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Ineffable

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Kapitel 5 – Erlöse uns

Menschen.

Wie konnte es sein, dass Hiob Fragen stellen durfte? Wie konnte es sein, dass er Gott infrage stellen durfte und dennoch von ihm geliebt wurde? Wie konnte es sein, dass Gott Hiob nie verstoßen hatte für sein „Warum“? Wieso hatte ein Mensch die Möglichkeit bekommen Fragen zu stellen?

Wie konnte Gott sie dennoch lieben, obwohl sie ihn infrage stellten?

Wie konnten diese Kreaturen sich gegenseitig diese Grausamkeiten antun und dennoch geliebt werden? Wie konnten sie sich diese Dinge antun?

Menschen.

Sie waren grausam untereinander, versklavten sich gegenseitig und glaubten besser zu sein, als der andere. Sie töteten aus Spaß Tiere. Sie töteten sich gegenseitig.

Keine Spezies von Gott tat sich all das. Nur Menschen. Nur Menschen waren so selbstsüchtig, so herablassend, so egoistisch. Sie glichen mehr als einmal Dämonen. Ihr Einfallsreichtum kannte keine Grenzen.

Nur Menschen töteten aus Rache oder opferten sich für andere.

Der Dämon, der am Nilufer saß, schloss kurz die Augen und wischte sich über die Augen. Kurz zuckte die Erinnerung durch seinen Kopf, wie das warme Blut an seiner Hand herablief und die Lippen seine Wange berührten. Das sanfte Lächeln würde er nicht vergessen.

Wieder fuhr er sich über die Augen und starrte auf seine nackten Füße, die vom Wasser sanft bis zu seinen Knöcheln umspielt wurden.

So viele Fragen waren in seinem Kopf. So viele ungestellten Fragen und so viel Schmerz hing in seiner Brust, dass er nicht wusste, was er tun sollte.

Die Erinnerung zerriss ihn innerlich immer noch und er konnte nicht verstehen, wie Merrit sich hatte für ihn entscheiden können. Wie hatte sie ihr Leben für seines opfern können? Wie hatte sie so leichtfertig diese Entscheidung treffen können?

Wie hatte sie ihn…lieben…können?

Er war ein Dämon! Ein Werkzeug Satans. Er war unverzeihlich, ungeliebt von Gott und verstoßen. Ein Nichts! Und doch hatte sie Gefühle für ihn gehabt! Und doch hatte diese Seele den Weg an seiner Seite gewählt. Wofür?

Um nirgendwohin zu können? Um für immer zwischen den Welten gefangen zu sein?

Menschen waren Narren! Die größten Narren, die Gott je geschaffen hatte!

Seine Arme schlangen sich um seinen Körper und er ließ den Kopf hängen. Die roten Haare fielen in sein Gesicht und er war dankbar, dass ihn niemand so sah, ansprach und auch niemand in seiner Nähe war, während er weinte und die Tränen über seine Wange liefen.

Crawley hatte den Engel so lange nicht mehr gesehen und er hatte sich geschworen, sich von ihm fernzuhalten. Es nahm kein gutes Ende, wenn sie zusammenarbeiteten. So schmerzlich es für ihn auch war, aber er musste von Aziraphale wegbleiben. Sie waren Feinde und keine Freunde. Sie standen auf unterschiedlichen Seiten und so gerne er sich auch mit dem weißhaarigen Engel abgab, gab es keine Hoffnung für sie. Es gab keine Hoffnung dafür, dass dieses Kribbeln in seinem Bauch zu etwas Gutem führen würde.

Dämonen waren hoffnungslos.

Dieses Kribbeln musste eine Warnung sein! Etwas anderes konnte es nicht sein. Eine Warnung vor dem Engel und dass es nur Chaos geben würde. Es würde nur Schmerz für ihn bedeuten. Vielleicht einen schlimmeren Schmerz als er jetzt in seiner Brust fühlte, weil er den Engel mied und alleine zu sein hatte ihm doch bisher auch nichts ausgemacht.

Er stand auf seiner Seite.

Nicht auf der Seite des Himmels oder die der Hölle. Er tat das, was er tun konnte für die da unten. Mehr aber auch nicht.

Crawley rieb sich über die Stirn und fragte sich, ob Menschen auch so litten, wenn sie jemanden verloren. Rasierten sich die Ägypter deshalb die Augenbrauen ab, wenn ihre Hauskatze starb?

Gab es deshalb immer so ein riesen Theater, wenn jemand starb? Wollten sie deshalb alles weltliche mit ins Grab nehmen, weil es ihnen schwer fiel sich davon zu lösen?

Hatten sie deshalb diese Riten, um sich besser davon zu lösen?

Crawley verstand diese Dinge nicht. Er hatte sie nie verstanden. Schon als die Menschen die ersten Gräber ausgehoben, Schmuck beigefügt hatten oder andere Dinge, hatte er sich gefragt, wofür.

Jetzt wünschte er sich, er hätte Merrit eine bessere Bestattung schenken können. Etwas, was ihrem Glauben entsprach.

Andererseits hatten sie nie darüber gesprochen, ob sie an Gott glaubte oder an die anderen Götter, die die Ägypter verehrten. Sie hatte immerhin gewusst, wer er einst gewesen war. Hatte sie da je an irgendwas geglaubt?

Er war so darauf aus gewesen, sie auf Abstand zu halten, dass ihm nun auffiel, dass er kaum etwas über sie wusste und ein wenig bereute er es, dass er ihren Körper im Beisein des Engels einfach nur verbrannt hatte, statt sie zu mumifizieren.

Hätte er vielleicht etwas zum Abschied sagen sollen? Eine Rede oder sowas? Gebete waren nicht sein Ding und er hatte diesen Part gerne dem Engel überlassen. Jetzt bereute er es, dass er nichts gesagt hatte.

Es konnte doch nicht wahr sein, dass der Tod eines Menschen ihn so aus dem Ruder warf. Ein Mensch war nichts im Leben einer übernatürlichen Identität, wie er es war. Jeden Tag starben Menschen. Jeden Tag wurden Neue geboren.

In seinem Leben ihre begrenzte Zeit nur ein Wimpernschlag. Er konnte sich jahrelang schlafen legen und in dieser Zeit war ein Baby zu einem alten Mann geworden.

Doch dieser Verlust ging ihm nahe.

Sie war so jung gewesen…so voller Leben.

Crawley schüttelte den Kopf.

Schluss. Aus. Es reichte langsam!

„Crawley?“

Der Dämon zuckte zusammen und zischte schnappend nach dem Besucher. Seine Giftzähne gruben sich in die weiche Haut und der Schmerzenslaut von Aziraphale hallte über das Ufer. Warmes Blut benetzte seine Zunge.

Crawley starrte mit weit aufgerissenen gelben Augen auf den Engel, dessen Hand in seinem Mund steckte.

Fassungslos sah er in die blauen Augen und ließ Aziraphale ab. Stolpernd wich er rücklings zurück und wattete tiefer in den Nil hinein. Abstand!

Er musste Abstand zu dem Engel nehmen.

Panisch sah er den Engel an, der sich die Hand hielt und versuchte das Blut zu stoppen. Er konnte seine Bisswunden sehen.

„Scheiße!“, fluchte er und sah leicht betreten weg. Was hatte er getan?

„Das erste Mal in dreißig Jahren sehen wir uns wieder und du beißt mich?“, fragte Aziraphale vorwurfsvoll, „Was ist mit unserem Schwur?“

„Ich…“ Er konnte nicht sagen, dass es ihm leidtat. Das tat es, doch er konnte es nicht sagen. Wie viel Schwäche würde das nur offenbaren, wenn er sich bei einem Engel entschuldigte?

„Werde ich jetzt dank dir sterben?“

Crawly schwieg und atmete nur schwerer. In seinem Magen flatterte es wieder und darunter mischte sich sein schnell schlagendes Herz.

„Du kannst nicht erwarten mich aus den Gedanken zu reißen und nicht von einer Schlange gebissen zu werden! Jeder weiß, dass man Schlangen nicht erschrecken soll!“, erwiderte er brummend und presste die Lippen aufeinander zu einer schmalen Linie. Er starrte auf die Hand des Engels und kam vorsichtig näher, um diese zu nehmen.

„Halt jetzt still, Engel und atme tief durch“, sagte er gepresst. Mit der anderen Hand strich er über die Wunde und ließ sie verschwinden. „Mein Gift kann dich in Minuten töten und keine himmlischen Wunder könnten das verhindern. Ich bin der Einzige, selbst unter den Dämonen, der mein Gift heilen kann. Merk dir das für die Zukunft und was unseren Schwur angeht…“ Er dachte für einen Moment zurück. „Das war kein Einsatz, Engel. Wir haben uns so getroffen, ohne Auftrag. Also zählt das nicht. Das nennt man Grauzone.“

Crawley lächelte gepresst.

„Du bist ein böser Dämon.“

„Hast du etwas anderes erwartet?“

„Es wäre…wirklich nett, wenn du mich nicht wieder beißen würdest.“ Die blauen Augen sahen ihn eindringlich an und Crawley konnte nur leise und betreten zischen.

„Erschreck mich einfach nicht und ich beiße dich nicht“, murmelte der Dämon und fuhr sich durch die Haare. Er sah etwas zerknirscht aus.

Er war so in Gedanken und in den Gefühlen versunken, dass er nicht mal mitbekommen hatte, wie der Engel sich näherte. Normalerweise war die Anwesenheit für ihn wie ein Leuchtfeuer. Er spürte es sofort und er konnte den Engel riechen. Doch jetzt war es so anders gewesen.

„Was willst du eigentlich hier?“ Er wischte sich über die Augen und setzte weiterhin seine mürrische Mine auf, ehe er zurück watete. Trotzig ließ er sich auf den Platz nieder, wo er bis eben gesessen hatte bis das Engelchen aufgetaucht war.

„Ich habe dich ewig nicht gesehen“, fing der Engel vorsichtig an und folgte ihm. Seine Hände kneteten den Stoff seines weißen Gewandes. „Der Tempel ist verlassen und…nun ähm…ich dachte, ich sehe mal nach dir.“

„Und wozu?“

„Das letzte Mal ist es nicht gut geendet.“ Aziraphale sprach vorsichtig mit ihm und rieb sich über die genese Stelle an der Hand.

„Das ist es jetzt auch nicht, Engel.“

„Du weißt, was ich meine…“ Aziraphale sah ihn besorgt an und setzte sich vorsichtig an seine Seite. Er hörte ihn atmen und offenbar nach den richtigen Worten suchen. „Ich hatte Sorge, dass du…“

„Was?“

„Einsam bist.“

„Einsam?“, schnaubte Crawley, „Ich bin nicht einsam.“

„Du hast schon mal gelogen.“

„Ich bin ein Dämon. Ich lüge ständig“, erwiderte er kühl.

„Und gibst du dich immer noch als Apophis aus?“

„Du stellst ziemlich dumme Fragen, Engel.“

„Ich wollte nur etwas Konversation betreiben.“

„Nun, dann lass es.“ Wieder presste er die Lippen zusammen, fest entschlossen den Engel auszuweichen und schnell wieder los zu werden, ehe die nächste Katastrophe auf ihn einbrach. Doch irgendwie hatte er das Gefühl, dass das nicht so einfach werden würde.

„Weißt du…ich verstehe es ziemlich gut.“

„Was verstehst du gut?“

Kurz warf Crawley dem Engel einen fragenden Blick zu.

„Nun, was in dir vorgeht.“

„Ach und was geht in mir vor?“ Fragend hob er eine Augenbraue und verzog spöttisch das Gesicht zu einem Grinsen.

„Wir sind solange hier unter den Menschen…wir essen und trinken das gleiche wie sie, wir passen uns ihnen an und meinst du nicht, dass es sein kann, dass…naja…sie ein wenig auf uns abfärben?“

„Abfärben?“

„Ja…Wir tun fast genau die gleichen Dinge wie sie. Wir beide verstehen die Menschen und damit auch…“ Vorsichtig sah Aziraphale den Dämon an und verzog nachdenklich die Stirn in Falten. „Die Gefühle, die sie haben. Du trauerst, mein Lieber.“

„Trauern? Ich? Engel, hast du zu viel Weihrauch geschnüffelt?“

„Was? Nein! Obwohl Weihrauch ziemlich gut riecht…“ Der Engel merkte, dass er dabei war abzuschweifen und schüttelte den Kopf. „Darum geht es aber nicht. Fakt ist, dass du trauerst. Du ziehst dich zurück, du hast den Tempel hinter dir gelassen…ich höre nichts mehr von dir…“

„Und wenn schon? Nichts ist für die Ewigkeit“, wank er ab und grub seine Zehen in den weichen Matsch der Erde. Er vergrub sie so tief er konnte und wenn er nicht doch ein wenig die warme Sonne bräuchte, dann würde er sich auch unter der Erde verkriechen und sehr, sehr lange nicht mehr herauskommen. „Ich sollte gehen. Diese Unterhaltung ist lächerlich.“

„Crawley, bitte. Bleib hier.“

Crawley grummelte. Er würde nie gehen können, wenn der Engel ihn darum bat zu bleiben. Wieso musste dieses himmlische Geflügel nur so eine Macht über ihn haben?

„Es ist nicht schlimm, wenn man trauert“, fuhr der Engel fort, „Jeder verarbeitet es auf seine Weise, aber ich möchte, dass du weißt, dass das Leben weiter geht. Nur weil Merrit gestorben ist, stirbt nicht die ganze Welt.“

Sanft legte sich die Hand des Engels an seine Wange und drehte sein Gesicht zu ihm. Die andere Hand legte sich um seine Schulter. Aziraphale zog ihn näher und sein Kopf ruhte mit einem Mal an der Brust des Engels.

„Was hast du vor?“

„Dich trösten“, sagte der Engel sanft, „Den Menschen hilft es über die Person zu sprechen, die sie verloren haben. Frauen ändern oft ihre Frisuren bei Veränderungen…manchmal hilft es das Grab zu besuchen.“

„Es gibt kein Grab von ihr. Wir haben ihre Asche vom Wind davontragen lassen“, knurrte er.

„Dann sprich…ähm…zu…“

„Gott? Verzichte!“

„Crawley, ich will dir nur helfen!“

„Engel, lass mich doch einfach trauern“, sagte er ergeben. Ein warmer Wind wehte über das Nilufer und brachte etwas Abkühlung zwischen der Hitze. So nah bei dem Engel zu sein hatte den Vorteil, dass er dessen Herzschlag hören konnte.

Interessant, dass Engel noch ein Herz besaßen nach der Rebellion. Er hatte gedacht, dass Gott ihnen all das genommen hatte, damit sie wieder brave Werkzeuge waren. Aber da schlug es. Kräftig und gleichmäßig.

„Was…ähm…was ist passiert, nachdem Beelzebub dich mitgenommen hat? Der Blitzeinschlag war…nun…nicht grade ungefährlich, um es vorsichtig zu sagen.“

Crawley konnte den fragenden Blick auf sich spüren und er blinzelte ein paar Mal.

„Das, was die Hölle eben mit jemanden macht, der nicht brav gehorcht“, wicht er der Antwort aus.

„Sie haben dich bestraft.“ Es war keine Frage. Nur eine Feststellung.

Crawley wollte nicht darüber sprechen, was passiert war, wie die Strafe aussah oder welche Schmerzen er gehabt hatte. Der Engel musste nicht alles wissen. Doch instinktiv wanderte seine Hand zu seiner Schulter.

„Hast du…schmerzen? Ich könnte dich heilen?“, schlug Aziraphale vorsichtig vor und Crawley schnaubte.

„Tu, was du nicht lassen kannst, Engel.“ Er könnte nein sagen und am Ende würde Aziraphale doch seinen Willen bekommen. Er war machtlos gegen ihn. Egal, auf welcher Art und Weise sie sich trafen und das Problem war, dass es diesem Engel nicht mal bewusst war, wie viel Macht er über ihn hatte.

Crowley spürte ein warmes Kribbeln in seinem Körper als die heilenden Kräfte von Aziraphale durch ihn hindurch flossen, die Narben mit sich nahmen und den Schmerz verschwinden ließen.

Tief atmete Crawley durch.

„Bist du jetzt bereit das Papyrus von ihr zu lesen?“

Crawley runzelte verärgert die Stirn. „Nein. Ich will keine Erklärungen dafür, wieso Merrit ihr Leben geopfert hat. Ich werde es nicht verstehen können. Das ist für mich unbegreiflich.“

„Mag sein. Aber du hättest ein Andenken an sie. Sie war wie eine Tochter für dich.“

„Red keinen Käse!“

„Dann halten wir die Fakten doch mal zusammen…du hast sie aufgenommen, hast auf sie aufgepasst, sie versorgt…Crawley, ob du es glaubst oder nicht, Kinder sind deine Schwäche. Du kannst keine Kinder leiden sehen. Das ist mir seit der Flut klar.“

Der Dämon gab ein Zischen von sich.

Verdammter Engel!

„Und mir geht es genauso. Ich weiß, ich habe einen Fehler gemacht und sie hat mir nicht so vertraut wie dir, aber…ich glaube, so müssen Eltern leiden, wenn sie ihr Kind verlieren. Wir waren wie ihre Ersatzeltern.“

Crawley würde es nur über seine Leiche zugeben, aber der Engel hatte vielleicht Recht. Das dunkle Loch in seiner Brust war schmerzhaft und wenn er gekonnt hätte, hätte er das Mädchen in Gänsefedern gepackt und sie vor allem bewahrt. Vor allem vor den Alpträumen und den Visionen.

War das so ein väterliches Ding? Taten das Eltern? Er hatte keine Ahnung.

Crawley schnaubte nur. Er war kein Vater oder der väterliche Typ. Er war ein Dämon und bestimmt keine Ersatzmutter oder -vater mit dem Engel zusammen!

„Langsam wird es peinlich, Engel“, murmelte er und schloss kurz die Augen. Der Engel strich sanft über seine Wange und die Tränen weg, die ihm dort hinab liefen.

„Das muss dir nicht peinlich sein. Trauer ist etwas völlig normales und Merrit hat das alles auch gesehen. Sie sagte mir auch, wo ich dich finden werde.“ Er klang ein wenig stolz und

Crawly runzelte die Stirn und richtete sich wieder auf, um den Engel anzusehen.

„Wie meinst du das, sie hat es gesehen und dir gesagt, wo ich bin?“

„Sie hat doch die Papyri geschrieben und darin einige Dinge festgehalten für die Zukunft. Bisher war alles recht präzise, wie der Untergang von Atons Kult“, sagte Aziraphale, „Leider. Sie hat also wirklich daran gearbeitet. Sie schrieb sogar auf, wann und wo ich dich finde.“

„Und wozu?“, fragte er verärgert und zog die Nase hoch. Der Kloß in seinem Hals saß ziemlich fest. Müde rieb er sich über die Augen.

„Nun…um dich aufzubauen und…“

„Was willst du, Engel?“

Der Seitenblick zu Aziraphale verriet Crawley, dass es nicht nur um Trost ging und er zog die Augenbrauen enger zusammen. Der weißhaarige Engel knetete nervös den Stoff seines Gewandes.

„Willst du Sklaven befreien?“, fragte er vielsagend nach. Genau das würde zu Aziraphale passen. Sklaven befreien und Gutes tun. Wenn er genau in der Luft schnupperte, dann lag diese Veränderung sogar in der Luft.

„Die Hebräer haben es nicht leicht…“, murmelte der Engel und fuhr sich unruhig über den Nacken, „Sie flehen nach Erlösung.“

Er nickte den Nil entlang. Crawley folgte dem Blick und konnte ein Schiff sehen, was sich näherte und was beladen war mit Steinquadern aus einem Steinbruch. Sklaven saßen am Ruder und brachten die Ladung voran. Wenn er genau darauf achtete, dann konnte er sogar die Trommelschläge hören, die die Sklaven antreiben sollten, neben den Peitschenhieben.

„Weißt du…ich wollte dich um Hilfe bitten“, gestand der Engel. Crawley hob die Augenbrauen und lehnte sich fragend zurück.

„Mir ist zu Ohren gekommen, dass der Pharao nicht erfreut ist über die Zahl der Sklaven und Merrit…sie schrieb, dass der Nil geflutet wird mit den Tränen der hebräischen Frauen.“

„Verlässt du dich wirklich auf ihre Vorhersagen?“, fragte er ungläubig und verengte ein wenig die Augen.

„Wieso nicht?“

„Dann benutzt du sie doch genau dafür, wovor wir sie versteckt haben!“, knurrte er und stand entschieden auf. Wie konnte der Engel so respektlos sein und handeln? Hatten sie sie nicht versteckt, damit niemand ihre Fähigkeiten nutzen konnte für seine Seite? Und der Engel tat genau das!

„Aber sie hat es mir selbst hinterlassen!“ Aziraphale griff nach seinem Handgelenk. Er hielt ihn fest und wunderte eine Schriftrolle hervor. „Sieh es dir an. Bitte.“

Crawley warf dem hingehaltenen Papyrus nur einen knappen Blick zu und riss seine Hand fort. So sehr er den Engel mochte und dessen Nähe, trieb er ihn manchmal in den Wahnsinn!

Letzteres schien eine besondere Kunst von ihm zu sein. Vor allem jetzt.

„Siehst du!“, sagte der Engel nachdrücklich, „Sie hat es nur für mich geschrieben. Niemand weiß davon, außer du und ich.“

Crawley schnaubte und verschränkte die Arme vor der nackten Brust. „Nein, Engel! Wir haben so viel dafür riskiert, dass keiner etwas über die Zukunft erfährt, und du benutzt das!“

„Crawley…“

„Ich habe nein gesagt! Lass Merrit in Frieden Ruhen. Lass dieses Mädchen einfach eine Erinnerung sein.“ Er fing an herum zu laufen und Spuren im Sand zu hinterlassen. „Engel, wenn diese Schriftrolle in die falschen Hände kommt, haben wir ziemliche Probleme und ich stehe nicht unbedingt auf Höllenqualen. Es mag nützlich erscheinen, aber willst du wirklich alles über Bord werfen, um ein paar Sklaven zu befreien?“

„Wir könnten damit versuchen…“

„Ich habe mir hier eine friedliche Existenz geschaffen, die durch die letzte Aktion ziemlich den Bach runter gegangen ist. Daher ist es umso wichtiger, dass wir nicht in der Nähe sind, wenn wieder eine Katastrophe passiert, die sich die Menschen selbst ausdenken!“

„Ich dachte nur…“

„Was? Dass wir wieder zusammenarbeiten?“ Crawley rieb sich die Stirn und über die Augen. Die Wunde in seinem Herz tat erneut weh und kurz schüttelte er leicht den Kopf, um dieses komische Gefühl von Zufriedenheit und Glück bei der Erinnerung abzuschütteln.

„Na gut. Wenn du mir nicht helfen möchtest, dann…es steht dir frei zu gehen.“

„Zu gehen? So machst du das also, Engel? Du vertreibst mich von dem Platz, den ich mir gesucht habe und versuchst mich mit Nettigkeiten rumzukriegen?“

„Nein! Ich möchte doch nur, dass du mir hilfst! Irgendwas wird mit den Kindern passieren und…“ Der Engel ließ den Kopf hängen. „Wenn du nicht willst, dann nicht. Ich kann dir nicht aus der Trauer helfen, wenn du es nicht auch willst…und dich zwingen mir zu helfen erst Recht nicht.“

„Ganz genau! Ägypten ist für mich erledigt. Du wirst das alleine machen!“ Damit stapfte er davon, fest entschlossen dieses Land zu verlassen und dem Engel weiter aus dem Weg zu gehen.

Crawley stapfte zischend und wütend davon. Er ärgerte sich über den Engel und dachte über dessen Worte nach. War es wirklich so simpel? Färbten die Menschen wirklich so stark auf ihn ab, dass er väterliche Gefühle hatte und trauerte?

Eigentlich sollte er doch als übernatürliches Wesen zu so etwas gar nicht in der Lage sein. Erst recht nicht als Dämon!

Wieder zischte er und schnalzte mit der Zunge. Wo könnte er hin, wo der Engel ihn nicht fand? Im Norden war es kalt und…

Crawley wurde aus den Gedanken gerissen, als ihn jemand unsanft zur Seite schob. Er landete hart gegen einen Stand von einem Obsthändler und ein paar Früchte fielen zu Boden.

Wütend sah er die Person an und wollte schon losknurren, als er die gelben Augen aufriss. Eine Armee aus Soldaten bahnte sich einen Weg durch die Straßen Richtung Außenbezirke, wo die Sklaven und Arbeiter ihre Unterkünfte hatten.

Sie waren bewaffnet und mit einem Mal hatte er Merrits Stimme im Ohr, gepaart mit den Worten von Aziraphale, dass Tränen der hebräischen Frauen den Nil fluten würden.

Kinder…es ging um Kinder und die Erkenntnis, was passieren würde, schlug über ihn herein, dass er lautstark fluchte.

Warum immer Kinder? Warum die Unschuldigen?

Crawley ignorierte den Mann und folgte den Soldaten mit eiligen Schritten. So wie er den Engel kannte, würde dieser mit Sicherheit nicht weit sein.

„Aziraphale?“, rief er sobald er die heruntergekommene Gegend betreten hatte. Irgendwo musste dieser stecken. Wenn er diesen Menschen helfen konnte, dann würde er nicht weit sein und hoffentlich nicht in Schwierigkeiten stecken.

Der Schrei einer Frau erfüllte die Luft, gefolgt von einem Wehklagen, dass ihm Mark und Bein gefror.

Der Soldat, der aus einer Hütte kam, hatte einen blutigen Säbel in der Hand und einen Sack dabei.

Crawley wurde schlecht und er musste sich die Hand vor den Mund halten. Weitere Schreie, Flehen und Hilferufe erfüllten die Gassen. Eine Stimme nach der anderen erhob sich.

Wie wollte der Engel das verhindern?

„Aziraphale!“, rief er und sah sich panisch um. „Bei allen Höllenkreisen…wo bist du?“

Seine gelben Augen suchten die Straßen ab. Er lief vorbei an den Häusern und tiefer in das Armenviertel der Sklaven, vorbei an schiefen Türen und Fenstern.

Sein Herz hämmerte panisch. Was für einen verrückten Plan hatte der Engel nur da im Sinn?

Irgendwo hörte er ein Baby schreien und kurz darauf verstummen.

Crawley versuchte sich zu ermahnen, dass Panik nicht hilfreich war. Wenn er sich stark genug konzentrierte, dann konnte er vielleicht spüren, wo der Engel sich aufhielt. Unruhig fuhr er sich durch die Haare und versuchte die Schreie auszublenden. Seine Atmung ging schneller. Im Hinterkopf hatte er immer den Gedanken, dass dieser Engel ein Talent dafür hatte sich in Schwierigkeiten zu bringen.

„Wo steckst du?“, murmelte er leise und ließ die Vibrationen vom Boden durch seinen Körper gleiten. Irgendwo musste er sein und da war auch das bekannte Gefühl in der Luft. Die Wärme und Hoffnung, die er ausstrahlte.

Wenn er sich auf dieses Gefühl konzentrierte, musste er ihn finden.

Crawley öffnete seine Augen und lief los.

Er schlich durch die Nebengassen und folgte diesem Gefühl bis er einen weißen Haarschopf sah.

Endlich!

Doch, was er sah, war nicht gut. Der Engel war kurz davor entkörpert zu werden. Der Soldat stand mit blutigem Säbel vor ihm und obwohl der Engel unbewaffnet war, hatte er sich vor eine Frau mit ihren beiden Kindern gestellt. Im Arm hatte sie ein Bündel.

Crawley zischte und noch während er zu dem Engel lief, ließ er seinen Körper zu der großen Schlange werden. Elegant glitt er über den Boden und bäumte sich auf.

Er blickte auf den Soldaten nieder und entblößte seine Fänge.

„Crawley“, hörte er hinter sich ein erleichtertes Seufzen, doch er ließ sich nicht ablenken und schnappte nach dem Mann, der aufschrie und rückwärts auf dem Boden fortkroch.

Crawley verengte die Augen und wartete noch einen Moment bis er sich zurückverwandelte.

„Ich wusste, dass du wiederkommst“, sagte der Engel hinter ihm und mürrisch zischte er zur Antwort. War er so berechnend?

„Verlass dich aber nicht jedes Mal darauf. Wieso wirkst du kein Wunder und alle sind in Sicherheit?“

„Das wäre ein viel zu großes Wunder. Das wäre über meine Möglichkeiten“, murmelte der Engel verlegen und Crawley seufzte. Er sah kurz zu der dunkelhaarigen Frau, die ihre ihre Kinder schützend umklammerte, als könnte er sie alle gleich fressen. Als ob er Menschen essen würde!

Dann schnippte er mit dem Finger und verzog schmollend das Gesicht. „Geht einfach. Ihr werdet vor den Blicken der anderen geschützt sein“, schnalzte er zischend.

„Was ist mit dir? Was ist mit den…anderen?“, fragte Aziraphale besorgt und fast flehentlich.

„Mach dir um mich keine Sorgen“, schnaubte der Dämon und warf einen Blick über die Schulter, was er sofort bereute. Diese blauen Augen und dieser Hundeblick schon wieder! „Sei froh, dass du dieser Frau helfen kannst. Es sind zu viele und ich kann nichts tun, ohne dass die Hölle davon erfährt.“

Kurz sah er zu der Frau und dann wieder zum Engel.

„Und was sollen wir dann tun?“

„Begleite die Frau einfach und hör nicht zu genau hin. Ein gerettetes Leben ist genauso viel wert, wie eine ganze Welt.“

„Aber die anderen…“

„Engel, wir sind nur zu zweit! Entweder wir bringen jetzt die Frau hier raus oder wir gehen beide drauf! Also beweg dich jetzt, ehe ich es mir anders überlege!“

Der Engel sah ihn an, als hätte er drei Köpfe bekommen und Crawley sah ihn mahnend an, damit er sich endlich bewegte.

Nach einer gefühlten Ewigkeit nickte Aziraphale endlich und legte eine Hand auf die Schulter der Frau.

„Keine Sorge, wir können ihm vertrauen. Aber wir müssen los.“

Die junge Mutter sah sie zweifelnd an und nickte dann aber. Die Angst zu sterben oder dass sie ihre Kinder verlieren würde, schien sie eher anzutreiben als die Absicherung, dass ihnen nichts passieren würde. Ihre Lippen bewegten sich immer wieder, als würde sie still und leise vor sich hin beten.

Ihm sollte es egal sein, solange der Engel in Sicherheit war und sie hier aus dem Massaker verschwinden konnten. Sein Wunder würde auch irgendwann verschwinden und nicht ewig halten. Es sollte sie nur vor den Soldaten schützen.

„Warum die Neugeborenen?“, fragte er den Engel, während sie der Frau folgten und sich immer wieder umsahen.

„Nach dem, was ich weiß, sind die Hebräer zu zahlreich geworden“, erklärte Aziraphale betrübt.

„Und dann tötet man Neugeborene?“ Er zischte ungläubig und schüttelte den Kopf. „Und da sagt man, dass wir böse wären.“

„Wer weiß, welcher Dämon da seine Finger im Spiel hatte.“

„Schau mich nicht so an. Ich war es bestimmt nicht und ich versichere dir, ich bin aktuell der einzige Dämon in der Gegend.“

„Ich glaube nicht, dass die Menschen sich das selbst ausdenken…“

Crawley schenkte sich die Antwort. Eigentlich hatte der Engel selbst erlebt, wie Menschen Worte auslegen konnten und darunter hatten die Ägypter viele Jahre gelitten. Zu Streiten würde auch nichts bringen. Sie konnten den Kindern nicht helfen und alles, was er tun konnte, war sie hier raus zu bringen.

Crawley führte sie durch die Gassen und raus aus dem Viertel. Je mehr sie die Häuser hinter sich ließen, desto leiser wurden die Stimmen, die Schreie und den Hilferufen.

„Wir sollten gehen, Engel“, murmelte er, als sie die Mutter und ihre Kinder aus dem Viertel gebracht hatten.

„Nein, wir müssen bleiben. Sie wird es aussetzen. Wir müssen dafür sorgen, dass es gefunden wird.“

„Bin ich eine Hebamme?“, fragte Crawley ungehalten und schüttelte den Kopf, „Nein, Engel, nein…schau mich nicht so an. Ich habe schon genug…Gutes…getan für einen Dämon.“

„Aber könntest du nicht…?“

„Was?“

„Dafür sorgen, dass es sicher ist.“

„Ist das nicht eher deine Sache, Engel?“

„Ich meinte…dich als…Apophis.“ Bittend schauten ihn die blauen Augen an und sein Blick wanderte zu der Frau, die in den Fluss gelaufen war. Der Korb mit dem Kind schwamm vor ihr und sie summte ein Schlaflied. Am Ufer standen ihre beiden Kinder und sahen dem Abschied zu, wie sie den Deckel über das Baby legte. Immer wieder hörte er ihre Gebete, dass der Fluss das Kind beschützen und zu einem Ort bringen möge, wo es frei leben konnte.

„Als Apophis würde man sicherlich auf dich hören!“, führte der Engel fort und Crawley spürte die warme Hand des Engels auf seiner.

„Du schuldest mir für heute eine ganze Menge und ein Wein ist da nicht ausreichend“, sagte er und versuchte streng zu klingen, was Aziraphale kaum zu bemerken schien. Die blauen Augen blickten ihn noch immer hilfesuchend an und Crawley wandte sich ab, um ins Schilf zu gehen.

Der Engel folgte ihm.

„Was hast du vor? Bitte…hilf ihr…dem Kind…Der Fluss ist voll von Krokodilen und die Nilpferde…und die Schiffe. Was, wenn es zerquetscht wird!“

„Wenn du so weiterredest, ändere ich meine Meinung“, brummte er und drehte sich noch mal um, halb in der Verwandlung steckend zu der großen schwarz-roten Schlange. Sein Unterleib hatte bereits die Schlangenform angenommen, während sein Oberkörper noch der eines Mannes war. „Warte hier bis ich zurück bin. Ich schaue, wo ich es hinbringen kann und komme wieder.“

Der hoffnungsvolle Blick des Engels ließ seinen Magen kribbeln und er ärgerte sich insgeheim über sich selbst, dass der Engel es wieder einmal geschafft hatte, dass sie zusammenarbeiteten.

Crawley schnalzte mit der Zunge, als er ins Wasser glitt. „Bin ich eine Wasserschlange…?“, murmelte er vor sich hin, „Nein, ich bin eine Wüstenschlange. Ich mag warme Orte. Kein stinkendes Nilwasser! Habe ich Kiemen? Nein. Aber was tue ich hier? Ich schwimme im Nil und rette ein Kind…“

Sein wütendes Gemurmel ging in ein paar Luftblasen unter als er sich gänzlich verwandelte und Richtung Korb mit gleitenden Bewegungen glitt. Mit seiner Nasenspitze stupste er den Flechtkorb an und trieb ihn in vor sich her.

Wie sollte er einen sicheren Ort finden? Was hieß sicher? Er könnte den Korb irgendwo zwischen den Binsen verstecken und warten, dass das Menschen ihn fanden. Oder er brachte das Kind zum Hafen. Dort gab es genug Händler und Menschen, dass es sicher sein konnte.

Andererseits…

Würde er grinsen können als Schlange, würde er grinsen. Ja, das war ein perfekter Plan. Sicher und frei.
 

„Alles erledigt, Engel“, sagte er, als er zurück zum Ufer kam und sich langsam zurückverwandelte. Das Wasser ließ ihn etwas frieren.

Die Sonne hatte ihren höchsten Stand längst hinter sich gelassen und war bereit unterzugehen.

Der Engel stand mit dem Rücken zum orange-roten Licht und seine blauen Augen leuchteten hoffnungsvoll.

„Oh wie wunderbar!“

„Gewöhn dich nur nicht dran, dass ich das immer mache“, brummte er und drückte seine Haare vom Wasser aus.

Der Engel wunderte ein weißes Tuch herbei und legte es ihm um die Schultern. „Nein, natürlich nicht. Aber wir konnten ein Leben retten und das ist so viel wert…“

Crawley rümpfte die Nase und schüttelte den Kopf. „Wir hätten gar nichts tun sollen. Ich werde die Schreie wochenlang im Ohr haben.“

Mit dem Tuch rieb er sich etwas trocken und ging mit dem Engel fort vom Ufer.

„Sei froh, dass du nicht hier warst. Die Soldaten haben die Kinder auf ein Schiff gebracht und den Krokodilen vorgeworfen.“

Crawley schluckte und versuchte die Vorstellung aus seinem Kopf zu bekommen. Ja, es war wohl besser, dass er nicht hier gewesen war.

„Wohin hast du das Kind gebracht?“, lenkte der Engel das Thema weiter und er war froh, dass er nicht mehr auf das Thema einging.

„Zum Pharao.“

„Was?“

„Ich habe die Prinzessin getroffen und ihr als Schlangengott befohlen auf das Kind aufzupassen und es wie ihr eigenes groß zu ziehen.“

„Das…“

„Das ist genial, ich weiß. Der Pharao zieht ein Sklavenkind als Prinz groß. Ein dämonischer Geniestreich! Nenn es ausgleichende Gerechtigkeit für die vielen Opfer von heute.“ Crawley grinste zufrieden und er sah Aziraphale an. Dieser blickte drein, als wisse er noch nicht, was er davon halten sollte. Dann gab es wohl kein Lob und Crawley hörte auf zu grinsen.

„Hoffentlich wird er gut behandelt und nicht zu irgendeiner Sklavin abgeschoben.“ Der Engel wirkte besorgt.

„Wenn du unsicher bist, dann kannst du ja nach ihm sehen. Aber ich denke, sie wird das Kind gut behandeln. Sie gab ihm den Namen Moses.“
 

Crawleys Leben am Nil war minimalistisch. Anders als vor so vielen Jahren lebte er nicht in einem Tempel und gab sich als Gott aus. Das Thema war für ihn durch und er hatte es nur dem Engel zur Liebe vor zwanzig Jahren noch einmal gemacht mit der Konsequenz, dass ihm Lord Beelzebub ein Lob ausgesprochen hatte für die Tötung der vielen Babys.

Das wollte er mit Sicherheit nicht auf seiner Fahne geschrieben haben, aber besser als zugeben zu müssen, dass die Menschen weitaus größere Sünden im Kopf hatten als er es sich je ausdenken könnte.

Seit Aziraphale mit Moses vor fast zwanzig Jahren die Hauptstadt verlassen hatte, war sein Leben fast langweilig geworden. Kein Engel mehr, der ihn mit blauen Augen hoffnungsvoll ansah. Kein Engel mehr, der ihm möglicherweise das Leben zur Hölle machte. Kein Engel mehr, der mit ihm etwas trank oder aß. Kein Engel mehr, der für ein Kribbeln in seinem Bauch sorgte.

Es war fast langweilig und unspektakulär geworden, wie er hier lebte.

Wer hätte gedacht, dass er diesen tollpatschigen Engel vermissen würde?

Aber das war wohl auch normal, wenn man sonst kein anderes übernatürliches Wesen als Gesellschaft auf diesem Planeten hatte. Dann wurde man sowas wie…Freunde.

Crawley erwischte sich mehr als einmal, dass er überlegte den Engel aufzusuchen und zu nachzusehen, ob es ihm gut ging. Hatte er Moses durch die Wüste begleiten können? Hatten sie einen sicheren Platz gefunden oder hatte die Wüste beide dahin gerafft?

Wenn er daran dachte, wurde ihm so ziemlich übel. Doch gleichzeitig ermahnte er sich, dass dieser Engel sein Feind war und sie auf unterschiedlichen Seiten standen.

Es konnte ihm doch eigentlich nur Recht sein, wenn er nicht mehr hier war. Dann würde der Himmel irgendeinen anderen Idioten schicken, der seine Pläne vereiteln sollte. Irgendeinen dummen sturen Engel, der vielleicht noch steifer war und noch verschrobener als Aziraphale. Jemand, der keine Ahnung von den Menschen hatte und was das Leben hier so bequem machte.

Jemand wie Gabriel vielleicht.

Allein bei dem Gedanken drehte sich ihm der Magen um, wenn er an ihn dachte.

Aziraphale war da die viel bessere Wahl. Er kannte nicht nur das Leben. Er wusste, dass er...eben so war wie er war. Sie hatten einen Eid geschworen und Crawley hatte keine Lust wieder so viele tausend Jahre damit zuzubringen bis der nächste Engel zu ihm Vertrauen würde. Vor allem gab es einen Moment, der sich nicht wiederholen würde und den er mit Aziraphale teilte.

Er hatte ihn angelogen. Einmal in der ganzen Zeit und das nur, damit sich der Zweifel und die Lüge für den Engel erträglicher machten.

Seine eigene Seite zu haben war verdammt einsam und das dem Engel einzugestehen, hatte sich so…so verletzlich angefühlt. Er hatte dem Engel eine Seite offenbart, die er nie jemanden zeigte und dieser kleine Funke Vertrauen hatte sie näher gebracht.

Wie sollte so eine Barriere mit einem anderen Engel entstehen? Das war unmöglich!

Seufzend blickte er von seinem kleinen Garten auf, den er besaß und schaute sich kurz um. Seine Knie waren voller Erde, aber das war nicht weiter schlimm.

Crawley liebte die Gartenarbeit und er liebte es sich um die Setzlinge zu kümmern, sie zu bewässern und zu pflegen. Es gab nichts Besseres als sich stundenlang darum zu kümmern und den Kopf frei zu bekommen. Perfekt waren die Pflanzen vor allem dann, wenn sie groß, grün und prächtig aussahen mit gesunden, glänzenden Blättern. Vor allem war die Bewässerung wichtig. In der glühend heißen Sonne verbrannten die Pflanzen, wenn man sie am Tag wässerte. Am besten war es in den Abendstunden. So konnten sie wachsen und gedeihen und wunderschöne Blüten und Früchte tragen.

Aber all das ersetzte eben nicht den Engel und ihre Gespräche.

Wer hätte das gedacht, dass ein Dämon mal einen Engel vermissen würde?

Aufstehen, Gartenarbeit, die Räume in Ordnung halten... er versuchte, Papyri zu studieren und hier und da eine kleine Versuchung zu wagen, genoss die Lokale in der Umgebung mit ihrem guten Wein und Bier, während seine Zentrale ziemlich zufrieden war.

Die Aktion des Pharaos mit der Tötung der Neugeborenen hatte für ein großes Lob dort unten gesorgt und man ließ ihn weitestgehend in Ruhe.

Es war fast…langweilig.

Crawley wandte sich von dem kleinen Garten ab und ging zu dem kleinen Brunnen, um frisches Wasser zu schöpfen und seine Hände, Knie und sein verschwitztes Gesicht zu reinigen.

Das kühle Nass war eine Wohltat und der Dämon genoss es, wie es an seinem Hals und Nacken hinunter lief.

„...ley?“

Er schüttelte den Kopf und goss sich erneut etwas Wasser über den Kopf.

„Crawley?“

Die warme Hand auf seiner Schulter ließ ihn erschrocken aufschreien und zurückspringen. Der Angesprochenen stieß gegen den Rand vom Brunnen. Er spürte, wie die Ziegel nachgaben und hinter ihm nach unten fielen.

Die Hand von Aziraphale griff nach ihm und zog ihn zurück, ehe er ebenfalls hineinfallen würde. Doch dank dem Schwung landete er auf dem Engel.

„Willst du mich umbringen, Engel?“, fragte er atemlos und schaute zu ihm herunter. Aus seinen Haaren tropfte Wasser und benetzte das erhitzte Gesicht des Engels. Er spürte, wie rot sein Gesicht wurde, als ihm bewusst wurde, wie nahe er ihm war. Doch bewegen konnte er sich nicht.

„Gütiger Gott, Crawley…ist alles in Ordnung?“ Die blauen Augen sahen ihn besorgt an.

„Immerhin kannst du fangen“, murmelte er halb grinsend und seine gelben Augen huschten über die Kleidung vom Engel. Er sah aus, wie einer der Hebräer.

„Das war ein ziemlicher Sturz…“

„Nya…“, entkam es ihm und er rollte sich von Aziraphale herunter, um sich auf den Boden zu setzen. „Halb so schlimm…ich bin weich gelandet.“ Er grinste frech und zwinkerte Aziraphale zu. So hatte er sich nicht vorgestellt, wie sie sich wiedersahen und am liebsten würde er dem Engel um den Hals fallen, weil er so froh war ihn zu sehen. Es ging ihm gut! Es ging ihm verdammt noch mal gut und er lebte!

Die Wüste hatte ihn nicht dahingerafft!

Aber Crawley hielt sich zurück und blieb auf seinen vier Buchstaben sitzen, drückte die Tränen der Freude und Erleichterung zurück, während der Engel nicht nur ein Gefühl von Frieden über sein Heim brachte, sondern auch diesen angenehmen Duft, den er immer verströmte.

Der Engel lag noch immer auf dem Boden und er ließ sich nur daneben fallen, starrte in den Himmel und grinste ein wenig. Es fühlte sich gut an und Crawley spürte die Schulter des Engels an seiner. Es war ein gutes Gefühl.

„Wusstest du, dass die Menschen in den Himmel schauen und in den Wolken versuchen Dinge zu sehen?“, fragte Aziraphale und er drehte den Kopf ein wenig zur Seite.

Crawley legte einen Arm unter seinen Kopf und versuchte das Herzklopfen zu ignorieren.

„Nein. Wie kommst du darauf?“

„Das habe ich von einem der Menschen gelernt. Wir sind tagelang durch die Wüste gelaufen und irgendwann haben wir Zipora gefunden. Sie lebte dort mit ihrem Vater und ihren Geschwistern. Ihr Vater ist sehr weise. Er sagte, dass man sein Leben und dessen Bestimmung oft nur aus einem höheren Blickwinkel sehen kann. Der Gedanke gefällt mir…es hat alles seine Bestimmung und…seine Gründe. Moses hat oft die Schafe gehütet und starrte dann in den Himmel gestarrt. Einer der Leute dort hat dann Wolken raten mit ihm gespielt…“ Aziraphale sah ihn kurz an und sah dann nach oben. Er deutete mit dem Finger in die Luft. „Siehst du…diese Wolke sieht aus wie ein Vogel!“

Crawley konnte den Gedanken nicht wirklich teilen, dass alles seine Gründe hatte und zur göttlichen Vorhersehung gehörte. Er hielt nicht viel vom göttlichen Plan und daraus hatte er nie einen Hehl gemacht.

Sollte sein Fall dann auch zum Plan gehört haben? Was für ein Käse! Als ob Gott das alles vorher gewusst hätte! Dann hätte er doch auch alles verhindern können, oder nicht?

Aber im Moment war er zu glücklich als dass er mit Aziraphale streiten oder einen bissigen Kommentar von sich geben wollte.

Er konnte auch nur den Engel ansehen.

„Ich sehe einen Engel“, kommentierte er leise.

Aziraphale begegnete seinem Blick und errötete.

„Du sollst in den Himmel schauen, Crawley“, grinste er und nickte Richtung Himmel.

„Das tue ich, Engel.“ Seine Stimme war leise geworden und er drehte sich etwas mehr zur Seite, um den Engel besser anzusehen. Seine Hand legte sich auf dessen Wange und er neigte sich etwas näher zu ihm. Er konnte den Atem von Aziraphale auf seiner Haut spüren und das leichte Beben seiner Lippen.

„Du bist doch…ein Repräsentant des Himmels. Also bist du ein Himmel…mein Himmel…“, flüsterte er und legte seine Finger an das Kinn von Aziraphale. Er konnte dessen Lippen hauchzart an seinen fühlen.

Dann war das Gefühl fort und der Engel drehte sich schlagartig zur Seite. Crawley öffnete die Augen und konnte das hochrote Gesicht neben sich sehen, was ihn schmunzeln ließ.

Irgendwann würde er dem Engel so nahe kommen und irgendwann würde er nicht zurückschrecken. Dann würde er diese Lippen kosten und vielleicht würde es genauso wie mit dem Essen sein: Der Engel würde nicht genug bekommen.

Leise seufzte er, als er ihn ansah und rollte sich wieder auf den Rücken.

„Sieh dir nur die Farben von dem wundervollen Sonnenuntergang an!“, wechselte Aziraphale das Thema. Der Engel tat so, als wären sie sich grade nicht so nahe gekommen. Crawley seufzte erneut schwer und folgte dem Blick in den Himmel. Das rot war für ihn nur ein grauer Matsch und er konnte sich nicht ansatzweise an den Farben erfreuen. Der Engel war zurück und das war Freude genug für ihn.

Crawley konnte direkt das Gefühl der Entspannung um sich herum fühlen und schloss die Augen.

„Wie…ist es dir sonst ergangen?“, fragte er vorsichtig nach und öffnete wieder seine Augen.

„Oh…ganz gut. Das Leben in der Wüste ist voller Entbehrungen und ich vermisse ein bisschen das Essen.“

Der Dämon kicherte und setzte sich auf. Mit einem kurzen Schnippen seines Fingers wunderte er sich sauber und erhob sich vom Boden. Er streckte dem Engel die Hand hin. „Dann komm mit rein. Ich habe guten Wein und einige Leckereien da!“

„Wirklich?“

„Würde ich lügen?“

„Du bist ein Dämon.“

Er rollte mit den Augen und wartete noch immer bis Aziraphale seine Hand nahm. Es dauerte eine Weile bis er nachgab und sich aufhelfen ließ.

Crawley freute sich innerlich, dass der Engel mit reinkam und er ihn bewirten konnte. Er ließ ihm sogar den Vortritt und suchte in der kleinen Vorratskammer einen Krug mit Wein, Brot und Früchten zusammen, die er schnell auf den Tisch stellte.

„Wieso bist du zurück?“, fragte er interessiert und stellte zwei Kelche ab, die er mit dem Wein auffüllte.

„Der Herr ist Moses erschienen. Er trug ihm auf die Sklaven aus Ägypten zu führen“, erklärte der Engel knapp und leerte seinen Becher in einem Zug.

Crawley hob eine Augenbraue und schenkte ihm nach. Normalerweise genoss er den Wein. Ihn so kräftig trinken zu sehen, hieß wohl nichts Gutes.

Langsam ließ er sich auf einem der Stühle nieder und nippte von seinem Kelch. „Und du gedenkst mich einzuspannen, damit ich euch helfe?“

Vielsagend schaute er Aziraphale an und grinste. Crawley entging die Tatsache nicht, dass der Engel immer noch den Ring trug, den er ihm einst als Engel geschenkt hatte.

Eigentlich hatte er erwartet, dass er ihn irgendwann ablegte, doch immer wenn sie sich sahen, trug er ihn und das erfüllte ihn ein wenig mit stolz.

„Nein. Das muss Moses alleine tun. Wenn Gott zu ihm spricht, wird er auch sehen, wenn du dich einmischst. Ich möchte nicht, dass du dir weh tust.“

„Du bist auch sicher, dass es Gott war?“

„Ja.“

„Seit wann spricht Gott wieder zu uns oder den Menschen?“

Bedauernd schüttelte Aziraphale den Kopf. „Ich weiß es nicht. Es war auch sehr plötzlich und er ist entschlossen die Sklaven zu befreien. Wir waren vorhin beim Pharao und dieser hat natürlich nein gesagt. Moses hat seinen Stab in eine Schlange verwandelt. Kannst du dir das vorstellen?“

Crawley zog eine Augenbraue hoch. „Ich kann das seit Jahrtausenden. Gott hat sich also meinen Trick abgeschaut. Wie wunderbar.“

„Verurteile nicht den Allmächtigen! Gott hat seine Pläne und bald…“

Crawley spuckte den Wein aus. „Bei Satans Namen! Das schmeckt ja, wie…“ Er verzog das Gesicht und hustete erneut, um den metallischen Geschmack aus dem Mund zu bekommen.

„Blut?“

Er sah zum Engel, der den Wein von sich schob und bedauernd drein blickte. „Was ist das, Engel?“, fauchte er.

„Eine der Plagen von Gott. Er wird eine Plage nach der anderen schicken, wenn der Pharao die Menschen nicht gehen lässt und das ist eine davon. Und alle Flüsse und Ströme in Ägypten werden rot und sind wie Blut für sieben Tage.“

„Was wird noch passieren?“ Kurz war er versucht wieder etwas zu trinken, besann sich aber rechtzeitig und schob den Kelch angewidert von sich. Crawley schnippte mit dem Finger, um die Sauerei verschwinden zu lassen.

„Also was noch, Engel?“, fragte er eindringlicher.

„Frösche, Steckmücken, Stechfliegen, Viehpest, Schwarze Blattern, Feuerregen, Heuschrecken, Finsternis und Tod…Gott wird das Leben der Erstgeborenen nehmen, wie der Pharao das Leben der Kinder vor so vielen Jahren nahm“, seufzte Aziraphale und stützte seinen Kopf auf seine Hand.

Crawley kannte ja die Brutalität und Erbarmungslosigkeit von Gott. Aber wollte er ein ganzes Land zugrunde richten, weil ein paar Menschen in Gefangenschaft lebten?

Vorsichtig rutschte er näher zu Aziraphale und legte seine Hand auf dessen Schulter.

„Ich werde an deiner Seite sein“, versprach er.

„Du solltest lieber verschwinden. Ägypten ist nicht sicher und egal, wie viele Dämonen hier sind oder nicht…die Plagen werden auch nicht vor dir zurückschrecken. Du wirst nichts tun können.“

„Das wäre nicht das erste Mal, Engel.“ Crawley drückte sanft die Schulter und hauchte einen Kuss auf die Stirn des Engels. „Versuchen wir die Unschuldigen vor dem größten Schaden zu bewahren, wenn der Pharao so dumm ist.“

Er grinste ihn vielsagend an.

„Ich kann nicht gegen den Plan des Allmächtigen handeln!“

„Musst du auch nicht. Doch niemand kann von dir erwarten, dass du nur zusiehst, wenn Menschen Hunger leiden oder Krankheiten haben. Außerdem brauchen die Menschen einen Engel, der ein wenig Hoffnung spendet.“

„Das, was passieren wird, wird so grausam sein…und ich bin froh, dass du da bist.“

„Ich habe dich vermisst, Engel. Da werde ich bestimmt nicht die Flucht ergreifen und dich alleine lassen.“ Die Hand von Aziraphale umfasste seine und auch, wenn es kein Kuss war, fühlte es sich gut und richtig an.
 

Die Plagen waren die Hölle.

Nein, sie waren schlimmer als alles, was die Hölle sich je ausdenken könnte. In keinem der neun Zirkel der Hölle hatte es je solche Bestrafungen gegeben, wie die, die Gott den Ägyptern zukommen ließ. Das bewies mal wieder, dass Gott viel kreativer war als die Dämonen der Hölle und ihre Fürsten.

Eine Plage war schlimmer als die andere. Sie folgten nach jedem Besuch Moses beim Pharao und dessen Sturheit hatte sein Volk schreien und flehen lassen, wie die Sklaven es jede Nacht taten, wenn sie in ihren kläglichen Behausungen vom Tagewerk zur Ruhe kamen.

Es war eine lebendige Hölle und es machte Angst. Selbst einem Dämon, wie Crawley machten die Plagen Angst und auch ein wenig Panik.

Doch über all dem stand eine Sache: Hoffnung.

Hoffnung, dass sie gehen durften. Hoffnung auf ein besseres Leben. Hoffnung auf Freiheit. Hoffnung, die der Engel mit seiner sanften Art verströmte. Ein Licht in den dunkelsten Stunden der Geschichte.

Es machte dem Dämon bewusst, wieso er den Engel so anziehend fand. Er war Licht, Wärme und Liebe. All das, was es in der Hölle nicht gab. Er war das, was er verloren hatte und ob es Aziraphale bewusst war oder nicht: Er war ein Rückhalt für die Menschen.

Crawley hatte Menschen an den Blattern und dem Hunger sterben sehen. Junge wie Alte, der Feuerregen hatte Häuser zerstört und Kinder zu Waisen gemacht. Tapfere Männer waren gefallen und auch, wenn der Weg durch die Wüste friedlich verlaufen war, hatte Crawley das untrügliche Gefühl, dass noch nicht alles vorbei war. Er spürte auf der ganzen Reise die Panik und Angst in seinem Magen.

Der Engel versicherte ihm wieder, dass Merrit in ihrer Weissagung sehr deutlich war, dass für die Sklaven alles gut werden würde. Aber das hieß nicht, dass es keine Opfer geben würde. Es gab immer Opfer. Irgendein Preis musste bezahlt werden für das Gleichgewicht in der Welt. So lief es doch ab. Die Welt war eine Waage. Wo es leid gab, gab es auch Hoffnung und Liebe. Wie sonst sollten die Menschen sich dessen bewusst werden, wenn nicht durch die Dunkelheit?

Aber was würde es bringen diesen Menschen die Hoffnung zu nehmen und seinen Mund aufzumachen?

Er wäre dann nur wieder der böse Dämon und im Moment erfreute er sich eher daran, dass er als Riesenschlange etwas Gutes tun an der Seite des Engels tun konnte, was er jedoch niemals zugeben würde.

Er bildete die Nachhut, trug ein paar Kinder auf seinem Rücken, die auf ihm Pferdchen spielten und eine alte Frau, die nicht mehr so schnell war. Er passte auf, dass sie den Anschluss nicht verlören und ihnen nichts passierte.

Eine Riesenschlange mit Giftzähnen zu sein, konnte Vorteile haben, dass einem Schakale, Skorpione und andere Raubtiere vom Leib blieben.

„Hüa!“, rief das Mädchen und klopfte mit seinem Patschhändchen seinen Hals entlang.

Crawley zischelte und bäumte sich auf, ehe er etwas schneller voran glitt. Das Mädchen quiekte vergnügt und ihr Lachen konnte er als Vibration in seinem Körper spüren.

Er zischte wieder und witterte die Meeresluft. Sie hatten ein Ufer erreicht und die Menschen sammelten sich dort, ratlos, wohin es nun gehen sollte und hilfesuchend Moses ansehend.

„Crawley!“ Aziraphales Stimme ließ ihn inne halten. Der Engel hatte die Vorhut an Moses Seite gebildet und kam nun auf ihn zugelaufen. Der Engel nahm das Mädchen von ihm herunter und half auch der Dame aufzustehen. Einer der Männer half ihm dabei und stützte die Frau, um sie zu einem Platz zu bringen, wo sie sich mit Wasser und etwas zu Essen stärken konnte.

„Eine so gute Schlange“, murmelte die Frau mit einem zahnlosen lächeln und tätschelte seinen Schlangenkopf, als wäre er ein braver Hund. Crawley verengte kurz die Augen und sah den Engel mahnend an, der nur vor sich hin grinste, ehe er sich zurückverwandelte in seine menschliche Gestalt.

„Hör auf zu Grinsen!“

„Ich grinse nicht“, grinste der Engel.

„Ich bin nicht nett.“

„Nein, natürlich nicht. Nein“, sagte er und presste die Lippen schmunzelnd zusammen. Crawley bedachte ihn mit einem mahnenden Blick.

„Was ist, Engel? Sind wir da?“ Er streckte sich leicht und ließ seine Glieder knacken. Dauerhaft als Schlange umherzugleiten und die Kinder zu bespaßen, ließ auch einen Dämon etwas alt aussehen und an die Knochen gehen. Es war ja nicht so, dass es keine Kamele oder Pferde gab, die die Leute mitgenommen hatten, um ein paar alte Karren mit den wenigen Habseligkeiten oder mit den alten Leuten zu ziehen. Aber wenn man auf einer großen Riesenschlange reiten konnte, war das viel aufregender als auf einem Kamel oder Pferd.

Die Wüste unter seinen nackten Füßen war heiß genug, dass man Eier darauf hätte braten können und er blinzelte gegen die hoch stehende Sonne an.

Crawley griff zur an den Kragen von Aziraphales Kleidung und zog ihm mit einer fließenden Bewegung das Tuch über den Kopf, was locker herunter hing.

„Pass auf, dass du keinen Sonnenstich bekommst“, sagte er nur auf den fragenden Blick hin und wich dem Augenkontakt aus.

„Du siehst müde aus“, stellte der Engel fest und Crawley gab keine Antwort von sich. Wenn er gekonnt hätte, hätte er die nächsten zwanzig Jahre geschlafen, aber sie befanden sich immer noch im Feindesland und Ägypten zu verlassen, war wesentlich wichtiger als ein Nickerchen. Wenn sie in Sicherheit waren und er sich an einem sicheren Ort befand, dann würde er sich erlauben zu schlafen. Vorher nicht.

Außerdem war er ein übernatürliches Wesen. Er brauchte keinen Schlaf oder Essen und Trinken. Im Gegensatz zu den Menschen war er nicht so gebrechlich und musste auch nicht alle Plagen fürchten, die Gott gesandt hatte.

„Hmm“, gab er nur als Antwort von sich und drehte sich herum, als er ein leichtes Beben unter sich spürte.

Kampfgebrüll erfüllte die Luft und auch die Menschen schienen zu bemerken, dass etwas nicht stimmte.

Am Horizont tauchten Pferde und Streitwagen auf. Hufgetrappel wirbelte den Sand auf und sorgte für eine dichte Wolke aus Staub und Sand. Die Umrisse der Menschen waren kaum zu erkennen, doch Gold blitzte hier und da hervor, was also Räuber ausschloss.

„Der Pharao!“, stellte Aziraphale fest und die blauen Augen sahen ihn hilfesuchend an, „Bitte, sorg dafür, dass die Menschen Zeit gewinnen.“

Crawley öffnete den Mund. „Und was soll ich jetzt machen? Feuer speien?“

„Kannst du das denn?“, fragte der Engel hoffnungsvoll und blickte kurz zu Moses und den Menschen, die sich näher zum Ufer bewegten. Moses sah selbst hilflos aus. Einzige Flucht bot nur das Meer und das konnten sie nicht passieren.

„Sehe ich aus wie ein Drache?“ Er zischelte mit seiner gespaltenen Schlangenzunge und verengte die gelben Augen.

Aziraphale legte den Kopf leicht schief. „Naja…mit viel Fantasie…“

„Du bist derjenige, der mit Gott zu tun hat! Wenn ich etwas tue, wird es meine Zentrale bemerken.“

„Aber ich kann doch nicht…“ Aziraphale zögerte und sah dann nach oben, als hoffte er auf Hilfe. Er faltete seine Hände hilflos vor der Brust und zog die Augenbrauen zusammen. Der Engel brauchte dringend mehr Selbstbewusstsein und vor allem mehr Vertrauen in seine Kräfte, die er hatte. „Wir können nicht zulassen, dass sie in Gefahr geraten.“

„Dafür ist es nach den Plagen etwas zu spät“, murmelte Crawley zynisch und fluchte. Die Zeiten waren wirklich nicht sehr gut. „Du bist hier das himmlische Geflügel von uns beiden. Also mach deinen Job, Aziraphale und beschützte die Menschen!“

„Willst du wirklich, dass ich mich all diesen Menschen entgegenstelle? Ich habe noch nie jemanden…getötet!“

„Ich bin auch nicht fürs töten. Aber du kannst sie beschützten! Genauso wie vor dem Feuerregen, wie vor den Krankheiten und vor der Hoffnungslosigkeit! Wir stehen hier nur, weil du deine Arbeit gemacht hast. Also bring sie auch zu Ende! Was können wir schon verlieren?“ Crawley hatte schon so viel im Lauf seines Lebens verloren. Es gab nichts mehr, was er noch verlieren konnte und was Schlimmer wäre, als das, was man ihm bereits angetan und genommen hatte.

Doch, eine Sache gab es, die man ihm noch nehmen könnte und die hatte blaue Augen und weiße Haare.

„Na schön…“, seufzte Aziraphale und griff seine Hand.

Crawley blickte überrascht auf diese und erwiderte sie. Der Engel zitterte neben ihm. Die Fingerspitzen waren ganz kalt vom Aziraphale vor lauter Aufregung und Angst.

„Wenn wir das nicht überstehen, dann möchte ich dir sagen, dass ich die Zeit mit dir sehr genossen habe“, hauchte er atemlos und der Griff verstärkte sich.

„Ich auch, Engel, ich auch“, sagte er mit einem schiefen Grinsen. Sanft drückte er die Hand von Aziraphale. „Und du hattest Recht mit Merrit…sie war wie eine Tochter, die ich verloren habe. Ich vermisse sie.“

Der Engel schenkte ihm ein mitfühlendes Lächeln, ehe sie wieder auf die näherkommenden Reiter sahen.

Tief atmeten sie gleichzeitig durch und Crawley spürte, wie sich seine Flügel auf ausbreiteten, sich dem Himmel entgegen streckten und die vom Engel streiften, der das gleiche tat.

Seine Federn raschelten im Wind und er fühlte sich so ruhig wie noch nie.

Er spürte eine Gewissheit in sich, die er kaum greifen konnte und wo er nicht wusste, woher sie rührte. War es Gott? Aziraphale? Vielleicht sogar Merrits Geist?

In seinen Gedanken manifestierte sich die Gewissheit, dass alles gut werden würde. Sie mussten diesen Augenblick nur überstehen. Ganz gleich, was geschehen würde. Dieser Moment würde vorbei gehen. Das Universum…Gott…wer auch immer für das Gleichgewicht auf der Welt verantwortlich war, würde sie nicht im Stich lassen.

Ein Schauder durchfuhr ihn und er bekam eine Gänsehaut.

Er öffnete seine Augen und schaute zu Aziraphale, dessen Blick ihn traf. Wärme durchflutete ihn und er fühlte sich geborgen, heimisch und sicher. So viel Macht hatte er dem Engel gar nicht zugetraut.

Langsam löste Aziraphale seine Hand von seiner und lächelte ihn zuversichtlich an.

„Nenn mich nie wieder himmlisches Geflügel!“ Aziraphales Stimme hatte einen machtvollen, tiefen Klang angenommen.

Crawley legte leicht den Kopf schief und grinste vielsagend. Diese Seite am Engel gefiel ihm und ließ seine Knie weich werden.

Sein Engel breitete die Arme über den Kopf aus und der Himmel verdunkelte sich. Dichte, dunkle Wolken zogen auf und ein Grollen war zu hören. Ein starker Wind zog auf und der Tag wandelte sich zur Nacht.

Die Leute hinter ihnen riefen panisch und Crawley blickte zu den näher kommenden Soldaten. Inzwischen wirbelten die Pferde so viel Staub und Dreck auf, dass er kräftig blinzeln musste. Sein Gewand peitschte ihm um die Heine und seine langen Haare flogen ihm immer wieder ins Gesicht.

Die Luft schmeckte nach Rauch und war durchzogen von göttlicher Kraft.

Ein rotes Licht erschien aus den Wolken und eine Feuerbrust stieß auf die Erde. Heiß und zischelnd schlängelten sich die Flammen um einen Orkan.

Aziraphale breitete die Hände aus und baute einen Wall aus Licht auf, der das Feuer von den Menschen fern hielt, die hinter ihnen standen. Ein Schutz vor dem göttlichen Sturm.

Er spürte Stolz auf den Engel, aber die Lage war noch nicht vorbei.

Crawley musste die Augen schließen, als die himmlische Macht sich ausbreitete. Er fühlte sie auch hinter sich. Es engte ihn ein, als würde er zwischen zwei Felsen eingequetscht werden. Er hatte das Gefühl, dass die Wärme und das Licht seine Haut versenkten. Mühevoll grub er seine Füße in den Boden, stemmte sich gegen die Welle der himmlischen Kraft und setzte einen Fuß vor den anderen.

Er streckte seine Hand aus und tastete nach den Fingern des Engels.

Der Pharao lenkte seine Männer zur Seite, um den Feuersturm zu umgehen.

„Ich bin bei dir“, flüsterte er angestrengt zu Aziraphale, der die Augen geschlossen hielt, um den Schutz aus Licht aufrecht zu halten.

Schweiß rann über seine Stirn. Crawley konzentrierte sich auf den göttlichen Sturm und das hitzige Feuer.

Seine freie Hand streckte sich aus, und Flammen züngelten über seine Hand. Seine Federn vibrierten vor Anstrengung, als er das Feuer zu sich rief, seinen Körper damit umhüllte und es lenkte.

„Die Flammen gehorchen meinem Willen…“, murmelte er angestrengt. Das Weiß aus seinen Augen verschwand und das Gelb seiner Schlangenaugen breitete sich immer mehr aus. Er presste die Lippen fest zusammen bis er Blut schmecken konnte. Seine Brust hatte aufgehört sich zu bewegen. Sein Körper hatte das Atmen eingestellt. Seine gesamte Konzentration galt dem Feuer.

Er war einst ein Engel gewesen. Gottes Kraft schlummerte noch immer irgendwo tief in seiner verdorbenen Seele. Also würde diese Feuerbrunst ihn nicht entkörpern. Er war der Herr über diese Flammen.

„Ihr gehorcht mir. Nur mir!“, presste er zwischen den Zähnen heraus. Dunkle Rauchschwaden hüllten den Dämon ein. Crawley wirkte dämonischer denn je.

Die Flammen zogen eine Spur über den Boden und folgten dem Wagen das Pharaos, schnitten ihn und seinen Männern den Weg ab. Die Pferde scheuten auf der anderen Seite auf der Flammenmauer auf, doch darauf konnte er keine Rücksicht nehmen.

Das Blut rauschte so stark in seinem Ohr, dass er den lauten Fluch des Königs gar nicht hörte, geschweige denn das Tosen der Wellen als sich das Meer teilte.

Nur dieses Licht von Aziraphale schützte sie alle davor, dass die Flamen sich den Weg zu den Hebräern suchten.

„Bleib stark“, sagte der Engel neben ihm.

„Das ist kein guter Rat“, presste er zwischen den Zähnen hervor, „Du warst schon mal besser, Engel.“ Er drehte leicht den Kopf und versuchte zu zwinkern, was ihm mehr schlecht als recht gelang. Er konnte ja mal versuchen sich nicht von einem göttlichen Feuer verbrennen zu lassen und es gleichzeitig zu lenken.

Sein Kiefer knirschte vor Anspannung.

„Sie sind auf dem Weg in Sicherheit“, murmelte Aziraphale neben ihm und ließ seine Hand nicht los.

„Dafür sollte ich eigentlich in den Himmel kommen…“, brummte der Dämon sarkastisch und blinzelte ein paar Schweißtropfen weg. Irgendwie musste er sich vom Schmerz ablenken und aufrecht stehen bleiben. Er besaß zwar seine Kräfte, aber auch die waren nicht unerschöpflich und im Gegensatz zu dem Engel hatte er den schwierigeren Part.

Die Stimmen der Hebräer wurden leiser und das war ein gutes Zeichen. Sie flohen und kamen in Sicherheit.

Dem Dämon entfuhr ein Schrei. Er schob Aziraphale zur Seite.

Glühend heißer Schmerz durchfuhr seine Schulter und seine Flügel. Er spürte das Brennen und sank auf die Knie. Warmes Blut lief über seine Haut. Seine Flügel zitterten vor Schmerz. Er spürte die Flammen, die sie verbrannten und er es nicht aufhalten konnte.

Crawley schrie erneut vor Schmerz als sich ein weiterer brennender Pfeil in seinen Körper bohrte. Schweiß strömte ihm über den Körper.

Er durfte nicht entkörpert werden. Der Hölle den Grund zu erklären, wieso er einen neuen Körper brauchte, könnte er niemals. Das war schwieriger als in der Wüste Wasser zu finden.

„Crawley!“, schrie der Engel und seine Hände umfassten ihn, um ihn zu stützten.

„Ich…ich kann es nicht…mehr halten…“, stöhnte er und blinzelte entschuldigend, „Verzeih mir…“

Sein Körper zitterte nicht mehr nur von der Anstrengung, sondern auch von dem Schmerz den die Pfeile hinterließen.

Die Feuerbrust wurde kleiner und kleiner. Mit verschwommenen Blick konnte er die Streitwagen erkennen und das hoch erhobene Schwert des Pharaos.

„Bring dich…in…Sicherheit, Engel“, stöhnte er, doch Aziraphale wich ihm nicht von der Seite. Das warme Licht, was er ausstrahlte, hüllte sie beide ein, wie in einem schützenden Ei.

Crawley konnte sich nicht auf den Knien halten und wurde nur durch Aziraphale aufrecht gehalten. Der Engel hatte sie in einen Kokon aus Licht gehüllt und er ließ die Ägypter vorbei ziehen.

„Das Meer…“, merkte er krächzend an und versuchte eine Hand zu heben. Doch ihm fehlte die Kraft.

„Alle, die die Gnade des Herren verdienen, werden überleben. Es wird alles gut. Die Hebräer sind in Sicherheit, mein tapferer, guter Dämon“, murmelte die sanfte Stimme des Engels und die weißen Schwingen legten sich um ihn, als spürte er, wie kalt ihm war.

„Ich bin…nicht gut…“

„Sag, was du willst, aber du hast eben das Gegenteil bewiesen.“

Crawley brummte. So ein mieser Engel. Er wusste genau, dass ihm das Sprechen schwer fiel.

Etwas Nasses tropfte auf seine Wange. Er konnte spüren, wie schwer sein Herz wurde. Der Engel weinte um einen Dämon.

„Wir schaffen das gemeinsam.“

Crawley wandte leicht das Gesicht als Schreie vom Meer zu hören waren. Die hohe Mauer aus Wasser fiel in sich zusammen.

„Azi…“

„Das spielt keine Rolle!“ Sanfte Finger drehten sein Gesicht zurück, so dass er den Engel ansehen musste und nicht, wie die Wellen eine Armee unter sich begrub. „Atme tief durch. Ich werde dich heilen.“

„Von göttlichen Flammen?“, fragte er schief grinsend.

„Wenn ein Dämon sie kontrollieren kann, kann ich sie heilen, du Grillhähnchen.“

„Wirst du noch…schlagfertig in meinen letzten Sekunden?“, fragte er neckisch und bereute sofort den Versuch Lachen zu wollen. Schmerzhaft krümmte er sich im Arm des Engels.

Warmes Licht durchströmte ihn. Er schrie auf.

„Atme tief durch. Gleich ist alles vorbei“, versprach Aziraphale sanft.

Tränen flossen über seine Wange, als die himmlischen Kräfte durch seinen Körper strömten, die Pfeile verschwinden ließen und die Brandwunden heilten. Seine Flügel gaben ein schwaches Rascheln von sich als die Heilung auch dort einsetzte.

Sein Atem ging stoßweise.

„Lass mir bloß keine Narben an meinem perfekten Körper“, murmelte er schwer. Seine Haut fühlte sich an, als würde sie brennen. Aber es war eine andere Art von Schmerz. Die heilende Energie des Engels schwang in seinem ganzen Körper nach und verebbte langsam.

Vielleicht bildete er es sich ein, aber es fühlte sich an, als wäre das Band, was sie verband, stärker geworden.

„Keine Sorge…du wirst so gut wie neu sein.“

Warme Lippen berührten seine Stirn, während er an die Brust des Engels gedrückt wurde. „Ich werde auf dich aufpassen, du alte Schlange.“

„Halt die Klappe“, gab er zurück. Ihm fiel keine bessere Erwiderung ein und er konnte kaum die Lider offen halten. Warme Sonnenstrahlen kitzelten seine Nase und er spürte das Licht auf seiner Haut.

„Du brauchst Ruhe, mein Lieber. Du bist zu schwach für ein Wunder, aber ich lasse dich nicht hier“, stellte Aziraphale fest und versuchte es nicht einmal ihn aufzurichten. „Kannst du dich verwandeln?“

Crawley öffnete seine Augen und verzog das Gesicht.

„Ich…was, wenn ich es nicht schaffe mich wieder zurückzuverwandeln?“, fragte er und seine Stimme klang ängstlicher als er wollte.

„Ich werde da sein und dir helfen. Aber als kleine Schlange kann ich dich tragen.“

„Du solltest mehr trainieren…“

„Werde jetzt nur nicht frech!“

„Ja, ja…wenn ich mich nicht wieder zurückverwandeln kann, dann werde ich dir als Schlange auf den Sack gehen.“ Crawley grinste schief und holte tief Luft. Er suchte in seinem Körper nach dem restlichen Funken Kraft, den er noch hatte. Er fand den Funken Energie und konzentrierte sich auf seine animalische Form.

Angestrengt keuchte er als sich seine Wirbelsäule krümmte und die Schuppen seine Haut überzogen. Sein Blick veränderte sich, wurde unschärfer und zwei warme Hände hielten ihn fest.

„Sehr gut. Du hast es geschafft“, sagte der Engel und erhob sich vom Boden, um Richtung Meer zu gehen, die kleine Schlange in den Händen. Seine Flügel waren noch immer weit ausgebreitet, zeugten von der göttlichen Kraft und Heiligkeit. Aziraphale strahlte Ruhe und Frieden aus. Mühelos trat er auf die Wellen und lief über das Wasser. Die Finger streichelten über seinen erschöpften Körper.

„Schlaf jetzt. Da wartet ein schöner Traum auf dich, mein Freund.“ Aziraphale sprach leise mit ihm, hüllte ihn in seine Hände ein und wenn er nicht so müde und keine Schlange wäre, hätte er ihm gesagt, dass der schöne Traum ihn grade auf Händen über das Wasser trug und er deshalb keinen brauchte.

Aber diese Worte verließen seine Lippen nicht. Nichts davon konnte er sagen. Er war einfach erschöpft und müde. So unglaublich müde. Crawley ließ einfach zu, dass der Engel ihm einen schönen Traum schenkte, bei dem er sich erholen konnte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Alistor
2023-09-29T18:08:51+00:00 29.09.2023 20:08
Was für ein dramatisches Kapitel
Zuerst wird Aziraphale von Crowley gebissen, der voll von Trauer ist, dann die Situation mit dem Baby Moses und dann kriegen wir nicht mal eine Knutscherei.
Schon wieder wird Crowley durchbohrt und Zum Glück schaffen die beiden es den Pharao aufzuhalten, auch wenn er und seine Gefolgschaft ertränkt werden
Aber das Ende ist sooooooo süß 🥰
Ok ich vergebe dir, das Ende des Kapitels hat das Leiden der beiden wieder aufgewogen
Ich freue mich schon sehr auf das nächste
Antwort von:  Frigg
29.09.2023 21:15
Alistor
Bist du sicher, dass es das aufgewogen hat? 😅 Kriege ich keinen Ärger für die fehlenden Küsse?
Antwort von:  Alistor
29.09.2023 21:23
Ich kann dir nicht böse dafür sein. Du schickst mir immer so schöne und auch 🔥 Bilder von den beiden und ja bei mir ist das ausgeglichen

Sie werden sich sicher bald…äh ja sich bestimmt in den nächsten Kapiteln erst näher kommen müssen, bevor wir eine heiße 🔥💥🔥💥🔥💥🔥 Knutscherei bekommen
Bitte detailliert ausgearbeitet, darf auch richtig wild werden
Antwort von:  Frigg
29.09.2023 22:21
Alistor
Zwei Kapitel auf jeden Fall, aber wild wird es nicht 😅 Es wird wie das erste Mal essen probieren. Angewidert und igitt 🤣
Antwort von:  Alistor
29.09.2023 23:17
Ja aber… 🔥
Ich … ich muss los, eine wilde Knutschzene schreiben… ich weiß…
Das habe ich schon mal gesagt. Dachte du überlegst es dir nochmals wegen dem Kuss weil 🔥+💋= ❤️‍🔥🥳🥳👏👏👏 🎉 🎊

Wann kommt den der nächste?
Antwort von:  Frigg
30.09.2023 06:13
Alistor

Jaaaa ich weiß. So ein Kuss hätte was. Aber dann würde das mit dem Ende von Staffel 2 nicht mehr passen, wenn sie vorher schon emotional geknutscht hätten. 😬

Uff....du stellst fragen. Erstmal muss ich wieder gesund werden. Also 2 bis 3 Wochen vielleicht 😅


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