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Lass dein Herz darauf vertrauen

von

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Die unfreiwillige Zweisamkeit (Yama)

To believe I walk alone

Is a lie that I've been told“

 

Fort Atlantic - „Let your heart hold fast“

 

 

Er hätte kein Problem mit dem Kleinen gehabt.

Nein, tatsächlich wäre ihm das am liebsten gewesen. Mit Shaolan hätte er die Zeit zum Trainieren nutzen können.

Er hätte auch nichts gegen die Prinzessin gehabt. Um Sakura würde er sich in dieser Welt zwar Sorgen machen, aber sie war stets freundlich und vergleichsweise pflegeleicht.

Er hätte nicht einmal ein Problem mit dem Wollknäuel gehabt. Selbst wenn Mokona ihm ständig (STÄNDIG) auf die Nerven ging, es wäre ihm trotzdem eintausendtrillionenhundertneunundsiebzig Mal lieber gewesen mit dem Klops hier festzusitzen als mit ihm.

Ausgerechnet mit ihm.

Es war nicht so, dass Kurogane Fye für eine akute Gefahr hielt, aber es war auch nicht so, dass er dem Magier wirklich über den Weg traute. Der Zeitpunkt ihrer unglücklichen Landung in dieser Welt hätte auch kaum schlechter gewesen sein können. Ohne das Wollknäuel konnten sie nicht miteinander sprechen und Kurogane hatte das dringliche Bedürfnis, ihre letzte Unterhaltung fortzuführen.

Wobei, Bedürfnis war vermutlich das falsche Wort.

Es war eher ein Gefühl des Ninja, dass er die lächerlich grinsende Schutzmauer des Magiers durchbrechen könnte, wenn er hinter das Geheimnis käme, warum dieser bei der Erwähnung des Namens „Ashura“ so blass geworden war – und es auch hier jedes Mal von Neuem wurde. Kurogane hasste es zu wissen, dass mit Fye irgendetwas nicht stimmte, dass da irgendetwas war, das vor ihnen allen verborgen lag, und dass er es nicht einschätzen konnte, ob ihnen das gefährlich werden könnte.

Nein, Fye hielt er nicht für eine Gefahr. Aber Kurogane war der festen Überzeugung, dass da etwas im Hintergrund lauerte, das zur Gefahr werden konnte. Doch im Moment konnte er daran nichts ändern.

Der Ninja gab ein brummendes, unzufriedenes Stöhnen von sich, während er zu der kleinen Kammer schritt, die König Yasha ihnen in seinem Schloss als Unterkunft zur Verfügung gestellt hatte. Vor gut zehn Tagen waren er und der Idiot ohne die Kinder und das Wollknäuel in dieser Welt gelandet. In dem Augenblick, als jeder von ihnen ihre Verwunderung über die abrupte Weiterreise ausgedrückt hatte, war ihnen das Fehlen Mokonas aufgefallen, denn keiner hatte ein Wort des Anderen verstanden. Verwundert hatten sie sich angesehen und Kurogane erinnerte sich lebhaft daran, wie der Schwachkopf ihn plötzlich erschrocken angeblickt hatte und, ohne zu fragen natürlich, mit seinen Händen das Gesicht des Dunkelhaarigen berührt hatte. Sein erster Reflex wäre es eigentlich gewesen, dem Magier dafür eine zu verpassen, aber so entgeistert wie dieser dreingeblickt hatte, hatte Kurogane sich zurückgehalten. Auch weil ihm in diesem Moment etwas äußerst Merkwürdiges aufgefallen war. Schnell hatte Fye seine Hände auch bereits wieder zurückgenommen und stattdessen mit ihnen auf seine eigenen Augen gezeigt. Seine pechschwarzen Augen. So sehr der Magier mit Sicherheit auch versucht hatte, nicht panisch zu klingen, sein aufgeregter und komplett unverständlicher Wortschwall war für den Ninja Zeichen genug gewesen, dass Fye eine Panik überkommen hatte.

„Deine Augen sind schwarz“, hatte Kurogane überflüssigerweise gesagt, denn der Andere konnte ihn ja nicht verstehen. Also hatte er ein Nicken hinterher geschoben. Es war ihm sogleich bewusst geworden, dass seine eigenen Augen somit auch die Farbe gewechselt hatten. Nur Sekunden später waren plötzlich Krieger angeritten gekommen, die sie umstellt hatten. Für einen kampferprobten Ninja wie er es war, war es sofort erkennbar gewesen, dass diese Leute ihnen nicht unbedingt freundlich gesinnt waren.

„Gehört ihr zu Ashura?“

Während Fyes Blick bei dieser aggressiv gestellten Frage des scheinbaren Anführers der kleinen Gruppe noch panischer geworden war, hatte Kurogane schnell begriffen, dass er, und - so wie es wirkte - nur er in der Lage war, sich zu verständigen.

„Nein.“ Aus dem Augenwinkel hatte er erkennen können, wie der Magier ihn daraufhin fragend angesehen hatte.

„Wer seid ihr und warum treibt ihr euch auf König Yashas Land herum?“

Taktik war an dieser Stelle die Waffe seiner Wahl gewesen. Er hätte einen Kampf zwar vermutlich gewinnen können, aber in diesem Augenblick war es wichtiger gewesen, herauszufinden, was passiert war, wo sie gelandet waren und – was am aller wichtigsten war – wo die Kinder sich aufhielten. Eines hatte Kurogane ohne Umschweife geschlussfolgert: Wo Krieger waren, war auch Krieg. Und diese Krieger hatten alle die gleichen pechschwarzen Augen; Augen wie der Magier und ebenso er selbst sie nun ungewohnter Weise hatten. Diese veränderte Augenfarbe hatte es nun zu ihren Zwecken zu nutzen gegolten.

„Wir wollen uns euch anschließen.“

Ein Raunen war durch die Gruppe der Kämpfer gegangen, während Fye sichtlich verloren zwischen ihnen und Kurogane hin und her geblickt hatte.

„Was ist mit deinem Begleiter? Wieso spricht er nicht?“, hatte der Kommandant schließlich gefragt.

„Er kann nicht. Aber er kann kämpfen. Bringt uns zu eurem König. Dann beweisen wir euch, dass ihr uns brauchen werdet.“

 

Kuroganes Instinkte hatten ihn nicht im Stich gelassen. Der Anführer des kleines Trupps hatte sie zu König Yasha gebracht, der dann darüber entscheiden sollte, was mit ihnen passieren würde und tatsächlich hatte Kurogane es geschafft, ihn davon zu überzeugen, sie in seine Armee aufzunehmen. Er erhoffte sich, dass sie so die Möglichkeit hatten, nach den Kindern zu suchen. Und ja, natürlich reizte ihn auch die Aussicht aufs Kämpfen.

Während es überraschend leicht gewesen war, dem König und seinen Leuten weiszumachen, dass Fye zwar taubstumm, aber ein unerlässlicher und starker Begleiter für ihn war, hatte es sich als etwas schwieriger erwiesen, dies alles dem Magier zu erklären. Irgendwie hatte der Ninja es mit Händen und Füßen und dem ein oder anderen Koller hinbekommen und zum Glück hatte Fye sofort verstanden, was er tun – oder besser, was er nicht tun – sollte.

Nun kämpften sie also als Soldaten in einer Armee für irgendeinen König Yasha, in der Hoffnung, dass die Kinder und der Klops bald irgendwo auftauchen würden.

Wie er das hasste.

Und diesem König Yasha traute er auch nicht so ganz über den Weg. Da war doch wieder etwas faul. Warum sonst bestand er darauf, dass er und der Vollidiot nicht bei den anderen Soldaten untergebracht wurden, sondern hier, wo sie für sich waren? Ahnte dieser König etwas über ihre eigentliche Herkunft?

Ihm sollte es Recht sein. Hauptsache, der blonde Trottel bekam so wenige Gelegenheiten wie möglich ihre Deckung auffliegen zu lassen.

 

Der Ninja betrat das schmale Zimmer, in dem Fye auf ihn wartete. Kurogane nahm ihn nur ungern zu Besprechungen mit dem König mit. Wie gesagt, so wenige Gelegenheiten wie möglich.

Der Magier saß auf seiner Schlafstätte und blickte auf, als sein unfreiwilliger Zimmergenosse eintrat. Ihr Zimmer bestand im Großen und Ganzen aus den beiden nebeneinander liegenden Futon-artigen Betten, die den Großteil des Raumes einnahmen und einem kleinen Tisch mit zwei Sitzkissen auf dem verbliebenen Platz gegenüber. Der Ninja brauchte auch nicht mehr, doch er war schon nicht allzu glücklich, ausgerechnet mit dem Magier auf so engem Raum hausen zu müssen. Zu seiner eigenen Überraschung musste Fye dies klar sein, denn auch wenn er so nervig wie eh und je war, er übertrieb es nicht mit seinen Schrullen, als wollte er die Nerven des Anderen schonen. So viel Überlebenswille hatte er also doch.

Ein breites Lächeln und ein unverständlicher Redeschwall, von dem Kurogane nicht mehr als „Kuro“ verstand, flogen ihm zur Begrüßung entgegen. Was auch immer nach dem „Kuro“ kam, klang nach allem, aber nicht nach „gane.“ Wahrscheinlich gab er ihm selbst jetzt noch irgendwelche dummen Spitznamen. Fyes Muttersprache kam ihm nach wie vor befremdlich vor. Nicht nur, weil er absolut nichts verstand und man nicht sagen konnte, wo ein Wort aufhörte und das Nächste begann, sondern auch weil sie so hart und streng klang und damit nicht so recht zum Rest des blubbernden Dauergrinsers passte. Da Fye immer schweigen musste, wenn sie in Gesellschaft waren, ließ Kurogane ohne großen Protest diese Quasselflut jedes Mal über sich ergehen. Er hatte das Gefühl, dass der Andere unruhig und potenziell nerviger wurde, wenn er sein erzwungenes Schweigen nicht hin und wieder brechen durfte. Am Ende seines Monologs sah Fye ihn aufmerksam und fragend an.

Gibt es etwas Neues?, sollte das wohl heißen und der Ninja verstand es.

„Ich habe dem König versucht zu erklären, dass wir auf der Suche nach Shaolan und Sakura sind.“ Er benutzte ihre Namen, weil Fye wenigstens diese verstand. „Bisher scheint niemand hier sie gesehen zu haben.“ Kurogane schüttelte den Kopf. „Es bleibt also erst einmal alles beim Alten.“ Er zeigte auf sich, dann auf den Magier und dann auf den Boden.

Konzentriert hörte Fye ihm zu und nickte schließlich.

„Der König sagte, dass seine Soldaten am Ende des Monats Sold erhalten und wir dann auch welchen bekämen.“ Nun deutete sein Finger auf ihre Waffen, die an der Wand lehnten und rieb anschließend Zeigefinder und Daumen aneinander. Ob das auch in anderen Welten als Zeichen für Geld verstanden wurde?

Fye kniff die Augen nachdenklich zusammen, ehe man ihm das „Ah“ in der Mimik ansehen konnte und er erneut nickte. Er ahmte das Zeichen nach und sagte ein Wort (oder waren es mehrere?) in seiner Muttersprache.

„Ich hoffe, dass wir bis zum Ende des Monats die Kinder und den Klops gefunden haben.“ Kurogane seufzte und kassierte dafür wieder einen fragenden Blick.

„Oder wenigstens den Klops“, fügte er genervt über die umständliche Konversation hinzu.

Große, fragende Augen blinzelten ihn an.

„Mokona.“

„Ahhh~“, quietschte Fye, nahm ein weißes Kissen und knautschte es in eine Form, die Mokona zumindest entfernt ähnlich sah.

„Ja, genau die“, brummelte Kurogane, bevor ihm besagtes Mokona-Kissen ins Gesicht flog und schallendes Gelächter den Raum füllte.

 

„Wie macht dein Begleiter das eigentlich?“

„Was?“, gab Kurogane auf die Frage des Soldaten zurück.

„Wenn er nichts hören kann, wie kann er da so gut kämpfen?“

Sie waren gerade von einer erneuten Schlacht zurückgekehrt, die vor allen Dingen keine neuen Erkenntnisse gebracht hatte. Außer vielleicht der, dass Fye ein verdammt guter Bogenschütze war. In den ersten Kämpfen hatte Kurogane dem Anderen signalisiert, dass er sich ja soweit wie möglich aus dem aktiven Kampfgeschehen heraushalten sollte (dass Fye Pfeil und Bogen als Waffe gewählt hatte, half da immens), denn der Ninja wusste ja, dass der Magier entgegen seiner Behauptung, noch nicht sterben zu können, sehr wenig Lebenswille hatte. Er musste also gegen die Krieger Ashuras antreten und gleichzeitig immer ein Auge auf den Idioten haben, denn er wollte den Kindern später nicht sagen müssen: „Oh, der Magier? Der ist tot.“

Nein, Fye hatte es geschafft, dass Sakura, Shaolan und Mokona trotz seiner verschlossenen und ominösen Art an ihm hingen, das würde sie also schwer treffen.

Heute war es bei der Schlacht jedoch so gekommen, dass einer der feindlichen Soldaten Kuroganes Reittier hatten verletzen können, sodass er plötzlich eine leichtere Beute für die Krieger geworden war und einer von ihnen sehr wahrscheinlich einen Treffer hätte landen können, wenn die Gegner nicht schnell hintereinander von Pfeilen getroffen worden wären.

„Du sollst zurückbleiben!“, hatte der Ninja ihn angeschrien und er konnte sich sicher sein, dass Fye dies verstanden hatte.

„Er kann ein wenig Geräusche wahrnehmen“, antwortete Kurogane schließlich auf die Frage des Kriegers, während der, über den gesprochen wurde, aufmerksam zwischen den anderen Soldaten und seinem Gefährten hin und her blickte.

Die anderen Krieger schienen sich mit dieser halbherzigen Antwort zufrieden zu geben, allerdings war die Fragerunde wohl noch nicht beendet.

„Und wie kommt es, dass sein Haar so hell ist?“, fragte ein weiterer Soldat.

„Was weiß ich“, murrte Kurogane, „Laune der Natur?“

„Behältst du ihn deswegen immer so nah bei dir?“

„Hä?“

„Weil er etwas Besonderes ist?“

Kuroganes Mimik wandelte sich zum Inbegriff von 'dumm aus der Wäsche gucken', als er dies hörte. Was sollte er darauf antworten? Die Wahrheit war nicht drin und er hatte keine Lust, noch weitere Lügenmärchen zu erfinden. Darin war jemand anderes besser als er. Doch der musste ja schweigen. Als wäre es sein Stichwort gewesen (Fye musste die Atmosphäre gedeutet haben), lächelte der Magier, nickte, griff zu Kuroganes Unglauben auch noch nach seinem Arm und rückte dem Anderen für dessen Verständnis viel zu nah auf die Pelle.

Der Blick der anderen Krieger verriet, dass sie eine Antwort auf eine Frage erhalten hatten, die sie gar nicht laut hatten stellen wollen und ließen daraufhin die beiden Neuen ihres Weges ziehen.

„Die denken doch jetzt sonst was“, grummelte Kurogane, als sie außer Hör- und Sichtweite waren und befreite seinen Arm aus Fyes Griff. „Du bist höchstens besonders nervtötend.“

Als Reaktion bekam er ein breites Grinsen und ein Kuro-“irgendwas.“

Ohne Worte (Yama)

Zwei Monate.

Es waren bereits mehr als zwei Monate vergangen. Keine Kinder, kein Wollknäuel. Nur der Magier und er.

Kurogane versuchte, Schlaf zu finden, doch sein Zimmergenosse drehte sich die ganze Zeit unruhig umher. Je mehr Zeit sie miteinander verbrachten, desto einfacher und einfacher wurde es für den Ninja, die Mimik und Gestik des Anderen zu lesen. Nicht das dusselige Grinsen und das alberne Gezappel. Das war Theater. Es waren die mikroskopisch kleinen Gesichtsausdrücke, die sekundenbruchteilige Körperspannung, die immer kurz durchschienen, ehe der Magier wieder seine Show abzog. Und was er dort wahrnahm, ließ die Beunruhigung in Kurogane zunehmend wachsen. Der Andere verbarg etwas, so viel wusste er, aber seit sie hier waren, war da noch etwas. Dieses Etwas nahm stetig zu. Lag es an der Unfähigkeit zu kommunizieren? War es die Stille, die den Magier nun gezwungenermaßen umgab? Kurogane hatte schon mehrere erfolglose Versuche gestartet, den Anderen danach zu fragen. Und er war sich sehr sicher, dass dieser die Frage verstanden hatte.

Ein erneutes Bettdeckenrascheln später reichte es dem Ninja.

„Kannst du nicht schlafen?“

Das Rascheln verstummte abrupt.

Kurogane drehte sich nach links um und sah es wieder. Für einen kurzen Moment erhaschte er in Fyes Augen Traurigkeit. Geistesgegenwärtig platzierte der Blondschopf allerdings wieder ein Lächeln in seinem Gesicht und schüttelte den Kopf.

„Was ist los?“ Der Ninja zeigte mit einer Hand auf sein Herz und dann zu seinem Gefährten.

Kopfschütteln.

„Was ist los?“ Kurogane brummte von Mal zu Mal unzufriedener und wiederholte die Geste.

Kopfschütteln. Noch mehr Lächeln.

Das war jetzt genug!

Wütend setzte Kurogane sich auf und rammte dem überrumpelten Fye eher unsanft seine rechte Hand auf dessen Brust.

„Was. Ist. Los. Mit. Dir?!“

Fye schluckte und blickte ängstlich zu dem anderen Mann hoch, was Kurogane aber ignorierte. Er hatte (für seine Verhältnisse) mehrmals freundlich gefragt, jetzt war Schluss mit freundlich. Der Magier versuchte, mit seinen Händen die Hand des Anderen wegzuschieben, doch Kurogane riss mit der linken Hand Fyes linken Arm weg und hielt auch diesen sehr grob fest.

„Wenn du es mir nicht sagen willst, dann kann ich es auch gerne aus dir raus prügeln. Vielleicht hilft das ja.“ Er verstärkte den Druck auf Fyes Brust und ließ auch nicht locker, als der Andere davon etwas röcheln musste.

Ein paar Sekunden vergingen, in denen Fye strampelte, während er überraschend zornig den anderen Mann anfunkelte, ehe er dies aufgab und nach einem weiteren, kurzen Schweigen, dieses endlich brach.

Es war ein Redeschwall, doch ohne jegliches Lächeln und Fye ertrug es anscheinend nicht, den Anderen dabei anzusehen, weswegen er seinen Blick abgewandt hatte. Natürlich konnte Kurogane keines der Wörter verstehen, aber trotzdem verstand er Fye. Der Klang seiner Stimme war traurig und Kurogane entgingen auch nicht die Tränen, die sich in den Augen des Anderen sammelten. Der Magier wollte nicht wortwörtlich verstanden werden, sonst hätte er sich bemüht, den Sinn seines beinah verzweifelt klingenden Monologs irgendwie durch Zeichensprache verständlich zu machen. Aber es war überdeutlich, dass er all dies endlich hatte rauslassen müssen. Es dauerte einige Minuten, dann war es vorbei und nur noch das kläglich unterdrückte Schluchzen des Magiers war zu hören. Kurogane ließ seinen linken Arm los und verringerte den Druck auf seine Brust. Nun lag seine Hand nur noch auf und er spürte den rasenden Herzschlag des Blonden.

Er hatte keine Ahnung, wie lange sie so verharrten. Aber sie taten es, bis Fyes Herz wieder langsamer schlug und Kurogane irgendwann bemerkte, dass der Andere eingeschlafen war. Langsam hob er seine Hand von dessen Brustkorb weg, als könnte das Fehlen dieser Berührung ihn wieder aufwecken. Eine Weile sah er noch auf die schlafende Gestalt seines Begleiters hinab und er konnte nicht anders, als sich zu wundern, warum sein eigenes Herz nun so raste.

Was war gerade geschehen?

Was in aller Welt war da gerade geschehen?

 

Als Fye nach dem Aufstehen sein blubberndes Schauspiel wieder aufführte, war Kurogane selbst davon überrascht, wie sehr ihn das störte. Wollte der Magier ihn für dumm verkaufen? Selbst wenn er nur so tun wollte, als wäre nichts gewesen, es erzürnte ihn über alle Maßen.

„Mach doch was du willst“, brummte er ihm übellaunig entgegen und wandte sich von ihm ab.

Das Blubbern stoppte mit einem Mal.

Kurogane zuckte beinahe zusammen, als eine Hand ihn am linken Arm berührte. Obwohl er Fye in diesem Moment nicht sehen konnte, da er ihm aus Verärgerung den Rücken zugewandt hatte, spürte der Ninja, dass der Magier gerade nicht lächelte.

Ein unverständliches Wort erklang und auch wenn Kurogane es, selbst wenn sein Leben davon abgehangen hätte, nicht hätte wiedergeben können, er wusste um dessen Bedeutung.

Er winkte mit seiner rechten Hand ab.

„Nicht der Rede wert.“

Die Hand an seinem Arm drückte sacht zu, ehe sie sich zurückzog, doch die Gänsehaut auf Kuroganes Arm blieb noch eine ganze Weile.

 

Kurogane beschloss, dass es wahrscheinlich besser für den Magier war, wenn er nicht zu viel Zeit alleine in ihrem Zimmer verbrachte. Also nahm er ihn von da an mit, wenn es zu Besprechungen ging oder darum, sich mit den notwendigsten Dingen (sprich: Alkohol) einzudecken. Fye zog ihn auf, wenn er seinen Sold für Hochprozentiges ausgab und Kurogane wiederum bekam jedes Mal einen Anfall, wenn Fye sich Süßkram kaufte. Es wurde eine regelrechte Gewohnheit zwischen ihnen und der Ninja wollte sich innerlich selbst dafür ohrfeigen, dass er nicht früher darauf gekommen war, etwas gegen die Vereinsamung des Anderen zu tun, obwohl sie ihm doch schon so früh aufgefallen war. Nach wie vor konnte er nicht mit vollkommener Sicherheit sagen, was an dem Verhalten des Magiers echt war und was nur Show, doch ganz deutlich wusste er nun, dass Stille und Einsamkeit ihm alles andere als gut taten.

Kurogane tat sein Bestes, um die Gedanken beiseite zu schieben, dass ihn das Wohlbefinden des Idioten kümmerte. Er redete sich ebenso ein, dass das Grinsen, das sich gerade in seine Züge schlich, nur daher kam, weil er dem Blondschopf, der beim Einkaufen auf seine Hilfe angewiesen war, irgendwelche sauren Snacks angedreht hatte. Somit war einmal nicht er das Opfer eines Scherzes, sondern der Witzbold, der nun so aussah als hätte er in eine Zitrone gebissen. Das Grinsen kam nicht daher, dass der Anblick von Fye, wie er sich schüttelte, seine blonden Locken umherflogen und er ihm anklagend Spitznamen um die Ohren schlug, seinen Körper mit so vielen Glücksgefühlen durchflutete, dass es Kurogane beinahe schwindelig wurde.

Nein.

Alles andere wäre geradezu lächerlich.

 

Über drei Monate. Bereits weit über drei Monate.

Kurogane lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand und starrte in die Flasche, die er in Händen hielt.

Was, wenn den Kindern etwas passiert war? Was sollte er tun? Sie waren definitiv nicht in dieser Welt, sonst hätten sie sie längst entdeckt. Es gab nichts, was er tun konnte. Absolut nichts! Und wenn ihnen wirklich etwas zugestoßen war? Die Prinzessin war so fragil und der Kleine, auch wenn er großes Vertrauen in ihn hatte … er würde trotzdem nicht mit jeder Situation fertig werden. Und das Wollknäuel war alles, aber kein Kämpfer. Ob sie wirklich …?

Ein Rascheln schreckte den Ninja aus seinen Überlegungen auf und er blickte zu den Futons. Er hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, erst nach Fye zu Bett zu gehen. Wenn er wusste, dass der Magier schlief und sich nicht mit irgendwelchen vermutlich düsteren Gedanken quälte, fand er selbst besser zur Ruhe.

Der Magier schlief nicht. Er setzte sich auf und schaute Kurogane fragend an.

„Schlaf weiter.“

Fye behielt seinen fragenden Blick bei und zeigte auf seinen Gefährten.

„Nichts. Schlaf weiter.“

Natürlich hörte der Schwachkopf nicht auf ihn. Er schob die Bettdecke endgültig beiseite und krabbelte schläfrig zu der kleinen Sitzecke, bei der Kurogane sich niedergelassen hatte.

„Was wird das?“, fragte der dunkelhaarige Mann mit hochgezogener Augenbraue.

Fye hockte sich vor ihn, schüttelte missbilligend seinen Kopf und sagte mit einem Seufzer einen dieser Spitznamen. Dann lächelte er sanft.

Für einen Augenblick war Kurogane von diesem Lächeln überwältigt. Es war keines dieser maskenhaften Lächeln, mit denen der Magier sonst um sich warf, um irgendetwas zu verbergen. Nein. Dies war ein wunderschönes Lächeln. (Er schob diesen Gedanken ganz schnell auf den Alkohol.)

Derweil streckte Fye seine rechte Hand aus und legte sie auf Kuroganes Brust. Dann sah er ihn mit diesem atemberaubenden Lächeln abwartend an. Der Ninja musste unwillkürlich schlucken. Es war unmöglich, dass dem Magier das unregelmäßige Gepolter, das sein Herz jetzt aufführte, entging.

Fye verstärkte den Druck ein wenig, um seiner Frage Nachdruck zu verleihen.

„Shaolan. Sakura. Mokona“, sagte Kurogane nach einer Weile, die ihm ewig vorgekommen war.

Der Andere nickte sogleich. Er sagte einige Dinge, die der Ninja, so wie sie vorgetragen wurden, als aufmunternde Worte der Zuversicht verstand.

„Du denkst, es geht ihnen gut?“

Erneut nickte Fye.

Sie verstanden sich ohne Worte.

Angesichts dieser Erkenntnis schlich sich ein flüchtiges Lächeln auf Kuroganes Gesicht. Wie Wochen zuvor verharrten sie weiter in dieser Pose. Bis auf einmal Fyes Lächeln verschwand, als hätte er sich erschrocken, und er ruckartig seine Hand von der Brust des Anderen nahm.

Kurogane fragte nicht nach, was plötzlich los war. Auch nicht als der Magier ohne weitere Konversationsversuche zurück in sein Bett krabbelte. Die Leere, die seine nun fehlende Berührung hinterlassen hatte, beschäftigte den Ninja viel zu sehr.

 

„Hnng.“ Kurogane biss die Zähne zusammen, als Fye seine Wunde am Oberarm verarztete. Das war nicht seine erste Verletzung, die er in diesen Kämpfen davon getragen hatte, aber bisher war es seine schlimmste. Der Magier flötete einen Spitznamen und versuchte, tadelnd zu klingen, als würde er ein kleines Kind ausschimpfen, dass beim Herumtoben nicht aufgepasst hatte.

„Mach einfach den dämlichen Verband drum.“

Fye wackelte anklagend mit einem Zeigefinger und malträtierte ihn weiter mit der Salbe, die sie von einem Heilkundigen bekommen hatten.

„Das brennt.“

Der Idiot hatte die Nerven, zu kichern.

„Das ist nicht lustig.“

Das Kichern wurde lauter.

„Hey! Ich sagte, es ist NICHT lustig!“

Das Kichern wurde zu einem ausgewachsenen Lachanfall.

Nach außen hin starrte der Ninja seinen Kameraden mit dem bekannten grimmigen Blick an, doch innerlich spürte er, wie dieses Lachen seinen Herzschlag schon wieder aus dem Takt brachte. Irgendetwas an Fye hatte sich verändert. Zwar konnte Kurogane immer noch diese plötzliche Traurigkeit in seinen Augen sehen, doch der Magier hatte immer mehr Momente, in denen er aufrichtig lächelte. Und er selbst wiederum hatte mehr und mehr Momente, in denen er sich fragte, wo das alles hinführen sollte. Als ihm klar wurde, dass sich selbst zu belügen genauso falsch war wie die Lügen des Magiers, versuchte er, seine Gefühle zu ordnen. Seine Gefühle für diesen Idioten. Nicht nur, dass er begonnen hatte, sich zu verlieben (das allein war schon schlimm genug), nein, es musste in ihn, ausgerechnet in ihn, sein. Was sollte er denn mit solchen Gefühlen anfangen? Sie gingen auch nicht weg. Nein, zu allem Überfluss wurden sie mehr und mehr.

„Hey! Bist du fertig, ja? Mein Arm blutet immer noch.“ Missmutig zeigte der Ninja auf seine Wunde. Fye beruhigte sich wieder und legte, immer noch glucksend, den Verband an. Als er fertig war und seine Finger ganz sachte die Haut neben dem Verband berührten, legte Kurogane die Hand seines gesunden Arms auf die Hand seines Kameraden. Perplex blickte Fye auf ihre Hände, dann in das Gesicht des anderen Mannes.

„Danke.“

Der Magier schluckte und Kurogane gefiel es ganz und gar nicht, dass dessen Blick etwas Angsterfülltes hatte, während sie sich ansahen. Trotzdem blieben sie so sitzen, ehe Fye seine Hand langsam unter der des Anderen zurückzog und sich damit beschäftigte, das restliche Verbandsmaterial wegzuräumen. Der Ninja war sich sicher, dass es kein Wunschdenken seinerseits war, dass Fye ihre Berührung eigentlich noch länger hatte fortsetzen wollen.

Näher (Yama)

Fiut.“

„Ich hab dir schon tausendmal gesagt, du sollst deine Pseudopfeiferei lassen.“

Eine kurze Pause entstand.

Fiut.“

„Hältst du es für so klug, mich noch wütender zu machen?!“

Auf Kuroganes heftiges Grollen hin presste Fye seine Lippen zusammen, doch der Schelm stand ihm immer noch ins Gesicht geschrieben. Der Magier sah von seinem Standardplatz auf seinem Futon zu dem anderen Mann hoch.

Fi-aaah!“ Fye schrie auf, als der Ninja ihn mit einer Hand grob an den Haaren packte und ihn an seiner blonden Mähne ein Stück vom Boden hochhob.

„Ich hatte dich gewarnt!“

Eine ganze Welle von „Kuro“ plus verschiedener Spitznamen-Endungen gab der zappelnde Magier von sich. Nach wirklicher Entschuldigung klang nichts davon.

Das Pfeifen war auch nicht der wahre Grund, weswegen Kurogane so sauer auf seinen Kameraden war. Das Projekt „Vermeidung des Tods des Magiers, um die Kinder nicht traurig zu machen“ hatte eine erhebliche Schwachstelle: den Magier selbst.

„Ich hab es dir schon so oft erklärt! Du sollst im Kampf in den hinteren Reihen bleiben!!“, brüllte Kurogane ihn erzürnt an. Der Vollidiot hatte sich wieder einmal zu weit nach vorne gewagt, sodass er von feindlichen Nahkämpfern attackiert worden war. Fye war zwar ohne große Verletzungen davon gekommen und Kurogane war rechtzeitig bei ihm gewesen, um die Gegner kampfunfähig zu machen, aber der Ninja hasste das Gefühl, das er seit diesem Moment hatte. Es war Angst. Angst, den Spinner zu verlieren.

„Du“, er ließ die Locken des Anderen los und zeigte stattdessen auf ihn, „bist ein Fernkämpfer, verdammt!“ Er ahmte das Abschießen eines Pfeiles nach und zeigte nach hinten. „Das heißt, du hast dich verdammt noch mal von den Nahkämpfern fernzuhalten!!“ Er zeigte zu sich und formte seine Arme zu einem X. „Hat dein Wirrkopf das endlich verstanden?!“

Bei diesem tobenden Wutanfall hatte der Schelm in Fye schlagartig den Rückzug angetreten. Mit betroffener Miene hatte er Kuroganes Erklärung verfolgt und schließlich mit einem entschuldigenden, schwachen Lächeln geantwortet:

„Verrustandan.“

Kurogane atmete tief aus. Dass Fye in letzter Zeit versuchte, die Sprache zu lernen, bedeutete wohl nichts anderes als dass auch ihm ein schwerwiegender Gedanke gekommen war. Vielleicht saßen sie auf ewig hier fest. Es waren mittlerweile schließlich bereits fast fünf Monate.

Fast fünf Monate.

Es war kein schöner Gedanke. Sie wussten nicht, was mit den Kindern war und eigentlich war Kuroganes übergeordnetes Ziel ja die Rückkehr nach Nihon. Doch ihm waren die Hände gebunden. Er konnte nichts tun, außer mit Fye auszuharren.

Wie er das hasste.

Das Ausharren. Nicht mehr so sehr die Gesellschaft.

„Beim nächsten Mist, den du baust“, er griff wieder in die blonden Locken, dieses Mal aber weitaus behutsamer und ohne dabei zu schreien. „Bring ich dich um. Hast du das auch verstanden?“

„Verrustandan.“

Der Griff in die blonden Haare schwächte sich zu einem Streicheln von eben diesen ab und alles in Kurogane zog sich auf eine merkwürdig angenehme Weise zusammen, als der Magier seinen Kopf in die Berührung lehnte und die Augen schloss.

Wenn sie noch länger hier blieben, würde es zu irgendetwas kommen. Inzwischen hatte Kurogane sich nicht nur vollkommen an diese Vorstellung gewöhnt, die er anfangs noch als lächerliche Spinnerei seinerseits hatte abtun wollen, nein, mittlerweile musste er sich im Zaum halten, nicht voran zu preschen, um es (was auch immer „es“ war) endlich passieren zu lassen. Noch vor nicht allzu langer Zeit hätte er jedem, der gesagt hätte, dass er sich wünschte, dem durchgeknallten Magier näher zu kommen, eine reingehauen. Jetzt aber beherrschte eben dieser durchgeknallte Magier einen Großteil seiner Gedanken und Kurogane hasste es, von irgendetwas oder irgendwem beherrscht zu werden. Es gab nur einen Weg, um selbst wieder Herr über seine Gedanken zu werden: Er musste herauszufinden, wo sie standen - und wo sie eventuell hingehen würden. Doch dieses Projekt hatte unglücklicherweise die gleiche Schwachstelle wie das andere: den Magier selbst.

Als Kurogane seine Hand von Fyes Kopf langsam hinunter über dessen Wange streichen ließ, öffnete der Magier seine Augen wieder und im Gegensatz zu beinah allen anderen Gelegenheiten konnte der Ninja seinen Gesichtsausdruck nicht eindeutig lesen. Fye schien hin-und hergerissen. Es bestand eigentlich kaum ein Zweifel, dass er dies auch wollte, doch da war diese Zurückhaltung, die einfach nicht ins Bild passte. Oder war es sogar Angst? Verzweiflung?

Kurogane kniete sich zu dem hellhaarigen Mann auf den Boden und berührte seine andere Wange mit seiner anderen Hand und mit einem Mal war Fyes Körper völlig angespannt. Der Ninja blickte in seine Augen und war sich endgültig sicher.

Verzweiflung.

Aber wieso?

Fye legte seine Hände um die Handgelenke des Anderen und zog sie sacht, aber bestimmt von seinem Gesicht.

„Was ist?“ Kurogane gab sich Mühe, so wenig harsch wie möglich zu klingen.

Der Magier ließ seinen Blick auf die Hände sinken, um die er seinen Griff immer noch gelegt hatte, berührte mit seinen Lippen eine der Handinnenflächen und platzierte einen zarten Kuss darauf. Dann jedoch schüttelte er den Kopf, ließ seinen Griff los, stand auf und verließ hastig den Raum.

Es wäre ein Leichtes für Kurogane gewesen, ihn aufzuhalten. Aber die Ablehnung, die keinen Sinn ergab, schmerzte ihn, was ihn wiederum so wütend machte, dass er selbst es für besser hielt, Fye erst einmal ziehen zu lassen. Erst einmal, so beschloss er, würde er sich in Ruhe sammeln, in Geduld üben und nichts gegen das seltsamen Verhalten des Anderen unternehmen, bis er wusste, wie er damit umgehen sollte.

Nur – Geduld gehörte nicht zu Kuroganes Stärken.

 

Gerade einmal kurze Zeit später drohte ihm der Kragen zu platzen, weil seine Gedanken sich immer weiter und immer mehr um das merkwürdige Verhalten des Blonden drehten.

Und wie er das hasste!

Nicht den Blonden. Sondern die Unfähigkeit, eine Erklärung und Lösung für das Problem zu finden!

Ständig hatten sie diese flüchtigen, intimen Momente, ehe Fye jedes einzelne, verdammte Mal abbrach und er dann wieder so tat, als wäre gerade nichts geschehen. Dieser Vollidiot konnte nicht aus seiner Vollidiotenhaut und der Ninja würde es weder zulassen, dass er von ihm in den Wahnsinn getrieben wurde, noch dass der Magier weiterhin jedes Mal, wenn er darauf hoffte, ihm näher zu kommen, diesen verzweifelten Ausdruck in den Augen hatte.

„Hey!“, brummte Kurogane nun in diesem Moment des kurz-vorm-Kragenplatzens von seinem angestammten Sitzplatz mit Blick auf die Schlafstätte. „Ich weiß, dass du noch nicht schläfst! Worüber grübelst du nach?“

Erst einmal rührte sich nichts, was ihn noch wütender machte. Stellte der Spinner sich jetzt etwa schlafend?

Kurogane stand auf, ging zum Futon des Magiers, der sich schnell seine Bettdecke über den Kopf zog, und hockte sich an dessen Seite.

„Lass den Scheiß!“

Der Ninja riss die Decke so grob weg, dass es nicht verwunderte, dass Fye ihn mit großen erschrockenen Augen ansah. Vielleicht war das nicht zielführend. Kurogane atmete einmal tief durch, um seine Wut ein wenig mehr unter Kontrolle zu bringen.

„Hast du immer noch nicht verstanden, dass ich es weiß, wenn dich etwas beschäftigt?“

Fye öffnete den Mund, als wollte er etwas sagen, doch es kam kein Ton heraus. Die Verzweiflung in seinen Augen sprach dafür Bände. Kurogane hatte es satt, immer wieder die gleichen Dinge sagen zu müssen.

„Das war's. Ist mir egal. Mach was du willst.“

Wer war er denn, dass er diesem Verrückten hinterherlief? Er hatte es wirklich versucht. Er hatte sich wirklich Mühe gegeben und er war wirklich überrascht (nein, beinahe schockiert) über sich selbst, dass er dies alles getan hatte. Doch wenn der Magier ihm nicht einmal ein kleines Stück entgegen kommen wollte, dann war es das. Er hatte immer noch seinen Stolz und – egal, ob sein Herz dagegen protestierte – er hatte vorher keinen anderen Menschen gebraucht und er würde auch in Zukunft keinen brauchen. Auf so einen Mist konnte er verzichten. Egal, wie sehr sein Herz dagegen protestierte.

Gerade als Kurogane sich abwenden wollte, griff eine Hand nach seinem Arm. Ohne die Berührung loszulassen, setzte Fye sich auf. Seinen Blick gen Boden gerichtet, atmete er einige Mal durch, bevor er begann, in seiner Muttersprache zu sprechen. Es war ein viel langsamerer Redefluss als beim ersten Mal. Als würde jedes einzelne Wort ihm physische Schmerzen bereiten. Fye fing an zu zittern und zu weinen, während er die Worte herauspresste. Die Hand, die den Arm des anderen Mannes berührte, krallte sich regelrecht in dessen Haut. Kurogane spürte das fast unerträgliche Leid, das den Anderen quälte, auch wenn er die Worte nicht verstand und nicht einmal ahnen konnte, was der Grund dafür war, dass der Magier so entsetzlich zu leiden schien. Aber Kurogane wusste mit einer grausamen Gewissheit, dass nichts, was er sagen würde, diese Schmerzen lindern konnte. Doch im Moment wollte er nichts mehr als die Qualen des Anderen zu lindern. Noch vor nicht allzu langer Zeit wäre er unter keinen Umständen auf die Idee gekommen, so etwas zu tun. Und er hätte definitiv jedem eine reingehauen, der etwas Gegenteiliges behauptet hätte.

Vorsichtig befreite er sich von Fyes Berührung, nachdem dieser verstummt war, strich mit seinen Händen über das nasse Gesicht des Magiers und zog ihn letztlich in eine Umarmung. Im Gegensatz zu allen anderen Malen zuvor wich Fye nicht zurück, wurde nicht angespannt und zögerte nicht einmal, die Berührung anzunehmen. Vielmehr erwiderte er die Umarmung nicht nur, er krallte sich regelrecht an dem Dunkelhaarigen fest, als würde er abstürzen, wenn er dies nicht täte. Und Kurogane hielt ihn fest, plötzlich übermannt von dem beunruhigenden Gefühl, er könnte abstürzen, fallen, ihm entgleiten, wenn er dies nicht täte.

Was auch immer es für Dämonen waren, die den Magier plagten, dachte er, während er sich und Fye in seinen Armen auf dem Futon niederlegte, ohne, dass sie auch nur ein Stück weit voneinander abließen - mit diesen Dämonen konnte und würde er es aufnehmen.

 

Kurogane konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt jemanden umarmt hatte. Wahrscheinlich war es seine Mutter gewesen und das war …. Er drängte den Gedanken zurück. Das musste der schlechte Einfluss des Magiers sein, dass er plötzlich an früher dachte, denn der Ninja war nun wirklich niemand, der der Vergangenheit nachhing. Die Vergangenheit des Magiers jedoch, obwohl in so dichten Nebel gehüllt, war allgegenwärtig. Sie war es, die ihn quälte und verfolgte. Solange sie aber in dieser Welt hier waren, war er ohne Chance, darüber mehr in Erfahrung bringen zu können. Was Kurogane wollte, war auch nicht das Alleinige in Erfahrung bringen, er wollte, dass Fye es schaffte, das alles in hinter sich zu lassen. Er sah zu dem blonden Mann, der in seinen Armen lag und dessen gleichmäßiges Atmen verriet, dass er noch schlief.

Ein kurzes, leicht gequältes Grinsen huschte über Kuroganes Gesicht. Als wäre er sich der Ironie nicht bewusst! Wie in aller Welt hatte es so kommen können, dass ihm das Glück der Knalltüte, der er anfangs so misstraut hatte, so sehr am Herzen lag? Dass der Idiot selbst ihm so viel bedeutete? Dass sein offensichtlich nicht zurechnungsfähiges Herz in der Lage war, sich zu verlieben, war eigentlich schockierend genug gewesen, aber dass es dann nicht nur ein Mann sein musste, sondern ausgerechnet auch noch der Magier …. Als wäre es einer von Prinzessin Tomoyos schlechten Scherzen. Kurogane atmete tief seufzend aus.

Es war so. Und er war pragmatisch genug, um sich schnell daran zu gewöhnen, dass es so war. Der Magier, der jedoch mit allem immer etwas langsam war und immer alles zu einem Problem machte, der war … nun, das Problem. Kurogane war sich bewusst, dass er mit Fye in dieser Hinsicht vorsichtig umgehen sollte. Er hätte nichts davon, den Anderen zu bedrängen. Vermutlich würde so etwas nur bewirken, dass er sich zurückzog und genau das war das Gegenteil von dem, was er wollte.

Es war verrückt, wirklich.

Wie sehr er sich darum sorgte, wie sie sich näher kommen könnten. Er wollte ihm näher sein, noch so viel näher. Doch er spürte, dass Fye gegen eine Art Fluchtinstinkt ankämpfte. Als wäre er hin- und hergerissen zwischen dieser sehnsuchtsvollen Nähe und so viel emotionalem Abstand zwischen ihnen wie irgend möglich.

Zwei wunderschöne, dunkle Augen blinzelten ihn plötzlich an. Der Magier war aufgewacht und etwas von ihm weggerutscht, aber ohne dass ihre Umarmung gelöst wurde.

Kurogane überlegte, ob er etwas sagen sollte, aber wenn ihr Aufenthalt hier sie eine Sache gelehrt hatte, dann dass Worte zwischen ihnen überflüssig waren. Er erwiderte Fyes Blick und strich dem Magier mit einer Hand sanft über den Rücken.

Auf jemand Anderen Rücksicht zu nehmen, seine eigenen Interessen hinten anzustellen … das waren bis vor kurzem Eigenschaften gewesen, die dem dunkelhaarigen Mann eigentlich eher fremd gewesen waren. Diese Reise hatte begonnen, ihn zu verändern.

Ein alles andere als gequältes Lächeln bahnte sich den Weg auf sein Gesicht.

Sich in jemanden zu verlieben. Das wäre vorher undenkbar gewesen.

Fye beobachtete die Mimik des Anderen und rutschte daraufhin wieder näher an ihn heran, bis kein einziger Zentimeter Abstand mehr zwischen ihren Körpern herrschte.

Wenn sie schon hier bleiben mussten, dachte Kurogane, als er Fyes Herzschlag spürte, dann war daran vielleicht nicht alles schlimm.

 

„Kampfahn.“

„Nein. Kämpfen.“

„Kämpfähn.“

Kurogane gab ein gedämpftes Grollen von sich. Es war bei Fye schwer zu sagen, wann er sich dumm anstellte und wann er es wirklich einfach nicht besser hinbekam. Eine fremde Sprache zu lernen schien ihm tatsächlich nicht so leicht zu fallen. Andererseits hatte er auch nicht gerade wenig Spaß daran, den Ninja zu ärgern. Wenn sie hier wahrhaftig auf ewig festsaßen, dann wäre es besser, wenn er die Sprache lernte. Zwar durfte Fye dann immer noch nicht mit den anderen Menschen hier reden (das wäre wohl schwer zu erklären gewesen), aber es würde von Vorteil sein, wenn er sie wenigstens verstehen konnte. Und vor allem - auch wenn dies ein Grund war, den Kurogane vor dem anderen Mann nicht zugab – würden sie sich endlich unterhalten können. Es war mittlerweile beinahe ein halbes Jahr.

„Vielleicht lassen wir es für heute gut sein.“ Kurogane winkte ab. „Wir machen morgen weiter. Lass uns schlafen.“

„Morgan“, flötete der Magier vergnügt.

Jeder für sich bettete sich auf seinen Futon, um zu schlafen. Doch wie bei jedem Mal seit der ersten Umarmung horchte Kurogane erst einmal abwartend in die Stille hinein. Er musste nicht lange warten. Ein Rascheln, dann eine behutsame Berührung an seinem Rücken, dann ein Arm, der sich um ihn legte und letztlich das Gefühl von Fyes gesamtem Körper gegen seinen. Der Magier tastete sich vorsichtig in ihre Zweisamkeit vor. Dem Ninja hätte es gerne schneller gehen können, aber er genoss trotzdem jeden Augenblick davon. Natürlich hatte er schon mehrmals daran gedacht, die Sache zu beschleunigen, aber er war genug Taktiker, um zu wissen, dass er sich damit auch alles wieder kaputt machen konnte. Außerdem war er ein Ninja, verdammt! So ein paar lächerlichen Trieben würde er sich doch nicht unterwerfen!

Auch wenn sie ihm fast den Verstand raubten. Besonders wenn Fye ihm so nah war und er seinen Atem auf seiner Haut spüren konnte …. Verdammte Dreckstriebe.

Vielleicht konnte er ja wenigstens einen langsamen, vorsichtigen Schritt in diese Richtung machen.

Er drehte sich um, um Fye anschauen zu können. Tiefschwarze Augen, in denen man sich verlieren konnte, schauten zurück. Kurogane brachte eine Hand zum Gesicht des Blonden und strich ihm einige Haarsträhnen zur Seite. Fye spiegelte die Bewegung und ließ eine Hand zärtlich über eine Wange des Anderen streicheln.

Kurogane fühlte, wie sein Herz gegen seinen Brustkorb hämmerte. Nichts davon hatte er je zuvor gefühlt. Er hatte nicht einmal geahnt, dass man so etwas fühlen konnte. Und dann, plötzlich, platzte sein Herz beinahe.

Fye lehnte sich vor und küsste ihn auf den Mund. Zuerst zaghaft, dann mit so viel Verlangen, dass Kurogane fürchtete, dass sein Verstand sich tatsächlich gleich verabschiedete.

Der Kerl war ihm zuvor gekommen.

Aber er würde sich definitiv nicht darüber beschweren.

Definitiv nicht.

Wie gut es sich anfühlte.

Er küsste ihn mit gleicher Inbrunst zurück.

Wenn Kurogane später auf die dann nachfolgenden Minuten zurückblickte, kam in ihm die Frage auf, ob er an diesem Punkt nicht eine Niederlage gegen seine Triebe erlitten hatte. Doch wenn er sich an ihre Berührungen erinnerte, an Fyes zarte Hände überall auf seinem Körper, an die Geräusche, die Fye von sich gegeben hatte - die er bei Fye ausgelöst hatte –, an Fyes Geruch, an Fyes Geschmack und vor allem an Fyes Gesichtsausdruck während all dem, dann hatte er zu keiner Zeit das Gefühl, dass er dort wirklich eine Niederlage erlitten hatte. Im Gegenteil. Immer wenn Kurogane daran dachte, wie Fye sich noch schwer atmend wieder an ihn gedrückt hatte, überkam ihn die Gewissheit, dass er in jenem Moment etwas sehr Wichtiges gewonnen hatte.

 

Nur wenige Tage später, kurz bevor sie auf das Schlachtfeld zogen, drängte sich wie aus dem Nichts die abscheuliche, verhasste Distanz wieder ein Stück weit zwischen sie.

„Du hältst dich zurück“, ermahnte der Ninja seinen Partner, so wie er es schon oft getan hatte, doch dieses Mal sah Fye ihn plötzlich erschrocken an.

„Was ist?“

„Kuro-pon.“ Jetzt war es an Kurogane entgeistert dreinzublicken. „Ich“, fuhr der Magier fort, „ich verstehe dich Wort für Wort.“

Dies konnte nur eins bedeuten.

„Sie sind hier!“, entfuhr es Kurogane und seine Erleichterung darüber war deutlich zu spüren. „Sie müssen bei Ashuras Leuten sein.“

„Sollen wir sie suchen?“

Der Ninja blickte dem Anderen in die Augen und grinste verschmitzt. „Warte, ich habe da eine Idee.“

 

„Du bist schlimm.“ Fye klang amüsiert, als sie wieder in ihrem Quartier waren. „Shaolan-kun versteht doch jetzt die Welt nicht mehr.“

„Er soll ruhig denken, wir wären nicht wir. Dann kann ich ihn so richtig schön auf die Probe stellen.“

„Wie unheimlich du grinsen kannst, Kuro-tan. Da kriegt man ja Angst.“

Es war schon ein wenig ungewohnt, so wieder miteinander reden zu können. Aber es sollte ihnen gewiss helfen, sich noch näher kommen zu können. In dieser Überzeugung ging Kurogane auf Fye zu, um ihn zu küssen, doch der Magier wurde mit einem Mal angespannt, als sich ihre Lippen berührten.

„Was ist los?“, fragte der Dunkelhaarige, dessen Instinkte plötzlich Alarm schlugen.

„Entschuldige, Kuro-sama, ich bin gedanklich bei den Kindern.“

Es gefiel ihm ganz und gar nicht, dass der Andere mit einem Mal sehr viel blasser aussah.

Natürlich würde sich wieder einiges verändern, wenn ihre Gruppe wieder vollständig war, so viel war dem Ninja klar, aber es gefiel ihm nicht, was sich hier vor allem erneut veränderte. Oder vielmehr … zurückentwickelte.

„Sie haben bestimmt auch so einiges durchgemacht. Wir sollten uns jetzt vor allem um sie kümmern, meinst du nicht?“

Fassungslos blickte er auf dieses ihm so sehr verhasste, falsche Lächeln.

Fye wandte sich flugs ab und ließ Kurogane, dessen früherer Zorn über die Lügen des Magiers sich mit einem beklemmenden Gefühl in seiner Brust mischte, allein zurück. Für ihn selbst jedoch gab es kein Zurück mehr. Er würde dies nicht akzeptieren. Es musste hierfür eine Erklärung geben. Und Kurogane schwor sich, dass er dahinter kommen würde und er dem Magier sein falsches Lächeln entreißen und er die Ketten sprengen würde, die Fye zurückhielten; die ihn davon abhielten, voll und ganz zu ihm zu kommen. Er würde es nicht zulassen, dass ihm der Magier weggenommen würde. Egal, von wem oder was.

Das brechende Herz (Tokyo/Infinity)

Nachdem sie aus Yama weitergereist waren, war Fye in Anwesenheit der Kinder und des Wollknäuels die meiste Zeit dieser alberne Gummiball, den Kurogane am liebsten zum Mond gekickt hätte. Aber wenn sie unter sich waren, dann nutzte der Ninja jede Gelegenheit, um hinter diese Fassade zu blicken. Das Erstaunliche war, dass der Magier ihn – zumindest ein Stück weit - gewähren ließ. Es war mal wieder ein schleppender, elendig langsamer Prozess, doch ihre gemeinsame Zeit in Yama hatte sie einander so viel näher gebracht, dass Kurogane kaum noch Probleme hatte, den Anderen 'lesen' zu können. Fye konnte seine Show aufführen so viel er wollte, ihm entging keine noch so mikroskopisch kleine Mimik oder Gestik mehr an ihm. Wenn er beharrlich genug war, dann gab es eine realistische Chance, dass Fyes Veränderung zum Positiven, die dem Magier selbst allem Anschein nach nicht einmal auffiel, irgendwann in der Lage sein würde, diese Fassade niederzureißen. Und wenn Fye dies allein nicht schaffte, dann würde er eben nachhelfen. Etwas niederzureißen und zu Staub zu zermalmen, gehörte schließlich zu seinen besonderen Talenten.

Er wusste, dass er sich in Geduld üben musste (was immer noch nicht zu seinen besonderen Talenten gehörte), wenn er dem Magier näher sein wollte. Sie waren zwar hin und wieder intim miteinander, aber seit die Kinder und das Wollknäuel in Yama aufgetaucht waren, hatte sich diese Form ihrer Zweisamkeit stark verändert. Kurogane hatte nicht das Gefühl, Fye nahe zu sein, wenn sie miteinander schliefen, vielmehr schlich sich diese immer größer werdende emotionale Distanz zwischen sie, die geprägt war von wachsender Verzweiflung seitens des Anderen. Es versetzte Kurogane heftige Stiche in sein Herz, dass der Mann, in den er sich verliebt hatte (manchmal kam ihm dieser Umstand immer noch unwirklich vor, aber er war niemand, der daran zu viele Gedanken verschwendete), von einer Zerrissenheit geplagt wurde, aus der er offenbar selbst keinen Ausweg fand. Fye suchte seine Nähe und versuchte gleichzeitig einen Abstand zwischen ihnen zu bewahren. Dies konnte nicht mehr lange gut gehen. Weder für den einen, noch für den anderen.

Es war daher unvermeidlich, dass dem Ninja der Kragen platzte, nachdem sie in einer Welt namens „Tokyo“ angekommen waren und Fyes Widersprüchlichkeit immer schlimmer wurde. Seine Zerrissenheit musste ihren Ursprung in seiner Vergangenheit haben und Kurogane war es satt, dass der Magier in dieser lebte statt zu ihm und den Anderen in die Gegenwart zu kommen. Wer auch immer Fye früher gewesen war, was auch immer er getan oder verbrochen hatte, war nicht mehr wichtig. Für Kurogane war einzig und allein wichtig, dass Fye jetzt endlich hier bei ihm sein sollte.

 

Auf die schrecklichste Art und Weise, die niemand von ihnen sich je auch nur hatte vorstellen können, kam alles anders.

 

Kuroganes Herz stoppte beinahe, als er die ohnmächtige, im Gesicht blutüberströmte Gestalt des Magiers aus dem Wasser hervorkommen sah. Zusammen mit dem Jungen, der zur gleichen Zeit nicht der Kleine und doch der Kleine war. Mit einem Gefühl, als hätten sich die Klauen eines wilden Tieres in sein Herz gekrallt, um es ihm gewaltsam aus seiner Brust zu entreißen und einer verzweifelt schreienden Stimme in seinem Innern, die ohne Unterlass brüllte „Stirb nicht! Stirb nicht! Du darfst nicht sterben! Du darfst nicht sterben!“, versuchte der Ninja in diesen albtraumhaften Wirren zu reagieren und zu retten, was noch zu retten war.

Er konnte ihn nicht verlieren. Er konnte nicht zulassen, dass der Mann, den er liebte, starb. Er liebte ihn und er würde sein Leben retten, egal, um welchen Preis und auch wenn der Idiot selbst dies gar nicht wollte. Aber es war nicht mehr dessen Entscheidung. Fye war nun ein Teil seines Lebens und Kurogane konnte, wollte sich nicht vorstellen, wie es wäre, wenn dieser sich so unglaublich breit machende Teil einfach aus seinem Leben entrissen würde. Nie, nie wieder würde er es zulassen, dass jemand, den er liebte, der ihm die Welt bedeutete, starb. Das hätte der Idiot sich überlegen sollen, bevor er in sein Leben getreten war. Bevor er angefangen hatte, ihm auf den Nerv zu gehen. Bevor er ihm dümmliche Spitznamen gegeben hatte. Und vor allem bevor er zu demjenigen geworden war, in den Kurogane sich verliebt hatte, denn damit war es Kuroganes Entscheidung geworden.

Um jeden Preis.

Und der Ninja hielt den Schmerz aus; nicht den von Fyes Fingern wie sie sich durch seine Haut in seine Arme bohrten, während er versuchte, ihn festzuhalten, um ihm Halt zu geben, um ihn bei sich zu behalten, damit er ihm nicht entrissen werden konnte. Nein, er hielt den Schmerz aus, dass der Mensch, den er liebte, solche Qualen ertragen musste und er nichts weiter tun konnte, während Fye vor Schmerzen keuchte und sich wandte und er nur hilflos auf ihn blicken konnte und die Stimme in seinem Kopf immer weiter verzweifelt und so lautstark schrie, dass der Ninja glaubte, sein Schädel würde gleich zerspringen.

Du darfst nicht sterben! Du darfst nicht sterben!

Der Preis war hoch. Doch er würde jeden Preis bezahlen. Er würde alles aushalten.

 

Guten Morgen, Kurogane.“

 

Kurogane war der festen Überzeugung, dass er sein Herz hatte brechen hören. Als hätte es in seinem Inneren ein lautes Knallen und Klirren gegeben und sein Herz wäre in tausend Teile zersplittert, die sich in den nun dunklen und hohlen Rest seines Körpers verteilten, sich in sein Fleisch stießen und ihn innerlich verbluten ließen. Keine Wunde, die er äußerlich je davon getragen hatte, kam an diesen grausamen Schmerz heran.

Der Preis, den er bezahlt hatte, war höher gewesen als er auch nur hatte erahnen können.

Doch er war nicht zu hoch gewesen.

Der Magier lebte.

Dies war das einzige, was zählte. Auch wenn sein zerbrochenes Herz ihn kaum atmen ließ. Auch wenn er nicht wusste, was nun aus ihnen werden sollte. Auch wenn der Andere nun so weit weg wie nie zuvor schien. Selbst wenn Kurogane es geahnt hätte, wenn eine dunkle Vorahnung ihn beschlichen hätte, wenn er gewarnt worden wäre, dass dies passieren würde, selbst dann hätte er ihm das Leben gerettet.

Der Magier lebte.

Dieser Gedanke ließ ihn den entsetzlichen Schmerz ertragen und die aufkommende Wut herunterschlucken.

Der Mann, den er liebte, lebte.

 

Und er brauchte sein Blut, nur seins, um weiter zu leben.

 

Es war der einzige Kontakt, den sie noch hatten, die einzige Nähe, die noch bestand.

Nein.

Er würde sich selbst belügen, wenn er es so nennen würde.

Fye gab sich größtmögliche Mühe, keine Nähe zwischen ihnen mehr entstehen zu lassen. Keine Nähe jedweder Art. Der Vollidiot riskierte es lieber zusammenzubrechen als zu ihm zu kommen.

Richtete sich die Abneigung des Magiers gegen das, was er jetzt zum Überleben tun musste? Gegen das, was er jetzt war? Oder richtete sie sich auch gegen ihn, der ihm dies angetan hatte, der gegen seinen Willen sein Leben gerettet hatte? War es vielleicht sogar mehr als nur Abneigung? War es gar Hass?

Fye tat alles, um ihm aus dem Weg zu gehen, um eine Mauer zwischen ihnen zu errichten, die nicht einmal der Ninja einschlagen konnte. Es war nicht mehr wie früher, als er ihn einfach für ein solches Verhalten hätte zurechtweisen können. Nichts war mehr wie früher und Kurogane fühlte sich entsetzlich leer und schwach und ausgebrannt. Er konnte keinem von ihnen helfen. Nicht der leidenden Prinzessin, nicht dem verschlossenen Jungen, der nicht der Kleine war und trotzdem Shaolan, nicht dem Magier, der sich vollständig von ihm abzuwenden drohte, der ihm zu entgleiten drohte, und nicht einmal sich selbst, der nicht in der Lage war, die Teile seines zersplitterten Herzens aufzuheben.

Das einzige, was er noch tun konnte, war Fye weiterhin gegen dessen Willen am Leben zu halten. Und mit jedem weiteren Schnitt in seinen Arm und jedem weiteren Mal, bei dem er sich der merkwürdigen Sensation hingeben musste, Fyes saugende Lippen an seinem Handgelenk zu spüren, verlor Kurogane die Hoffnung, dass aus der schmerzvollen, stetig wachsenden Distanz zwischen ihnen irgendwann diese Nähe werden würde, nach der sich sein Herz so sehr sehnte.

Die ersehnte Einheit (Clow)

Ihre Reise würde weitergehen.

Sie hatten Sakura gerettet, sie hatten Feiwang besiegt, aber dafür die beiden Kinder (Kurogane wollte sie nur ungern Klone nennen, das drückte nicht aus, was sie für ihn waren) verloren. Doch der Kleine hatte Hoffnung und diese Hoffnung war in Nullkommanichts auf sie alle über gesprungen. Damit rückte seine Rückkehr nach Nihon zwar in eine unbekannt weite Ferne, aber er konnte die Aufsicht über den Kleinen nicht dem trotteligen Magier überlassen und somit bestand zu keiner Sekunde ein Zweifel daran, mit dem Kleinen mitzugehen. Und außerdem ... musste auch jemand auf den trotteligen Magier aufpassen.

Nachdem sie die Entscheidung getroffen hatten, gemeinsam mit Shaolan weiterzureisen und um nicht zu viel Melancholie (so wie die Schwermut ihnen ein ständiger Begleiter war, konnte man sie getrost das lästige sechste Mitglied ihrer kleinen Gruppe nennen) über ihre baldige Trennung aufkommen zu lassen, hatte Sakura sie zu einem kleinen Festmahl nur für ihre Fünfergruppe eingeladen. Es war ein bisschen wie zu den besseren Zeiten ihrer langen Reise, wie sie so gemeinsam dasaßen, aßen, tranken und auch mal lachten. Gleichzeitig war es vollkommen anders, denn die Kinder, die damals eigentlich bei ihnen gewesen waren, waren nicht mehr bei ihnen. Es war ein Umstand, dem sie sich alle bewusst waren, doch Sakura war diejenige, die es aussprach.

„Fye-san, Kurogane-san, Moko-chan, ihr würdet sicher gerne mit ihnen nun hier sitzen, nicht wahr?“

Während das Wollknäuel tapfer seine Tränen zurückzuhalten versuchte, bedachte Fye die Prinzessin mit einem sanften Lächeln und an diesem Punkt hatte Kurogane sogar so etwas wie Hoffnung für den Idioten übrig.

„Ihr seid genauso unsere Reisegefährten wie sie. Eines Tages werden wir alle vereint hier sitzen und gemeinsam lachen und weinen über alles, was passiert ist.“

Zu Kuroganes innerer Freude zeigte die Antwort des Magiers bei den Kindern die gewünschte Wirkung. Der Anflug von Traurigkeit und Anspannung, der sich so gerne und so leicht über ihre Truppe legte, löste sich wieder ein wenig auf.

„Außerdem soll man ja auch niemanden unter seinen Kindern als Liebling bevorzugen“, legte Fye nach. „Papa und ich lieben euch alle gleichermaßen.“

„Hn.“

„Liebt Papa Mokona auch?“, fragte der weiße Klops.

„Aber natürlich! Wenn er doch einen Liebling hätte, dann wärst das du, Mokona!“

„GLEICH SETZT'S WAS!!“

„Aww, Kuro-papa, du hast so eine eigenwillige Art, deine Liebe für uns auszudrücken.“

„WO IST MEIN SCHWERT?!“

„Aww, willst du uns mit noch mehr Liebe überschütten?“

Die Reaktion des Ninja und Fyes Bemerkungen ließen erst Sakura und dann Shaolan plötzlich in schallendes Gelächter ausbrechen. Kurogane hielt in seinen Tötungsabsichten inne, als er dies bemerkte. Was für eine Wohltat das Lachen der Kinder war, nachdem sie so viel durchgemacht hatten und noch einiges mehr auf sie zukommen würde. Sie alle hatten wirklich eine lange Reise hinter sich und keiner von ihnen war noch der, der er zu Beginn ihres Abenteuers gewesen war. Aus dem Nichts machte Kuroganes Herz einen kleinen Sprung und sein Instinkt ließ ihn zum Magier blicken. Ob ihm in diesem Augenblick etwas Ähnliches durch den Kopf ging? Fye schaute mit beseelter Miene auf die Kinder. Doch im nächsten Moment schien er innerlich zu stutzen und für den Bruchteil einer Sekunde blitzte etwas in seiner Mimik auf, das dem Ninja ganz und gar nicht gefiel. Wieso überkam diesen Idioten plötzlich Wehmut?

Er war nicht der einzige, der es bemerkt hatte.

„Ist alles in Ordnung, Fye-san?“, fragte Sakura besorgt.

Erwischt zuckte der Magier zusammen, nur um dann lächelnd abzuwinken.

„Aber ja, es ist nichts.“

Kurogane bemerkte den Ärger in sich aufsteigen, während er den Blondschopf, der neben ihm saß, wütend aus dem Augenwinkel anblickte. Hatte er nichts dazu gelernt? War er doch ein hoffnungsloser Fall?

„Bist du dir sicher?“, hakte Sakura nach und klang noch sorgenvoller als zuvor. Auch Mokona sah bedrückt zu dem Kameraden.

„Ja, ganz sicher.“

Er würde diese Knalltüte umbringen. Wie konnte er sie immer noch belügen? Wie konnte er ihn immer noch belügen und allen Ernstes glauben, er käme damit durch?

„Wenn etwas ist ...“, sagte Shaolan genauso besorgt, „dann ...“

„Nicht doch, nicht doch! Oje.“ Fye seufzte. „Macht euch bitte keine Sorgen.“ Er stand auf und obwohl seine Bewegungen langsam und ruhig waren, spürte Kurogane, dass sie dies nur waren, weil Fye seinen Instinkt unterdrückte, hastig wegzulaufen. „Entschuldigt mich bitte kurz. Es ist wirklich nichts, aber ich brauche nur gerade einen kurzen Moment für mich“, fügte er entschuldigend hinzu, ehe er sich von ihrem kleinen Kreis entfernte.

Und wie er ihn töten würde!!

Den Kindern solche Sorgen zu bereiten!!

Der Ninja fühlte drei Augenpaare auf sich, als er dem Magier hinterher sah.

„Sollen … sollen wir nach ihm sehen?“, fragte die Prinzessin vorsichtig.

„Kurogane macht das“, entgegnete Mokona bestimmt.

„Einen Scheiß mach ich“, erwiderte der Erwähnte angesäuert.

„Nein, Kurogane schaut immer nach Fye“, sagte das Wollknäuel mit mehr Nachdruck. „Weil Kurogane sich immer am meisten um ihn sorgt.“

Der Ninja warf dem Klops einen giftigen Blick zu und überlegte, ob es unangebracht wäre, ihn vor den Augen der anderen zu zerquetschen.

„Kurogane-san ...“, begann Shaolan und sah ihn mit diesen großen, determinierten Augen an, die im Prinzip nichts anderes sagten als: Wir beide wissen, dass du gehen wirst.

Grummelnd erhob sich Kurogane. „Ich geh mal kurz raus. Und das hat absolut nichts mit dem Vollidioten zu tun!“

Als er mit besonders laut stampfenden Schritten Fye hinterher stapfte, lächelte Mokona zufrieden.

„Weil Kurogane sich immer um Fye kümmert.“

 

Nicht einmal im Traum dachte er daran, zu klopfen. Kurogane ließ sich selbst in das Zimmer rein, das Fye im Palast zugeteilt worden war. Genau dort fand er den Bastard, auf dem Boden sitzend und mit dem Rücken gegen eine Wand lehnend. Draußen war die Dunkelheit hereingebrochen, aber der Spinner hatte kein Licht im Zimmer gemacht. Nur das Mondlicht schien herein.

Der Magier sah erschrocken zu seinem Besucher hoch und – erschrak noch mehr.

Kurogane war mehr als wütend. Er platzte fast vor Zorn.

„Du hast drei Sekunden, um dich zu erklären.“ Der dunkelhaarige Mann schritt (selbst seine Schritte klangen zornig!) zu ihm und blieb vor ihm stehen.

„Kuro-sama ...“

„Eins.“

„Du musst nicht extra ...“

„Zwei.“

„Will ich wissen, was bei 'drei' passiert?“

„Drei!!“

„Hey!“

Der Ninja packte ihn mit seinem rechten Arm gewaltsam am Kragen und zog ihn hoch.

„Was soll der Scheiß?! Hast du nichts dazu gelernt?! Ich habe kein Problem damit, alles aus dir rauszuprügeln, wenn du freiwillig nicht damit rausrückst!“

„Ich rede! Ich rede!“

„Dann los.“ Kuroganes Griff lockerte sich kein Stück. Er traute dem Anderen nicht zu, es ihm tatsächlich einfach zu machen.

„Eigentlich wollte ich die Stimmung nicht herunterziehen, aber ich denke, dass ist mir wohl nicht gelungen, was?“, erklärte der Magier und klang so geknickt, wie er dreinblickte. „Es ist auch lächerlich, wirklich. Mir kam nur plötzlich der Gedanke, dass … na ja … als die Kinder so lachten, fiel mir auf wie viel sich verändert hat und wie viel geschehen ist und ... “

„Was?“, knurrte Kurogane, als Fyes Sprechpause ihm zu lange dauerte.

„Und dass … dass es wirklich vorbei ist. Unsere erste Reise, meine ich. Irgendwie überwältigte mich plötzlich alles, was passiert ist und ich brauchte einen Moment, um durchzuatmen und zu begreifen, dass es wirklich vorbei ist. Und jetzt etwas Neues beginnt.“

Der Ninja ließ den Kragen los und blickte in diese tiefen hellblauen Augen, in denen man sich verlieren konnte - in denen er sich längst verloren hatte - und die seinen Blick entschlossen erwiderten.

„Ich bin nicht wie du“, erläuterte Fye von sich aus weiter, „ich kann nicht so einfach mit Dingen abschließen. Besonders, wenn man zwischendrin kaum Zeit hat, sie zu verarbeiten. Und es gibt wirklich so schrecklich viel zu verarbeiten.“

Fye wartete einige Sekunden ab, doch Kurogane sagte nichts.

„Uhm, Kuro-sama? Hast du mir zugehört?“

„Hah“, antwortete dieser und zum sichtbaren Unglauben des Magiers konnte er im Gesicht des Ninja so etwas wie ein Lächeln ausmachen. „Du erzählst ja sogar die Wahrheit.“

Der Blonde stutzte kurz, ehe ein leichtes Lächeln auch den Weg auf sein Gesicht fand. „Von nun an will ich Sakura, Shaolan, Mokona und ... vor allem dich nie wieder anlügen.“

Seine Worte lösten bei Kurogane das ihm schon bekannte Poltern seines Herzens aus, das er schon so lange nicht mehr so deutlich gespürt hatte. Er hatte dieses Gefühl definitiv vermisst.

„Dass du dich immer noch so um mich sorgst, obwohl ich dich ständig nur belogen habe“, fuhr Fye fort und Kurogane gefiel es überhaupt nicht, dass sich die Melancholie wieder in die Stimme und die Mimik des Magiers schlich.

„Du hast mich nicht nur belogen.“

Die Schwermut in Fyes Augen wich rasch einem fragenden Blick.

„Es war nicht alles gelogen … oder?“ Zwar fand er, dass der Wirrkopf viel zu lange brauchte, um darauf zu kommen, was er meinte, aber es störte ihn nicht weiter, da er währenddessen weiter diese wunderschönen, hellblauen Augen hatte bewundern können, die nun von Klarheit überwältigt wurden.

„Nein“, sagte Fye schließlich, „daran war nie etwas gelogen.“

„Na, immerhin, das ist doch ein Anfang.“ Kurogane wollte unter keinen Umständen durchblicken lassen, wie erleichtert er war, dies vom Magier zu hören. Zum einen hatte er immer noch seinen Stolz (dem zu viel Gefühlsduselei ganz und gar nicht gefiel), zum anderen hatte er die gesamte Zeit die schwache Hoffnung am Leben gehalten, dass er keiner endgültig verlorenen Liebe hinterherlief, sondern lediglich darauf wartete, dass die Liebe zu ihm zurückkehrte. Allerdings … was sollte er jetzt sagen? Er war selbst ratlos (und ein wenig verlegen), das Thema anzusprechen. Nach all dem, was geschehen war; was mit ihnen geschehen war, schien alles so vertrackt zu sein, dass keiner von beiden den ersten Schritt auf den Anderen zu machen wollte. Eine Frage stand so unfassbar offensichtlich und dringlich im Raum und doch wagte es niemand, sie auszusprechen.

Und was wird jetzt aus uns?

Musste, sollte er nun etwas tun oder sagen? Sollte er warten, bis der Magier wieder auf ihn zukam? Würde er selbst dafür die Geduld haben?

Seine Gedankengänge wurden jäh durch den Blonden gestoppt. Zaghaft ließ Fye seine linke Hand über Kuroganes rechten Arm fahren. Ein bisschen kratzte es schon an seinem Stolz als Ninja, dass sein gesamter Körper mit Gänsehautschauern auf diese zarten Berührungen reagierte. Aber wenn er wählen müsste zwischen den Berührungen durch Fye und seinem Stolz … dann zum Teufel mit seinem Stolz!

Sollte es ihn aber beunruhigen, dass die Finger des Anderen an einem Punkt nahe seines Handgelenks immer wieder über die selbe Stelle fuhren? Kurogane wusste, was dort war. Die Narbe war klein, doch wenn man ganz genau hinsah, konnte man sie erkennen. Es gab an seinem Handgelenk mehrere dieser kleinen Narben. An seinem verlorenen Arm waren sogar noch mehr davon gewesen.

„Das werde ich dir auch nie vergessen“, hauchte Fye, den Blick auf das Handgelenk gerichtet.

„Vergiss es einfach.“ Kurogane konnte nicht mit absoluter Sicherheit sagen, wie der Magier dies gemeint hatte; so viele Emotionen hatten in seinem Satz mitgeschwungen. Die Wahrheit, die unabänderlich war, war dass der Idiot damals nicht gerettet hatte werden wollen und Kurogane gegen seinen Willen ihm diese Entscheidung abgenommen hatte. Die ganze Vampirgeschichte hatte Fye unermessliches Leid zugefügt und auch wenn der Ninja jeder Zeit wieder genau so handeln würde, war es nicht undenkbar, dass der Magier ihm dies alles nicht gänzlich verziehen hatte. Vielleicht stand es immer noch zwischen ihnen.

„Ich bin nicht nachtragend.“ Fye blickte wieder zu dem Dunkelhaarigen, der bei diesen erlösenden Worten nun doch seine gefasste Miene ein wenig verlor. „Ich bin dir dankbar, dass du mein Leben gerettet hast.“

„Pah. Schnee von gestern.“ Kurogane merkte, wie der letzte Rest seines Ninja-Stolzes den Bach hinunterging, als der Blondschopf ihm ein bezauberndes Lächeln zuwarf und er selbst dezent rot wurde. Wieso, wieso nur musste sein aufrichtiges Lächeln so umwerfend sein? Was sollte er dem denn entgegensetzen?

Fye legte seine rechte Hand auf die linke Schulter des Schwertkämpfers und sein Lächeln wich einem Seufzen. „Du hast mich selbst dann noch gerettet, nachdem ich dich beinahe getötet hätte.“

Ein tiefes, mürrisches Grummeln warnte Fye, dass er etwas massiv Falsches gesagt hatte. Kurogane entriss der Hand des Magiers seinen Arm und …

Whack!

„Auauauauauau! Kuro-tan! Das tut weh!!“ Fyes Hände schnellten zu der geschlagenen Stelle auf seinem Kopf.

„Selbst schuld, wenn du so einen Unsinn verzapfst. Seit wann leidest du denn an Selbstüberschätzung? Wann und wo hättest du mich denn bitte töten können?? Zu keiner Zeit wäre dir das je möglich gewesen!“

Er wollte nicht zurückdenken an das, was in Ceres geschehen war. Der Schmerz und die Verzweiflung, die dem Magier damals ins Gesicht geschrieben waren, hatten seinem eigenen Herzen so unerträgliche Qualen bereitet, dass er fast den Verstand darüber verloren hätte. Damals in Ceres hatten sich alle Puzzleteile, die er über einen so langen Zeitraum von Fye gesammelt hatte, zusammengefügt. Und das Bild, das er erhalten hatte, hatte sich als tausendmal grausamer herausgestellt als alles, was er sich zuvor ausgemalt hatte. Das, was er dort erfahren hatte, überstieg alle Schreckensszenarien, die er sich vorgestellt hatte und wie damals in Ceres stieg in Kurogane immer eine immense Übelkeit hoch, wenn er an die Leiden dachte, die der Magier hatte durchleben müssen. Doch, trotz allem, was er dort erfahren hatte, hatte sich für den Ninja nicht viel geändert. In einer einzigen Sache hatte er sich in Bezug auf Fye getäuscht: Dieser nervende Volltrottel, diese zappelnde Knalltüte, dieser lebensmüde Spinner war noch viel stärker als er es gedacht hatte. Der Magier hatte so viel Leid ertragen und war trotzdem nicht bereit aufzugeben. In dieser schlaksigen, zerbrechlich aussehenden, filigranen Gestalt schlug ein kräftiges Herz, das um seine Stärke überhaupt nicht gewusst hatte.

Sogar nachdem Kurogane erfahren hatte, dass Fye ein Agent Feiwangs war, hatte er zu keiner Zeit den Magier als Bedrohung oder als Feind betrachtet. Nur weiterhin als Trottel – als einen Trottel in einer scheinbar ausweglosen Lage, der sichtlich daran zu zerbrechen drohte und trotzdem nicht imstande war, ihn offen um Hilfe zu bitten. Doch der Ninja hatte seinen Schwur aus Yama nie vergessen und so hatte es in ihm nie einen Zweifel gegeben, dass er die Dämonen, die den Anderen quälten, töten musste. Auch der Verlust seines Arms war nichts, worüber er lange hatte nachdenken müssen. Fye musste leben. Und Kurogane war erneut bereit, jeden Preis dafür zu zahlen. Denn nur wenn Fye lebte, konnte auch er leben.

„Warum ...“, ertönte die Stimme des Magiers nach einer Weile der Stille, „warum hast du das alles für mich getan?“

„Du weißt warum“, entgegnete Kurogane ohne zu zögern. „Selbst du kannst nicht so dumm sein, das nicht zu wissen.“

Wieder legte sich Stille über sie. Fyes Hand hatte ihren Weg zurück zu der Hand des Dunkelhaarigen gefunden und umschloss sie mit sanftem Druck. Kurogane bemerkte das leichte Zittern der blassen Finger. Er hatte sich nicht getäuscht. Dieses Gespräch fiel dem Blondschopf schwer. Doch da musste er jetzt durch.

Eine gefühlte Ewigkeit verging, ehe Fye endlich den Mut fand, um weiterzusprechen.

„ … Aber warum liebst du mich?“

„Was weiß ich.“ Das Rot seiner Wangen nahm eine dunklere Färbung an. „Ich verschwende keine Gedanken an das Warum. Es ist so und fertig. Und es steht nicht zur Diskussion.“

Aus dem Nichts musste der Magier angesichts dieser Antwort kichern. „Oh, Kuro-pon, du bist so ein großer Romantiker.“

„'Ne bessere Antwort hab ich nicht.“

„Das ist für mich nur schwer nachvollziehbar.“

Kurogane unterdrückte ein entnervtes Stöhnen. Konnte der Kerl nicht einmal etwas einfach hinnehmen? Musste er immer alles hinterfragen?

„Wie ich schon sagte: Es ist so und fertig. Ich weiß nur, dass ich nicht viel dazu beigetragen habe, dass dem so ist, also muss es irgendwas an dir sein, weswegen es so gekommen ist.“

Großes Erstaunen legte sich über Fyes Gesicht. Es war beinahe schon Erschütterung.

„Dann … bin ich es wert geliebt zu werden ...“

„Ich hoffe für dich, dass das keine Frage, sondern eine Aussage war“, grummelte Kurogane. „Und wenn du es weiter hinterfragst, gibt es noch mehr Hiebe.“

„Könnten wir bitte einen Waffenstillstand vereinbaren?“, erwiderte der Magier hastig und gekünstelt jammernd. „Mein armer Schädel wird noch ganz verbeult und jedes Mal, wenn ich deinen harten Dickkopf schlage, tun mir hinterher die Finger weh.“

„Dann schlag mich nicht. Und gib mir in Zukunft keinen Grund mehr dafür, dich zu hauen.“

„Okay, einverstanden.“ Fye lachte und Kuroganes Herzschlag geriet noch mehr aus dem Takt, als der Magier hinzufügte: „Ich will sowieso lieber etwas anderes tun. Denn ich … liebe dich auch.“

Kurogane bemerkte es in der Sekunde, in der sich ihre Lippen berührten. Alles an diesem Kuss war anders als an all denen, die diesem vorausgegangen waren. Es war ihr erster Kuss ohne Schuldgefühle, ohne Angst, ohne Verzweiflung, ohne Geheimnisse, die im Verborgenen lauerten und drohten, sie auseinander zu reißen. Jede Faser seines Körpers ging in diesem Kuss auf. Er spürte Fyes Finger auf seiner Haut, seine eigenen Finger in den blonden Locken, es gab nichts mehr außer dieser Berührung, nichts mehr außer dieser Nähe.

Und dem plötzlichen Gefühl, dass sie jetzt gerade keine zu lauten, zu eindeutigen Geräusche machen sollten. Waren die Kinder etwa …?

„Fye-san?“, ertönte von draußen Sakuras Stimme und der Magier ließ ein Stück weit von seinem Geliebten ab und unterdrückte – mit eher mäßigem Erfolg – ein Glucksen.

„Das ist aber jetzt echt schlechtes Timing“, feixte er.

„Das ist deine Schuld, Idiot“, knurrte Kurogane möglichst leise zurück. „Sie sind hier, weil sie sich Sorgen um dich machen.“

„Ich kümmere mich drum!“ Mit einem unguten Gefühl beobachtete der Ninja wie der Magier zur Tür tänzelte, sie einen Spalt weit aufmachte und seinen Kopf herausstreckte.

„Ah, Fye-san!“ Die Prinzessin klang erleichtert. „Geht es dir wieder besser?“

„Ja, alles ist in bester Ordnung. Entschuldigt, dass ich euch Sorgen bereitet habe.“

„Nicht doch“, wandte Shaolan ein. „Dafür musst du dich nicht entschuldigen.“

„Dann danke ich euch von Herzen für eure Fürsorge.“ Obwohl er das Gesicht des Magiers nicht sehen konnte, wusste Kurogane um das Lächeln in dessen Gesicht.

„Dann war es eine gute Idee von Mokona, Kurogane zu Fye zu schicken?“ Das Wollknäuel klang mächtig stolz auf sich selbst.

Fye streckte eine Hand heraus und tätschelte Mokona, die von Sakura gehalten wurde, auf den Kopf. „Eine hervorragende Idee, Mokona!“

Konnte der Vollidiot vielleicht ein bisschen weniger enthusiastisch klingen? Die Kinder sollten ja nicht unbedingt erfahren …

„Ist Kurogane-san noch bei dir?“, fragte Sakura und löste daraufhin einen mittelschweren Schweißausbruch bei dem Ninja aus.

Fye warf einen verschmitzten Blick ins Zimmer zurück und Kurogane fuchtelte wild mit seinem Arm.

„Ja, er ist noch hier. Vielleicht wollt ihr noch einen kleinen Spaziergang machen? Wir kommen dann gleich wieder zu euch.“

Argh. Unauffällig war anders.

„Dann habt ihr noch etwas zu bereden?“, fragte Sakura voller Unschuld nach.

„Ääääh, ja, wir haben noch etwas zu … bereden.

UNAUFFÄLLIG WAR ANDERS.

„Gut, dann werden wir noch etwas spazieren gehen und auf euch warten.“ Die Prinzessin stutzte. „Shaolan-kun, warum bist du denn auf einmal so rot im Gesicht? Hast du etwa Fieber?“ Besorgt hielt sie ihm eine Hand gegen die Stirn. Der Junge schüttelte hastig seinen nun fast pinken Kopf und richtete seine Augen gen Boden, um intensiv seine Schuhe anzustarren.

„Ah, Mama und Papa brauchen noch etwas Zeit für sich!“, quietschte Mokona vergnügt.

„L-lasst eu-euch r-ruhig Z-zeit“, stammelte Shaolan mit ungebrochenem Interesse für seine Füße, ehe er die Hand der Prinzessin nahm und mit ihr und Mokona eilig davon schritt. Vermutlich würde er besagten Spaziergang nun möglichst lange ausdehnen.

Der Magier schloss die Tür wieder.

„Ich hoffe, diese Lüge war in Ordnung, Kuro-pii? Oder hätte ich ihnen die Wahrheit sagen sollen?“

„BIST DU IRRE?!“

Fye kicherte erneut. „Ich glaube, Shaolan ahnt auch vielleicht, dass wir nicht so sehr vorhaben zu 'reden' …. Haha, Kuro-sama, du bist ja auch rot geworden.“

„Die Kinder müssen ja nicht unbedingt mitkriegen, was wir hier machen.“ Welche Kinder wollten das schon so genau wissen? Und er wollte gerne noch weiterhin der Prinzessin und dem Kleinen ins Gesicht sehen können, ohne dass beide Seiten vor Scham im Boden versanken. Nein, keine Kinder wollten das so genau wissen – egal, ob es sich nun um leibliche Eltern oder Ersatzeltern handelte.

„Aww, du bist so ein fürsorglicher Vater.“

„Du bist ein Spin-“

Im Nu waren Fyes Lippen wieder auf den Seinen und die schlanken Finger des Magiers überall auf dem Körper des Dunkelhaarigen. Endlich fanden sie die Nähe, nach der Kurogane sich schon so lange gesehnt hatte. Endlich verschmolzen sie zu einer Einheit. Endlich wurden aus zwei Herzen eins.

Darauf will ich vertrauen (Niraikanai)

Ich weiß es nicht … ich weiß nicht, was ich tun soll …. Wieso, wieso musstest du derjenige sein …? Für einen anderen … irgendjemand anderen … würde ich dies wahrscheinlich nicht fühlen … aber du musstest auftauchen und … du sein. Wieso nur habe ich diese Gefühle für dich? Wieso?! Das ist grausam! Ist es das Unheil, das ich bringe? Kann ich anderen nichts als Unheil bringen? Ich werde dir Unheil bringen! Ich soll dich töten … wie soll ich dich töten?? Ich kann das nicht … ich kann das nicht! Ich … ich will es nicht. Bitte, hilf mir … hilf mir, auch wenn du mich für eine lächerliche, schwache Gestalt hältst. Hilf mir. Ich bin erbärmlich … und trotzdem hörst du mir immer noch zu. Wieso bist du so? Wieso kümmert es dich, was mit mir ist? Wenn wir hier bleiben, dann … dann muss ich dich nicht töten. Dann … dann könnten wir zusammen sein. Aber ich kann nicht hier bleiben. Mein Wunsch muss in Erfüllung gehen. Ich habe kein Recht, mit dir zusammen zu sein und dabei dieses Glück zu empfinden. Ich kann dich nicht töten. Aber ich muss. Bitte, hilf mir!“

 

Es war seltsam, dass er jetzt von seinen verzweifelten Worten träumte, die er damals in Yama zu Kurogane gesagt hatte. Er hatte ihm dies alles nur sagen können, weil er damals die Gewissheit hatte, dass der Andere kein Wort von dem hatte verstehen können, was er da in seiner Verzweiflung von sich gegeben hatte. Ob Kurogane ihn auch in den Arm genommen hätte, wenn er gewusst hätte, was er da gesagt hatte?

Ja. Vermutlich. Denn so war er, der sture Dickschädel.

Aber warum kramte sein Unterbewusstsein dieses Ereignis jetzt wieder aus?

Ah, ja, Kuro-tan hatte ihn mal wieder wütend angeschrien. Das musste der Grund sein. Nur weil er diese relativ kleine Verletzung davon getragen hatte. Allerdings war mit dem Ninja nie gut Kirschen essen, wenn Fye sich in Gefahr befand. Er wollte ja gar nicht, dass der Andere deswegen ausrastete oder sich Sorgen machte, das war wirklich nie seine Absicht (zumindest in solch ernsten Situationen … was alle anderen, weniger ernsten Situationen anging … nun ja, da war es voll und ganz beabsichtigt, ihn auf die Palme zu bringen).

Doch irgendwie war es schon süß wie Kurogane sich um ihn sorgte. Jedes Mal versetzte es sein Herz in wilde Unruhe, während ihn gleichzeitig ein Gefühl von Wärme erfüllte.

Nein, er wollte nicht, dass Kurogane sich seinetwegen aufregte und sorgte. Aber es war ein unbeschreiblich schönes Gefühl, dass er dies tat. Dass dort jemand (nicht irgendjemand, sondern jemand, der ihn wirklich liebte) war, dem es wichtig war, dass es ihm gut ging – das war immer noch beinahe unbegreiflich.

Und Fye war sich mehr als bewusst, dass er selbst schuld daran war, dass der Ninja seinetwegen grundsätzlich so alarmiert war. Er hatte ihm immer und immer und immer wieder Gründe gegeben, sich Sorgen um ihn zu machen. Er war ein Problemfall und Kurogane ein Problemlöser. Passender hätte es kaum sein können. Vielleicht hatte das Schicksal es einmal gut mit ihm gemeint.

Nein. Das konnte er nicht dem Schicksal zuschreiben. Es war Kurogane zu verdanken, dass alles so gekommen war. Der Sturkopf scherte sich nicht um so etwas wie Schicksal. Er war das Gegenteil von ihm selbst, der sich seinem Schicksal hatte ergeben wollen. Dass sie wie Tag und Nacht waren, war Fye in der Sekunde klar geworden, in der sie im Laden das erste Mal aufeinandergetroffen waren. Nach und nach wurde ihm allerdings deutlich wie ihre Rollen verteilt waren. Obwohl Kurogane diese finstere Art und diese dunkle Kleidung hatte, war er der Tag, der das Leben hervorbrachte und Fye, mit seiner hellen Haut, den leuchtenden Haaren und den schneeweißen Kleidern, war die Nacht, die alles Licht zu verschlingen gedroht hatte.

Doch dann hatte der Tag begonnen, die Nacht zu erhellen.

Fye konnte sich nicht mehr daran erinnern, wann ihm das erste Mal bewusst geworden war, dass er sich in den Griesgram verliebt hatte, aber ihm war das Gefühl in Erinnerung geblieben, das er gehabt hatte, als er es bemerkt hatte. Eine Mischung aus bodenlos tiefer Erschütterung und himmelhoher Glückseligkeit. Es hatte ihn fast zerrissen. Noch mehr, als es sich abzeichnete, dass Kurogane seine Gefühle tatsächlich zu erwidern schien.

Doch den Ninja hatte es nie zerrissen. Die ganze Sache war typisch für ihn. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, zog er es auch durch. Egal, was die Umstände oder andere dazu zu sagen hatten. Es war mehr als überraschend für Fye gewesen, dass Kurogane offenbar kein Problem mit der Tatsache hatte, dass sie beide Männer waren. In beiden Ländern, in denen Fye gelebt hatte, waren solche Männer verachtet gewesen; „unheilvolle Verbindungen“ hatte man es dort genannt. Und so hatte es ihn herzlich wenig gewundert, dass er, der Unheil bringende Zwilling, sich natürlich in einen Mann verliebt hatte. Selbst wenn er nicht mit dem Auftrag auf die Reise geschickt worden wäre, den Ninja umzubringen, er war seit dem ersten Erwachen ihrer gegenseitigen Gefühle der festen Überzeugung gewesen, dem Anderen so oder so Unheil zu bringen.

Fye hatte immer mal wieder darüber nachgedacht, Kurogane danach zu fragen, wie man denn in Nihon über ihre Beziehung denken würde, aber er ließ es jedes Mal sein. Zum einen weil er ihn nicht erzürnen wollte (da er sich mal wieder zu viele Gedanken um etwas machte – und Kuro-sama hasste es, wenn er dies tat), zum anderen weil er ahnte, dass Kurogane eh jeden, der etwas gegen sie sagte, in den Boden stampfen würde.

Manchmal überkam Fye die Angst, dass ihm dieses Glück, das er nun empfinden durfte, wieder entrissen werden könnte. Doch immer, wenn ihn diese Ängste überkamen, bemerkte Kurogane dies, ohne dass er ein Wort darüber verlieren musste.

Beruhige dich, ich bin da.“

Mehr musste er nie sagen. Mehr brauchte es nicht, um sein verängstigtes Herz wieder zu besänftigen. Und Fye verstand bis heute nicht, warum er für den Anderen ein so offenes Buch war. Warum er nichts vor ihm verbergen konnte. Selbst damals in Yama, als sie eigentlich noch nicht so viel Zeit zusammen verbracht hatten und Fye von der erzwungenen Stille und anfänglichen Einsamkeit um ihn herum an seine Kindheit in dem eisigen, leblosen Tal erinnert worden war und dies ihn so sehr mitgenommen hatte. Obwohl er sich wirklich Mühe gegeben hatte, sich nichts anmerken zu lassen, hatte der Ninja es bemerkt und sich umgehend darum gekümmert. So wie Kurogane sich um alles gekümmert hatte. Egal, was für einen Mist er selbst gebaut hatte. Egal, wie schlimm es wurde, Kurogane war da gewesen, hatte ihn verteidigt, ihm sein Blut gegeben, ihn davon abgehalten, sich selbst zu richten, getan, was er nicht hatte tun können, seinen Arm für sein Leben gegeben und ihn gerettet, gerettet, gerettet.

Selbst als er versucht hatte, wieder Distanz zwischen sie zu bringen, hatte Kurogane sich nicht von ihm abgewandt. Selbst als er immer mehr Selbsthass und Ekel für sich empfunden hatte, hatte Kurogane nicht aufgehört, an ihn und ihre Liebe zu glauben. Fye verstand es nicht, womit er so viel Liebe verdient hatte, doch er war froh, sie zu erhalten und selbst geben zu können. Selbst nach all der Zeit, die sie seit ihrer Weiterreise zusammen verbracht hatten, lebte das Wunder ihrer Liebe weiter fort.

Langsam, sehr langsam begann Fye, die aktuelle Umgebung um ihn herum wieder wahrzunehmen. Ihm war klar, dass er geträumt hatte, weil er nicht bei Bewusstsein war und er hoffte inständig, dass das alles war und es kein 'auf der Schwelle des Todes'-Traum gewesen war.

Ah, ja, rief er sich ins Gedächtnis, das Wasser, das aus dem Nichts gekommen war, hatte sie fortgespült. Das Letzte, woran er sich erinnern konnte, war dass Kurogane ihn gegriffen hatte und ihn trotz der Wassermassen und der starken Strömung festgehalten hatte. Er spürte seinen Arm immer noch um sich. Das war ein gutes Zeichen. Ein viel besseres war das ihm so sehr vertraute und von ihm vergötterte Geräusch von Kuroganes Herzen, wie es gleichmäßig schlug und ihm signalisierte, dass alles gut war.

Meeresrauschen drang an sein Ohr.

Mit Mühe öffnete Fye seine Augen und konnte nicht anders als erleichtert zu lächeln. In Kuroganes anderem Arm lag Shaolan und auch wenn der Junge verletzt und ohnmächtig war, er lebte und es gab nichts Wichtigeres als das.

„Fye ist wach! Fye ist wach!“ Und Mokona ging es anscheinend auch gut. Sie hüpfte aufgeregt auf Kuroganes Bauch auf und ab.

„Hrrrrgh! Hör auf mit dem Gehopse!!“

Ein erleichterter Seufzer entwich Fyes Lippen. Seine Familie war lädiert, aber am Leben.

 

Als Fye das nächste Mal erwachte, war es auf seinem Bett in dem kleinen Haus, das sie auf Niraikanai bezogen hatten. Kurz nachdem sie am Strand zu sich gekommen waren, waren Sakon und Ukon zu ihnen geeilt und hatten in Windeseile damit begonnen, ihre Wunden zu verarzten.

„Zuerst der Junge!“, hatten er und Kurogane gleichzeitig ihnen zugerufen. Und während Sakon sich Fyes Verletzungen gewidmet hatte, hatte Kurogane ihn keine Sekunde lang aus den Augen gelassen. Das Gesicht, das der Ninja gemacht hatte, als Sakon sich angeschickt hatte, den Magier in ihr Haus tragen zu wollen, war ein Bild für die Götter gewesen.

„Ich mach das“, hatte er den Helfer grimmig angefahren.

„Kuro-rin, du bist selbst verletzt, du solltest-“

„Willst du etwa lieber von diesem Kerl da getragen werden??“

Hastig hatte Fye den Kopf geschüttelt und seine Lippen zusammengepresst. Es wäre so schön und so einfach gewesen, Kurogane wegen seiner augenscheinlichen Eifersucht aufzuziehen, aber es war ganz bestimmt klüger gewesen, die Klappe zu halten. Eifersucht war nun ja wahrlich keine Tugend, aber Fye genoss es, dass der Andere so reagiert hatte. Und irgendwann kam mit Sicherheit die Zeit, ihn deswegen aufzuziehen.

Vorsichtig machte Fye Anstalten, sich aufzurichten. Er hatte bereits gesehen, dass Shaolan im Bett neben ihm schlief und wollte sich nun vom Zustand des Jungen überzeugen. Wie es schien, war er selbst wohl recht glimpflich davon gekommen. Seine Arme taten momentan am schlimmsten weh und auch sein Kopf hatte wohl etwas abbekommen und so wunderte es ihn wenig, dass sein Aufstehen mit etwas Ächzen verbunden war.

„Was glaubst du, was du da machst?“

Der Blondschopf saß jetzt in seinem Bett und schaute direkt zu der Quelle der vorwurfsvollen Frage. Der Anblick zauberte ein unwillkürliches Lächeln auf sein Gesicht.

Es war so typisch. So unglaublich und fabelhaft typisch für ihn.

Kurogane saß, den eigenen Verletzungen zum Trotz, auf der Veranda, von wo aus er die Betten und natürlich die darin ruhenden Personen im Blick behalten konnte. Und er war nicht glücklich darüber, dass Fye aufstehen wollte. Der Magier setzte sich langsam an den Rand seines Bettes, um von dort Shaolans Verfassung zu begutachten. Mokona lag neben dem Jungen und kämpfte mit der eigenen Müdigkeit.

„Fye“, hauchte sie leise, als sie zu ihm hinaufblickte „geht es dir wieder besser?“

„Ja, sehr viel besser. Und dir, Mokona?“

„Mokona ist unverletzt. Auch wenn Mokona fast zerquetscht worden wäre.“

„Pah“, kam es von der Veranda.

„Was ist mit Shaolan?“

„Er ist noch nicht aufgewacht.“ Ihre Augen fielen, während sie sprach, immer wieder zu.

„Du musst dich auch ausruhen“, sagte Fye sanft.

„Nein, Mokona … bleibt wach … bis … Shaolan wieder ...“

„Wir passen auf ihn auf“, entgegnete der Magier mitleidsvoll. 'Tapfere, kleine Mokona', dachte er gerührt und ergänzte mit einem innerlichen Lachen: Jeder von ihnen war auf seine eigene Weise ein Sturkopf.

„Mokona … will auch … aufpass … zzzzzzzz.“

„Tsk. Toller Aufpasser.“ Fye erhaschte das flüchtige Grinsen auf Kuroganes Gesicht, als er dies sagte. Offenkundig hatte auch ihn die Standhaftigkeit ihrer kleinen Begleiterin gerührt.

Shaolans Wunden schienen alle bestmöglich versorgt zu sein und Fieber schien er auch nicht zu haben wie Fye erleichtert feststellte, als er eine Hand nach der Stirn des Jungen ausstreckte und dort die Temperatur fühlte. Dann musste er nur noch nach einem sehen, um wirklich beruhigt zu sein. Auf wackligen Beinen und unter dem wachsamen Blick des Ninjas bewegte der Magier sich schwankend zu dem Platz, an dem seine bessere Hälfte saß.

„Was wird das?“

„Ich muss mir doch ansehen, wie es meinem Ehemann geht“, erklärte Fye und ächzte erneut, als er sich vor ihm niederließ. Besagter Mann bedachte ihn mit einem Grummeln und dem dazugehörigen gereizten Blick, als er dies sagte, aber Fye wusste, dass dies nur Show war. Genau wie bei den Spitznamen. Dem Ninja gefiel es, so genannt zu werden, allerdings würde er dies nie offen zugeben. Es wäre auch seltsam, dachte der Blonde, wenn er sich plötzlich nicht mehr darüber aufregen würde. Für Außenstehende war dies nicht ersichtlich, aber für ihren kleinen Kreis war es deutlich, dass diese Routine eine Art Liebesbekundung war.

Spitznamen fallen lassen.

Aufregen.

Herzlich darüber lachen.

Schmollen.

Und das Ganze von vorn.

Das waren sie. Das war ihre Art, dem Anderen zu sagen, dass sie sich etwas bedeuteten.

Als Fye Abstand zu Kurogane hatte gewinnen wollen – nein, er hatte ihn verletzen wollen, um ihn von sich wegzudrängen - hatte er genau dies als Waffe gegen ihn eingesetzt und ihn nur noch bei seinem vollen Namen genannt. Fye hatte damals gespürt, wie sehr dies den Dunkelhaarigen getroffen hatte und war selbst erschrocken darüber, wie sehr er ihn damit hatte verwunden können. „So sehr liebst du mich?“, hatte der Magier sich damals immer und immer wieder und mit wachsender Verzweiflung gefragt. „Hör auf damit. Um deinetwillen, hör auf damit.“

Und jetzt nannte er ihn seinen Ehemann.

Was im Übrigen, genau wie die „Papa-Sache“, Mokonas Schuld (Verdienst?) war. Denn sie hatte damit angefangen und auch wenn Fye dies anfangs nur mitgemacht hatte, um Kurogane zu ärgern, war es ihm schnell bewusst geworden, dass er wirklich der Vater ihrer Gruppe war. Er hatte und würde sie immer alle mit seinem Leben beschützen und darauf achten, dass es ihnen gut ging. So wie jetzt. Auch Kuroganes neueste Marotte, ihm und Shaolan ständig so heftig die Haare zu wuscheln, war für den Ninja wohl eine Art, seine Liebe zu ihnen auszudrücken. Worte waren selten das Mittel seiner Wahl, obwohl Fye fasziniert davon war, wie treffend sein Geliebter Dinge mit wenigen Worten ausdrücken konnte. Und auch wenn er wie ein grober Klotz daher kam, wusste Fye um die Sanftheit, die dem Dunkelhaarigen innewohnte und die er für ihre kleine Familie exklusiv reserviert hatte.

Als Mokona ihm selbst damals die Rolle der Mutter zugewiesen hatte, hatte ihn dies wie alle Empfindungen, die er früher gehabt hatte, innerlich zerrissen. Ein Teil von ihm war mit Wärme durchflutet gewesen, bei der Vorstellung, er könnte für diese Kinder, für diese Familie ein liebender, fürsorglicher Elternteil sein. Doch, so hatte ihn der andere Teil aus diesen wohligen Gedanken gerissen, welche Mutter war darauf angesetzt, die Familie zu hintergehen und den Vater zu töten?

Nun konnten sie endlich die Familie sein, die Mokona damals im Scherz ins Leben gerufen hatte.

„Hey, was ist?“ Kuroganes alarmierte Frage holte ihn wieder in die Gegenwart zurück.

Den Kopf schüttelnd besah Fye sich den Anderen. Er schien nicht schwer verletzt zu sein. Aber … uh-oh, wütend.

„Woran hast du gerade gedacht?“ Das Grummeln ging bereits in Zorn über. Das war nicht gut. Kuro-rin sollte sich doch seinetwegen nicht so aufregen.

„Nur an etwas von früher.“

Oje, die Augen des Ninjas verengten sich bereits vor aufkommender Wut.

„Kuro-tan, du musst eins verstehen“, schickte Fye direkt hinterher. „Meine Vergangenheit ist nun mal ein Teil von mir, deswegen kommt sie manchmal an die Oberfläche. “

Das Grummeln ebbte zu einem unzufriedenen Brummeln ab. „Mir wäre es lieber, deine Vergangenheit würde unten bleiben.“

Der Blonde musste lächeln. Womit hatte er diesen Mann, der sich so sehr um ihn sorgte, nur verdient?

„Ein Teil von mir“, fuhr er fort, „wird immer in diesem kalten, eisigen Tal sein und sich nicht vorstellen können, dass mir jemals etwas Gutes widerfahren wird. Damit musst du leben, auch wenn es dir nicht gefällt. Das heißt aber nicht, dass ich in der Vergangenheit lebe. Ich bin hier bei euch. Ich bin hier bei dir.“ Um seiner Aussage Nachdruck zu verleihen, gab er dem Anderen einen Kuss. Und freute sich, wie dadurch der Zorn des Ninjas verrauchte.

„Es ist eigentlich ziemlich unfair“, ergänzte Fye leicht schmollend.

„Was?“

„Dass ich für dich immer ein offenes Buch bin und ich dich nicht so einfach lesen kann.“

Ein selbstgefälliges Grinsen legte sich auf Kuroganes Gesicht. „Tja, du hast ja genügend Zeit, das noch zu üben.“

„Um der Kinder willen hoffe ich aber, dass unsere Reise irgendwann zu Ende sein wird.“ Fye sah kurz zur schlafenden Gestalt Shaolans, dann zurück zu dem Mann vor ihm.

„Und?“ Kurogane zuckte mit den Schultern. „Dann übst du eben weiter, wenn wir in Nihon sind.“

Fyes Augen weiteten sich leicht, als er dies hörte. Es war bisher noch nie zur Sprache gekommen, aber er hatte gehofft, dass er diese Worte irgendwann hören würde.

„Wir müssten aber das Wollknäuel mitnehmen“, ergänzte der Ninja. „Du bist eine Katastrophe, was Fremdsprachen angeht.“

Der Magier starrte seinen Geliebten einen Moment lang schweigend an, ehe er seinen Mut zusammen nahm. „Und … es würde niemand in Nihon etwas gegen … uns sagen?“

Oje! Der „gleich-gibt-es-Hiebe-Blick“ schon wieder! Doch Kurogane blieb ansonsten ruhig.

„Mach dir nicht immer um alles irgendwelche Gedanken. Vertrau einfach darauf, dass alles gut wird.“

Fye spürte, wie sich bei diesen Worten dieses wohlige Gefühl wieder in ihm ausbreitete, sein Herz vollständig in Beschlag nahm und sich schließlich in einem Lächeln in seinem Gesicht offenbarte.

Wie sehr Kurogane ihn verändert hatte. Nein, wie sehr ihre Liebe alles verändert hatte.

„Ja. Darauf will ich vertrauen.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Den Song von Fort Atlantic wollte ich schon so lange mal für eine Fanfiction verwenden. Jetzt weiß ich endlich, dass es Fyes und Kuro-pons Lied ist. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hat zufällig jemand von euch die deutsche „Tokyo Revelations“-OVA und möchte sie verkaufen? Oder mir mal (über den Postweg) ausleihen? Ich kann nur sagen, dass ich sehr vertrauenswürdig bin. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Das „Fiut“ für Fyes Pfeifen habe ich aus dem Manga übernommen. ;) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ein Kapitel wird es noch geben und ich dachte mir, Fye sollte das letzte Wort haben. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Und das war meine erste Geschichte zu Tsubasa Chronicle! Mir hat es Spaß gemacht und ich werde Fye und Kurogane immer lieben – und vielleicht irgendwann noch einmal zu ihnen zurückkehren. Ich bedanke mich fürs Lesen und hoffe, euch hat es auch gefallen.
Ich hatte im TC-Fandom kaum auf Kommentare zu hoffen gewagt, aber Lady_Ocean hat mir das Gegenteil bewiesen. Noch einmal vielen Dank dafür! ^^ Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (6)

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Von:  Lady_Ocean
2021-07-21T06:14:12+00:00 21.07.2021 08:14
Reichlich spät, aber jetzt hatte ich endlich Zeit, den Epilog zu lesen. Schöne Idee, den aus Fyes Perspektive zu schreiben. Er sinniert sehr viel über sich selbst, seine Entwicklung, und auch das Verhältnis zwischen ihm und Kurogane. Den Vergleich mit Tag und Nacht, den er dabei zieht, finde ich sehr schön. Wie die beiden außen und innen so grundverschieden und eigentlich genau umgekehrt sind. Das trifft es sehr gut.
Fye ist im Laufe der Zeit sehr mit sich ins Reine gekommen. Respekt, dass er seine Vergangenheit inzwischen als Teil seines Selbst zu akzeptieren gelernt hat, ohne sich aber davon versklaven zu lassen. Vielleicht werden die Erinnerungen an all die Qualen in Ceres im Laufe der Zeit verblassen. Verschwinden werden sie sicher nie, aber vielleicht weniger oft an die Oberfläche treten und mit weniger Angst verbunden sein. Kurogane muss solch eine Phase ja auch irgendwann mal durchgemacht haben. Der Mord an seiner Familie war ein ebenso traumatisches Erlebnis. Aber Kurogane ist von seiner ganzen Art her ja durch und durch ein Pragmatiker und hat seine Vergangenheit wahrscheinlich schon deutlich früher als Teil von sich akzeptiert, als Fye das gelungen war. Gut, die Ausgangsbedingungen waren für Kurogane auch deutlich besser. Er musste nicht in einer scheinbaren Ewigkeit in solch einem Turm verrotten. Er ist nicht von FWR ausgenutzt worden. Dass Tomoyo ihn da rausgeholt hat und ihm eine Umgebung zurückgegeben hat, in der er akzeptiert und gebraucht wurde, half seinem Verarbeitungsprozess sicher sehr.
Und klar reagiert Kurogane griesgrämig auf die Frage, ob man ihre Beziehung in Nihon akzeptieren würde. Und klar macht er Fye klar, dass er gar keine Gegenmeinung dulden würde. ^^ Jeder, der Kurogane kennt, weiß das. Und es war witzig, wie Fye im Prinzip selbst vorhergesagt hat, wie Kurogane in solch einer Situation reagieren wird.

Wie gesagt, die Geschichte ist wirklich eine schöne Ergänzung all der ungesagten, ungezeigten Dinge, die sich in TRC (und Nirai Kanai) abgespielt haben. Echt schön in die Geschichte integriert. Ich hoffe, dass noch mehr Leser hierauf aufmerksam geworden sind und Gefallen an diesem zusätzlichen Handlungsstrang gefunden haben. :)
Antwort von:  rokugatsu-go
22.07.2021 11:44
Ich danke dir vielmals für dein liebes und ausführliches Review! Das freut mich sehr, dass dir der Schluss gefallen hat. ^^
Deine Überlegungen zu Kurogane decken sich sehr mit meinen. Wie du es auch sagst, glaube ich, dass Kurogane sehr viel gefestigter ist, weil er sozusagen aufgefangen wurde und sich um ihn gekümmert wurde, während Fye viel zu lange auf sich allein gestellt war und da ewig gar keine Verarbeitung seiner Erlebnisse stattgefunden hat. Das muss er jetzt alles noch mit der Hilfe der anderen nachholen.

Ich bin froh, dass mein erster Versuch einer Tsubasa Chronicle Geschichte gut angekommen ist. Vielen Dank noch einmal, dass du meine Geschichte gefunden und gelesen und mir das in deinen Kommentaren auch mitgeteilt hast! Da weiß ich, dass es sich gelohnt hat, die FF hier hochzuladen. ^^
Und es ist so schön, dass es immer noch TC-Fans gibt! ^_^
Antwort von:  Lady_Ocean
22.07.2021 15:14
Ich freu mich auch immer riesig, wenn ich noch den ein oder anderen Gleichgesinnten antreffe, dem TRC und das Pairing KuroFye nach all den Jahren ebenfalls noch so sehr am Herzen liegt wie mir. Unsereins ist ja mittlerweile echt rar geworden *g*. ^^ Und auch wenn es schade ist, dass generell nicht mehr so viele Leute kommentieren - ob nun bei Fanarts oder Fanfics oder Doujis - man muss sich wohl auch damit abfinden und sich freuen, wenn die eigenen Werke trotzdem noch einen kleinen Kreis an Fans erreichen, was? Ich tu mich mit dem Gedanken immer noch schwer.
Von:  Lady_Ocean
2021-06-26T13:06:16+00:00 26.06.2021 15:06
Erst mal hast du mich mit dem Beginn dieses Kapitels total überrumpelt. Ich ging total davon aus, dass wir zumindest in Nihon noch einen Zwischenstopp einlegen, wo die zwei sich aussprechen, weil sich dort ja so viel für sie geändert hatte. Daher habe ich nach dem ersten Absatz erst mal in die Kapitelübersicht zurückgeschaut und geguckt, was ich verpasst hab. XD
Aber diese Aussprache hier in Clow war genial. Und passt total gut zu den beiden. Dass Kurogane nach wie vor so empfindlich auf aufgesetzte Mimik reagiert. Seine grenzenlose Un-Romantik. Und dass beide doch auch recht gut zwischen den Zeilen lesen können. Und: Ich denke, Kurogane redet sich in Sachen Gefühlen auch ein bisschen ein, dass er so ein starker, abgeklärter Ninja ist, als er die Initiative zu diesem Gespräch fast vollständig Fye überlässt. Die einzige Andeutung, die er in die Richtung, dass er Gefühle für Fye hat, macht, ist, dass nicht alles gelogen war (Hilfe, so viele Kommas). Bei allem anderen wartet er darauf, dass Fye die zeichen richtig deutet und den Weg weiter beschreitet. Mokona hätte ihn bestimmt als Feigling tituliert. ;)
Und ich denke auch, dass Fyes eindeutige Zweideutigkeit am Ende auch in erster Linie einfach nur darauf abgezielt hatte, Kurogane zu ärgern. Shaolans peinlich berührte Reaktion hat ihn sicher auch sehr erfreut, aber das war garantiert nichts im Vergleich zu Kuroganes bodenloser Scham, die er sich nur allzu lebhaft vorstellen konnte, auch wenn er ihm während des Gesprächs mit den Kindern den Rücken zugedreht hatte.
Jedenfalls war das echt ein herrliches Ende für die Fanfic! :D
Antwort von:  rokugatsu-go
01.07.2021 11:53
Vielen Dank für deine lieben Worte! Das freut mich ungemein, dass dir das Kapitel gefallen hat. ^__^
Die Verwirrung tut mir leid, ich hatte schon geahnt, dass das passieren könnte, aber ich wollte Nihon auslassen und das klärende Gespräch in Clow stattfinden lassen, wenn wirklich alles vorbei ist.
"Grenzenlos unromantisch" finde ich eine schöne Beschreibung für Kurogane. *lach* Ich bin froh, dass die beiden in ihrem Gespräch IC rüberkommen. Ich weiß nicht, wie andere das sehen, aber ich kann mir nur schwer vorstellen, dass Kurogane tatsächlich so etwas wie "Ich liebe dich" zu Fye sagen würde. Kuro-pon ist eben ein Mann der Taten. Und emotional etwas unbeholfen. Also, ja, Mokona würde ihn definitiv einen Feigling nennen. ;)
Kann ich an dieser Stelle sagen, dass mir der Schluss des Kapitels diebische Freude bereitet hat? Fye Kurogane ärgern zu lassen, macht Spaß, das ist ein Fakt. XD
Es wird übrigens noch ein Kapitel geben, sozusagen als Bonus, weil Fye so schrecklich wenig Text hatte und seine Sicht der Dinge bisher zu kurz gekommen ist. ;)

Noch einmal vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar! Ich weiß das sehr zu schätzen! ^^
Antwort von:  Lady_Ocean
01.07.2021 14:23
Ich finde, die Verwirrung muss nicht unbedingt was Schlechtes sein! Geschichten sind doch langweilig, wenn man immer weiß, was als nächstes passiert. Man will doch überrascht werden. ;) Überraschendes bleibt länger im Kopf. Und über so was unterhält sich die Leserschaft ja letztlich. Die besten Szenen und Charaktere sind die kontroversen, finde ich.

Das merkt man, dass dir das Kapitelende so viel Freude bereitet hat. Und ich glaube, uns KuroFye-Fans geht es da allen so. ^^

Ja, ist echt schade, dass das Kommentieren im Verlauf der Jahre auf Animexx so eingeschlafen ist, was? Bei Fanarts auch. Ist erschreckend, wie wenig Feedback ALs nur noch bekommen. :( Dabei freut man sich als Autor oder Zeichner doch so sehr, wenn die Leser ihre Freude und Gedanken mit einem teilen. Man schreibt ja für andere. Sonst würde man seine Werke nicht veröffentlichen (geht mir jedenfalls so).
Von:  Lady_Ocean
2021-06-13T12:00:13+00:00 13.06.2021 14:00
Aaaaah. Jetzt ordne ich die ganze Geschichte ganz anders ein als vorher. Ich dachte erst, es wird 'ne Alternativ-Erzählung, beginnend bei Yama, oder es bleibt alles in Yama. Aber du zeichnest den ganzen Verlauf der Ereignisse aus Kuroganes Sicht nach, bis Nihon, würde ich vermuten. Und das passt vom Setting her auch echt gut.
Tut mir leid, dass ich die letzten Kapitel nichts geschrieben hab. Einige Stellen waren etwas abgeschflacht (ins Klischee abgedriftet) und ich wusste nicht, wie ich das aufnehmen oder ob ich was dazu anmerken sollte und falls ja, wie. Daher bin ich mit meinen Gedanken irgendwie nicht vom Fleck gekommen. Vor allem, weils zeitlich die letzten Monate grad ganz, ganz schwierig bei mir aussieht (irgendwie hab ich entweder Fieber oder ertrinke in Arbeit. Ist das dritte Mal seit Ende April, dass ich Antibiotika und ein fiebersenkendes Mittel vom Arzt bekommen habe... -.-) Aber ich wollte und will trotzdem weiter dranbleiben mit dem Lesen. :)
Antwort von:  rokugatsu-go
16.06.2021 13:19
Ah, tut mir leid, dass es dir nicht gut geht. Ich wünsche dir, dass du möglichst bald wieder besser dran sein wirst!

Wenn dir etwas nicht gefallen hat, dann kannst du mir das natürlich auch mitteilen (aber nett, bitte ^^°). Es ist wie gesagt meine erste TC-FF und ich bin für konstruktives Feedback dankbar.
Es freut mich auf jeden Fall, dass du trotz allem weiterliest und mir sagst, dass du noch dabei bist. ^^
Von:  Lady_Ocean
2021-05-02T13:17:58+00:00 02.05.2021 15:17
Ach, wie schön! Ich freu mich immer total, wenn es mal was Neues von TRC zu lesen gibt UND wenn es dann auch noch gut gemacht ist! Du schreibst fehlerfrei und dein Stil mit seiner Prise Ironie ist erfrischend und passt gut zu Kurogane. Beim Lesen war ich die ganze Zeit über gespannt, wie schnell sich der Storybogen wohl entfalten wird, wie lang die Geschichte wohl in etwa werden könnte. Einen Epos vermute ich hinter diesem Prolog nicht, aber doch eine Entwicklung über mehrere Kapitel hinweg und ich freu mich schon riesig auf die kommenden! ^^
Antwort von:  rokugatsu-go
05.05.2021 14:29
Ich freue mich, dass außer mir noch jemand Interesse an TRC hat! ^^
Vielen Dank für deine lobenden Worte! Es ist wie gesagt meine erste FF zu TRC und ich bin daher noch recht aufgeregt, wie sie ankommen wird. Ich bin schon mal sehr froh, dass dir der Anfang gefallen hat. ^__^
Du vermutest schon richtig, ein Epos wird es nicht, aber ein paar Kapitel sind es doch. ;)


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