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Fäden des Schicksals

von

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Die Königin der Götter

Die drei schwerfälligen Zyklopen und der Schmiedegott hatten sich wahrlich selbst übertroffen. Zeuxis zählte mindestens fünfzehn Blitze, jeder davon mit einer solch spürbaren Macht ausgestattet, dass er felsenfest davon überzeugt war, seinen Vater damit stürzen zu können. Doch damit nicht genug: Sie hatten ihm einen Behälter, einem Köcher gleichend, für diese mächtigen Waffen geschaffen. „Για τον νέο βασιλιά των θεών“ war darin eingraviert worden. (Für den neuen König der Götter)
 

Zeuxis nahm sein Geschenk lächelnd entgegen und hing es sich um die Schulter. Das Metall war erstaunlich leicht und warm. „Ein wahrhaftig prächtiges Geschenk, Söhne der Gaia und mein Bruder; das habe ich nicht verdient.“
 

Lachend klopfte ihm der Schmiedegott auf die Schulter. „Nun nimm deine Blitze entgegen, kleiner Bruder.“
 

Zeuxis streckte zögernd die Hand aus um das Blitzbündel an sich zu nehmen. Als seine Fingerspitzen die mächtigen Waffen berührten, durchfuhr ihn ein angenehmes Kribbeln. Entgegen seiner Erwartung schmerzte es nicht einen Blitz zu halten, im Gegenteil: Es fühlte sich gut an. Niemand im Universum besaß eine so kraftvolle Macht wie der junge Gott. Nicht einmal Zeus selbst konnte sich ihm nun noch in den Weg stellen.
 

Sorgsam verstaute er die Bündel im Köcher und ließ seinen Mantel darüber gleiten. Es galt nun den letzten Schritt zu machen, bevor er sich seinem Vater stellen konnte. Zeuxis´ Blick wanderte zu Hephaistos, der ihn erwartungsvoll anschaute. Auch wenn er hässlich sein mochte, so besaß er ein reines Herz, genauso wie die Zyklopen.
 

„Hephaistos, wo kann ich deine Mutter treffen?“ Die Stimme des Sohnes der Metis war erstaunlich fest, dafür, dass er dieses Treffen so lange aufgeschoben hatte. Hera zu überzeugen würde schwieriger werden als beim Rest. Auch wenn sie die Seitensprünge ihres Mannes hasste, so hasste sie die Blagen des Zeus noch viel mehr; außerdem war der Göttervater der Garant dafür, dass sie an der Macht blieb.
 

„Meine Mutter?“ Der Schmiedegott schien nicht zu verstehen. Auch er wusste ob der Aversion Heras gegenüber Zeus´ illegitimen Kindern, zumal manche davon stärker und mächtiger waren als ihre eigenen. Sich mit ihr zu treffen konnte den sicheren Tod bedeuten, selbst wenn der Göttervater nicht einschritt.
 

„Ohne deine Mutter kann ich die Welt nicht neu ordnen, Bruder. Hera ist die Einzige, die nahe genug an unseren Vater herankommt, um mir zu helfen.“
 

Hephaistos zögerte. Etwas schien ihm auf den Lippen zu liegen, doch er wollte oder konnte es nicht aussprechen. Zu oft hatte man ihn ob seiner Pläne verlacht. Nicht einmal seine eigene Mutter hatte ihn zu Beginn auf dem Olymp behalten wollen. Ohne seine handwerklichen Fähigkeiten wäre er heute noch, lahmend, im Reich der Sterblichen gefangen, dazu verdammt, sein Dasein als Ausgestoßener unter Ausgestoßenen zu fristen.
 

„Was möchtest du mir denn sagen?“, fragte Zeuxis lächelnd. Der junge Gott mochte seinen Bruder. Dieser war trotz seiner äußeren Erscheinung, äußerst freundlich, hilfsbereit, warmherzig und dankte einem ein bisschen Zuneigung hundertfach.
 

„Deine Schwester könnte auch nahe genug an den Göttervater gelangen.“
 

Zeuxis hatte diesen Gedanken bereits mehrmals gesponnen. Athene war ihm und ihrer Mutter sicher verbunden, doch, im Gegensatz zu ihnen, genoss sie ein Leben an der Seite des Göttervaters. Sie war sein Lieblingskind. Athene hatte, ohne eine Strafe fürchten zu müssen, Prometheus in den Götterpalast gelassen. Sie war die Göttin der schönsten und mächtigsten Stadt Griechenlands. Sie wurde geliebt, verehrt, vergöttert. Zahllose Helden beriefen sich auf sie, unter anderem der listenreiche Odysseus. An was mangelte es Athene schon? Sogar Hera hatte an ihrer Seite gegen Troja gekämpft. Sie zum Verrat am Vater zu überreden war unmöglich.
 

„Ich behalte diese Möglichkeit im Hinterkopf, Bruder. Zuerst möchte ich aber mit deiner Mutter sprechen.“
 

Hephaistos zögerte erneut. Man konnte ihm die Sorge um seinen kleinen Bruder direkt vom Gesicht ablesen. Der junge Gott war gerührt – wenn er erst einmal die Welt neu geordnet hatte, würde er den Schmiedegott an seine Seite holen. Neben Persephone war er ihm bisher das Liebste seiner göttlichen Geschwister gewesen.
 

„Auf Peleponnes, in Olympia, steht ein Heraion, eine Wirkstätte meiner Mutter. Die Sterblichen erzählen sich, sie würde dort ab und an persönlich erscheinen. Wenn du sie wirklich treffen möchtest, ist dies dein bester Anlaufpunkt.“
 

Zeuxis nickte dankend und hob danach die Hand zum Abschied. „Wenn ich erfolgreich bin Hephaistos, verspreche ich dir ein besseres Leben, eine größere Schmiede und vor allem die Wertschätzung, die du verdienst.“
 

Ehe sich der junge Gott gewahr war, hatte ihn der Schmiedegott fest in seine Arme geschlossen. Ein letztes Mal drückte er seinen kleinen Bruder, bevor er sich, mit den Zyklopen, wieder an die Arbeit machte, um weitere Rüstungen, Waffen und Geschmeide herzustellen.
 

Der Weg nach Olympia war recht ruhig verlaufen. Der Köcher schirmte die Macht der Blitze ab und so wussten weder die Sterblichen, noch die Götter, allen voran Poseidon, auf dessen ruhigen Wellen er trieb, dass sich ein Gott in ihrer Mitte befand.
 

Olympia selbst war eine kleine Stadt die vor allem für die jährlich abgehaltenen Spiele berühmt war. Einmal bei den olympischen Spielen zu siegen bedeutete, in die Annalen der Geschichte einzugehen. Die nächsten Meisterschaften fanden erst in gut einem halben Jahr statt, deshalb war die Stadt auch vergleichsweise leer und ruhig. Zeuxis hatte sowieso keine Augen oder Gedanken für die Sterblichen in seiner Nähe. Es ging ihm nur mehr darum Hera zu überzeugen, und die Welt, und vor allem seine Schwester Persephone, die er, wie er sich mittlerweile sicher war, genauso liebte, wie es sein Vater tat, aus der Unterwelt zu befreien.
 

Hephaistos hatte nicht gelogen. Es gab tatsächlich ein Heraion auf Peleponnes. Das Bauwerk war aber verhältnismäßig klein und schmucklos, verglichen etwa mit dem Orakel von Delphi. Sicher, der weiße Marmor war kunstvoll bearbeitet worden, doch ansonsten wirkte der Tempel mehr wie eine bessere Wohnstätte in günstiger Lage, denn einer Kultstätte für die Königin der Götter. Auch fanden sich weder Wachen, Bittsteller, noch sonstige Menschen in der Nähe.
 

„Sie erwartet mich wohl bereits“, ging es dem jungen Gott durch den Kopf, der die Zedernholztür einen Spalt öffnete, hindurchschlüpfte, und wieder verschloss. Man hatte in der Schräge einige, fensterartige Löcher gelassen, die so das Sonnenlicht von außen hereinließen. Im Halbdunkel konnte Zeuxis wenig erkennen, zumindest bis sich seine Augen daran gewöhnt hatten. Doch auch ohne seinen Sehsinn konnte er die ungeheure Macht spüren, die diesem Gemäuer innewohnte.
 

„Ein weiterer Bastard also“, riss ihn eine strenge Frauenstimme aus seinen Gedanken.
 

Die Energie die erfühlte, ging nicht vom Heraion aus, sondern von der verehrten Göttin Hera. Diese logierte auf einem kunstvoll geschnitzten Thron. In der rechten Hand hielt seinen silbernen Pokal mit einem glitzernden, grünen Juwel in der Mitte des Kelches.
 

Hera war auch schön, doch anders als Persephone oder Aphrodite. Sie wirkte streng, launisch und unnachgiebig. Mit ihr war sicherlich nicht gut Kirschen essen, und es wunderte Zeuxis, dass er es überhaupt ins Heiligtum geschafft hatte. Auch wenn er von keiner Falle ausging, so blieb doch ein leichtes Unbehagen, als er näher an die Göttin der Ehe herantrat.
 

„Königin der Götter…“, begann er, wurde aber gleich unterbrochen.
 

„Sparen wir uns die Schmeicheleien. Du bist also hier um meinen Mann abzulösen?“ Ihre Stimme war genauso streng wie ihr Antlitz, noch dazu barsch und hart. Aus der Königin der Götter sprachen Bitterkeit und Schmerz. Zeus´ Seitensprünge mussten furchtbar an ihr nagen.
 

„Das bin ich, Stiefmutter.“ Warum er sie so nannte wusste Zeuxis selbst nicht. Das Wort war ihm einfach über die Lippen gekommen. Seltsamerweise lächelte die Göttin und nippte an ihrem Pokal, überschlug die Beine und setzte sich ein wenig auf, was den Stoff ihres schneeweißen Kleides ein wenig verrutschen ließ. Die braunen Haare bildeten einen starken Kontrast zur Kleidung, setzten ihr Gesicht aber ganz gut in Geltung.
 

„Die meisten seiner Blagen nennen mich anders“, schmunzelte Hera und nickte ihm zu, als Zeichen, dass er fortfahren möge.
 

„Gaia und Uranos haben prophezeit, dass ich den Göttervater stürzen werde. Ich bin bereit ihn abzulösen, aber dazu brauche ich deine Hilfe.“ Zeuxis wartete ab, doch Hera tat ihm nicht den Gefallen, auch nur irgendeine Reaktion zu zeigen, also fuhr er fort. „Ich möchte mich einer List bedienen, wie es Vater schon bei Kronos tat. Schwäche ihn mit einem Trunk, sodass ihn Ares in Schach halten kann.“
 

Hera hob die rechte Augenbraue an und stellte den Kelch auf einer der Thronlehnen ab: „Ares? Mein Sohn wird gegen seinen Vater nicht lange bestehen können, wenn es zum Zweikampf kommt. Nicht einmal geschwächt.“
 

Zeuxis nickte: „Das ist mir bewusst. Er soll ihn nur ablenken.“
 

Die Götterkönigin konnte nun ihre Neugierde nicht verbergen. Beim Sprechen rutschte sie ein wenig nach vorne: „Und die anderen Götter? Seine Brüder, und seine Kinder?“
 

„Persephone wird, davon gehe ich aus, Hades beschäftigen. Apollon ist zu sehr damit beschäftigt, seinen Sohn in die Arme zu schließen und Hephaistos ist in seine Arbeit vernarrt. Aphrodite wird sich nicht gegen ihren einstigen Liebhaber stellen. Artemis hält sich aus solchen Dingen heraus, solange ihr Bruder nicht eingreift. Wen hat Zeus noch? Poseidon, Hermes, Hestia, Dionysos und Demeter.“ Zeuxis Stimme war von dezentem Spott durchzogen, als er fortfuhr: „Die Ernte gedeihen zu lassen, genauso wie das Herdfeuer am Brennen zu halten, sind wohl kaum geeignete Maßnahmen, eine Invasion aufzuhalten. Poseidon ist ohne das Meer machtlos, und ich bin nicht dumm genug, ihn direkt herauszufordern, wenn er sich in seinem Element befindet. Es bleiben nur Hermes sowie Helios übrig. Für die Sonne habe ich mir bereits etwas überlegt, und Hermes, Stiefmutter, wirst du wohl in Schach halten können. Der Wein und die Spiele des Dionysos werden dich wohl auch nicht aufhalten, oder?“
 

Seine Worte verfehlten ihre Wirkung nicht. „Was erhalte ich dafür, dass ich dir helfe?“, fragte sie zuckersüß. Seine Stiefmutter war eine kalte, berechnende Frau, wie ihm jetzt schmerzlich bewusstwurde. Diese Frage hatte er mehr gefürchtet, als alles andere.
 

„Ein Leben für ein Leben – du kannst den Götterthron behalten, wenn du es wünschst.“ Er wusste, dass nichts Anderes den Ansprüchen der Göttin genügen würde. Man konnte ihr das Verlangen nach Macht direkt aus den Augen ablesen.
 

„Und deine Schwester?“
 

Zeuxis zögerte. Trotz allem war Athene seine Zwillingsschwester und er wollte einen Konflikt mit ihr vermeiden. „Ich hoffe, sie wird, genauso wie ich, lange genug zögern den anderen anzugreifen, auf dass sich mein Plan in die Tat umsetzen lässt.“
 

Hera verzog die Mundwinkel abfällig. „Wie glaubst du gegen deinen Vater bestehen zu können?“
 

In einer theatralischen Geste schlug Zeuxis seinen Mantel nach hinten und gab so das Blitzbündel in seinem Köcher preis. Die Augen der Göttermutter weiteten sich, als sie Blitz und Donner in physischer Form, so nahe wie nie zuvor, sehen konnte.
 

„Diese Blitzkeile sind geschmiedet von den Zyklopen und Hephaistos. Sie werden die meines Vaters mühelos zerbrechen. Ich bin ihm in einer direkten Konfrontation so überlegen.“ Dass er es nicht auf eine direkte Konfrontation anlegte verschwieg er seiner Stiefmutter.
 

„Blitz und Donner“, murmelte Hera, nahm ihren Kelch und nippte wieder daran.
 

„Ich brauche aber noch etwas von dir.“ Zeuxis ließ seinen Mantel wieder über das Blitzbündel gleiten und verbarg es vor den gierigen Blicken der Göttin. Diese schrägte den Kopf und wirkte überrascht. Sicherlich hatte sie schon genügend Komplotte gegen ihren Mann im Sinne gehabt, doch keines davon war so durchdacht gewesen, wie das von Zeuxis.
 

„Weißt du, wo der legendäre Pegasus grast?“ Das geflügelte Pferd war essentiell, um seinen Plan in die Tat umzusetzen.
 

„Pegasus? Wozu?“ Heras Blicke durchbohrten den jungen Gott, der ihnen geschickt auswich. Hera mehr anzuvertrauen, als nötig war, barg ein gewisses Risiko. Er entschied sich für eine Halbwahrheit.
 

„Ich kann mein Ziel nur fliegend erreichen, Hera.“
 

Die Göttin kniff die Augen zusammen und eine ganze Weile herrschte Stille, bevor sie in die Hände klatschte. Von draußen war ein lautes Wiehern zu hören.
 

„Hier hast du dein Ross.“
 

Zeuxis nickte dankend und atmete tief durch: „Ich beabsichtige in drei Tagen meinen Angriff zu starten. Wenn du den Götterkönig bis dahin schwächen kannst, werde ich erfolgreich sein, und du als Königin der Götter das Universum regieren. Die Sonne am Himmel wird sich verdunkeln und das Auge des Helios blutend am Firmament ragen. Das ist das Zeichen für den Angriff. Sammle was du sammeln musst, Göttermutter und ziehe auf deine Seite, wen du auf deine Seite ziehen willst.“
 

Hera richtete sich auf und stellte den Kelch beiseite. Ihr Blick wurde streng und fordernd. „Ich hoffe du bist erfolgreich Junge, und gedenkst nicht, mich zu betrügen. Meine Rache ist nämlich schnell und grausam.“
 

Zeuxis verbeugte sich, schlug die Kapuze über seinen Kopf und ging nach draußen. Hera hatte nicht gelogen: Das göttliche Pferd graste tatsächlich auf der Weide neben dem Heraion. Sein Fell war schneeweiß, genauso wie die Mähne. Man hatte es mit einem schönen Sattel bestückt. Langsam näherte sich der junge Gott dem Pegasus, der nicht scheute, sondern im Gegenteil, auf seinen Reiter zu warten schien. Zögernd sattelte er auf und trat dem Ross in die Flanken. Langsam erhoben sie sich in die Lüfte und zum ersten Mal in seinem Leben fühlte sich der junge Gott wirklich frei. Als Griechenland unter seinen Füßen dahinflog hinterfragte er noch ein letztes Mal seine Motive, bevor er sich auf den Weg machte.



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