kannst du nicht ein Wunder wirken und sie kann gehen, wohin sie will?“

„Das würde der Himmel bemerken und ich kann froh sein, dass meine Lüge noch immer nicht aufgeflogen ist. Ich kann mich nicht noch einmal so gegen den Willen Gottes stellen“, wisperte Aziraphale und sah ihn mit ernstem Gesichtsausdruck an.

„Ach wieso…ich bin sicher, du wirst die Harfe nicht vermissen“, grinste Crawley und konnte den Witz nicht sein lassen.

„Hast du mich jemals mit Harfe gesehen?“

„Das war ein Witz, Engel.“

Kurz musterten sich die beiden gegenseitig.

„Ich verstehe nicht, wieso man anderen Schaden soll, nur um zu beweisen, dass man gute Arbeit macht. Die Frau hat mit unseren Kämpfen nichts zu tun.“

Der Engel neben ihm zuckte mit den Schultern. „Das ist eben…“

„Oh bitte…sag nicht unerfindlich.“

„Dann nicht.“

Beide tauschten wieder den Krug untereinander aus und tranken jeweils davon. Crawleys Blick ging zu dem Schatten von einer Säule und beobachtete einen Skarabäus, der über den Boden krabbelte auf der Suche nach einem Häufchen, um ihn zu einer Kugel zu drehen und durch die Wüste zu rollen.

„Ich bin durchaus deiner Meinung“, gestand der Engel langsam, „Aber ich kann mich nicht schon wieder gegen den Himmel stellen.“

„Denkst du bei mir ist es anders und ich bekomme weitaus größeren Ärger“, brummte Crawley, „Sie stehen nicht auf ungehorsame Diener.“

Der Dämon wank mit der Hand und ein Tablett mit Essen erschien. Das, was hier einst so sorgfältig aufgereiht worden und zerstört worden war, war wieder da. Keine zerbrochenen Teller. Nur saubere Platten mit duftendem Hähnchen, frischem Obst und gegrilltem Gemüse.

„Was hat sie denn so prophezeit?“

„Nun…sie sah die letzte Dürre, die du verschlafen hattest und die Menschen konnten Vorräte einteilen und die Zeit gut überstehen. Dann waren da viele Kleinigkeiten, die die Menschen sie im speziellen befragt haben. Wird es ein Junge oder Mädchen? Welche Entscheidung soll ich treffen?“

Ungeniert griff Aziraphale zu dem Huhn und biss von der Keule ab. „Echnaton suchte sie auch auf und sie prophezeite ihm einige politische Dinge, wie die Rebellion im Süden.“

„Sie soll also die Arbeit hinter der Krone machen und der liebe König kann sich zurücklehnen und Däumchen drehen. Wie nett…“, höhnte der Dämon und leerte den Krug. Der Sumpf der Benommenheit machte sich in seinem Hirn bemerkbar und der Gedanke, dass er einen Menschen das Leben so zurichten sollte, verschwand tiefer und tiefer in seinen Hinterkopf.

„Woher kommt diese Fähigkeit?“ Fragend schaute der Dämon den Engel an und errötete bei dem genüsslichen Laut, den dieser beim Essen machte. „Oh um Himmels Willen“, hauchte er und wunderte den nächsten Krug Wein. Er trank schnell etwas, um die Gedanken, die aufgekeimt waren nur schnell wieder ersticken zu lassen.

„Ich schätze es ist eine angeborene Fähigkeit. Vielleicht etwas Besonderes vom Allmächtigen“, riet Aziraphale und sah ein wenig nachdenklich drein, „Ich dachte immer, dass genau das unsere Aufgabe ausmacht. Nicht zu wissen, was der Allmächtige plant und jetzt sollen wir jemanden auf unsere Seite bringen, um aber alle Fragen beantworten zu können Ich dachte, ich bin hier auf der Erde, um die Menschen zu führen, das Gute aufzuzeigen und ihnen das Licht näher zu bringen. Jetzt habe ich jemanden dazu gebracht Gott zu folgen und es schadet so vielen anderen Seelen.“

Crawley setzte vom Trinken ab und stellte den Krug auf den Boden. Besorgt sah er Aziraphale an. Wurde der Engel grade emotional?

Es wäre nicht das erste Mal, doch es war überraschend und Selbstzweifel hatte er bei dem Engel nicht erwartet.

Kurz schaute er in den Krug mit Wein, ob darin irgendwas zu finden war, was den Zustand erklärte und wie auf einmal dieses Thema auf den Tisch kam, dass der Engel des Osttores vom Garten Eden Zweifel an seiner Existenz hatte.

„Du verstehst wenigstens dein Handwerk, wenn du Leute verführst und sie zum Bösen antreibst. Aber ich will Gutes tun und niemanden Schaden…aber vielleicht…sollte ich die Finger davon lassen?“

Der rothaarige Dämon blinzelte verwirrt. Wollte der Engel aufgeben? Hatte dieser stolze Engel mit dem Flammenschwert, der Wächter des östlichen Tores vom Garten Eden, etwa Selbstzweifel?

„Das ist nicht so einfach, wie du denkst“, wehrte er ab und veränderte seine Sitzposition ein wenig, es bequemer zu haben. Er streckte eines seiner Beine aus und das andere winkelte er gemütlich an. „Die Leute müssen nicht auf das hören, was ich sage. Es gibt immer zwei Wege und es ist auch nichts Verwerfliches daran die Standfestigkeit von jemanden zu prüfen. Aber ich bitte dich? Kinder töten für eine Wette mit Satan? Eine Frau verführen, nur um die Zukunft zu kennen? Das ist lächerlich!“

„Glaub mir, ich bin auch nicht erpicht darauf sie einzufangen und gewaltsam zurück zu schleppen. Ich glaube, nur ein Wunder könnte dabei helfen und diesen Einfluss…ich weiß nicht…ich halte es für falsch ihr den freien Willen zu nehmen. Sie muss es von alleine erkennen, was der richtige Weg ist und dass der Himmel die bessere alternative ist, als den kläglichen Verführungen einer alten Schlange zu verfallen.“

„Wen nennst du hier alt und kläglich? Ich habe Eva verführt. Glaubst du echt, ich schaffe das nicht wieder?“

„Ach? Also weißt du, wie man menschliche Frauen dazu bringt sich zu verlieben?“

„Ach so schwer kann das doch nicht sein! Ich habe das tausend Mal gesehen…ein paar Blumen, ein paar nette Worte…“ Der Dämon senkte die Stimme zu einem lustvollen Raunen und seine Hand legte sich an das Kinn des Engels. Er brachte ihn dazu ihn anzusehen und das Kinn zu heben. „Ein guter Wein, gutes Essen, sie sieht mir in die Augen und…“

Er blickte den Engel an und versank für einen Augenblick in dieses klare Blau. Ein leichtes Grinsen lag auf seinen Lippen und unweigerlich hatte er sich etwas zu dem Engel gebeugt.

„Das ist doch Blödsinn!“, unterbrach Aziraphale forsch und wandte das Gesicht ab. Lag da etwa Schamesröte auf den Wangen des Engels?

Crawley lehnte sich wieder zurück und versuchte sein pochendes Herz zu beruhigen. Wieder diese Engelsmagie, die seinen Körper durcheinander brachte!

„Es ist eher Blödsinn, dass du denkst, dass du aufhören solltest das zu tun, was du so liebst, nämlich gute Taten vollbringen“, wehrte der Dämon murrend ab und schaute verlegen in eine andere Richtung.

„Nein, ich mache keinen Unterschied aus. Echnaton wäre so oder so irgendwann zum alleinigen Gott übergegangen. Er hat ihn doch schon als Kind verehrt.“

„Mag sein. Aber du hast für mich einen Unterschied gemacht.“ Crawley wies auf den Tempel und den Altar, die Pflanzen und das Essen. Er gab es nur ungerne zu und es brachte ihn in Verlegenheit, aber wäre der Engel nicht da, würde ihm etwas auf dieser Erde fehlen. „Du hast dafür gesorgt, dass das hier mein Platz wird. Wie nennst du das dann? Nichts?“

Aus dem Augenwinkel warf er dem Engel einen Blick zu und beobachtete, wie er nachdenklich den Kopf senkte. Zu gerne würde er wissen, was im Kopf von diesem Wesen vor sich ging. Leider gehörte Gedankenlesen nicht zu seinen Fähigkeiten.

Aziraphale gab einen nachdenklichen Laut von sich. „Ich weiß nicht…vielleicht ein Friedensangebot?“

„Dein Ernst?“

„Wir vereiteln uns immer gegenseitig und letztes Mal hast du Hiobs Kinder verschont und hast mit mir den Himmel ausgetrickst. Wir waren auf derselben Seite. Wieso also nicht wieder zusammenarbeiten? Keine körperlichen Verletzungen. Wir verhindern nur, dass deine oder meine Seite gewinnt bei diesem Spiel. Wir vermeiden einfach den zusätzlichen Papierkram!“

Der Dämon konnte kaum fassen, was er da aus dem Mund des Engels hörte. Schlug er ihm grade einen Handel vor? Der Engel, der so standhaft an Gott glaubte, schlug ihm einen Deal vor?

Heute stimmte alles nicht und so viel Wein hatte er noch gar nicht getrunken als dass er betrunken sein könnte!

„Willst du einen Handel vorschlagen?“, fragte er vorsichtig und hob die Augenbrauen an.

„Am Ende profitierst du davon.“

Crawley konnte nicht anders als überrascht zu blinzeln. Seit wann war dieser Engel so gerissen und hatte diesen vielsagenden Blick drauf?

Das war fast zu viel für ihn und er hatte das Bedürfnis sich um diesen Engel zu schlingen, nicht mehr los zu lassen und ihn zu berühren.

Wieder setzte er zum Trinken an und behielt den Engel, der verschlagener war, als er dachte, im Auge.

„Außerdem“, fuhr Aziraphale bedeutungsvoll vor, „Wäre es ziemlich peinlich für dich, wenn sich herausstellt, dass du Jungfrau bist.“

Crowley spukte den Wein aus und wischte sich über den Mund. „Sag das nicht!“, zischte er verlegen und verzog das Gesicht. Er schnappte nach Luft und presste die Lippen aufeinander. Dieser Engel war sein Untergang! Sein verdammter Untergang, wenn er nicht aufpasste.

Bisher hatte er gedacht, dass Aziraphale etwas naiv war und unschuldig, keine Hintergedanken hatte, aber der Engel offenbarte ihm grade eine Seite an sich, die neu war und die gefiel ihm.

„Wenn du fertig bist mit röcheln, dann sollten wir uns lieber auf die Suche nach dem Mädchen machen. Ich bin nämlich nicht nur gekommen, um dir eine neue Pflanze zu bringen oder mit dir zu plaudern.“ Mit einem Seufzen erhob sich der Engel und streckte seine Glieder. Von den Selbstzweifeln war nichts mehr zu sehen und ein wenig bereute es Crawley ihn aufgemuntert zu haben. Das schien den Engel übermütig werden zu lassen. Aber es brachte auch Spannung mit sich und neue Seiten, die er vorher noch nicht gekannt hatte, die er erforschen und weiter hervorlocken wollte.

„Du weißt, wie man einen Dämon umwirbt, Engel“, seufzte er ironisch und erhob sich schwerfällig. Kurz machte sich der Alkohol bemerkbar. Er wankte, fing sich jedoch schnell wieder. „Lass es uns offiziell machen. Ein offizielles Abkommen zwischen uns.“

Feierlich hielt er Aziraphale die Hand hin. Vielleicht kniff der Engel ja doch und seine Worte waren nur so daher gesagt?

„Na gut…“ Aziraphale nahm seine Hand und kurz schaute er überrascht auf ihre Hände. Die Hand des Engels fühlte sich warm und angenehm an. Aziraphale umgriff seine ganze Hand und umschloss seine Hand noch mit seiner anderen.

Crawly hätte nicht gedacht, dass sein Herz noch schneller pochen würde. War das eine Nebenwirkung von der Heiligkeit des Engels?

„Also schön…Ich, Dämon Crawley, schwöre einen Friedenspakt mit....“

„…Fürstentum Aziraphale. Ich, Fürstentum Aziraphale, schwöre einen Friedenspackt mit dem Dämon Crawley.“

„…und ich schwöre, alles in meiner Machtstehende zu tun, um jeden körperlichen Schaden zu vermeiden, der sich aus dem jetzigen und bei zukünftigen Einsätzen ergeben könnte“, sprachen sie im Chor und Crawley blinzelte kurz zum Engel hinüber.

„Andernfalls möge…“

Beide sahen sich kurz fragend an. „Schlechten Wein für dich und schlechtes Essen für mich für den Rest unserer Tage“, schlug das Engelchen vor und Crawley nickte. Das klang ziemlich gut. Schlechter Wein war wirklich eine Strafe, war dieser doch ungenießbar und säuerlich!

Der Dämon wiederholte die Worte und sie warteten einen Moment, ehe sie ihre Hände lösten und die damit geschaffene Verbindung zwischen ihnen verschwand. Irgendwie könnte er sich an das Gefühl gewöhnen die Hand des Engels zu halten. Es hatte sich weniger unangenehm angefühlt, als er gedacht hatte.
 

Die Nacht war über Ägypten hereingebrochen und obwohl Crawley die Sterne, die er so sehr liebe, nicht mehr sehen konnte und auch sonst viele Farben für ihn verblasst waren, starrte er in den Himmel hinauf.

Die Säule an die er lehnte, war noch warm von der Tagessonne und tief atmete er durch.

Nichts. Absolut rein gar nichts!

Drei Tage war dieses Weib schon verschwunden und es gab keine Spur von ihr. Es war, als hätte sie sich in Luft aufgelöst. Sie war einfach aus dem Palast der Nebenfrauen von Echnaton abgehauen und weit konnte sie ja nicht gekommen sein. Aber dass es so gar keine Spur gab, überraschte sowohl den Engel als auch den Dämon.

Die Stadtwache und die Palastwache waren auf der Suche nach ihr und trotzdem hatte sie angeblich Niemand gesehen.

Die Straßenkinder, die Crawley als menschliche Spione benutzte, um auf dem Laufenden zu bleiben, berichteten auch nichts Auffälliges.

Die Beschreibung des Engels auf die Frau passte so gut, wie zu jeder Ägypterin. Lange schwarze Haare, braun gebrannte Haut, dunkel mit Kohle umrandete Augen, zierlich, klein und jung. Ihr Gewand war weiß und sie trug einen goldenen Stirnreif.

Nicht besonders auffällig.

Tot war sie auch nicht.

Das hatte er schon geprüft. Keine Seele in der Hölle und der Engel berichtete, dass auch im Himmel ihre Seele nicht angekommen war.

Also musste sie am Leben sein.

Der Dämon wandte sich ab und warf einen Blick auf die Schlangenstatue, die in der Mitte der Altarhalle aufgebaut war. Erhaben und riesig erhob sie sich über alle anderen und schien über die Welt zu blicken.

Seid er wieder hier war, war kein Plünderer mehr gekommen und auf dem Altar gab es genug zu Essen von den Besuchern, dass der Engel davon satt wurde, wenn er mal wieder seine leichte Fressgier hatte oder die Straßenkinder, die für ihn arbeiteten. In der Feuerschale brannten Kräuter und verströmten einen angenehmen Geruch.

Es wurde eindeutig Zeit für ein Nickerchen. Vielleicht wurde das Weib ja in ein paar Tagen gefunden, wenn er wieder aufwachte. Aber erst mal wollte er das gute Essen in die Stadt bringen. Durch seinen letzten Schlaf hatte er die Kinder lange nicht mehr gesehen und sicherlich war der Hunger unter ihnen groß genug, dass sie ihm die Sachen aus den Händen rissen.

Opfergaben an einen Gott an Menschen verschenken war doch ziemlich böse, oder?

Grade als er sich einen Teller nehmen wollte, hörte er etwas.

Es klang wie das Kratzen an der Mauer und obwohl der Wind nur ein Säuseln war, raschelten die Blätter der Palme im Innenhof.

Vorsichtig bewegte sich der Dämon aus der Altarhalle und zum Innenhof mit dem kleinen Tempelgarten, wo seine kleinen Pflanzenschützlinge ruhten.

Ein angestrengtes Keuchen war in der Dunkelheit zu hören. Jemand war hier und brach in sein zu Hause ein.

Interessant. Wer ignorierte denn da den Schutz, den er gezogen hatte, der unliebsames Eindringen unterlassen würde?

Fragend hob Crawley die Augenbraue und trat neugierig näher. Er konnte fühlen, dass es nur ein Mensch war. Keine Bedrohung für ihn durch Engel oder seinesgleichen.

Schwer atmend fiel jemand zu Boden und er konnte das schmerzhafte Keuchen hören, als die Person sich auf dem Boden bewegte. Durch das Mondlicht waren nur Schemen zu erkennen und er bewegte kurz seine Hand, um die Fackeln zu entzünden.

Fahles, zuckendes Licht erhellte den kleinen Innenhof und ein überraschter Laut kam von dem Eindringling.

„Wer ist da?“, fragte er neugierig und hob das Kinn ein wenig an. Seine Stimme war dunkler und tiefer geworden. Seine Augen leuchteten gelblich auf.

„Fass mich ja nicht an, Bastard! Ich habe einen Dolch und wenn du mir zu nahe kommst, werde ich ihn benutzen!“ Die Frau, die unter dem Baum stand, ließ einen kleinen Dolch aufblitzen und Crawley grinste amüsiert.

Die Frau war jung, fast noch ein kleines Mädchen und in ihren Augen konnte er Entschlossenheit erkennen.

Sein Blick folgte amüsiert den Palmenstamm entlang nach oben und in Gedanken rekonstruierte er ihren Weg. Der Weg über die Mauer und dann den sicheren Stamm herunterklettern. Gar nicht so schlecht und ein wenig musste er ihr Anerkennung zollen für diesen Mut.

„Mhm…interessant“, sagte er gedehnt und lachte auf. Er kam mit wippenden Schritten näher zu ihr, doch sie wich vor ihm zurück und umklammerte atemlos den Griff ihrer Waffe.

„Ich mag dich. Du hast ziemlichen Mut in einen Tempel einzubrechen“, grinste er breit und meinte es sogar ehrlich. Die meisten Menschen waren demütig und warfen sich bei seinem Anblick lieber in den Staub. „Lass dich nur nicht von mir aufhalten.“

Ein Geräusch hinter der Mauer ließ das Mädchen zusammen zucken und sie wich auch von dieser zurück.

„Oh an deiner Stelle würde ich nicht dorthin treten“, warnte er sie und ihr Kopf zuckte in seine Richtung, während die Stimmen und das Bellen eines Hundes vorbei zogen. Das leichte Knurren in seiner Stimme schien ihr mehr Angst zu machen und sie machte einen großen Schritt über die frischen Setzlinge, die er mühsam in der heißen Sonne angepflanzt hatte, hinweg.

Kurz beobachtete der Dämon wie sie leicht genervt um die kleinen Pflanzen, die grade mal ihre Köpfe aus der Erde reckten, herumtanzte, bis sie wieder festen Boden hatte. Ihr Atem ging noch immer schnell und der Dämon musterte sie von oben bis unten.

Das junge Ding hatte Schweißperlen auf der Stirn, sie war dreckig, wie eines der Straßenkinder und ihr Gesicht wirkte blass und eingefallen. Wie der Tod auf Urlaub sah sie aus.

„Nun“, fing er gedehnt an, „Möchtest du mir sagen, was du hier im Tempel machst?“

Er zog beide Augenbrauen tadelnd nach oben und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Ist das nicht offensichtlich?“, fragte sie genervt zurück und dass sie scheinbar keine Ahnung hatte, wer vor ihr war, machte die Sache interessanter.

An ihrer Stimme konnte Crawley erkennen, dass sie Ägypterin war. Sie trug auch nichts, was auf den Sklavenstand hinwies. Das hieße auch, dass sie keine Ausreißerin vor ihrem Herrn war. Aber ausgerissen war sie auf jeden Fall, wenn er die Stimmen bedachte und wie sie reagierte.

„Ich könnte die Wachen rufen“, fuhr er ruhig fort und beobachtete ihre Mimik, wie sie ihn ansah und seine Worte abwog.

„Könntet Ihr…Aber…“ Ihr Blick wanderte über ihn hinweg und es schien, als suchte sie etwas.

„Aber was?“

„Ihr tut es nicht.“ Der entschlossene und entschiedene Tonfall überraschte ihn. Sie klang wie der Engel, der unbedingt das Gute in ihm sehen wollte. Doch war da eine Spur Trotz mit drin, was ihn neugierig machte.

Zielstrebig lief sie an ihm vorbei und sah sich kurz im um, ehe sie den Weg zum Altarraum zielsicher einschlug.

„Endlich!“, seufzte sie und ließ sich im Schneidersitz auf dem Boden nieder. Dann griff sie zu den Tellern, die er eben noch zu den Straßenkindern bringen wollte und fing an die Opfergaben zu essen. Hungrig und gierig verschlang sie eine Dattel, ehe das Brot folgte.

Crawley beobachtete sie mit hochgezogenen Augenbrauen stumm und voller neugier. Sie roch wie die meisten Menschen eben rochen für ihn, nichts ungewöhnliches und doch strahlte sie etwas aus, was nicht in diese Welt passte.

„Dir ist klar, dass das die Opfergaben für Apophis sind?“

Kurz hielt das Menschenkind inne und schluckte den Bissen hinunter. „Ja, ist mir bewusst. Aber ich weiß, dass er nichts dagegen hat.“

„Und woher weißt du das? Was macht dich da so sicher?“ Crawleys Stimme nahm einen bedrohlichen Tonfall an und er kam gefährlich näher. Sie schien entweder keine Angst zu haben oder dumm zu sein, dass sie seelenruhig sitzen blieb und sich ein Stück Obst in den Mund schob.

Ein wenig erinnerte es ihn an Aziraphale, den er auch nicht aus der Ruhe bringen konnte, wenn es um das Essen ging.

„Weil es überall so ist, dass die Essensopfergaben früher oder später von den Priestern gegessen werden“, erwiderte sie kühl, „Und Ihr könnt mir nicht erzählen, dass Ihr sie nicht auch esst. Ich weiß, dass das hier bestimmt Euer Abendmahl war, werter Priester, aber mit gut gefülltem Bauch ist es einfacher zu sagen, iss das nicht.“ Damit wanderte wieder etwas Fleisch in ihren Mund. „Aber ich habe seit drei Tagen kaum was gegessen…wenn Apophis mich für meinen Hunger bestrafen will, nur zu! Ich nehme es gerne in Kauf!“

Sie blickte hoch zu der Statue, als wartete sie darauf, dass ein Feuerball sie treffen würde. Doch nichts passierte. Das Mädchen zuckte mit den Schultern.

„Oh, ich bin übrigens kein Priester.“

„Und was dann? Ein Plünderer?“

„Auch nicht. Und was hast du jetzt vor, wo du das gute Essen vertilgt hast?“ Neugierig sah Crawley sie an, schlich um sie herum und legte leicht den Kopf schief. Sie war keine Bedrohung und scheinbar nur jemand, der wie viele andere überleben wollte.

„Das geht Euch nichts an“, knurrte sie und leckte sich die Finger sauber. Mit gefülltem Magen lehnte sich das junge Ding zurück und atmete tief aus, als hätte sie sich seit Tagen nicht entspannt.

Neugierig betrachtete er sie. Sie passte nicht zu der Beschreibung des Engels. Aber es würde doch Sinn machen, oder?

„Sag mal, kann es sein, dass…“

„Psst…“, zischte sie ihm unwirsch zu und unterbrach seine Frage mit einem Abwinken ihrer Hand, „Da kommt jemand.“

Ihre Stirn zog sich ärgerlich in Falten und sie nahm den großen Weinkrug.

„Was hast du vor?“, fragte er scharf und entriss ihn ihr, als sie die ersten Tropfen auf den Boden ausgoss. Er stellte den Tonkrug weit außerhalb ihrer Reichweite. Der schöne Wein!

„Demjenigen überbraten, der hier rein will. Der Tempel ist ja nicht grade verriegelt!“, fauchte sie und griff genervt zu einer Tonschale. Abschätzend wog sie diese in der Hand und schien sie für gut zu befinden. Sie war flink in einen Schatten gekrochen und Crawley konnte die Anspannung spüren, die von ihr ausging.

„Versteckt Euch!“, wisperte sie aus dem Dunklen zu ihm, doch er blieb sichtbar für jeden dort stehen, streckte seine Aura aus und ließ das Dunkle deutlich spürbar werden. Es war fast schon ein…Wunder, dass dieses Mädchen nicht die Flucht ergriff.

Der Dämon schnalzte interessiert mit der Zunge. Wenn jemand vor seiner dunklen Aura keine Angst hatte, dann hatte das etwas zu bedeuten. Dann hieß das, dass diese Person schon viel schrecklicheres gesehen hatte und was konnte schlimmer sein, als einen Dämon der Hölle zu treffen?

Sein Blick wanderte zu den Schatten und dann zum Eingang des Tempels.

„Der Hund hat sie gewittert. Sie muss hier sein!“, rief eine Männerstimme von draußen und der Dämon hörte sie aus der Dunkelheit zischen.

„Das ist der Tempel von Apophis!“, sagte eine zweite Stimme besorgt, „Wir sollten da nicht rein. Angeblich lebt der Gott persönlich dort.“

„So ein Blödsinn! Es ist nur ein alter Tempel. Der wurde vor Tagen geplündert! Hier ist keiner mehr!“ Die Stimme des Mannes war getrübt von Zweifeln. Perfekt.

Crawley trat langsam und mit wiegenden Schritten aus dem Tempel heraus.

„Sicher?“, zischte er dunkel in der Dunkelheit und ließ seine Augen aufblitzen.

„Wer bist du?“ Die Menschen versuchten mutig zu sein, doch im Moment wollte er sie nur noch los werden, um sich anderen Dingen zu widmen.

Zischend antwortete der Dämon und legte leicht den Kopf schief. Er wog ihn hin und her, als würde er seinen Nacken entspannen.

„Ratet doch mal!“ Ein diabolisches Grinsen war auf seinem Gesicht zu sehen und sein Körper verformte sich. Zischend streckte sich seine Zunge heraus und das weiß seiner Augen verschwand, während sein Körper sich aufbäumte und die Gestalt einer Riesenschlange annahm.

Das Tier bäumte sich auf und riss sein Maul auf. Er konnte die Angst wittern, die von den Männern ausging.

Der Mann vor ihm fiel rücklings nach hinten und riss die Augen panisch auf. Der zweite schrie auf wie ein Mädchen.

„Verschone uns!“

Winselnd wich der Hund mit eingekniffenem Schwanz zurück und legte demütig die Ohren an.

„Was wollt ihr hier?“, zischte die Schlange bedrohlich und glitt näher an die Menschen heran. Angst zu wittern, war ein kleiner Hochgenuss für ihn.

Der Ägypter wimmerte vor ihm und warf sich in den Staub.

„Bitte verzeiht uns, oh allmächtiger Gott Apophis! Bitte…wir flehen dich an.“ Der zweite Mann warf sich ebenfalls in den Staub und wimmerte.

Diese Menschen waren so töricht!

„Ich frage nicht noch einmal: Was wollt ihr hier?“

„Wir suchen das Mädchen, oh Herr! Sie ist weggelaufen…“

„Sie ist nicht hier!“, fauchte die Schlange und schnappte warnend nach den Menschen.

„NEIN!“

„Verschwindet, ehe ich es mir anders überlege!“

Die Schlange zischte wieder und hielt die beiden Männer im Blick, die sich zögerlich aufrichteten und zuerst rückwärts liefen, ehe sie los rannten und in der Nacht verschwanden.

Crawley sah ihnen nach und vergewisserte sich, dass sie nicht zurückkamen, ehe er sich wieder in den Menschen verwandelte.

Er grinste zufrieden mit sich und drehte sich zum Eingang um. „War doch ein Kinderspiel…ich weiß gar nicht…“

Er hielt mitten im Satz inne und lief zurück. Geschirr zerbrach im inneren des Tempels und das Mädchen schrie jemanden lautstark an. Er witterte den Geruch des Engels in der Nähe. Da stimmte etwas nicht.

„Whoa, whoa, wohoa, whoa….“, rief er als er die zwei Gestalten erkannte. „Hör auf damit, das geht nicht gut aus!“

Mit eiligen Schritten ging er auf die zwei zu und entriss dem Mädchen grade noch rechtzeitig das nächste Geschirrstück.

Das Mädchen fauchte ihn an, was ihn nur zum Grinsen brachte und er hielt ihre Hände fest.

„Oh…danke, Crawley“, sagte die Stimme des Engels erleichtert und der Dämon verzog das Gesicht.

„Sag das nicht“, brummte er und zog das zappelnde Mädchen etwas weg von dem Engel. Ein Danke aus dem Mund eines Engels konnte ziemlichen Ärger bedeuten, wenn das jemand von seinen Leuten hörte! „Was machst du um diese Zeit hier?“

Ärgerlich sah er den Engel an.

„Nun, ich verfolge diese Frau.“ Der Engel nickte zu dem Mädchen und faltete nervös seine Hände.

„Und warum?“

„Na warum wohl? Um mich zum Pharao zu bringen!“, schrie sie und Crawley hob eine Augenbraue. Das war also die kleine Prophetin, weshalb Himmel und Hölle so ein Aufstand machten.

„Na schön…“, seufzte er augenrollend und schnippte mit dem Finger. Das Mädchen an seiner Hand sackte zusammen und er fing sie auf.

„Was hast du getan?“ Panisch sah der Engel ihn an.

„Nichts. Sie schläft nur. Glaubst du wirklich, dass ich sie töte?“ Er schüttelte leicht genervt den Kopf.

Der Engel atmete erleichtert aus. „Oh Gott sei Dank. Es hat Tage gedauert, bis wir ihre Spuren hatten. Sie hat sich in einer alten Ruine versteckt und offenbar hat sie ihre Fähigkeiten genutzt, um herauszufinden, wann wir kommen. Aber diesmal war ich dabei und…“

„Und du hast ihr eine Heidenangst eingejagt, Engel“, tadelte Crawley ihn verärgert, „Sie war halb verhungert.“

„Nun, ich bin weniger gefährlich als du. Die Männer eben…also denen hast du es richtig gezeigt.“

Crawley schnaubte. „Sei froh, dass sie offensichtlich nicht zielen kann“, grinste er frech, „Den Teller hättest du wirklich an deinem Kopf verdient.“

Aziraphale atmete hörbar ein und aus. „Oh ja…welch Glück. Moment…willst du etwa, dass sie mich getroffen hätte?“ Ungläubig sah Aziraphale ihn an, redete aber sofort weiter.

„Aber jetzt, wo ich…“ Schnell korrigierte er sich unter der hochgezogenen Augenbraue des Dämons. „Ich meine, wir…sie gefunden haben, bringe ich sie in den Palast.“

„Kommt nicht in Frage, Engel. Sie bleibt hier!“

„Aber wir sind uns doch einig, dass sie nicht in die Hände deiner Leute fallen darf.“

„Das stimmt, aber deiner Seite überlasse ich sie auch nicht.“

„Crawley, das kannst du nicht tun!“

„Kann ich nicht? Oh, Engel, und wie ich das kann“, knurrte er missgelaunt und bekam einen verwirrten Blick zurück. Die Wut unter seiner Haut kochte so stark, dass er aufpassen musste sich nicht zu verlieren.

Crowley hob das Mädchen hoch als wog sie nichts.

„Aber Crawley…unsere Übereinkunft?“

„Engel, es ist kein Wunder, dass ich sie nicht finden konnte. Ich habe nach einer Frau gesucht. Das hier ist ein Kind!“, fauchte er ihn an und zischte verärgert. Aziraphale wusste, dass er Kindern nicht weh tun konnte und dass er einen Beschützerinstinkt hatte, was diese anging.

Hatte er Engel das gewusst und deshalb die Übereinkunft mit ihm gemacht? Wenn ja, war dieser Engel noch durchtriebener als er gedacht hatte!

„Nun…nach dem Gesetz her ist sie alt genug, um eine erwachsene Frau zu sein und verheiratet zu werden“, verteidigte sich der Engel.

„Achja…und wie alt ist sie? Zwölf? Vierzehn?“

„Sechszehn“, murmelte der Engel leise und sah betreten zu Boden.

„Das macht es nicht besser“, schüttelte er den Kopf. Die Hölle konnte ihn mal gerne da haben, wo seine Sonne nicht schien! Er würde bestimmt keinem Kind schaden! Es gab Grenzen! Und erst Recht würde er nicht mit einem Kind die Sache mit Bienchen und Blümchen anstellen! In seinen Augen sollten Kinder solange unschuldig bleiben, wie es nur möglich war, ehe sie die harte Realität kennen lernten und das Mädchen in seinem Arm hatte genug harte Realität gehabt. Da brauchte er nicht auch noch seine Finger im Spiel haben.

„Nein, Engel, wir müssen uns was anderes ausdenken als eine Hetzjagd auf sie und sie auf die ein oder andere Seite zu ziehen wie eine Stoffpuppe.“

Der Dämon atmete tief durch und sah kurz zu dem Mädchen in seinem Arm herunter, ehe er dem Engel deutete mitzukommen.

Er ging in den Bereich, wo die Priester in der Regel schliefen und er legte das Mädchen in eines der Betten hinein. Mit einer dünnen Decke deckte er sie zu.

Instinktiv strich er ihr über den Kopf und ein paar Haare aus dem Gesicht.

Kein Kind sollte leiden müssen und für einen Moment kamen Erinnerungen von der Flut hoch, als er nichts hatte tun können außer zuzusehen, wie Kinder in den Wellen hilflos strampelten und um Hilfe schrien. Ihre Stimmen waren leiser geworden und irgendwann verstummt. Er würde diese Gräueltat nie vergessen.

Kurz schloss er die Augen, um die Erinnerung fortzujagen und sich wieder in die Gegenwart zu rufen.

„Lass sie erstmal hier, Engel“, sagte er ruhiger, „Sie ist drei Tage auf der Flucht gewesen. Auf einen Tag mehr oder weniger kommt es nicht an und sie braucht die Ruhe.“

„Crawley…“

„Nein, keine Widerworte. Ich hatte keine Ahnung, dass es noch ein Kind ist“, murrte er und fuhr sich über die Nacken. „Ich werde kein Kind in die Hölle bringen und in die Machenschaften unserer Seite hineinziehen. Kannst du dem Pharao nicht sagen, dass sie weg ist? Gestorben oder so?“

„Sie ist zu bekannt“, warf der Engel nachdenklich ein und verzog das Gesicht, „Ich müsste ihm schon eine Leiche präsentieren, damit er von ihr ablässt.“

„Also keine gute Idee“, murmelte Crawley und rieb sich die Nasenwurzel, „Lass uns den Tempel wenigstens sicher machen. Ich habe keine Lust auf Plünderer und weiteren Leuten. Denn Fakt ist, irgendwas hat sie gesehen, was ihr weitaus größere Angst macht, als ich es als Dämon tun könnte. Sie hat nicht mal mit der Wimper gezuckt, als ich die Männer eben verscheucht habe.“

„Vielleicht etwas aus der Zukunft?“

„Schon möglich. Vielleicht können wir es herausfinden mit ein wenig Zeit. Aber wir müssen dazu ihr Vertrauen gewinnen.“

Der Engel sah ihn an, als wäre ihm nicht ganz geheuer bei der Sache, aber er müsste schon Weihwasser über ihn kippen, damit er jetzt zur Seite ging und der Engel sie mitnehmen könnte.

„Na schön…ich sehe, was ich tun kann beim Pharao.“

„Das wollte ich hören.“
 

„Merrit!“ Crowley rief den Namen laut durch die Hallen des Tempels und nur wenige Sekunden später kam das Mädchen aus dem Innenhof. In den Händen hatte sie frische Blumen für den Altar.

„Was ist?“, fragte sie und legte den Kopf schief.

„Wieso bist du im Garten? Ich kümmere mich um die Pflanzen!“, sagte er tadelnd und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie hatten klare Regeln und eine davon war: Finger weg von den Pflanzen!

„Ich wollte dir die Arbeit abnehmen“, war ihre unschuldige Antwort, „Außerdem machst du den Pflanzen Angst.“

„Die sollten sie auch haben.“ Der Dämon verengte ein wenig die Augen und die abgeschnittenen Blumen in ihrem Arm bewegten zitternd ihre Blätter.

„Siehst du!“

„Oh man…ich bin Apophis. Schon vergessen. Ich bin nie nett. Auch nicht zu Pflanzen!“

„Ja, klar…wir beide wissen, dass die Wahrheit anders aussieht“, grinste sie vielsagend und zwinkerte ihm zu. Dieses wissende Grinsen bei dem Mädchen trieb ihn in den Wahnsinn und manchmal bereute er es, dass er sie vor drei Monaten gerettet hatte. Aber sie lebte sich hier ein, war in Sicherheit und kümmerte sich um die Räume.

Manchmal fragte er sich, ob sie das aus Dankbarkeit tat oder weil sie es wirklich gerne tat. Die Rettung war auch nicht aus Nettigkeit gewesen, aber sie beharrte darauf, egal wie sehr sie sich in die Haare kriegten und Angst hatte sie keine vor ihm. Egal, was er versuchte.

Es war zum verrückt werden!

Noch nie hatte Crawley einen Menschen getroffen, der so abgebrüht war wie sie.

Merrit ging an ihm vorbei und nahm die alten Blumen aus der Vase am Altar, ehe sie die frischen hinein stellte und eine Räuchermischung entzündete, die den angenehmen Duft von Harzen verströmten.

„Wie weit bist du mit den Papyri?“, fragte er interessiert, um ein anderes Thema anzuschlagen und

„Noch nicht weit. Ich bin vielleicht bei der Hälfte“, murmelte sie und warf ihm nur kurz einen verlegenen Blick zu.

Crawley witterte die Lüge und wuschelte ihr durch die Haare. „Wieso lügst du?“

Merrit biss sich auf die Lippen und senkte den Blick, so dass er nicht in ihre grünen Augen sehen konnte.

Es war nicht das erste Mal, dass sie den Engel oder ihn anlog und jedes Mal endete es auf die gleiche Art: Sie schwieg eisern.

Immerhin hatte sie aufgehört Aziraphale Teller an den Kopf werfen zu wollen und es amüsierte den Dämon köstlich, dass sie einem Dämon mehr vertraute als einem Engel. Das nahm ihn das Engelchen ziemlich übel.

Merrit schlug seine Hand fort und richtete mit den Fingern ihre Haare. Crawley fiel auf, dass sie viel besser aussah, als bei ihrer Ankunft. Nicht nur war sie sauberer, sondern sah sie auch munterer aus.

„Ich habe meine Gründe. Oder erzählst du mir alles über dich?“ Vielsagend klimperte sie mit den Wimpern und lächelte kühl. Oh, dieses Weib!

„Nein, aber du sagtest selbst, dass du die Vergangenheit siehst, die Dinge, wie sie sind und wie sie sein könnten“, rief er ihr in Erinnerung und stemmte die Hände in die Hüfte.

„Du hast gut aufgepasst und wenn ich dir sagen würde, was ich alles über dich sehen kann, würdest du mich hassen.“

Crawley schaute sie an und war sich nicht sicher, was er davon halten sollte. Kannte sie auch sein Leben als Engel? Seinen alten Namen? Seinen Absturz und wie tief er noch sinken würde? Wenn sie ihm all das um die Ohren schlug, war er sich nicht sicher, ob er es aushalten würde. Der Schmerz könnte zu groß sein, die Erinnerungen zu lebendig und er mochte es auch nicht, dass er wie ein offenes Buch für sie sein könnte. Die Vorstellung gefiel ihm nicht.

Es reichte schon, dass der Engel manchmal mehr über ihn wusste, als ihm lieb war. Da brauchte er nicht unbedingt einen Menschen, der das auch konnte und vielleicht noch Mitleid mit ihm hatte.

„Ich…“

„Schon gut. Du wärst nicht der Erste, Cra…“

Er legte ihr eine Hand auf den Mund. „Sag es nicht.“

So wie sie seinen Namen sagen wollte, wollte er die Lüge aufrecht halten, dass sie ihn nur als Apophis kennen würde. Nicht als Dämon. Nicht als die Person, die sie verderben sollte und es gab Momente, wo sich Crawley fragte, ob die Tatsache, dass sie hier bei ihm als Schützling lebte, nicht genau dazu führte, dass sie in die Hölle kam.

Vor allem, wenn sie ihn mit diesem sanften Blick ansah, als wäre er der Engel. Er konnte diesem Blick nicht lange standhalten. Ihr Blick hatte etwas, was er bisher nie bei Menschen gesehen hatte.

Es war der Blick von jemanden, der einsam war und die Last der Welt gesehen hatte. So eine Last sollte sie nicht tragen.

„Du weißt, dass du irgendwann reden musst“, sagte er sanft.

„Muss ich das?“

„Nun, der Priester von Aton wird keine Ruhe geben und lange wird diese Gnadenfrist nicht gewährt bleiben.“

„Ich weiß“, murmelte Merrit und zupfte an einem der getrockneten Blumen herum. Sie verzog die Lippen, wie zu einem schmollen.

„Du kannst mit mir sprechen oder mit ihm.“

Sie machte einen unzufriedenen Laut und Crawley grinste wissend. Sie würde in diesem Leben kein Vertrauen mehr zu Aziraphale bekommen und irgendwie stimmte ihn das doch etwas zufrieden. Vielleicht mehr als es gut war und er war sogar ein bisschen stolz auf sie.

„Und das würde aber nichts ändern.“

„Vielleicht ja doch. Ich meine…reden soll helfen?“, versuchte er es hilflos, während sie aufstand und davon laufen wollte, als könnte eine Flucht die Probleme verscheuchen. Wieder einmal.

„Ja, klar…“, antwortete sie gereizt, „Weil du ja auch so viel erzählst. Wie wäre es, wenn du über deine Probleme sprichst? Darüber, wieso du keine Flecken auf den Pflanzen duldest? Oder in welcher Beziehung du zu dem Eng…dem Priester stehst? Oder wieso du mich hier aufnimmst?“

„Mein Leben steht hier nicht zur Debatte, junge Dame!“, sagte er aufgebracht, „Du weißt nichts über mich!“

„Ach nein? Als du mich hier aufgenommen hast, bin ich aber in dein Leben gekommen, ob es dir gefällt oder nicht!“, knurrte sie zurück.

„Das heißt aber nicht, dass ich dir alles aus meinem Leben ausplappern muss!“

„Aber ich dir?“

„Genauso funktioniert das!“, fuhr er Merrit an und zischte.

„Dann kann ich ja gehen!“

„Fühl dich gerne frei dazu.“

„Gut.“

„Schön.“

Sie wussten beide, dass Merrit nicht gehen würde. Sobald sie einen Fuß hinaus setzen würde, würde sie dem Pharao gehören. So war der Deal.

Sie durfte ihre Prophezeiungen niederschreiben und danach würde sie in den Palast gehen und als Nebenfrau den Pharao heiraten.

Also blieb Merrit an Ort und Stelle, schmollte wieder wie ein kleines Mädchen und sah ihn aus kühlen Augen an. Sie schwiegen und Crawley mochte es nicht, dass sich diese Stille über sie beide senkte. Er mochte es auch nicht mit ihr zu streiten, obwohl er als Dämon genau dafür da war. Eben Ärger machen, aber irgendwie wollte er nicht mit ihr streiten. Genauso wie mit dem Engel nicht.

„Wie…wieso erzählst du mir nicht, dass du nachts Alpträume hast?“, fragte er vorsichtig nach einer Weile der Stille nach, während sie beide nur wütend geschnauft hatten bis es ruhiger geworden war.

„Woher…?“

„Ich höre dich schreien und das jede Nacht.“

Merrit brummte und wich seinem Blick aus. „Ich sehe die Zukunft.“

„Was siehst du?“

„Nichts.“

Crawley seufzte. Dieses Mädchen war schlimmer zu knacken als eine Kokosnuss.

„Dann eben nicht! Aber du kannst mir nicht erzählen, dass du nichts schlimmes siehst.“

„Streitet euch doch nicht wieder.“

Der Engel hatte ihm grade noch gefehlt und sofort legte sich dieses friedliche Gefühl über diesen Ort.

„Wer streitet denn? Niemand streitet sich!“, sagte Merrit und ihm fiel der ironische Unterton sofort auf, als sie näher zu ihm kam und einen Arm um ihn legte. „Hast du gestritten? Also ich nicht!“

Kurz trafen sich ihre Blicke und Crawley verengte die Augen.

Dieses Mädchen war wirklich durchtrieben. Wäre er nicht so sauer, wäre er schon stolz auf sie.

„Na dann ist ja gut“, sagte Aziraphale und stellte den Korb mit Essen vor den Altar. „Ich habe euch etwas mitgebracht. Wein und andere Leckereien aus der Palastküche.“

„Wein! Genau das, was ich jetzt brauche!“ Crawley löste sich von Merrit, die noch immer den Arm um ihn gelegt hatte und was langsam zu einem Kuscheln wurde. Schnell nahm er den Krug an sich und schnupperte daran. Es roch vielversprechend.

„Wie läuft es mit den Prophezeiungen?“

„Es läuft.“

„Die junge Dame kümmert sich lieber um meine Pflanzen, als um das Schreiben“, petzte er und goss sich etwas in einen Kelch ein. Er grinste Merrit frech an, als sie ihn empört ansah.

Aziraphale sah bestürzt aus. „Der Pharao ist ungeduldig. Er fragt jeden Tag, wann du fertig bist.“

„Bald.“

„Nun, ich fürchte, dass ihn diese Aussage bald nicht mehr reichen wird. Er sagte gestern, wenn du nicht bald fertig bist, dann kommt er dich persönlich holen. Glaub mir, ich tue, was ich kann, aber ich kann ihn auch nicht ewig hinhalten.“

„Es ist ja nicht so, als hätte er nicht genug Frauen, die für ihn die Beine breit machen.“

Crawley prustete den Wein aus und fing an zu lachen, während der Engel hochrot wurde und empört nach Luft schnappte.

„So kannst du doch nicht reden!“, sagte er erschrocken.

„Wieso nicht? Halten wir die Fakten fest: Ich bin nur interessant für ihn, weil ich in die Zukunft sehen kann und weil er mal wieder jemand anderes im Bett braucht.“

„Ich würde sagen, eins zu null für Merrit!“, lachte Crawley.

„Das ist nicht hilfreich, Cra….Apophis!“

„Oh findest du? Ich glaube, sie hat da einen sehr guten Standpunkt“, grinste er den Engel schadenfroh an.

Aziraphale sah ihn verärgert an, ehe er sich wieder Merrit zuwandte.

„Ich will nur damit sagen, dass wir dich hier nicht ewig beschützen können. Dass du hier bleiben darfst, hast du nur meinem glücklichen Händchen zu verdanken und einer Wette mit Nofretete.“

„Du meinst dein kleines Spielchen mit der Nuss und den Muscheln? So hast du ernsthaft die Frist erwirkt?“ Der Dämon blinzelte ungläubig. Lag das Leben des Mädchens wirklich in den Händen von Taschenspielertricks? Bei Satans Ziegenhufen…

„Ja, aber das ist doch egal. Das Ergebnis zählt und das ist, dass ich gegen Nofretete gewonnen habe und sie hier bleiben darf bis sie die Prophezeiungen fertig geschrieben hat.“

Crawley und Merrit schnaubten gleichermaßen und sahen sich kurz verwirrt an. Offenbar färbte seine Art ein wenig auf sie ab. Oder ihre auf ihn?

„Und ob ich hier gefangen bin oder in einem Palast ist doch egal“, sagte Merrit gleichgültig.

„Der Palast ist doch kein Gefängnis!“

„Nicht? Also in Anbetracht der Tatsache, dass ich dort nichts tun kann, ohne dass ich um Erlaubnis bitten muss, Regeln befolgen muss und ständig unter Beobachtung stehe, unterscheidet sich nur der Luxus davon, dass es nicht als Gefängnis betitelt wird. Da bin ich lieber hier. Ich kann zwar nicht raus, aber ich habe hier meine Ruhe und muss mich nicht für alles rechtfertigen.“

„Zwei zu null für sie, Engel. Ich würde mich jetzt mal anstrengen.“ Crawley kicherte amüsiert.

„Also wenn es sonst keine Themen mehr gibt, werter Priester, gehe ich wieder an die Papyri“, verabschiedete sie sich und kurz sah Crawley ihr besorgt nach, ließ sie aber gehen, während er mit dem Engel alleine blieb und ihm einen Kelch mit Wein anbot, den er zögerlich annahm und dann davon trank.

„Wie viel Zeit kannst du noch herausschlagen?“, fragte Crawley besorgt und ließ den Wein etwas in seinem Mund hin und her gleiten, um den vollen Geschmack auszukosten.

„Vielleicht ein paar Tage“, sagte der Engel nachdenklich und nippte vom Kelch.

„Und wir sind genauso schlau wie am ersten Tag.“

„Also wirklich, Crawley, ich verstehe nicht, wieso du sie nicht hypnotisierst und dann ausfragst.“

„Dann würde sie mir genauso viel vertrauen wie dir.“

„Also wirklich…du bist ein Dämon. Als ob es dir wichtig ist, ob dir jemand vertraut. Dass sie dir mehr vertraut als mir, ist schon eine Sünde!“

„Stimmt.“

„Trotzdem benimmst du dich, als wärst du ihr Vater. Es war ohnehin ziemlich nett von dir, dass du sie hier aufnimmst.“

„Halt die Klappe. Das ist Blödsinn!“

„Sie weckt deinen Beschützerinstinkt“, neckte der Engel ihn und Crawley schnaubte.

„Eifersüchtig, Engel?“, fragte er genauso neckisch zurück und grinste bis über beide Ohren.

„Bestimmt nicht. Du solltest nur aufpassen, dass sie sich nicht in dich verliebt und du damit deinen Auftrag erfüllst.“

„Ach komm, ich halte sie auf Abstand so gut ich kann. Da läuft nichts, Engel.“

„Und dennoch bist du mit schon einige Monate mit ihr hier zusammen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sie in deiner Nettigkeit, die du natürlich nicht hast, doch mehr interpretiert.“

„Das ist lächerlich! Ich gebe mich ihr gegenüber als Gott aus. Allein der Verstand müsste ihr sagen, dass das unmöglich ist.“

„Menschen haben Fantasie und Liebe ist…nun ja….nicht logisch.“

„Kennst du dich damit etwa aus?“, fragte er interessiert und grinste vielsagend.

„Nein!“ Der Engel war ein mieserabler Lügner und die Röte verriet ihn.

„Wie du meinst“, wehrte Crawley ab und nippte kurz vom Kelch, „Ich suche immer noch nach einer Lösung, wie wir das Regeln können.“

„Wem sagst du das…meine Seite wird ziemlich ungeduldig.“

„Frag meine mal. Sie zweifeln schon an meiner Loyalität, wenn ich nicht bald Ergebnisse liefere.“ Er trank einen Schluck.

„Aber dann stirbst du!“ Aziraphale sah ihn besorgt an.

„Denkst du, dass ich das nicht weiß.“ Er fuhr sich durch die roten Haare und drehte nachdenklich eine Strähne zwischen seinen Fingern. „Ich weiß genauso viel von ihr, wie am ersten Tag. Sie hat Alpträume und ihre Familie hat sie mit den Fähigkeiten ausgebeutet. Sie ist früh in die Rolle des Orakels gedrängt worden…“

Er biss sich nachdenklich auf die Lippen. Die Zeit wurde für alle knapp. Viel zu knapp und auch, wenn der Dämon es ungern zugab. Er wollte dieses Mädchen nicht mit Aziraphale gehen lassen.

Leider hatte er sich erhofft, dass sie schneller Vertrauen fassen würde, dass sie ihm mehr erzählen würde, statt nur auszuweichen.

Nachdenklich starrten Crawley und Aziraphale nach draußen auf den Nil.
 

Die Nachricht, dass Echnaton seine Geduld vier Tage später verloren hatte, erreichte Crawley in der Nacht.

Er saß mit Aziraphale im Innenhof und trank etwas Wein, den der Engel wieder mitgebracht hatte.

„Darf…darf ich mich dazu gesellen?“

Merrits Stimme ließ beide überrascht aufsehen und Crawley drehte sich herum. Es war das erste Mal, dass sie danach fragte und das erste Mal, dass sie mit ihnen trinken wollte.

„Natürlich, Liebes!“, sagte der Engel sofort und machte etwas Platz, damit sie sich dazu setzen konnte.

Crawley fiel auf, dass sie sich anders bewegte. Langsam und vorsichtig. Er hob besorgt eine Augenbraue, suchte ihren Blick, aber sie sah ihn nicht an, wie schon seit ein paar Tagen nicht.

Aziraphale schien diese Veränderung nicht zu bemerken und wunderte ohne Umschweife einen Kelch herbei, um ihn mit Wein zu füllen.

„Bitte, redet ruhig weiter…“, sagte sie und trank davon. Aber Crawley hatte schon wieder vergessen, wo sie grade gewesen waren. Irgendwo im ewigen Kreis der Probleme und der Unerfindlichkeit des göttlichen Plans.

„Oh…nun, wir waren ohnehin in unserem Gespräch stecken geblieben“, wehrte der Engel ab.

„Richtig, Engel. Das waren wir. Es ist viel interessanter, was du hier machst“, sagte Crowley interessiert und lehnte sich etwas nach vorne.

„Oh…nun…ähm…ich…“

„Sprich ruhig weiter“, forderte Crawley sie auf und setzte sich näher, dass er fast ihre Schulter berührte. Er konnte sich grade so daran hindern die Hand auf ihre Schulter zu legen.

„Ich wollte mich für alles bedanken und mich verabschieden.“ Das Mädchen rang sich ein Lächeln ab.

„Heißt das…du bist fertig?“, fragte Aziraphale überrascht und Freude blitzte in seinen Augen auf.

„Ja…ich schätze, das bin ich.“ Merrit lächelte tapfer und er konnte sehen, wie ihre Augen feucht wurden. Dicke Tränen liefen ihr über das Gesicht und er konnte diesen Anblick nicht ertragen. Vorsichtig und etwas unbeholfen legte er den Arm um ihre Schulter. Sofort ließ sie sich daran sinken und schluchzte.

Vom Engel gab es einen Laut, den er nicht deuten konnte und er zuckte nur mit den Schultern.

„Nun, wir sollten keine Zeit verlieren. Der Pharao wird höchst erfreut sein das zu hören!“

„Engel, bist du noch bei Sinnen! So taktlos kenn ich dich gar nicht!“, fauchte Crawley und verengte die Augen zu schlitzen. Wie konnte der Engel jetzt daran denken, wo Merrit hier vor ihnen saß und heulte?

„Du kennst den Pharao nicht und was es mich für Mühen gekostet hat ihn ruhig zu halten. Wenn sie jetzt mitkommt, dann kann er endlich beruhigt sein.“

Crawley schnalzte mit der Zunge. Dabei war er derjenige, der sonst gefühlskalt war und jetzt hatten sie die Rollen getauscht?

„Es ist egal. Er ist auf dem Weg hierher“, murmelte das Mädchen an seiner Schulter und Crawleys Augen weiteten sich.

„Was?“, entfuhr es ihm ungläubig.

„Doch…er ist hierher unterwegs“, bestätigte sie und ihr Blick wanderte in die Ferne, doch sah sie nirgendwo richtig hin.

„Ein Stern wird fallen…“, entkam es aus ihrem Mund und ihre Stimme klang verzerrt, „Ein Wehklagen wird Ägypten überziehen und ein Sturm den Palast niederreißen.“

„Ist es das, was ich denke…?“, flüsterte Aziraphale ehrfürchtig und hob ihr Gesicht vorsichtig an. Merrit blickte durch ihn hindurch als wäre er nicht da. Ihre Augen leuchteten golden auf, von dem Grün war nichts mehr zu sehen.

„Wovon sprichst du?“, fragte Crawley vorsichtig und fuhr mit dem Daumen über ihre feuchte Wange, „Merrit? Sag etwas.“

„Alles wird in Bewegung geraten…“

„Wovon redest du?“, fragte Crawley wieder, doch sie blinzelte benommen und schüttelte den Kopf. Es war das erste Mal, dass er sie so sah. Kein Wunder, wenn Himmel, Hölle und Menschheit hinter ihr her waren. Es war eine echte Prophezeihung, die aus ihrem Mund gekommen war.

Mit beiden Händen hielt Crawley sie fest, während sie sich orientierte.

„Erinnerst du dich, was du grade gesagt hast?“ Aziraphale sah sie neugierig an.

„Ja…“, sagte sie langsam und schloss die Augen. Crawley zog sie instinktiv näher, als könnte er sie beschützen. Vielleicht hatte der Engel Recht und er gewann ein paar Gefühle für dieses Menschenkind.

Aziraphale legte ebenfalls vorsichtig den Arm um sie und er konnte die Wärme des Engels spüren, die sein Herz wieder schneller klopfen ließ.

„Was bedeuten deine Worte?“, fragte das Engelchen.

„Ich weiß es nicht immer…manchmal sehe ich Bilder dazu…oder es sind nur Worte. Manchmal sehe ich die Dinge auch in meinen Träumen“, antwortete sie und seufzte schwer, „Ich weiß nur, dass ich Blut gesehen habe und einen Sturm…ein helles Licht am Himmel und…jemand hat geschrien…“

„Das klingt nicht gut“, sagte Aziraphale besorgt und Crawley nickte zustimmend.

Merrit rieb sich die Stirn als hätte sie Kopfschmerzen.

„Je klarer die Bilder sind, desto mehr ermüdet es mich.“

„Wieso hast du nichts gesagt?“ Crawley konnte den Ärger in seiner Stimme nicht verstecken. Er hätte versuchen können ihr zu helfen.

„Weil du es nicht hättest ändern können. Diesmal waren es nur ein paar Fetzen. Nichts klares.“

Crawley spannte sich ein wenig an, als er die Menschen näher kommen spürte. „Bleibt hier. Ich sichere den Tempel.“ Er löste sich von Merrit und dem Engel. „Engel, pass auf sie auf! Wenn es sein muss mit deinem Leben!“, knurrte er.

Scheiß auf das Abkommen, was Aziraphale mit dem Pharao hatte. Wenn es sein musste, würde er ein dämonisches Wunder wirken, was im Himmel und in der Hölle alle Alarmglocken schrillen ließ, nur um dieses Kind zu beschützen.

Er hatte zum ersten Mal gespürt und gesehen, wie mächtig diese Fähigkeit war und das in den falschen Händen, wäre Katastrophe.

Crawley trat in den vorderen Bereich und ging nach draußen. In der ferne waren Fackeln zu sehen und mit seinen feinen Sinnen konnte er spüren, wie Menschen sich näherten. Es waren nicht wenige.

Ohne Umschweife verwandelte er sich in die riesige Schlange.

„CRAWLEY!“ Die Stimme des Engels ließ ihn umsehen. Panik schwang mit und sofort hämmerte sein Herz. Was war passiert?

„CRAWLEY, komm wieder zurück!“, rief Aziraphale und neben ihm tauchte Merrit auf.

„Bleibt drin!“, zischte er ihnen als Schlange zu.

„Nein, du verstehst nicht!“

Merrit neben dem Engel fluchte und Crawley sah besorgt zu der Menschenmasse, die näher kam. Eine Prozedur, wie sie im Buche stand und Echnaton in einem Streitwagen mitten drin.

Das sah nicht gut aus. Nicht, dass Menschen wirklich gefährlich waren, aber es gab einfach Dinge, die wollte er selbst als Dämon nicht tun und dazu gehörte es, jemanden zu töten.

Töten war…menschlich. Das taten nur Menschen gegenseitig.

„Gott Apophis, ich als Sohn des Aton befehle dir den Weg frei zu machen“, rief Echnaton.

„Du befiehlst?“, fragte die Riesenschlange zurück und zischte, „Das ist mein Tempel. Betrete ihn und deine Männer werden sterben!“

„Ich bin ebenso ein Gott wie du!“, schrie Echnaton zurück, „Ich will nur das Orakel. Schick sie raus und wir müssen nicht kämpfen!“

„Ich sollte gehen“, murmelte Merrit hinter ihm.

„Nein, er hat gesagt, ich soll auf dich aufpassen und das heißt, ich bleibe mit dir hier!“

„All die Wochen wolltet Ihr mich zu diesem Mann schleppen und jetzt nicht mehr?“, fragte sie aufgebracht den Engel und knurrte.

„Naja…ich habe meine Meinung eben geändert…“

Wäre Crawley nicht eine Schlange würde er mit den Augen rollen. Aber das übernahm bestimmt Merrit für ihn.

„Aber die Abmachung?“

„Spielt keine Rolle mehr. Ich habe eben deine Fähigkeiten gesehen und…nun, ich halte es für besser, wenn du hier bleibst…ihr hattet Recht, ich hatte Unrecht…Das ist die Hauptsache.“

„Aber wir müssen ihm helfen und wenn Ihr zu feige seid, dann mach ich das!“

Konnte denn nicht mal einer auf ihn hören?

„Ich warte, Apophis!“, schrie Echnaton dazwischen und Crawley zog seine Aufmerksamkeit zurück zum Pharao.

„Ihr werdet nicht vorbei kommen!“, zischte Crawley und verwandelte sich zurück. Wenn ihn die Schlange nicht beeindruckte, musste er andere Dinge tun. Er brauchte nur einen Moment Konzentration.

Der Pharao deutete auf den Tempel und sofort legten mehrere Männer Pfeile an ihre Bögen.

„Tötet den Gott und diesen verräterischen Priester! Brennt diesen Tempel nieder, aber lasst das Mädchen am Leben“, zischte Echnaton und die Wut der Zerstörung war in seinen Augen zu sehen.

„CRAWLEY!“, schrie der Engel wieder und lenkte seine Aufmerksamkeit auf sich. Ablenkung war grade nicht hilfreich, um den beiden den Arsch zu retten!

„Was ist, verdammt noch mal!“, knurrte er und die Ader an seinem Hals pochte. Dann landete er im Sand und spürte ein Gewicht auf seinem Körper.

Der Dämon spuckte etwas Sand aus.

„Was zum…!“ Er blickte auf Merrit, die halb auf ihm lag. „Merrit...“

Ihr Gesicht war schmerzverzerrt, als er sie bewegte. Sie keuchte vor Anstrengung und Crawley hielt sie im Arm.

„Was hast du getan, Kind?“, fragte er fassungslos und warmes Blut klebte an seiner Hand, als er den Pfeil auf ihrem Rücken betastete.

„Dich gerettet…“, murmelte sie.

„Aziraphale!“, schrie er, doch der Engel hatte sich schützend vor ihnen aufgestellt. Die weißen Schwingen waren weit ausgebreitet und ein warmes Licht ging von ihm aus.

Die Pfeile, die auf ihnen nieder regnen sollten, lösten sich in Luft auf.

„Ich brauch dich hier!“, schrie er, „Du musst…“

„…schon gut“, sagte das Mädchen in seinem Arm und er fühlte, wie dicke Tropfen des warmen Lebenssaftes über seine Hand liefen und in den Sand sickerten.

„Nichts ist gut. Du stirbst.“ Crawley zischte und wagte nicht den Pfeil aus ihrem Rücken zu ziehen. Er presste seine Hand auf die Wunde, als könnte es ihr Leben retten. Er verfluchte sich in dem Moment, dass seine Art Wunder zu wirken anders waren als die des Engels. Er konnte keine Leben retten und das Leben in seinem Arm sickerte zwischen seinen Fingern davon.

„Ich weiß…“ Merrit schloss kurz die Augen und versuchte zu atmen. „Ich habe es jede Nacht gesehen…“

„Du hast deinen Tod gesehen?“

Sie nickte und lächelte. Wie konnte sie lächeln?

„Ich wollte nur…frei sein…es gab so viele Möglichkeiten und am Ende lief es auf diese eine hinaus…als ich hierher kam und dich gesehen habe, wusste ich, dass mir nicht mehr viel Zeit blieb.“

Oh, bei allen neun Höllenkreisen! Sie hatte auf Zeit gespielt. Die Prophezeiungen nieder schreiben zu wollen, waren nur ein Vorwand gewesen, um nicht zu sterben. Er war ein Idiot!

Crowley blinzelte und atmete hörbar ein. „Du hättest es sagen sollen. Wir hätten dich beschützt.“

„Es gab nur die eine Zukunft“, murmelte sie und er drückte sie fester an sich. Er spürte das Leben aus ihr heraus tropfen und mit jedem Tropfen wurde das Mädchen schwächer.

„ENGEL! KOMM HER!“, schrie er, doch der Blick sagte ihm, dass dieser noch mit dem Pharao beschäftigt war. „Scheiße, Scheiße, Scheiße…“

„Ich…ich habe eine Schriftrolle für deinen Freund vorbereitet“, hauchte sie leise.

„Das ist doch jetzt unwichtig!“

„Nein…ist es nicht…er muss sie bekommen.“

„Du wirst sie ihm selbst geben!“

Merrit schüttelte den Kopf und schniefte in seinem Arm. Ihre feuchten Augen wanderten an ihm vorbei und ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen.

„Die Sterne…sie sind wunderschön…du hast wunderbare Arbeit geleistet als Engel, Ba…“

„Sag das nicht…ich bin nicht mehr dieser Engel…das ist lange her…“, hauchte er zurück und seine Stimme war brüchiger als erwartet. Die Erinnerung schmerzte und dass sie ihn lobte für etwas, was tausende Jahre her war, war mehr als er je von Gott zu hören bekommen hatte.

„Nein, du bist ein Dämon der alten Zeit und trotzdem warst du nett zu mir. Danke…du warst der Erste, der nicht an meinen Fähigkeiten interessiert war.“

Crawley spürte ihre warmen Lippen an seiner Wange und wie sie ihre Hand eine Träne wegwischte. Ihre Fingerspitzen waren eiskalt und er umgriff sie.

„Bleib wach. Aziraphale kann dich retten…“, sagte er hoffnungsvoll.

„Du musst mich gehen lassen.“

„Nein…nein, du wirst leben!“, schluchzte Crawley. Merrit schloss die Augen und er konnte sehen, wie schwer ihre Brust sich hob und senkte. „Merrit, sieh mich an!“

„Ich danke dir für die Zeit. Es tut mir leid, dass ich all das nicht eher gesagt habe…ich hatte gehofft, wenn ich es einmal nicht ausspreche, dass…nichts passiert…“, murmelte sie und ihre Lider flatterten, als kostete es sie Kraft sie offen zu halten. „Du bist ein wunderbarer Dämon…ich bin gerne bei dir geblieben. Ich weiß, dass…“ Sie neigte leicht den Kopf und sah zu dem Engel hinüber, der mit einem Wink seiner Hand weitere Leute verschwinden ließ.

Dann sah sie wieder ihn an.

„…du hast ein gutes Herz und es gehört jemanden. Nur nicht mir…Eines Tages wirst du die Schlange sein, die die Welt umarmt. Versprochen.“

„Was redest du da? Das darfst du nicht sagen.“ Crawley verstand es nicht und er wollte ihr widersprechen, in so vielen Dingen widersprechen. Sein Herz gehörte nur ihm selbst! Aber sie durfte nicht auf seiner Seite sein. Ihre Seele, diese unschuldige Seele, würde gradewegs in die Hölle gehen, sobald der letzte Atemzug ihre Lunge verließ! Sie durfte ihm keine Treue oder Liebe schwören.

Und wie sollte er jemals die Welt umarmen? Er war als Schlange zwar groß, aber so groß nun auch wieder nicht!

„Du wirst es irgendwann verstehen…eine Welt ist nicht immer ein Planet“, lächelte sie, als könnte sie seine Gedanken lesen. „Es ist kalt geworden.“

„Sprich jetzt nicht weiter. Bleib einfach wach, ja?“ Die Panik in seiner Stimme ließ sich kaum verstecken und er legte seine Stirn an ihre. Sein Gesicht brannte von den Tränen. „Halte durch“, murmelte er leise und presste die Augen zu. Er hielt ihre Hand fest und murmelte immer wieder ihren Namen, dass sie durchhalten musste und alles gut werden würde.

Die Tropfen an seiner Hand wurden weniger. Die Zeit verstrich und das Mädchen stiller.

„Crawley…?“

„Rette sie, Engel“, flehte er den Weißhaarigen an und konnte ihn kaum erkennen, weil seine Augen so getrübt waren von Tränen.

„Das geht nicht…“

„Wieso nicht?“, schluchzte er.

„Es ist zu spät…“ Aziraphale legte ihm eine Hand auf die Schulter und kniete sich zu ihm. „Sie ist tot.“

Crawley schüttelte den Kopf. Er spürte, wie sein Herz schmerzte. Es war eine merkwürdige Art von Schmerz, die ihn innerlich zerriss. „Nein, das geht nicht…sie kann nicht…sie geht in die Hölle…sie hat…“

„Sie liebt dich, ich weiß. Wir wollten dich warnen, dass du angeschossen wirst. Eben sah sie noch, wie du sterben würdest und hat sich geopfert. Es gab, wieso auch immer, zwei Wege der Zukunft, die sich offenbart haben. Sie lebt und dafür stirbst du, oder…“ Er nickte zu dem Körper in seinem Arm. Merrit sah aus, als würde sie schlafen. „Sie hat sich für dein Leben entschieden.“

„Närrin!“, fluchte er und Aziraphale legte den Arm um ihn, um ihn zu trösten. Crawley ließ den Tränen freien lauf und ließ sie auch nicht versiegen, als ein Blitz in den Sand einschlug und Gabriel auftauchte, während zeitgleich der Boden bebte und sich öffnete. Beelzebub und Gabriel tauschten kurze Blicke.

Crawley machte sich keine Mühe sich von dem Mädchen oder Aziraphale zu lösen.

„Die Seele gehört uns!“, sagte der Herr der Fliegen.

„Nein, ganz entschieden nein“, grinste Gabriel siegessicher.

„Ach und wieso? Sie hat sich dem Dämon zugewandt…auf dem Sterbebett!“

„Und sich für ihn geopfert. Ein selbstloses Opfer für andere ist mehr Wert als der Treueschwur zu einem Dämon, „Sieg für uns!“

„Nein, das glaube ich nicht!“, fauchte Beelzebub Gabriel an und sah zu Crawley, „Gib mir das Mädchen. Ich nehme sie direkt mit.“

„Nein…das tust du nicht. Du gibst sie mir, Dämon.“

War das wirklich deren ernst?

Merrit war nicht mal eine Stunde tot und diese Idioten hatten nichts Besseres zu tun als über ihre Seele zu streiten?

„HALTET DIE KLAPPE!“, schrie Crawley wütend und Aziraphale wich vor ihm zurück. Er presste Merrit an sich und seine Giftzähne drangen hervor. Ein Blitz erhellte den dunklen Himmel und der Wind erhob sich über das Land.

Donnergrollen zog über den Himmel und die Blitze schlugen zu, während ein Schrei seine Kehle verließ.

Sein Wehklagen überzog das Land und sein Sturm tobte die ganze Nacht, während der Dämon das erste Mal Trauer spürte.

Kapitel 5 – Erlöse uns

Menschen.

Wie konnte es sein, dass Hiob Fragen stellen durfte? Wie konnte es sein, dass er Gott infrage stellen durfte und dennoch von ihm geliebt wurde? Wie konnte es sein, dass Gott Hiob nie verstoßen hatte für sein „Warum“? Wieso hatte ein Mensch die Möglichkeit bekommen Fragen zu stellen?

Wie konnte Gott sie dennoch lieben, obwohl sie ihn infrage stellten?

Wie konnten diese Kreaturen sich gegenseitig diese Grausamkeiten antun und dennoch geliebt werden? Wie konnten sie sich diese Dinge antun?

Menschen.

Sie waren grausam untereinander, versklavten sich gegenseitig und glaubten besser zu sein, als der andere. Sie töteten aus Spaß Tiere. Sie töteten sich gegenseitig.

Keine Spezies von Gott tat sich all das. Nur Menschen. Nur Menschen waren so selbstsüchtig, so herablassend, so egoistisch. Sie glichen mehr als einmal Dämonen. Ihr Einfallsreichtum kannte keine Grenzen.

Nur Menschen töteten aus Rache oder opferten sich für andere.

Der Dämon, der am Nilufer saß, schloss kurz die Augen und wischte sich über die Augen. Kurz zuckte die Erinnerung durch seinen Kopf, wie das warme Blut an seiner Hand herablief und die Lippen seine Wange berührten. Das sanfte Lächeln würde er nicht vergessen.

Wieder fuhr er sich über die Augen und starrte auf seine nackten Füße, die vom Wasser sanft bis zu seinen Knöcheln umspielt wurden.

So viele Fragen waren in seinem Kopf. So viele ungestellten Fragen und so viel Schmerz hing in seiner Brust, dass er nicht wusste, was er tun sollte.

Die Erinnerung zerriss ihn innerlich immer noch und er konnte nicht verstehen, wie Merrit sich hatte für ihn entscheiden können. Wie hatte sie ihr Leben für seines opfern können? Wie hatte sie so leichtfertig diese Entscheidung treffen können?

Wie hatte sie ihn…lieben…können?

Er war ein Dämon! Ein Werkzeug Satans. Er war unverzeihlich, ungeliebt von Gott und verstoßen. Ein Nichts! Und doch hatte sie Gefühle für ihn gehabt! Und doch hatte diese Seele den Weg an seiner Seite gewählt. Wofür?

Um nirgendwohin zu können? Um für immer zwischen den Welten gefangen zu sein?

Menschen waren Narren! Die größten Narren, die Gott je geschaffen hatte!

Seine Arme schlangen sich um seinen Körper und er ließ den Kopf hängen. Die roten Haare fielen in sein Gesicht und er war dankbar, dass ihn niemand so sah, ansprach und auch niemand in seiner Nähe war, während er weinte und die Tränen über seine Wange liefen.

Crawley hatte den Engel so lange nicht mehr gesehen und er hatte sich geschworen, sich von ihm fernzuhalten. Es nahm kein gutes Ende, wenn sie zusammenarbeiteten. So schmerzlich es für ihn auch war, aber er musste von Aziraphale wegbleiben. Sie waren Feinde und keine Freunde. Sie standen auf unterschiedlichen Seiten und so gerne er sich auch mit dem weißhaarigen Engel abgab, gab es keine Hoffnung für sie. Es gab keine Hoffnung dafür, dass dieses Kribbeln in seinem Bauch zu etwas Gutem führen würde.

Dämonen waren hoffnungslos.

Dieses Kribbeln musste eine Warnung sein! Etwas anderes konnte es nicht sein. Eine Warnung vor dem Engel und dass es nur Chaos geben würde. Es würde nur Schmerz für ihn bedeuten. Vielleicht einen schlimmeren Schmerz als er jetzt in seiner Brust fühlte, weil er den Engel mied und alleine zu sein hatte ihm doch bisher auch nichts ausgemacht.

Er stand auf seiner Seite.

Nicht auf der Seite des Himmels oder die der Hölle. Er tat das, was er tun konnte für die da unten. Mehr aber auch nicht.

Crawley rieb sich über die Stirn und fragte sich, ob Menschen auch so litten, wenn sie jemanden verloren. Rasierten sich die Ägypter deshalb die Augenbrauen ab, wenn ihre Hauskatze starb?

Gab es deshalb immer so ein riesen Theater, wenn jemand starb? Wollten sie deshalb alles weltliche mit ins Grab nehmen, weil es ihnen schwer fiel sich davon zu lösen?

Hatten sie deshalb diese Riten, um sich besser davon zu lösen?

Crawley verstand diese Dinge nicht. Er hatte sie nie verstanden. Schon als die Menschen die ersten Gräber ausgehoben, Schmuck beigefügt hatten oder andere Dinge, hatte er sich gefragt, wofür.

Jetzt wünschte er sich, er hätte Merrit eine bessere Bestattung schenken können. Etwas, was ihrem Glauben entsprach.

Andererseits hatten sie nie darüber gesprochen, ob sie an Gott glaubte oder an die anderen Götter, die die Ägypter verehrten. Sie hatte immerhin gewusst, wer er einst gewesen war. Hatte sie da je an irgendwas geglaubt?

Er war so darauf aus gewesen, sie auf Abstand zu halten, dass ihm nun auffiel, dass er kaum etwas über sie wusste und ein wenig bereute er es, dass er ihren Körper im Beisein des Engels einfach nur verbrannt hatte, statt sie zu mumifizieren.

Hätte er vielleicht etwas zum Abschied sagen sollen? Eine Rede oder sowas? Gebete waren nicht sein Ding und er hatte diesen Part gerne dem Engel überlassen. Jetzt bereute er es, dass er nichts gesagt hatte.

Es konnte doch nicht wahr sein, dass der Tod eines Menschen ihn so aus dem Ruder warf. Ein Mensch war nichts im Leben einer übernatürlichen Identität, wie er es war. Jeden Tag starben Menschen. Jeden Tag wurden Neue geboren.

In seinem Leben ihre begrenzte Zeit nur ein Wimpernschlag. Er konnte sich jahrelang schlafen legen und in dieser Zeit war ein Baby zu einem alten Mann geworden.

Doch dieser Verlust ging ihm nahe.

Sie war so jung gewesen…so voller Leben.

Crawley schüttelte den Kopf.

Schluss. Aus. Es reichte langsam!

„Crawley?“

Der Dämon zuckte zusammen und zischte schnappend nach dem Besucher. Seine Giftzähne gruben sich in die weiche Haut und der Schmerzenslaut von Aziraphale hallte über das Ufer. Warmes Blut benetzte seine Zunge.

Crawley starrte mit weit aufgerissenen gelben Augen auf den Engel, dessen Hand in seinem Mund steckte.

Fassungslos sah er in die blauen Augen und ließ Aziraphale ab. Stolpernd wich er rücklings zurück und wattete tiefer in den Nil hinein. Abstand!

Er musste Abstand zu dem Engel nehmen.

Panisch sah er den Engel an, der sich die Hand hielt und versuchte das Blut zu stoppen. Er konnte seine Bisswunden sehen.

„Scheiße!“, fluchte er und sah leicht betreten weg. Was hatte er getan?

„Das erste Mal in dreißig Jahren sehen wir uns wieder und du beißt mich?“, fragte Aziraphale vorwurfsvoll, „Was ist mit unserem Schwur?“

„Ich…“ Er konnte nicht sagen, dass es ihm leidtat. Das tat es, doch er konnte es nicht sagen. Wie viel Schwäche würde das nur offenbaren, wenn er sich bei einem Engel entschuldigte?

„Werde ich jetzt dank dir sterben?“

Crawly schwieg und atmete nur schwerer. In seinem Magen flatterte es wieder und darunter mischte sich sein schnell schlagendes Herz.

„Du kannst nicht erwarten mich aus den Gedanken zu reißen und nicht von einer Schlange gebissen zu werden! Jeder weiß, dass man Schlangen nicht erschrecken soll!“, erwiderte er brummend und presste die Lippen aufeinander zu einer schmalen Linie. Er starrte auf die Hand des Engels und kam vorsichtig näher, um diese zu nehmen.

„Halt jetzt still, Engel und atme tief durch“, sagte er gepresst. Mit der anderen Hand strich er über die Wunde und ließ sie verschwinden. „Mein Gift kann dich in Minuten töten und keine himmlischen Wunder könnten das verhindern. Ich bin der Einzige, selbst unter den Dämonen, der mein Gift heilen kann. Merk dir das für die Zukunft und was unseren Schwur angeht…“ Er dachte für einen Moment zurück. „Das war kein Einsatz, Engel. Wir haben uns so getroffen, ohne Auftrag. Also zählt das nicht. Das nennt man Grauzone.“

Crawley lächelte gepresst.

„Du bist ein böser Dämon.“

„Hast du etwas anderes erwartet?“

„Es wäre…wirklich nett, wenn du mich nicht wieder beißen würdest.“ Die blauen Augen sahen ihn eindringlich an und Crawley konnte nur leise und betreten zischen.

„Erschreck mich einfach nicht und ich beiße dich nicht“, murmelte der Dämon und fuhr sich durch die Haare. Er sah etwas zerknirscht aus.

Er war so in Gedanken und in den Gefühlen versunken, dass er nicht mal mitbekommen hatte, wie der Engel sich näherte. Normalerweise war die Anwesenheit für ihn wie ein Leuchtfeuer. Er spürte es sofort und er konnte den Engel riechen. Doch jetzt war es so anders gewesen.

„Was willst du eigentlich hier?“ Er wischte sich über die Augen und setzte weiterhin seine mürrische Mine auf, ehe er zurück watete. Trotzig ließ er sich auf den Platz nieder, wo er bis eben gesessen hatte bis das Engelchen aufgetaucht war.

„Ich habe dich ewig nicht gesehen“, fing der Engel vorsichtig an und folgte ihm. Seine Hände kneteten den Stoff seines weißen Gewandes. „Der Tempel ist verlassen und…nun ähm…ich dachte, ich sehe mal nach dir.“

„Und wozu?“

„Das letzte Mal ist es nicht gut geendet.“ Aziraphale sprach vorsichtig mit ihm und rieb sich über die genese Stelle an der Hand.

„Das ist es jetzt auch nicht, Engel.“

„Du weißt, was ich meine…“ Aziraphale sah ihn besorgt an und setzte sich vorsichtig an seine Seite. Er hörte ihn atmen und offenbar nach den richtigen Worten suchen. „Ich hatte Sorge, dass du…“

„Was?“

„Einsam bist.“

„Einsam?“, schnaubte Crawley, „Ich bin nicht einsam.“

„Du hast schon mal gelogen.“

„Ich bin ein Dämon. Ich lüge ständig“, erwiderte er kühl.

„Und gibst du dich immer noch als Apophis aus?“

„Du stellst ziemlich dumme Fragen, Engel.“

„Ich wollte nur etwas Konversation betreiben.“

„Nun, dann lass es.“ Wieder presste er die Lippen zusammen, fest entschlossen den Engel auszuweichen und schnell wieder los zu werden, ehe die nächste Katastrophe auf ihn einbrach. Doch irgendwie hatte er das Gefühl, dass das nicht so einfach werden würde.

„Weißt du…ich verstehe es ziemlich gut.“

„Was verstehst du gut?“

Kurz warf Crawley dem Engel einen fragenden Blick zu.

„Nun, was in dir vorgeht.“

„Ach und was geht in mir vor?“ Fragend hob er eine Augenbraue und verzog spöttisch das Gesicht zu einem Grinsen.

„Wir sind solange hier unter den Menschen…wir essen und trinken das gleiche wie sie, wir passen uns ihnen an und meinst du nicht, dass es sein kann, dass…naja…sie ein wenig auf uns abfärben?“

„Abfärben?“

„Ja…Wir tun fast genau die gleichen Dinge wie sie. Wir beide verstehen die Menschen und damit auch…“ Vorsichtig sah Aziraphale den Dämon an und verzog nachdenklich die Stirn in Falten. „Die Gefühle, die sie haben. Du trauerst, mein Lieber.“

„Trauern? Ich? Engel, hast du zu viel Weihrauch geschnüffelt?“

„Was? Nein! Obwohl Weihrauch ziemlich gut riecht…“ Der Engel merkte, dass er dabei war abzuschweifen und schüttelte den Kopf. „Darum geht es aber nicht. Fakt ist, dass du trauerst. Du ziehst dich zurück, du hast den Tempel hinter dir gelassen…ich höre nichts mehr von dir…“

„Und wenn schon? Nichts ist für die Ewigkeit“, wank er ab und grub seine Zehen in den weichen Matsch der Erde. Er vergrub sie so tief er konnte und wenn er nicht doch ein wenig die warme Sonne bräuchte, dann würde er sich auch unter der Erde verkriechen und sehr, sehr lange nicht mehr herauskommen. „Ich sollte gehen. Diese Unterhaltung ist lächerlich.“

„Crawley, bitte. Bleib hier.“

Crawley grummelte. Er würde nie gehen können, wenn der Engel ihn darum bat zu bleiben. Wieso musste dieses himmlische Geflügel nur so eine Macht über ihn haben?

„Es ist nicht schlimm, wenn man trauert“, fuhr der Engel fort, „Jeder verarbeitet es auf seine Weise, aber ich möchte, dass du weißt, dass das Leben weiter geht. Nur weil Merrit gestorben ist, stirbt nicht die ganze Welt.“

Sanft legte sich die Hand des Engels an seine Wange und drehte sein Gesicht zu ihm. Die andere Hand legte sich um seine Schulter. Aziraphale zog ihn näher und sein Kopf ruhte mit einem Mal an der Brust des Engels.

„Was hast du vor?“

„Dich trösten“, sagte der Engel sanft, „Den Menschen hilft es über die Person zu sprechen, die sie verloren haben. Frauen ändern oft ihre Frisuren bei Veränderungen…manchmal hilft es das Grab zu besuchen.“

„Es gibt kein Grab von ihr. Wir haben ihre Asche vom Wind davontragen lassen“, knurrte er.

„Dann sprich…ähm…zu…“

„Gott? Verzichte!“

„Crawley, ich will dir nur helfen!“

„Engel, lass mich doch einfach trauern“, sagte er ergeben. Ein warmer Wind wehte über das Nilufer und brachte etwas Abkühlung zwischen der Hitze. So nah bei dem Engel zu sein hatte den Vorteil, dass er dessen Herzschlag hören konnte.

Interessant, dass Engel noch ein Herz besaßen nach der Rebellion. Er hatte gedacht, dass Gott ihnen all das genommen hatte, damit sie wieder brave Werkzeuge waren. Aber da schlug es. Kräftig und gleichmäßig.

„Was…ähm…was ist passiert, nachdem Beelzebub dich mitgenommen hat? Der Blitzeinschlag war…nun…nicht grade ungefährlich, um es vorsichtig zu sagen.“

Crawley konnte den fragenden Blick auf sich spüren und er blinzelte ein paar Mal.

„Das, was die Hölle eben mit jemanden macht, der nicht brav gehorcht“, wicht er der Antwort aus.

„Sie haben dich bestraft.“ Es war keine Frage. Nur eine Feststellung.

Crawley wollte nicht darüber sprechen, was passiert war, wie die Strafe aussah oder welche Schmerzen er gehabt hatte. Der Engel musste nicht alles wissen. Doch instinktiv wanderte seine Hand zu seiner Schulter.

„Hast du…schmerzen? Ich könnte dich heilen?“, schlug Aziraphale vorsichtig vor und Crawley schnaubte.

„Tu, was du nicht lassen kannst, Engel.“ Er könnte nein sagen und am Ende würde Aziraphale doch seinen Willen bekommen. Er war machtlos gegen ihn. Egal, auf welcher Art und Weise sie sich trafen und das Problem war, dass es diesem Engel nicht mal bewusst war, wie viel Macht er über ihn hatte.

Crowley spürte ein warmes Kribbeln in seinem Körper als die heilenden Kräfte von Aziraphale durch ihn hindurch flossen, die Narben mit sich nahmen und den Schmerz verschwinden ließen.

Tief atmete Crawley durch.

„Bist du jetzt bereit das Papyrus von ihr zu lesen?“

Crawley runzelte verärgert die Stirn. „Nein. Ich will keine Erklärungen dafür, wieso Merrit ihr Leben geopfert hat. Ich werde es nicht verstehen können. Das ist für mich unbegreiflich.“

„Mag sein. Aber du hättest ein Andenken an sie. Sie war wie eine Tochter für dich.“

„Red keinen Käse!“

„Dann halten wir die Fakten doch mal zusammen…du hast sie aufgenommen, hast auf sie aufgepasst, sie versorgt…Crawley, ob du es glaubst oder nicht, Kinder sind deine Schwäche. Du kannst keine Kinder leiden sehen. Das ist mir seit der Flut klar.“

Der Dämon gab ein Zischen von sich.

Verdammter Engel!

„Und mir geht es genauso. Ich weiß, ich habe einen Fehler gemacht und sie hat mir nicht so vertraut wie dir, aber…ich glaube, so müssen Eltern leiden, wenn sie ihr Kind verlieren. Wir waren wie ihre Ersatzeltern.“

Crawley würde es nur über seine Leiche zugeben, aber der Engel hatte vielleicht Recht. Das dunkle Loch in seiner Brust war schmerzhaft und wenn er gekonnt hätte, hätte er das Mädchen in Gänsefedern gepackt und sie vor allem bewahrt. Vor allem vor den Alpträumen und den Visionen.

War das so ein väterliches Ding? Taten das Eltern? Er hatte keine Ahnung.

Crawley schnaubte nur. Er war kein Vater oder der väterliche Typ. Er war ein Dämon und bestimmt keine Ersatzmutter oder -vater mit dem Engel zusammen!

„Langsam wird es peinlich, Engel“, murmelte er und schloss kurz die Augen. Der Engel strich sanft über seine Wange und die Tränen weg, die ihm dort hinab liefen.

„Das muss dir nicht peinlich sein. Trauer ist etwas völlig normales und Merrit hat das alles auch gesehen. Sie sagte mir auch, wo ich dich finden werde.“ Er klang ein wenig stolz und

Crawly runzelte die Stirn und richtete sich wieder auf, um den Engel anzusehen.

„Wie meinst du das, sie hat es gesehen und dir gesagt, wo ich bin?“

„Sie hat doch die Papyri geschrieben und darin einige Dinge festgehalten für die Zukunft. Bisher war alles recht präzise, wie der Untergang von Atons Kult“, sagte Aziraphale, „Leider. Sie hat also wirklich daran gearbeitet. Sie schrieb sogar auf, wann und wo ich dich finde.“

„Und wozu?“, fragte er verärgert und zog die Nase hoch. Der Kloß in seinem Hals saß ziemlich fest. Müde rieb er sich über die Augen.

„Nun…um dich aufzubauen und…“

„Was willst du, Engel?“

Der Seitenblick zu Aziraphale verriet Crawley, dass es nicht nur um Trost ging und er zog die Augenbrauen enger zusammen. Der weißhaarige Engel knetete nervös den Stoff seines Gewandes.

„Willst du Sklaven befreien?“, fragte er vielsagend nach. Genau das würde zu Aziraphale passen. Sklaven befreien und Gutes tun. Wenn er genau in der Luft schnupperte, dann lag diese Veränderung sogar in der Luft.

„Die Hebräer haben es nicht leicht…“, murmelte der Engel und fuhr sich unruhig über den Nacken, „Sie flehen nach Erlösung.“

Er nickte den Nil entlang. Crawley folgte dem Blick und konnte ein Schiff sehen, was sich näherte und was beladen war mit Steinquadern aus einem Steinbruch. Sklaven saßen am Ruder und brachten die Ladung voran. Wenn er genau darauf achtete, dann konnte er sogar die Trommelschläge hören, die die Sklaven antreiben sollten, neben den Peitschenhieben.

„Weißt du…ich wollte dich um Hilfe bitten“, gestand der Engel. Crawley hob die Augenbrauen und lehnte sich fragend zurück.

„Mir ist zu Ohren gekommen, dass der Pharao nicht erfreut ist über die Zahl der Sklaven und Merrit…sie schrieb, dass der Nil geflutet wird mit den Tränen der hebräischen Frauen.“

„Verlässt du dich wirklich auf ihre Vorhersagen?“, fragte er ungläubig und verengte ein wenig die Augen.

„Wieso nicht?“

„Dann benutzt du sie doch genau dafür, wovor wir sie versteckt haben!“, knurrte er und stand entschieden auf. Wie konnte der Engel so respektlos sein und handeln? Hatten sie sie nicht versteckt, damit niemand ihre Fähigkeiten nutzen konnte für seine Seite? Und der Engel tat genau das!

„Aber sie hat es mir selbst hinterlassen!“ Aziraphale griff nach seinem Handgelenk. Er hielt ihn fest und wunderte eine Schriftrolle hervor. „Sieh es dir an. Bitte.“

Crawley warf dem hingehaltenen Papyrus nur einen knappen Blick zu und riss seine Hand fort. So sehr er den Engel mochte und dessen Nähe, trieb er ihn manchmal in den Wahnsinn!

Letzteres schien eine besondere Kunst von ihm zu sein. Vor allem jetzt.

„Siehst du!“, sagte der Engel nachdrücklich, „Sie hat es nur für mich geschrieben. Niemand weiß davon, außer du und ich.“

Crawley schnaubte und verschränkte die Arme vor der nackten Brust. „Nein, Engel! Wir haben so viel dafür riskiert, dass keiner etwas über die Zukunft erfährt, und du benutzt das!“

„Crawley…“

„Ich habe nein gesagt! Lass Merrit in Frieden Ruhen. Lass dieses Mädchen einfach eine Erinnerung sein.“ Er fing an herum zu laufen und Spuren im Sand zu hinterlassen. „Engel, wenn diese Schriftrolle in die falschen Hände kommt, haben wir ziemliche Probleme und ich stehe nicht unbedingt auf Höllenqualen. Es mag nützlich erscheinen, aber willst du wirklich alles über Bord werfen, um ein paar Sklaven zu befreien?“

„Wir könnten damit versuchen…“

„Ich habe mir hier eine friedliche Existenz geschaffen, die durch die letzte Aktion ziemlich den Bach runter gegangen ist. Daher ist es umso wichtiger, dass wir nicht in der Nähe sind, wenn wieder eine Katastrophe passiert, die sich die Menschen selbst ausdenken!“

„Ich dachte nur…“

„Was? Dass wir wieder zusammenarbeiten?“ Crawley rieb sich die Stirn und über die Augen. Die Wunde in seinem Herz tat erneut weh und kurz schüttelte er leicht den Kopf, um dieses komische Gefühl von Zufriedenheit und Glück bei der Erinnerung abzuschütteln.

„Na gut. Wenn du mir nicht helfen möchtest, dann…es steht dir frei zu gehen.“

„Zu gehen? So machst du das also, Engel? Du vertreibst mich von dem Platz, den ich mir gesucht habe und versuchst mich mit Nettigkeiten rumzukriegen?“

„Nein! Ich möchte doch nur, dass du mir hilfst! Irgendwas wird mit den Kindern passieren und…“ Der Engel ließ den Kopf hängen. „Wenn du nicht willst, dann nicht. Ich kann dir nicht aus der Trauer helfen, wenn du es nicht auch willst…und dich zwingen mir zu helfen erst Recht nicht.“

„Ganz genau! Ägypten ist für mich erledigt. Du wirst das alleine machen!“ Damit stapfte er davon, fest entschlossen dieses Land zu verlassen und dem Engel weiter aus dem Weg zu gehen.

Crawley stapfte zischend und wütend davon. Er ärgerte sich über den Engel und dachte über dessen Worte nach. War es wirklich so simpel? Färbten die Menschen wirklich so stark auf ihn ab, dass er väterliche Gefühle hatte und trauerte?

Eigentlich sollte er doch als übernatürliches Wesen zu so etwas gar nicht in der Lage sein. Erst recht nicht als Dämon!

Wieder zischte er und schnalzte mit der Zunge. Wo könnte er hin, wo der Engel ihn nicht fand? Im Norden war es kalt und…

Crawley wurde aus den Gedanken gerissen, als ihn jemand unsanft zur Seite schob. Er landete hart gegen einen Stand von einem Obsthändler und ein paar Früchte fielen zu Boden.

Wütend sah er die Person an und wollte schon losknurren, als er die gelben Augen aufriss. Eine Armee aus Soldaten bahnte sich einen Weg durch die Straßen Richtung Außenbezirke, wo die Sklaven und Arbeiter ihre Unterkünfte hatten.

Sie waren bewaffnet und mit einem Mal hatte er Merrits Stimme im Ohr, gepaart mit den Worten von Aziraphale, dass Tränen der hebräischen Frauen den Nil fluten würden.

Kinder…es ging um Kinder und die Erkenntnis, was passieren würde, schlug über ihn herein, dass er lautstark fluchte.

Warum immer Kinder? Warum die Unschuldigen?

Crawley ignorierte den Mann und folgte den Soldaten mit eiligen Schritten. So wie er den Engel kannte, würde dieser mit Sicherheit nicht weit sein.

„Aziraphale?“, rief er sobald er die heruntergekommene Gegend betreten hatte. Irgendwo musste dieser stecken. Wenn er diesen Menschen helfen konnte, dann würde er nicht weit sein und hoffentlich nicht in Schwierigkeiten stecken.

Der Schrei einer Frau erfüllte die Luft, gefolgt von einem Wehklagen, dass ihm Mark und Bein gefror.

Der Soldat, der aus einer Hütte kam, hatte einen blutigen Säbel in der Hand und einen Sack dabei.

Crawley wurde schlecht und er musste sich die Hand vor den Mund halten. Weitere Schreie, Flehen und Hilferufe erfüllten die Gassen. Eine Stimme nach der anderen erhob sich.

Wie wollte der Engel das verhindern?

„Aziraphale!“, rief er und sah sich panisch um. „Bei allen Höllenkreisen…wo bist du?“

Seine gelben Augen suchten die Straßen ab. Er lief vorbei an den Häusern und tiefer in das Armenviertel der Sklaven, vorbei an schiefen Türen und Fenstern.

Sein Herz hämmerte panisch. Was für einen verrückten Plan hatte der Engel nur da im Sinn?

Irgendwo hörte er ein Baby schreien und kurz darauf verstummen.

Crawley versuchte sich zu ermahnen, dass Panik nicht hilfreich war. Wenn er sich stark genug konzentrierte, dann konnte er vielleicht spüren, wo der Engel sich aufhielt. Unruhig fuhr er sich durch die Haare und versuchte die Schreie auszublenden. Seine Atmung ging schneller. Im Hinterkopf hatte er immer den Gedanken, dass dieser Engel ein Talent dafür hatte sich in Schwierigkeiten zu bringen.

„Wo steckst du?“, murmelte er leise und ließ die Vibrationen vom Boden durch seinen Körper gleiten. Irgendwo musste er sein und da war auch das bekannte Gefühl in der Luft. Die Wärme und Hoffnung, die er ausstrahlte.

Wenn er sich auf dieses Gefühl konzentrierte, musste er ihn finden.

Crawley öffnete seine Augen und lief los.

Er schlich durch die Nebengassen und folgte diesem Gefühl bis er einen weißen Haarschopf sah.

Endlich!

Doch, was er sah, war nicht gut. Der Engel war kurz davor entkörpert zu werden. Der Soldat stand mit blutigem Säbel vor ihm und obwohl der Engel unbewaffnet war, hatte er sich vor eine Frau mit ihren beiden Kindern gestellt. Im Arm hatte sie ein Bündel.

Crawley zischte und noch während er zu dem Engel lief, ließ er seinen Körper zu der großen Schlange werden. Elegant glitt er über den Boden und bäumte sich auf.

Er blickte auf den Soldaten nieder und entblößte seine Fänge.

„Crawley“, hörte er hinter sich ein erleichtertes Seufzen, doch er ließ sich nicht ablenken und schnappte nach dem Mann, der aufschrie und rückwärts auf dem Boden fortkroch.

Crawley verengte die Augen und wartete noch einen Moment bis er sich zurückverwandelte.

„Ich wusste, dass du wiederkommst“, sagte der Engel hinter ihm und mürrisch zischte er zur Antwort. War er so berechnend?

„Verlass dich aber nicht jedes Mal darauf. Wieso wirkst du kein Wunder und alle sind in Sicherheit?“

„Das wäre ein viel zu großes Wunder. Das wäre über meine Möglichkeiten“, murmelte der Engel verlegen und Crawley seufzte. Er sah kurz zu der dunkelhaarigen Frau, die ihre ihre Kinder schützend umklammerte, als könnte er sie alle gleich fressen. Als ob er Menschen essen würde!

Dann schnippte er mit dem Finger und verzog schmollend das Gesicht. „Geht einfach. Ihr werdet vor den Blicken der anderen geschützt sein“, schnalzte er zischend.

„Was ist mit dir? Was ist mit den…anderen?“, fragte Aziraphale besorgt und fast flehentlich.

„Mach dir um mich keine Sorgen“, schnaubte der Dämon und warf einen Blick über die Schulter, was er sofort bereute. Diese blauen Augen und dieser Hundeblick schon wieder! „Sei froh, dass du dieser Frau helfen kannst. Es sind zu viele und ich kann nichts tun, ohne dass die Hölle davon erfährt.“

Kurz sah er zu der Frau und dann wieder zum Engel.

„Und was sollen wir dann tun?“

„Begleite die Frau einfach und hör nicht zu genau hin. Ein gerettetes Leben ist genauso viel wert, wie eine ganze Welt.“

„Aber die anderen…“

„Engel, wir sind nur zu zweit! Entweder wir bringen jetzt die Frau hier raus oder wir gehen beide drauf! Also beweg dich jetzt, ehe ich es mir anders überlege!“

Der Engel sah ihn an, als hätte er drei Köpfe bekommen und Crawley sah ihn mahnend an, damit er sich endlich bewegte.

Nach einer gefühlten Ewigkeit nickte Aziraphale endlich und legte eine Hand auf die Schulter der Frau.

„Keine Sorge, wir können ihm vertrauen. Aber wir müssen los.“

Die junge Mutter sah sie zweifelnd an und nickte dann aber. Die Angst zu sterben oder dass sie ihre Kinder verlieren würde, schien sie eher anzutreiben als die Absicherung, dass ihnen nichts passieren würde. Ihre Lippen bewegten sich immer wieder, als würde sie still und leise vor sich hin beten.

Ihm sollte es egal sein, solange der Engel in Sicherheit war und sie hier aus dem Massaker verschwinden konnten. Sein Wunder würde auch irgendwann verschwinden und nicht ewig halten. Es sollte sie nur vor den Soldaten schützen.

„Warum die Neugeborenen?“, fragte er den Engel, während sie der Frau folgten und sich immer wieder umsahen.

„Nach dem, was ich weiß, sind die Hebräer zu zahlreich geworden“, erklärte Aziraphale betrübt.

„Und dann tötet man Neugeborene?“ Er zischte ungläubig und schüttelte den Kopf. „Und da sagt man, dass wir böse wären.“

„Wer weiß, welcher Dämon da seine Finger im Spiel hatte.“

„Schau mich nicht so an. Ich war es bestimmt nicht und ich versichere dir, ich bin aktuell der einzige Dämon in der Gegend.“

„Ich glaube nicht, dass die Menschen sich das selbst ausdenken…“

Crawley schenkte sich die Antwort. Eigentlich hatte der Engel selbst erlebt, wie Menschen Worte auslegen konnten und darunter hatten die Ägypter viele Jahre gelitten. Zu Streiten würde auch nichts bringen. Sie konnten den Kindern nicht helfen und alles, was er tun konnte, war sie hier raus zu bringen.

Crawley führte sie durch die Gassen und raus aus dem Viertel. Je mehr sie die Häuser hinter sich ließen, desto leiser wurden die Stimmen, die Schreie und den Hilferufen.

„Wir sollten gehen, Engel“, murmelte er, als sie die Mutter und ihre Kinder aus dem Viertel gebracht hatten.

„Nein, wir müssen bleiben. Sie wird es aussetzen. Wir müssen dafür sorgen, dass es gefunden wird.“

„Bin ich eine Hebamme?“, fragte Crawley ungehalten und schüttelte den Kopf, „Nein, Engel, nein…schau mich nicht so an. Ich habe schon genug…Gutes…getan für einen Dämon.“

„Aber könntest du nicht…?“

„Was?“

„Dafür sorgen, dass es sicher ist.“

„Ist das nicht eher deine Sache, Engel?“

„Ich meinte…dich als…Apophis.“ Bittend schauten ihn die blauen Augen an und sein Blick wanderte zu der Frau, die in den Fluss gelaufen war. Der Korb mit dem Kind schwamm vor ihr und sie summte ein Schlaflied. Am Ufer standen ihre beiden Kinder und sahen dem Abschied zu, wie sie den Deckel über das Baby legte. Immer wieder hörte er ihre Gebete, dass der Fluss das Kind beschützen und zu einem Ort bringen möge, wo es frei leben konnte.

„Als Apophis würde man sicherlich auf dich hören!“, führte der Engel fort und Crawley spürte die warme Hand des Engels auf seiner.

„Du schuldest mir für heute eine ganze Menge und ein Wein ist da nicht ausreichend“, sagte er und versuchte streng zu klingen, was Aziraphale kaum zu bemerken schien. Die blauen Augen blickten ihn noch immer hilfesuchend an und Crawley wandte sich ab, um ins Schilf zu gehen.

Der Engel folgte ihm.

„Was hast du vor? Bitte…hilf ihr…dem Kind…Der Fluss ist voll von Krokodilen und die Nilpferde…und die Schiffe. Was, wenn es zerquetscht wird!“

„Wenn du so weiterredest, ändere ich meine Meinung“, brummte er und drehte sich noch mal um, halb in der Verwandlung steckend zu der großen schwarz-roten Schlange. Sein Unterleib hatte bereits die Schlangenform angenommen, während sein Oberkörper noch der eines Mannes war. „Warte hier bis ich zurück bin. Ich schaue, wo ich es hinbringen kann und komme wieder.“

Der hoffnungsvolle Blick des Engels ließ seinen Magen kribbeln und er ärgerte sich insgeheim über sich selbst, dass der Engel es wieder einmal geschafft hatte, dass sie zusammenarbeiteten.

Crawley schnalzte mit der Zunge, als er ins Wasser glitt. „Bin ich eine Wasserschlange…?“, murmelte er vor sich hin, „Nein, ich bin eine Wüstenschlange. Ich mag warme Orte. Kein stinkendes Nilwasser! Habe ich Kiemen? Nein. Aber was tue ich hier? Ich schwimme im Nil und rette ein Kind…“

Sein wütendes Gemurmel ging in ein paar Luftblasen unter als er sich gänzlich verwandelte und Richtung Korb mit gleitenden Bewegungen glitt. Mit seiner Nasenspitze stupste er den Flechtkorb an und trieb ihn in vor sich her.

Wie sollte er einen sicheren Ort finden? Was hieß sicher? Er könnte den Korb irgendwo zwischen den Binsen verstecken und warten, dass das Menschen ihn fanden. Oder er brachte das Kind zum Hafen. Dort gab es genug Händler und Menschen, dass es sicher sein konnte.

Andererseits…

Würde er grinsen können als Schlange, würde er grinsen. Ja, das war ein perfekter Plan. Sicher und frei.
 

„Alles erledigt, Engel“, sagte er, als er zurück zum Ufer kam und sich langsam zurückverwandelte. Das Wasser ließ ihn etwas frieren.

Die Sonne hatte ihren höchsten Stand längst hinter sich gelassen und war bereit unterzugehen.

Der Engel stand mit dem Rücken zum orange-roten Licht und seine blauen Augen leuchteten hoffnungsvoll.

„Oh wie wunderbar!“

„Gewöhn dich nur nicht dran, dass ich das immer mache“, brummte er und drückte seine Haare vom Wasser aus.

Der Engel wunderte ein weißes Tuch herbei und legte es ihm um die Schultern. „Nein, natürlich nicht. Aber wir konnten ein Leben retten und das ist so viel wert…“

Crawley rümpfte die Nase und schüttelte den Kopf. „Wir hätten gar nichts tun sollen. Ich werde die Schreie wochenlang im Ohr haben.“

Mit dem Tuch rieb er sich etwas trocken und ging mit dem Engel fort vom Ufer.

„Sei froh, dass du nicht hier warst. Die Soldaten haben die Kinder auf ein Schiff gebracht und den Krokodilen vorgeworfen.“

Crawley schluckte und versuchte die Vorstellung aus seinem Kopf zu bekommen. Ja, es war wohl besser, dass er nicht hier gewesen war.

„Wohin hast du das Kind gebracht?“, lenkte der Engel das Thema weiter und er war froh, dass er nicht mehr auf das Thema einging.

„Zum Pharao.“

„Was?“

„Ich habe die Prinzessin getroffen und ihr als Schlangengott befohlen auf das Kind aufzupassen und es wie ihr eigenes groß zu ziehen.“

„Das…“

„Das ist genial, ich weiß. Der Pharao zieht ein Sklavenkind als Prinz groß. Ein dämonischer Geniestreich! Nenn es ausgleichende Gerechtigkeit für die vielen Opfer von heute.“ Crawley grinste zufrieden und er sah Aziraphale an. Dieser blickte drein, als wisse er noch nicht, was er davon halten sollte. Dann gab es wohl kein Lob und Crawley hörte auf zu grinsen.

„Hoffentlich wird er gut behandelt und nicht zu irgendeiner Sklavin abgeschoben.“ Der Engel wirkte besorgt.

„Wenn du unsicher bist, dann kannst du ja nach ihm sehen. Aber ich denke, sie wird das Kind gut behandeln. Sie gab ihm den Namen Moses.“
 

Crawleys Leben am Nil war minimalistisch. Anders als vor so vielen Jahren lebte er nicht in einem Tempel und gab sich als Gott aus. Das Thema war für ihn durch und er hatte es nur dem Engel zur Liebe vor zwanzig Jahren noch einmal gemacht mit der Konsequenz, dass ihm Lord Beelzebub ein Lob ausgesprochen hatte für die Tötung der vielen Babys.

Das wollte er mit Sicherheit nicht auf seiner Fahne geschrieben haben, aber besser als zugeben zu müssen, dass die Menschen weitaus größere Sünden im Kopf hatten als er es sich je ausdenken könnte.

Seit Aziraphale mit Moses vor fast zwanzig Jahren die Hauptstadt verlassen hatte, war sein Leben fast langweilig geworden. Kein Engel mehr, der ihn mit blauen Augen hoffnungsvoll ansah. Kein Engel mehr, der ihm möglicherweise das Leben zur Hölle machte. Kein Engel mehr, der mit ihm etwas trank oder aß. Kein Engel mehr, der für ein Kribbeln in seinem Bauch sorgte.

Es war fast langweilig und unspektakulär geworden, wie er hier lebte.

Wer hätte gedacht, dass er diesen tollpatschigen Engel vermissen würde?

Aber das war wohl auch normal, wenn man sonst kein anderes übernatürliches Wesen als Gesellschaft auf diesem Planeten hatte. Dann wurde man sowas wie…Freunde.

Crawley erwischte sich mehr als einmal, dass er überlegte den Engel aufzusuchen und zu nachzusehen, ob es ihm gut ging. Hatte er Moses durch die Wüste begleiten können? Hatten sie einen sicheren Platz gefunden oder hatte die Wüste beide dahin gerafft?

Wenn er daran dachte, wurde ihm so ziemlich übel. Doch gleichzeitig ermahnte er sich, dass dieser Engel sein Feind war und sie auf unterschiedlichen Seiten standen.

Es konnte ihm doch eigentlich nur Recht sein, wenn er nicht mehr hier war. Dann würde der Himmel irgendeinen anderen Idioten schicken, der seine Pläne vereiteln sollte. Irgendeinen dummen sturen Engel, der vielleicht noch steifer war und noch verschrobener als Aziraphale. Jemand, der keine Ahnung von den Menschen hatte und was das Leben hier so bequem machte.

Jemand wie Gabriel vielleicht.

Allein bei dem Gedanken drehte sich ihm der Magen um, wenn er an ihn dachte.

Aziraphale war da die viel bessere Wahl. Er kannte nicht nur das Leben. Er wusste, dass er...eben so war wie er war. Sie hatten einen Eid geschworen und Crawley hatte keine Lust wieder so viele tausend Jahre damit zuzubringen bis der nächste Engel zu ihm Vertrauen würde. Vor allem gab es einen Moment, der sich nicht wiederholen würde und den er mit Aziraphale teilte.

Er hatte ihn angelogen. Einmal in der ganzen Zeit und das nur, damit sich der Zweifel und die Lüge für den Engel erträglicher machten.

Seine eigene Seite zu haben war verdammt einsam und das dem Engel einzugestehen, hatte sich so…so verletzlich angefühlt. Er hatte dem Engel eine Seite offenbart, die er nie jemanden zeigte und dieser kleine Funke Vertrauen hatte sie näher gebracht.

Wie sollte so eine Barriere mit einem anderen Engel entstehen? Das war unmöglich!

Seufzend blickte er von seinem kleinen Garten auf, den er besaß und schaute sich kurz um. Seine Knie waren voller Erde, aber das war nicht weiter schlimm.

Crawley liebte die Gartenarbeit und er liebte es sich um die Setzlinge zu kümmern, sie zu bewässern und zu pflegen. Es gab nichts Besseres als sich stundenlang darum zu kümmern und den Kopf frei zu bekommen. Perfekt waren die Pflanzen vor allem dann, wenn sie groß, grün und prächtig aussahen mit gesunden, glänzenden Blättern. Vor allem war die Bewässerung wichtig. In der glühend heißen Sonne verbrannten die Pflanzen, wenn man sie am Tag wässerte. Am besten war es in den Abendstunden. So konnten sie wachsen und gedeihen und wunderschöne Blüten und Früchte tragen.

Aber all das ersetzte eben nicht den Engel und ihre Gespräche.

Wer hätte das gedacht, dass ein Dämon mal einen Engel vermissen würde?

Aufstehen, Gartenarbeit, die Räume in Ordnung halten... er versuchte, Papyri zu studieren und hier und da eine kleine Versuchung zu wagen, genoss die Lokale in der Umgebung mit ihrem guten Wein und Bier, während seine Zentrale ziemlich zufrieden war.

Die Aktion des Pharaos mit der Tötung der Neugeborenen hatte für ein großes Lob dort unten gesorgt und man ließ ihn weitestgehend in Ruhe.

Es war fast…langweilig.

Crawley wandte sich von dem kleinen Garten ab und ging zu dem kleinen Brunnen, um frisches Wasser zu schöpfen und seine Hände, Knie und sein verschwitztes Gesicht zu reinigen.

Das kühle Nass war eine Wohltat und der Dämon genoss es, wie es an seinem Hals und Nacken hinunter lief.

„...ley?“

Er schüttelte den Kopf und goss sich erneut etwas Wasser über den Kopf.

„Crawley?“

Die warme Hand auf seiner Schulter ließ ihn erschrocken aufschreien und zurückspringen. Der Angesprochenen stieß gegen den Rand vom Brunnen. Er spürte, wie die Ziegel nachgaben und hinter ihm nach unten fielen.

Die Hand von Aziraphale griff nach ihm und zog ihn zurück, ehe er ebenfalls hineinfallen würde. Doch dank dem Schwung landete er auf dem Engel.

„Willst du mich umbringen, Engel?“, fragte er atemlos und schaute zu ihm herunter. Aus seinen Haaren tropfte Wasser und benetzte das erhitzte Gesicht des Engels. Er spürte, wie rot sein Gesicht wurde, als ihm bewusst wurde, wie nahe er ihm war. Doch bewegen konnte er sich nicht.

„Gütiger Gott, Crawley…ist alles in Ordnung?“ Die blauen Augen sahen ihn besorgt an.

„Immerhin kannst du fangen“, murmelte er halb grinsend und seine gelben Augen huschten über die Kleidung vom Engel. Er sah aus, wie einer der Hebräer.

„Das war ein ziemlicher Sturz…“

„Nya…“, entkam es ihm und er rollte sich von Aziraphale herunter, um sich auf den Boden zu setzen. „Halb so schlimm…ich bin weich gelandet.“ Er grinste frech und zwinkerte Aziraphale zu. So hatte er sich nicht vorgestellt, wie sie sich wiedersahen und am liebsten würde er dem Engel um den Hals fallen, weil er so froh war ihn zu sehen. Es ging ihm gut! Es ging ihm verdammt noch mal gut und er lebte!

Die Wüste hatte ihn nicht dahingerafft!

Aber Crawley hielt sich zurück und blieb auf seinen vier Buchstaben sitzen, drückte die Tränen der Freude und Erleichterung zurück, während der Engel nicht nur ein Gefühl von Frieden über sein Heim brachte, sondern auch diesen angenehmen Duft, den er immer verströmte.

Der Engel lag noch immer auf dem Boden und er ließ sich nur daneben fallen, starrte in den Himmel und grinste ein wenig. Es fühlte sich gut an und Crawley spürte die Schulter des Engels an seiner. Es war ein gutes Gefühl.

„Wusstest du, dass die Menschen in den Himmel schauen und in den Wolken versuchen Dinge zu sehen?“, fragte Aziraphale und er drehte den Kopf ein wenig zur Seite.

Crawley legte einen Arm unter seinen Kopf und versuchte das Herzklopfen zu ignorieren.

„Nein. Wie kommst du darauf?“

„Das habe ich von einem der Menschen gelernt. Wir sind tagelang durch die Wüste gelaufen und irgendwann haben wir Zipora gefunden. Sie lebte dort mit ihrem Vater und ihren Geschwistern. Ihr Vater ist sehr weise. Er sagte, dass man sein Leben und dessen Bestimmung oft nur aus einem höheren Blickwinkel sehen kann. Der Gedanke gefällt mir…es hat alles seine Bestimmung und…seine Gründe. Moses hat oft die Schafe gehütet und starrte dann in den Himmel gestarrt. Einer der Leute dort hat dann Wolken raten mit ihm gespielt…“ Aziraphale sah ihn kurz an und sah dann nach oben. Er deutete mit dem Finger in die Luft. „Siehst du…diese Wolke sieht aus wie ein Vogel!“

Crawley konnte den Gedanken nicht wirklich teilen, dass alles seine Gründe hatte und zur göttlichen Vorhersehung gehörte. Er hielt nicht viel vom göttlichen Plan und daraus hatte er nie einen Hehl gemacht.

Sollte sein Fall dann auch zum Plan gehört haben? Was für ein Käse! Als ob Gott das alles vorher gewusst hätte! Dann hätte er doch auch alles verhindern können, oder nicht?

Aber im Moment war er zu glücklich als dass er mit Aziraphale streiten oder einen bissigen Kommentar von sich geben wollte.

Er konnte auch nur den Engel ansehen.

„Ich sehe einen Engel“, kommentierte er leise.

Aziraphale begegnete seinem Blick und errötete.

„Du sollst in den Himmel schauen, Crawley“, grinste er und nickte Richtung Himmel.

„Das tue ich, Engel.“ Seine Stimme war leise geworden und er drehte sich etwas mehr zur Seite, um den Engel besser anzusehen. Seine Hand legte sich auf dessen Wange und er neigte sich etwas näher zu ihm. Er konnte den Atem von Aziraphale auf seiner Haut spüren und das leichte Beben seiner Lippen.

„Du bist doch…ein Repräsentant des Himmels. Also bist du ein Himmel…mein Himmel…“, flüsterte er und legte seine Finger an das Kinn von Aziraphale. Er konnte dessen Lippen hauchzart an seinen fühlen.

Dann war das Gefühl fort und der Engel drehte sich schlagartig zur Seite. Crawley öffnete die Augen und konnte das hochrote Gesicht neben sich sehen, was ihn schmunzeln ließ.

Irgendwann würde er dem Engel so nahe kommen und irgendwann würde er nicht zurückschrecken. Dann würde er diese Lippen kosten und vielleicht würde es genauso wie mit dem Essen sein: Der Engel würde nicht genug bekommen.

Leise seufzte er, als er ihn ansah und rollte sich wieder auf den Rücken.

„Sieh dir nur die Farben von dem wundervollen Sonnenuntergang an!“, wechselte Aziraphale das Thema. Der Engel tat so, als wären sie sich grade nicht so nahe gekommen. Crawley seufzte erneut schwer und folgte dem Blick in den Himmel. Das rot war für ihn nur ein grauer Matsch und er konnte sich nicht ansatzweise an den Farben erfreuen. Der Engel war zurück und das war Freude genug für ihn.

Crawley konnte direkt das Gefühl der Entspannung um sich herum fühlen und schloss die Augen.

„Wie…ist es dir sonst ergangen?“, fragte er vorsichtig nach und öffnete wieder seine Augen.

„Oh…ganz gut. Das Leben in der Wüste ist voller Entbehrungen und ich vermisse ein bisschen das Essen.“

Der Dämon kicherte und setzte sich auf. Mit einem kurzen Schnippen seines Fingers wunderte er sich sauber und erhob sich vom Boden. Er streckte dem Engel die Hand hin. „Dann komm mit rein. Ich habe guten Wein und einige Leckereien da!“

„Wirklich?“

„Würde ich lügen?“

„Du bist ein Dämon.“

Er rollte mit den Augen und wartete noch immer bis Aziraphale seine Hand nahm. Es dauerte eine Weile bis er nachgab und sich aufhelfen ließ.

Crawley freute sich innerlich, dass der Engel mit reinkam und er ihn bewirten konnte. Er ließ ihm sogar den Vortritt und suchte in der kleinen Vorratskammer einen Krug mit Wein, Brot und Früchten zusammen, die er schnell auf den Tisch stellte.

„Wieso bist du zurück?“, fragte er interessiert und stellte zwei Kelche ab, die er mit dem Wein auffüllte.

„Der Herr ist Moses erschienen. Er trug ihm auf die Sklaven aus Ägypten zu führen“, erklärte der Engel knapp und leerte seinen Becher in einem Zug.

Crawley hob eine Augenbraue und schenkte ihm nach. Normalerweise genoss er den Wein. Ihn so kräftig trinken zu sehen, hieß wohl nichts Gutes.

Langsam ließ er sich auf einem der Stühle nieder und nippte von seinem Kelch. „Und du gedenkst mich einzuspannen, damit ich euch helfe?“

Vielsagend schaute er Aziraphale an und grinste. Crawley entging die Tatsache nicht, dass der Engel immer noch den Ring trug, den er ihm einst als Engel geschenkt hatte.

Eigentlich hatte er erwartet, dass er ihn irgendwann ablegte, doch immer wenn sie sich sahen, trug er ihn und das erfüllte ihn ein wenig mit stolz.

„Nein. Das muss Moses alleine tun. Wenn Gott zu ihm spricht, wird er auch sehen, wenn du dich einmischst. Ich möchte nicht, dass du dir weh tust.“

„Du bist auch sicher, dass es Gott war?“

„Ja.“

„Seit wann spricht Gott wieder zu uns oder den Menschen?“

Bedauernd schüttelte Aziraphale den Kopf. „Ich weiß es nicht. Es war auch sehr plötzlich und er ist entschlossen die Sklaven zu befreien. Wir waren vorhin beim Pharao und dieser hat natürlich nein gesagt. Moses hat seinen Stab in eine Schlange verwandelt. Kannst du dir das vorstellen?“

Crawley zog eine Augenbraue hoch. „Ich kann das seit Jahrtausenden. Gott hat sich also meinen Trick abgeschaut. Wie wunderbar.“

„Verurteile nicht den Allmächtigen! Gott hat seine Pläne und bald…“

Crawley spuckte den Wein aus. „Bei Satans Namen! Das schmeckt ja, wie…“ Er verzog das Gesicht und hustete erneut, um den metallischen Geschmack aus dem Mund zu bekommen.

„Blut?“

Er sah zum Engel, der den Wein von sich schob und bedauernd drein blickte. „Was ist das, Engel?“, fauchte er.

„Eine der Plagen von Gott. Er wird eine Plage nach der anderen schicken, wenn der Pharao die Menschen nicht gehen lässt und das ist eine davon. Und alle Flüsse und Ströme in Ägypten werden rot und sind wie Blut für sieben Tage.“

„Was wird noch passieren?“ Kurz war er versucht wieder etwas zu trinken, besann sich aber rechtzeitig und schob den Kelch angewidert von sich. Crawley schnippte mit dem Finger, um die Sauerei verschwinden zu lassen.

„Also was noch, Engel?“, fragte er eindringlicher.

„Frösche, Steckmücken, Stechfliegen, Viehpest, Schwarze Blattern, Feuerregen, Heuschrecken, Finsternis und Tod…Gott wird das Leben der Erstgeborenen nehmen, wie der Pharao das Leben der Kinder vor so vielen Jahren nahm“, seufzte Aziraphale und stützte seinen Kopf auf seine Hand.

Crawley kannte ja die Brutalität und Erbarmungslosigkeit von Gott. Aber wollte er ein ganzes Land zugrunde richten, weil ein paar Menschen in Gefangenschaft lebten?

Vorsichtig rutschte er näher zu Aziraphale und legte seine Hand auf dessen Schulter.

„Ich werde an deiner Seite sein“, versprach er.

„Du solltest lieber verschwinden. Ägypten ist nicht sicher und egal, wie viele Dämonen hier sind oder nicht…die Plagen werden auch nicht vor dir zurückschrecken. Du wirst nichts tun können.“

„Das wäre nicht das erste Mal, Engel.“ Crawley drückte sanft die Schulter und hauchte einen Kuss auf die Stirn des Engels. „Versuchen wir die Unschuldigen vor dem größten Schaden zu bewahren, wenn der Pharao so dumm ist.“

Er grinste ihn vielsagend an.

„Ich kann nicht gegen den Plan des Allmächtigen handeln!“

„Musst du auch nicht. Doch niemand kann von dir erwarten, dass du nur zusiehst, wenn Menschen Hunger leiden oder Krankheiten haben. Außerdem brauchen die Menschen einen Engel, der ein wenig Hoffnung spendet.“

„Das, was passieren wird, wird so grausam sein…und ich bin froh, dass du da bist.“

„Ich habe dich vermisst, Engel. Da werde ich bestimmt nicht die Flucht ergreifen und dich alleine lassen.“ Die Hand von Aziraphale umfasste seine und auch, wenn es kein Kuss war, fühlte es sich gut und richtig an.
 

Die Plagen waren die Hölle.

Nein, sie waren schlimmer als alles, was die Hölle sich je ausdenken könnte. In keinem der neun Zirkel der Hölle hatte es je solche Bestrafungen gegeben, wie die, die Gott den Ägyptern zukommen ließ. Das bewies mal wieder, dass Gott viel kreativer war als die Dämonen der Hölle und ihre Fürsten.

Eine Plage war schlimmer als die andere. Sie folgten nach jedem Besuch Moses beim Pharao und dessen Sturheit hatte sein Volk schreien und flehen lassen, wie die Sklaven es jede Nacht taten, wenn sie in ihren kläglichen Behausungen vom Tagewerk zur Ruhe kamen.

Es war eine lebendige Hölle und es machte Angst. Selbst einem Dämon, wie Crawley machten die Plagen Angst und auch ein wenig Panik.

Doch über all dem stand eine Sache: Hoffnung.

Hoffnung, dass sie gehen durften. Hoffnung auf ein besseres Leben. Hoffnung auf Freiheit. Hoffnung, die der Engel mit seiner sanften Art verströmte. Ein Licht in den dunkelsten Stunden der Geschichte.

Es machte dem Dämon bewusst, wieso er den Engel so anziehend fand. Er war Licht, Wärme und Liebe. All das, was es in der Hölle nicht gab. Er war das, was er verloren hatte und ob es Aziraphale bewusst war oder nicht: Er war ein Rückhalt für die Menschen.

Crawley hatte Menschen an den Blattern und dem Hunger sterben sehen. Junge wie Alte, der Feuerregen hatte Häuser zerstört und Kinder zu Waisen gemacht. Tapfere Männer waren gefallen und auch, wenn der Weg durch die Wüste friedlich verlaufen war, hatte Crawley das untrügliche Gefühl, dass noch nicht alles vorbei war. Er spürte auf der ganzen Reise die Panik und Angst in seinem Magen.

Der Engel versicherte ihm wieder, dass Merrit in ihrer Weissagung sehr deutlich war, dass für die Sklaven alles gut werden würde. Aber das hieß nicht, dass es keine Opfer geben würde. Es gab immer Opfer. Irgendein Preis musste bezahlt werden für das Gleichgewicht in der Welt. So lief es doch ab. Die Welt war eine Waage. Wo es leid gab, gab es auch Hoffnung und Liebe. Wie sonst sollten die Menschen sich dessen bewusst werden, wenn nicht durch die Dunkelheit?

Aber was würde es bringen diesen Menschen die Hoffnung zu nehmen und seinen Mund aufzumachen?

Er wäre dann nur wieder der böse Dämon und im Moment erfreute er sich eher daran, dass er als Riesenschlange etwas Gutes tun an der Seite des Engels tun konnte, was er jedoch niemals zugeben würde.

Er bildete die Nachhut, trug ein paar Kinder auf seinem Rücken, die auf ihm Pferdchen spielten und eine alte Frau, die nicht mehr so schnell war. Er passte auf, dass sie den Anschluss nicht verlören und ihnen nichts passierte.

Eine Riesenschlange mit Giftzähnen zu sein, konnte Vorteile haben, dass einem Schakale, Skorpione und andere Raubtiere vom Leib blieben.

„Hüa!“, rief das Mädchen und klopfte mit seinem Patschhändchen seinen Hals entlang.

Crawley zischelte und bäumte sich auf, ehe er etwas schneller voran glitt. Das Mädchen quiekte vergnügt und ihr Lachen konnte er als Vibration in seinem Körper spüren.

Er zischte wieder und witterte die Meeresluft. Sie hatten ein Ufer erreicht und die Menschen sammelten sich dort, ratlos, wohin es nun gehen sollte und hilfesuchend Moses ansehend.

„Crawley!“ Aziraphales Stimme ließ ihn inne halten. Der Engel hatte die Vorhut an Moses Seite gebildet und kam nun auf ihn zugelaufen. Der Engel nahm das Mädchen von ihm herunter und half auch der Dame aufzustehen. Einer der Männer half ihm dabei und stützte die Frau, um sie zu einem Platz zu bringen, wo sie sich mit Wasser und etwas zu Essen stärken konnte.

„Eine so gute Schlange“, murmelte die Frau mit einem zahnlosen lächeln und tätschelte seinen Schlangenkopf, als wäre er ein braver Hund. Crawley verengte kurz die Augen und sah den Engel mahnend an, der nur vor sich hin grinste, ehe er sich zurückverwandelte in seine menschliche Gestalt.

„Hör auf zu Grinsen!“

„Ich grinse nicht“, grinste der Engel.

„Ich bin nicht nett.“

„Nein, natürlich nicht. Nein“, sagte er und presste die Lippen schmunzelnd zusammen. Crawley bedachte ihn mit einem mahnenden Blick.

„Was ist, Engel? Sind wir da?“ Er streckte sich leicht und ließ seine Glieder knacken. Dauerhaft als Schlange umherzugleiten und die Kinder zu bespaßen, ließ auch einen Dämon etwas alt aussehen und an die Knochen gehen. Es war ja nicht so, dass es keine Kamele oder Pferde gab, die die Leute mitgenommen hatten, um ein paar alte Karren mit den wenigen Habseligkeiten oder mit den alten Leuten zu ziehen. Aber wenn man auf einer großen Riesenschlange reiten konnte, war das viel aufregender als auf einem Kamel oder Pferd.

Die Wüste unter seinen nackten Füßen war heiß genug, dass man Eier darauf hätte braten können und er blinzelte gegen die hoch stehende Sonne an.

Crawley griff zur an den Kragen von Aziraphales Kleidung und zog ihm mit einer fließenden Bewegung das Tuch über den Kopf, was locker herunter hing.

„Pass auf, dass du keinen Sonnenstich bekommst“, sagte er nur auf den fragenden Blick hin und wich dem Augenkontakt aus.

„Du siehst müde aus“, stellte der Engel fest und Crawley gab keine Antwort von sich. Wenn er gekonnt hätte, hätte er die nächsten zwanzig Jahre geschlafen, aber sie befanden sich immer noch im Feindesland und Ägypten zu verlassen, war wesentlich wichtiger als ein Nickerchen. Wenn sie in Sicherheit waren und er sich an einem sicheren Ort befand, dann würde er sich erlauben zu schlafen. Vorher nicht.

Außerdem war er ein übernatürliches Wesen. Er brauchte keinen Schlaf oder Essen und Trinken. Im Gegensatz zu den Menschen war er nicht so gebrechlich und musste auch nicht alle Plagen fürchten, die Gott gesandt hatte.

„Hmm“, gab er nur als Antwort von sich und drehte sich herum, als er ein leichtes Beben unter sich spürte.

Kampfgebrüll erfüllte die Luft und auch die Menschen schienen zu bemerken, dass etwas nicht stimmte.

Am Horizont tauchten Pferde und Streitwagen auf. Hufgetrappel wirbelte den Sand auf und sorgte für eine dichte Wolke aus Staub und Sand. Die Umrisse der Menschen waren kaum zu erkennen, doch Gold blitzte hier und da hervor, was also Räuber ausschloss.

„Der Pharao!“, stellte Aziraphale fest und die blauen Augen sahen ihn hilfesuchend an, „Bitte, sorg dafür, dass die Menschen Zeit gewinnen.“

Crawley öffnete den Mund. „Und was soll ich jetzt machen? Feuer speien?“

„Kannst du das denn?“, fragte der Engel hoffnungsvoll und blickte kurz zu Moses und den Menschen, die sich näher zum Ufer bewegten. Moses sah selbst hilflos aus. Einzige Flucht bot nur das Meer und das konnten sie nicht passieren.

„Sehe ich aus wie ein Drache?“ Er zischelte mit seiner gespaltenen Schlangenzunge und verengte die gelben Augen.

Aziraphale legte den Kopf leicht schief. „Naja…mit viel Fantasie…“

„Du bist derjenige, der mit Gott zu tun hat! Wenn ich etwas tue, wird es meine Zentrale bemerken.“

„Aber ich kann doch nicht…“ Aziraphale zögerte und sah dann nach oben, als hoffte er auf Hilfe. Er faltete seine Hände hilflos vor der Brust und zog die Augenbrauen zusammen. Der Engel brauchte dringend mehr Selbstbewusstsein und vor allem mehr Vertrauen in seine Kräfte, die er hatte. „Wir können nicht zulassen, dass sie in Gefahr geraten.“

„Dafür ist es nach den Plagen etwas zu spät“, murmelte Crawley zynisch und fluchte. Die Zeiten waren wirklich nicht sehr gut. „Du bist hier das himmlische Geflügel von uns beiden. Also mach deinen Job, Aziraphale und beschützte die Menschen!“

„Willst du wirklich, dass ich mich all diesen Menschen entgegenstelle? Ich habe noch nie jemanden…getötet!“

„Ich bin auch nicht fürs töten. Aber du kannst sie beschützten! Genauso wie vor dem Feuerregen, wie vor den Krankheiten und vor der Hoffnungslosigkeit! Wir stehen hier nur, weil du deine Arbeit gemacht hast. Also bring sie auch zu Ende! Was können wir schon verlieren?“ Crawley hatte schon so viel im Lauf seines Lebens verloren. Es gab nichts mehr, was er noch verlieren konnte und was Schlimmer wäre, als das, was man ihm bereits angetan und genommen hatte.

Doch, eine Sache gab es, die man ihm noch nehmen könnte und die hatte blaue Augen und weiße Haare.

„Na schön…“, seufzte Aziraphale und griff seine Hand.

Crawley blickte überrascht auf diese und erwiderte sie. Der Engel zitterte neben ihm. Die Fingerspitzen waren ganz kalt vom Aziraphale vor lauter Aufregung und Angst.

„Wenn wir das nicht überstehen, dann möchte ich dir sagen, dass ich die Zeit mit dir sehr genossen habe“, hauchte er atemlos und der Griff verstärkte sich.

„Ich auch, Engel, ich auch“, sagte er mit einem schiefen Grinsen. Sanft drückte er die Hand von Aziraphale. „Und du hattest Recht mit Merrit…sie war wie eine Tochter, die ich verloren habe. Ich vermisse sie.“

Der Engel schenkte ihm ein mitfühlendes Lächeln, ehe sie wieder auf die näherkommenden Reiter sahen.

Tief atmeten sie gleichzeitig durch und Crawley spürte, wie sich seine Flügel auf ausbreiteten, sich dem Himmel entgegen streckten und die vom Engel streiften, der das gleiche tat.

Seine Federn raschelten im Wind und er fühlte sich so ruhig wie noch nie.

Er spürte eine Gewissheit in sich, die er kaum greifen konnte und wo er nicht wusste, woher sie rührte. War es Gott? Aziraphale? Vielleicht sogar Merrits Geist?

In seinen Gedanken manifestierte sich die Gewissheit, dass alles gut werden würde. Sie mussten diesen Augenblick nur überstehen. Ganz gleich, was geschehen würde. Dieser Moment würde vorbei gehen. Das Universum…Gott…wer auch immer für das Gleichgewicht auf der Welt verantwortlich war, würde sie nicht im Stich lassen.

Ein Schauder durchfuhr ihn und er bekam eine Gänsehaut.

Er öffnete seine Augen und schaute zu Aziraphale, dessen Blick ihn traf. Wärme durchflutete ihn und er fühlte sich geborgen, heimisch und sicher. So viel Macht hatte er dem Engel gar nicht zugetraut.

Langsam löste Aziraphale seine Hand von seiner und lächelte ihn zuversichtlich an.

„Nenn mich nie wieder himmlisches Geflügel!“ Aziraphales Stimme hatte einen machtvollen, tiefen Klang angenommen.

Crawley legte leicht den Kopf schief und grinste vielsagend. Diese Seite am Engel gefiel ihm und ließ seine Knie weich werden.

Sein Engel breitete die Arme über den Kopf aus und der Himmel verdunkelte sich. Dichte, dunkle Wolken zogen auf und ein Grollen war zu hören. Ein starker Wind zog auf und der Tag wandelte sich zur Nacht.

Die Leute hinter ihnen riefen panisch und Crawley blickte zu den näher kommenden Soldaten. Inzwischen wirbelten die Pferde so viel Staub und Dreck auf, dass er kräftig blinzeln musste. Sein Gewand peitschte ihm um die Heine und seine langen Haare flogen ihm immer wieder ins Gesicht.

Die Luft schmeckte nach Rauch und war durchzogen von göttlicher Kraft.

Ein rotes Licht erschien aus den Wolken und eine Feuerbrust stieß auf die Erde. Heiß und zischelnd schlängelten sich die Flammen um einen Orkan.

Aziraphale breitete die Hände aus und baute einen Wall aus Licht auf, der das Feuer von den Menschen fern hielt, die hinter ihnen standen. Ein Schutz vor dem göttlichen Sturm.

Er spürte Stolz auf den Engel, aber die Lage war noch nicht vorbei.

Crawley musste die Augen schließen, als die himmlische Macht sich ausbreitete. Er fühlte sie auch hinter sich. Es engte ihn ein, als würde er zwischen zwei Felsen eingequetscht werden. Er hatte das Gefühl, dass die Wärme und das Licht seine Haut versenkten. Mühevoll grub er seine Füße in den Boden, stemmte sich gegen die Welle der himmlischen Kraft und setzte einen Fuß vor den anderen.

Er streckte seine Hand aus und tastete nach den Fingern des Engels.

Der Pharao lenkte seine Männer zur Seite, um den Feuersturm zu umgehen.

„Ich bin bei dir“, flüsterte er angestrengt zu Aziraphale, der die Augen geschlossen hielt, um den Schutz aus Licht aufrecht zu halten.

Schweiß rann über seine Stirn. Crawley konzentrierte sich auf den göttlichen Sturm und das hitzige Feuer.

Seine freie Hand streckte sich aus, und Flammen züngelten über seine Hand. Seine Federn vibrierten vor Anstrengung, als er das Feuer zu sich rief, seinen Körper damit umhüllte und es lenkte.

„Die Flammen gehorchen meinem Willen…“, murmelte er angestrengt. Das Weiß aus seinen Augen verschwand und das Gelb seiner Schlangenaugen breitete sich immer mehr aus. Er presste die Lippen fest zusammen bis er Blut schmecken konnte. Seine Brust hatte aufgehört sich zu bewegen. Sein Körper hatte das Atmen eingestellt. Seine gesamte Konzentration galt dem Feuer.

Er war einst ein Engel gewesen. Gottes Kraft schlummerte noch immer irgendwo tief in seiner verdorbenen Seele. Also würde diese Feuerbrunst ihn nicht entkörpern. Er war der Herr über diese Flammen.

„Ihr gehorcht mir. Nur mir!“, presste er zwischen den Zähnen heraus. Dunkle Rauchschwaden hüllten den Dämon ein. Crawley wirkte dämonischer denn je.

Die Flammen zogen eine Spur über den Boden und folgten dem Wagen das Pharaos, schnitten ihn und seinen Männern den Weg ab. Die Pferde scheuten auf der anderen Seite auf der Flammenmauer auf, doch darauf konnte er keine Rücksicht nehmen.

Das Blut rauschte so stark in seinem Ohr, dass er den lauten Fluch des Königs gar nicht hörte, geschweige denn das Tosen der Wellen als sich das Meer teilte.

Nur dieses Licht von Aziraphale schützte sie alle davor, dass die Flamen sich den Weg zu den Hebräern suchten.

„Bleib stark“, sagte der Engel neben ihm.

„Das ist kein guter Rat“, presste er zwischen den Zähnen hervor, „Du warst schon mal besser, Engel.“ Er drehte leicht den Kopf und versuchte zu zwinkern, was ihm mehr schlecht als recht gelang. Er konnte ja mal versuchen sich nicht von einem göttlichen Feuer verbrennen zu lassen und es gleichzeitig zu lenken.

Sein Kiefer knirschte vor Anspannung.

„Sie sind auf dem Weg in Sicherheit“, murmelte Aziraphale neben ihm und ließ seine Hand nicht los.

„Dafür sollte ich eigentlich in den Himmel kommen…“, brummte der Dämon sarkastisch und blinzelte ein paar Schweißtropfen weg. Irgendwie musste er sich vom Schmerz ablenken und aufrecht stehen bleiben. Er besaß zwar seine Kräfte, aber auch die waren nicht unerschöpflich und im Gegensatz zu dem Engel hatte er den schwierigeren Part.

Die Stimmen der Hebräer wurden leiser und das war ein gutes Zeichen. Sie flohen und kamen in Sicherheit.

Dem Dämon entfuhr ein Schrei. Er schob Aziraphale zur Seite.

Glühend heißer Schmerz durchfuhr seine Schulter und seine Flügel. Er spürte das Brennen und sank auf die Knie. Warmes Blut lief über seine Haut. Seine Flügel zitterten vor Schmerz. Er spürte die Flammen, die sie verbrannten und er es nicht aufhalten konnte.

Crawley schrie erneut vor Schmerz als sich ein weiterer brennender Pfeil in seinen Körper bohrte. Schweiß strömte ihm über den Körper.

Er durfte nicht entkörpert werden. Der Hölle den Grund zu erklären, wieso er einen neuen Körper brauchte, könnte er niemals. Das war schwieriger als in der Wüste Wasser zu finden.

„Crawley!“, schrie der Engel und seine Hände umfassten ihn, um ihn zu stützten.

„Ich…ich kann es nicht…mehr halten…“, stöhnte er und blinzelte entschuldigend, „Verzeih mir…“

Sein Körper zitterte nicht mehr nur von der Anstrengung, sondern auch von dem Schmerz den die Pfeile hinterließen.

Die Feuerbrust wurde kleiner und kleiner. Mit verschwommenen Blick konnte er die Streitwagen erkennen und das hoch erhobene Schwert des Pharaos.

„Bring dich…in…Sicherheit, Engel“, stöhnte er, doch Aziraphale wich ihm nicht von der Seite. Das warme Licht, was er ausstrahlte, hüllte sie beide ein, wie in einem schützenden Ei.

Crawley konnte sich nicht auf den Knien halten und wurde nur durch Aziraphale aufrecht gehalten. Der Engel hatte sie in einen Kokon aus Licht gehüllt und er ließ die Ägypter vorbei ziehen.

„Das Meer…“, merkte er krächzend an und versuchte eine Hand zu heben. Doch ihm fehlte die Kraft.

„Alle, die die Gnade des Herren verdienen, werden überleben. Es wird alles gut. Die Hebräer sind in Sicherheit, mein tapferer, guter Dämon“, murmelte die sanfte Stimme des Engels und die weißen Schwingen legten sich um ihn, als spürte er, wie kalt ihm war.

„Ich bin…nicht gut…“

„Sag, was du willst, aber du hast eben das Gegenteil bewiesen.“

Crawley brummte. So ein mieser Engel. Er wusste genau, dass ihm das Sprechen schwer fiel.

Etwas Nasses tropfte auf seine Wange. Er konnte spüren, wie schwer sein Herz wurde. Der Engel weinte um einen Dämon.

„Wir schaffen das gemeinsam.“

Crawley wandte leicht das Gesicht als Schreie vom Meer zu hören waren. Die hohe Mauer aus Wasser fiel in sich zusammen.

„Azi…“

„Das spielt keine Rolle!“ Sanfte Finger drehten sein Gesicht zurück, so dass er den Engel ansehen musste und nicht, wie die Wellen eine Armee unter sich begrub. „Atme tief durch. Ich werde dich heilen.“

„Von göttlichen Flammen?“, fragte er schief grinsend.

„Wenn ein Dämon sie kontrollieren kann, kann ich sie heilen, du Grillhähnchen.“

„Wirst du noch…schlagfertig in meinen letzten Sekunden?“, fragte er neckisch und bereute sofort den Versuch Lachen zu wollen. Schmerzhaft krümmte er sich im Arm des Engels.

Warmes Licht durchströmte ihn. Er schrie auf.

„Atme tief durch. Gleich ist alles vorbei“, versprach Aziraphale sanft.

Tränen flossen über seine Wange, als die himmlischen Kräfte durch seinen Körper strömten, die Pfeile verschwinden ließen und die Brandwunden heilten. Seine Flügel gaben ein schwaches Rascheln von sich als die Heilung auch dort einsetzte.

Sein Atem ging stoßweise.

„Lass mir bloß keine Narben an meinem perfekten Körper“, murmelte er schwer. Seine Haut fühlte sich an, als würde sie brennen. Aber es war eine andere Art von Schmerz. Die heilende Energie des Engels schwang in seinem ganzen Körper nach und verebbte langsam.

Vielleicht bildete er es sich ein, aber es fühlte sich an, als wäre das Band, was sie verband, stärker geworden.

„Keine Sorge…du wirst so gut wie neu sein.“

Warme Lippen berührten seine Stirn, während er an die Brust des Engels gedrückt wurde. „Ich werde auf dich aufpassen, du alte Schlange.“

„Halt die Klappe“, gab er zurück. Ihm fiel keine bessere Erwiderung ein und er konnte kaum die Lider offen halten. Warme Sonnenstrahlen kitzelten seine Nase und er spürte das Licht auf seiner Haut.

„Du brauchst Ruhe, mein Lieber. Du bist zu schwach für ein Wunder, aber ich lasse dich nicht hier“, stellte Aziraphale fest und versuchte es nicht einmal ihn aufzurichten. „Kannst du dich verwandeln?“

Crawley öffnete seine Augen und verzog das Gesicht.

„Ich…was, wenn ich es nicht schaffe mich wieder zurückzuverwandeln?“, fragte er und seine Stimme klang ängstlicher als er wollte.

„Ich werde da sein und dir helfen. Aber als kleine Schlange kann ich dich tragen.“

„Du solltest mehr trainieren…“

„Werde jetzt nur nicht frech!“

„Ja, ja…wenn ich mich nicht wieder zurückverwandeln kann, dann werde ich dir als Schlange auf den Sack gehen.“ Crawley grinste schief und holte tief Luft. Er suchte in seinem Körper nach dem restlichen Funken Kraft, den er noch hatte. Er fand den Funken Energie und konzentrierte sich auf seine animalische Form.

Angestrengt keuchte er als sich seine Wirbelsäule krümmte und die Schuppen seine Haut überzogen. Sein Blick veränderte sich, wurde unschärfer und zwei warme Hände hielten ihn fest.

„Sehr gut. Du hast es geschafft“, sagte der Engel und erhob sich vom Boden, um Richtung Meer zu gehen, die kleine Schlange in den Händen. Seine Flügel waren noch immer weit ausgebreitet, zeugten von der göttlichen Kraft und Heiligkeit. Aziraphale strahlte Ruhe und Frieden aus. Mühelos trat er auf die Wellen und lief über das Wasser. Die Finger streichelten über seinen erschöpften Körper.

„Schlaf jetzt. Da wartet ein schöner Traum auf dich, mein Freund.“ Aziraphale sprach leise mit ihm, hüllte ihn in seine Hände ein und wenn er nicht so müde und keine Schlange wäre, hätte er ihm gesagt, dass der schöne Traum ihn grade auf Händen über das Wasser trug und er deshalb keinen brauchte.

Aber diese Worte verließen seine Lippen nicht. Nichts davon konnte er sagen. Er war einfach erschöpft und müde. So unglaublich müde. Crawley ließ einfach zu, dass der Engel ihm einen schönen Traum schenkte, bei dem er sich erholen konnte.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo,

hier ist Frigg. Grüßt euch!

Mein erstes Nachwort zu diesem Kapitel und dem vorherigen und ich werde nur wenige Worte nutzen, denn im Grunde möchte ich euch nur ans Herz legen, dass ihr die Kapitel mit etwas Musik hört. Während ich geschrieben habe, liefen mehrere Lieder auf und ab.

Sadame
I hate myself
Strong For Somebody Else
See you in hell
Good Omens Intro
Good Omens Ending S2E6
Good Omens Ending S1E1
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Kommentare zu dieser Fanfic (12)

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Von:  Alistor
2023-09-29T18:08:51+00:00 29.09.2023 20:08
Was für ein dramatisches Kapitel
Zuerst wird Aziraphale von Crowley gebissen, der voll von Trauer ist, dann die Situation mit dem Baby Moses und dann kriegen wir nicht mal eine Knutscherei.
Schon wieder wird Crowley durchbohrt und Zum Glück schaffen die beiden es den Pharao aufzuhalten, auch wenn er und seine Gefolgschaft ertränkt werden
Aber das Ende ist sooooooo süß 🥰
Ok ich vergebe dir, das Ende des Kapitels hat das Leiden der beiden wieder aufgewogen
Ich freue mich schon sehr auf das nächste
Antwort von:  Frigg
29.09.2023 21:15
Alistor
Bist du sicher, dass es das aufgewogen hat? 😅 Kriege ich keinen Ärger für die fehlenden Küsse?
Antwort von:  Alistor
29.09.2023 21:23
Ich kann dir nicht böse dafür sein. Du schickst mir immer so schöne und auch 🔥 Bilder von den beiden und ja bei mir ist das ausgeglichen

Sie werden sich sicher bald…äh ja sich bestimmt in den nächsten Kapiteln erst näher kommen müssen, bevor wir eine heiße 🔥💥🔥💥🔥💥🔥 Knutscherei bekommen
Bitte detailliert ausgearbeitet, darf auch richtig wild werden
Antwort von:  Frigg
29.09.2023 22:21
Alistor
Zwei Kapitel auf jeden Fall, aber wild wird es nicht 😅 Es wird wie das erste Mal essen probieren. Angewidert und igitt 🤣
Antwort von:  Alistor
29.09.2023 23:17
Ja aber… 🔥
Ich … ich muss los, eine wilde Knutschzene schreiben… ich weiß…
Das habe ich schon mal gesagt. Dachte du überlegst es dir nochmals wegen dem Kuss weil 🔥+💋= ❤️‍🔥🥳🥳👏👏👏 🎉 🎊

Wann kommt den der nächste?
Antwort von:  Frigg
30.09.2023 06:13
Alistor

Jaaaa ich weiß. So ein Kuss hätte was. Aber dann würde das mit dem Ende von Staffel 2 nicht mehr passen, wenn sie vorher schon emotional geknutscht hätten. 😬

Uff....du stellst fragen. Erstmal muss ich wieder gesund werden. Also 2 bis 3 Wochen vielleicht 😅
Von:  Alistor
2023-09-19T19:19:21+00:00 19.09.2023 21:19
Huhu
Du kennst ja schon meine Meinung dazu, aber ich führe sie gerne nochmals auf

Ich liebe es, wie unsere Lieblinge miteinander umgehen. Die Gefühle die sie füreinander haben sind greifbar und denkt andauernd
„Los küsst euch endlich und gesteht euch eure Liebe“ aber das dauert wohl noch länger

Ich mag Merrit. Und ich kann sehr gut verstehen, warum sie sich in Crowley verliebt hat. Der Hammer dass sie den Engel nicht mag und ihm eins überziehen wollte

Crowley war mega, als er die Menschen, die dem Kind schaden wollten, in die Flucht geschlagen hat als Riesenschlange. Das konnte ich mir sehr gut vorstellen

Das Ende war einfach nur HERZZERREISSEND
Arme Merrit armer Crowley
Was mit ihrer Seele nur passiert ist…
Ich weiß es ja schon und freue mich schon sehr drauf, es hier zu lesen

Danke für die Erwähnung und das Lob
Ich bin immer für dich da.
Antwort von:  Frigg
19.09.2023 21:22
Danke dir!

Ich bin auch so froh, dass wir uns austauschen können und uns so gut verstehen. Du motivierst mich und dein Feedback ist wirklich hilfreich <3

Bis das happy End kommt....uff....also das wird dauern, aber dazwischen versorge ich alle mit Herzmomente! Versprochen....(oder vielleicht Lüge ich auch? ;) )
Von:  Alistor
2023-08-24T12:45:38+00:00 24.08.2023 14:45
Hi
Krass
Crowley ist von alleine entkommen
Hätte ich nicht gedacht
Man kann seinen Schmerz richtig gut nachfühlen

Irgendwie fand ich die drei Damen etwas nervig, aber sonst wäre er seinem Engel nicht begegnet

So süß, als er ihn gewärmt hatte
Jetzt müssen Aziraphales Erinnerungen nur wieder kommen. Ein Besuch im Museum könnte tatsächlich weiter helfen
Bin sehr gespannt wie es weiter geht
Lg Alistor
Antwort von:  Frigg
24.08.2023 14:52
Alistor

Das musste jetzt mal was fürs Herz werden, sonst kommt Crowley nie aus der Depression raus :D

Aber bis Raphi wieder normal wird. Das wird dauern. Wir machen erstmal einen Geschichtssprung ins alte Ägypten. Muahaha....

Die drei Damen sollten auch nervig in dem Moment für Crowley sein. Wer will schon gestört werden, wenn man sich in Trauer wälzen kann :D Aber sie meinen es ja nur gut :D

Kann dir ja die kommenden Ideen mal schreiben :D
Antwort von:  Alistor
24.08.2023 16:24
Uuuuhhhh Ägypten
Da bin ich gespannt
Der Brand der Bibliothek von Alexandria oder?

Ja genau. Die meinen es immer NUR gut. DAS sagen sie alle und dann sind sie doch schwanger
Ja ok manchmal ist es doch gut nervig zu sein
So merkte Crowley wenigstens wie es ist ( Meister des Extrem Fragenstellens)

Gern. Ich gebe auch gerne ungefragt meinen Senf dazu 😆
Antwort von:  Frigg
24.08.2023 16:35
Alistor

Nein, leider nicht. Wir gehen in zwei früheren Epoche rein. :D

Jaaa, sie meinen es ja nicht böse :D Crowley ist der Meister der Skepzis

XD Ich schick dir das über Discord rüber, wenn du willst oder lieber in Mexx? wobei Discord kann ich dir das Moodboard zeigen für die kommenden 3...4 Kapitel
Antwort von:  Alistor
24.08.2023 17:01
Ah ok
Cool

Discord ist glaube ich besser?
Von:  Alistor
2023-08-15T14:06:29+00:00 15.08.2023 16:06
Hi
Der Wahnsinn
Auf die Idee mit der Kaffee Manipulation, mit Gedanken Löschung wäre ich nicht gekommen, ist Metatron aber durchaus zuzutrauen

Der Blick den er Crowley geschenkt hatte als Aziraphale in den Aufzug stieg, ließ nichts gutes ahnen

Nur… wie kommt Crowley aus dieser Situation wieder raus? Die einzige Möglichkeit wäre Gabriel und Beelzebub als Hilfe

Seit Good Omens 2 erschienen ist, hab ich auch wieder Lust zu schreiben. Habe eine andere Theorie dazu. Doch zuerst muss ich die anderen Kapitel fertig schreiben
Danke für deine Hilfe, mich zu motivieren, mich dranzusetzen.
Deine Fanfic ist schon in meinen Favoriten und freue mich schon sehr darauf, zu erfahren was noch so passiert.
Liebe Grüße Alistor
Antwort von:  Frigg
15.08.2023 17:41
Heihei!

Vielen Dank für den Kommentar! Ich baue die Kaffee Idee sogar noch weiter aus. Muhahaha. :D

Wie ist denn deine Theorie?
wir können uns gerne austauschen, wenn du magst :)

Ha ha...freut mich, wenn ich dich motivieren kann. Ich suchte die Serie rauf und runter, um mich in die Charaktere zu versetzen und das sowohl mit englischer als auch deutscher Synchro, weil David Tennant dem noch mal im englischen noch mal mit der Betonung gut rein kickt in der Rolle. Vor allem der schottische Akzent im englischen ist gut :D

Und ich plotte schon fleißig Kapitel 3. Es wird also spannend bleiben. :D Und nein Gabriel und Beelzebub kommen nicht vor. Ich mag das Pair nicht ^^"
Antwort von:  Alistor
15.08.2023 18:15
Ich suchte auch 😁
Die erste Staffel habe ich mir auch zusätzlich auf Englisch reingezogen und das werde ich die zweite auch noch machen

Kann ich verstehen. An unsere Lieblinge kommt kein anderes Pair ran. Die sind auch nicht so interessant und voller Leidenschaft wie Crowley und Aziraphale

Die Theorie
Ich denke das Aziraphale im Aufzug gemerkt hat, dass was nicht stimmt
Aber einen Rückzieher machen? So könnte er erfahren was der Himmel gerade vor hat, um im entscheidenden Moment Crowley zu schützen sollte es erforderlich sein
Ich muss noch ein bisschen darüber nachdenken, denn Metatron hatte eine Wiederkehr erwähnt und dass bedeutet, die Menschen bekommen eine neue Chance. Die Sünden werden vergeben. Was passiert dann mit den Dämonen? Werden sie was dagegen tun? Wenn ja was und steht ihnen Crowley im Weg?
So viele Fragen…
Austausch ist immer schön
Scheint nicht so viele Good Omens Fans hier zu geben
Antwort von:  Frigg
15.08.2023 18:47
Alistor

Ich hab mit beidem schon auf Englisch angefangen und hole mir jetz das englische Manuskript, weil da Cut Scene mit bei sind, wie z.B. dass Crowley an der Wand, Decke oder im Bett schläft :D

Crowley und Raphi sind non plus ulta. Ich habe eben auch mein Kapitel 1 als Hörbuch aufgenommen und lade es grade in Youtube hoch :D

Ja leider ist das Fandom in Deutschland sehr klein, aber auf Tumblr geht die Post ab. Es sollte auch mal ein zweites Buch geben, aber dazu sind Terry und Neil nie gekommen und der Plott für das zweite Buch kommt jetzt in Staffel 2 und 3 rein. :D

Ich liebe vor allem die historischen Szenen der Serie.

Ich denke auch, dass Raphi Zweifel an seiner Entscheidung hat und keinen Rückzieher machen kann. Die zweite Niederkunft hieße ja, dass noch mal ein Sohn Gottes zur Erde käme, wenn ich richtig im Thema bin. Dann könnte es definitv noch mal Klarheit bringen, wer Crowley vor seinem Fall war. Das wäre mega spannend. Lucifer scheidet definitv aus, da er diesen selbst erwähnte in Staffel 1.
Antwort von:  Alistor
15.08.2023 20:02
Ich bin so froh dass es endlich weiter geht mit den beiden

Ich mag die historischen auch gerne und ich liebe Crowleys Frisuren
Vor allem wenn sie lang sind
Als ich das erste mal Good Omens geschaut hatte, reanimierte es meine Obsession mit roten Haaren und hab mir meine auch wieder gefärbt

Es könnte auch der gleiche Sohn wieder sein. Wer weiß. Immerhin heißt es er würde an Gottes Seite sitzen und es bräuchte dann keinen zweiten Sohn dafür
Was ist außerdem mit Muriel? Was für eine Rolle wird sie noch spielen?
Auf jeden Fall möchte Metatron doch noch einen Krieg zwischen den Engeln und Gefallenen heraufbeschwören
Das ist sicher.

Oh ich höre es mir gern mal an auf YouTube. Wie heißt du dort?

Crowley an der Decke 🤣 kann ich mir sehr gut vorstellen
Wenn du es hast würdest du mir davon erzählen?
Antwort von:  Frigg
15.08.2023 21:08
Alistor

Ich liebe Crowleys Frisur aus dem Garten, dann bei Moses, Rom, die 40iger, die zurückgebundene Frisur die noch halblang war, dann die kurzhaar <3 Schmacht schmacht macht...er is ein softy bad boy

Ich hab seit über 10 Jahren rote Haare (auch in den Genen, aber kommt bei mir nicht durch, weshalb ich nachfärbe) und nachdem ich jetzt Staffel 2 geschaut habe, hab ich überlegt auch ein Female Crowley zu machen. Ich verstehe seine Macken, seine Sprüche sind gefühlt mein Alltag, er will böse sein, ist aber nett...und sein Kleidungsstil ist auch schon seit Jahren meiner. Also lets go. Meine beste macht mir dafür ein Aziraphale. Sie hat von Natur aus das weißblonde und seinen Kleidungsstil. Das wird unser erstes Cosplay und dann auch noch mit Wohlfühlen.
Letzte Woche hab ich beim Frisör auch mal geschaut, wie mir die haarfarbe aus Staffel 2 steht. Den Farbcode hab ich im Net entdeckt und es sieht insane mega geil aus.

Klar. Youtube ist das hier : https://www.youtube.com/watch?v=2jRnEwfBMsk&feature=youtu.be

Ich kann mal gucken, ob ich es nicht sogar schon online als Passage gefunden habe. Ich hab mir so viel gespeichert aus dem Netz...ich muss das mal alles sortieren XD Hast du Discord oder so, dass ich dir das Bild schicken kann?
Von: Morgi
2023-08-08T17:39:38+00:00 08.08.2023 19:39
Hallo!

Vorneweg, ich kenne das Fandom nicht, aber der Titel hatte mich neugierig gemacht. Insgesamt fand ich den Ausflug in den dämonischen Liebeskummer, wenn man ihn so nennen kann, sehr interessant. Mein Lieblingseffekt war definitiv das Ausnüchtern, denn wundersam war es! Wie du beschrieben hast, was sich auffüllt, repariert, klasse. Das hatte diesen knackigen, direkten Touch, den man auf der Leinwand genießt. Auch Anspielungen auf Crowleys Aussehen fand ich plastisch (Fans werden wissen, wie er ausschaut, für mich war es ein neugieriges Warten, wen man da vor sich hätte), weil Bart und Alkoholgenuss dieses verbrauchte, elende Selbstmitleid im Gepäck hatten.
Unfreiwillig komisch fand ich die Vorstellung, wie er über Valentins Bedeutung lästert oder sich ausgiebig über die Monats- und Vergessenstheorie echauffierte. Ein Dämon, der in dem Punkt doch verblüffend menschlich handelt und nach jedem Strohhalm greift, um Logik gegen Zuneigung gewinnen zu lassen. Das stumme Telefon war glaubhaft verwünscht. Das ließ sich gut nachempfinden.
Bei der Mischung aus Leere und Schmerz hatte ich mir einen dumpfen, betäubten Missmut vorgestellt, vielleicht noch hauptsächlich Leere und irgendwo am Rande der Ansatz von Schmerz. Beides parallel war für mich nicht greifbar, aber das Konzept, beides wäre in ihm ebenbürtig verankert, passt wiederum zu einem Dämon! Warum sollte er nach menschlichen Maßstäben empfinden?
Möge der Liebesengel nun flott sein, ihm ist die Enttäuschung auf den Fersen ... und bei dem Gewitter möchte ich mit ihm nicht tauschen! :)

Viele Grüße, Morgi
Antwort von:  Frigg
08.08.2023 20:06
Schade, dass du das Fandom nicht kennst.
Ich habe einiges aus der Serie mit eingebaut, wie den Fakt, wie Engel und Dämon sich nach einem Saufgelage sich entnüchtert haben oder dass er im Altertum einen kräftigen Bart hatte. :) Ich hab auch viele Canon Sachen mit rausgesucht. Aber vielleicht regt es dich ja an die Serie jetzt auf Amazon anzusehen :D Je mehr gucken, desto größer wird die Chance sein, dass wir Staffel 3 kriegen :D
Antwort von: Morgi
08.08.2023 20:10
Ach, das macht doch nichts. Die Leinwandatmosphäre habe ich auch ahnungslos (wieder)erkannt. :)
Amazon besitze ich nicht, aber Fanfiction kann ich trotzdem weiterverfolgen. Viel Spaß beim Schreiben des kommenden Kapitels!
Antwort von:  Frigg
08.08.2023 20:24
Danke. Mal schauen, wie sich das entwickelt :D Im Moment ist das eine spontane Idee gewesen und ich habe keine Ahnung, ob ich sie weiter führe oder wohin sie kommt


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