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Die Vertretung und die Folgen

Wenn Hündchen vor große Herausforderungen gestellt werden
von

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Nimm die Hilfe an!

Dienstag, 18.10.
 

Wutentbrannt marschierte Joey durch das Foyer der Kaiba Corporation und stampfte zum Aufzug. Die anderen grüßten ihn freundlich und schienen froh, dass er da war, doch das konnte er nicht von sich behaupten. Er hatte nie wieder hierherkommen wollen, doch dieser Geldsack hatte es geschafft, sein selbst auferlegtes Verbot vergessen zu lassen und sich sofort auf den Weg zu machen.

Eigentlich hatte er nur kurz seinen Kontostand prüfen wollen, damit er wusste, was er sich an Essen leisten konnte, als er beinahe in Ohnmacht gekippt war, als er seinen Kontoauszug gesehen hatte. Ihm war sofort klar, woher das Geld kam, also druckte er schnell einen Beleg aus und hatte noch am Schalter den Auftrag gegeben, das Geld zurück überweisen zu lassen, doch die Dame am Schalter hatte ihm nur mitgeteilt, dass das nicht möglich sei.

Also hatte er sich sofort auf den Weg hierher gemacht, um das zu klären. Jetzt stand er im privaten Aufzug von Kaiba, den die Empfangsdame für ihn gerufen hatte, damit er niemand anderen sehen musste und war kurz davor, einfach alles zusammenzuschreien. Vielleicht ging es ihm dann ja etwas besser.

Drei Tage hatte er es geschafft, den reichen Pinkel nicht sehen zu müssen – nicht mal in der Zeitung oder im Fernsehen – und er wollte gerade anfangen, seine Wunden zu lecken, als das jetzt kam!

Er stampfte den Gang zu Setos Büro entlang und nahm nur am Rande wahr, dass Yukiko ihn begrüßte.

„Entschuldige, aber ich bin echt sauer! Wir reden ein anderes Mal, ja?“, sagte er knapp und riss die Bürotür auf, ohne anzuklopfen oder sich anderweitig bemerkbar zu machen.

Seto saß an seinem Schreibtisch und rieb sich gerade den Nacken, wie er es immer tat, wenn er sich mit einem Problem konfrontiert sah und hielt in der Bewegung inne, als er hereingestürmt kam. Langsam wandte er den Kopf zu ihm und klappte den Laptop zu.

„Was soll die Scheiße, verdammt!? Machst du das eigentlich extra???“, wollte Joey wutschnaubend wissen, trat die Tür laut scheppernd zu und klatschte ihm seinen Kontoauszug auf den Tisch. Er blieb stehen, stützte seine Hände auf dem Tisch ab und musterte ihn – fixierte ihn geradezu.

Sein Gesicht wirkte hagerer als zuletzt, er hatte leichte Ringe unter den Augen, was für einen schlechten Schlaf sprach und irgendwie machte er auf ihn auch nicht einen so selbstbewussten Eindruck wie sonst.

Seine meerblauen Augen sahen anders aus, seit er sie das letzte Mal gesehen hatte und er konnte nichts mehr in ihnen lesen. Er hatte sich abgeschottet. Vor ihm. Und diese Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag und seine Wut verpuffte wie eine Seifenblase. Er hätte nicht hierherkommen sollen. Es wäre besser gewesen, wenn er Yuuto oder Roland um Hilfe gebeten hätte. Er und seine Impulsivität. Die brachte ihn jedes Mal auf’s Neue wieder in Schwierigkeiten.

Unbewusst ballte er seine Hände zu Fäusten, während sie noch immer auf dem Tisch ruhten. Sein Stolz verbot es ihm dennoch, die Augen abzuwenden und er zählte innerlich einfach von eins an, um sich abzulenken.

Seto musterte ihn weiterhin und brach den Blickkontakt auch nicht ab, als er ihm ruhig antwortete: „Du hast hervorragende Arbeit geleistet und dafür steht dir eine Entlohnung zu.“

„Ich habe das aus dem Vertrag streichen lassen! Mokuba hat mich um die Hilfe gebeten und für Hilfe nehme ich keine Gegenleistung an und schon gar kein Geld! Und dein Geld will ich erst recht nicht!“

„Und die Firma wird dir nichts schuldig bleiben. Außerdem kannst du damit die Schulden abbezahlen.“ „Schulden?“, hakte Joey nach und atmete ein paar Mal tief durch. Er konnte unmöglich davon wissen. Oder hatte er etwa hinter ihm her spionieren lassen? Das wäre die absolute Krönung!

Noch nicht ausrasten, Joey. Erst zuhören. Danach kannst du immer noch zuschlagen, versuchte er sich innerlich zu beruhigen.

„Ja. Erinnerst du dich, als du den einen Morgen dein Privathandy aus Versehen bei mir liegen gelassen hattest?“

Joey nickte langsam. Sein Puls beschleunigte sich und ihm war schlecht. Das konnte doch nicht sein. Das durfte einfach nicht sein.

„In dem Moment hat jemand für dich angerufen und ich bin rangegangen, um zu sehen, ob ich dir von diesem Jemand etwas ausrichten soll. Ich habe keine Ahnung, wer das war, aber er sagte mir gut gelaunt, dass er anrief, um dich daran zu erinnern, dass die nächste Rate bald fällig sei. Im Laufe des Gesprächs hat er mir mitgeteilt, dass dein Vater sich bei ihm insgesamt 350.000$ geliehen hat und du das jetzt abbezahlen musst. Deswegen habe ich den Betrag auf dein Konto überweisen lassen. Damit du mit dem Kapitel abschließen kannst.“ „Ist das dein Ernst? Du hast das die ganze Zeit gewusst und mir nichts gesagt?“

Joey zitterte vor Wut. Warum hatte er ihn nicht darauf angesprochen? Was sollte das denn alles?

„Was hätte ich denn sagen sollen? Du wärst mir damals genauso an die Gurgel gesprungen, wie du es jetzt vorhast.“ „Ich brauch dein Geld nicht, du Wichser!“, brüllte Joey plötzlich und schlug mit beiden Fäusten auf die Tischplatte. Die harte Tischplatte ließ ihn innehalten, er keuchte schwer und konnte sich durch die Konzentration auf den Schmerz wieder etwas beruhigen.

Auf einmal stand Seto ruckartig auf und stützte seine Hände ebenfalls auf den Tisch. Ihre Gesichter waren nur ein paar Zentimeter voneinander entfernt und Joey versuchte doch noch etwas in diesen eisblauen Augen zu erkennen, doch sie offenbarten ihm nichts. Da war nur Eis.

Und in dem Augenblick glaubte Joey, sein Herz hörte endgültig auf zu schlagen. Es gab nichts mehr, wofür er kämpfen konnte. Selbst jetzt, wo sie beide wütend waren, glitzerte in diesem Blau nichts anderes als Kälte. Kaiba hatte mit ihm abgeschlossen und er musste das auch. Alles andere war sinnlos.

„Nimm es an, verdammt! Mit diesen Typen scheint ja wohl nicht zu spaßen zu sein! Und ich habe die Hilfe wenigstens angenommen, als man mich dazu gezwungen hat! Du schaffst es ja nicht einmal dann, dir helfen zu lassen! Du hast Mokuba, der Firma und mir so viel in den letzten Wochen geholfen, dass ich dir eigentlich das dreifache hätte zahlen müssen, aber da ich weiß, dass du dich so dagegen sträubst, habe ich mich schon auf das Minimum beschränkt und jetzt sieh zu, dass du die Überweisung machst! Oder ich werde es tun!“ „Du wirst gar nichts tun, verdammt!“, brüllte Joey wieder, schlug mit beiden Fäusten ein zweites Mal auf den Tisch und drehte sich abrupt um.

Neben all der Wut, die durch seine Adern waberte, war da noch ein anderes Gefühl, mindestens genauso stark: Verlangen. Er wollte Seto ihn küssen, sich von ihm gegen die Glasfassade pressen lassen und ihn am ganzen Körper spüren.

Aber dazu würde es nicht kommen. Kaiba würde ihn sicherlich brüsk von sich stoßen und ihn verachten, wie er seine Gefühle nicht unter Kontrolle halten konnte, nachdem doch alles geklärt war.

Es wäre sein größter Fehler gewesen, also stampfte er ohne ein Weiteres Wort nach draußen zu Yukiko, die ihn besorgt ansah. Er lehnte sich an die geschlossene Tür und atmete tief durch.

Er spürte das leichte Zittern seines Körpers, die aufkommenden Tränen, weil der Kampf beendet war, noch bevor er ihn starten konnte und hoffte, dass sein Herz noch weiterschlug. Warum schaffte es Kaiba nur jedes Mal, ihn so aus der Fassung zu bringen? Es war zum Verrücktwerden.

Aber … vielleicht hatte er recht. Er hatte wirklich viel geleistet und er könnte deutlich besser schlafen, wenn die Schulden abbezahlt wären, zumal es das Geld der Firma war und nicht Kaibas. Es würde also niemanden jucken, wenn er es behielt. Dann war das doch in Ordnung, oder?

Er umarmte sich selbst und zitterte noch immer leicht. Aber warum? Vor Wut? Vor Verzweiflung? Vor Verlangen? Weil das kurze Geschrei eben Erinnerungen an seinen Vater geweckt hatte? Er hasste es, wenn andere Menschen brüllten, weil er dann immer sofort seinen alten Herrn vor Augen hatte. Das würde wahrscheinlich nie ganz verschwinden, aber noch war es schrecklich für ihn. Mit der Zeit würde es hoffentlich besser erträglich werden.

„ … -ey? Hey Joey!“

Yukiko stand plötzlich besorgt vor ihm und wedelte mit einer Hand vor seinem Gesicht herum. Überrascht keuchte er auf und starrte sie erschrocken an.

„Yukiko!“ „Ja genau, die bin ich. … Was ist los? Kann ich dir helfen? Komm erst einmal mit … Lass uns in die Küche gehen, da kannst du etwas trinken …“, sagte sie beruhigend und schob ihn sanft zu einer offenen Tür, doch Joey schüttelte den Kopf.

„Danke Yukiko, aber ich muss weiter. Ich habe noch etwas vor … Ich melde mich die Tage bei dir, ja? Tut mir leid.“

Er versuchte sich an einem leichten Lächeln und verließ schnellstmöglich wieder die Kaiba Corporation. Er ertrug es zurzeit nicht, länger als nötig in dieser Firma zu sein.
 

Auf dem Weg nach Hause beschloss er, Kaibas Geld anzunehmen. Es war ja das von der Firma und nicht sein Privatgeld, also war das schon okay. Und vielleicht hatte er ja auch recht … Er tat sich schwer damit, von anderen Hilfe anzunehmen und auch wenn er seine Freunde hatten, die ihn immer unterstützten, war er in gewissen Dingen doch ein Einzelkämpfer. Das lag an seiner zerrütteten Kindheit, das wusste Joey, doch er kam da auch nicht gegen an. Dass seine Mutter ihn als Kind bei seinem Vater gelassen hatte, während sie Serenity mitgenommen hatte, würde er ihr niemals verzeihen. Erst recht nicht mit der Begründung, dass er doch sowieso wie sein Vater werden würde. Das hatte unglaublich viel Vertrauen gekostet und die Prügelattacken seines besoffenen Vaters hatten es nicht besser gemacht. Deswegen würde er seinen Freunden trotzdem jederzeit sein Leben anvertrauen, aber es gab Dinge, die regelte er allein und was das anging, war er Kaiba sehr ähnlich, wie ihm gerade auffiel. Auch er hatte Dinge, die er allein regelte und wo er sich nicht reinreden ließ.

Schnell ging er noch in den Conbini um die Ecke, weil er noch kochen wollte und versuchte die Blicke und das Getuschel der anderen zu ignorieren. Hoffentlich würde er bald wieder in der Anonymität verschwinden können, denn das hier war so unangenehm – als wäre er ein Tier im Zoo, dass alle begaffen konnten.

Wie hatte er sich früher nur immer wünschen können, reich und berühmnt zu werden? Dass er so gern im Fernsehen aufgetreten und auf protzigen Veranstaltungen aufgetaucht wäre?

Im Nachhinein kam ihm das so lächerlich vor und er konnte es nicht erwarten, wenn wieder Gras über die Sache gewachsen war und fremde Leute ihn nicht mehr weiter wahrnahmen. Dann hätte er endlich sein Leben zurück.
 

Seufzend schloss er die Tür zu seiner Wohnung auf und räumte seine Einkäufe in die Küche. Er kochte sich ein paar Nudeln mit Tomatensauce und setzte sich vor seinen Fernseher, doch es lief nichts Spannendes, also schaltete er ihn nach ein paar Minuten wieder ab.

Wie schon die letzten Tage langweilte er sich, doch das Treffen vorhin hatte ihm gezeigt, dass er noch nicht bereit war, in die Schule zu gehen. Das riss viel zu viele Wunden auf und er wollte sich die Blöße nicht vor den anderen Schülern geben. Die hatten ihn schon gneug Nerven gekostet, da musste er ihnen nicht noch mehr Munition geben. Die Zeit nach der Veröffentlichung der Trennung würde sicherlich noch schlimm genug werden. Da wollte er wenigstens ein paar der anderen Wunden bereits geleckt haben.

Also nahm er sich sein Handy und seine Kopfhörer und hörte wieder Linkin Park. Die Musik wühlte ihn unglaublich auf und im selben Moment beruhigte sie ihn wie sonst nichts derzeit.

Dabei räumte er weiter seine Wohnung ein, womit er fast fertig war und bemerkte gar nicht, wie die Zeit verging.

Es war weit nach 22 Uhr, als er die Kopfhörer wieder rausnahm und sich in sein Bett legte, dass er gestern noch aufgebaut hatte und versuchte einzuschlafen. Doch wie schon die letzten Tage holten ihn die Küsse und Nächte mit Kaiba ein, wie er ihn verführt und begehrt hatte und mit geschlossenen Augen glaubte Joey, die Berührungen noch einmal zu spüren. Die Fingerkuppen, die geradezu federleicht über seinen Bauch strichen und seine Muskeln nachfuhren, die Lippen an seinem Hals, die ihn liebkosten und das Feuer in den meeresblauen Augen, dass er nur an ihn dachte und an nichts anderes.

Doch plötzlich war da wieder die Realität. Wie eine kalte Dusche prasselte sie über ihn herein und der Blondschopf krallte eine Hand in das Laken neben sich. Da war niemand. Er war allein und es war ein so bitteres Gefühl, weil er wusste, dass all das Vergangenheit war. Dass es einfach nicht mehr zurückkommen würde. Und es machte ihn rasend, dass es so war. Vor Wut schrie er in sein Kopfkissen, um die Nachbarn nicht zu ärgern, doch es half einfach nichts. Es wurde einfach nicht besser. Der Schmerz blieb und je mehr er sich dagegen wehrte, desto schlimmer wurde. Wie ein Stachel, der sich immer tiefer grub. Den er noch nicht bereit war, zu greifen und herauszuziehen. Er konnte es nicht.



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