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TMNT - Schicksal?

von

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Ein Funken Hoffnung?

Aus Bernadettes Sicht:
 

Im Nachhinein betrachtet, hätte auch ich einfach das Haus verlassen können, damit mir dieses Gespräch erspart bleibt. Jedoch ist es noch früh am Morgen und ich denke gar nicht daran, wegen einem ungebetenen Gast das Weite zu suchen. Immerhin bin ich bereits gestern unterwegs gewesen und jetzt bin ich müde. Ich lasse mich außerdem nicht aus meinem eigenen Heim „vertreiben“, nur weil der feine Herr sich einbilden muss, mir jetzt schon auf dem Wecker zu fallen. Das ist aber nicht das Einzige, was mich daran hindert. Erstens würde Leo es nicht zulassen, dass ich einfach so abhaue und zweitens würde er einen neuen Plan entwickeln, damit er mich zu einem Gespräch zwingen kann. Dabei hatte ich bereits gestern „das Vergnügen“ und zwar mit Donnie und mit Raphael. Jetzt beehrt mich der Anführer der Truppe und eigentlich würde da nur noch Mikey in der Runde fehlen. Dann hätten wir alle beisammen. Leo und seine Brüder sind leider sehr hartnäckig und wenn ich nicht will, dass demnächst der Vierte der Brüder hier antanzt, so werde ich Wohl oder Übel mitspielen müssen. Mann, hoffentlich ist ihm bewusst, dass er und seine Familie ganz schön meine Nerven strapazieren. Was tut man nicht alles, um endlich seine Ruhe haben zu können. Wenn Leo aber glaubt, dass er mich so einfach umstimmen kann, dann irrt er sich. Mein Entschluss steht fest, aber das werde ich ihn wohl noch solange verklickern müssen, bis es endlich in sein Hirn angekommen ist.

Seufzend schicke ich Leo erst einmal aus meinem Zimmer: „Wenn es sein muss, dann geh bitte mal runter in die Küche. Ich komme dann nach, aber erst möchte ich mich mal anziehen.“ Verstehend nickt der Schildkrötenmutant mit der blauen Maske, steht auf und verlässt mein Zimmer. Ich sehe ihm noch kurz hinterher, bis ich augenrollend die Bettdecke von mir ziehe und mich schließlich frisch mache. Ich bin immer noch angepisst von seinem Besuch, was ich auch immer wieder grummelnd vor mich her murmle, aber vielleicht kann ich es schnell hinter mich bringen. Zumindest hoffe ich das. Als ich später nachkomme, hat sich Leo an dem kleinen Küchentisch bequem gemacht. Geduldig beobachtet er mich, wie ich durch den Raum streife. Ich genehmige mir aber erst einen Apfel aus der Obstschüssel, ehe ich mich ihm gegenübersetze. „Also? Ich höre.“, fordere ich den Schildkrötenmutanten auf und beiße in die Frucht. Ich versuche dabei so kalt wie möglich zu wirken. Er braucht nicht glauben, dass er mich komplett in der Hand hat. Außerdem soll er nicht sehen, wie aufgewühlt ich momentan bin. Dass ich neben Raphael noch ein weiteres Problem am Hals habe, geht ihm nichts an. Ich will es ihm einfach nicht zeigen. Stattdessen soll er meine kalte Schulter zu spüren bekommen und sehen, wie sehr mir das hier gerade missfällt. Jedoch hält dies Leo nicht davon ab, mir seinen Standpunkt zu schildern: „Hör mal, ich weiß, dass Raphi ganz schön Mist gebaut hat, aber es tut ihm wirklich leid. Er wollte dich nie dort auf dem Dach sitzen lassen.“

„Er hat es aber getan.“, erwidere ich trocken und beiße ein weiteres Stück von dem Apfel ab. Leo seufzt und meint: „Ich weiß und ich will das auch nicht schönreden, aber versteh bitte doch, dass es in letzter Zeit nicht einfach für ihn war. …“ „Tja, einfach war das für mich auch nicht und ist es auch jetzt nicht Leo. Ich habe mit meinem Leben genug zu tun und habe eigentlich gedacht, dass er mich dabei unterstützen würde. Doch stattdessen habe ich mir anhören müssen, dass ich ihn „in der Dunkelheit versauern lassen würde“ und ihn nicht mehr an mein Leben teilhaben lassen will.“, falle ich dem Blaumaskierten ins Wort ein und funkle ihn dabei böse an. Allein die Erinnerung an Raphaels Worte lassen jene Nacht noch einmal erwachen. Als müsste ich mir diese Situation ein weiteres Mal antun. Es hat sich einfach zu sehr in mein Herz hineingebrannt. Leo scheint es nachvollziehen zu wollen, aber das kann er nicht. Er war nicht dabei und trotzdem meint er: „Glaub mir, er hat das nicht so gemeint. Mein Bruder war frustriert und hat befürchtet, dass ihr euch immer mehr auseinanderleben werdet. Raphael wollte dich einfach nicht verlieren und jetzt sieht er, dass er genau das Gegenteil davon erreicht hat. Allein wie ich ihn in den letzten Tagen erlebt habe, ist er nun ein Schatten seiner selbst. Er denkt ständig an dich und auch an den letzten Nächten verbrachte er seine meiste Zeit in der Nähe deines Hauses. Es tut ihn wirklich leid und ich bin mir sicher, wenn er es rückgängig machen könnte, so würde er es tun.“

Ich sehe nun weg und starre stattdessen in die Leere, während ich den angebissenen Apfel noch immer in der Hand halte. Was erwartet Leo nun von mir? Soll ich etwa die Sache vergessen, auf „Friede-Freude-Eierkuchen“ machen und meinen Exfreund einfach so verzeihen? Das kann ich nicht. So sehr ich es mir auch vorstellen kann, dass Raphael nun mehr ein Schatten seiner selbst ist. Dafür hat er mich zu sehr verletzt. Er hat mich im Stich gelassen und kam erst dann auf die Idee zurückzukehren, nachdem ich schon aufgegeben hatte, auf ihn zu warten. Dennoch, wenn ich daran denke, wie er mich letzte Nacht angesehen hatte, komme ich ins Grübeln. Es war so viel Verzweiflung in seinen goldgelben Augen, aber ich war einfach zu wütend, um sie wirklich realisieren zu wollen. Nach der ersten Ladung gab es noch ein paar weitere Wortgefechte meinerseits. Zu groß war einfach der Schmerz, der mich auch jetzt noch quält. Allein der Gedanke, wie er mich bei unserem Streit behandelt hatte und wie er nun drauf ist, lässt mich irgendwie in eine Zwickmühle stecken. Ob ich es wahrhaben will oder nicht, aber trotz allem empfinde ich immer noch etwas für diesen störrischen Hitzkopf. Meine Liebe zu ihm kann ich nun mal nicht abstreiten, so sehr ich es auch versucht habe. Was mache ich nur? Ich kann ihm doch so einfach nicht verzeihen. Er hat mein Vertrauen zu ihm zerstört, indem er mir misstraute und mir sogar Dinge vorwarf, von denen das Meiste nicht einmal stimmte. Das Einzige, was wahr ist, ist, dass ich in letzter Zeit kaum Zeit für ihn gehabt habe, aber das hatte nichts mit ihm zu tun.

Momentan fühle ich mich einfach hin- und hergerissen. Dennoch will ich es Leo nicht zeigen und versuche darauf so neutral wie möglich zu wirken. Der Blaumaskierte jedoch redet einfach weiter: „Bernadette, glaube mir, er hat das niemals gewollt. Er hat dich sehr verletzt, aber er liebt dich. Mehr als du denkst. Ich weiß, dass Raphi nicht einfach ist. Er ist mein Bruder und macht manchmal Sachen, die einfach unbegreiflich sind. Doch diesmal trägt er nicht allein die Schuld. Auch wenn er Mist gebaut hat, so geht das eigentlich mehr auf meine Kappe. Hätte ich nichts gesagt, so wäre es vielleicht nicht dazu gekommen.“ In diesem Augenblick werde ich hellhörig und sehe den Mutanten mit der blauen Maske an. Das ist genau der Punkt, den ich bei ihm bis heute nicht verstanden habe und genau darauf spreche ich den Anführer nun an: „Leo, ich habe mich ständig gefragt, was du gegen mich hast? Ich dachte eigentlich, dass wir Freunde sind. …“ Weiter komme ich nicht. Leo muss genau gewusst haben, dass ich das irgendwann mal sagen werde. So erwidert er sofort: „Das sind wir auch. Ich habe dich niemals als Feindin oder Eindringling gesehen, aber ich hatte einfach ständig diese Angst.“ „Angst, wovor bitte? Leo, du tust ja so, als würde ich euch im nächsten Augenblick an die Wissenschaft verkaufen wollen.“, melde ich mich nun dazwischen. Mir ist einfach schleierhaft, wie ich einem Mutanten wie Leo Angst machen könnte und gerade ihm musste ich immer wieder beweisen, dass man mir trauen kann.

Jedoch scheint Leo das nicht zu meinen, denn er schüttelt augenblicklich den Kopf, als er weiterredet: „Das ist es nicht. … Ich konnte, oder wollte mir einfach nicht vorstellen, dass so eine Beziehung tatsächlich klappen könnte. Ich meine: Hast du dir schon mal überlegt, wie es nach der Schule weitergehen wird? Hast du wirklich vor, dein ganzes Leben mit jemandem zu verbringen, der sich eigentlich vor der Welt verbergen muss, weil er kein Mensch ist und daher nur im Geheimen agieren kann? Willst du nicht auch irgendeinmal eine Familie gründen? … Versteh mich bitte nicht falsch. Ich habe ja sehen können, dass ihr euch gegenseitig glücklich machen könnt, aber ich hatte Angst, dass du eines Tages deine Meinung zu ihm und zu eurer Beziehung ändern könntest. Ich fragte mich, wann es passieren würde, wenn du ihn abservierst und ihm so das Herz brichst, nur weil du dich vielleicht nach einem normalen Leben sehnst, welches er dir niemals bieten kann. … Bernadette, wir sind Mutanten. Wir können uns leider nicht auf etwas einlassen, was wir gerne hätten, ohne die möglichen Konsequenzen dafür zu betrachten. Ich dachte, wenn ich Raphi zum Nachdenken bringen könnte, würde er meine Bedenken verstehen und sich nicht einfach blind in etwas hineinstürzen, von dem wir alle kaum eine Ahnung haben. Davon bin ich die ganze Zeit überzeugt gewesen. Doch nun habe ich eingesehen, dass ich durch mein Einmischen etwas ins Rollen gebracht habe, was ich eigentlich niemals wollte. Es tut mir wirklich leid. Wenn du wütend auf Raphi bist, dann sei auch bitte wütend auf mich.“

Bei seinen letzten Worten sieht Leo bedrückt zu Boden und ich weiß nicht wirklich, was ich davon halten soll. Nicht nur, dass er bei mir für sein Verhalten um Verzeihung bittet, er scheint sich tatsächlich ständig Gedanken darüber gemacht zu haben, was meine Beziehung zu Raphael betrifft. Ich muss zugeben, dass ich früher eher geglaubt habe, dass er nur eifersüchtig ist, weil er sowas selbst noch nicht erleben durfte. Dass er sich aber so große Sorgen um die Zukunft macht, lässt einem schon zu denken geben. Ich glaube sogar, dass ich ihn nun ein Stück besser verstehen kann. Dennoch gibt es eine Sache, die ich nicht außer Acht lassen will und den Anführer auch mitteile: Auch wenn Leo seinen Bruder mit seiner Befürchtung verwirrt und irgendwie beeinflusst hat, so ist doch jeder selbst für seine Entscheidungen und Handlungen verantwortlich. Schließlich hätte Raphael jederzeit mit mir reden können. Dass er wegen der neuen Situation angepisst war, war unverkennbar, aber er teilte mir nie mit, wie schlimm es aus seiner Sicht war. Ich hatte daher keine Ahnung und genau dieses Problem hatten wir schon einmal. Da waren wir noch nicht einmal zusammen und nun passierte es wieder, dass Raphael nicht mit mir redete. An seiner Liebe zweifle ich nicht, so wie Leo es vermutlich glaubt. Vielmehr ist es dieses Vertrauen, was nun zerstört ist. Nicht nur, dass er mich im Nirgendwo hat einfach stehen lassen, er reagierte erst, als ich nach vergeblichem Bitten aufgegeben hatte und das kann ich nun mal nicht ignorieren.

Wie soll ich mit jemandem eine Beziehung führen, wenn diese Vertrauensbasis in kürzester Zeit kippen kann. Ich wollte das auch verhindern, indem ich Raphael wieder sichtbar zeige, wie viel er mir bedeutet. Dabei denke ich an das Gedicht, was ich für ihn geschrieben habe und kaum, dass mir das wieder einfällt, so sehe ich Raphael vor mir. Seine warmen Augen, sein Lächeln, diese Geborgenheit in seiner Nähe, als das fehlt mir und ich muss sogar zugeben, dass ich ihn sehr vermisse. Ich sehne mich nach der Freude, die ich jedes Mal gespürt habe, wenn ich auf ihn gewartet habe, oder wenn er mit mir in der Nacht unterwegs war. Jedes noch so kleine „Abenteuer“ war mit ihm, als könnte ich mit ihm die ganze Welt bereisen und das in nur eine Nacht. Doch jetzt scheint es vorbei zu sein und wäre dieser unerträgliche Schmerz nicht in mir, so hätte ich sofort alles über Bord geworfen und wäre zu ihm gerannt. Ich liebe ihn, mehr als mein Leben, aber so einfach ist das nicht. Ich brauche einfach noch Zeit, damit ich das Geschehen irgendwie verarbeiten kann. Ich muss darüber nachdenken, was ich nun wirklich will und ob es mir möglich ist, Raphael so schnell eine zweite Chance zu geben. Auf der einen Seite schreit mein Herz, dass ich mich von meinen Ängsten nicht beirren lassen soll. Doch auf der anderen Seite stehe ich den Schmerzen gegenüber, die ich seinetwegen ertragen musste. Daher kann ich mich einfach nicht sofort entscheiden und diese Zeit muss man mir auch zugestehen können.

Im Moment schweigen sowohl Leo als auch ich. Zu meiner Überraschung habe ich eigentlich etwas

Anderes erwartet. Wie zum Beispiel, dass er mich nun mit etwas Nachdruck bittet, mit seinem Bruder zu reden und mich mit ihm zu versöhnen. Jedoch scheint er mich zu nichts zwingen zu wollen, sondern wollte mir nur die jetzige Situation aus seiner Sicht schildern, die ich nun kenne. Dass er sich die Schuld für diese Probleme zwischen mir und Raphael gibt, ist zwar irgendwie lobenswert und ich kann ihn nun ein Stück besser verstehen, aber mir ist nun eher wichtig, wie es jetzt weitergeht. Noch kann und will ich keine sichere Entscheidung treffen, aber was mache ich jetzt. Irgendwie bin ich mir unschlüssig, denn Leo hat nun „seinen Teil gemacht“, aber wie gehe ich nun damit um? Dass ich Zeit brauchen werde, soll mein Gegenüber Raphael auf jeden Fall ausrichten. So viel ist klar, aber irgendwie will ich den Sturkopf auch mitteilen, dass ich nie an seiner Liebe gezweifelt habe. Moment, was ist mit dem Gedicht? Vielleicht kann es mir doch noch zu Nutze sein, obwohl ich es eigentlich anders verwenden wollte. Etwas Besseres fällt mir momentan nicht ein und ich so darüber nachdenke, erfüllt es so, wenn auch auf einer anderen Weise, seinen Zweck. Seufzend lege ich den angebissenen Apfel zur Seite und sage Leo kurz, dass ich gleich wiederkomme. Ich gehe in mein Zimmer, wo ich nach der Kiste suche. Ich stöbere solange, bis ich die Richtige gefunden habe und das zusammengefaltete Blatt Papier herausnehme. Damit kehre ich nun zum Blaumaskierten zurück, der mich sowohl fragend, wie auch leicht verwirrt ansieht. Jedoch sagt er nichts und wartet sogar, bis ich mich wieder an den Tisch gesetzt habe.

Schließlich überreiche ich ihm das Gedicht und erkläre ihm, was es damit auf sich hat: „Das ist etwas, mit dem ich Raphael an jenen Abend eine kleine Freude machen wollte. Ich wusste, dass er in letzter Zeit nicht sehr glücklich darüber war, dass wir uns nur wenig sehen konnten, weswegen ich mir was überlegt hatte. Gib es ihm, wenn du bei der Abenddämmerung heimkehrst und sage ihm bitte genau das. … Und auch Folgendes: Wenn er mich wirklich liebt, hoffe ich, dass er auf mich wartet. Derweil weiß ich einfach nicht, wie es nun weitergehen wird. Ich brauche nun mal Zeit und die muss er mir geben. Wenn ich bereit bin, werde ich ihm ein deutlich sichtbares Zeichen geben. Wenn es soweit ist, wird er es verstehen.“
 

Aus Raphaels Sicht:
 

Demotiviert und desinteressiert sitze ich mit Mikey auf der Couch und sehe fern. Mein nerviger Bruder hat mich nach langem Bitten und Betteln dazu getrieben, endlich mein Zimmer zu verlassen. Zunächst wollte er unbedingt mit mir Skateboard fahren, aber dazu hatte ich weder Lust noch Laune gehabt, weswegen er sich dann für den Flimmerkasten entschieden hat. Das war immer noch „besser“, als mit ihm durch die Kanalisation herumzugeistern. Wenn er unbedingt fahren will, kann er das meinetwegen machen, aber ohne mich. Mir ist das einfach zu blöd und bei seinem kindischen Gegrinse wird mir auch nur schlecht. Doch dabei scheint er sich gerade etwas zurückzunehmen. Ach, das kann mir egal sein. Mikey werde ich sowieso nicht verstehen. Da friert wohl eher noch die Hölle zu, bis das mal passiert. So zappe ich also lustlos durch die einzelnen Kanäle und lasse mich zwischendurch berieseln. Jedoch höre ich nicht wirklich zu und ich starre viel mehr Löcher in die Luft als auf dem Fernseher. Meine Gedanken sind nun mal ständig auf ein Thema fokussiert und das ist Bernadette. Niemals werde ich diesen Blick vergessen. Ihre graugrünen Augen, die ich immer so sehr an ihr geliebt habe, spiegelten Hass und Zorn wieder, als wären sie beinahe in Brand gesteckt worden. Ihre Worte, so scharf wie Klingen, versetzten mir Stück für Stück einen Stich ins Herz. Dennoch ertrug ich dies ohne zu klagen, denn sie hatte jedes Recht dazu. Ich hatte sie im Stich gelassen und als sie mich am meisten brauchte, war ich nicht für sie da. Stattdessen hatte ich ihr Dinge an den Kopf geworfen, die ich nun bitterlich bereue. Wenn ich nur die Zeit zurückdrehen könnte, würde ich es auf der Stelle tun. Ich kann es aber nicht und nichts wird jemals wieder so sein wie vorher. Ich habe sie verloren und das nur, weil ich mir die ganze Zeit einen Schwachsinn eingeredet habe. Doch nun ist es zu spät.

Ich will mich gerade von der Couch erheben und mich wieder in mein Zimmer verziehen, als Leo auf einmal auftaucht. Mikey ist sogleich der Erste, der aufspringt und unserem Anführer hysterisch fragt, wo er den ganzen Tag gewesen ist. „Ich hatte etwas Wichtiges zu erledigen, aber jetzt muss ich erst einmal mit Raphi sprechen und das alleine.“, erklärt er kurz und knapp. Doch ich habe keine Lust mit ihm zu reden, weswegen ich einfach ohne ein Wort das Weite suche, aber Leo rennt mir hinterher. „Lass mich in Ruhe.“, murmle ich bedrückt, aber der Anführer gibt nicht nach: „Ich war bei ihr!“ Mehr braucht er gar nicht sagen, denn schon bin ich hellhörig geworden. Als ich ihn fragend ansehe, gibt er mir mit einem Nicken zu verstehen, dass er tatsächlich bei Bernadette war. Worte brauchten wir beide in diesem Moment nicht dafür und obwohl sich alles in mir sträubt, will ich jede Einzelheit von meinem Bruder wissen. So gehen wir schließlich in mein Zimmer, wo wir unsere Ruhe haben. Vermutlich werden Donnie und Mikey schon bald lauschen kommen, aber das ist mir im Moment egal. Mich interessiert nur eines und zwar Bernadette. „Sag schon, wie geht es ihr?“, frage ich ihn schon ungeduldig, als hätte ich sie eine Ewigkeit nicht mehr gesehen. Dabei war ich erst letzte Nacht bei ihr und die ist alles andere als gut verlaufen. Leo bleibt im Gegensatz zu mir ganz ruhig, als er zu erzählen beginnt: „Ihr geht es nicht viel besser als dir. … Sie wollte am Anfang gar nicht mit mir reden und hätte mich am liebsten sogar wieder fortgeschickt. Da ich aber schon in der Morgendämmerung bei ihr aufgetaucht war, wusste sie, dass ich mich bei helllichtem Tag nicht auf der Straße blicken lassen konnte. Somit musste sie mir zuhören.“

Deswegen war er also stundenlang nicht hier. Dabei sagte unser Vater, dass er den ganzen Tag in der Kanalisation trainieren würde und erst nach vielen Stunden wieder heimkehren würde. Nicht, dass es mich interessieren würde, aber hatte er etwa unseren Sensei angelogen und das wegen Bernadette und mir? Gerade er befolgt doch meistens die Regeln. Unschlüssig darüber, was ich darauf erwidern soll, frage ich Leo stattdessen einfach weiter nach Bernadette: „Was hast du zu ihr gesagt?“ „Ich habe ihr gesagt, dass es dir nicht gut geht, dass du dein Handeln bereust und dass du sie aus tiefsten Herzen liebst. Ich habe versucht ihr klar zu machen, dass das vielleicht nicht passiert wäre, hätte ich mich nicht in eure Beziehung eingemischt. Hätte ich nicht ständig mit dir darüber gezankt, wäre es vielleicht anders gekommen. Ich habe ihr erklärt, warum ich so gegen eure Beziehung war und später meinte sie, sie würde das irgendwie verstehen, aber für sie rechtfertigt das nicht, dass du sie allein gelassen hattest.“ Nach Leos Grund frage ich erst gar und irgendwie will ich das auch gar nicht mehr wissen. Nicht einmal wie er es überhaupt geschafft, sie zum Reden zu bringen, hat für mich eine Bedeutung. Obgleich sie ihn auch hätte ignorieren, als er bei ihr aufgekreuzt ist. Viel mehr interessiert es mich, was bei diesem Gespräch herausgekommen ist. Ich will alles von ihm erfahren und irgendetwas muss Bernadette noch gesagt haben, oder? Das kann es nicht schon gewesen sein!

In diesem Augenblick überreicht Leo mir einen Zettel. Er ist zusammengefaltet und ich habe im ersten Augenblick keine Ahnung, was ich damit anfangen soll. Ist das vielleicht eine Nachricht vor ihr? Ich spüre förmlich, wie mein Herz heftiger zu schlagen beginnt. Man könnte sogar meinen, dass es sich gerade aus mir herauskämpfen will, so stark fühle ich ihn. Als ich das Papier entgegennehme und meinen Bruder gerade fragen will, was das jetzt genau ist, nimmt er mir dies zu meiner Erleichterung ab. Ohne Umschweife klärt er mich auf: „Bernadette hat mir erzählt, dass auch sie sich in letzter Zeit Gedanken gemacht hatte. Ihr war aufgefallen, dass du wegen der Veränderung mit der Schule unglücklich warst. Ihr hattet euch ja immer weniger sehen können und bei dem einen Mal war sie so müde gewesen, sodass du wieder gehen musstest. Um dies wieder gut zu machen und um dir eine Freude zu bereiten, hat sie das für dich geschrieben gehabt. Bernadette hatte eigentlich vorgehabt, dir dies vor eurem Streit zu überreichen, aber es kam ja leider anders.“ Mein Blick schweift wieder auf das Stück Papier. Wie einen Schatz halte ich es vorsichtig mit beiden Händen. Unschlüssig darüber, ob ich es mir genauer ansehen soll, starre ich es einfach an. Sie wollte mir damit eine Freude machen? Ihr war wirklich aufgefallen, dass ich nicht glücklich war? Bei diesem Gedanken kommt mir der Vorwurf wieder in den Sinn, den ich Bernadette an jener Nacht an den Kopf geworfen hatte. Dass ihr unsere Beziehung egal geworden wäre und dass sie sich nur noch für ihr neues Leben mit ihren neuen Freunden interessieren würde. All das hatte ich mir nur eingeredet und den Beweis halte ich nun in meinen Händen. Mehr als je zuvor will ich nun den Inhalt wissen und so falte ich das Papier vorsichtig auseinander. Was ich da erblicke, lässt mich gerührt schmunzeln. Bernadette hatte für mich ein Gedicht verfasst. Dabei habe ich gar nichts mit Literatur am Hut und doch hatte sie sich die Mühe gemacht. Ohne länger zu zögern, lese ich schließlich, was sie mit einer schönen Handschrift geschrieben hat:

« Für meinen geliebten Schattenkrieger. Ich hoffe du freust dich darüber:
 

Wenn ich nachts aus dem Fenster sehe,

so weiß ich, du bist da.

Als Beschützer, überzeugt mit Leib und Seele,

tust du deine Pflicht. So wie ich es immer sah.
 

Doch für mich bist du mehr als nur ein Wächter der Nacht,

der über die Dächer New Yorks streift.

Bei dem es auch mal ordentlich kracht

und der diese Diebe und andere Halunken ergreift.
 

Als Fremder kamst du in mein Leben

und gewannst mein Vertrauen.

Du wurdest mein bester Freund, es ergab sich eben.

Ich konnte stets auf dich bauen.
 

Dass wir zusammen kamen, du und ich,

war wie ein sehnlichst erfüllter Traum.

Ich sage es dir immer wieder gern, ich liebe dich,

so sehr, man glaubt es kaum.
 

Auch wenn es jemand anders sieht,

ich liebe dich so, wie du bist.

Es gibt so vieles, was mich zu dir zieht.

Ich will, dass du das niemals vergisst.
 

Ich bewundere deine Stärke

und damit meine ich nicht nur Muskelkraft.

Ich sehe dich an und merke,

dass man mit dir so vieles schafft.
 

In deine goldgelben Augen ich mich gerne verlier,

was Schöneres kann`s für mich nicht geben.

In deinem Armen im Jetzt und Hier,

ich weiß, wir werden noch viel erleben.
 

Dein Herz gleicht dem Meere,

hat manchmal Sturm, Ebbe und auch Flut.

Doch darin versteckt sich manch eine Perle.

Ein Schatz, den ich seh` und der dort friedlich ruht.
 

An deiner Seite möchte ich sein,

egal was auch kommen mag.

Mein Herz gehört nur dir allein,

zu jederzeit, egal ob Nacht oder Tag.
 

Ich hoffe, du weißt, dass ich stets an dich denke. Dein Engel »
 

Nachdem ich die letzten Worte gelesen habe, halte ich noch inne. Während des Lesens hätte ich schwören können, dass Bernadette mir genau in diesem Moment diese Zeilen vorliest. Wie in einem Traum glaubte ich ihre Stimme in meinem Kopf zu hören und wie sehr würde ich sie mir jetzt an meiner Seite wünschen. Doch sie ist nicht hier und nach allem was passiert ist, kann ich mir kaum vorstellen, dass es je wieder so sein wird. So wie sie mich gestern angeschrien hatte, war nur Hass und Zorn zu sehen. Nur warum hat sie Leo dieses Gedicht mitgegeben, wenn es doch zwischen uns aus ist? Hat er doch noch irgendetwas zu ihr gesagt, wodurch sie sich umstimmen ließ? Gibt es da etwa doch noch eine Chance für mich, einen kleinen Funken Hoffnung? Oder ist das nur ein Zeichen dafür, dass ich es vermasselt habe und das hier ist somit das Letzte, was ich von ihr noch zu Gesicht bekomme? Ich bin verwirrt. Unzählige Gedanken und Möglichkeiten schwirren mir durch den Kopf. Alles scheint in mir durcheinanderzuschreien. Denn ich will die Hoffnung irgendwie nicht aufgeben, dass es doch noch nicht alles verloren ist. Eigentlich hatte ich Leo durch meine Gedanken völlig ausgeblendet, bis ich plötzlich seine Hand auf meiner linken Schulter spüre. Als ich ihn daraufhin ansehe, lächelt er leicht und meint, dass er noch eine Nachricht für mich hat: „Bernadette hat mir noch Folgendes gesagt: Sie braucht jetzt noch Zeit, um über alles nachdenken zu können. Sie hofft darauf, dass du ihr diese auch gibst und solange auf sie wartest. Wenn sie soweit ist, wird sie dir ein deutlich sichtbares Zeichen geben. Sie hat gemeint, du wirst es verstehen, wenn du es siehst.“ Sprachlos weiten sich meine Augen. Nie und nimmer habe ich mit sowas gerechnet und doch habe ich es gehört. Ist das jetzt wirklich kein Scherz? Ich nicke einfach nur, um zu zeigen, dass ich ihn verstanden habe. Worte finde ich jedoch keine dafür. Leo dreht sich schließlich um und will mich schon alleine lassen. Doch bevor er geht, sage ich noch schnell ein flüchtiges „Danke“ zu ihm. Er wiederum meint nur, ehe er verschwindet: „Das war ich dir und Bernadette mehr als nur schuldig.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Mad-Dental-Nurse
2016-07-30T12:38:15+00:00 30.07.2016 14:38
Ich glaube wenn man die erste, ernste Beziehung hat und sich streitet, sogar auseinander geht...braucht es wirich Zeit, ehe man wieder zusammen kommt. Eine Beziehung zwischen Mann udn Frau egal ob Mutant oder nicht, ist was anderes als bloße Freundschaft...Da sind die Gefühle intensiver...
Das Gedicht finde ich sehr schön. Bewundere Leute, die sowas aus dem Stehgreif schreiben können ...^^
Und ich glaube, dass das was sich zwischen Leo, Raph und Bernadette aufgestaut hat, auch nun endlich vom Tisch ist. Kann Leo da ein wenig verstehen...er ist eben der große Bruder und als solcher sorgt er sich eben um seine kleineren...
Antwort von:  Pamuya_
30.07.2016 15:24
So ich das auch. Gerade bei so einem Streit kann es nicht sofort Friede-Freude-Eierkuchen geben. Es braucht nun mal Zeit.
Theoretisch hätte auch jemand anderer diese Sorge haben können. Ich dachte aber,dass es zu Leo besser passen würde,da er als Anführer die größte Verantwortung trägt, wodurch sich diese Gefühl wiederum verstärkt.
Naja an dem Gedicht habe ich schon eine Weile geschrieben. Sooft mache ich das ja nicht, aber hier wollte ich es mal wieder schreiben. ^^ Dennoch freut es mich, dass es dir gefallen hat.
Antwort von:  Mad-Dental-Nurse
30.07.2016 16:26
und wie es mir gefallen hat^^ wie gesagt. Respekt wer es kann


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