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Die Vertretung und die Folgen

Wenn Hündchen vor große Herausforderungen gestellt werden
von

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Erinnerung

Sonntag, 16.10.
 

Halbwegs zufrieden schaute sich Joey um. Immerhin das Wohnzimmer hatte er soweit fertig eingerichtet. Es war Sonntag und um die Nachbarn nicht direkt zu nerven, hatte er Kopfhörer in den Ohren und ließ die ersten beiden Alben von Linkin Park rauf und runter spielen, während er beim Aufräumen war.

Die Texte passten teilweise zu 100% zu seiner Situation und da er selbst es noch nicht schaffte, seinen Frust und seine Wut herauszuschreien, überließ er das Chester und Mike. Die konnten eh viel besser singen als er. So schnell wollte er seine Nachbarn auch noch nicht vergraulen, weil er selbst sang. Das würden sie noch früh genug ertragen müssen.

Leicht grinsend dachte er an seine eine Nachbarin im alten Haus, die ihr Wohnzimmer neben seinem Zimmer hatte und sich regelmäßig darüber beschwerte, dass er zu laut singen würde.

Sie hatte ihn auch so nicht ausstehen können und das war vollkommen in Ordnung für ihn, denn er hatte sie auch nie leiden können.

Mit neuem Elan öffnete Joey den nächsten Karton und stutzte. Da drin war die Kiste, die mit den Sachen seines Vaters gefüllt war …

Er starrte sie einige Sekunden an, dann holte er sie vorsichtig heraus und stellte sie auf dem Tisch ab. Der Blondschopf setzte sich auf das Sofa und starrte sie eine Weile lang an.

„Du elendiger Nichtsnutz!“, lallte sein alter Herr, als er die Wohnung betrat und Joey wäre am liebsten sofort wieder weggerannt. Da hatte er sich einmal aus seinem Zimmer getraut, weil er aus der Küche was zu Essen holte und der Sack kam zurück – von wo auch immer.

Sein Vater war vollkommen betrunken und schwankte in seine Richtung, verfehlte allerdings im ersten Anlauf die Tür und knallte gegen den Rahmen. Langsam trat der Blonde rückwärts in Richtung seines Zimmers. Bisher hatte er sich immer retten können, wenn sein Vater betrunken gewesen war und hatte ihn nur zwei Mal geschlagen, als er einen cholerischen Anfall gehabt hatte. Doch nun schien er besoffen und cholerisch zu sein. Das war schon eine andere Nummer. Andererseits würde Joey doch nicht vor seinem eigenen Vater davonlaufen. Das kam nicht in Frage. Der sollte sich gefälligst wieder ausnüchtern und dann endlich einen Entzug starten, verdammt!

So in Gedanken hatte er nicht mitbekommen, dass sein Herr mittlerweile den Flur erreicht hatte und noch ehe er reagieren konnte, hatte sein Vater ihn am Kragen gepackt und zog ihn in sein Zimmer.

„Hey, lass das! Hör auf!“, brüllte Joey panisch, als er stolperte und in den Raum geworfen wurde. Noch bevor er mit dem gesamten Körper auf dem Boden aufgeschlagen war, stand sein Erzeuger schon über ihm und brüllte: „Du nichtsnutziger Sohn! Deinetwegen ist meine Frau abgehauen! Wegen dir hat sie meine Prinzessin mitgenommen! Dafür wirst du büßen! Es ist alles deine schuld! Weil ich nicht hart genug zu dir war, doch das wird sich jetzt ändern!“

Joey zuckte zusammen, als er daran zurückdachte. Das war das erste Mal, dass sein Vater ihn krankenhausreif geprügelt hatte. Er war zwölf Jahre alt gewesen und die nächsten Jahre hatte er das immer wieder getan, wenn er sich nicht unter Kontrolle gehabt hatte und er sich nicht rechtzeitig hatte in Sicherheit bringen können.

Mit der Zeit hatte der körperliche Schmerz nachgelassen, doch der psychische wurde einfach nicht besser. Es gab so vieles, was er seinem Vater noch gern gesagt hätte, doch er war fort, hatte sich davongestohlen und war nun außerhalb seiner Reichweite. Ihm war bewusst, dass er so eine Frohnatur war, weil er sonst an seinem Vater zerbrochen wäre. Er war zu seinem Gegenteil geworden, um das zu überleben, klammerte sich innerlich an seine Freunde, als er diese endlich gefunden hatte. Beschützte sie mit seinem Leben, weil er ihnen so viel mehr verdankte, als sie selbst wussten.

In den letzten zwei Jahren hatten sie ihm unbewusst geholfen, die Hölle zu Hause zu überstehen, hatten ihn stark gemacht und er hatte seinen Vater angelacht, wenn dieser wieder auf eingeprügelt hatte. Hatte ihn ausgelacht, um nicht mehr weinen zu müssen. Er hatte all das geschafft, aber die Narben würden Zeit seines Lebens bleiben. Die unausgesprochenen Worte würden nie gesagt werden, weil sie die Person nicht mehr erreichen konnten.

Und das frustrierte Joey, denn er wusste, dass er nie dem Thema „Vater“ endgültig abschließen konnte. Und als ob das nicht schon schlimm genug wäre, würde er nie mit Seto zusammenkommen, weil er sich in die Sache so verrannt hatte, dass er sich verliebt hatte. Weil dieser ihn als erster Mensch überhaupt liebevoll behandelt hatte. Ihn in den Arm genommen, mit ihm gescherzt, ihn begehrt hatte. Nach all der Scheiße, die er bisher in seinem Leben erlebt hatte, war er süchtig nach dieser Liebe geworden und er rang nach Atem, wenn er daran dachte, dass das alles vorbei war. Dass er es von ihm nie wieder bekommen würde …

Tränen sammelten sich in seinen Augen und er fragte sich allmählich, wie oft er deswegen noch weinen würde. Er zog seine Beine an den Körper, umschlang sie mit seinen Armen und ließ den Tränen freien Lauf. Irgendwann würden die Tränen ihn gereinigt haben und dann konnte er wieder nach vorn schauen, sich wieder auf etwas Neues konzentrieren. Was auch immer das sein würde …

Aus den Kopfhörern dröhnte noch immer Linkin Park und Joey fühlte all den Schmerz, die Hoffnungslosigkeit, aber auch diesen kleinen Funken Kampfeswille, der aber noch von all den anderen Emotionen überlagert wurde, doch er war da und er würde ihn füttern.
 

I am a little bit of loneliness, a little bit of disregard

Handful of complaints but I can't help the fact

That everyone can see these scars

I am what I want you to want, what I want you to feel

But it's like no matter what I do

I can't convince you to just believe this is real

So, I let go watchin' you, turn your back

Like you always do, face away and pretend that I'm not

But I'll be here 'cause you are all that I've got
 

I can't feel the way I did before, don't turn your back on me

I won't be ignored, time won't heal this damage anymore

Don't turn your back on me, I won't be ignored
 

I am a little bit insecure, a little unconfident

'Cause you don't understand, I do what I can

But sometimes I don't make sense

I am what you never want to say but I've never

Had a doubt, it's like no matter what I do

I can't convince you for once just to hear me out

So, I let go watchin' you, turn your back

Like you always do, face away and pretend that I'm not

But I'll be here 'cause you are all that I've got
 

I can't feel the way I did before, don't turn your back on me

I won't be ignored, time won't heal this damage anymore

Don't turn your back on me, I won't be ignored
 

No, hear me out now, you're gonna listen to me

Like it or not, right now, hear me out now

You're gonna listen to me like it or not, right now
 

I can't feel the way I did before

Don't turn your back on me, I won't be ignored
 

I can't feel the way I did before, don't turn your back on me

I won't be ignored, time won't heal this damage anymore

Don't turn your back on me, I won't be ignored
 

I can't feel, I won't be ignored, time won't heal

Don't turn your back on me, I won't be ignored
 

Ob der Kampf wirklich schon verloren war? Ob er noch kämpfen sollte? Würde es etwas bringen? Oder war alles vorbei?
 

Er hatte keine Antworten auf diese Fragen und noch immer war da diese Box auf dem Tisch, die er nicht geöffnet hatte. Und vielleicht auch nie wieder öffnen würde. Trotzdem würde er sie behalten, um im Notfall Zugriff auf sie zu haben.

Nun aber war nicht der richtige Zeitpunkt dafür und kurioserweise musste er daran denken, dass er gar keine Box für Seto hatte. Roland hatte die letzte materielle Erinnerung mitgenommen. Der Rest war nur in seinem Kopf und den musste er ruhig halten. Würde er alles zulassen, was da in seinen Gedanken herumschwebte, würde er wahrscheinlich nie wieder die Wohnung verlassen, sondern nur noch heulen und rumliegen.

Nein, das war auch keine Option, also verdrängte er all die schönen Momente und stand ruckartig auf. Er musste sich ablenken, etwas tun und so griff er die Kiste seines Vaters und verstaute sie ganz tief in seinem Kleiderschrank, wo er sie nicht mal eben zufällig sehen konnte.

Erschrocken erstarrte der Blondschopf, als plötzlich der Song unterbrochen wurde und ein bekannter Handyklingelton ertönte.

Mithilfe des Headsets nahm er den Anruf entgegnete und begrüßte: „Hey Tristan, was gibt es?“ „“Hey! Das wollte ich dich fragen. Eigentlich wollte ich mich schon gestern gemeldet haben, aber Yugi meinte, dass wäre kein guter Zeitpunkt gewesen.“ „Ja stimmt. Gestern war etwas chaotisch“, stimmte er murmelnd zu und dachte daran, dass Moki und der Igelkopf bis zum Abend geblieben waren, ehe Yami den Kaiba Spross nach Hause gefahren hatte.

Danach hatte er stumm auf dem Bett gelegen, an die Decke gestarrt und gehofft, dass die Zeit einfach nur vergehen möge. Doch wie es in solchen Situationen immer so war, waren seine Gedanken ewig abgedriftet und es hatte Stunden gedauert, ehe er eingeschlafen war.

„Was war denn los? Ich habe nur in der Zeitschrift meiner Mama ein Foto gesehen, dass du nach dem Jubiläum in Yugis Auto gestiegen bist. Ist das mit Kaiba jetzt vorbei?“ Er schluckte. Scheiße, das tat so weh zu hören. „J-ja, das ist es“, krächzte er und schluckte die aufkommenden Tränen hinunter. Er konnte doch jetzt nicht ewig und drei Tage rumheulen. Das war doch echt nicht cool.

„Soll ich vorbeikommen?“ „Das ist super nett von dir, aber ich brauche noch etwas Ruhe. Verdammt, Tristan, ich habe mich wirklich in diesen Eisschrank verliebt. Wenn wir allein waren, oder nur mit Mokuba zusammen, hat er sich so anders benommen. Und das Arbeiten mit ihm war echt super. Ich habe mich … gewertschätzt gefühlt. Als jemand, der es zu was bringen kann. B-begehrt gefühlt … Nach allem, was bisher in meinem Leben passiert war, war es fast wie im Traum. Und naja, das war es dann wohl auch nur. Doch ich kann den noch nicht loslassen, deswegen werde ich die Woche auch nicht in die Schule kommen. Yugi ist so nett und schreibt alles für mich mit, damit ich das nachholen kann. Es tut mir leid, aber du kannst gerade nichts für mich tun. Ich muss das alles sacken lassen und dann wird sich das auch wieder beruhigen. Sollte ich doch etwas brauchen, melde ich mich, ja?“ „Ja klar, mach das! Jederzeit, das weißt du!“ Gedankenverloren nickte er und einen Moment lang herrschte Schweigen in der Leitung. Es war ein kleines Schnauben Tristans, das dafür sorgte, dass er seine Stimme wiederfand: „Eins noch. Versprich mir bitte, Kaiba nicht dumm anzumachen morgen, okay?“ „Aber ich hätte allen Grund dazu, wenn er dich wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen hat!“ „Nein. Nein, so einfach ist es nicht. Wir haben es beide nicht hinbekommen, rechtzeitig miteinander zu reden, um unser Verhältnis zu klären. Er hat sich an Mokubas Plan gehalten und das ist in Ordnung so. Er verbirgt vieles vor der Welt, was ihn geprägt hat. Denk nur an Noah und was da alles ans Licht gekommen ist. Er verarbeitet es nur anders als wir und das ist sein gutes Recht. Außerdem hatte er nie die Chance, ein normales Leben wie wir zu führen. Wir alle können unsere Gefühle nicht beeinflussen und es wäre unfair, ihm das zum Vorwurf zu machen. Du verliebst dich doch auch nicht auf Knopfdruck, nur weil jemand anderes auf dich abfährt.“ „Ja, das mag schon sein“, brummte Tristan und fügte schnell hinzu: „Aber trotzdem ist das doch scheiße von ihm, dass er das alles nicht klargestellt hat! Das ist doch arschig!“ „Ich hätte das Gespräch auch suchen können, aber habe es nicht getan. Also bitte, Tristan, versprich es mir.“

Er wollte nicht, dass Kaiba unnötig von seinen Freunden angemacht wurde. In den letzten Wochen hatte er verstanden, dass auch der CEO ein Kind seiner Vergangenheit war – wie sie alle – und dass er ebenfalls eine sehr schwere Zeit hinter sich hatte. Da mussten die anderen nicht auch noch nachtreten.

„In Ordnung, ich verspreche es. Aber wenn der einen blöden Kommentar macht!“ „Dann hältst du trotzdem die Fresse.“ „Jajaja, na gut! Mensch Joey, du hast dich echt verändert!“ Das hatte er wohl, konnte er nicht abstreiten und wollte er auch gar nicht, denn er fand, dass er sich gut entwickelt hatte. Sehr gut sogar. Und das würde er sich nicht kaputtreden lassen.

„Ja zum Glück! Und jetzt möchte ich mir noch was zu essen machen, also wir hören uns die Tage, ja?“ „Klar, bis dann.“ Bis dann und danke für deinen Anruf.“ „Jederzeit.“ Der Blondschopf legte auf und ließ sich fertig auf sein Sofa fallen. Er konnte Tristan verstehen. An seiner Stelle wäre er auch wütend auf Kaiba und würde ihm am liebsten den Hals umdrehen, doch er kannte Seto nun einmal auch nicht so gut wie er.

Und gerade wünschte er sich, er hätte ihn auch nie so gut kennengelernt. Dann würde er hier nicht wie ein Häufchen Elend rumsitzen.



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