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Schatten der Vergangenheit

von

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Kapitel XXX - Vertrauen

Immer wieder musterte er Aoko besorgt. Das schlechte Gewissen stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Mir geht es gut“, versicherte Aoko. Obwohl ihr der Kopf schon noch etwas brummte, fühlte sie sich gut.

„Es tut mir wirklich leid. Das war ein ganz dummes Versehen. Das mir so etwas passiert... nun ja, das Glück scheint ja zur Zeit nicht auf meiner Seite zu sein.“

Aoko blickte überrascht auf. „Wie meinst du das?“

„Zur Zeit scheine ich wirklich ein großer Idiot zu sein. Ich meine, Ran ist nicht gerade gut auf mich zu sprechen.“ Das Mädchen öffnete eben den Mund um etwas zu sagen, als er schon weitersprach und sie nicht zu Wort kommen ließ. „Wer kann es ihr schon verübeln, das war ziemlich dumm von mir.“

„Ist gar kein Ausdruck dafür“, bemerkte Aoko nun doch und erhielt einen überraschten Blick von ihrem Begleiter. „Du hast sie ganz schön verletzt. Erst machst du auf die große Liebe und am nächsten Morgen behandelst du sie wie Luft. Wer macht denn so was?!“

Nun ließ der Oberschüler den Kopf hängen. „Ich weiß und ich will es auch wieder gut machen, aber sie redet nicht mehr mit mir.“

„Was erwartest du? Dass sie vor dir auf die Knie fällt, wenn du mit ihr reden möchtest? Du musst dich schon ein bisschen anstrengen.“ Ihr Kopf brummte etwas stärker. War sie sein Beziehungsratgeber? Sie, die es selbst nicht mal mit einem Jungen auf die Reihe bekam? Er sollte lieber jemanden um Rat fragen, der Ahnung und Erfahrung hatte. „Hör mal, ich bin ganz bestimmt nicht der richtige Gesprächspartner für solche Themen. Aber wenn du unbedingt meine Meinung dazu hören möchtest...“

„Unbedingt!“

Sie musterte ihn argwöhnisch, doch dann seufzte sie ergeben. „Werde dir klar was du für sie fühlst. Und wenn du dir wirklich ganz sicher bist, dann steh zu deiner Entscheidung und mach Nägel mit Köpfen. Solltest du sie wirklich und ganz ernsthaft lieben, dann steh zu ihr!“

Shinichi runzelte die Stirn. „Ich liebe sie. Aber...“

„Kein aber, Kudo!“ Die Braunhaarige blickte ihn ernst an. „Ganz oder gar nicht.“

„Du weißt was mit dem Mädchen damals passiert ist?“

Aoko seufzte.

„Sie hat schriftliche Warnungen bekommen mit dem Hinweis sich von mir fernzuhalten. Als sie sich nicht daran gehalten, wurde sie geärgert. Ihre Hausaufgaben und ihre Schulbücher sind damals verschwunden. Danach wurde sie bedroht und sie haben versucht sie zu verletzen. Sie haben Gerüchte gestreut und die Mitschüler gegen sie aufgehetzt. Das ganze ging soweit, dass sie Angstzustände bekam und deswegen die Schule gewechselt hat.“

Aoko lief es kalt den Rücken hinunter. All das kannte sie zu gut und sie verstand das Mädchen besser als sonst jemand. Zum zweiten Mal durchlief sie schließlich nun die Hölle.

Shinichi senkte bedrückt den Kopf. „Ich möchte nicht, dass Ran so etwas erleben muss.“

„Glaub mir, das werde ich auch nicht zulassen“, versprach Aoko. „Diese Schlangen werden Ran ganz sicher nichts antun.“

„Du bist in der gleichen Situation, oder?“

Aoko sah erschrocken auf. Sie biss sich auf die Lippen, würde nun nichts mehr sagen, doch Shinichi klang aufrichtig besorgt. „Naja...“, zuckte sie nichtssagend mit den Schultern.

„Shiho und Akako sind nicht zu unterschätzen. Sie kennen so einige Leute – nicht ganz koscher sind. Gefährliche Leute. Ich selbst habe es zu spät bemerkt und hatte auch keinerlei Beweis für das Mobbing.“

Die beiden traten auf das Schwesternzimmer zu und klopften.

Die Schulschwester begrüßte sie und betrachtete Aoko aufmerksam. „Zur Zeit sehe ich dich oft“, stellte sie fest. Was ist denn dieses Mal passiert?“

„Es war meine Schuld. Ich habe einen Ball verschossen und Aoko am Kopf getroffen“, sprach Shinichi.

Die Schwester deutete dem Mädchen sich auf die Krankenliege zu setzen und führte einige Tests durch. „Es sollte dieses Mal glimpflich ausgegangen sein. Wenn du Schwindel oder Übelkeit bekommst, dann musst du aber bitte nochmal zum Arzt oder ins Krankenhaus, dann könnte es doch eine Gehirnerschütterung sein.“

Sie blickte den niedergeschlagenen Jungen an und lächelte aufmunternd. „Mein Eindruck ist, dass nichts dergleichen eintreten wird. Keine Sorge! Aoko wird keinen Schaden davon tragen.“ Schon drehte sie sich ihrem Schreibtisch zu um einen Bericht zu schreiben, hielt aber dann inne. „Ich muss einen neuen Block holen. Wartet bitte hier, ich bin gleich zurück.“ Schon verließ sie das Zimmer und ließ die beiden Oberschüler alleine zurück.

Shinichi beobachtete Aoko besorgt. „Kaito und ich sind noch nicht lange miteinander befreundet und wir haben uns eigentlich erst richtig über Shiho und Akako kennen gelernt. Ich weiß nicht was genau zwischen euch war, aber Kaito hat dich geliebt. Damals im Zoo, bevor Akako sich zwischen euch gedrängt hat, hätte ich schwören können, dass ihr ein Paar seid.“

„Wir waren nie ein Paar und Kaito hat mich auch nicht geliebt“, entgegnete Aoko. „Wir waren Freunde. Wir haben viel zusammen ausprobiert, aber Liebe war nie im Spiel.“ Teilweise gelogen, denn von ihrer Seite aus waren immer Gefühle für Kaito dabei – auch jetzt noch. „Ich weiß was dieses Mädchen durchgemacht hat. Ich bin in der gleichen Situation. Ich habe Warnungen erhalten, meine Hausaufgaben und Schulbücher sind verschwunden und ich werde bedroht. Alle Mitschüler zeigen mit dem Finger auf mich. Auf das Mädchen, dass Akako den Freund ausspannt. Immer wieder sagen sie: Ich soll mich von Kaito fernhalten. Aber er lauert mir die ganze Zeit auf. Ich kann ihm nicht ausweichen, denn immer wenn ich den Willen dazu aufbringe ihn zu ignorieren, provoziert er mich und fällt über mich her.“ Sie sah bedrückt auf. „Du bist sein Freund. Kannst du ihn von mir fernhalten? Wie heute morgen?“

Shinichi runzelte die Stirn. „Soll ich nicht lieber mit ihm reden?“

Aoko schüttelte bestimmt den Kopf. „Ich weiß nicht inwiefern er mit drin hängt und ich möchte ihm ungern in die Hände spielen.“

„Du glaubst wirklich, dass er...“, Shinichi konnte es nicht glauben.

Das braunhaarige Mädchen zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht was ich glauben soll und solange ich keinen Beweis für seine Unschuld habe, kann ich ihm nicht vertrauen.“

Shinichi setzte sich neben sie und legte mitfühlend seine Hand auf ihre. „Ich bin für dich da und ich werde tun was ich kann um dich zu beschützen.“

Aoko nickte dankbar. „Keiko weiß über damals Bescheid. Hakuba und Ran habe ich nichts davon gesagt. Ich möchte nicht das sie ins Visier geraten. Vermutlich wollen wir beide unsere Freunde einfach nur beschützen, auch auf die Gefahr hin sie zu verletzen.“

„Das wird jetzt ein Ende haben. Wir sind ab sofort ehrlich zueinander!“

Shinichi blickte sie so zuversichtlich aus seinen blauen Augen an, dass in ihr ein Hoffnungsschimmer aufkeimte und etwas Licht zurückbrachte.

Die Schulschwester kehrte zurück. „Ich habe noch jemanden mitgebracht.“

Beide blickten überrascht zur Türe und sahen Aokos Freunde eintreten. Alle drei wirkten äußerst bestürzt.

Keiko reichte ihrer Freundin die Kleidung. „Zieh dich um, danach müssen wir reden!“

Durch die Ernsthaftigkeit breitete sich ein beklemmendes Gefühl in ihrer Brust aus. Während die Schwester ihren Bericht schrieb, gingen die Oberschüler vor die Türe, damit Aoko sich in Ruhe umziehen konnte. Mit dem Arztbericht in ihrer Schultasche trat die Oberschülerin wenig später in den Flur und schloss die Türe. Blasse und besorgte Gesichter sahen sie an. „Was ist passiert?“

Wortlos reichte Shinichi ihr die Fotos, die er bereits angesehen hat.

Mit rasendem Herzschlag nahm Aoko die Bilder entgegen. War das der Tiefschlag, auf den sie die ganze Woche schon wartete? War das Akakos Rache? Alle Augenpaare lagen auf ihr und zögerlich betrachtete sie das erste Foto. Ihre Augen weiteten sich vor Schock. Ihr Herz begann zu rasen und schlagartig wurde ihr übel. Die Gesichtsfarbe wich aus ihr und sie wurde blass wie die Wand. Für einen Moment dachten alle Aoko würde umkippen, aber sie besann sich, atmete tief ein und sah auch die anderen Fotos an. Zu gut wusste sie wann jedes einzelne entstanden war und gleichzeitig war sie so schockiert darüber, dass sie nie unbeobachtet waren. Oder waren sie unbeobachtet und Kaito...

Shinichi schien ihre Gedanken erahnen zu können, denn er warf sofort ein: „Für den Winkel stand man weiter weg. Ein Selfie wäre nicht möglich gewesen und ich glaube nicht dass er euch fotografiert hat. Besonders nicht in so...“, er zeigte auf das Foto aus dem Musikzimmer. „... einer Situation.“

„Kaito ist von eurem Trainer zur Schnecke gemacht worden“, bemerkte Hakuba.

„Sicherlich muss er sich dafür verantworten“, mutmaßte Keiko zustimmend.

Ran stimmte zu. „Er wäre doch nicht so dumm und würde sich selbst so an den Pranger stellen.“

Aoko hörte ihren Freunden zu, aber was sie glauben sollte oder nicht wusste sie nicht. Ihr Kopf war mit einem Mal wie leergefegt und diese Leere breitete sich schlagartig in ihr aus.

„Das sind alles Fotos aus der Schule.“ Shinichi schien vollkommen in Gedanken versunken.

„Nur das eine nicht“, mischte Ran sich ein. Einfühlsam sah sie ihre Stiefschwester in Spe an. „Von wann sind die Fotos?“

Aoko fühlte sich noch unfähig zu antworten und starrte weiterhin auf die Bilder. Dann zeigte sie zögerlich auf eines der Bilder. „Dies hier war in der Umkleide, letzte Woche.“ Sie zeigte das nächste Bild. „Das war im Schulflur vor knapp 3 Wochen.“ Sie betrachtete das nächste Foto: „Das war vor 2 Wochen und dieses hier...“ Sie zeigte auf das Balkonfoto. „... entstand am Filmabend.“ Und erst jetzt wurde ihr bewusst, dass Kaito auf jeden Fall mit drin stecken musste, wie sonst sollten Fotos von diesem Abend in der Schule verteilt werden können?!

Die Schulschwester öffnete die Türe. „Ach ihr seid noch hier“, stellte sie erleichtert fest. „Der Direktor hat angerufen. Er möchte dich sofort in seinem Büro sehen, Aoko.“

Mit schreckgeweiteten Augen, blickte die Angesprochene zu der Schulschwester und nickte zögerlich. Unsagbare Angst breitete sich in ihr aus und sie ahnte welche Konsequenzen das nach sich ziehen würde. Nicht nur die schulischen, sondern auch die privaten Nachwirkungen. Ängstlich blickte sie zu Ran, dann raffte sie sich innerlich auf und rang sich ein etwas schiefes, sehr gequältes Lächeln ab. „Ich muss dann mal. Wir sehen uns!“ Schon verschwand sie und ließ ihre Freunde im Schulgang zurück.

Sie trat wenig später auf den Schulhof. Alle Schüler hielten die Fotos in den Händen, steckten die Köpfe zusammen oder deuteten mit dem Finger auf sie. Viele schüttelten abwertend und missbilligend den Kopf, tuschelten, lästerten und kicherten gehässig.

Ein Mädchen stellte sich ihr in den Weg. „Wie kann man nur so dumm sein und sich erwischen lassen?“ Schon wurde dieses von einem anderen Mädchen weggezogen. „Lass die doch! Die soll nur aufpassen, dass sie die Finger von meinem Freund lässt.“

Aoko erstarrte innerlich und sie spürte die Tränen in sich aufsteigen. Aber sie würde sich nicht Blöße geben vor ihnen allen zu heulen. Nein, sie wird nicht weinen. Akako und Shiho sollten nicht merken, wie sehr sie verletzt war. Die gesamte Oberstufe war gegen sie. Während die Mädchen Nase rümpfend lästerten, grinsten die Jungs zu ihr, zwinkerten und ließen es sich nicht nehmen durch Gesten ausdrücklich zu zeigen, was sie sich vorstellen könnten. Aoko schämte sich, senkte den Kopf und eilte fast durch die Schülermassen um zum Direktor zu gelangen.

Kurz vor der Türe traf sie dann auf ihre zwei Feindinnen, die sich ihr in den Weg stellten. „Ich hoffe du hast es nun verstanden“, zischte Akako und ging erhobenen Hauptes an Aoko vorbei. Shiho grinste nur teuflisch und folgte ihrer besten Freundin.

Vollkommen aufgelöst und zittrig klopfte Aoko an die Türe und betrat das Zimmer. Sie schloss die Holztüre und atmete kurz auf bevor sie den Blick hob. Das große, helle Zimmer hatte eine zweite Türe, die ins Sekretariat führte, und an der gegenüberliegenden Wand ein großes Bücherregal. In der Mitte stand der Schreibtisch und in dem großen schwarzen Bürostuhl saß der Schuldirektor und besah sich Stirnrunzelnd die Fotos. Vor dem Schreibtisch standen zwei einfache Stühle, von denen einer bereits besetzt war. Kaito. Für einen Moment erstarrte sie. Von all den Leuten, war er im Moment der Letzte den sie sehen wollte. Aber es half nichts. Aoko straffte die Schultern. „Sie wollten mich sprechen, Direktor Hayato?“

„Fräulein Nakamori“, der Direktor blickte auf und deutete auf den freien Stuhl. Er legte nun die Fotos auf den Tisch und lehnte sich in seinen Stuhl zurück. Die Halbglatze kratzend, nahm er nun seine Brille von der Nase und tippte sich mit dem Brillengestell an die Lippen. Schon schob er ein Foto weg. „Was Sie in Ihrer Freizeit machen, geht mich nichts an.“ Er blickte plötzlich auf und die tiefbraunen sonst so verständnisvollen Augen musterten die beiden Oberschüler vor sich aufmerksam. „Mich interessiert eher das, was die Schule betrifft. Ich höre!“

Aokos Herz raste unaufhörlich in ihrer Brust und sie wusste nicht was sie sagen sollte.

„Das war alles meine Schuld und ich werde die volle Verantwortung dafür übernehmen“, sprach Kaito plötzlich aus.

Langsam, nur sehr langsam drangen seine Worte in ihr Bewusstsein und überrascht starrte sie den Jungen neben sich an.

„Aoko konnte nichts dafür. Ich habe sie jedes Mal überrumpelt. Bitte bestrafen Sie sie nicht.“

Der Direktor sah Kaito lange an, dann sah er zu Aoko. „Ich möchte Ihnen ja gerne glauben, aber das ist noch lange keine Erklärung wieso solche Fotos in der Schule verteilt wurden.“

„Das kann ich Ihnen leider auch nicht sagen. Auch weiß ich nicht wer uns überhaupt fotografiert hat“, antwortete Kaito wieder und zog damit den Blick des Direktors wieder auf sich.

Dieser setzte nun seine Brille wieder auf und besah sich erneut die Fotos. Dann zog er ein ganz bestimmtes hervor und legte es direkt vor die beiden Oberschüler. „Ich muss Ihnen nicht erklären nach was das aussieht, oder?“

Aoko, die immer noch kein Wort über die Lippen brachte, starrte das Bild an und errötete. Zu gut erinnerte sie sich an diese Situation, die ihr solch eine Gänsehaut bescherte. Die Erinnerungen an diesen Moment kam ihr hoch. Es fehlte nicht mehr viel und sie hätte sich ihm wirklich hingegeben.

„Ich weiß wie das Foto auf Sie wirken muss, aber ich schwöre Ihnen das war nicht so. Ich habe Aoko ins Musikzimmer gezogen und mit ihr geknutscht, aber mehr war da nicht.“

Der Direktor runzelte die Stirn. „Mehr war da nicht“, wiederholte er und betrachtete das Bild, als würde er darauf hoffen das ihm dieses Foto eine Antwort lieferte.

Aoko suchte immer noch nach Worte, als sie plötzlich einen Hieb spürte und erschrocken zu Kaito sah. Dieser sah sie eindringlich an und deutete mit einem Nicken in Richtung Direktor Hayato. Sie sah nun wieder zu dem sonst so netten Mann und räusperte sich. „Es ist wirklich nichts passiert. Und es tut mir aufrichtig leid. Das alles war ein Fehler und wird nicht wieder vorkommen. Wir haben uns nicht richtig verhalten und versprechen Ihnen, dass wir uns ab sofort zu benehmen wissen.“ Das sie in Wirklichkeit überhaupt kein Paar sind, ließ sie unausgesprochen. Sie wollte nicht doch noch einen etwaigen Verdacht heraufbeschwören.

Kaito blickte sie entsetzt an, doch als der Direktor sie beide aufmerksam musterte, nickte er ergebend und wiederholte: „Es wird nicht wieder passieren.“

Aoko seufzte innerlich. Sie hatte sein Wort. Kaito würde sie nicht mehr in der Schule überfallen und in eine ähnliche Situation bringen.

Der Direktor nickte schließlich. „Ich glaube Ihnen. Sie kommen heute mit einer Verwarnung davon. Noch einmal und ich lasse Sie für eine Woche suspendieren.“

Beide Oberschüler nickten und standen auf. Tief verbeugten sie sich. „Entschuldigung!“

„Schon gut“, winkte der Mann mit Halbglatze und Brille ab und packte die Fotos weg. „Die Mittagspause ist gleich zu Ende.“

Die beiden drehten sich um und atmeten schon erleichtert auf, als der Direktor noch etwas hinzufügte: „Ihre Eltern werde ich selbstverständlich über diesen Vorfall informieren.“

Vorbei war der Moment der Erleichterung und Aoko wurde es sofort schwer ums Herz. Dann erwartete sie heute Abend ein Donnerwetter vom Feinsten.

Beide verließen das Zimmer und standen schweigend im Schulflur.

„Halt dich von mir fern“, verlangte Aoko kalt und ging ohne ein weiteres Wort den Schulgang entlang zu ihrem nächsten Kurs. Die Mittagspause hatte sie nun vollkommen verpasst und würde die nächsten Stunden mit knurrendem Magen absitzen müssen.
 

Ran sah ihrer Stiefschwester besorgt nach. Hakuba und Keiko gingen langsam davon, sich leise über die Fotos unterhaltend. Ran wollte ihnen gerade folgen, als Shinichi sie zurückhielt.

„Ich bin ein Idiot und es tut mir leid.“

Überrascht betrachtete sie ihn.

„Bitte, ich möchte dir alles erklären. Keine Geheimnisse mehr!“

Ran nickte und gemeinsam schlenderten sie den Schulflur entlang.

„Ich hatte Angst. Angst um dich. Das Mädchen, von dem ich dir erzählt habe, musste schlimme Dinge erleiden und genau das wollte ich dir ersparen. Ich dachte dich beschützen zu können, in dem ich mich von dir fernhalte. Dabei...“, er suchte ihren Blick und ließ sie nicht mehr los: „... ist das genau das Gegenteil was ich wollte.“

Ran sah ihn überrascht an, spürte ihr Herz glückselig tanzen, aber so ganz traute sie dem Frieden nicht. „Das sagst du jetzt nur so.“

Shinichi umfasste ihre Hand und verschränkte ihre Finger mit seinen. Ernst schüttelte er seinen Kopf und sprach nachdrücklich. „Ich liebe dich und werde nicht zulassen, dass sich jemand zwischen uns stellt oder sich gar an dir vergreift.“ Er führte ihre Hände zu seinen Lippen und hauchte einen Kuss auf ihren Handrücken. „Ich werde dich beschützen und sollte irgendjemand auf die Idee kommen dir etwas antun zu wollen, so wird derjenige leiden.“

„Shinichi“, mit großen Augen sah sie ihn an. „Wir sind jetzt hier alleine, aber auf dem Schulhof wirst du gleich so tun, als würden wir uns nicht kennen.“ Nein, glauben konnte sie ihm wirklich nicht.

„Ich werde es dir beweisen“, versprach er ernst und fügte etwas schüchterner hinzu: „Wenn du mich überhaupt noch willst?“

Ran im Zwiespalt hin- und hergerissen. Sehnlichst wünschte sie sich in seine Arme, aber wenn er sie wieder so kalt abwies, das würde ihr Herz nicht überleben.

„Vertraust du mir?“

Mit großen Augen starrte sie ihn an. Doch dann nickte sie zögerlich und schließlich bekräftigend. „Ja, ich vertraue dir.“

Er lächelte glücklich, küsste erneut ihre Hand, ehe er sich zu ihr beugte und ihre Lippen zu einem sanften Kuss einfing. Ein Kuss der die Schmetterlinge zum Fliegen brachte und ihren Körper unter Strom stellte. Er löste sich ebenso sanft und lächelte. „Bereit?“

Ran nickte glücklich.

Shinichi öffnete die Türe und drückte ihre Hand. Dann ging er mit ihr auf den Schulhof und schlenderte gemütlich zwischen der noch immer aufgebrachten Schülermasse hindurch.

Ran konnte nicht glücklicher sein. Er bekannte sich zu ihr und blieb an ihrer Seite. Ein paar wenige Schüler musterten sie aufmerksam, aber schenkten ihn kaum Beachtung. Zu sehr waren sie auf die Fotos fixiert. Wer auch immer das veranstaltet hat, es hatte alle Oberschüler in Aufregung versetzt.

Sie suchten nach Keiko und Hakuba. Da trat Makoto zu ihnen. Überrascht fiel sein Blick auf die ineinander verknoteten Finger, ehe er sie freundlich begrüßte. „Yo Shinichi, hallo Ran. Wohin geht ihr?“

„Wir suchen Keiko und Hakuba. Komm doch mit“, lud Shinichi seinen Kumpel ein und dieser schloss sich freudig an.

„Sag mal, das mit Kaito und den Fotos, weißt du was das zu bedeuten hat?“

„Nein“, antwortete Shinichi.

„Die Jungs im Team sind total aufgedreht. Dass er sich zwei Eisen im Feuer hält, hätte ihm niemand zugetraut.“

„Ob es wirklich so ist, weiß niemand.“

„Dann sollten wir ihn später im Training mal ausfragen. Unser Endspiel ist in weniger als zwei Wochen und wir brauchen die volle Konzentration und den Zusammenhalt.“ Makoto blickte eindringlich seinen Kumpel an. „Wir müssen uns voll und ganz vertrauen und auf einander verlassen können.“

„Glaub mir, Kaito weiß wie wichtig dieses Spiel ist und wird es nicht vermasseln.“

„So richtig konzentriert warst du in letzter Zeit auch nicht. So oft wie du die Bälle verschossen hast.“ Makotos aufmerksamer Blick glitt zu Ran, die immer noch die beste Freundin von Sonoko war. „Nichts für ungut Ran, aber wie ich sehe habt ihr das endlich geklärt. Ich freue mich für euch.“

Ran errötete und starrte ihn mit großen Augen fassungslos an. „Woher weißt du davon?“

„Du hast wohl vergessen, dass deine beste Freundin meine Freundin ist“, grinste Makoto. Er stieß feixend Shinichi den Ellbogen in den Brustkorb. „Sonoko erwartet euch zum Doppeldate.“

Shinichi grinste Ran an, die errötete und die Schultern zuckte. „Ich bin dabei“, versprach er und lächelte sie verliebt an.

Ran strahlte und küsste ihn auf die Wange.

Der Oberschüler ließ sich diese Annäherung nicht entgehen und gab ihr einen Kuss zurück, aber auf den Mund statt der Wange.

Makoto grinste nur, während die beiden Verliebten sich langsam lösten. Gemeinsam gingen sie weiter und fanden wenig später Hakuba und Keiko, die sich ein sonniges Plätzchen gesucht hatten.
 

Den Heimweg gingen sie ohne Kaito. Er war noch mit Akako verabredet und würde dadurch einen anderen Weg einschlagen. Den Heimweg über klärte Aoko Ran über alles auf und verheimlichte ihr nichts mehr. Sie hatte es mit Shinichi so abgemacht und würde ihr Versprechen halten. Die Schwestern versprachen sich keine Geheimnisse mehr vor dem anderen zu haben.

Ran steckte den Schlüssel ins Schloss und sperrte die Haustüre auf. Ein aufmunternder Blick zu Aoko bevor die Türe aufschwang. Die Braunhaarige hingegen verließ der Mut und folgte Ran nur zögerlich in den Hausflur.

Eri trat ihnen schon entgegen und betrachtete die beiden Oberschülerinnen ernsthaft besorgt. Das Telefon hielt sie immer noch in der Hand.

Aoko schluckte, zog sich ihre Schuhe aus und stellte sich dann ihrer Stiefmutter. Noch war ihr Vater nicht zuhause, aber nicht mehr lange dann würde Eri ihn ins Bild setzen.

„Ich habe eben mit Direktor Hayato telefoniert und er hat mir von den Fotos erzählt.“ Sie hielt ihre Hand Aoko entgegen und verlangte stumm nach den Bildern. Zögerlich holte das Mädchen diese aus ihrer Schultasche und reichte sie Eri.

Nach Luft schnappend blickte die Anwältin von den Fotos zu Aoko, dann drehte sie sich um und ging in die Küche.

Verwirrt folgten Ran und Aoko ihr.

„Möchtest du mir etwas erzählen?“ Eri stand an der Kochinsel und betrachtete die Fotos misstrauisch.

Aoko schluckte. „Ich hab Streit mit zwei Mädchen an meiner Schule.“

„Worum geht es in dem Streit?“

„Akako ist eifersüchtig, weil ich mit Kaito befreundet bin.“

„Und Akako ist?“

„Kaitos Freundin“, antwortete Aoko.

Eri seufzte. „Wenn Kaito Akakos Freund ist, wie kommt es dann zu solchen Bildern?“

Aoko schluckte, senkte den Blick und gestand: „Es war ein dummer Fehler, aber das haben wir heute geklärt. Es wird nicht mehr passieren.“

Eri betrachtete Aoko prüfend, dann nickte sie. „Es ist besser, wenn wir deinem Vater davon nicht sagen.“ Schon ließ sie die Fotos verschwinden. Sie sah nochmals zu ihren Töchtern. „Ihr seid fast erwachsen und junge Frauen, die ihre ersten Erfahrungen sammeln. Bitte denkt daran eure Pille regelmäßig zu nehmen.“

Beide Mädchen nickten, dann ließ Eri sie gehen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Hallostern2014
2018-12-28T21:18:19+00:00 28.12.2018 22:18
Huhu.

Oka beide Kapitel ist der Hamma.

Aoko tut mir echt leid. Jetzt noch solche Foto's. Dass Kaito die Schild auf sich nimmt ist gut. Immer hin ist er ja Schuld. Aber wer hat bitte die Bilder gemacht. Vor allem wer wusste, das Aoko und Ran den einen Abend bei Kaito waren?

Aber das Schlimmste ist ja, dass alle Glauben das Aoko daran schuld ist. Und sie wird wie das Mädchen von dem Shinichi geredet hat fertig gemacht. Wer weiß wie es ausgeht und was sich die 4 sich noch einfallen lassen.

Das Gespräch zwischen Aoko und Shinichi hat mir sehr gefallen. Er denkt also das Kaito in Aoko verliebt war. Weil beide wie ein Paar ausgesehen haben. Villeicht hat er ja recht und es stimmt wirklich. Ich bin mal gespannt wann das raus kommt.

Endlich steht Shinichi zu Ran wurde auch Zeit. Er kann sie so auch besser Schützen. Und die 4 besser im Auge haben. Den Shiho wird es nicht gefallen und Plant bestimmt schon was gegen Ran. Das sie Aoko Stiefschwester ist passt ihr und die anderen Schlafen.

Auch gut, dass Aoko endlich ehrlich zu den anderen und vor allem zu Ran ist. Nun können alle Aoko besser beistehen und haben noch besser ein Auge auf sie.

Ich bin sehr gespannt aufs nächste Kapitel. Kann es jetzt schon kaum erwarten. Falls wir uns nicht mehr lesen Wünsche ich dir ein schönes Wochende und einen guten Rutsch ins neue Jahr.
Ganz liebe Grüße
Antwort von:  Kittykate
29.12.2018 16:11
Huhu :-)
ja, ich dachte Shinichi wäre ein guter Gesprächspartner ^^ Tja, das wird noch nicht geklärt, ob da von Kaitos Seite mehr als Freundschaft im Spiel war.

Ja, endlich sind die beiden vereint. Wurde echt Zeit.

Und das ist auch sehr wichtig. Keine Geheimnisse und vertrauen.

Das nächste Kapitel hat es in sich was Aoko und Kaito betrifft, das wird nochmal heiß ^^, und dann begeben wir uns schon bald in die nächste Phase. Du darfst gespannt sein.

Wenn ich es schaffe zum Jahreswechsel nochmal eines fertig zu bekommen, stell ich das hier rein. Ansonsten dann im neuen Jahr.
Ebenso einen guten Rutsch schon mal vorab. :-)

Viele Grüße und vielen Dank.
Kitty
Von:  Wm_2015
2018-12-28T06:01:23+00:00 28.12.2018 07:01
Guten Morgen,

Gott sei dank jetzt gibt es keine Geheimnisse mehr und bei ran und shinichi geht es auch Berg auf. Hoffentlich nicht mit alt schlimmen Folgen.

Die Ff ist dir sehr gut gelungen.

Liebe Grüße
Antwort von:  Kittykate
29.12.2018 16:08
Hi,
vielen lieben Dank.
Das nächste Kapitel hat es nochmal in sich, was Kaito und Aoko betrifft. Ich hoffe es ist nicht zu heftig :-)

Danke ich geb mir Mühe, das es sinnig und schlüssig ist, ich hoffe ich kann das bis zum Ende beibehalten.

Viele Grüße
Kitty


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