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Vampire Kiss

Vermouth x Jodie, (Curaçao x Kir)
von

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"Gestern Nacht ist ein Fahrzeug unserer Technikabteilung verunglückt. Der Wagen, der Munition und Waffen zu Mondnebels Zentrale liefern sollte, ist auf einer unbelebten Straße von der Fahrbahn abgekommen. Höchst wahrscheinlich hat der Fahrer die scharfe Kurve zu eng und zu schnell genommen, wodurch der Wagen ins Schleudern geraten sein muss."

Jodie sog scharf die Luft ein, als James Black ihr diese Neuigkeiten am Morgen des 31. Dezembers überbrachte. "Heilige...", begann sie, brach ab und fragte stattdessen: "Was ist mit dem Fahrer? Hat er sich verletzt?"

Am anderen Ende der Leitung seufzte ihr Vorgesetzter betroffen und schwieg einen Moment lang, ehe er ihr mit belegter Stimme erklärte: "Er hat es nicht geschafft, Jodie. Bei dem Unfall ist der Wagen eine Böschung heruntergerollt und hat schließlich Feuer gefangen. Liam ist in dem Auto verbrannt."

"Oh Gott... das ist ja furchtbar.", stöhnte die Blondine und war ehrlich betroffen, auch wenn sie den Kollegen aus der Technikabteilung selbst nicht besonders gut gekannt hatte. Dennoch war der Unfall schrecklich und natürlich nagte es an ihr, wenn einem Mitglied Mondnebels etwas zustieß.

"Weiß man, ob er noch bei Bewusstsein war, als das Feuer ausgebrochen ist?", erkundigte sie sich.

"Das steht noch nicht fest. Zu wünschen wäre es ihm allerdings nicht gewesen. Man kann nur hoffen, dass er entweder sofort tot, oder aber nicht mehr bei Bewusstsein war, als das Feuer ausgebrochen ist.", antwortete James. Zu verbrennen war immerhin ein grauenvoller Tod.

"Einfach schrecklich." Die Stimme der jungen Frau klang bedrückt. Kurzzeitig herrschte Stille, dann ergriff sie erneut das Wort: "Die Waffen, die transportiert wurden, befanden sich noch alle im Fahrzeug, oder fehlt irgendetwas?" Es war ein ungutes Ziehen in der Bauchgegend, das sie die Frage stellen ließ.

"Unsere Waffen sind genau so hitzeempfindlich wie die dazugehörige Munition. Die gesamte Lieferung wird unbrauchbar geworden sein, als das Feuer ausbrach. Davon abgesehen ist der Unfallort aufgrund des Brandes ein einziges Chaos. Es ist schwer nachzuvollziehen, ob irgendetwas fehlt, aber ich denke nicht.", erklärte ihr Vorgesetzter ihr. "Gibt es einen bestimmten Grund, warum du fragst, Jodie?"

Angesprochene zögerte, beschloss dann jedoch, das es besser wäre Black nicht unnötig zu beunruhigen. "Nein, vergiss es einfach, James."
 

Die restlichen Stunden des Tages vergingen wie im Flug. So sehr die junge Frau sich auch wünschte, dass die verbleibende Zeit langsamer vergehen möge, die Uhr tickte und tickte ohne jede Gnade.

Die Sorge, bezüglich des Ausgangs des heutigen Kampfes, drohte sie zu zerfressen. Höchst wahrscheinlich ging es den Anderen ganz genau so. Hinzu kam die Nachricht, die James ihr heute Morgen telefonisch überbracht hatte. Der Unfall kam ihr fast vor wie ein schlechtes Omen.

Sie hoffte nur, dass der heutige Tag besser enden würde, als er begonnen hatte. Doch das hing ganz davon ab, welche Seite es zum Jahreswechsel geschafft haben würde, den Ring in die Hände zu bekommen.

Der Himmel war beinahe schwarz. Jodie konnte keinen einzigen Stern entdecken. Die Nachtluft war klirrend kalt. Bei jedem Atemzug bildeten sich kleine, weiße Wölkchen vor ihrem Gesicht.

Die Blondine fröstelte und trat nervös von einem Fuß auf den anderen.

Mondnebel war bereits startklar, das hatten ihre Kameraden ihr mitgeteilt. Im riesigen Vorgarten des Anwesens waren nicht nur einige Vampire des Hauses versammelt, die schnellstmöglich nach dem Ende des Kampfes über dessen Ausgang informiert werden wollten, auch die Kämpfer der amerikanischen Seite waren inzwischen vollzählig, den derzeitigen Anführer des Clans natürlich ausgeklammert.

"Seid ihr alle gut vorbereitet?", wollte Jodie wissen, da sie das angespannte Schweigen nicht länger ertrug.

"So gut es eben geht.", bestätigte Rei ihr. Der Bodyguard versuchte möglichst gelassen zu wirken, doch man sah auch ihm seine derzeitige Anspannung an.

"Wir werden uns den Sieg schon holen." Irish, ein wahrer Berg von einem Mann, wirkte recht zuversichtlich.

"Ein Jammer, dass der Einsatz von Schusswaffen verboten ist.", murrte Calvados vor sich hin.

"Wir brauchen keine Schusswaffen, wir schaffen das auch so.", stellte Curaçao entschieden klar. Die Silberhaarige wirkte ernst und entschlossen. Jodie wagte sich nicht vorzustellen, wie nervös sie gerade eigentlich sein musste, wussten doch zumindest die Mitglieder der Verschwörung, welche Last sie gerade auf ihren Schultern trug und von nun an würde tragen müssen.

Die neben ihr stehende Person, das Gesicht verborgen durch einen Umhang mit Kapuze, nickte lediglich schweigend.

Chris prüfte rasch ihre Uhr und blickte dann in Richtung des Anwesens. "Noch ungefähr eine halbe Stunde bis die ganze Aktion startet. Wir sollten schon mal reingehen. Ich will noch einige private Worte mit dem Boss sprechen, ehe wir uns vor Kampfbeginn zum Rest der Gruppe gesellen."

Einige private Worte... vermutlich würde sie die sogar wirklich mit dem derzeitigen Anführer wechseln, doch was danach geschehen würde, ahnte wohl keine der nicht eingeweihten Personen. Jodie betete, dass alles nach Plan laufen würde. Allein schon von der Tatsache, ob es gelingen würde, Karasuma auszuschalten oder nicht, hing einiges ab.

"Curaçao, Bourbon, ihr bewacht die Treppe, solange ich mit dem Boss spreche. Ich möchte nicht, dass unsere Gäste denken, sich ungefragt Zutritt zu seinem Zimmer verschaffen zu können, nur weil heute der Tag der Entscheidung ist.", verfügte die Blondine und legte ihren Bodyguards je eine Hand auf den Oberarm.

Während die Gruppe sich auf die Aufforderung hin in Bewegung setzte, hielt die Schauspielerin noch einmal inne und wandte sich Jodie zu. Die grünen Augen der Daywalkerin blickten ihr sanft und besorgt zugleich entgegen. "Und du bleibst hier draußen und stellst keine Dummheiten an, Kätzchen." Kurz tippte sie sich an den verhassten Halsreif, an welchem nun noch ein weiterer Edelstein prangte. Nur das es sich bei dem rot funkelnden Steinchen nicht um einen Rubin handelte, sondern viel mehr um eine Kamera Mondnebels, um den Rest der Gruppe auf dem Laufenden zu halten. "Wenn du dich etwas abseits der anderen Wartenden hältst, bekommst du mit, was im Haus passiert."

Jodie schmunzelte schief und knuffte ihr Gegenüber leicht. "Ich stell schon nichts an, zerbrich dir darüber mal lieber nicht den Kopf. Im Gegensatz zu euch bin ich hier draußen sicher." Ihr Lächeln schwand zusehends und machte einem besorgten Gesichtsausdruck Platz. "Aber um dich mache ich mir Sorgen, Chris. Als Daywalkerin hast du den anderen kräftemäßig nichts entgegenzusetzen."

Die Ältere sortierte ihr einige Strähnen aus dem Gesicht und strich ihr schließlich über die Wange. "In diesem Kampf geht es nicht darum, einen Gegner zu töten. So schlimm wird es also nicht werden, zumal nur die Personen unter Beschuss geraten, die sich gerade im Besitz des Rings befinden, oder darum kämpfen. Da ich mich etwas im Hintergrund halten werde, bin ich kaum von Interesse.", versuchte Chris sie zu beruhigen. Schließlich zog jedoch auch sie ein ernstes Gesicht. "Wie die ganze Geschichte ausgehen wird, bereitet mir ehrlich gesagt mehr Sorge, als der Kampf an sich."

Jodie verstand durchaus was sie meinte, auch wenn sie nicht wusste, was ihr selbst nun mehr Unbehagen bereitete.

"Chris, komm jetzt, wir müssen los!", hörte sie Rei im Hintergrund nach der Blondine rufen. "Du wolltest immerhin noch einen Moment, um in Ruhe mit dem Boss zu sprechen."

Die Daywalkerin blinzelte und nickte Jodie schließlich zu. "Also dann, wir sehen uns um kurz nach Mitternacht."

Die Jägerin starrte sie an. Sie wusste, dass ihre Seelenverwandte jetzt gehen musste, doch alles in ihr schrie förmlich danach, die andere Blondine zurückzuhalten. Sie wollte nicht, dass sie sich in die Höhle des Löwen begab. Sie wünschte sich, dass sie Chris den Halsring irgendwie abnehmen könnte und der Ausgang der Schlacht somit nicht mehr ganz so allesentscheidend wäre. Aber all das ging nicht.

Entschieden trat die junge Frau einen Schritt auf die Schauspielerin zu, legte ihr eine Hand an die Wange und drückte ihr kurzentschlossen einen Kuss auf die Lippen.

Schließlich war der kurze Moment vorbei und Jodie ging wieder ein wenig mehr auf Abstand. In ihr tobte ein Sturm aus Emotionen. Sie wollte Chris nicht in dieses Anwesen gehen lassen, sie wollte nicht, dass diese verdammte Schlacht in erster Linie überhaupt stattfand!

"Pass gut auf dich auf.", hörte sie ihre eigene Stimme flüstern.

Im Hintergrund sogen einige der anderen Schaulustigen fassungslos die Luft ein. Jodie spürte dutzende Blicke auf sich ruhen. Auch Calvados und Irish starrten beinahe geschockt in Richtung der beiden Frauen. Kein Wunder, die beiden waren zwar Teil des Kampftrupps, aber nicht Teil der Verschwörung. Sicherlich rechneten die vor dem Anwesen wartenden Vampire damit, dass Chris die eigentliche Jägerin nun schalt, immerhin war es für einen Menschen in den Augen der Anderen ziemlich anmaßend, einfach so die Nerven zu besitzen, die stellvertretende Anführerin des Clans zu küssen, doch diese blinzelte lediglich und strich sich kurz über die geschminkten Lippen. "Das werde ich, keine Sorge."

Schließlich wandte Chris sich zum Gehen und gesellte sich zu der restlichen Gruppe. Mit ihr an der Spitze, setzten sich alle in Bewegung, um das Anwesen zu betreten.

Diese Tatsache riss die anderen Anwesenden wieder aus ihrer Starre. Sie jubelten den Kämpfern der amerikanischen Seite zu und wünschten ihnen Glück.
 

Als ihre Kameraden schließlich im Gebäude verschwunden waren, fühlte Jodie sich so verloren und allein wie schon lange nicht mehr. Sie hatte das Gefühl, als wären die Anderen ohne sie in den Krieg gezogen. Ein grauenvolles Gefühl.

Mit wie wild pochendem Herzen und sekündlich größer werdender Sorge, machte sie sich auf den Weg, sich ein Stück weit von den anderen Wartenden abzusetzen.

"Verdammtes Gör, wie kannst du es wagen?!", fauchte einer der Vampire sie an, als sie an ihm vorbeilief. Er hatte sich allem Anschein noch nicht mit der Geste, mit der sie Chris verabschiedet hatte, abfinden können.

"Halt dich aus meinen Angelegenheiten raus! Das geht nur mich und sie etwas an!", blaffte Mondnebels Jägerin zurück. Das Wissen, dass die hier versammelten Vampire ihr nichts tun würden, da sie unter dem Schutz der Daywalkerin stand, beruhigte sie aktuell ein wenig.

Als Jodie schließlich etwas Abstand zu der Gruppe vor dem Haus gewonnen hatte, setzte sie sich auf eine Holzkiste, welche an der Mauer des Anwesens stand.

Die Kälte der Dezembernacht hatte sie derweil beinahe ausgeblendet.

Sie ertrug es nicht, nicht zu wissen, was in dem Haus aktuell vor sich ging und das, obwohl die anderen gerade erst durch die Tür ins Innere des Anwesens verschwunden waren. Sie vergewisserte sich noch einmal, ob ihr auch wirklich niemand gefolgt war, dann zog sie ihr Handy aus ihrer Manteltasche, öffnete eine App und wartete ab. Noch erhielt sie kein Signal, doch das würde sich ändern, sobald Chris die getarnte Kamera, die sie an ihrem Halsreif befestigt hatten, eingeschaltet hätte.

Sie hoffte, dass sie bald schon ein Bild bekommen würde. Nicht nur, da es Jodies Aufgabe war, Mondnebel auf dem Laufenden zu halten, sondern auch, weil sie vor Sorge um Chris beinahe wahnsinnig wurde.
 

Einige quälende Momente musste sie noch abwarten, dann aktualisierte das Bild der App sich von selbst und das graue Flimmern wurde durch ein bewegtes Bild ersetzt. Die Schauspielerin hatte unauffällig die Kamera aktiviert.

Wie gebannt starrte Jodie auf das Display ihres Smartphones und vergaß für einen Moment beinahe zu atmen. Mondnebels versteckte Kamera verfügte über Bild und Ton, wenn auch nicht in herausragender Qualität. Um niemanden auf sich aufmerksam zu machen, verwendete die junge Frau kabellose Kopfhörer.

Gespannt beobachtete sie, was vor sich ging. Der Bildausschnitt war nicht perfekt, da die Kamera am Halsreif der Daywalkerin angebracht war. Auf ihrem Smartphone konnte Jodie grob das erkennen, was sich gerade in der Richtung befand, in die Chris aktuell blickte.

Und was das war, oder besser gesagt wer... erschrocken sog die Jägerin die Luft ein. In etwa drei Metern Entfernung zu der Schauspielerin stand Gin. Seine Leute mussten sich ein Stück weit hinter ihm befinden, waren jedoch nicht richtig mit im Bild, weshalb sie nur vermuten konnte, wer wer war.

Der japanische Vampirfürst blickte beinahe spöttisch auf die Blondine herab. "Und? Hast du deine Koffer schon gepackt, Daywalkerin?" Seine raue Stimme klang durch die Kamera fremd.

"Meine Koffer? Dazu gibt es derzeit noch keinen Anlass, mein Lieber. Warten wir erst einmal ab, wie das kleine Spielchen gleich ausgeht. Höchst wahrscheinlich werden es du und deine Leute sein, die mit leeren Händen abreisen müssen.", hörte sie Chris Stimme antworten. "Und wenn dem nicht so sein sollte, bin ich überzeugt davon, dass du mir schon noch die Zeit einräumen wirst, meine Sachen zu packen."

"Ich gebe dir nach Mitternacht exakt eine Stunde. Du hättest bereits früher anfangen sollen. Beschwer dich also später nicht bei mir, wenn dir die Zeit letztlich nicht reicht."

"Unterschätze meine Leute lieber nicht. Wir werden den Kampf für uns entscheiden." Die Stimme der Schauspielerin klang selbstbewusst, doch Jodie wusste ganz genau, wie nervös sie aktuell wirklich war.

"Deine Leute...?" Gins Blick wanderte von links nach rechts. Höchst wahrscheinlich betrachtete er gerade die Gruppe, die hinter Vermouth stand. "Dich mit auf die Liste zu setzen, war keine besonders kluge Entscheidung.", sagte er ihr auf den Kopf zu. "Dein Anführer ist eine Beleidigung für jeden Urvampir und dein Teammitglied dort drüben..., ist das die Person, die du als 'Joker' aufgelistet hast? Ich kann die Nervosität und die Angst bis hier hin riechen. Lächerlich."

Im Hintergrund meinte Jodie ganz eindeutig Chiantis grelles Lachen zu hören, welches durch die Kopfhörer nur noch unangenehmer klang.

"Hochmut kommt vor dem Fall, Gin.", erinnerte Vermouth ihn mit seidenweicher Stimme. Jodie konnte sich ihren spöttischen Gesichtsausdruck ganz genau vorstellen.

Der Silberhaarige knurrte verärgert. "Und, was ist nun mit deinem Boss? Er versteckt sich immer noch?"

"Er sah keine Notwendigkeit darin, sich vor der Entscheidung mit dir und deinen Leuten abzugeben. Aber gleich wirst du ihn kennenlernen. Ich werde ihn nun holen gehen. Nur Geduld.", kam es unbeeindruckt von der Blondine.

"Tu das endlich.", murrte ihr Gegenüber.

In der Tat wandte Chris sich ab. Das Bild der Kamera verwackelte kurzzeitig, dann wurden die Treppen sichtbar, die zu Karasumas Privaträumen führten. Die Schauspielerin begann damit die Treppe hochzusteigen. Rei blieb, wie vereinbart, am Fuß der Treppe stehen, Curaçao folgte ihr ungefähr bis zur Hälfte der Treppe, ehe auch sie stehen blieb.
 

Als Chris schließlich gegen das dunkle Holz der Zimmertür klopfte, hielt Jodie erneut die Luft an.

Dies wäre nun das zweite Mal, dass sie Renya Karasuma zu Gesicht bekäme. Zwar nur durch die Kamera, dennoch war sie angespannt.

In so schlechtem Zustand der Alte auch war, er war immer noch ein Urvampir und die Schauspielerin hatte ihr versichert, dass er selbst jetzt noch brandgefährlich war. Wie sehr Jodie hoffte, dass der Plan von nun an reibungslos funktionieren würde! Allein schon das Gespräch mit Gin in der Halle hatte Zeit gekostet, die sie eigentlich nicht hatten.

Jodie zog ein zweites Handy aus ihrer Manteltasche, sah sich unauffällig um und tippte schließlich rasch eine Nachricht an Akai. »Sie hat das Zimmer jetzt betreten.«

Und wirklich, auf ihrem Smartphone konnte sie sehen, wie die Schauspielerin den abgedunkelten Raum des derzeitigen Anführers betrat. Zu ihrer großen Überraschung saß der Boss nicht länger im Rollstuhl, sondern stand, die Hände auf den Schreibtisch gestützt, da.

Was?! Aber wie konnte das? Jodie meinte durch die Kamera eine leere Weinflasche erkennen zu können, auch wenn das Bild etwas unscharf war. Wenn die Flasche mit Blut gefüllt gewesen war und der Urvampir den gesamten Inhalt getrunken hatte, vielleicht hatte ihm das kurzzeitig etwas mehr Kraft gegeben?

Verflucht! Sie knirschte unbewusst mit den Zähnen. Das war genau das, was gerade niemand gebrauchen konnte!

"Komm herein, meine Schöne. Du kommst mich vor dem Kampf noch einmal besuchen?", ertönte die kratzige Stimme des Alten.
 

Jodie wurde abgelenkt, als sie plötzlich Schritte auf dem gefrorenen Gras hören konnte, welche sich ihr näherten. Was zum?! Unerwünschte Gesellschaft konnte sie derweil überhaupt nicht gebrauchen! Sie musste mitbekommen, wie das Gespräch zwischen Chris und dem Anführer verlief, allerdings sollte niemand mitbekommen, dass sie die Möglichkeit hatte alles mitzuverfolgen.

Rasch drehte sie sich und entdeckte einen von Gins Männern, welcher gerade Kurs auf sie nahm.

Die junge Frau zog skeptisch die Stirn kraus. Was wollte der denn hier? Und war der Typ nicht auch als einer der Kämpfer gelistet? Warum war er dann noch hier draußen?

Ihr Gegenüber hob lässig die Hand zum Gruß, Jodies Blick wurde unfreundlicher.

Sie musste mitverfolgen, was im Zimmer des Bosses geschah, zumal nur sie die Aufnahmen sichten konnte. Es war ihre Aufgabe alles im Blick zu behalten und Mondnebel über die Geschehnisse zu informieren. Sie musste den Störenfried folglich so schnell wie möglich abwimmeln!

"Vermouths Schoßhündchen sitzt treu und verlassen vor dem Gebäude und wartet ab? Was für ein herzzerreißender Anblick.", amüsierte ihr Gegenüber sich.

"Ich bin nicht ihr Schoßhündchen.", spie Mondnebels Jägerin verärgert und blickte wenig freundlich drein. "Du bist doch dieser Pinga, oder? Sag schon, was willst du?"

Wenn sie nicht alles täuschte, dann war das der Typ, vor dem Rena die Gruppe bereits gewarnt hatte. Der Mann sei mit Vorsicht zu genießen und falsch wie eine Schlange. Auch die anderen hatten kein gutes Gefühl bei ihm und Jodie schloss sich der allgemeinen Meinung an. Auch ihr ungutes Bauchgefühl war sofort erwacht, kaum dass der Vampir vor ihr stand.

"Was ich will? Na ins Gebäude, ist das nicht offensichtlich? Ich bin spät dran.", antwortete Pinga ihr und schnippte sich einen der fein geflochtenen Zöpfe zurück über die Schulter. In seinen Augen lag ein ungutes Funkeln. "Ich muss schon sagen, es ist sehr gastfreundlich von den Amerikanern, einen Snack für nach dem Kampf direkt vor der Tür abzustellen."

Auf seine Worte hin, blickte die Blondine sich kurz um, konnte jedoch nicht wirklich etwas entdecken, das für Vampire von Interesse sein könnte, ehe ihr aufging, dass sie es war, die ihr Gegenüber gerade als Snack bezeichnet hatte. Schlagartig schrillten in ihr sämtliche Alarmglocken und sie wünschte sich eine von Mondnebels Waffen zur Hand zu haben.

"Oh nein, das kannst du gleich wieder vergessen.", fauchte sie ärgerlich. "Ich stehe unter dem Schutz von Amerikas stellvertretender Anführerin." Jodie machte eine verscheuchende Handbewegung. "Sieh lieber zu, dass du reingehst, ehe du noch Ärger mit deinem Boss bekommst."

"Kratzbürste." Ihr Gegenüber lachte. "Als Mensch vor einem Haus voller Vampire zu campieren, du bist entweder extrem dumm, oder extrem gutgläubig. Wie auch immer, Menschlein, dir wird heute eine ganz besondere Ehre zu teil. Der Sturz zweier Säulen, das Ende veralteter Regeln und der Aufstieg eines mächtigen Anführers. Die wenigsten können von sich behaupten so etwas miterlebt zu haben."

Fragend hob Jodie eine Augenbraue, während ihr Herz einen Satz machte. Wovon redete Pinga da bitte? Hatte er am Ende Wind von dem Plan bekommen, Renya zu töten und eine neue Anführerin auf seinen Platz zu setzen? Es klang ganz danach. Verdammt! Kurz kochte Panik in ihr hoch. Doch dann wurde sie sich bewusst, dass seine Worte nicht ganz passend waren. Der Sturz zweier Säulen? Wenn die Anführer damit gemeint waren... es sollte doch nur Karasuma das Zeitliche segnen.

"Was genau meinst du damit, Pinga?", hakte sie misstrauisch und alarmiert zugleich nach.

Doch Angesprochener winkte nur ab und wandte sich zum Gehen. "Genug geplaudert, Mädchen. Ich muss jetzt wirklich gehen." Und mit diesen Worten ließ er sie stehen und verschwand im Inneren des Gebäudes.

Irritiert und beunruhigt zugleich, blickte Jodie ihm nach. Was genau hatte diese Andeutung zu bedeuten gehabt? Und was hatte Pinga da am Gürtel getragen? Irgendetwas Rundes. Ein Schlüsselanhänger war das nicht gewesen...
 

Jodie konnte sich nicht sofort einen Reim auf all das machen, erschrak jedoch erneut, als sie sich ins Gedächtnis rief, das Pinga nicht die einzige Baustelle war, die ihr Sorge bereiten sollte.

Rasch holte sie ihr Smartphone wieder hervor und beobachtete, was derweil im Gebäude los war. Hoffentlich hatte sie nichts wichtiges verpasst!

~

"Bist du mit der Wahl der Kämpfer zufrieden, die ich gelistet habe?", erkundigte Chris sich gerade. Sie stand neben dem derzeitigen Anführer am geschlossenen Fenster.

"Ich habe die Liste abgezeichnet, oder etwa nicht?", antwortete Renya mit einer Gegenfrage, hustete und stützte sich mit einer Hand schwerfällig auf der Fensterbank ab. "Aber im Prinzip kümmert es dich nicht wirklich, was ich von deiner Wahl halte.", sagte er der Schauspielerin dann auf den Kopf zu.

"Wie kommst du denn darauf, Boss?", hakte diese mit irritierter Stimme nach. "Ich bin deine Stellvertreterin. Natürlich kümmert es mich da, was du denkst."

Der Alte stieß ein heiseres Lachen aus. "Zeit mit der Schauspielerei aufzuhören, Täubchen."

"Boss, wovon redest -", weiter kam die Blondine nicht. Sie stieß einen erschrockenen Laut aus, als der Urvampir unverhofft schnell herumwirbelte.

Obwohl Jodie die ganze Szene nur von vor dem Haus aus mitverfolgte, blieb ihr beinahe das Herz stehen. Was ging da vor sich?!

Das Bild der Kamera verwackelte, ehe sie das Gesicht Karasumas nur Zentimeter vor der, im Halsreif verborgenen, Kamera auftauchen sah.

Wieder verwackelte das Bild, da die Schauspielerin rasch den Kopf gedreht haben musste. Ein Stück vom Fenster wurde sichtbar, genau so wie ihr Handgelenk, welches sich derweil in einem eisernen Griff befand und gegen die Fensterscheibe gedrückt wurde.

Der Jägerin vor dem Gebäude wurde eiskalt. Entsetzen packte sie. Der Plan lief vollkommen aus dem Ruder und von jetzt auf gleich schien Chris eindeutig bis zum Hals in Schwierigkeiten zu stecken. Das größte Problem an der ganzen Sache war, das Mondnebel wegen des noch abgedunkelten Fensters nichts unternehmen konnte, um ihr zu helfen.

"Boss, was...", konnte Jodie die Stimme der Daywalkerin krächzen hören.

"Glaubst du wirklich, ich wüsste nicht, dass du hinter meinem Rücken meinen Sturz planst?", hakte Renya ganz direkt nach. "Versuch gar nicht erst es zu leugnen, ich weiß Bescheid."

Für einen kurzen Moment herrschte Stille. Wieder veränderte der Blickwinkel der Kamera sich, ehe der Anführer wieder gänzlich im Bild war.

"Du dachtest, du als Daywalkerin bist die Einzige, mit einem ausgesprochen guten Gehör? Da muss ich dich leider enttäuschen. Mein Körper mag inzwischen alt und schwach sein, doch als Urvampir bekomme ich durchaus mit, was in meinem Anwesen vor sich geht."

"...Was hast du bitte anderes von mir erwartet?" Chris, die sich der Tatsache bewusst war, dass Karasuma nicht einfach nur ein gutes Pokerface besaß, hatte beschlossen, ihre Absichten nicht länger unnötig zu leugnen. "Die Vampire, die mich damals verletzt haben, ehe du als der edle Ritter aufgetaucht bist und mich gewandelt hast, das waren deine Leute. Du hast sie geschickt, um dich in einem besseren Licht dastehen zu lassen.", kam es verbittert von ihr.

"Du solltest mir dafür lieber dankbar sein, meine Liebe. Es mag schon sein, dass ich nicht ganz ehrlich zu dir war, aber ich habe dir Jahrhunderte der Jugend geschenkt und dich vor dem Schicksal bewahrt, wie eine schöne Blume zu verwelken."

"So siehst du das also?", konnte Jodie die Stimme der Schauspielerin nachhaken hören. "Weißt du, Boss, die Tatsache, dass du damals nicht ganz ehrlich zu mir warst, ich habe darüber hinweggesehen, aber das du mir diesen Halsring angelegt hast, so wertvoll er auch sein mag, kann ich dir nicht verzeihen. Du hast mich verwettet wie einen Gegenstand." Nun klang ihre Stimme vorwurfsvoll. "Wir beide wissen, dass du es in deinem derzeitigen Zustand nicht mit Gin aufnehmen kannst."

Einige Sekunden lang herrschte Schweigen, dann stieß der Alte erneut ein heiseres Lachen aus.

"Du verstehst es wirklich nicht, habe ich Recht?"

"Was soll ich nicht verstehen?" Das Bild verwackelte. Im nächsten Moment konnte Jodie sehen, wie Chris versuchte ihre Handgelenke zu befreien, doch Karasumas Griff war eisern. "Denkst du ich wüsste nicht, was einer Verräterin blüht? Du wirst mich noch vor Beginn des heutigen Kampfes töten."

Bei der Feststellung der Daywalkerin lief es Jodie eiskalt den Rücken herunter. Alles in ihr schrie danach, sofort in das Gebäude zu stürmen, um ihr zu helfen.

»Alles läuft aus dem Ruder.«, tippte sie hektisch auf ihrem Zweithandy eine Nachricht an Mondnebel. »Karasuma weiß Bescheid.«
 

Wieder verschwamm das Bild, was diesmal daran lag, dass der derzeitige Anführer seine Stellvertreterin vom Fenster weggezogen und weiter in den Raum gestoßen hatte, doch überraschend setzte er ihr nicht nach.

"Mit Nichten. Was denkst du von mir?"

Dem Blickwinkel nach zu urteilen, starrte Chris ihr Gegenüber lediglich schweigend an.

Jodie wollte sich lieber gar nicht vorstellen, wie die Ältere sich derzeit fühlen musste.

Renya stützte sich derweil wieder auf der Fensterbank ab und fixierte seine Stellvertreterin mit dem Blick. Die Augen des Alten wirkten so wach und klug, wie die eines Raben.

"Ich habe dich in den Clan aufgenommen, weil mich deine Art und Weise zu schauspielern fasziniert hat. Ich habe dich zu meiner Stellvertreterin ernannt, weil ich weiß, dass du eine Person bist, die zur Not über Leichen geht, um ihren Kopf durchzusetzen." Karasuma hustete, fing sich dann jedoch wieder. "Blitzgescheit, charismatisch, selbstbewusst, mit einem ganz eigenen Kopf und gleichzeitig skrupellos. Du gibst eine Anführerin ab, wie sie im Buche steht, meine Liebe. Leider nur bist du noch ein paar Jahrhunderte zu jung und das, was dich so besonders macht, ist Fluch und Segen zugleich. Welcher Vampir träumt nicht davon, sich auch am Tage frei bewegen zu können? Gleichzeitig fehlt dir die körperliche Stärke, die ein Anführer braucht."

"Was willst du mir damit sagen? All das ändert nichts an meinem Verrat." Die Stimme der Blondine klang angespannt.

"Sieh mich an." Renya deutete mit einer zittrigen Hand auf sich selbst. "Meine Glanzzeiten sind vorbei. Ich bin alt. Dein Blut zerfrisst mich noch immer innerlich. Ich werde bald sterben."

Bei diesen Worten sog die Daywalkerin scharf die Luft ein, doch der Alte lachte nur voller Ironie.

"Jetzt guck nicht so erschrocken. Das war es doch außerdem auch, was du wolltest."

Der Urvampir lief mit bedächtigen Schritten durch den Raum, setzte sich hinter seinen Schreibtisch und blickte seine Stellvertreterin mit festem Blick an. "Wenn meine Zeit endet, wird Amerika ohne Urvampir und starken Anführer dastehen. Eine Daywalkerin, noch dazu in deinem Alter, kann mein Amt nicht übernehmen. Die Ära der gefürchteten, amerikanischen Vampirgesellschaft endet mit meinem Tod." Den letzten Satz spie Karasuma regelrecht verächtlich.

Überraschend lag in seinen Augen fast so etwas wie Wärme, als er die Blondine musterte. "Aber dich einem schwachen, neuen Anführer überlassen? Das kommt gar nicht in Frage. Aktuell ist Japans Anführer zweifelsohne der gefährlichste Vampir auf diesem Planeten."

"Gefährlich ist dieser Mann zweifelsohne. ... Warte, heißt das am Ende etwa...?" Chris ließ ihre Frage unvollendet, doch der Alte nickte dennoch. Sie schien verstanden zu haben.

"Das er den diesjährigen Kampf für sich entscheiden wird ist, gemessen an meinem aktuellen Zustand, sicher. Das die Artefakte folglich in seine Hände fallen, lässt sich nicht ändern. Doch das ist auch der Grund, warum ich dich den Halsreif habe tragen lassen, meine Schöne.", sprach Renya weiter. "Gin hat mir in unserem Telefonat sein Wort gegeben, dass er seine schützende Hand über dich halten wird, wenn es auch mit der Freiheit, die du in meinem Clan derzeit genießt, vorbei sein wird. Trotzdem weiß ich, dass meine Daywalkerin auf diese Art und Weise keinem unfähigen Trottel in die Hände fallen und auch in Zukunft sicher vor jedem Jäger sein wird."

Das verwackelte Bild der Kamera und die sich ändernde Perspektive verriet, das Chris sich langsam mit dem Rücken in Richtung Fenster drehte und sich diesem näherte, so als wäre nichts.

"Du wolltest mich in Sicherheit wissen und hast mich den Halsreif deshalb tragen lassen?", wiederholte sie. "Du hättest mit mir reden sollen, Boss. Dieser Mann wird mir das Leben schwer machen. Das ist es, was du mit all dem erreicht hast."

"Wird er nicht.", widersprach der Greis. "Du wirst ein gutes, sicheres Leben in Japan führen können, allerdings wirst du lernen müssen, dass auch du dich zukünftig an Regeln halten musst, meine Liebe."
 

"Das war also die ganze Zeit über dein Plan.", stellte Chris nachdenklich fest. Der Blickwinkel der Kamera verriet, dass sie Karasuma derzeit fest in die Augen blicken musste. "Vielleicht geht es dir um meine Sicherheit, aber wie du bereits selbst sagtest, habe ich einen ganz eigenen Kopf. Denkst du wirklich, ich würde meine Freiheit aufgeben und auch diesmal brav tun was du willst, obwohl es einen ganz anderen Weg gibt?"

Die Augen des derzeitigen Anführers blitzten wach. "Das du hinter meinem Rücken etwas geplant hast, ist mir klar. Meine Ohren haben mir außerdem verraten, dass das Menschlein, dass du seit etwa zwei Monaten hier hältst, eine Vampirjägerin ist. Du bist viel zu vorsichtig, als dass du gedankenlos den Fuchs in den Hühnerstall lassen würdest.", erneut hustete der Alte. "Was genau bezweckst du damit? Ist dir deine Freiheit so viel wert, als dass du bereit bist den Clan an Mondnebel zu verraten?" Seine letzte Frage klang äußerst missbilligend.

Diesmal war es die Schauspielerin, die leise lachte, ehe sie zu einer Antwort ansetzte. "Verrat ist so ein böses Wort.", höhnte Chris. "Du sagst, ich wäre nicht fähig diesen Clan zu führen? Nun, ich habe einen Weg gefunden, wie ich meine Freiheiten nicht einbüßen muss und Amerikas Vampiren, die sich an meine Regeln halten, gleichzeitig Sicherheit garantieren kann. Der beste Weg sich vor Jägern zu schützen, ist nicht immer, sie stumpf zu bekämpfen."

Renya schnaubte. Jodie, die das Gespräch der beiden noch immer wie gebannt durch die Kamera verfolgte, konnte nicht einschätzen, ob der Laut nun amüsiert oder abfällig gewesen war.

"Willst du mir weismachen, du willst dieses Jahrhunderte alte Kriegsbeil begraben?" Der Greis lachte ein heiseres Lachen, ehe er wieder ernst wurde und der Blondine in die Augen blickte. "Das ist naiv."

"Das wird sich erst noch zeigen. Einen Versuch erscheint es mir wert.", widersprach Chris ruhig.

"Diese verrückte Idee und dann noch der kleine Fleck in deinem Auge, denk ja nicht er wäre mir nicht aufgefallen, ... dann ist dieses Mädchen also deine ganz besondere Person, habe ich nicht Recht?"

"Lass sie aus dem Spiel!", fauchte die Daywalkerin den derzeitigen Anführer überraschend an. Jodie war sofort klar, dass Chris sie nur beschützen wollte. "Den Vampirjägern endlich die Hand zu reichen, wird der Weg sein, der die Probleme auf beiden Seiten drastisch reduzieren und die sinnlosen Kämpfe gegeneinander endlich stoppen wird. Der ganze Clan wird von diesem Waffenstillstand profitieren.", stellte Chris noch einmal entschieden klar.

"DAS wird sich wohl erst noch zeigen müssen. Mit Jägern zusammenarbeiten? Das widerspricht jeder Logik.", spie der Alte verächtlich. "Und ganz abgesehen davon, wie willst du deine fehlende, körperliche Stärke ausgleichen, wenn du meinen Platz einnehmen willst?"

"In dem nicht ich den Posten des Anführers bekleide, sondern in meinem Amt als Stellvertreterin bleibe.", erklärte Angesprochene ihm. "Ursprünglich hattest du geplant, dass Rum deinen Posten übernimmt, bevor der Vorfall mit Mondnebel passiert ist, richtig, Boss?"

"Rum hätte die nötige Stärke besessen, aber Rum ist tot.", knurrte der Alte vor sich hin.

"Das mag sein. Aber Rum hatte eine rechte Hand, der er jahrelang die Kampfkunst gelehrt hat. Sie hatte ihn bereits vor seinem Tod übertroffen."

Renya zog eine Augenbraue hoch. "Du sprichst von Curaçao?", hakte er nach. "Es mag schon sein, dass sie über Kräfte verfügt, die denen eines Urvampirs inzwischen nahe kommen, aber ihr fehlt das nötige Rückgrat und die Entscheidungsfreude, um diesen Clan anzuführen."

"Charaktereigenschaften über die ich, als ihre Stellvertreterin, verfüge.", erklärte die Blondine ihm unbeeindruckt. "Wir haben die gleiche Vision und werden diesen Clan folglich gemeinsam leiten. Der Pakt mit Mondnebel wird für die hier lebenden Vampire nur noch einmal zusätzlich den Beginn einer sorgloseren Zeit bedeuten. Wir sind in der Moderne angekommen." Die Stimme der Daywalkerin klang selbstbewusst und überzeugt von dem, was sie sagte.

"Wenn die gemeinsame Führung des Clans auch vielleicht funktionieren mag, die Zusammenarbeit mit Vampirjägern wird jedem Einzelnen hier das Genick brechen.", sagte Karasuma ihr auf den Kopf zu.

"Das wird sich erst noch zeigen."

"Das werde ich nicht zulass-", setzte der aktuelle Anführer an, doch Chris fiel ihm ins Wort.

"Das wird nicht länger deine Entscheidung sein, Boss. Es tut mir leid, aber von hier an übernehme ich." Mit diesen Worten riss sie die schweren Gardinen bei Seite und öffnete mit einem Ruck das Fenster, in dessen Richtung sie sich während des Gesprächs geschlichen hatte.

Vor Schreck hätte Jodie beinahe das Zweithandy fallen lassen, doch sie riss sich zusammen.

"»JETZT!«", tippte sie blitzschnell die Nachricht an Akai, die vorherige Frage seinerseits, was passiert war, ignorierend.

Für einen Moment schloss die junge Frau die Augen und betete, dass nun alles nach Plan laufen würde. Nun musste das Timing perfekt sein. So altersschwach Karasuma inzwischen auch sein mochte, eben noch hatte er bewiesen, dass er sich noch schnell bewegen konnte. Shu durfte jetzt auf keinen Fall daneben zielen.

Mit zitternden Händen hielt Jodie das Smartphone umklammert, auf dessen Display sie live mitbekam, was derzeit im Anwesen vor sich ging.

Die Qualität der Kamera war schlecht, doch für den Bruchteil einer Sekunde meinte sie etwas durchs Fenster ins Zimmer fliegen gesehen zu haben.

Sie hielt den Atem an. Eine Schweißperle lief ihr die Schläfe herab. Im nächsten Moment sah sie, wie das Zimmer Karasumas in ein gleißendes Licht getaucht wurde.

Hatte es...? Bedeutete das, dass...? Sie wagte den Gedanken gar nicht zu Ende zu denken und starrte nur wie gebannt auf ihr Handy.
 

Die wenigen Sekunden, in denen der Lichtblitz sich hielt und das Zimmer erhellte, kamen Jodie so quälend lang vor, wie ganze Minuten oder gar Stunden. Ihr Herz hämmerte von innen wie wild gegen ihren Brustkorb. Hatte es geklappt?

Endlich ließ das künstliche Tageslicht, welches von der Lichtgranate, die Akai durch das offene Fenster in den Raum geschossen hatte, nach. Das Bild der Kamera wurde wieder klarer.

Im ersten Moment sah die Jägerin nur die Wand und ein Stück Boden, da Chris sich instinktiv abgewandt haben musste, doch schließlich drehte die andere Blondine sich zurück in Richtung Raum und das Bild der Kamera wanderte mit.

Obwohl sie die Kameraführung nicht beeinflussen konnte, wanderte Jodies Blick angespannt von links nach rechts. Sie studierte den Bildabschnitt genau.

Von Karasuma fehlte jede Spur. Hier und da flogen einige Funken durch das Zimmer und segelten langsam zu Boden. Asche lag in der Luft. Auf dem Schreibtischstuhl, auf dem der Greis bis eben noch gesessen hatte, fand sich ein nicht zu übersehender Aschehaufen, welcher teils vom Stuhl auf den Teppich gerieselt war.

So langsam wie zähflüssiger Honig sickerte die Erkenntnis zu ihrem Verstand durch. Es... es war vorbei! Der alte Anführer des Vampirclans war wirklich tot!

Jodie konnte es noch kaum fassen. Auch wenn dies nur Teil 1 des Plans gewesen war, so konnte sie dennoch nicht leugnen, dass ihr ein Stein vom Herzen fiel.

"Es ist vorbei...", hörte sie die Daywalkerin derweil leise murmeln. Die Stimme der geringfügig Älteren klang selbst noch etwas neben der Spur und fassungslos. "Urg... ich sehe kaum etwas..."

Kein Wunder, stellte Jodie in Gedanken fest. Obwohl die Tageslichtgranate Chris nicht hatte gefährlich werden können, geblendet worden war sie trotzdem. Es würde noch einige Augenblicke brauchen, bis ihre Augen ihr den grellen Lichtblitz verziehen hätten.

Die Jägerin spürte, wie die Anspannung zumindest in diesem Moment von ihr abfiel. Der bisherige Clananführer, der so viel Leid über Amerika gebracht hatte, war wirklich tot. Und ihre Seelenverwandte schien unverletzt. Wie gerne wäre sie nun auf direktem Weg ins Anwesen gelaufen, um Chris um den Hals zu fallen. Doch das ging aktuell natürlich nicht.

Der Blickwinkel der Kamera änderte sich erneut. Jodie konnte nun einen Blick auf das Handydisplay der Schauspielerin riskieren. Sie sah, wie sie Akais Nummer wählte, wobei ihr das Eintippen der Zahlen noch Schwierigkeiten zu bereiten schien, da vor Chris Augen mit Sicherheit noch Lichtpunkte tanzen mussten.

Das Handy verschwand wieder aus ihrem Blickfeld. "Guter Treffer.", hörte sie die Daywalkerin sagen. "Aber verdammt, du hättest mich warnen sollen, wie grell dieses Licht ist. Ich kann kaum etwas sehen und die Asche des Alten hat sich überall im Raum verteilt. Ich bin von oben bis unten damit paniert!"

Jodie verzog das Gesicht zu einem schiefen Schmunzeln. Ein solcher Kommentar zu Akai war so typisch für das Sternchen. Wobei sie die andere Blondine ja durchaus verstehen konnte. Auch sie selbst wäre wohl nicht sonderlich erfreut darüber, die Asche eines Vampirs um die Ohren zu bekommen.
 

Jodie griff nach ihrem Zweithandy und rief James Black an, da sie wusste, dass die Daywalkerin eben noch Akai angerufen hatte. Da die restlichen Mitglieder Mondnebels sich gerade am gleichen Ort aufhielten, war sie so praktisch mit allen verbunden.

"Zumindest das ist schon einmal geschafft. Ein Glück.", seufzte die junge Frau, kaum das ihr Vorgesetzter den Anruf entgegen genommen hatte. Zeitgleich riskierte sie einen Blick in Richtung der vor dem Haus wartenden Vampire. Niemand wirkte besonders misstrauisch. "Gut das das Zimmer des Alten auf der anderen Seite des Gebäudes liegt. Niemand hier hat etwas mitbekommen.", berichtete sie.

"...wenn er gewollt hätte, hätte er mich aufhalten und verhindern können, das ich das Fenster hätte öffnen können..., aber er ist einfach auf seinem Platz sitzengeblieben und hat rein gar nichts unternommen.", konnte sie Chris sagen hören. Die Kamera verriet Jodie, dass die Daywalkerin gerade durch den Raum lief und suchend den Blick über die Asche schweifen ließ.

Kaum merklich zog die Jägerin die Stirn kraus. Es wunderte sie, dass Karasuma nicht das Geringste unternommen hatte, obwohl er realisiert haben musste, was auf ihn zukam. Sie hatte diesen Mann nicht wirklich gekannt, doch was sie aus Erzählungen über ihn wusste, ... ein solches Verhalten passte gar nicht zu ihm. Hatte er am Ende doch so viel Sympathie für Chris empfunden, dass er ihr schlicht und ergreifend nichts hatte antun können? Sie würden es wohl nie mehr erfahren.

"Zum Glück hat der Plan funktioniert.", stimmte Black Jodie am Telefon gerade zu. "Aber das alles hat sehr viel mehr Zeit gekostet, als ursprünglich geplant. Es bleibt noch ungefähr eine Minute."

"Schnapp dir den verdammten Ring und dann raus mit dir zu den anderen!", hörte sie, wie Shu im Hintergrund die Schauspielerin per Handy zur Eile antrieb.

"Der Ring ist durch den Raum geflogen, als die Granate den Alten in ein Häufchen Asche verwandelt hat.", murrte Chris wenig erfreut vor sich hin.

Schlagartig wurde Jodie klar, warum die Kamera die ganze Zeit über so schwankte. Chris sah sich suchend nach dem Ring um, während sie mit Mondnebel telefonierte.

Erneut stieg der Stresspegel der Jägerin. In einer knappen Minute würde die Entscheidungsschlacht beginnen und bis dahin musste Chris es geschafft haben, den Ring zu finden und an Curaçao zu übergeben. Die Erklärung, was mit dem alten Anführer passiert war, würde wohl vorerst auch deutlich kürzer ausfallen müssen.
 

Sie hatte die Luft angehalten, ohne es zu merken und atmete erst wieder auf, als die Schauspielerin den Ring schließlich auf dem Teppich unter dem Schreibtisch wiederfand, danach griff und schließlich in Richtung Tür eilte. Immerhin, das Artefakt war wieder aufgetaucht und nicht am Ende noch aus dem Fenster geschleudert worden, oder hinter irgendeinem Schrank gelandet.

Doch auch wenn dieser Punkt nun ebenfalls abgehakt werden konnte, nun begann der wirklich stressige Teil des Plans. Erneut spürte Jodie das Adrenalin in sich aufsteigen.

"Wie ist die Lage vor dem Haus?", wollte James von ihr wissen. Die junge Frau hielt sich das Handy ans Ohr und sah sich unauffällig um.

"Viele haben angespannt die Uhr im Blick, aber eigentlich ist alles genau so ruhig wie bisher.", berichtete sie ihm.

"Sehr gut."

~

Derweil konnte sie auf dem Bildschirm des anderen Smartphones mitverfolgen, wie Chris das Zimmer des ehemaligen Anführers verließ. Kaum, dass sie auf der Treppe stand, schlug eine alte Uhr zur vollen Stunde. Der alles entscheidende Kampf würde beginnen.

Während Jodie allein durch das Beobachten des Geschehens spürte, wie vor lauter Anspannung die Übelkeit in ihr aufstieg, ruhten derweil die Blicke aller Anwesenden auf Chris.

"Wo ist nun dein Boss?", durchbrach Gin das allgemeine Schweigen.

"Es ist eine Schande, dass ihr euch nicht mehr persönlich kennenlernen konntet, doch ich muss dir leider die traurige Mitteilung machen, dass der alte Anführer soeben von uns gegangen ist." Die Stimme der Blondine klang nicht wirklich betroffen, sondern viel mehr spöttisch.

Fassungslose Stimmen der Gegner wurden laut. Auch Calvados und Irish, die nicht in den Plan eingeweiht worden waren, wirkten entgeistert.

"Ein Urvampir stirbt nicht einfach so.", stellte Japans Vampirfürst fest.

"Er war alt und schwach.", räumte die Schauspielerin amüsiert ein.

"Trotzdem, höchst unwahrscheinlich, das der Alte ausgerechnet jetzt ins Gras beißt.", konnte Jodie Chiantis Stimme sagen hören, auch wenn sie sie durch die Kamera derweil nicht sah. "Das bedeutet dann zweifelsohne, dass Barbie so skrupellos ist, das sie ihren eigenen Anführer erledigt hat."

"Ich muss schon sagen, die heutige Entscheidungsschlacht beginnt bereits äußerst interessant.", lachte Pinga.

Wieder hatte Jodie dieses seltsame Gefühl in der Magengegend. Ihr Bauchgefühl sagte ihr, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmte, sie wusste nur noch nicht, was es war.

"Hört mir jetzt alle gut zu.", verlangte Chris derweil laut und deutlich, während sie die Treppe herunterschritt und Curaçao entgegen ging. "Mit dem Tod unseres alten Anführers, ändern sich die Machtverhältnisse in diesem Haus. Die neue Anführerin-"

Höchst wahrscheinlich hatte sie an dieser Stelle ihre Leibwächterin zur neuen Anführerin erklären wollen, doch noch ehe sie ihr den Ring übergeben, oder ihren Satz beenden konnte, sprang der japanische Vampirfürst los und landete neben der Daywalkerin auf dem Treppengelände, als wäre er lediglich eine einzelne Treppenstufe hochgesprungen.

"Mit anderen Worten: du bist die neue Anführerin und hast den Ring.", stellte er mit seiner rauen Stimme fest.

Die Schauspielerin wirbelte herum. Jodie hörte, wie sie erschrocken die Luft einsog.

Gin, der sie als leichtes Ziel ansehen musste, griff an, doch im Bruchteil einer Sekunde war Curaçao bereits vor die Daywalkerin gesprungen und blockte den Schlag geschickt ab.

"Lass deine dreckigen Finger von ihr!", hörte sie die Silberhaarige wütend fauchen.

Im nächsten Moment stürzte sie auf ihren Gegner los, beide landeten mit spielender Leichtigkeit wieder auf dem Boden der Empfangshalle und begannen einen hitzigen Schlagabtausch.

Im Hintergrund hörte sie Chris fluchen. Die Blondine war nicht dazu gekommen, ihrer Leibwächterin den Ring zu übergeben und hatte keine Zeit mehr gehabt, sie zur neuen Anführerin des Hauses zu ernennen. Mit dem Ring nach wie vor in ihrem Besitz, würde sie jedoch auch in den Fokus der Gegner geraten.

Am Fuße der Treppe wehrte Calvados derweil Korn ab, während Irish in der Halle Tequila und Pisco in Schach hielt.

Bourbon war gerade noch rechtzeitig bei der Blondine, um Chianti abzuwehren und vorerst zurückzuschlagen, die es sich natürlich nicht hatte nehmen lassen, die Daywalkerin ins Visier zu nehmen. "Du weichst nicht von meiner Seite, bis wir es geschafft haben, den Ring an Curaçao abzutreten.", zischte er ihr zu.

"Was in der aktuellen Situation gar nicht so leicht werden dürfte.", gab Vermouth zu bedenken.

~
 

Auch wenn die Kämpfe, die derweil in der Halle stattfanden und durch die Kamera am Halsreif einigermaßen gut erfasst wurden, der eigentliche Blickfang waren, so fiel Jodie trotz allem erneut auch Pinga ins Auge. Der Mann hatte das allgemeine Chaos ausgenutzt, um sich heimlich in Richtung der Kellertür abzusetzen, von der aus er den Raum zwar gut im Blick hatte, sich aber eher im Hintergrund hielt.

Wieder schrillten in ihr alle Alarmglocken. Was hatte dieser Typ bloß vor? Es sah zumindest nicht so aus, als wenn er sich aktiv in den Kampf einmischen wollte. Er wirkte viel mehr so, als wenn er gar nicht gesehen werden wollte.

Das Bild verwackelte und die Kamera schweifte kurz durch den Raum, ehe Pinga ganz am äußersten Rand des Displays wieder in ihr Blickfeld geriet.

Warum genau prüfte der Kerl, ob die Kellertür sich öffnen ließ, obwohl gerade alle damit beschäftigt waren, sich die Zähne einzuschlagen? Er gehörte doch auch zu den gelisteten Kämpfern.

Gerne hätte Jodie die einzige Person der Amerikanischen Gruppe, welche sich bislang ebenfalls noch im Hintergrund gehalten hatte, angerufen um darum zu bitten, Pinga genauer im Blick zu behalten, doch das konnte sie derweil unmöglich bringen.

Während Jodie nervös beobachtete, wie die Kämpfer in der Halle aufeinander losgingen und versuchten an den Ring zu gelangen, ließ sie der Gedanke an diesen nicht gerade vertrauenserweckenden Mann nicht mehr los. Deutlicher konnte ihr Bauchgefühl sie nicht warnen.

Dann blitzten die Erinnerungen an das kurze Gespräch vor dem Haus mit ihm auf.

Dieses runde Ding, welches er am Gürtel befestigt getragen hatte... wo sie so darüber nachdachte, meinte sie es schon einmal gesehen zu haben.

Plötzlich machte es Klick und Jodie meinte zu wissen, worum es sich bei dem Gegenstand handelte.

Nur zur Sicherheit wandte sie sich an Black, der sich immer noch am anderen Ende der Leitung befand und das Gespräch nicht unterbrochen hatte.

"James?", sprach sie ihn an.

"Was gibt es, Jodie? Wie läuft der Kampf bisher? Du bist die Einzige, die mit der Kamera verbunden ist."

"Oh, da drinnen tobt das reinste Chaos. Chris hatte keine Zeit mehr Curaçao den Ring zu geben und jetzt halten die Gegner sie für die derzeitige Anführerin. Das ist gar nicht gut."

"Verdammt.", hörte sie Andre im Hintergrund zischen, der das Gespräch anscheinend mitverfolgte.

"Aber das ist es nicht, was mich derzeit am meisten beschäftigt.", erklärte Jodie ihren Teamkameraden leise. Erneut warf sie einen kurzen Blick zu der Gruppe der anderen Wartenden, doch diese befanden sich in einiger Entfernung zu ihr und beachteten sie nicht weiter.

"Wie meinst du das?", wollte ihr Vorgesetzter wissen.

"Mondnebels neuste Erfindung, die Lichtgranaten, wie Shu sie benutzt hat um Karasuma auszuschalten, sind doch relativ rund und etwa so groß wie eine Orange, oder?"

Kurz raschelte es etwas, dann meldete sich Akai zu Wort. Wahrscheinlich hatte er James das Handy abgenommen.

"Ja, ganz genau. Sie werden mit einer Art Panzerfaust verschossen, lassen sich jedoch auch von Nahem werfen und zünden wie eine Handgranate."

"Und... wie lange brauchen die Dinger, bis sie hochgehen?", hakte Jodie nach.

"Etwa vier bis fünf Sekunden braucht es, dann gibt das Geschoss den Lichtblitz frei.", erklärte der Scharfschütze ihr. "Warum fragst du?"

"Eine einzelne Granate ist in der Lage ein recht großes Gebiet auszuleuchten, richtig?"

"Ist sie. Etwa den Radius einer Sporthalle, wenn du es genau wissen willst. Vampire, die sich innerhalb dieses Umfeldes befinden und von dem Licht getroffen werden, haben keine Chance mehr."

Bei Akais Worten wurde Jodie schlecht. Nach und nach setzten die Puzzleteile sich für sie zusammen. "Bitte sag mir jetzt nicht, dass sich diese Granaten auch in dem Fahrzeug befunden haben, das letzte Nacht den Unfall hatte...", hauchte sie voller Entsetzen in ihr Handy.

"Doch, auch einige der Tageslichtgranaten waren mit an Bord.", bestätigte James ihr, der sich entweder sein Handy zurückerobert hatte, oder näher an den Scharfschützen gerückt sein musste, um mitzuhören.

"Jodie, was ist los? Das fragst du doch nicht einfach so.", hakte Shu derweil alarmiert nach. Höchst wahrscheinlich ahnte er bereits in welche Richtung es gehen würde.
 

Im Kopf der jungen Frau rauschte alles.

"»Wie auch immer, Menschlein, dir wird heute eine ganz besondere Ehre zu teil. Der Sturz zweier Säulen, das Ende veralteter Regeln und der Aufstieg eines mächtigen Anführers. Die wenigsten können von sich behaupten so etwas miterlebt zu haben.«", erinnerte sie sich an Pingas Worte, die plötzlich Sinn ergaben.

Zwei Säulen, damit musste er die Anführer gemeint haben. Karasuma und Gin. Der Aufstieg eines neuen, mächtigen Anführers... und dann noch die Tatsache, dass dieser Kerl im Besitz einer Tageslichtgranate war.

Plötzlich war Jodie sich ganz sicher, dass Liam in der Nacht nicht einfach nur von der Straße abgekommen war. Das war kein Unfall gewesen. Jemand hatte den Wagen, mit der Munition und den Waffen darin, ganz bewusst angegriffen. Und die Tatsache, dass Pinga sich gerade noch von der Gruppe abgesetzt und sich so sehr für die Kellertür interessiert hatte...

Natürlich, die schwere Stahltür würde eine Person, die sich dahinter befand, ganz wunderbar vor dem grellen Licht schützen. Zeit genug, die Granate in die Menge zu werfen, bliebe ebenfalls...

"Oh nein! Dieser elende Kerl wird die Lichtgranate mitten in die Halle werfen! Er will sie alle umbringen!", rief sie entsetzt in ihr Handy.

"Was? Was redest du da bitte?", hörte sie Andre überrascht stammeln. Scheinbar hingen gerade alle drei ihrer Teamkameraden vor dem Handy.

"Keine Zeit für Erklärungen, ich muss da rein!" Mit diesen Worten beendete Jodie das Telefonat, sprang von ihrem Platz auf und rannte los.

Als Mensch würde ihr die Lichtgranate nichts ausmachen. Doch was die Vampire betraf... einzig und allein Chris würde verschont bleiben, doch eine Daywalkerin wäre keine Gegnerin für einen A-Klasse Vampir und ein leichtes Opfer. Was mit den Gegnern aus Japan geschah, war Jodie im Prinzip noch egal, doch das galt nicht für die Amerikaner. In dem Anwesen kämpften derzeit ihre Freunde und schwebten in akuter Lebensgefahr, ohne es auch nur im geringsten zu ahnen!

Horror und Entsetzen hatte Besitz von ihr ergriffen. Sie wusste, wie gefährlich es war, das Anwesen ausgerechnet jetzt zu betreten, doch ihr blieb keine Wahl!

Sie rannte so schnell ihre Beine sie trugen. Sie musste die Anderen retten! Sie warnen! Hoffentlich kam sie noch rechtzeitig!

Vor ihrem inneren Auge sah sie bereits einen grellen Lichtblitz die Halle erleuchten.

Oh Gott, nein! Das durfte nicht passieren!

"Heeey! Halt! Stopp!", hörte sie die Wartenden hinter sich rufen.

"Was denkst du dir?!"

"Du kannst da jetzt nicht rein!" Die Rufe klangen überrascht bis wütend.

Jodie ignorierte die Wartenden komplett. Sie hatte keine Zeit für Erklärungen und hoffte, dass niemand sie aufhalten würde.
 

Schon war sie an der Eingangstür angekommen, riss diese auf und stürmte in die Empfangshalle, in der derzeit das absolute Chaos tobte.

Einige Köpfe wandten sich ihr überrascht zu, musste es doch wohl äußerst unüblich sein, dass in einem so wichtigen Kampf eine außenstehende Person hereinstürmte.

Jodie wischte an Vodka und Calvados vorbei, die sie nur irritiert anstarrten und hielt geradewegs auf Pinga zu, der immer noch an der Kellertür stand. Dem Mann mit den fein geflochtenen Zöpfen entgleisten kurzzeitig überrascht die Gesichtszüge.

"EINE TAGESLICHTGRANATE!! Pinga hat vor euch alle umzubringen!" Ihr Ausruf hallte durch den Raum und ließ alle für einen Moment innehalten. "Das Licht wird keinen Unterschied zwischen Freund oder Feind machen!" Beinahe hatte sie ihn erreicht.

Sie wusste, dass sie als Mensch kaum eine Chance gegen einen Vampir haben würde, doch die Verzweiflung trieb sie voran. Sie musste ihre Freunde retten! Das die Gegner ebenfalls einen Vorteil daraus ziehen würden, war in diesem Moment nicht zu ändern.

Sie wusste, dass sie keine Gegnerin für Pinga wäre, doch das musste sie auch gar nicht. Sie musste sich bloß die Granate schnappen.

"Er hat vor die Anführer zu stürzen! Er-" Der A-Klasse Vampir bewegte sich so schnell, dass sie ihn für eine Sekunde vollkommen aus den Augen verlor. In der nächsten Sekunde tauchte er genau vor ihr wieder auf. Jodie erschrak, hatte jedoch keine Zeit mehr ihm auszuweichen, oder auch nur ihren Satz zu beenden.

Die derzeit stahlblauen Augen ihres Gegenübers funkelten zornig, beinahe hasserfüllt auf, als er sie ins Visier nahm. Er hielt etwas in der Hand. Der kalte Stahl einer Messerklinge blitzte auf.

Die Blondine keuchte auf, als die Klinge brutal in ihren Brustkorb gestoßen wurde.

Schmerz flammte auf, auch wenn sie noch gar nicht wirklich realisiert hatte, was geschehen war.

Sie spürte, wie sie fiel.

"JODIE!!", hörte sie im Hintergrund Chris aufschreien. So grell und so besorgt hatte sie ihre Stimme noch nie gehört.

Im gleichen Moment warf die Person, die es vorgezogen hatte ihr Gesicht die ganze Zeit über durch einen Umhang zu verhüllen, sich seitlich gegen Pinga. Die Kapuze rutschte ihr vom Kopf.

Pinga prallte gegen die Wand, Kir setzte ihm nach und trieb ihn weg von Mondnebels Jägerin.

Hart schlug die Blondine auf dem Boden auf. Der Schmerz, ausgelöst durch die Stichwunde, explodierte förmlich in ihrer Brust, während alles um sie herum kurzzeitig vor ihren Augen verschwamm.



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