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Star Trek - Timeline - 02-01

Das Sonneninferno
von

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Stärken und Schwächen

Zweites Logbuch der U.S.S. ALAMO

Commander Valand Kuehn

Sternenzeit: 40549.5

 

Wir schreiben auf der fernen Erde den 20. Juli 2363. In den letzten acht Monaten hat die Crew der U.S.S. ALAMO unermüdlich ihr Bestes gegeben um das Schiff wieder flott zu machen. Jeder hat mit angepackt um das zunächst wichtigste Etappenziel – die Steuerung des Schiffes von der Brücke aus – zu erreichen. Danach werden wir endlich mit voller Impulsgeschwindigkeit einen Kurs auf Föderationsraum setzen können, was der Mannschaft sicherlich Auftrieb geben wird. Das Steuern des Schiffes vom Maschinenraum aus hatte sich, ob der vielen Zerstörungen dort, als nicht durchführbar erwiesen. Dies wäre lediglich in Notsituationen eine Option gewesen.

Die Reparatur des Warpkerns hat sich als schwieriger herausgestellt, als zunächst gedacht, denn erst im Nachhinein konnte Mister Chirome entdecken, dass der Antimaterie-Injektor beschädigt wurde, so dass eine genaue Zufuhr der Antimaterie für die Reaktion im Warpkern unmöglich ist. Da wir die benötigten Ersatzteile selbst herstellen müssen, wird es noch etwa sechs bis sieben Monate dauern, bis der Injektor wieder funktionsfähig sein wird. Dies wirft uns zwar zurück, aber Mister Chirome ist sicher, dass der Injektor danach fehlerlos arbeiten wird. Wir benötigen also lediglich etwas Geduld. Außerdem haben wir auf diese Weise die Gelegenheit, alles Nebensysteme noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen und Verbesserungen vorzunehmen.

Der gesundheitliche Zustand der Crew ist, dank des vorbildlichen Einsatzes der beiden Lieutenant-Commanders, Gerlach und LeClerc, hervorragend. Auch die psychischen Folgen des verheerenden Unfalls klingen ab, und an Bord beginnt sich, nicht zuletzt Dank des baldigen Erreichens unseres ersten großen Teilzieles, so etwas wie Aufbruchstimmung breit zu machen. Gerade die jüngeren Besatzungsmitglieder stecken die Folgen der Katastrophe sehr gut weg, und ich kann kaum sagen, wie stolz ich auf diese Crew bin.

Es wird auch Zeit für einen etwas größeren Erfolg, denn die bisherigen Anstrengungen haben uns an die Grenzen unserer Kräfte gebracht. Es wäre ein willkommener Anlass einige Tage zu regenerieren, bevor wir uns wieder voll in die Arbeit stürzen, um auch die Überlicht-Kapazität des Schiffes wieder herzustellen.

Dabei ist uns Klar, dass es auch danach noch ein bis zwei Jahre dauern könnte, bis wir wieder zu Hause sein werden. Doch was sind schon drei Jahre, von heute an gerechnet. Diese Zeitspanne lässt sich überblicken und sie gibt der Mannschaft Hoffnung, was in unserer momentanen Lage mit das Wichtigste ist.

 
 

* * *

 

„Du nörgelst in der letzten Zeit ständig herum, Mon Ami“, beschwerte sich Sylvie LeClerc missgestimmt, nachdem sie mit Valand Kuehn die Fortschritte auf der Brücke inspiziert hatte, und sie allein mit der Turboliftkabine nach unten fuhren. „Ist dir das selbst schon mal aufgefallen?“

„Ich finde du übertreibst“, konterte Kuehn unwirsch. Dabei horchte er in sich hinein und fragte sich insgeheim, ob die Französin nicht vielleicht Recht haben könnte. Selbst merkte man manchmal solche schleichenden Entwicklungen gar nicht.

„So“, machte Sylvie, mit gereiztem Tonfall. „Findest du also?“

Der Norweger hob seufzend die Hände und meinte: „Lass uns nicht streiten, okay. Vielleicht bin ich wirklich etwas übersensibel, in den letzten Tagen.“

„In den letzten Wochen“, verbesserte Sylvie LeClerc spitz, obwohl sie wusste, dass Valand gerade diese Art nicht sonderlich leiden konnte. Sein Konter ließ deshalb auch nicht lange auf sich warten.

„Nun übertreibe mal nicht. Ich bin etwas überarbeitet, das ist alles. Wenn das Schiff endlich wieder aus eigener Kraft fliegt, statt zu driften, dann legen wir eine kleine Erholungsphase ein. Danach wird es mir bestimmt bald besser gehen.“

Die kleine Französin verzichtete darauf, Valand weiterhin zu reizen, und sagte statt dessen mahnend: „Du treibst Raubbau mit deinen Kräften. Niemandem ist damit gedient, wenn du zusammenbrichst. Darum rate ich dir: Trete ab sofort etwas kürzer, Cherie.“

Der Norweger machte bei ihrem letzten Wort ein Gesicht, als habe er in eine Zitrone gebissen. „Du weißt, dass ich es nicht mag, wenn du mich mit deinen französischen Kosenamen belegst.“

„Ich kann auch Kosenamen anderer Sprachen verwenden, wenn dir das lieber ist.“

„Ja, das würdest du glatt bringen“, knurrte Valand, wobei er jedoch ein amüsiertes Schmunzeln nicht ganz unterdrücken konnte. In den letzten Monaten hatten sie beide sehr gut dienstlich harmoniert, und auch menschlich hatten sie sich wieder einander angenähert, so dass ihr momentanes Verhältnis zu einander besser war, als zu Akademiezeiten. Und auch in Phasen, wo es verbal härter zur Sache ging, konnte dies die gute Kameradschaft, die sich in den letzten Monaten herausgebildet hatte nicht beeinträchtigen. Letztlich rauften sie sich immer wieder schnell zusammen.

Sylvie knuffte Kuehn scherzhaft in die Seite: „Komm schon, du alter Brummbär. Lass uns Chirome besuchen, und ihn fragen, wann wir endlich die Kontrollen zur Brücke umschalten können.“

„Mach so weiter, dann landest du noch vor einem Kriegsgericht der Sternenflotte, wegen Beleidigung eines vorgesetzten Offiziers.“

„Jetzt bist aber du derjenige der übertreibt“, meinte Sylvie und zwinkerte Valand zu.

Der nickte grimmig. „Ja, aber ich bin mir dessen wenigstens bewusst.“

Sie legte ihre Hand vertraulich auf seine Schulter und Valand blickte sie für einen kurzen Augenblick eigentümlich an. Für einen kurzen Moment lang schien es so, als würde er ihre wahren Gefühle für ihn verstehen und er schien etwas sagen zu wollen, doch dann schwieg er und blickte sie nur an. Aber Sylvie ahnte in diesem Moment, dass er verstanden hatte, wobei es eigentlich viel mehr, als nur eine Ahnung war.

Sie erreichten den Maschinenraum der ALAMO, der wieder einigermaßen hergestellt war. Nur einige dunkle Flecken an den Wänden und auf dem Boden deuteten darauf hin, was sich hier vor mehr als acht Monaten abgespielt hatte. Die zerstörten Konsolen waren wieder hergestellt worden – die zerrissenen Leitungen und zerstörten Schaltelemente ersetzt. Momentan wurde nur noch an einigen sekundären Leitungen gearbeitet, und an einigen Steuerleitungen, die man nicht mehr benötigen würde, sobald die Verbindung der Impulstriebwerke zur Brücke stand.

Als der Bolianer die beiden Führungsoffiziere entdeckte kam er auf sie zu und verkündete strahlend: „Wir haben es gleich, Commander. Sarah befindet sich bei Thania auf der Brücke und wartet auf mein Signal zum Umschalten, und zum anschließenden Check der Steuersysteme.“

Es hatte sich in den letzten Wochen und Monaten eingebürgert, dass sich die Offiziere, auch diejenigen, die neu zu Offizieren ernannt wurden, mit Vornamen ansprachen. Es hatte sich dabei herausgestellt, dass die Disziplin in keinster Weise darunter litt, und so hatte Valand Kuehn keine Einwände dagegen. Lediglich ihn selbst sprachen Chirome, Thania Walker, der Sanitäter, Lieutenant James E. Rowan, und Lieutenant Scrillian immer noch mit Commander an. Aber auch das würde sich im Laufe der nächsten Zeit sicherlich ändern, überlegte Kuehn bei sich. Er sah darin keinen Nachteil, waren sie doch eine verschworene kleine Gemeinschaft – auf Gedeih und Verderb einander ausgeliefert. Das war zu einem nicht geringen Anteil auch Sylvie LeClercs Verdienst, und der Norweger begrüßte die Entwicklung, die sie in letzter Zeit durchlaufen hatte.

Kuehn nickte dem Bolianer zu. „Danke, Chirome. Ich hoffe, es wird funktionieren.“

„Vielleicht sollten wir noch schnell ein Gebet sprechen“, scherzte Sylvie. Auch das wertete Kuehn als gutes Zeichen. Trotz der Schicksalsschläge, die sie alle erlitten hatten, fand die Crew langsam zu ihrem Humor zurück. Ein wenig Normalität, auch wenn sie manchmal noch durchsetzt war vom Schmerz, tief in ihnen. Valand Kuehn war in der letzten Zeit klar geworden, dass niemand ewig trauern konnte, selbst er würde eines Tages über den Tod von Ahy´Vilara hinweg sein, auch wenn ihm dabei bewusst war, dass die Narbe, die ihr Tod hinterließ, stets präsent und spürbar bleiben würde.

Der Norweger verdrängte diese bitteren Gedankengänge, als Mark Langdon aus dem Nebenraum kam und schlicht meldete: „Wir sind soweit, Chief.“

Chirome bedankte sich, und meinte dann zu seinen beiden Vorgesetzten: „Kommen Sie, wir werden es nun einfach wagen.“

Sie schritten zum wieder hergestellten Hauptschalttisch, wo Chirome die Schaltdiagramme mit den entsprechenden Steuertasten aufrief. Dann tippte er kurz auf seinen Kommunikator und rief Sarah Mintal, auf der Brücke, an. „Chirome an Ensign Mintal. Sarah, wie sieht es bei euch auf der Brücke aus?“

„Wir sind bereit. Seid ihr endlich fertig da unten?“

Der Bolianer bemerkte das Schmunzeln auf den Gesichtern von Kuehn und LeClerc und meine entsagungsvoll: „Die wird sich nie ändern.“ Dann antwortete er: „Wir sind soweit. Ich schalte jetzt um.“

Damit ließ der Bolianer seine kräftigen, blauen Finger über die Sensortasten auf der Anzeige des Schalttisches gleiten. Einige der angezeigten Energieflüsse änderten ihre Richtung, einige erloschen, andere flammten dafür auf.

Es dauerte nur einen kurzen Augenblick, bevor Sarah Mintals Stimme aufklang. „Es hat funktioniert, Chirome. Die Steueranlagen der Brücke arbeiten. Wir werden jetzt damit beginnen, die Funktionen zu checken.“

Valand Kuehn aktivierte seinen Kommunikator und sagte: „Commander Kuehn an Ensign Mintal. Gute Arbeit. Lieutenant-Commander LeClerc und ich werden zu Ihnen herauf kommen. Kuehn, Ende.“ Er wandte sich zu der Französin. „Dann wollen wir mal.“

 
 

* * *

 

Als Valand Kuehn und Sylvie LeClerc auf der Brücke aus der Turboliftkabine schritten, blieben beide unwillkürlich stehen, und nahmen den Eindruck in sich auf. Die vertrauten leisen Arbeitsgeräusche der Instrumente und die nun wieder, wenn auch eingeschränkt, funktionierenden Displays der Konsolen und Anzeigetafeln, erzeugte in ihnen ein Gefühl, das sich nur schwer beschreiben ließ. Ein weiterer Teil Normalität war auf der ALAMO eingekehrt. Der Hauptschirm arbeitete, auch wenn die obere rechte Ecke der Anzeige schwarz blieb und der Rest gelegentlich von Störstreifen und einem leichten Rauschen beeinträchtigt wurde.

Sarah Mintal und Thania Walker standen gemeinsam an der OPS und blickten auf die Anzeige die das Diagnoseprogramm lieferte. Sie blickten kurz auf, und Kuehn sagte schnell: „Weitermachen. Wie sieht es aus?“

„Nach den Diagnosedaten sollte sich das Schiff steuern lassen, Commander“, antwortete Thania Walker. Haben Sie Einwände gegen einen Versuch?“

„Nein, ganz bestimmt nicht, Thania. Versuchen wir es.“

Thania Walker nahm an der CONN Platz, während Anaree Scrillian bereits an der NAV saß. Valand Kuehn blieb vor dem Sessel des Captains stehen, setzte sich jedoch nicht hinein, sondern blieb hinter den beiden Frauen stehen. Dabei wandte er sich kurz zu Sarah Mintal um und meinte: „Bitte kontrollieren Sie die eingehenden Leistungsdaten.“

„Aye, Sir.“

Er wandte sich wieder nach vorne, trat einen Schritt näher und meinte dann: Jetzt gilt es, meine Damen. Fangen Sie mit einigen leichten Kurskorrekturen an, Thania. Bitte nichts Drastisches.“

„Verstanden, Sir.“ Die junge Frau ließ ihre Finger über die Sensorfelder der Steuerkonsole gleiten. Zuerst schien nichts zu passieren, doch dann glitten die Sterne auf dem Hauptschirm leicht nach rechts, dann wieder leicht nach links.

Unwillkürlich wappnete sich Kuehn dagegen, dass die Trägheitsdämpfer versagen könnten, doch nichts dergleichen passierte.

„Sie fliegt wie ein nasser Schwamm, Commander“, erklärte Thania Walker, ohne den Blick von den Kontrollen zu nehmen. „Aber sie lässt sich steuern.“

„Das ist ein Anfang“, erklärte Kuehn zufrieden. Er blickte zu der Rigelianerin. „Lässt sich ein Kurs bestimmen der uns in Föderationsraum bringt, Anaree?“

„Leider nur grob und sehr ungenau“, seufzte die Rigelianerin. Die Astrometrik wurde komplett zerstört, wie Sie wissen, und der Computerkern wurde stark beschädigt. Wir fliegen quasi nur anhand einer ungefähren Positionsbestimmung.“

„Das bedeutet wir könnten Sonstwo landen?“

„Es ist nicht ganz so schlimm. Aber wir könnten dem Romulanischen Raum gefährlich nahe kommen, oder sogar unabsichtlich in die Neutrale Zone eindringen. Aber das wäre erst aktuell, sobald wir wieder mit Warp unterwegs sind.“

Kuehn nickte. „Dann kümmern wir uns später um dieses Problem. Jetzt werden wir den Petty-Officers Yr Drenkan und McCrea Bescheid geben, dass ihre Schicht auf der Brücke beginnt. Sylvie, du hast das Kommando. Miranea wird Dich um 22:00 Uhr ablösen. Bitte gib ihr Bescheid, dass sie mit ihrem Shuttle reinkommen kann.“

Sylvie nickte knapp. Sie hatten bereits vor einiger Zeit drei neue Brückencrews, aus jeweils fünf Crewmitgliedern, gebildet. Da sie auf die Wissenschaftliche Station verzichten konnten, und das zuständige Crewmitglied für die OPS auch notfalls die TAC übernehmen würde reichte das vollkommen aus.

Sylvie übernahm das und als die beiden Petty-Officers auf der Brücke erschienen, betraten Valand Kuehn und Sarah Mintal die Kabine des Turbolifts. Nachdem sich das Kabinenschott geschlossen hatte, sagte Valand Kuehn: „Deck-9.“ Danach wandte er sich an die junge Technikerin und meinte: „Das war sehr gute Arbeit, Miss Mintal. Diese Crew gehört wirklich zu den besten.“

Sarah Mintal freute sich über das Lob. „Danke, Commander. Ich werde Ihr Lob an das gesamte Team weitergeben.“ Sie blickte Kuehn forschend an und fragte dann: „Darf ich offen sprechen, Sir?“

Ein etwas verwunderter Zug lag auf dem Gesicht, des Norwegers, als er antwortete: „Ich bitte darum.“

Die Frau zögerte etwas, bevor sie entschlossen sagte: „Sir, Sie sehen erschöpft aus. Sie haben durch Ihren Einsatz nicht nur das Schiff sondern auch dessen Crew zusammengehalten. Aber es bringt nichts, wenn sie zusammenbrechen, Commander. Wir alle brauchen Sie, und wir möchten nicht auf Sie verzichten müssen.“

Zuerst hatte Kuehn eine Erwiderung auf der Zunge gehabt. Aber er schluckte sie, als er sich in Erinnerung rief, was Sylvie ihm vorhin gesagt hatte. „Vielleicht haben Sie Recht, Miss Mintal. Ich denke, ich sollte Ihren Rat beherzigen.“

Er verließ den Lift auf Deck-9 und schritt in Richtung des Hangars. Auf dem äußeren Radialgang traf er auf Miranea Kerath, die bereits wieder gelandet war.

Die Izarianerin lächelte, als sie ihn erkannte. Er hatte sich in den letzten acht Monaten geradezu rührend um sie gekümmert, so wie er es versprochen hatte, und er hatte sie langsam aber kontinuierlich wieder seelisch aufgebaut, was ihre ohnehin bereits gute platonische Freundschaft zusätzlich gefestigt hatte.

Sie begrüßten einander in dem menschenleeren Gang und die blonde Frau erkundigte sich launig: „Kommst du etwa um mich abzuholen?“

Valand Kuehn ging auf ihren Plauderton ein und erwiderte: „Unter anderem. Eigentlich wollte ich dir mitteilen, dass ich Dich, jetzt da die Shuttleflüge vor dem Schiff nicht mehr nötig sind, für die Brückencrew der dritten Schicht benötige. Offiziell bleibst du der Chief, auch wenn Chirome den Laden gut im Griff hat.“

Gemeinsam schritten sie durch den Gang, zurück zum Turbolift, und der Norweger erklärte: „Wir werden es zunächst bei einer reinen Acht-Stunden-Rotation der Schichten belassen; auch in den anderen Abteilungen des Schiffes. Die Crew hat sich etwas Ruhe redlich verdient. In zwei Wochen gehen kehren wir dann zu der gewohnten Zehn-Stunden-Rotation zurück. Wir müssen auch den Warpkern irgendwann wieder flott bekommen.“

„Ich denke, das ist eine gute Maßnahme“, stimmte Miranea zu. „Hauptsache du selbst hältst Dich ebenfalls daran.“

Valand grinste schwach. „Jetzt fang´ du nicht auch noch so an. Ich werde etwas kürzer treten, zufrieden?“

Miranea nickte, so als wollte sie sagen: Dein gereizter Tonfall spricht für sich. Dann erklärte sie ernst: „Ist dir mal aufgefallen, dass du, in der letzten Zeit anders bist, als du es in den letzten Monaten warst? Du bist so...“

Miranea Kerath suchte nach dem passenden Wort und Valand half ihr aus, indem er sich erkundigte: „Du meinst, ich nörgele herum?“

Die Izarianerin nickte zustimmend. „Ja, das trifft die Situation sehr gut. Schön, dass du es selbst erkannt hast.“

„Habe ich gar nicht. Sylvie hat mir das vorhin verbal um die Ohren gehauen. Gib es zu, ihr habt euch hinter meinem Rücken verschworen.“

Miranea lächelte angedeutet. „Verfolgungswahn ist ein weiteres Anzeichen.“

Valand musste gegen seinen Willen lächeln und kapitulierend erklärte er dann: „Okay, ihr habt gewonnen. Ich werde mein Quartier aufsuchen, und einmal richtig ausschlafen, bis morgen. Dir empfehle ich übrigens auch, dich etwas hinzulegen, denn ab 22:00 Uhr hast du auf der Brücke das Kommando über das Schiff.“

„Wir wollen nur Dein Bestes, Valand“, antwortete die Izarianerin sanft und legte ihre Hand auf den Unterarm des Freundes.

Gemeinsam fuhren sie mit dem Turbolift zu Deck-4 hinauf und trennten sich dort. Erst als Valand Kuehn sein Quartier betreten hatte, spürte er die Verspannung seiner Rückenmuskulatur und auch die seelische Müdigkeit. Ja er war dringend Erholungsbedürftig.

Nach einer belebenden heißen Dusche beschloss erst einmal etwas zu essen. Er hatte gerade eben den Tisch abgeräumt und das Geschirr in den Replikator gegeben, als jemand den Kontaktgeber betätigte.“

„Herein!“, rief er durch das geschlossene Schott nach draußen.

Im nächsten Moment öffnete sich das Schott und Melanie steckte ihren Kopf durch die Öffnung. „Hast du Zeit für mich, oder komme ich ungelegen?“

Valand deutete zur Couch hinüber. „Natürlich habe ich Zeit für Dich. Komm doch herein. Was hast du denn da in dem schmalen Karton?“

Melanie drehte die Verpackung so, dass Valand die Aufschrift lesen konnte.

„Wow, Tequila? Wo kommt der Alkohol denn her?“

„Das ist kein Alkohol, das ist Medizin“, behauptete die Krankenschwester überzeugend. Und zwar Medizin für Dich, denn du bist weit über deine Grenzen gegangen, in den letzten Monaten. Und nun wird es Zeit, dass du mal all das etwas vergisst. Diese Medizin wird dir dabei helfen, denke ich.“

„Ich werde diese Medizin aber nicht allein einnehmen“, entschied der Norweger und begab sich zum Replikator um Gläser, Zitronen und Salz zu replizieren. Während er mit den Sachen zur Couch kam und das Tablett auf den niedrigen Tisch stellte, fragte er neugierig: „Woher kommt diese Flasche überhaupt? Ich hätte nicht gedacht, dass so etwas die Katastrophe überhaupt überlebt hat.“

„Erinnerst du Dich daran, als wir mach persönlichen Sachen der Toten, für die Hinterbliebenen, gesucht haben? Ich fand diese Flasche unter den Hinterlassenschaften von Alloran. Wie durch ein Wunder hat sie das Chaos in seinem Quartier überstanden.“

Valand schüttelte den Kopf. „Kaum zu fassen. Der Doktor scheint den guten Tropfen für besondere Momente aufgehoben zu haben.“

Melanie nickte mit einem melancholischen Blick. Dann meinte sie: „Komm, setze Dich zu mir her und reiche mir mal die Gläser.“

Der Norweger nahm neben Melanie auf der Couch Platz und schob ihr die Gläser zu.

Er beobachtete die Frau dabei, wie sie die beiden, nicht gerade kleinen, Gläser zwei Fingerbreit füllte und schob eines davon zu ihm hinüber. Valand leckte sich über den Handrücken, streute Salz darauf und meinte trocken: „Das werden wir morgen bestimmt bedauern.“ Damit prostete er der blonden Frau zu, leckte das Salz ab, stürzte den Tequila herunter und biss dann in eines der Zitronenstücke, wobei sich sein Gesicht nicht allein deswegen verzog.

Melanie Gerlach erging es kaum besser, und sie blickte Valand mit einer Miene an, die ihn zum Lachen reizte. „Das Zeug schmeckt gemein“, beschwerte sie sich heiser. „Ich frage mich nur, warum es immer wieder Leute gibt, die es scheinbar mit Genuss trinken.“

„Geht runter wie eine Bleiente.“ meinte Valand und übernahm es, die Gläser ein zweites Mal zu füllen. „Aber auf einem Bein kann man nicht stehen, heißt es.“

Erneut prosteten sich beide zu und stürzten den Inhalt ihrer Gläser hinunter. Da sie beide kaum Alkohol gewohnt waren wirkte er entsprechend schnell. Dabei breitete sich eine angenehme Wärme in ihnen aus. Nach zwei weiteren Gläsern spürten sie beide eine Leichtigkeit, die sie schon lange vermisst hatten.

Schließlich war es Melanie, die Valand ansah und mit schwerer Zunge meinte: „Weißt du, warum ich diese Fünf-Jahres-Mission überhaupt mitgemacht habe? Meine Ehe mit Mark hatte bereits beim Aufbruch zu dieser Mission unter der permanenten Fernbeziehung gelitten. Aber irgendwie habe ich nicht eingesehen, dass ich es sein soll, die auf ihre Karriere verzichtet. Mark hat es zwar nie gesagt, aber irgendwie schien er genau das von mir zu erwarten. Eigentlich war mein an Bord bleiben so etwas wie eine Trotzreaktion. Ein Zeichen, dass ich nicht auf meine Karriere in der Sternenflotte verzichten möchte.“

„Warum hast du nicht mit ihm darüber gesprochen?“

Melanie lächelte schwach. „Gute Frage - nächste Frage. Ich weiß es nicht.“

„Vielleicht solltest du mit Mark darüber reden, sobald wir wieder zu Hause sind, wann immer das auch sein mag.“

„Lass uns bitte von etwas anderem reden, okay“, erwiderte Melanie etwas gereizt, und Valand hob beschwichtigend die Hände. Im nächsten Moment taten ihr diese Worte schon wieder leid, doch sie sagte nichts und griff schnell zu der Tequila-Flasche.

Sie tranken zwei weitere Tequilas, wobei beide immer großzügiger eingossen und sie mittlerweile das Salz und die Zitronen wegließen. In der Flasche befand sich inzwischen nur noch ein kümmerlicher Rest.

Als Valand Kuehn das Glas hart auf den Tisch stellte, verzog er schmerzhaft das Gesicht, und erklärte, als Melanie ihn, mit unstetem Blick, fragend ansah: „Mein Rücken bringt mich um. Ich habe mir scheinbar einige Verspannungen eingefangen, in der letzten Zeit.“

„Dreh dich mal um und lass mich fühlen“, meinte die Krankenschwester mit bereits merklich wankender Stimme.

Nachdem Valand sich herumgedreht hatte, tasteten ihre Finger seinen Rücken ab und sie sagte dann kichernd: „Du mutest deinem Adoniskörper zu viel zu und dir fehlt eine ordentliche Massage, mein Bester. Komm, ab aufs Bett, dann nehme ich das mal in die Hand.“

Ohne sich um die schwachen Proteste des Mannes zu kümmern zog Melanie ihn an der Hand von der Couch und beide schwankten zum Schlafraum hinüber. Dort öffnete Valand Kuehn seine Uniform und machte seinen Oberkörper bis zu den Hüften frei. Er zog seine Schuhe aus und legte sich dann ächzend auf das breite Lager, wobei er die Hände über den Kopf legte.

„Dreht sich bei dir auch alles? Mir ist, als würde ich Karussell fahren.“

Ein leises Kichern war die Antwort. Dann flüsterte Melanie: „Es geht noch. Mir scheint, du verträgst noch weniger als ich.“

Ein nach Widerspruch klingendes Brummen war die Antwort. Gleich darauf spürte der Norweger die warmen Hände der Frau auf seinem Rücken und er schloss genießerisch die Augen, während sie damit begann, seine verspannten Stellen am Rücken sanft zu massieren.

Dabei gab er ab und zu einige wohlige Geräusche von sich.

Melanie Gerlach, die so etwas seit langer Zeit nicht mehr gemacht hatte, schon gar nicht für jemanden, den sie sehr mochte, spürte, wie ihre Hände zu zittern begannen. Valands festen Körper zu berühren, und die harten Muskeln unter ihren Fingern zu spüren weckten ein Verlangen in ihr, dass sie schon zu lange nicht mehr verspürt hatte. Und nun brach es wie eine heiße Welle über sie herein. Ohne darüber nachzudenken beugte sie sich immer näher zu ihm hinunter. Für einen Moment klang eine leise warnende Stimme in ihr auf, doch sie ignorierte sie. Im nächsten Moment lagen ihre Lippen auf seinem Hals und sie gab ihm einen sanften Kuss.

Valand schien nichts davon bemerkt zu haben, denn er regte sich kaum. Etwas enttäuscht richtete sie sich wieder auf und fuhr fort, Valands Rücken zu massieren.

„Schließlich fragte Valand doch noch: „Was hast du da eben gemacht?“

„Nichts“, kicherte die Frau und ließ wieder ihre Hände weiter über seinen Rücken gleiten, wobei sie immer tiefer dabei wanderten. Schließlich überwand sie ihre Hemmungen und streifte die Uniformkombination an seinen Beinen hinunter und zog sie ihm aus. Seine Socken folgten gleich darauf, und Valand meinte scherzhaft: „He, das kitzelt.“

„Stell Dich nicht so an“, antwortete Melanie mit gespielt strenger Stimme, und beide lachten. Dann schlüpfte sie selbst schnell aus ihrer Uniform. Nur noch mit einem Slip bekleidet legte sie sich neben Valand auf das Bett. „Jetzt bin ich auch dran.“

„Wie?“

„Na, glaubst du, ich sorge für dein Wohlbefinden und gehe selbst mit verspanntem Rücken heim? Da hast du falsch gedacht.“

Valand gab eine gemurmelte Antwort, die selbst ein Fremdrassen-Linguist nicht hätte verstehen können und kniete sich neben die schlanke Frau. Für einen Moment spürte er eine Sperre, Melanies nackten Oberkörper zu berühren. Doch dann legte er seine Hände auf ihren warmen Körper und begann sanft ihre Schultern zu massieren.

Die Frau legte ihren Kopf auf die Seite und schloss genießerisch die Augen. Schließlich flüsterte sie leise: „Tiefer, Valand.“

Der Norweger bewegte seine Hände langsam ihren Rücken hinab. Die leisen Seufzer von Melanie und die zärtlichen Berührungen ließen ihn ein merkwürdiges Kribbeln auf der Haut spüren. Er versuchte nicht darauf zu achten und bewegte seine Hände wieder ihren Rücken hinauf.

Nach einer Weile sagte Melanie gähnend. „Ich schlafe gleich. Wenn ich daran denke, dass ich heute nochmal wieder aufstehen muss wird mir ganz anders. Ich glaube das schaffe ich in meinem Zustand gar nicht mehr.“

„Bleib doch liegen“, bot Valand ihr spontan an. „Das Bett ist breit genug und die Decke recht ebenfalls für uns beide.“ Lachend fügte er hinzu: „Falls es dir in einem fremden Bett nicht unheimlich ist.“

„Da werde ich nicht nein sagen“, gurrte Melanie und räkelte sich wohlig.

„Frauen und Alkohol“, grinste Valand und warf die Bettdecke über Melanie. „Davor hat mich mein Vater immer gewarnt.“ Gleich darauf schlüpfte er ebenfalls unter die leichte, atmungsaktive Decke und löschte das Licht.

Melanie beobachtete, wie es sich Valand auf dem Rücken bequem machte, und die Augen schloss. Sie lag auf der Seite und beobachtete sein gut aussehendes Gesicht. Nach einer Weile rückte sie zu ihm heran und legte unter der Decke einen Arm über seine Brust. Dabei flüsterte sie in sein Ohr: „Bitte nimm mich in deine Arme. Ich brauche jetzt etwas menschliche Nähe, Valand.“

Ohne groß darüber nachzudenken, was gerade passierte, schob Valand Kuehn seinen rechten Arm unter Melanies Körper und legte den anderen auf ihre Hüfte.

Melanie ihrerseits bettete ihren Kopf auf seine Schulter. Unwillkürlich schlang sie dabei ihre Arme um ihn. Ihr Herz klopfte wie verrückt, und schließlich hob sie ihren Kopf und küsste ihn sanft auf die Wange, dann wanderten ihre Lippen zu seinen.

Der Norweger öffnete ohne zu überlegen seinen Mund und sanft küssten sie sich, wobei ihm schmerzlich bewusst wurde, wie lange er nun dieses schöne Gefühl entbehrt hatte. Er spürte kaum, wie die Frau zuerst seinen, dann ihren Slip auszog. Splitternackt lagen sie an einander geschmiegt unter der Decke, küssten und streichelten sich, und alles andere blendeten sie einfach aus.

 
 

* * *

 

Früh am Morgen, nach Bordzeit, erwachte Melanie Gerlach. Splitternackt an Valand gedrängt, den Kopf auf seine Schulter gebettet, hatte sie einen Arm über den Mann gelegt, der noch tief schlief. Noch im Halbschlaf erinnerte sie sich daran wie wunderbar sanft Mark in sie eingedrungen war und sie ganz zärtlich und liebevoll geliebt hatte. Sie erwachte nur langsam, und sie fühlte sich furchtbar. Dann kam sie endgültig zu sich, und erschrak, als ihr bewusst wurde wo sie war – und bei wem. Sie hatte mit Valand geschlafen, nicht mit Mark!

An dieser Stelle ihrer Überlegungen angekommen zog sie sich vorsichtig von Valand zurück, ohne ihn zu wecken, und stieg leise aus dem Bett. Dabei durchzuckte es sie: Oh mein Gott, was haben wir getan. Nein, was habe ICH getan...

Sie suchte fieberhaft ihre Sachen zusammen und auf leisen Sohlen schlich sie aus dem Schlafraum. Im Wohnraum kleidete sie sich hastig an und verließ fast fluchtartig danach sein Quartier, wobei sie froh war, dass ihr niemand auf dem Gang begegnete. Ein elendes Gefühl breitete sich in ihr aus, woran der übermäßig genossene Alkohol nur zum Teil Schuld war.

Als sie ihr Quartier erreichte hatte sich ihre Übelkeit so sehr verstärkt, dass sie würgen musste, und sie schaffte es gerade noch ins Bad, bevor sie sich übergab. Zu dem körperlichen Elend kam nun noch das emotionale. Sie nannte sich selbst in Gedanken ein billiges Flittchen weil sie Mark betrogen, und sich Valand an den Hals geworfen, hatte.

Schluchzend kniete sie vor der Toilette am Boden und zermarterte sich den Kopf wie es so weit hatte kommen können. Sie mochte Valand und er war ihr in den letzten Jahren ein sehr guter Freund geworden, doch sie liebte Mark, dessen war sie sicher. Es war einfach über sie gekommen, als sie dem Norweger plötzlich so erregend nahe gewesen war. Alles das, was sie so lange vermisst hatte, war plötzlich zum Greifen nahe gewesen. Und sie hatte einfach zugegriffen, ohne zu überlegen, wobei der Alkohol einen nicht unerheblichen Einfluss gehabt hatte. Doch das wollte Melanie nicht allein als Entschuldigung gelten lassen. Sie überlegte, wie sie Valand je wieder unter die Augen treten sollte. Für einen Moment gab sie sich der trügerischen Illusion hin, dass Valand vielleicht gar keine Erinnerung an das haben könnte, was in der vergangenen Nacht passiert war. Doch dann schalt sie sich eine Närrin. Wenn sie sich erinnerte, dann würde auch er sich erinnern. An diesem Punkt ihrer Überlegungen wurde Melanie Gerlach noch übler, da sie befürchtete, dass er sie zukünftig verachten würde, weil sie ihn verführt hatte. Auch die leise Stimme der Vernunft, die ihr sagte, dass zum Verführen immer zwei gehörten, konnte sie kaum trösten.

Sie blickte zum Wandchronographen und stellte fest, dass es erst 04:32 Uhr in der Früh war. Sie beschloss, ein Mittel gegen ihre Übelkeit einzunehmen, und dann ein leichtes Frühstück zu sich zu nehmen. Doch zuerst einmal benötigte sie dringend eine Dusche.

Als einige Minuten später das heiße Wasser über ihren Körper lief, und sie wieder etwas munterer werden ließ, kam ihr plötzlich ein fürchterlicher Gedanke. Sie hatte schon seit Beginn der Mission nicht mehr verhütet, was auch nicht verwunderlich war, denn sie war nicht darauf eingerichtet, während der Mission mit anderen Männern Sex zu haben. Wenn sie nun schwanger geworden sein sollte, dann würde bald die gesamte Crew erfahren, was für ein loses Weib sie war. Sie schlug die Hände vor das Gesicht und flüsterte: „Oh Gott, nein...“

 
 

* * *

 

Weniger als dreißig Meter entfernt erwachte Valand Kuehn, als der durchdringende Summton des Weckalarms in seinem Schlafzimmer aufklang. Unwillig brummte Valand Kuehn und sagte: „Computer: Alarm aus.“

Der Ton verstummte und Valand spürte förmlich, wie seine brachliegenden Synapsen wieder begannen zu feuern. Zuerst wollte er seine Augen wieder schließen, weil ihm sterbenselend zumute war, doch dann öffnete er entschlossen die Augen und blickte in die Finsternis. Gleich darauf stürmte die Erinnerung an die vergangene Nacht auf ihn ein, und seine Hände tasteten zu beiden Seiten, doch Melanie war bereits fort.

Er presste seine Hände gegen die Stirn, als die Erkenntnis, was er und Melanie getan hatten, voll in sein Bewusstsein gedrungen war, und wütend auf sich selbst ächzte er: „Verdammt, Valand, du blöder Hund. Auf was hast du Dich denn da eingelassen?“ Ganz allmählich sickerten die Einzelheiten der vergangenen Nacht in seine Erinnerung und ein Gefühl der Scham erfüllte ihn. Er hatte niemanden betrogen, doch er fühlte sich wie ein Ehebrecher. Vielleicht deshalb, weil er zugelassen hatte, dass Melanie ihren Mann betrog. Und zwar mit ihm. Das hätte niemals passieren dürfen. Er konnte sich ungefähr ausmalen, wie sich Melanie fühlte, denn sie hätte sich wohl kaum klammheimlich aus dem Staub gemacht, wenn sie nicht ähnlich über das denken würde, was geschehen war, wie er selbst.

Verdammt, wie werden wir jetzt damit umgehen.

Dieser Gedanke quälte Valand, während er ächzend aufstand, denn er hatte Melanie wirklich sehr gern. Oder war es doch mehr als das? Diese Frage verwirrte ihn zunächst und seine Gedanken begannen sich im Kreis zu drehen. Schließlich versuchte er sich wieder zu beruhigen, und zu einer klaren Denkweise zurück zu finden, während er ins Bad schlurfte, um erst einmal zu duschen.

Das heiße Wasser weckte seine Lebensgeister und er stellte sich erneut die Frage, ob da nicht doch mehr war, als nur Freundschaft für Melanie. Kritisch horchte er in sich hinein, während er duschte doch da war nichts, außer einem Gefühl von Freundschaft. Er liebte Melanie nicht, so viel stand fest. Aber warum hatte er mit ihr geschlafen?

Das war das erste und letzte Mal, dass ich Tequila getrunken habe, schwor er sich in diesem Moment, wütend auf sich selbst. Er hätte das verhindern müssen. Aber dieses Gefühl aufrichtiger Zuneigung und menschlicher Nähe war zu schön gewesen, im Moment – zu verlockend, als dass er ihm hätte widerstehen können.

Du bist der Kommandant dieses Schiffes, zürnte er auf sich selbst. Wenn du kein Vorbild bist, wer soll es denn dann sein?

Valand Kuehn lachte verzweifelt unter der Dusche auf und ballte seine Hände zu Fäusten. Was war ein Vorbild? Ein lächerliches Zerrbild, wenn es Valand Kuehn hieß!

 
 

* * *

 

In den nächsten Tagen lag eine spürbare Spannung in der Luft. Selbst die unteren Ränge der Crew spürten, das etwas los war, ohne sagen zu können was.

Sylvie LeClerc, die momentan am engsten mit Valand Kuehn zusammenarbeitete fiel auf, dass der Norweger von einer gewisse Gereiztheit umgeben war, etwas, das sie an ihm bislang so gut wie nie festgestellt hatte. Dieselben Symptome, wenn auch etwas abgeschwächt waren ihr an Melanie Gerlach aufgefallen, als sie diese am Vormittag in der Krankenstation aufgesucht hatte, mit der Bitte, sich vielleicht einmal mit Valand zusammenzusetzen.

Als sie Kuehn nach ihrer Schicht, kurz nach 22:00 Uhr abends aufsuchte, machte er einen etwas mürrischen Eindruck, und sie sagte schnell: „Wenn du nicht in der Stimmung für Gesellschaft bist, dann gehe ich wieder.“

Er lächelte entschuldigend. „Tut mir leid, Sylvie. Ich fürchte, dass ich mich in der letzten Zeit nicht gerade vorbildlich benommen habe.“

„Gelinde gesagt“, hakte die Französin ein und setzte sich in einen der Sessel, während Valand auf der Couch Platz nahm. „Was ist denn los? Du bist gereizt, Melanie ist gereizt... Moment, habt ihr mit einander gestritten?“

Für einen Moment blickte er Sylvie unwillig an, bevor er erwiderte: „Nein, wir hatten keinen Streit mit einander.“

„Aber irgend etwas ist doch“, beharrte Sylvie, und Valand wünschte sich, sie würde nicht weiter fragen. „Ihr scheint euch in den letzten Tagen förmlich aus dem Weg zu gehen.“

Beinahe verzweifelt blickte Valand Kuehn sie an und beschloss, nach einem langen Moment, ihr reinen Wein einzuschenken. Er berichtete stockend was sich vor einigen Tagen in seinem Quartier ereignet hatte.

Nachdem er geendet hatte, blickte Sylvie LeClerc ihn ungläubig an. Dann überzog eine leichte Zornesröte ihre Wangen und sie schoss förmlich aus dem Sessel hoch. Wie ein Racheengel stand sie vor Valand und blickte auf ihn herunter. „Ihr habt was getan?!“

Auch Valand erhob sich, bei der heftigen Reaktion der Französin, wobei ein schmerzlicher Zug auf seinem Gesicht lag. „Hör zu, ich bedauere, dass das passiert ist, und ich wünschte, ich könnte es ungeschehen machen. Was ich jetzt als Letztes gebrauchen kann ist, dass du deswegen sauer auf uns bist. Ich weiß, dass ich mit Melanie irgendwann darüber reden muss, und zwar bald. Aber ich zerbreche mir momentan den Kopf, wie.“

„Wenn du mit ihr schlafen konntest, dann sollte das auch machbar sein!“, fuhr ihn Sylvie mit zornfunkelnden Augen an, und in diesem Moment erinnerte sie ihn an Ahy´Vilara.

Valand Kuehn machte einen Schritt auf die Französin zu, wobei er sie inständig ansah. „Ich weiß, dass ich es hätte verhindern müssen. Ich liebe Melanie nicht, und ich wollte ganz bestimmt niemanden damit verletzen, Sylvie. Vielleicht werde ich dafür irgendwann in der Hölle schmoren, und es wäre vermutlich nicht einmal unverdient. Im Moment möchte ich nur einen Weg finden, wie ich diese Sache mit Melanie klären kann, ohne ihre Freundschaft dabei zu verlieren.“

Sylvie erkannte in seinem Blick, dass er seine Worte so meinte, wie er sie gesagt hatte, und ihr Zorn auf ihn legte sich etwas. Sie hatte Melanie nie als Konkurrentin angesehen, darum hatten sie Valands Worte vielleicht um so mehr getroffen. Sie fühlte sich betrogen, aber sie wusste auch, dass sie dazu keinen Grund hatte, denn Valand und sie unterhielten keine Beziehung mit einander, auch wenn sie sich nichts sehnlicher wünschte. An diesem Punkt ihrer Überlegungen angekommen, schluckte sie ihren Zorn und sagte, wenn auch spürbar enttäuscht: „Du solltest bald mit ihr reden, denn je länger du zögerst, desto schwieriger wird es werden. Sie lächelte schmerzlich und fügte hinzu: „Du bist nicht nur ein Brummbär, sondern auch ein Dummbär, wie es scheint.“

„Ja, vermutlich“, stimmte Valand Kuehn geknickt zu. Dann straffte er sich und erklärte: „Ich werde gleich morgen Nachmittag mit ihr reden, Sylvie.“ Er kam noch etwas näher und nahm ihre Hände in seine. „Sind wir noch Freunde?“

Bei seinem Blick wäre sie ihm am liebsten um den Hals gefallen. Doch sie erkannte darin auch, dass er genau das nun am allerwenigsten ertragen hätte, deshalb entzog sie ihm zögerlich ihre Hände und gab ihm statt dessen einen kameradschaftlichen Hieb vor die Brust. „Nur, wenn du dir solche Dinger nicht noch öfter leistest, Mon Ami.“

Valand lächelte erleichtert. „Bestimmt nicht.“

 
 

* * *

 

Am nächsten Tag verlief der Morgendienst auf der Brücke so entspannt, dass sich die Brückencrew insgeheim fragte, was nun wieder los war. Im Gegensatz zu den letzten Tagen wirkte der Commander wieder etwas lockerer und die Stimmung war spürbar besser, als noch am gestrigen Tag. Jedoch wagte keiner, sich in die privaten Angelegenheiten Kuehns einzumischen. Alle wussten, dass er seine Frau verloren hatte, da wurde man vielleicht hin und wieder mal etwas komisch.

Noch immer flog man nach Schätzwerten und die Crew konnte nur hoffen, dass man einen ungefähr richtigen Kurs eingeschlagen hatte. Leider war der Subraumfunk der ALAMO irreparabel so dass man nicht die Option hatte zu versuchen, mit anderen Schiffen oder Stützpunkten Verbindung herzustellen. Die Aggregate der Shuttles besaßen eine zu geringe Reichweite, fielen also ebenfalls aus. Kuehn verwünschte die Tatsache, dass man in diese Kleinraumschiffe nur recht schwache Warpaggregate eingebaut hatte. Sonst wäre es möglich gewesen eines von ihnen voraus zu schicken, um Hilfe zu holen. In Gedanken machte er einen Vermerk dem Sternenflottenkommando einen solchen Vorschlag für zukünftige Shuttle-Klassen zu unterbreiten. Er schüttelte in Gedanken den Kopf, weil er nach wie vor unerschütterlich an eine Rückkehr glaubte. Aber was sollten er und die Crew sonst machen, ohne wahnsinnig zu werden vor Verzweiflung?

Je näher das Ende seiner Schicht rückte desto unruhiger wurde Valand Kuehn innerlich und er drehte eine Runde auf der Brücke, sprach mit den Leuten und lenkte sich auf diese Weise soweit ab, dass seine Gedanken nicht permanent um Melanie Gerlach kreisten.

Beinahe verwundert blickte er auf, als Sylvie ihn heute bereits eine halbe Stunde vor der Zeit ablöste. Viel zu besprechen gab es nicht, und so ahnte er, was der Beweggrund dafür war. Er schnitt eine Grimasse, als sie ihm keck zuzwinkerte und marschierte dann entschlossen zum Turbolift. Unangenehme Dinge aufzuschieben brachte nichts, und so machte er sich auf den direkten Weg zur Krankenstation, auf der er Melanie noch antreffen würde.

Als er die Krankenstation betrat war dort nichts los. Einer der Hilfssanitäter räumte im hinteren Bereich Medikamente neu ein, während Melanie Gerlach in dem abgeteilten Büro des CMO saß und einige Krankenakten studierte. Als sie Valand Kuehn erkannte stand sie auf und kam zu ihm heraus. „Kommst du dienstlich, oder als Patient?“, fragte sie distanziert, was einem Gefühl der Unsicherheit entsprang.

Valand, der mit einer ähnlichen Reaktion gerechnet hatte, wandte sich zu dem Sanitäter und wies ihn an: „Bitte lassen sie Lieutenant-Commander Gerlach und mich allein, ich habe etwas persönliches mit Miss Gerlach zu besprechen.“

Der Sanitäter bestätigte und verließ schnell die Krankenstation. Nachdem er gegangen war, blickte er Melanie eindringlich an und sagte sanft: „Du wirst ahnen, warum ich gekommen bin. Wir müssen reden, über das, was geschehen ist.“

Melanie funkelte ihn unwillig an. „Wenn du gekommen bist, um mir Vorwürfe zu machen, dann...“

„Nein, Melanie!“, unterbrach Kuehn sie schnell. „Ganz bestimmt nicht. Aber ich möchte nicht, dass das was war nun ewig zwischen uns steht. Ich bin es, der nicht hätte zulassen dürfen, dass es soweit kommt. Ich weiß, dass du nicht mich liebst – und ich liebe Dich auch nicht. Nicht so zumindest...“

Die Leitende Medizinerin schluckte. Für einen Moment war sie nicht in der Lage etwas zu sagen. Erst nach einer Weile fragte sie leise: „Wie denn dann, Valand?“

„Wie eine Schwester – oder eine sehr gute Freundin. Und ich denke du fühlst ganz ähnlich. Aber wir beide waren an diesem Abend nicht nur sturzbetrunken, sondern wir fühlten uns auch allein und verlassen. Sonst wäre das bestimmt niemals passiert. Es war dumm, aber es war auch menschlich.“

Melanie Gerlach nickte und Tränen rannen über ihre Wangen. „Ich liebe meine Familie, und ich schäme mich so, für das, was ich getan habe.“

Valand trat dicht an sie heran, traute sich jedoch nicht sie in die Arme zu nehmen, so wie er es sicherlich früher gemacht hätte. Melanie nahm ihm diese Entscheidung ab, indem sie ihre Arme um ihn legte, und sich an ihn schmiegte. „Ich möchte, dass es wieder so ist wie es früher zwischen uns war“, schluchzte sie dabei.

Der Norweger nahm sie, beinahe übervorsichtig, in die Arme und antwortete leise: „Ja, das möchte ich auch. Lass uns das was war ganz tief in uns vergraben, und nie wieder darüber sprechen. Das wird sicherlich anfangs schwer, aber wir werden es schaffen.“

Valand spürte, wie sie in seinen Armen nickte, während er sie einfach nur in den Armen hielt. Er war froh, als sie sich schließlich wieder fing. Traurig, aber auch mit spürbarer Erleichterung blickte sie Valand an. Ein ziemlicher Druck, der bislang auf ihrer Seele lag war nun nicht mehr vorhanden. Sie wischte die Tränen fort und lächelte, als sie die unausgesprochene Frage in Valands Augen erkannte. „Es hat keine Konsequenzen gehabt, Valand. Wenigstens das ist uns erspart geblieben.“

Die Erleichterung war dem Norweger deutlich anzumerken. Er ging nicht weiter darauf ein, sondern fragte statt dessen: „Was hältst du von der Idee, wenn wir mal wieder gemeinsam zu Abend essen? Wir könnten Sylvie und Miranea ebenfalls dazu einladen.“

„Und du wärst dann der Hahn im Korb, schon klar.“

Sie lachten sich an, und Melanie meinte schließlich: „Vielleicht nächste Woche?“

„Ja, klingt gut.“ Er atmete sichtlich erleichtert auf. „Ich wollte eine Runde durch das Schiff machen, und in den einzelnen Abteilungen nach dem Rechten sehen. Möchtest du mich nicht begleiten, oder hast du noch zu tun?“

Melanie Gerlach überlegte knapp. Dann entschied sie lächelnd: „Ich komme mit.“

Gemeinsam verließen sie die Krankenstation, und beide wirkten viel fröhlicher, als noch vor wenigen Stunden.



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