Zum Inhalt der Seite

TMNT - Schicksal?

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Meine Entscheidung

Aus Bernadettes Sicht:
 

Mit Leo beinahe einen ganzen Tag zu verbringen, war einer der erdrückendsten Momente, die ich jemals erlebt habe. Ich war nur irgendwie froh, dass er mich nach dem Gespräch so ziemlich in Ruhe ließ. Dennoch nagte dies noch weiter an mir. Nicht nur, dass er mich „gezwungen“ hat, mich aufs Neue direkt mit dem Thema zu befassen, ich habe nun mitbekommen, wie es Raphael geht. Dabei wollte ich einfach nichts mehr mit ihm und seiner Familie zu tun haben. Ich wollte einfach alles von mir fernhalten, damit ich nicht einfach schon wieder mit diesen Schmerzen konfrontiert werde und doch hat Leo es geschafft, seinen „Plan“ durchzuziehen. Er hat mich zum Nachdenken gebracht und mich wieder in mich hineinhorchen lassen, welche Gefühle ich für diesen Dickkopf hege. Ich wollte es ignorieren und ich wollte es nicht mehr wahrhaben, dass meine Liebe zu ihm stark genug ist, um über die Wut hinüberblicken zu können. Was mache ich nur? Lasse ich mich ein weiteres Mal darauf ein, oder setze ich diesen Gefühlen ein Ende? Es ist das erste Mal, dass ich mich verliebt habe und ich irgendwie will auch nicht so schnell aufgeben, dass es zwischen mir und Raphael doch wieder etwas werden könnte. Dennoch schreit etwas in mir, dass ich diese innerlichen Wunden nicht ignorieren kann und genau hier liegt der Hund begraben. Manchmal frage ich mich, was das Schicksal mir noch bereithält, bis das Maß endgültig voll ist. Ich habe schon vieles durchmachen müssen und bin nicht nur einmal auf die Schnauze gefallen. Ich musste immer wieder aufstehen, nur um festzustellen, dass schon bald die nächsten Stürze folgen würden und dass vielleicht sogar jemand darauf tritt.

Die Stimmung selbst blieb heute weiterhin angespannt und das obwohl Leo und ich uns ab dem Vormittag aus dem Weg gingen. Ich muss aber ehrlicherweise zugeben, dass es einfach die momentane Situation ausmachte. Ich fühle mich einfach mies und das sogar aus mehreren Gründen, wodurch ich schon längst hätte zerspringen müssen. Wo ich doch zunächst die Mobbingsache mehr oder weniger hinter mich gebracht habe, so werde ich nun von einem Unbekannten, der wie mein Dad aussieht, verfolgt. Wie ein Geist könnte er jederzeit vor mir auftauchen und dann ist da auch noch Raphael, der mir nicht einfach aus meinem Kopf will, geschweige aus meinem Herzen. Momentan fühle ich mich wieder so allein. Beinahe ist es wie früher, bevor ich Raphael das erste Mal begegnet war. Nur diesmal geht es nicht um Mobbing, oder um die Familie, sondern um meine große Liebe, die mein Vertrauen zunichtegemacht hat. Im Grunde meines Herzen will ich ja wieder mit ihm zusammen sein. Trotz dem ganzen Mist liebe ich Raphael immer noch. Daran hat sich nichts geändert. So sehr ich das zunächst verdrängen wollte. Doch je mehr ich darüber nachdenke, desto bewusster wird es mir. Wäre es mir doch möglich, einen einfachen Weg zu finden. Verdient hätte ich ihn allemal. Doch ich sehe diesen leider nicht und zu meinem Übel plagen mich seit einigen Nächten diese Albträume. Dabei sehe ich diesen besoffenen Typen vor mir, wie er sich auf mich stürzt und mein Shirt von mir reißt. Doch bevor es dann wirklich passiert, wache ich jedes Mal noch rechtzeitig auf. Schweißgebadet sitze ich meistens dann aufrecht in meinem Bett und brauche wieder eine Ewigkeit, bis ich wieder einschlafen kann.

Träume ich mal nicht von ihm, so ist es eine Verfolgungsjagd mit diesem seltsamen Mann, der wie mein Dad aussieht. Meist ist es dabei mit dem Streit mit Raphael gekoppelt, der mich wegen dem Kerl auslacht und mich schließlich allein zurücklässt. Als könnte er mich nicht ernstnehmen. So wie es Mia und Cori tun. Ich weiß, dass sind nur Träume, aber wenn ich da mittendrinstecke, kommt es mir beinahe so real vor. Allein die Vorstellung ist schon bizarr genug, weswegen ich nächtelang schlecht schlafe. Normalerweise hätte ich ja mit Raphael darüber geredet. Wäre da nicht unser Beziehungsproblem in die Quere gekommen, so hätte ich dies bereits getan. Langsam glaube ich schon wirklich verrückt zu werden. Besonders was diesen Fremden angeht, der meinem verstorbenen Vater gleicht, bin ich kein Stück weitergekommen. April hat extra für mich recherchiert, hat aber bisher auch keinen Erfolg gehabt. Das Schlimmste daran ist, dass ich die Einzige bin, die diesen Typen gesehen hat und bei den Momenten darauf, die in Laufe der nächsten zwei Wochen geschehen sind, bin ich wiederum die einzige Augenzeugin gewesen. Um nicht gänzlich für verrückt erklärt zu werden, erzähle ich immer weniger davon und versuche es auch irgendwie zu vergessen und zu verdrängen. Doch selbst an meinen letzten Schultag kommt mir der Kerl wieder in die Quere.

Kaum, dass ich fast den Block erreicht habe, in der sich mein Haus befindet, sehe ich diesen schon bei einer Seitenstraße herumgehen. Das könnte meine Chance sein, ihn diesmal zu erwischen. Diese Gegend kenne ich nur zu gut. Ich bin schließlich hier aufgewachsen, weswegen ich ihm folge. Zunächst möglichst unauffällig nähere ich mich ihm, aber kaum dass ich ein paar Meter von ihm entfernt stehe, tritt er schleunigst den Rückzug an. „Warten Sie! Bleiben Sie stehen!“, rufen ich dem Mann zu und beschleunige mein Tempo. Der Kerl denkt jedoch nicht daran und läuft in eine Seitenstraße hinein. Als ich ebenfalls dort abbiege, bleibe ich verdutzt stehen. Er ist nämlich schon wieder verschwunden. Verdammt, das gibt es doch nicht! Wie oft soll das denn noch passieren, bis ich endlich einmal herausfinde, was hier gespielt wird?! Es ist echt nicht zu fassen! Wütend verlasse ich schließlich den Ort und gehe nach Hause. Es hat ja ohnehin keinen Zweck, ihn zu suchen. Er ist weg. Irgendwann aber wird dieser Kerl wiederauftauchen und dann fängt dieses „Spiel“ wieder von vorne an. Wie mir das stinkt! Wenig später stehe ich schließlich vor der Haustür. Meine Laune hat sich aber kein Stück verbessert, aber wenn er glaubt, dass ich weiterhin so ärgern lasse, dann hat er sich genschnitten. Irgendwann werde ich herausfinden, was dieser Scheiß zu bedeuten hat. Ich bin noch völlig in meine Gedanken versunken, doch als ich die Tür öffne, werde ich schon von einer stürmischen Umarmung begrüßt: „Überraschung!“

Im ersten Moment bleibt mir die Luft weg, als ich jedoch sehe, wer mich da gerade fast zerquetscht, verändert sie schlagartig mein Gemüt. „Mom! Du bist hier!“, rufe ich begeistert und erwidere schließlich die Umarmung. „Damit hast du wohl nicht gerechnet, wie?“, fragt sie und ich schüttle grinsend den Kopf: „Wo denkst du hin? Ich dachte, du wärst unterwegs. … Ich freue mich so dich zu sehen.“ „Ach, mir ergeht es nicht viel anders und ich freue mich zu sehen, dass du Sache wegen der Schule endlich hinter dich gebracht hast.“, meint sie darauf. Naja, den Unterricht selbst habe ich mal für dieses Schuljahr hinter mich gebracht und ich bin heilfroh darüber, dass ich mich endlich entspannen kann. In letzter Zeit hatte ich soviel zu pauken, sodass es eigentlich für ein ganzes Leben reichen könnte. Ob übertrieben oder nicht, ich sehne mich einfach nur nach Erholung und dass meine Mom hier ist, macht die Sache umso schöner für mich. Schließlich erzählt sie mir, wie dazu kommt, dass sie gerade nicht irgendwo in der Weltgeschichte herumirrt: „Endlich konnte ich mir Urlaub nehmen. Ich wollte dich und meine Schwester unbedingt wiedersehen und da dachte ich, dass es doch am geschicktesten wäre, wenn ich dafür deinen letzten Schultag als ersten Urlaubstag nehmen würde. Und überrascht?“ „Auf jeden Fall.“, erwidere ich und umarme sie ein weiters Mal. Diese Überraschung ist ihr wirklich gelungen und mit einem Schlag ist meine Trübsinnigkeit wie weggeblasen.

Ich freue mich einfach so sehr, meine Mutter wieder bei mir haben zu können, wodurch ich fürs Erste meine Probleme zur Seite schieben kann. Ich hätte so und so keine Möglichkeit, daran zu denken, denn meine Mom hat so viel zu erzählen, sodass es für ein ganzes Buch reichen könnte. Augenblicklich nimmt sie mich bei der Hand und zieht mich ins Wohnzimmer, wo wir uns auf der Couch niederlassen. Stundenlang sind wir beide am Quatschen und als noch meine Tante von der Arbeit nach Hause kommt, ist die Freude um ein Weiteres gestiegen. Grinsend sehe ich zu, wie sich zwei Schwestern in die Arme nehmen, von denen eine ständig auf Weltreise, während die andere in einer großen Firma tätig sind. Eigentlich sind sie beide von Grund auf verschieden und trotzdem herzen sich die beiden, als könnten sie Zwillinge sein. Vielleicht ist einfach nur etwas, was man sofort als Familie bezeichnen könnte. Bei jeder sieht es anders aus und bei mir ist es nun mal so. Von da an wächst der Gesprächsstoff. Fotos werden gezeigt, manche Geschichten werden neu erzählt und zwischendurch genehmigen wir uns sogar eine Pizza, die wir uns nebenbei bestellt haben. Durch dass wir so viel nachzuholen haben, war ans Kochen gar nicht zu denken und warum sollte man sich nicht auch mal etwas gönnen, ohne dabei in der Küche stehen zu müssen? Wir drei verbringen noch viel Zeit miteinander und hören erst auf, als es langsam schon dämmert. Dabei ist mir gar nicht aufgefallen, dass der Tag so schnell wieder vergangen ist, aber dafür habe ich diesen umso mehr genossen.

Am folgenden Morgen bin ich die Erste, die auf den Beinen ist. Zumindest habe ich das zunächst geglaubt, bis ich meine Mutter im Wohnzimmer entdecke. Ohne dass sie mich bemerkt hat, sitzt sie gemütlich auf der Couch und blättert im Familienalbum herum. „Mom, was machst du denn hier?“, frage ich sie neugierig und setze mich sogleich zu ihr. Sie lächelt mich an und meint, während sie eine weitere Seite umblättert: „Ach ich schwelge nur in Erinnerungen. Bei meinem Job hat man ja kaum Zeit dafür. Wenn man in andere Länder ist, hat man auch andere Gedanken, meistens zumindest.“ Sie klappt nun die nächste Seite auf und ein altes Familienfoto kommt zum Vorschein. Als dieses Bild gemacht wurde, war ich gerade mal fünf Jahre alt und so wie das aussieht, hatten wir damals einen Grillabend veranstaltet. Leider kann ich mich nicht mehr genau daran erinnern, aber als ich das Foto genauer betrachte, scheint das eine oder andere Fitzelchen doch wieder zum Vorschein zu kommen. Paul ist nämlich dabei, den Grill anzuzünden und scheint sich gerade über irgendetwas aufzuregen. Vermutlich wollte das Ding nicht so, wie er wollte. Ich muss grinsen, denn Geduld hatte mein ältester Bruder noch nie wirklich gehabt. Bis heute kann er leicht zornig werden und ist gleich eingeschnappt, wenn etwas nicht so gelingt, wie er sich das vorgestellt hat. Da ist Dorian schon etwas anders. Zwar kann auch er mal die Sau rauslassen, aber im Gegensatz zum Ältesten gleicht er mehr dem stillen Wasser, welches man nicht unterschätzen sollte. Besonders seine dummen Sprüche kommen immer dann zum Vorschein, wenn man es am wenigsten erwartet. Da einen passenden Konter zu finden, musste ich bei ihm erst einmal lernen.

Meine Mom legt nun ihre Finger auf das Bild und streicht besonders über die Stelle, an der mein Vater abgebildet ist. Gerade als ich sein fröhliches Gesicht sehe, vergeht mir die Freude. Ich erinnere mich wieder an den Fremden, der mir in letzter Zeit das Leben schwermacht. Wie ein Geist taucht er plötzlich auf und verschwindet auf dieselbe Weise wieder. Als würde der Boden ihn verschlucken. Doch ich erwähne nichts und muss mir dabei sogar auf die Zunge beißen, bevor mir auch nur ein Wort dazu herausgekommen wäre. Keiner darf etwas davon wissen. Besonders meine Familie will ich nicht wieder in etwas hineinziehen, bei der ich noch nicht weiß, was da gespielt wird. Stattdessen beobachte ich still meine Mutter. Sie bleibt weiterhin bei dieser Stelle und ich könnte schwören, dass sich bei ihren Augen die ersten Tränen bilden. Sie vermisst Dad, doch da ist nicht allein. Auch ich muss immer wieder an ihn denken und bin traurig darüber, dass er nicht mehr bei uns ist. Allerdings ist das bei ihr etwas anders. Schließlich war Dad ihre große Liebe und soweit ich weiß, kannten sich die beiden bereits schon, als sie noch Kinder waren. Das ist nicht nur eine lange Zeit, es ist auch etwas Besonderes. „Ich vermisse Dad auch.“, sage ich schließlich leicht bedrückt und sie nickt, während sie ihren Blick noch weiterhin auf das Foto gerichtet hält. „Weißt du eigentlich, dass dein Vater mich manchmal so zur Weißglut bringen konnte, sodass ich ihn am liebsten Kopf abgerissen hätte?“, fragt sie mich auf einmal, behält aber immer noch ihr Lächeln auf den Lippen. Woran sie wohl gerade denkt?

Ich grüble nach und irgendwie kann ich es nicht wirklich nachvollziehen, was meine Mutter damit genau meint. Denn mein Vater war die Ruhe in Person. Er war freundlich, zuvorkommend und hatte stets ein Lächeln im Gesicht. Wie soll er da meine Mom so zur Weißglut gebracht haben, sodass sie ihm am liebsten den Kopf abgerissen hätte? Ich kann mir das einfach kaum vorstellen. Ob meine Erinnerung an ihn doch allmählich verblasst, oder haben meine Eltern mir das nie offenbart, weil sie mich da raushalten wollten? In jeder Familie gibt es nun mal Streitereien und viele Erwachsene verbergen dies vor ihren Kindern. Trotzdem kann ich mir das irgendwie kaum vorstellen, so sehr ich auch in meinem Kopf herumkrame. Ob sie vielleicht seine Scherze meint? Mit mir hatte er zwar immer wieder so kleine Späße gemacht, aber ich glaube irgendwie kaum, dass meine Mom genau das damit gemeint hat. Schließlich offenbart sie mir, wovon sie redet: „Dein Vater hatte leider die Angewohnheit, gewisse Dinge nicht zu sagen. Zum Beispiel wenn er Hilfe brauchte. Ich musste immer stets die Augen und Ohren offenhalten, damit mir ja nichts entgeht. Was bei meinem Beruf allerdings alles andere als einfach war und trotzdem war mir das wichtig, dass wir so oft es eben ging, miteinander redeten.“ Als ob das etwas Neues in dieser Familie wäre, was ich auch laut ausspreche: „Ich glaube, was die Kommunikation angeht, muss die ganze Familie mal dringend einen Kurs belegen.“ Daraufhin lacht meine Mom kurz auf, meint aber dann: „Stimmt, da hast du nicht ganz Unrecht. Dennoch glaube ich, dass dein Vater uns trotz allem übertroffen hatte. Denn manchmal musste man ihn alles aus der Nase ziehen und dabei konnte er stur sein wie ein Esel. Egal welchen Grund er auch dafür hatte, es war einfach mühsam.“

Woher kenne ich das nur? Stimmt ja, Raphael ist da nicht viel anders. Ich glaube er und Dad hätten sich zu diesem Punkt wunderbar verstanden. Würde man die Tatsache, dass es sich bei den einen um einen Mutanten und bei den anderen um einen Toten handelt, außen vorlassen. Dennoch muss ich bei diesen Gedanken schmunzeln. Wäre echt interessant zu wissen, wie das wohl wirklich wäre. Leider ist mein Vater nicht mehr hier. Er ist seit vielen Jahren tot und ich vermisse ihn sehr. Doch zumindest habe ich noch meine Mutter, meine Tante und meine Brüder. Wenn ich es mir sogar richtig überlege, gibt es eigentlich sogar mehr, die in meinem Leben wichtig sind. Allerdings stimmt mich dieser Gedanke wieder traurig. Die Tatsache, dass es momentan nicht rund bei mir läuft, lässt sich nur mit Mühe verbergen. Vielleicht kann sie mir aber einen Rat geben, auch wenn ich nichts verraten darf. Um sie daher nicht direkt darauf anzusprechen, frage ich meine Mom anders: „Was hast du eigentlich immer dann gemacht? Ich meine, wenn Dad wieder mal so komisch drauf war und du ihn am liebsten gekillt hättest.“ „Das kam ganz darauf an, worum es ging. Im schlimmsten Fall zeigte ich ihm die eiskalte Schulter, bis wir uns erst nach einiger Zeit ausgesprochen hatten. Er hatte zwar einen ordentlichen Dickschädel, aber irgendwie liebte ich ihn dafür. Das und noch vieles mehr machten ihn einfach aus. Er war stolz, liebevoll und dachte stets zuerst an andere, bevor er sich selbst in den Mittelpunkt stellte. … Eines kann ich dir sagen Bernadettchen: Männer sind schwierig und eine Beziehung ist sowieso nicht immer leicht. Wenn man aber jemanden von ganzem Herzen liebt, so zahlt sich jeder Kampf aus. Vergiss das bitte nicht, solltest du mal einen Freund mit nach Hause bringen. … Lass dir aber bitte Zeit damit, ok?“, erklärt sie mir ausführlich.

Ich nicke und denke dabei an das letzte Gespräch mit Leo. Wie er mich mit einer List dazu bewegte, ihm zuzuhören. Nur damit ich durch ihn erfuhr, wie es um Raphael stand, den ich eigentlich wie meine Mutter die kalte Schulter zeigte. Wie auch sie ließ ich einige Zeit verstreichen, damit ich über alles noch einmal nachdenken konnte. Mir kommen wieder die Zweifel in den Sinn, die ich bereits bei Leo gehabt habe und bis heute hat sich nichts daran geändert. Genauso wenig die Tatsache, dass ich meinen rotmaskierten Sturkopf noch immer liebe. Er mag zwar seine Fehler haben, aber eigentlich habe ich die ebenfalls. Auch wenn ich mir das nicht immer eingestehen will, aber ich weiß trotzdem nicht, was ich jetzt wegen ihm tun soll. Genau das beschäftigt mich gerade und ich spreche meine Mutter darauf an: „Mom, gab es mal etwas, wo es dir schwerfiel, zu verzeihen?“ Überrascht über diese Frage sieht sie mich verwundert an. Hoffentlich ahnt sie jetzt nichts Schlimmes, aber zum Glück kommt es doch nicht so, wie zunächst befürchtet: „Wie kommst du nun darauf? … Hm, sicher gab es solche Momente. Die erlebt jeder einmal. Es kommt aber darauf an, worum und um wen es dabei geht. Ich möchte aber ehrlich gesagt nicht weiter darüber nachdenken. Da sind mir die schönen Erinnerungen lieber, aber eines kann ich dir auf jeden Fall verraten: Überlege dir immer, was für dich wichtig ist und ob du dann auch wirklich glücklich sein kannst. Denn jede Entscheidung hat auch seine Konsequenzen, egal ob gute oder schlechte.“

Ohne zu wissen, dass ich bereits die Liebe meines Lebens getroffen habe, hat mir meine Mom gerade einige Ratschläge gegeben, die ich in diesem Moment mehr als nur brauchen kann. Die ganze Zeit über habe ich darüber nachgegrübelt, ob ich das wirklich will und ob die Sache mit dem Gedicht richtig gewesen war. Schließlich möchte ich niemals falsche Hoffnungen freisetzen und jemand anderes dabei quälen. Besonders nicht, wenn es sich dabei um Raphael handelt. Doch wenn ich so darüber nachdenke, bereue ich es nicht. Vielmehr hat er nun etwas in der Hand, was ich mit viel Herz geschrieben habe und jede einzelne Zeile meine ich auch so. Ich hoffe, dass ihm das auch bewusst ist, auch wenn er nicht viel von Gedichten oder von anderen literarischen Texten hält. Vielleicht findet er darin die Bestätigung, dass sich meine Gefühle zu ihm, trotz seines Handelns, nie verändert haben. Auch nach alldem liebe ich ihn von ganzem Herzen. Was mir aber Sorgen macht, ist, wie ich ihm wieder vertrauen kann. Ich will es ja, aber wahrscheinlich habe ich noch immer zu große Angst, dass er mich wieder im Stich lassen könnte. Davor fürchte ich mich am meisten und ich will das nie mehr wiedererleben. Doch andererseits: Wie soll er es mir beweisen, wenn ich ihm keine Chance gebe? Wir sind jetzt schon um die drei Wochen nicht mehr zusammen und das letzte Mal habe ich ihn vor ca. zwei Wochen gesehen. Bei dieser Nacht hatte er versucht mit mir zu reden, aber ich war einfach noch zu wütend auf ihn, als dass ich einen klaren Gedanken fassen konnte. Wie es ihm nun geht? Wahrscheinlich fragt er sich tagein, tagaus, wie es nun weitergehen wird. Schließlich liegt es nun in meiner Hand und ich hatte ja um Bedenkzeit gebeten. Jetzt muss ich über meinen Schatten springen und die Angst zurückstellen. Es wird sich sonst niemals etwas ändern und dann bereue ich es mein Leben lang.

Überzeugt davon, was ich jetzt tun werde, kehre ich nach dem Gespräch mit meiner Mom in mein Zimmer zurück, wo ich nach der Kiste suche. Ich muss nicht lange stöbern, denn nach Leos Besuch habe ich diese ganz in der Nähe aufbewahrt und sie liegt nun griffbereit in der Ecke. Als ich sie öffne und das Amulett herausnehme, muss ich lächeln. So wie ich es damals beim Bummeln entdeckt hatte, so hat dieses Schmuckstück auch diesmal wieder eine Wirkung auf mich, als würde es zu mir gehören. Zwar mag das vielleicht an meiner zu großen Fantasie liegen, aber als ich es anlege, habe ich das Gefühl, als ob eine langersehnte Bindung wieder hergestellt ist. So als ob die Karneol-Schildkröte es die ganze Zeit gewusst und darauf gewartet hätte. Ich sollte vielleicht besser weniger Fantasy-Geschichten lesen. Zumindest wäre das für die nächste Zeit sinnvoller. Mein Kopf ist wegen meinen Träumen und Gefühlen so und so schon überfordert. Dennoch bleiben meine Gedanken verstärkt bei Raphael und je mehr ich darüber nachgrüble, desto mehr bin ich davon überzeugt das Richtige zu tun und dies hebt wiederum meine Laune weiter an. Am liebsten würde ich dies sofort mit jemandem teilen. Mia und Cori sind jedoch nicht da. Sie beide sind mit ihren Familien unterwegs. Während die eine bei Verwandten ist, ist die andere in Richtung Miami unterwegs, um dort Urlaub zu machen. Das hindert mich aber nicht, denn es gibt noch eine weitere Freundin in meinem Leben und das ist April. Mit ihr möchte ich, wenn möglich, den Tag verbringen, bis die sehnliche Nacht hereinbricht. Schon zücke ich mein Smartphone aus der Hosentasche und frage sie, ob sie sich mit mir etwas unternehmen würde. Leider kann sie nicht und außerdem hat sie in ca. einer Stunde ein Vorstellungsgespräch, wofür ich ihr nun viel Glück wünsche.

Seit sie nicht mehr bei Channel 6 arbeitet, war es für sie nicht einfach eine neue Stelle zu finden. Noch dazu brauchte sie in erster Linie eine Pause, weswegen sie sich verstärkt mit den Jungs traf. Auch wenn dies Mikey ausnutze, um sie irgendwie zu umgarnen, brauchte sie diese Zeit, um etwas Abstand von ihrem Alltag zu bekommen. Doch nun will sie sich wieder verwirklichen und heute scheint sich für sie vielleicht eine Chance zu ergeben. Ich drücke ihr auf jeden Fall die Daumen, dass sie es bei diesem neuen Fernsehsender schafft und die Stelle bekommt. Doch bevor sie auflegt, fragt sie mich auf einmal, warum ich so gut gelaunt bin. Ich grinse und antworte: „Weil ich wieder Licht in der Dunkelheit sehe und mich entschieden habe.“ Wie von ihr erwartet, hat sie nun die Neugier ergriffen: „Du meinst, dass du Raphael eine zweite Chance gibst?“ Anscheinend brauchte April nicht lange zu überlegen, was ich damit gemeint habe. Somit bestätige ich es ihr: „Ja, ich habe lange genug darüber nachgedacht und ich will einfach mit ihm zusammen sein.“ Von der anderen Seite höre ich auf einmal einen Jubelschrei, wodurch ich das Smartphone kurz von meinem Ohr weghalte. Wie alt ist April noch einmal? Ich könnte schwören, dass sie älter ist als ich und doch benimmt sie sich momentan, als ob sie gerade mal 16 geworden wäre und nun in der tiefsten Pubertät steckt. „Menschenskind, das wurde auch schon langsam mal Zeit. Ich dachte schon, ich müsste mir bald etwas einfallen lassen müssen, bist du mal zur Vernunft kommst, aber das hat sich zum Glück erledigt.“, plappert April einfach darauf los und bei ihrem Gerede kommt mir schon langsam die Befürchtung, als hätte sie uns beide irgendwo einschließen lassen wollen, bis wir die Sache geregelt hätten.

Zuzutrauen wäre es ihr, worüber ich mich vorsichtig vergewissere: „Wolltest du mich schon etwa dazu zwingen?“ Bei dieser Frage wird sie nun etwas ernster: „Nein … naja vielleicht, aber auch nur, weil ich weiß, dass ihr beide zusammengehört. Ich habe Raphael davor noch nie so glücklich gesehen und seit eurer Trennung ist er nicht mehr derselbe. Sooft ich die Jungs besucht habe, ist er trübsinnig. Wobei es in den letzten zwei Wochen etwas besser war. Leo erzählte mir bereits, dass du Raphi irgendwie einen Funken Hoffnung gegeben haben musst, auch wenn ich bis jetzt immer noch nicht weiß was es ist und wie du das gemacht hast.“ Für einen Moment herrscht bei diesem Telefonat Stille, doch dann meint April, ich könnte die Jungs ja sofort besuchen gehen. Sie würden sich sicher darüber freuen. Schließlich war ich fast einen Monat nicht mehr bei ihnen. Jedoch gibt es da ein Problem: Ich habe keine Ahnung, wie ich zu ihnen gelangen kann. Bisher hat mich Raphael immer hingebracht und die Kanalisation ist ein verstricktes System. Da würde ich mich nur verirren. „Und was ist, wenn du sie anrufst?“, fragt April mich nach meiner Erklärung, aber da habe ich schon etwas Anderes im Sinn: „Naja, ich will daraus eine Überraschung machen und du kennst ja seine Brüder. Zu bestimmten Punkten sind sie richtige Plaudertaschen. Außerdem soll Raphael es selbst erkennen.“ Als April mich fragt, wie der Rotmaskierte das machen soll, antworte ich darauf, dass ich ihm ein Zeichen geben werde. Es ist nämlich mein Amulett. Jedoch sage ich es April nicht, da auch sie sich verplappern könnte. So wie sich gerade gefreut hat, will ich es nicht übertreiben. Außerdem weiß Raphael ganz genau, was dieses Schmuckstück für mich symbolisiert und das soll ihm, wenn wir uns sehen, wieder bewusst werden. „Ok, dann stört es dich sicherlich nicht, wenn ich zu ihm sage, dass er heute Abend mal bei dir vorbeischauen soll.“, meint April auf einmal und mir war irgendwie klar, dass sie das jetzt sagen würde. Etwas Anderes war von ihr ja nicht zu erwarten, denn das ist nun mal typisch für sie. Von mir aus kann sie das gerne machen und vielleicht ist das auch keine so dumme Idee. Ich hoffe nur, sie übertreibt es nicht.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Mad-Dental-Nurse
2016-10-24T11:46:31+00:00 24.10.2016 13:46
Sooo. Endlich habe ich es mal geschafft dein neues altes kapitel zu lesen. Sorry nochmal. Aber mir fehlt momentan die Motivation zu lesen oder zu schreiben...
Hihi* april als kupplerin....
Antwort von:  Pamuya_
24.10.2016 13:49
Das macht nichts. ^^ Wenn die Motivation halt streikt, dann hat man einfach wenig Lust. Ich verstehe das.
Antwort von:  Mad-Dental-Nurse
24.10.2016 15:49
und bei dem Wetter...
Antwort von:  Pamuya_
24.10.2016 15:50
Naja, der Herbst bringt nun mal Nebel und Co mit sich
Antwort von:  Mad-Dental-Nurse
24.10.2016 15:52
hm..mir ist da ein goldener Herbst lieber
Antwort von:  Pamuya_
24.10.2016 20:59
glaube ich dir gern ^^


Zurück