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Die Vertretung und die Folgen

Wenn Hündchen vor große Herausforderungen gestellt werden
von

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Ein seltsamer Tag

Montag, 17.10.
 

Seto war nicht verwundert, als er Montagmorgen schräg vor sich einen leeren Platz vorfand und der Lehrer ihnen mitteilte, dass Joey sich krankgemeldet hatte. Nach allem, was passiert war, war das der logische Schluss gewesen. Dennoch war es nach drei Wochen mit Joey an seiner Seite ein komisches Gefühl, nun allein dort zu sein. Nicht, dass ihn das großartig kümmerte, denn er würde die meiste Zeit eh arbeiten, doch tief in seinem Inneren beschäftigte es ihn schon, auch wenn er das nicht zugeben wollte. Genauso wie die Tatsache, dass Mokuba Samstagabend erst spät nach Hause gekommen war, ihn nur kurz gegrüßt hatte und dann in seinem Zimmer verschwunden war. Gestern war es nicht viel anders gewesen. Der Kleine ging ihm richtig aus dem Weg und das war bisher noch nie vorgekommen. Und Yunas Einschätzung war ja auch eindeutig ausgefallen. Was hatte Joey nur mit ihnen angestellt? Auch Roland und Yuuto hatten gestern bei einem kurzen Treffen distanziert gewirkt und selbst Hina schien traurig, dass der Blonde nicht mehr in der Villa wohnte. Als wäre er Schuld daran! Er konnte doch keine Gefühle herzaubern, wo gar keine waren!

Sind da denn wirklich keine?, fragte eine innere Stimme und Seto schaute leise schnaubend aus dem Fenster. Seit Joeys Gefühlsausbruch sah er sich mit dieser Frage konfrontiert und er hatte gestern sogar eine Pro und Kontra Liste aufgestellt, aber ohne zu einem Ergebnis gekommen zu sein.

Dennoch konnte er nicht abstreiten, dass er sehr schnell einschlief, wenn er Joeys Geruch abends noch roch und sich seine Muskeln deutlich entspannten. Und überhaupt ging er ihm gar nicht mehr aus dem Kopf, aber war das schon Liebe? Er hatte vorher nie solche Gefühle entwickelt und es fiel ihm sehr schwer, sie richtig einzuordnen.

Sein Umfeld hatte sich ja offenbar schon eine Meinung gebildet und ihn als Arschloch abgestempelt, dass Joey gar nicht verdient hatte. Selbst Mokuba schien das so zu sehen!

Eine Sache hatte er allerdings noch zu tun, denn egal, was zwischen ihnen war, Joey hatte offiziell für die Firma gearbeitet, also stand ihm auch ein Gehalt für den Zeitraum zu und das würde Kaiba ihm heute überweisen lassen. Denn überraschenderweise hatte Yuna ihm Samstag noch mitgeteilt, dass er noch keine Abrechnung erhalten hatte. Es wäre genug, damit Joey die Schulden seines Vaters bei diesem ominösen Fremden begleichen konnte und danach noch einiges übrigblieb. Da er ja als Geschäftsführer gearbeitet hatte, war es kein Problem, die Summe zu rechtfertigen und selbst damit war er als Geschäftsführer schon eher im unteren Drittel, so viel, wie sich einige selber überwiesen. Damit war seine Schuld gegenüber dem Blonden beglichen und in den nächsten Wochen würden sich alle hoffentlich wieder beruhigen.
 

Es klingelte zur Pause und Kaiba packte seine Sachen zusammen und ging nach draußen, als er hinter sich bekannte Schritte wahrnahm. Er marschierte dennoch weiter in eine ruhige Ecke des Ganges, wo er sich jede Pause aufhielt.

Vor einer Fensterfront waren zwei Tische mit ein paar Stühlen darum verteilt. Meist konnte er hier noch etwas erledigen, ohne dass die halbe Schule ihn nervte.

Vor ihm hielt Yugi an, der manchmal so einen erwachsenen Eindruck machte. Als hätte er zwei Persönlichkeiten. Es war ganz merkwürdig, doch er wischte die Gedanken beiseite.

„Was willst du?“ „Dich fragen, was passiert ist“, antwortete Yugi und setzte sich auf einen zweiten Stuhl.

Irritiert schaute Seto auf und musterte ihn einen Moment. Soweit er das mitbekommen hatte, hatte er doch Joey von der Firmenfeier abgeholt, also warum fragte er danach?

„Ich denke, Wheeler wird dir alles berichtet haben, oder?“ „Ja, das hat er. Nach vielen Stunden des Weinens konnte er halbwegs zusammenstammeln, was aus seiner Sicht passiert ist, aber ich möchte deine Version auch hören. Denn irgendwo zwischen euren Versionen wird die Wahrheit liegen …“

Er wusste nicht genau, was ihn dazu veranlasste, mit Yugi darüber zu sprechen – vielleicht weil er der erste war, der überhaupt nach seiner Version fragte –, doch er ließ sich darauf ein und antwortete ihm: „Mokuba hatte diese Schnapsidee, mich mit Wheeler zu verkuppeln, indem er sich diesen ganzen Plan mit dem Stellvertreter ausdachte und dass wir ein Paar seien, damit wir gezwungen waren, Zeit miteinander zu verbringen. Ich bin Joey sehr dankbar, dass er sich so gut um meinen kleinen Bruder gekümmert hat, während ich bewusstlos war und ich bin positiv überrascht, was für einen guten Geschäftssinn er scheinbar hat. Dennoch war es Schauspielerei, wenn wir in der Öffentlichkeit aufgetreten sind, zumindest dachte ich das, bis er mir auf der Firmenfeier alles beichtete. Er hatte sich in mein Büro zurückgezogen und hat mir dort alles gestanden. Dass er sich in den vergangenen Wochen in mich verliebt hat und dass ich ein Arschloch sei, weil ich mit ihm geschlafen habe, obwohl ich nichts für ihn empfinde. Nach der Feier hast du ihn abgeholt und das war’s. Ende der Geschichte.“ „Und? Stimmt es?“, hakte Yugi nach, doch Seto wusste nicht, worauf der Stachelkopf hinauswollte.

„Was?“ „Dass du mit Menschen schläfst, für die du sonst nichts empfindest“, konkretisierte der Kleine und Seto wusste wirklich nicht, warum er das Gespräch nicht spätestens an diesem Punkt abgebrochen hatte. Es war ihm wirklich ein Rätsel.

„Ich hatte damit nie ein Problem. Warum auch? Wann soll ich denn neben Schule, Firma und Mokuba noch Zeit für eine Beziehung finden? Das ist unmöglich, denn leider hat auch mein Tag nur 24 Stunden und Mokuba kommt schon zu kurz.“

„Ja, das kann ich mir gut vorstellen“, murmelte Yugi und schaute ihm in die Augen, als er fortfuhr, „Hör zu. Ich bin dir nicht böse wegen dieser Geschichte. Es ist beschissen gelaufen und Joey hat es definitiv nicht verdient, so unglücklich zu sein, aber ich bin froh, dass du wenigstens an dem Punkt abgebrochen hast, bevor du ihm, im vollen Bewusstsein seiner Gefühle, weiter etwas vorgespielt hättest. Er wird lange brauchen, bis er damit wieder halbwegs klarkommt und ich bitte dich, auf die üblichen Zickereien in Zukunft zu verzichten.“ „Natürlich. Das hatte ich vor … Aber … er wird damit klarkommen?“ „Ich hoffe es … Du musst wissen, Joey ist ein Gefühlsmensch und wenn er sich auf etwas einlässt, dann tut er das zu 100%. Du hast es beim Battle City Turnier selbst gesehen. Er hätte sich für Mai geopfert und er hatte sich im Duell gegen Marik für alle geopfert, wie wir seit Mokuba wissen. Und wenn er jetzt das erste Mal so richtig verliebt ist, wird er auch das zu 100% sein. Und dann so verletzt zu werden – auch wenn du deine Gefühle nicht ändern kannst – wird ihn extrem aus der Bahn schmeißen und bis er alle Teile seines zersprungenen Herzens wieder zusammengesammelt und zusammengesetzt hat, dürfte eine lange Zeit vergehen … Aber Joey ist ein unglaublich starker Mensch und er wird das schaffen.“

Seto schwieg und nickte nur, ehe er den Blick auf seinen Monitor richtete. Er hatte genug gehört und Yugi schien das einzusehen, denn er verabschiedete sich und verschwand aus seinem Blickfeld.

Genervt strich sich der Brünette mit einer Hand über das Gesicht und seufzte, als er allein war. Er war dankbar, dass wenigstens einer zu verstehen schien, dass er seine Gefühle nicht bewusst ändern konnte, aber andererseits schien es, als würden seine Gefühle mit aller Macht versuchen, die Kontrolle über ihn zu übernehmen. Doch er war nunmal kein Gefühlsmensch wie Joey. Das hatte Gozaburo bravourös zu verhindern gewusst. Denn Gefühle bedeuteten Schwäche und er war nicht schwach, verdammt!

„Oh doch, Seto. Du bist unfassbar schwach geworden.“

Er schlug mit der Faust auf den Tisch und spürte den Schmerz in seiner Hand, der ihn von seinen Gedanken ablenkte und atmete tief durch, um sich wieder zu beruhigen. Die Stimme verstummte zum Glück sofort. Hier auszurasten, brachte ihn auch nicht weiter. Nein, er konnte sich zu Hause weiter damit befassen. Jetzt musste er zum nächsten Unterricht und danach in die Firma. Das hatte Priorität.
 

Dieser ganze Tag war seltsam, wie Seto schnell festgestellt hatte. Joey war nicht beim Frühstück gewesen, nicht in der Schule, nicht in der Limousine auf dem Weg zur Firma und auch nicht in seinem Büro. Es war ein komisches, unangenehmes Gefühl es bei Tage zu betreten, in dem Wissen, was hier vor drei Nächten passiert war. Seto bemerkte sofort ein paar kleine Flecken auf seinem Schreibtisch. Joeys getrocknete Tränen und darunter noch ein kleiner Blutfleck, weil er sich so stark auf die Unterlippe gebissen hatte.

Einen Moment lang hypnotisierte er geradezu die Flecken und strich über sie, ehe es an der Tür klopfte und er heftig zusammenzuckte. Schnell setzte er sich auf seinen Stuhl, holte seinen Laptop heraus und ließ die Person eintreten.

Es war Yukiko, mit einem Kaffee in der einen Hand und Unterlagen, die für ihn abgegeben worden waren, in der anderen. Sie stellte die Tasse – wahrscheinlich unbewusst – auf den Flecken ab und legte die Dokumente wie immer daneben.

„Danke.“ „Mr. Kaiba?“ „Ja, was gibt es, Yukiko?“ „Stimmt es, dass Mr. Wheeler nicht mehr hier arbeitet?“

Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und musterte sie, wie sie selbstbewusst, aber dennoch zurückhaltend in ihrem Kostüm vor dem Schreibtisch stand und ihn abwartend anschaute. Sie ließ sich von seinem Blick nicht einschüchtern, sondern straffte sogar noch leicht die Schultern.

„Ja, das ist korrekt. Ich bin wieder gesund und übernehme ab jetzt wieder alle Geschäfte. Wieso?“

„Darf ich ehrlich sein?“ „Ich bitte darum“, entgegnete Kaiba, obwohl er keine Lust hatte, eine weitere Lobeshymne auf den Köter zu hören, doch er kannte Yukiko schon lange und sie war eine hervorragende Mitarbeiterin, also würde er es über sich ergehen lassen.

„Auch wenn es für mich mehr Arbeit war, war das Arbeiten mit ihnen gemeinsam ein sehr angenehmes. Sie ergänzen sich sehr gut. Und sie schienen deutlich entspannter zu sein als vor dem Unfall, was schön zu beobachten war. Die meisten Kollegen – inklusive mir – sind davon ausgegangen, dass Mr. Wheeler auch nach Ihrer Genesung weiterhin in der Firma an Ihrer Seite arbeiten würde.“

Die meisten Kollegen also? Es wunderte ihn nicht. Er hatte sich bereits selbst davon überzeugen können, wie einfach Joey andere von sich überzeugen konnte und er wusste auch, dass er sich in der kurzen Zeit sehr beliebt gemacht hatte, weil er anders an die Dinge heranging als er selbst. Yuna hatte ihm dies am Wochenende ja auch bestätigt.

„Ich fürchte, dazu wird es nicht kommen … Tut mir leid … Bevor ich das vergesse. Veranlassen Sie bitte um 16 Uhr ein Meeting mit Yuuto und Herrn Miyamoto in meinem Büro“, erwiderte er schlicht und damit war das Thema abgeschlossen.

„Natürlich, Mr. Kaiba“, sagte sie höflich und Seto war froh, dass er wenigstens von ihr keinen weiteren bösen Kommentar bekam. Seine Nerven waren in den letzten Tagen arg strapaziert worden und er wusste nicht, wie lange er noch so ruhig bleiben konnte.
 

Pünktlich um 16 Uhr waren Yuuto und Mr. Miyamoto in seinem Büro und Kaiba klärte das, was er schon den ganzen Tag hatte tun wollen.

„Yuuto, Joey hat doch einen Arbeitsvertrag unterschrieben, oder?“ „Ja, hat er.“ „Den brauche ich jetzt.“

Sein Anwalt schien sich so etwas gedacht zu haben, denn er holte ihn aus einer Mappe hervor und legte ihn vor ihm auf den Tisch.

Schnell überflog er ihn, blätterte und stutzte, als er den durchgestrichenen Paragraphen sah, der die Bezahlung regelte.

„Was hat das hier zu bedeuten?“, hakte er nach und Yuuto lehnte sich in seinem Platz zurück, als er erläuterte: „Joey hat darauf bestanden, dass ich den Paragraphen streiche. Er wollte kein Geld dafür, dass er Mokuba half. Ich habe nachgefragt, aber er hat immer betont, dass er kein Geld für Hilfe annehmen würde. „Ich tue das für Mokuba, nicht für das Geld“, war seine Ansage. Von daher hat er für seine Zeit hier keinen einzigen Yen bekommen.“

Der Blondschopf erstaunte ihn wirklich immer wieder. Da hatte er sich wochenlang den Arsch aufgerissen, um zu lernen, wie man eine Firma dieser Größe leiten konnte, hatte Überstunden ohne Ende geschoben, seine Freunde kaum gesehen und das alles auch noch für nichts? Nur weil Mokuba ihn darum gebeten hatte? War er ein Engel oder einfach nur blöd?

„Deswegen gab es noch keine Überweisung“, murmelte er leise und fuhr dann lauter weiter fort: „Gut, wenn kein Gehalt, dann machen Sie zwei Sonderzahlungen. Einmal über 20 Mio. Yen als Bonuszahlung und einmal über 350.000$ als Prämie für den Geschäftsabschluss mit Takahashi Industries.“

Herr Miyamoto notierte sich alles und schaute ihn irritiert an. „Die zweite Zahlung in Dollar? Ist das korrekt?“ „Ja, das stimmt so. Ich werde Ihnen gleich noch eine Email mit genauen Instruktionen zukommen lassen. Dann bearbeiten Sie diesen Vorgang noch heute. Sie können dann gehen, meine Herren“, sagte Seto und reichte Yuuto den Vertrag zurück.

Während Herr Miyamoto pflichtbewusst das Büro verließ, um seiner Aufgabe nachzukommen, blieb Yuuto einfach sitzen und musterte ihn. Seine Autirtät hatte wirklich gelitten in letzter Zeit, stellte er schnaubend fest.

„Was ist? Ich bin in den letzten Tagen wirklich genug damit genervt worden …“ „Zurecht. Was bezweckst du mit den Zahlungen? Du weißt, dass Joey das Geld sofort zurück überweisen wird. Sonst hätte er das gleich angenommen. Willst du ihn noch weiter demütigen?“ „Nein, im Gegenteil. Und da du diesen Teil der Geschichte nicht kennst – und ich dich auch nicht einweihen werde – sei so gut und lass mich bitte noch in Ruhe weiterarbeiten. Wie du selbst weiß, gibt es mehr als genug Arbeit, die noch erledigt werden muss“, sagte Seto bemüht höflich und der Anwalt stand Kopf schüttelnd auf. Er murmelte leise etwas, was Seto aber nicht verstand – was wahrscheinlich auch besser so war – und atmete durch, doch er hatte sich zu früh gefreut. Yuuto war in der Tür stehen geblieben.

„Ach übrigens. Der LKW Fahrer wird morgen wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt. Außerdem noch sein Chef, weil dieser die Ruhezeiten der Angestellten manipuliert hat. Die fünf Arschlöcher, die Joey verprügelt haben, sind derzeit in Untersuchungshaft und die Ermittlungen wegen des Todes von Joeys Vater sind wieder eingestellt worden, da deine Beweise und der Bericht des Gerichtsmediziners eindeutig belegen, dass er eines natürlichen Todes gestorben ist.“

„Sehr gut“, erwiderte Seto knapp und wartete, bis Yuuto sein Büro verlassen hatte. Beruhigt lehnte er sich zurück. Der Fahrer und sein Vorgesetzter würden ihre gerechte Strafe erhalten und Joey das Geld, das ihm zustand.

Jetzt konnte der Blonde wenigstens die Schulden abbezahlen und konnte sich darauf konzentrieren, wieder auf die Beine zu kommen, ohne dass er weiter Geldsorgen hatte. Außerdem würden ihn zukünftig alle in Ruhe lassen, wenn die Fünf erst einmal saftig verurteilt waren, und die Polizei sollte ihm auch keine dummen Fragen mehr stellen. Wenigstens das hatte er richtig gemacht.



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