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Star Trek - Timeline - 02-01

Das Sonneninferno
von

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Die Katastrophe

Persönliches Logbuch

Lieutenant Valand Kuehn

Sternenzeit: 39868.6

 

Kaum zu glauben, dass wir bereits über ein Jahr lang unterwegs sind. Wir haben mit der ALAMO das Gebiet der Romulaner weiträumig an Steuerbord umflogen und vor einigen Monaten auf DEEP SPACE 4 dem letzten Außenposten der Föderation, bevor wir in nicht erkundetes Gebiet einfliegen, halt gemacht.

Es war sehr erholsam zusammen mit Ahy´Vilara einige Tage Urlaub dort zu verbringen. Wir verstehen uns besser, als jemals zuvor, und nur selten erinnere ich mich noch an den Abend, als Sylvie unbedingt von der Episode in Aspen beginnen musste. Keine Ahnung was sie sich dabei dachte. Vielleicht war es der Wein. Da sie fortan auf weitere Bemerkungen dieser Art verzichtet hat, kann ich nur vermuten, dass es ein verbaler Ausrutscher war, und ich trage es ihr nicht nach. Dennoch ist unser kameradschaftliches Verhältnis gelegentlich von einer unbestimmbaren Spannung gezeichnet. In solchen Momenten würde ich diese quirlige undurchschaubare Frau am liebsten packen und kräftig schütteln, damit sie vielleicht so zur Besinnung kommt. Zumindest werde ich demnächst ein offenes Gespräch mit ihr suchen, denn auch zwischen Sylvie und Ahy´Vilara scheint es Spannungen zu geben.

Ich bin mir nicht ganz sicher, denn Alloran schweigt sich darüber beharrlich aus, aber mir scheint fast, als hätte er Sylvie nach dem besagten Abend bei uns, ins Gebet genommen, denn fortan hat sie sich gehütet sich noch einmal so offensichtlich ungebührlich zu verhalten. Der Commander ist ein besonderer Mensch, und ich mag ihn sehr.

Insgesamt hat die Crew bisher tadellos funktioniert, wobei sich auch unsere beiden Neuzugänge, Thania Walker und Sylvie, sehr gut integriert haben. Dienstlich.

Die schwarzhaarige Kanadierin bekomme ich jedoch nur selten zu sehen, da sie zumeist in der zweiten Schicht Dienst hat.

Unser Navigator, Frock, beginnt langsam mit seiner Geschwätzigkeit, seinem Landsmann Chirome den Rang abzulaufen, was zumindest Thania Walker gelegentlich schwer auf die Nerven geht. Obwohl ihn Triple-C, wenigstens im Dienst, bereits eingebremst hat.

Cianera Crel hat ein sehr gut funktionierendes 10-Stunden-Schichtsystem an Bord etabliert, bei der sich die Schichten am Anfang und am Ende um eine Stunde überschneiden, wobei es in dieser Zeit reichlich Gelegenheit gibt, der Ablösung alle Vorkommnisse mitzuteilen, beziehungsweise selbst zu erfahren. Natürlich wird dabei auch der neueste Tratsch ausgetauscht, doch auch das fördert den Zusammenhalt, und mein Respekt vor der Umsicht von Triple-C ist weiter gestiegen. Ich hoffe nur, dass ich auf dieser Reise genug von ihr lerne, und eines fernen Tages selbst solche Fähigkeiten entwickeln kann, um als Captain ein Schiff der Sternenflotte zu kommandieren.

Captain eines Raumschiffes sein – das ist es, was jeder Offizier der Sternenflotte will, oder besser: wollen sollte. Zumindest wenn es nach mir geht, denn mehr als je zuvor bin ich nun davon überzeugt, dass ich den richtigen Weg eingeschlagen habe. Mehr denn je fühle ich mich dazu berufen irgendwann selbst Captain eines Sternenflottenschiffes zu sein. Aber bis dahin wird es noch ein langer und mühsamer Weg werden. Doch ich bin mir nun vollkommen sicher, dass er sich lohnen wird.

Der Gedanke, dass wir uns seit etwa drei Wochen in bisher unerforschtem Gebiet befinden fasziniert mich, und es ist ein erhebendes Gefühl zu wissen, dass man als erster Mensch dorthin geht, wo noch nie zuvor ein Mensch gewesen ist.

Auch einige andere junge Offiziere und Mannschaftsmitglieder scheinen so zu empfinden. Man merkt es an jeder Geste und in jedem Gespräch.

Ja, die Besatzung ist stolz darauf dass wir das Wissen um die Sektoren der Galaxis erweitern. Manchmal stelle ich mir vor, dass in einigen Jahrtausenden die gesamte Milchstraße erkundet sein wird. Ahy´Vilara nennt mich einen „unverbesserlichen Träumer“, und sie versucht mich stets auf den Boden der Tatsachen zu holen, wenn ich mit ihr darüber rede. Sie ist der Meinung, dass diese Galaxis zu groß sei, als dass man sie überhaupt je komplett erforschen könne. Zumindest nicht als körperliche Existenz. Manchmal frage ich mich, ob sie damit meint, dass nur eine gottgleiche Entität so etwas vollbringen könne.

Im letzten Monat habe ich mit Ahy´Vilara behutsam über das Thema Kinder gesprochen, und ob sie sich vorstellen könne, nach unserer Mission ins Auge zu fassen, Mutter zu werden, falls dies bis dahin gefahrlos möglich sein sollte. Zu meiner Freude hat sie es nicht rundheraus abgelehnt, sich aber etwas Bedenkzeit erbeten. Ich verstehe das, da Andorianerinnen nur selten vor ihrem dreißigsten Lebensjahr ihr erstes Kind bekommen. Ich hoffe, sie entscheidet sich am Ende dafür, denn mittlerweile bin ich fest entschlossen mit meiner Frau eine Familie zu gründen. Das wäre einfach wunderbar.

 
 

* * *

 

Valand Kuehn freute sich bereits auf das Ende der Schicht. Vor wenigen Stunden hatten sie die beiden Planeten eines bisher unbekannten Sternensystems untersucht, wobei er bei einem der Außenteams gewesen war. Noch immer stand er unter dem Eindruck, dass er auf diesen fremdartigen Planeten gestanden hatte, die noch kein fremdes Wesen betreten zu haben schien. Auf beiden Planeten hatten sie keinerlei intelligentes oder tierisches Leben gefunden. Lediglich auf einige primitiv aufgebaute Pflanzen und Flechten war man gestoßen, was nicht weiter verwunderlich schien, denn die Zusammensetzung der Atmosphären der Planeten hatte bereits ahnen lassen, dass sich das System an einem frühen Punkt seiner Entwicklung befand. Falls es hier irgendwann einmal intelligentes Leben geben sollte, dann frühestens in ein bis zwei Milliarden Jahren.

Zwar hatten sie nur einige Mineral- und Pflanzenproben entnommen, aber dennoch war Valand erpicht darauf, das Erlebte mit Ahy´Vilara zu besprechen, die heute leider eine Stunde länger Dienst hatte. Darum hatte er Sylvie gebeten, sich nach dieser Schicht, mit ihm in der Offiziersmesse zu treffen. Er musste dringend mit ihr reden, denn so wie bisher konnte es unmöglich weitergehen zwischen ihnen. Er konnte und wollte nicht länger zulassen, dass die junge Frau Ärger in seine Beziehung trug, egal in welcher Form auch immer.

Ahy´Vilara hatte zwar nie davon gesprochen, aber irgendwie wurde Valand den unbestimmten Verdacht nicht los, dass sie in der letzten Zeit mehrmals Streit mit Sylvie gehabt hatte, und es ihm zuliebe nicht erwähnt hatte. Und er selbst hatte das nun viel zu lange laufen lassen, da er immer gehofft hatte, das Verhältnis der beiden Frauen zu einander würde sich mit der Zeit normalisieren. Doch das war offensichtlich nicht geschehen und nun war auch seine ellenlange Geduld am Ende.

Gelegentlich warf er einen prüfenden Blick zu Sylvie LeClerc hinüber. Schon früher hatte er Bekanntschaft mit ihrer direkten, manchmal etwas ungestümen Art gemacht. Er hatte sie immer als eine sehr gute Kameradin geachtet, darum wurmte es ihn um so mehr, dass sie hier an Bord diesen Privatkrieg mit seiner Frau ausfocht. Und er hatte einfach keine Kraft, und auch keine Lust mehr, ihr Verhalten noch weiter bei seiner Frau zu entschuldigen, und ständig darauf hinzuweisen, dass sie früher nie so war.

Dabei mochte er die Französin wirklich, weswegen es ihm auch schwergefallen war, sich endlich dazu zu entschließen ein offenes und ernstes Wort mit ihr zu sprechen. Dabei hoffte er aufrichtig, sie würde nachher seine Beweggründe verstehen, denn er wusste, dass ihm ein vollkommener Bruch ihrer freundschaftlichen Beziehung nicht leichtfallen würde. Dennoch würde er nicht zögern, ihr die Freundschaft zu kündigen, sollte sie sich weiterhin starrsinnig zeigen, denn seine Liebe und seine Loyalität gehörten Ahy´Vilara – ohne jegliche Einschränkung.

Kuehn verdrängte diese unangenehmen Gedanken und konzentrierte sich wieder auf seinen Dienst. Er beobachtete Commander Tscharun und Lieutenant-Commander T´Parin dabei, wie sie an der Wissenschaftlichen Station der Vulkanierin bei einander saßen, und die Ergebnisse der planetaren Scanns auswerteten. Dabei sprachen sie leise mit einander und Valand Kuehn stellte zu seiner gelinden Verwunderung fest, dass die sonst meist ernst wirkende Wissenschaftlerin gelegentlich so etwas wie ein Lächeln zeigte. Dabei fielen ihm wieder die Gerüchte ein, die an Bord über beide kursierten. Er selbst glaubte nicht recht daran, dass zwischen beiden etwas lief, aber allein die Tatsache, dass die Vulkanierin in Gegenwart des Kameruners, für ihre Verhältnisse, so aus sich heraus ging, empfand er als bemerkenswert.

Er selbst verstand sich mit dem XO der ALAMO ebenfalls ausgezeichnet. Man hatte auch fast keine andere Wahl, denn zumeist wurde der hünenhafte Afrikaner von einer stillen Heiterkeit beseelt, und oft hatte er ein leichtes Lächeln auf den Lippen.

Die Vulkanierin hingegen war ihm ein Buch mit sieben Siegeln geblieben. Dazu kam, dass es nur selten Berührungspunkte zwischen ihnen gab. So konnte er noch immer nicht sagen, was er eigentlich von ihr hielt. Ein wenig bedauerte er diesen Umstand, andererseits machte er sich aber auch keine allzu großen Gedanken deswegen. Sie gingen freundlich und respektvoll mit einander um, das genügte ihm in diesem Fall.

An der CONN hatte Thania Walker vor wenigen Sekunden die ALAMO beschleunigt und es, auf Geheiß der Kommandantin, wieder auf Warpgeschwindigkeit beschleunigt, nachdem sie die äußere Umlaufbahn dieses Zwei-Planeten-Systems hinter sich gelassen hatten. Sie hatte heute mit dem Chefpiloten, Daron Dimur Lenar, den Dienst getauscht, da sie auf eine Feier eingeladen war, die heute Abend stieg. Valand fand sie ganz sympathisch, aber da sie zumeist zu unterschiedlichen Zeiten Dienst taten, hatte er sie auch im vergangenen Jahr nur flüchtig kennen gelernt.

Auch die meisten der anderen Führungsoffiziere hatten ihren Dienst heute erst später angetreten, da sie in einigen Stunden ein weiteres Sternensystem zu erreichen gedachte, welches sich nur wenige Lichtjahre entfernt befand und ebenfalls Planeten besaß, wie die Fernortungsscanner des Schiffes angezeigt hatten. Das System sollte von einem weißen Zwergstern beherrscht werden, der von einem sehr nah stehenden Begleiter umlaufen wurde. Die Scanner-Auswertung hatte ergeben, dass sich der Stern am Ende seiner Brennphase befand. Er und Sylvie hingegen erwarteten jeden Augenblick ihre Ablösung. Gemeinsam würden sie dann in der folgenden Stunde die Ereignisse der Schicht durchgehen, und wie gewohnt auch einige private Dinge austauschen.

Bereits eine Minute später erschienen die beiden erfahrenen Chief-Petty-Officer, die während der kommenden zehn Stunden Dienst hatten auf der Brücke.

Während Sylvie und Chief-Petty De Longrien ihre Ablösung in knapp einer halben Stunde erledigt hatten, tauschte sich Valand Kuehn noch immer lebhaft mit Chief-Petty Marucchi, einem kleinen lebhaften Italiener aus. Beide verstanden sich ausgezeichnet, obwohl sie kaum unterschiedlicher in Erscheinung und Gemüt hätten sein können. Hin und wieder hörten auch Sylvie und De Longrien hin, während Valand von der zurückliegenden Außenmission erzählte. So etwas erfuhr man immer gerne aus erster Hand.

Abschließend wies der Norweger noch einmal darauf hin, dass die ALAMO in ein unbekanntes System unterwegs war, von dem man kaum etwas wusste, und er mahnte an, besonders aufmerksam zu bleiben.

„Keine Sorge, Lieutenant“, lachte Marucchi beruhigend. „Ich passe schon auf, sobald wir unter Warp fallen. Die Hand immer über den Sensortasten für Schilde und Waffensysteme, bereit sofort beides zu aktivieren.“

Sylvie und De Longrien lachten unterdrückt, während Valand launig meinte. „Ja, machen Sie nur Ihre Späße, Mister Marucchi. Wenn dort eine unbekannte, aggressive Spezies auf unser Schiff lauert, und es zu Schrott schießt weil Sie nicht rechtzeitig zur Stelle waren, dann wird Ihnen Triple-C etwas erzählen.

Marucchi verzog das Gesicht. „Sie verstehen es, einem den Spaß zu verderben, Lieutenant; immer auf Zack, wie? Haben Sie mal darüber nachgedacht, ob Sie ihre Arbeit nicht vielleicht etwas zu ernst nehmen? Sehen Sie mich an: Ich habe Spaß an meinem Job.“

„Ich möchte ja auch nur, dass es so bleibt“, konterte Valand Kuehn trocken und warf einen Blick auf den Chronographen, als er feststellte, dass Lieutenant Lenar an der CONN saß. Es war bereits eine Minute nach achtzehn Uhr und so sagte er abschließend: „Ich wünsche Ihnen beiden eine entspannte Schicht ohne zu viel Aufregung, meine Herren.“

„Wird schon schief gehen“, lachte der ruhigere De Longrien.

Gemeinsam begaben sich Sylvie LeClerc und Valand Kuehn zu Turbolift-1, der in Flugrichtung auf der Steuerbordseite lag. Dabei warf er einen letzten Blick auf die beiden Chiefs und überlegte, dass Triple-C eine Händchen dafür hatte, stets zwei völlig verschieden geartete Wesen als Team zusammen zu spannen. Er und Sylvie waren das beste Beispiel dafür. Bei diesem Gedanken musterte er die Französin, die bereits akustisch Deck-5 angewählt hatte, und versuchte sich seine innere Unruhe nicht anmerken zu lassen.

Als sie den Turbolift verließen und durch den hell erleuchteten Gang schritten, fragte die Französin neugierig: „Wie kommt es denn, dass du heute mit mir zu Abend isst? Hängt Zuhause etwa der Haussegen schief?“

Wieder so eine Spitze...

Eben war Valand Kuehn noch etwas wankend in seinem Entschluss gewesen, doch dieser erneute kleine Seitenhieb brachte ihn wieder in die Spur. „Nein, aber darüber möchte ich nicht hier auf dem Gang mit dir reden.“

„Klingt ja geheimnisvoll“, meinte die junge Frau ironisch. Als sie merkte, dass Valand im Moment nicht bereit war mehr zu sagen, schwieg sie und fasste sich in Geduld.

Als die beiden Offiziere die Messe erreichten, stellten sie fest, dass sie diese ganz für sich allein hatten, was Valand nur Recht war. Während sich Sylvie ein Altairwasser am Replikator bestellte, bevorzugte der Lieutenant einen Andorianischen Tee. Mit ihren Getränken nahmen die beiden Brückenoffiziere an einem der Fenstertische platz.

Die Messe lag zwei Decks über den beiden Haupthangars, im hinteren Bereich der Primärhülle, und so sahen sie, durch die hohen, schmalen Fenster nur die nach achtern dahin ziehenden Sternenstreifen, die darauf hinwiesen, dass sich das Schiff im Warpflug befand.

Valand maß Sylvie, die ihm nun am Tisch gegenüber saß, mit einem ernsten Blick und nahm einen Schluck von seinem goldgelben Getränk, bevor er sagte: „Ich möchte mit dir über unser angespanntes Verhältnis, und die Gründe dafür reden, denn...“

„Hat deine Frau dich dazu angestachelt?“, unterbrach Sylvie LeClerc ihn wütend.

Valand stellte sein Glas hart auf den Tisch zurück und fuhr die Französin aufgebracht an: „Nein, verdammt! Lass endlich meine Frau aus dem Spiel, die kann für sich selbst sprechen! ICH rede zu dir, Sylvie, weil es mir bis hier oben steht!“ Dabei zeigte er mit zornfunkelnden Augen über seinen Kopf.

Die blonde Frau blickte ihn etwas verdattert an, denn so außer sich hatte sie ihn noch niemals erlebt.

Währenddessen fuhr Valand erregt fort: „Ich weiß nicht, was du gegen Ahy´Vilara hast, denn sie hat dir nichts getan. Sie ist meine Frau, Sylvie, und sie steht bei mir an allererster Stelle, deshalb will ich, dass du sie in Ruhe lässt. Ich habe dich immer als eine sehr gute Kameradin geachtet, aber langsam bin ich es leid deine Launen zu ertragen!“

Die Französin schluckte und mit flackernden Augen wollte sie etwas erwidern, doch Kuehn schnitt ihr schnell das Wort ab.

„Ich will jetzt nichts von dir dazu hören! Dein Privatkrieg mit Ahy´Vilara hört umgehend auf, Sylvie – hier und jetzt. Oder setze deinen Weg fort wie bisher, aber dann sind wir beide endgültig fertig mit einander, denn ich möchte niemanden in meinem Umfeld haben, der sich meiner Frau gegenüber ungebührlich verhält. Und ich dulde es nicht eine Sekunde länger, dass jemand versucht Missstimmung in meine Ehe zu tragen.“

Seine letzten Worte waren sehr leise, aber mit einer besonderen Betonung gesprochen worden, die Sylvie aufhorchen ließ. Sie blickte in die zornfunkelnden Augen Valands und sie begriff, dass er jedes seiner Worte genauso gemeint hatte. Gleichzeitig wurde ihr vollkommen klar, dass sie niemals gegen die Andorianerin ankommen würde. Valand liebte sie aufrichtig, das wurde ihr in diesem Moment erst richtig bewusst.

Während Valand Kuehn auf eine Reaktion der Französin wartete blickte er kurz zur Zeitanzeige des Wandkalenders hinüber. Man schrieb den 13. November 2362 – 18:17 Standardzeit. Es war die Minute, in der sich sein Leben grundlegend verändern sollte...

 
 

* * *

 

In der Krankenstation hatte Ahy´Vilara die Grundstoffe einiger Pflanzenproben auf ihre eventuelle Gefährlichkeit für Humanoides Leben hin untersucht. Gefunden hatte sie bisher einige Bakterien, die sich jedoch als vollkommen harmlos herausgestellt hatte. Damit gab es von medizinischer Seite aus keine Einwände, die mitgebrachten Pflanzen zu kultivieren. Die Biologische Abteilung des Schiffes würde sich freuen. Die Überprüfung einiger weiterer Proben stand noch aus, aber die Andorianerin war zuversichtlich, dass auch deren Prüfung negative Resultate zeitigen würde. Dennoch musste man vorsichtig sein.

Zusammen mit Alloran Veron nahm sie die Untersuchungen vor. Der Commander hatte ihr zwar angeboten, zeitig zu gehen, aber sie wusste, dass Triple-C die Ergebnisse so schnell wie möglich haben sollte, also blieb sie und unterstützte ihn. Valand hatte Verständnis dafür, und allein dafür liebte sie ihn noch mehr. Sie lächelte bei dem Gedanken daran, dass Valand sie vor kurzer Zeit mit der Frage konfrontiert hatte, ob sie sich ebenfalls ein gemeinsames Kind wünschte, wenn sie von dieser Mission wieder zurück waren. Sie hatte sich Bedenkzeit von ihm erbeten und einige Zeit darüber nachgedacht. Nach und nach hatte sie in der letzten Zeit gespürt, dass dies auch ihrem Wunsch entsprach. Und es zeigte ihr, mehr als alles andere bisher, dass Valand sie wirklich liebte. Nicht zuletzt deswegen war sie sehr glücklich ob seiner Frage. Sie hatte in den letzten Stunden eine Entscheidung gefällt, und nun konnte sie es kaum abwarten Valand mitzuteilen, dass auch sie sich ein Kind wünschte.

Alloran Veron, der sie unauffällig beobachtete, fragte schließlich lächelnd: „Sie sehen sehr glücklich aus, Ahy´Vilara. Gibt es einen besonderen Grund dafür?“

Die Andorianerin blickte fragend zu ihm auf. Dann beschloss sie, den Arzt einzuweihen und antwortete: „Ja, Alloran. Valand hat mir gegenüber vor einiger Zeit den Wunsch nach einem Kind geäußert, sobald wir diese Mission hinter uns haben. Ich habe darüber nachgedacht, und ich möchte es ebenso gerne.“

„Das ist eine schöne Neuigkeit“, meinte der Arzt erfreut, und in seinem Blick lag beinahe so etwas wie Vaterstolz. „Ich freue mich für Sie und Valand. Haben Sie schon entschieden, wer die Paten werden sollen?“

„Nein“, lachte die Andorianerin erheitert. Es ist doch noch einige Zeit bis dahin. „Sie benehmen sich ja beinahe, wie ein werdender Großvater.“

„Ich fühle mich auch beinahe so“, grummelte Veron gespielt melancholisch. „Aber kommen Sie nur nicht auf die Idee jetzt Opa zu mir zu sagen.

„Ganz bestimmt nicht, Commander.“

Melanie Gerlach, die unauffällig das Medizinische Labor betreten hatte, blickte die beiden Kollegen an und fragte neugierig: „Habe ich was verpasst? Wer wird Großvater?“

Veron und die Andorianerin lachten vergnügt und Ahy´Vilara klärte die Krankenschwester in knappen Worten auf.

Spontan legte Melanie Gerlach ihre Hand auf die Schulter der Assistenzärztin und sagte: „Ich freue mich für euch.“ Ein wenig melancholisch fügte sie hinzu. „Ich werde froh sein, wenn ich meine kleine Sylvie endlich wieder in die Arme schließen kann. In der letzten Nachricht von Mark erfuhr ich, dass sie jetzt plappert, wie ein Wasserfall. Sie ist mein ganzer Stolz.“

„Kann ich mir denken“, meinte der Arzt. Dann setzte er eine dienstliche Miene auf und sagte: „Ahy´Vilara und ich schaffen den Rest allein, und Sie können ohnehin nicht dabei helfen, darum bekommen Sie von mir den Befehl Feierabend zu machen.“

„Ahy, Commander“, lachte Melanie, die diese Art schrägen Arzthumor bereits kannte.

Alloran Veron wandte sich wieder zu seiner Assistentin: „Kommen Sie, Lieutenant. Lassen sie uns die beiden restlichen Proben untersuchen.“

Er sagte es drei Minuten, bevor das Schicksal gnadenlos zuschlug...

 
 

* * *

 

Eine Halbe Stunde zuvor hatte Crewman 1. Klasse, Chirome, seiner Ablösung im Backbord-Hangar, wie üblich mit viel mehr Worten als nötig gewesen wären, erklärt, was an den verschiedenen Shuttles momentan geprüft und überholt werden musste. Dann standen beide noch eine Weile zusammen, und gingen durch, was in den nächsten Tagen vermutlich anstehen würde, wobei Chirome orakelte: „Vermutlich fliegen diese Shuttle-Jockeys wieder einige der Maschinen zuschanden, sobald wir das nächste System erreichen. Besonders diese izarianische Kunstpilotin wird wieder alle Systeme bis an die Grenzen belasten. Das ist doch deren Lieblingssport.“

Der menschliche Crewman 2. Klasse, Mick Trimmel, nickte entsagungsvoll. „Und wir dürfen uns anschließend wieder den Rücken krumm arbeiten, um die Maschinen für den nächsten Start rechtzeitig hin zu bekommen.“

„Da sagst du was, Langer“, seufzte der Bolianer. „Und dann ist heute der Chief einige Male vor meinen Füßen herumgelaufen. Vor lauter grüßen bin ich kaum zum arbeiten gekommen. Aber wehe, wenn die Kisten nachher nicht fliegen.“

„Hoffentlich lässt Chief Scunaren wenigstens unsere Schicht in Ruhe“, knurrte der dürre Mensch. „Sonst werde ich ungemütlich.“

Der Bolianer tauschte sich mit Trimmel noch einige weitere Minuten aus, bis seine Kollegin, Sarah Mintal bei ihm erschien und zum Chronographen deutete. „Willst du Überstunden machen, Chirome oder begleitest du uns zur vorderen Mannschaftsmesse?“

„Natürlich komme ich mit“, entschied der Bolianer, von dem es hieß, dass er das am besten informierte Besatzungsmitglied der ALAMO war. Er verabschiedete sich schnell von Trimmel und folgte der braunhaarigen Frau zum Ausgang des Hangars. In Kürze würde man ein neues Sternensystem erreichen, und was gab es Schöneres für einen hart arbeitenden Raumfahrer, als zum Feierabend mit Kollegen etwas zu trinken, und dabei einen Blick aus dem vorderen Panoramafenster auf ein unbekanntes Sternensystem werfen zu können...?

 
 

* * *

 

Im Hauptmaschinenraum war es den gesamten Tag über relativ ruhig zugegangen. Der rigelianische Lieutenant-Commander, Baran Scunaren, stand am Hauptschalttisch und kontrollierte den Plasmafluss im EPS-System. Auch hier stellte der Mann mit dem exotischen Gesichts- und Hautmuster keinerlei Unregelmäßigkeiten fest. Die Systeme waren relativ neu und sie funktionierten so präzise und einwandfrei, wie man es von diesen hochwertigen Systemen erwarten durfte. Der hochgewachsene, 1,90 Meter große Rigelianer machte eine zufriedene Geste mit der linken Hand. Dann nahm er sich vor, noch einmal die ODN-Leitungen gründlich zu checken, bevor sie das unbekannte System erreichten. Man konnte nie wissen.

Seine Stellvertreterin, eine noch recht junge Marsianerin, die erst kürzlich zum Lieutenant befördert worden war, trat zu ihm und fragte neugierig: „Beunruhigt Sie etwas, spezielles Chief? Nach unserer letzten Ebene-2-Diagnose sah alles einwandfrei aus.“

Der Rigelianer fuhr sich mit der Hand durch das dunkelblonde, schulterlange Haar, dass er streng zurück gekämmt trug, und blickte die hagere Frau mit den kurzen schwarzen Haaren nachdenklich an. Mit einem Blick in ihre grün-grauen Augen meinte er dann: „Nein, es ist nichts Spezielles, Lieutenant. Ich habe nur seit heute morgen so ein seltsames Gefühl im Genick, dass mich bisher immer nur befallen hat, wenn etwas schlimmes passierte. Eigentlich gebe ich nicht viel auf Omen oder Vorzeichen, aber dieses seltsame Gefühl in mir will einfach nicht nachlassen.“

„Vielleicht sind Sie nur überarbeitet, Sir“, gab die Frau zu bedenken. „Die Technik der ALAMO ist auf der Höhe der Zeit, und die Crew ist verlässlich. Was sollte uns also schon großartig passieren, Sir?“

„Vermutlich haben Sie Recht, Lieutenant.“ Der Chief lächelte gezwungen und blickte auf die Zeitanzeige am Rand des Schalttisches.

Dies geschah eine halbe Minute, bevor das Schiff unter Warp fiel, und draußen im All die Hölle losbrach...

 
 

* * *

 

In dem Moment, als Chirome mit Trimmel über die Angewohnheiten von Miranea Kerath lästerte, saß die Izarianerin unweit der beiden, in einem der Shuttles, die im Reparaturhangar standen, und ließ den Impulsantrieb der Maschine Probe laufen. Aufmerksam kontrollierte sie die einlaufende Telemetrie und schaltete schließlich zufrieden mit den Werten ab. Das technische Team hatte gute Arbeit geleistet, und einige kleinere Fehlfunktionen am Shuttle beseitigt.

Nachdem die Izarianerin die Aggregate des Shuttles deaktiviert hatte, lehnte sie sich einen Moment im Sitz zurück und lächelte bei dem Gedanken daran, dass Siran und sie später in ihrem neuen gemeinsamen Quartier zusammen sein würden. Triple-C hatte vor einigen Wochen endlich ein Einsehen mit ihnen gehabt, und ihnen eine Gemeinschaftskabine bewilligt.

Natürlich hatten sie danach eine kleine Einweihungsparty für ihre gemeinsamen Freunde gegeben, auf der es recht munter zu gegangen war. Natürlich war auch Valand mit Ahy´Vilara da gewesen. Seit er und die andorianische Assistenzärztin zusammen waren, hatten sie und Siran sehr oft gemeinsame Abende mit ihnen verbracht. Es hatte eine Weile gedauert, bis die Andorianerin aufgetaut war, denn genauso wie ihre Freundin Siran, war auch Ahy´Vilara anfangs etwas misstrauisch gewesen, weil Valand sich mit ihr gut verstand. Doch sie hatte schnell erkannt, dass dieses Verstehen, von beiden Seiten, rein platonischer Natur war, und seitdem kam sie mit der Andorianerin blendend aus. Sie wäre sogar soweit gegangen zu behaupten, dass die Andorianerin und sie so etwas wie gute Freunde geworden waren.

Ein Anruf über den Kommunikator riss sie aus ihren Überlegungen. Es war Sirans Stimme, die sagte: „Tut mir leid, Miranea, aber ich werde mich um eine halbe Stunde verspäten, weil ich noch an einer EPS-Leitung zu tun habe, die von Warpkern zu den Waffensystemen führt. Der Chief möchte, dass ich diese Arbeit selbst erledige.“

„Nicht zu ändern“, erwiderte die Izarianerin sanft. „Dann werde ich heute das Abendessen vorbereiten.“

„Ich werde mich beeilen, vielleicht schaffe ich es ja schneller. Bis gleich.“ Damit schaltete die junge Trill ab.

Miranea Kerath seufzte schwach. So etwas konnte immer vorkommen, und eine halbe Stunde war auch kein Beinbruch, obwohl sie diese Verzögerung bedauerte. Dann verließ sie das Shuttle, meldete ihn beim Hangarleiter voll betriebsklar, und machte sich auf den Weg zu ihrem Quartier.

Dies geschah eine Viertelstunde, bevor es an Bord zur Katastrophe kam...

 
 

* * *

 

Aus der Warte des Universums währte das Leben eine Menschen nur eine Millisekunde, und selbst die ungeheure Lebensspanne eines Sterns dauerte unter diesem Gesichtspunkt nur wenige Augenblicke, bevor er verging.

Nach dem Ermessen humanoider Wesen schienen eben diese Sterne ewig zu bestehen, doch dies lag lediglich an ihrer naturgemäß begrenzten Auffassungsgabe und ihrer relativen Kurzlebigkeit, die ein wahrhaftiges Erfassen des Kosmos annähernd unmöglich machte.

Jener lichtschwache, weiße Doppelzwergstern, der in den Karten der Föderation bisher nur die Bezeichnung LX-0281974-Beta/III trug, war bereits mehr als 13 Milliarden Jahre alt – eine Zeitspanne, die sich dem Geist selbst hochstehender sterblicher Wesen entzog. Scheinbar unendlich lange hatte er in der Milchstraße existiert. Er hatte das Aufblühen der ersten humanoiden Zivilisation gesehen, und ihr Vergehen. Er hatte erlebt, wie das von dieser Rasse hinterlassene genetische Material andere Planeten und Monde erreichte, und sich neue humanoide Spezies entwickelten, die sich schließlich den Sternen zu wandten.

Nun erreichte er das Ende seiner bisherigen Existenz. Der Weiße Zwerg hatte im Laufe der Zeit Gas aus der ausgedehnten Hülle seines Begleiters akkretiert, wobei es bereits zu mehreren kleinen Nova-Ausbrüchen gekommen war.

Unter normalen Umständen war eine solche Akkretion rechtzeitig anzumessen und auch optisch zu beobachten, doch in diesem Fall standen beide Sterne so nahe bei einander, dass der zu einem Roten Riesen angeschwollene Begleiter dem Zwergstern so nahe war, dass seine Strahlung ihn verdeckte, und die Akkretion in abnormaler Geschwindigkeit ablief.

Bei diesen Ausbrüchen fusionierte der Wasserstoff des akkretierten Gases, wobei die Fusionsprodukte zurück blieben. Das setzte sich so lange fort, bis die Masse des weißen Zwerg dessen Chandrasekhar-Grenze, die theoretische obere Grenze für die Masse eines Weißen Zwergs, überschritt, und er durch seine Eigengravitation zu kollabieren begann. Im Gegensatz zu einem nicht reaktiven Eisenkern eines Typ-II-Vorläufersterns enthielt der Weiße Zwerg jedoch große Mengen an fusionsfähigem Kohlenstoff, so dass beim Kollaps eine plötzliche Kohlenstoff-Kernfusion einsetzte und der Stern explodierte. Dieses in der Wissenschaft auch als thermonukleare Supernova bezeichnete Naturphänomen setzte nun ein – nur wenige Sekunden bevor ein Sternenflottenschiff mit dem Namen ALAMO ganz in der Nähe der äußeren Planetenbahn, aus dem Subraum zurück in den Normalraum fiel...

 
 

* * *

 

Auf der Brücke der ALAMO saß Captain Cianera Crel im Sessel des Captains und ließ ihren Blick über die anwesende Brückencrew wandern. Schließlich wandte sie sich an Lieutenant Frock und fragte: „Wie lange noch, bis wir das System erreicht haben?“

Der Bolianer wandte sich halb zu Captain Crel um und antwortete beflissen: „Wir erreichen das System in genau zweieinhalb Minuten, Captain. Wir werden dann etwa eine Million Kilometer außerhalb der...“

„Nur die Zeit, Lieutenant!“, bellte die Tellaritin rüde, und unterbrach damit den Redefluss des Navigators, der pikiert das Gesicht verzog und sich, sichtlich beleidigt, wieder seinen Instrumenten zu wandte.

Währenddessen wechselte Crel einen schnellen Blick mit Tscharun, der sich ein Schmunzeln erlaubte und unbeteiligt mit den Schultern zuckte. Einerseits hielt er nicht sehr viel von Crels Tonfall, andererseits war es fast die einzig wirksame Methode den Redefluss des Bolianers zu bremsen. Man gewöhnte sich daran.

Der Kameruner bereitete die Konsolenkonfiguration vor. Nach ihrer Ankunft in dem unbekannten System würde T´Parin seine Hilfe gut gebrauchen können. Er warf einen kurzen Blick zu der Vulkanierin hinüber und lächelte. Beide verband schon seit Jahren eine sehr tiefe, aufrichtige Freundschaft. Schon seit einiger Zeit hatte er gemerkt, dass es eigentlich weit mehr war, und er hatte vor Wochen vorsichtig begonnen vor zu fühlen, wie es um die Wissenschaftlerin, in dieser Hinsicht, stand. Mit einem warmen Gefühl tief in seinem Innern dachte er daran, dass sie heute, nach Dienstende noch gemeinsam zum Essen verabredet waren. Offensichtlich hatte T´Parin nur auf einen ersten Schritt von ihm gewartet, denn die Art, wie sie zugesagt hatte war dazu angetan gewesen ihn sehr optimistisch zu stimmen.

Etwa zum selben Zeitpunkt übertrug Lieutenant Lenar die einlaufenden Daten die Frock ermittelte auf einen kleinen Bereich der CONN. Noch etwa eine halbe Minute, dann würde er das Schiff unter Warp bringen. Schon zu Akademiezeiten hatten seine Ausbilder ihm eine besondere Sensibilität im Umgang mit den Systemen von Raumschiffen bescheinigt. Und so war es wenig verwunderlich, dass er die leise, kaum wahrnehmbare Veränderung der Arbeitsgeräusche zuerst vernahm. Mit einer etwas nachdenklichen Miene blickte er auf und horchte. Noch bevor er genau sagen konnte, was ihn irritiert hatte, begann das Schiff, zunächst fast unmerklich zu vibrieren. Doch schon einige Augenblicke später wurden die Vibrationen so deutlich, dass sie Jeder an Bord der ALAMO spüren konnte.

Captain Cianera Crel fragte sich für einen kurzen Augenblick, was ein Schiff im Subraum dazu bringen konnte, so zu reagieren. Bekannte war ihr aus ihrer langen Erfahrung kein einziger solcher Fall, was das Ganze noch ungewöhnlicher erscheinen ließ. Blitzschnell entschied sie: „Mister Lenar, bringen Sie die ALAMO unter Warp!“

„Aye, Captain.“

Gleich darauf verschwanden die Lichtstreifen auf dem Hauptschirm, und wurden beinahe gleichzeitig von einem so hellen Gleißen abgelöst, dass alle auf der Brücke geblendet die Augen schlossen, obwohl die Filter des optischen Systems augenblicklich reagierten. Hätten sie es nicht, dann wären alle Brückenoffiziere augenblicklich erblindet.

„Bericht!“, donnerte die Stimme der Tellaritin durch den Raum und riss die Offiziere aus ihrer Überraschungsstarre.

„Ein Stern des binären Systems kollabiert“, antwortete T´Parin mit unnatürlicher Ruhe. Er entwickelt sich augenblicklich zur Supernova.“

Auf dem abgeblendeten Bildschirm wurde jetzt erkennbar, dass zwei gewaltige Energiefinger auf sie zu rasten, und Cianera Crel entfuhr es: „Beim Sumpfgeist der Feuchten...“ Dann rief sie: „Taktik: Schutzschilde aktivieren! Nach Steuerbord wegbrechen, Mister Lenar! Bringen Sie uns weg von hier!“

Der Trill reagierte fast zeitgleich, da auch er bemerkt hatte, dass der einzig vernünftige Fluchtvektor auf Steuerbord lag – weg aus dem Gefahrenbereich. Das Problem war nur, dass auch im Vakuum Masse immer Masse blieb.

Die ALAMO war, nach dem Fall unter Warp, immer noch mit annähernd 10% der Lichtgeschwindigkeit in das System hinein gerast, und auch bei einem Gewaltmanöver würde der Kurvenradius des Schiffes wenigstens 250.000 Kilometer betragen. Scheinbar quälend langsam wanderte der Gefahrenbereich nach Backbord aus und die Brückenbesatzung glaubte bereits, sie würde mit dem Schrecken davon kommen, doch einer der beiden einige Millionen Grad heißen Plasmafinger zuckte geradewegs auf die Brücke der ALAMO zu.

Fast zeitgleich reagierte Commander Tscharun, in gewohnter Geschwindigkeit, und gab Rotalarm für das gesamte Schiff. Direkt danach aktivierte er den Verschlussbefehl für alle Sicherheitsschotts des Schiffes.

Entfesselte Urgewalten, denen kein von Menschenhand geschaffenes Werk widerstehen konnte, brandeten gegen die hochgespannten Schutzschilde der U.S.S. ALAMO, und zeigte den Besatzungsmitgliedern die technischen Grenzen auf.

Nur Sekundenbruchteile waren die Schilde des Schiffes diesen Urgewalten gewachsen. Dann fielen sie in sich zusammen, und gleich darauf brach das Unheil über das Schiff herein, als die Plasmamassen die ungeschützte Brücke erreichten und verschlangen. Beinahe gleichzeitig erfolgte der Anprall des zweiten Plasmaausläufers und riss das Schiff mit Brachialgewalt aus seinem Kurs, um es endgültig aus dem Binärsystem herauszukatapultieren.

Der zweite Plasmaausläufer traf das völlig ungeschützte Schiff auf Höhe des Hauptmaschinenraumes, wobei es nicht mehr als ein glücklicher Zufall war, dass sich die Hauptstoßrichtung des Plasmas von diesem Bereich weg bewegte. Dennoch reichte die Randenergie des Plasmas aus, um Chaos und Tod an Bord zu verbreiten...

 
 

* * *

 

Sylvie LeClerc spürte einen imaginären Knoten im Magen. Sie hob gerade dazu an, auf die harschen Worte des Norwegers, der ihr gegenüber saß, und sie mit zornfunkelnden Augen musterte, zu antworten, als ein zunächst nur unmerkliches Vibrieren des Schiffes sie aufmerksam werden ließ.

Kuehn, der es im selben Augenblick bemerkte, blickte fragend. Noch bevor er etwas sagen konnte fiel das Raumschiff unter Warp und hinter dem dicken Fenster aus transparentem Aluminium wanderten die Sterne seitlich aus.

Gleichzeitig wurde das Vibrieren stärker und Sylvie fragte: „Was zum...?“

Weiter kam sie nicht, denn schon im nächsten Augenblick wurde sie, wie von einer Titanenhand gepackt und über den Tisch hinweg auf den Boden der Messe geschleudert, wobei sie das Glück hatte auf Valand zu landen, den es ebenfalls zu Boden geworfen hatte.

Dazwischen gellten die optischen und akustischen Signale des Rotalarms auf.

Noch während sie sich aufrappelte wurde das Schiff ein zweites Mal schwer erschüttert und die beiden Menschen rollten hilflos über den Boden der Messe, bis sie beide unsanft von der Seitenwand gebremst wurden. Auch das Mobiliar wirbelte durch den Raum, und Valand warf sich instinktiv über die Französin, und hob seine Arme schützend über ihre beiden Köpfe, als zwei der Stühle auf sie niedersausten. Einer von ihnen verfehlte sie um Haaresbreite, während der andere den Norweger mit Wucht im Rücken traf, und ihm ein schmerzhaftes Aufstöhnen entlockte. Im nächsten Moment hatte er das Gefühl auf einer Ofenplatte zu liegen. Mit einem gequälten Ächzen erhob er sich, wobei er Sylvie LeClerc mit sich riss und taumelte orientierungslos in die entgegengesetzte Ecke der Messe. Er hieb auf den Öffnungskontakt des Schotts auf dieser Seite der Messe, doch es bewegte sich keinen Millimeter.

Als hätte sein Versuch den Ausschlag dazu gegeben, begann das Licht zu flackern und erlosch schließlich ganz. Irgendwo war ein unheilverkündendes Knacken und Prasseln zu vernehmen. Nur ein rhythmisches, düsterrotes Glühen spendete etwas Licht.

Währenddessen blickte er ungläubig auf die Stelle, an der sie eben noch gelegen hatten. Sie glühte in einem dunklen Kirschrot. Ach die Wand auf der gegenüber liegenden Seite der Messe hatte ihre Farbe verändert, und für einen Moment dachte der Norweger, dass möglicherweise eine Verletzung seine Wahrnehmung trüben könne. Doch dann fiel ihm wieder die unangenehme Wärme ein, und auch jetzt hatte er das Gefühl förmlich in Schweiß gebadet zu sein. Neben ihm regte sich die Französin und fragte verwirrt in die Dunkelheit hinein: „Was ist passiert?“

Erst jetzt bemerkte sie die Alarmgeber, deren Nerven zerfetzende Geräusche immer noch durch das gesamte Schiff gellten. Ein unheilverkündendes rhythmisches Aufleuchten der Alarmpaneele brachte sie endgültig wieder in die Realität zurück. Während sie sich vom Boden erhob und Kuehn dabei half sich ebenfalls aufzurappeln wurde ihr flüchtig bewusst, dass er ihr möglicherweise das Leben gerettet hatte. Aber im Moment war keine Zeit deswegen groß Worte zu machen. Sie schluckte. „Meine ich das nur, oder ist es hier drin so heiß?“

„Es ist so heiß. Frag mich nicht warum. Ich weiß nur, dass irgend etwas fürchterlich schiefgegangen sein muss. Das Schott hinter uns ist von der Automatik gesperrt worden, aber wir müssen hier heraus und erfahren, was geschehen ist.“ Valand Kuehn machte sich Sorgen um seine Frau, aber das sprach er nicht laut aus. Er tippte auf seinen Kommunikator und versuchte die Brücke zu erreichen, aber alles was er hörte war ein statisches Rauschen und Knacksen, bevor auch dies verstummte. Er wiederholte seinen Versuch, doch der Kommunikator schien tot zu sein. Nachdem es auch Sylvie LeClerc ergebnislos versucht hatte meinte sie resignierend: „Ein EMP hat offensichtlich die Geräte in Mitleidenschaft gezogen. Verdammt, wenn es nur nicht so stickig hier drin wäre.“

Währenddessen arbeitete es hinter der Stirn des Norwegers fieberhaft. „Vielleicht gelingt es mir auf der anderen Seite hier heraus zu kommen.“ Er wollte sich in Bewegung setzen, doch die Französin hielt ihn am Ärmel zurück. „Bist du wahnsinnig? Das schaffst du doch nie! Die Wände glühen immer noch in einem dunklen Rot. Dahinter ist die Hölle los gewesen, Valand!“

Wütend riss er sich von Sylvie los und wollte etwas erwidern, während er verzweifelt zur anderen Seite der Messe sah. Das geschmolzene Kunststoffmaterial der beiden Stühle sprach eine überdeutliche Sprache. Hilflos die Hände zu Fäusten geballt stand er vor ihr. Seine Sorge um Ahy´Vilara machte ihn beinahe wahnsinnig. Nach einem langen Moment gewann endlich seine rationale Seite wieder die Oberhand und intensiv überlegend sagte er: „Wir müssen die nächste Jeffries-Röhre finden, und erkunden, ob wir sie gefahrlos verwenden können, Sylvie.“

„Wohin wollen wir uns denn wenden?“

Einer von uns muss sich einen Überblick verschaffen, wie es im Maschinenraum aussieht. Es scheint so, als würden Momentan nur die Notaggregate arbeiten. Aber damit kommen wir bestenfalls einige Tage aus, bevor die Lage kritisch wird. Das übernimmst am besten du. Ich werde versuchen mich zur Krankenstation durchzuschlagen. Wenn mich mein Gefühl nicht trügt brauchen wir überall im Schiff medizinische Hilfe. Wenn dir jemand von der Besatzung entgegenkommen sollte, dann schicke ihn zur Brücke hinauf. Wir müssen auch wissen, wie es dort aussieht.“

Sylvie nickte knapp, froh, dass sich Valand wieder gefangen hatte, und damit begann, ihre Lage nüchtern zu analysieren. Dann machten sie sich gemeinsam auf die Suche.

 
 

* * *

 

Die erste Plasmafackel, die das Raumschiff der Sternenflotte traf, brannte sich von schräg oben durch die Primärhülle, wobei die Brücke an der vorderen Steuerbordseite gestreift wurde. Erst auf dem fünften Deck verlief sie sich langsam, doch noch immer war sie stark genug, auch die Schaltelemente in der Decke des sechsten Decks zu erreichen.

Die Wucht des Einschlags kam überraschend für die beiden Ärzte im Labor und für einen Augenblick schien der Boden unter ihnen zu tanzen.

Während Ahy´Vilara zu Boden gestürzt war, hatte sich Alloran Veron an der Kante seiner Arbeitskonsole festhalten können. Eher zufällig richtete sich sein Blick zur Decke, wo er direkt über seiner andorianischen Kollegin einen weißglühenden, etwa tellergroßen Bereich ausmachte, der sich wie eine Blase aufblähte. Eine der Nebenkonsolen explodierte in einem Funkenregen und Qualm erfüllte das Labor. Ein unangenehmer Brandgeruch breitete sich in dem Raum aus.

Geistesgegenwärtig warf sich der Arzt schützend über die Andorianerin. Gerade, als er sie zur Seite riss, platzte die Deckenverkleidung und scharfkantige Metall-und Kunststoffsplitter schossen von der Decke herab. Veron schrie vor Schmerzen gellend auf, als zahlreiche Splitter in seinen Rücken und in seine Beine eindrangen, bevor er über Ahy´Vilara zusammenbrach.

Die andorianische Ärztin brauchte einen Moment, um zu verstehen, dass etwas unvorhergesehenes an Bord geschehen war. Sie hatte dank der schnellen Reaktion des Arztes so gut wie nichts abbekommen. Mühsam arbeitete sie sich unter Alloran Veron hervor.

Beinahe gleichzeitig fiel die Beleuchtung aus, doch ein unheilvolles Flackern kam von der Decke und es wurde schnell heißer in dem Raum.

Im Schiff brennt es, wurde es Ahy´Vilara klar.

Zeitgleich flammten die Alarmpaneele rot auf, und die Alarmgeber brachten die Andorianerin endgültig in die Wirklichkeit zurück. Sie warf einen schnellen Blick zu Veron und erschrak, als sie seinen gesamten hinteren Körper mit Splittern der Deckenverkleidung gespickt sah.

Irgendwo im Schiff gab es eine Detonation und ein Zittern durchlief das Schiff.

Der Arzt gab ein gequältes Stöhnen von sich, und Ahy´Vilara sagte zuversichtlich: „Halten Sie durch, Doktor. Ich bringe sie hinüber in die Krankenstation. Ein erneutes, furchterregendes Grollen in den Untiefen des Schiffes, gefolgt von einem Kreischen und Krachen der gesamten Schiffshülle, ließ sie zusammenzucken.

Mit einem trockenen Knall explodierte einer der EPS-Verteiler und ein Funkenregen ging auf sie und Veron nieder, als eine neue Erschütterung das Schiff durchlief. Gemeinsam rutschten sie über den Boden, bis sie unsanft von der Wand gebremst wurden.

Das Schiff bricht auseinander, schoss es Ahy´Vilara durch den Sinn. Ihr Herz schlug bis zu ihrem Hals hinauf. Was war bloß passiert?

Fluchend half die Assistenzärztin dem Doktor vom Boden, bis er unsicher vor ihr kniete. Er schien es nicht zu schaffen auf die Beine zu kommen, und so hob sie sich Veron mühsam auf die Schultern, um ihn in den Krankenbereich zu tragen.

Der Arzt war halb besinnungslos und plapperte etwas undeutliches.

„Wir haben es gleich geschafft“, sagte die Ärztin, mehr um sich selbst Mut zu machen, als mit dem Mann auf ihrer Schulter zu sprechen.

Wäre sie etwas schneller gewesen hätte die Andorianerin vielleicht Recht behalten. So aber brach die Plasmaleitung, hinter einer der Wandkonsolen genau in dem Moment, als sie mit dem Arzt daran vorbei strauchelte. Eine heftige Explosion erfasste sie und den Arzt mit voller Wucht, und schleuderte die beiden Personen, wie gewichtslose Puppen, quer durch den Raum. Sie schlugen beide hart auf und um die Andorianerin herum wurde alles undeutlich. Sie spürte noch, wie sie hart mit dem Hinterkopf gegen etwas hartes prallte, bevor Schwärze sie umhüllte und ihr Bewusstsein auslöschte.

 
 

* * *

 

Als das Schiff begann zu vibrieren ahnte Lieutenant-Commander Scunaren, dass seine Vorahnungen ihn nicht getrogen hatten. Gleich darauf wurde das Vibrieren stärker und das Gellen des Rotalarms erfüllte das Schiff. Was war geschehen?

Noch während der Chief mit der Brücke Kontakt herstellen wollte, durchlief eine starke Erschütterung das Schiff, die ihn von den Beinen warf. Fluchend zog er sich am Schalttisch hoch und betätigte den Kontakt der Sicherheitsschotts, um den Warpkern zu sichern. Gleichzeitig betätigte er die Notabschaltung des Warpkerns. Diese beiden Taten sollten 110 Besatzungsmitgliedern das Leben retten, auch wenn der Rigelianer dies nicht mehr erfuhr, denn gleich darauf glühte die Wand zu seiner Rechten, zuerst rot, dann grellweiß auf. Eine Energiezunge leckte in den Raum und und hüllte ihn im nächsten Moment vollkommen ein. Der Chief öffnete den Mund und wollte schreien, doch er kam nicht mehr dazu. Er starb in einer Feuerlohe, und alles was von ihm zurückblieb waren einige Aschenreste. Dasselbe Schicksal ereilte auch den Rest des Technischen Teams.

Gleichzeitig wurde Siran Torinar, die sich im Moment ein Deck tiefer aufhielt, von den Beinen gehoben. Eben hatte sie noch die Wandverkleidung zu Boden gestellt und sich daran begeben, die EPS-Leitung, die der Chief ersetzt haben wollte, freizulegen, als sie mit Urgewalt gegen die Wand hinter sich geschleudert wurde. Fast gleichzeitig barst eine Kühlmittelleitung.

Mit schreckgeweiteten Augen erkannte sie, dass ein scharfkantiges, gesplittertes Schaltelement direkt auf sie zu gewirbelt kam, und sie wollte die Arme hochreißen, doch bereits im nächsten Moment drang das zum Geschoss gewordene Fragment mit einer der Kanten in ihre Bauchhöhle ein. Siran schrie gellend auf, als ein Schmerz, wie von tausend glühenden Nadeln verursacht die in ihren Körper einzudringen schienen, durch ihren Körper brandete. Auf dem Gesicht der Trill zeigte sich ein ungläubiger Zug, während sie zu Boden sackte. Gleichzeitig fiel das Licht aus und eine bedrohlich wirkende Finsternis umgab sie. Das Gellen des Rotalarms nahm sie dabei kaum wahr. Bewusstlosigkeit drohte sie zu übermannen, während der rasende Schmerz sie halb irrsinnig machte. Instinktiv tasteten sich ihre Hände kraftlos zu dem 40 Zentimeter langen Schaltelement vor, während sie deutlich spürte, wie sie aus den empfindlichen inneren Organen blutete, die sich bei einer Vereinigung mit einem Trillsymbionten mit diesem verbanden. Ihre Finger ertasteten das scharfkantige Fragment, aber ihre Arme hatten keine Kraft mehr und sanken seitlich am Körper herab. Sie landeten in etwas Feuchtem, das sich warm anfühlte. Ein metallischer Geschmack erfüllte ihre Mundhöhle.

„Nein, bitte...“, flehte sie unhörbar leise in der Finsternis, während das Leben aus ihrem Körper floss. Ihre Augen weiteten sich unnatürlich und Tränen rannen aus ihren Augenwinkeln. Kaum noch bei Bewusstsein flüsterte sie: „Mama...“

Ihr wurde kalt, und immer schwächer werdend sah sie das Gesicht ihrer Lebenspartnerin vor ihrem geistigen Auge. „Miranea...“ schluchzte sie heiser.

Im nächsten Moment brach ihr Blick und ihr Kopf sank schlaff zur Seite, während sich unter ihrem Körper die Blutlache rasch vergrößerte.

 
 

* * *

 

Chirome wusste kaum, wie ihm und den anderen in der vorderen Mannschaftsmesse, geschah. Eben noch hatte er sich mit Sarah Mintal unterhalten – und im nächsten Moment wurde er von einer unsichtbaren Riesenfaust gepackt und quer durch den Raum geschleudert. Instinktiv die Hände über den Kopf schlagend, und die Beine an den Körper gezogen, flog der wuchtige Crewman durch den Raum und landete mit dem Steiß voran unsanft auf dem Boden, wo er sich einige Male überschlug und unter einem der Tische benommen liegen blieb. Irgendwo im Raum erklang ein seltsames Knacksen. Ächzend blieb er liegen und achtete dabei auf das Summen in seinen Ohren, dass sich gleich darauf in das furchteinflößende Geräusch des Rotalarms verwandelte.

Gerade als er sich auf Händen und Füßen wieder aufrichten wollte, wurde das Schiff erneut erschüttert und schon im nächsten Augenblick lag er wieder unter dem Tisch, unter dem er eben erst hervorgekrochen war.

„Jetzt reicht es mir aber!“, schimpfte der Bolianer aufgebracht. Benommen krabbelte er erneut unter dem Tisch hervor, während das Licht aufflackernd erlosch. Wenigstens funktionierte hier die Notbeleuchtung und tauchte den Raum in trübe Helligkeit, in die das rhythmische Aufleuchten der Alarmpaneele drang.

Mehrere Explosionen waren zu hören und ein grausiges Knacken und Krachen durchlief das gesamte Schiff.

Einige Meter von ihm entfernt rappelte sich Sarah Mintal auf und fluchte unterdrückt. Sie blickte zu ihm, wobei sie ihre schulterlangen Locken aus dem Gesicht streifte, und fragte in ihrer Verwirrung: „Wo bist du denn gewesen?“

Der Bolianer blickte sie etwas fassungslos an, bevor er knurrte: „Wo soll ich schon groß gewesen sein? Ich bin, mit dem Hintern voran, durch die Luft geflogen.“

Erst die gereizte Antwort des Bolianers brachte sie in die Wirklichkeit zurück. „Chirome, was ist passiert? Irgend etwas scheint die ALAMO getroffen zu haben. Ein Angriff?“

„Dann würden wir wohl kaum noch hier darüber diskutieren können“, wandte der Bolianer ein. Man hätte uns sicherlich schon den Rest gegeben.“

„Auch wieder wahr.“ Sie blickte sich suchend nach ihren anderen beiden Abteilungskameraden um.

Einer der beiden begann sich eben, einige Meter zu ihrer Rechten, zu rühren, wobei er undeutliche Brummlaute von sich gab. Sie hob den Kopf und erkannte gleich dahinter die Silhouette des anderen, ohne momentan sagen zu können, wer wer war.

Erst als der Mann, der ihr am nächsten lag, den Kopf wandte erkannte sie ihn, obwohl sein Gesicht blutverschmiert war. Mark Langdon hatte sich an der Stirn verletzt. Offenbar nicht schlimm aber dafür stark blutend. Er erkannte den Schreck in Sarahs Augen und meinte: „Ich bin okay. Was ist mit Carlos?“

„Ich sehe mal nach“, erbot sich Sarah, die bereits wieder auf den Beinen war und schritt über Mark hinweg zu den am Boden liegenden Mann. Noch während sie sich abbückte war sie der Meinung, dass er bewusstlos war, doch als er nicht auf ihr Rütteln an der Schulter reagierte, drehte sie ihn vorsichtig auf den Rücken. Im nächsten Moment entfuhr ihr ein spitzer Schrei und sie wandte sich ab.

Mark erkannte im nächsten Augenblick warum. Die Augen starrten seltsam starr zur Decke hinauf, und es war zu erkennen, dass kein Lebensfunke in ihnen war. Erst jetzt erinnerte er sich wieder an das Knacksen, das er gehört hatte, und er ahnte, dass sich Carlos Ramonte beim Sturz, an irgendeiner Kante, das Genick gebrochen hatte. Auch er zuckte geschockt zusammen, bei diesem Gedanken. Ramonte war ein lebenslustiger aufgeweckter Kamerad gewesen, und plötzlich lebte er nicht mehr, das war nur schwer zu verdauen.

Das unterdrückte Stöhnen und Fluchen einiger anderer Crewmen machte ihm wieder bewusst, dass außer ihnen Vier noch einige weitere Besatzungsmitglieder anwesend gewesen waren, bevor der zweifache Schlag das Schiff erschüttert hatte.

„Kümmere dich mal um die anderen, Sarah“, drang die Stimme von Chirome in die Gedanken der jungen Frau. „Vielleicht ist einer von ihnen verletzt und braucht Hilfe.“

Trotz seiner ansonsten großen Geschwätzigkeit vermittelte ausgerechnet der Bolianer in dieser Krisensituation eine geradezu unglaubliche Ruhe. Sie nickte Chirome dankbar zu und begab sich in den hinteren Teil der Messe.

Währenddessen blickte sich der Bolianer um und versuchte sich einen Überblick zu verschaffen, wobei er überlegte, was passiert sein mochte. Ein Versuch, jemanden über seinen Kommunikator zu erreichen, war jämmerlich gescheitert.

Mittlerweile hatte sich auch Mark vom Boden hoch gerappelt und machte einige vorsichtige Schritte. Nichts schien gebrochen zu sein. Lediglich der Riss an seiner Stirn schmerzte ganz verteufelt. „Was, zum Henker, war das?“

„Warum fragt eigentlich jeder dasselbe“, knurrte Chirome. Irgendetwas scheint das Schiff getroffen zu haben, aber offensichtlich war es kein Angriff. Mehr fällt mir dazu momentan auch nicht ein.“ Erst jetzt blickte er zu einem der Fenster hinaus, wo sich der Sternenhintergrund langsam im Kreis drehte. „Wir treiben, das bedeutet, die ALAMO ist Steuerlos.“

Mark wischte sich das Blut, mit seinem Uniformärmel von der Stirn und meinte: „Dann müssen wir zur Brücke hinauf und schauen, was dort los ist.“

„Zumindest zwei von uns“, pflichtete der Bolianer, der kommentarlos die Führung übernommen hatte, bei. „Der Rest sollte versuchen, sich zum Maschinenraum durchzuschlagen, das Schiff braucht Energie.“

Mittlerweile hatte Sarah Mintal festgestellt, dass die übrigen drei Crewmen mit geringfügigen Blessuren und einigen blauen Flecken davon gekommen waren. Nachdem sie alle wieder auf den Beinen waren ging sie mit ihnen zu Chirome hinüber, der von ihnen allen am längsten auf der ALAMO Dienst tat.

Sie kamen überein, dass Mark und einer der drei anderen Crewmen sich zur Brücke durchschlagen sollten, während der Rest versuchen würde, den Maschinenraum zu erreichen.

Mit Erleichterung stellten sie fest, dass sich das Schott öffnen ließ. Auch auf dem Gang sorgte die Notbeleuchtung für trübe Helligkeit. Nur undeutlich drang ein fernes Knistern und Knacken an ihre Ohren.

„Hoffentlich bricht das Schiff nicht auseinander“, unkte Sarah düster. Der vordere Bereich der Sekundärhülle schien kaum etwas abbekommen zu haben, doch schon bald änderte sich dieser Eindruck. Immer häufiger mussten sie über heruntergefallene Deckenplatten steigen, und ein Geruch von verbrannten Materialien wurde immer stärker. Schon bald wiesen die Wände des Ganges rußgeschwärzte Stellen auf, bis sich der Gang schließlich vor ihren Augen verformte.

„Mein Gott“, ächzte einer beiden übrigen Crewmen. „Was war denn hier los?“

Der Gang wurde zusehends dunkler, da hier die Notbeleuchtung komplett zerstört war. Dennoch erkannten sie ein Loch in der Decke, dessen Ränder glasiert wirkten.

„Irgend etwas hat sich durch die Decke gebrannt“, stellte Chirome fest. Dann scheint sich die Energie in diesem Gang verlaufen zu haben. Genau werden wir es wohl nie erfahren, schätze ich.“ Ein schwarzer Brandfleck auf dem Boden untermauerte diese Theorie.

Sie gingen weiter und Sara Mintal wandte sich zu dem Bolianer. „Was kann so einen Schaden am Schiff angerichtet haben? Ein Waffenstrahl war das sicherlich nicht.“

„Zumindest ist mir keine solche Waffe bekannt“, stimmte der Bolianer zu. Dann wies er nach vorne, wo ein schwacher Lichtschein zu sehen war. Er wandte sich an seine drei Begleiter und meinte bedrückt: „Kommt - weiter.“

 
 

* * *

 

Nachdem sie die Einstiegsluke zur Jeffries-Röhre gefunden hatten, waren Valand und Sylvie hinter einander hinein gekrochen. Am nächsten Verteilerknoten hatten sie sich dann getrennt. Während sich Valand Kuehn nach oben gewandt hatte, kletterte Sylvie LeClerc nun nach unten, wobei sie auf die Bezeichnungen achtete, die das jeweilige Deck angaben. Sie kam bis zu Deck-9. Dann erwies sich ein verzogenes Schott als unüberwindliches Hindernis. Sie war gezwungen die Röhre zu verlassen und zu versuchen, über eine der anderen, überall im Schiff verteilten Jeffries-Röhren das Maschinendeck zu erreichen.

Die Französin gab ein ächzendes Stöhnen von sich, als sie endlich die beengende Röhre verließ und hinaus auf den Gang trat. Sie blickte sich blinzelnd in der neuen Umgebung um. Es handelte sich um den teilweise arg zugerichteten Korridor der zum Hangarbereich der ALAMO führte. Er lag in gespenstischem Zwielicht. Einige der Notbeleuchtungskörper flackerten unstet, und an manchen Stellen waren sie gänzlich ausgefallen. Immer noch schrillte der Alarm durch die Gänge des Schiffes und die Alarmanzeigen leuchteten rot. Brandspuren überzogen einen Teil der Wände. Deckenplatten und abgeplatzte Wandpaneele bedeckten einen Großteil der Bodenfläche. Irgendwo in einem Gangabschnitt hinter ihr war eine Kühlmittelleitung geplatzt. Weißlicher Rauch quoll aus ihr hervor und hüllte einen Bereich des Ganges wie eine Nebelwand Wand ein.

Sylvie strauchelte hindurch, wobei sie husten musste und wäre beinahe über ein größeres Objekt gestolpert. Erst bei genauerem Hinsehen bemerkte sie, dass es ein Körper war. Ein Sternenflottenoffizier in den Farben eines Technikers. Seine Augen waren seltsam starr, die Haut, dort wo sie nicht verkohlt war, mit hässlichen Brandblasen übersät. Sie erkannte sofort, dass er tot war, und sie würgte, wobei sie spürte, wie ihr Magen zu rebellieren begann. Erst jetzt nahm sie zudem den beißenden Geruch verbrannten Fleisches wahr. Taumelnd bewegte sie sich grauen geschüttelt weiter, bevor sie sich an der Wand abstützte und sich übergab. Ein krächzendes Husten folgte, bevor sie sich wieder unter Kontrolle hatte. Es war das erste Mal in ihrem jungen Leben, dass sie so drastisch mit dem Tod konfrontiert wurde.

Das darf nicht wahr sein, dachte sie verzweifelt. Jetzt, wo sie allein war überkam sie fast Panik, bei dem Gedanken daran, wie viele Opfer es noch gegeben haben mochte. Das darf doch einfach nicht wahr sein. Vor weniger als einer halben Stunde war ihre Welt noch in Ordnung gewesen, und nun fand sie sich in einem Chaos wieder.

Weiter, peitschte sich die junge Frau selbst nach vorn. Sie ballte die Hände und kniff die Augen zusammen, als der Dunst dünner wurde und sich eine verschwommen erkennbare Gestalt herausschälte, die auf sie zu kam. Erst als sie nur noch wenige Meter von ihr entfernt war, erkannte sie, dass es sich um Miranea Kerath handelte. Die Izarianerin kam auf sie zu.

„Ensign!“, rief die Izarianerin erleichtert aus. „Ich dachte schon, ich wäre ganz allein am Leben geblieben.“

„Nein, Valand Kuehn und ich haben ebenfalls überstanden, was immer das Schiff heimgesucht hat, Lieutenant. Wohin sind Sie unterwegs?“

Die Izarianerin machte ein sorgenvolles Gesicht. „Ich war auf dem Weg zum Hangar, weil ich mein PADD in einem der Shuttles vergessen hatte. Dann wurde ich gegen die Wand geschleudert und verlor das Bewusstsein.“

Die Französin nickte ernst. „Es hat Tote gegeben. Ich war auf dem Weg zum Maschinenraum, aber jemand müsste auch zur Brücke hinauf, und sich einen Überblick über die Lage dort verschaffen.“

„Den Maschinenraum könnte ich übernehmen“, bot sich Miranea Kerath an.

„Sylvie nickte zustimmend. „Ich verstehe ohnehin nicht so viel von den antriebstechnischen Dingen. Wir sollten vielleicht einen Platz ausmachen, an dem wir uns später treffen, und die Gesamtlage analysieren. Ich denke, die Krankenstation wäre ein guter Anlaufpunkt.“

„Ihr Vorschlag ist gut“, meinte die Izarianerin zustimmend. „Auch andere werden vermutlich dorthin kommen. Abhängig davon, was ich im Maschinenraum vorfinden werde, komme ich später dorthin, und wir beraten dann, was zu tun ist. Zunächst müssen wir herausfinden, in welchem Zustand sich das Schiff befindet, und ob es sich in Gefahr befindet.“

Sylvie nickte knapp. „In Ordnung. Passen Sie auf sich auf, Lieutenant.“ Damit machte sie sich in die Richtung auf, aus der sie gekommen war.

 
 

* * *

 

Drei Decks über den beiden Frauen hatte Valand Kuehn eine Dreiviertelstunde gebraucht, sich einen Weg durch die zerstörten Gänge und Jeffries-Röhren auf dem sechsten Deck zu bahnen. Offensichtlich kam er dem Zentrum des Unglücks näher. Ihm bot sich ein ähnliches Bild der Verwüstung, wie Sylvie LeClerc. Noch während er in der Jeffries-Röhre gesteckt hatte, war ihm eine schwache Erschütterung aufgefallen. Er konnte nur hoffen, dass dies nicht in Ahy´Vilaras Nähe geschehen war. Seine Sorge um sie wuchs, während er mit ausgreifenden Schritten zur Krankenstation eilte. Unterwegs war ihm bisher niemand begegnet. Auch das schien ihm beunruhigend.

Brandgeruch stieg ihm in die Nase und ein leises Knistern kam von vorne.

Endlich erreichte der Norweger die Krankenstation. Suchend blickte er sich um in der hier herrschenden Dunkelheit. Dunkler Rauch quoll aus dem anschließenden Labor. An einer zerstörten Wandkonsole züngelten ebenfalls Flammen, die jedoch im Begriff waren zu erlöschen. Ein dünner Rauchschleier waberte vor seinen Augen.

Dann sah er Alloran Veron auf dem Boden liegen. Schnell schritt Kuehn zu ihm und rollte ihn etwas herum. Starre, weit geöffnete Augen blickten durch ihn hindurch und es dauerte einen langen Moment, bis der Norweger begriff, dass der Commander tot war. Eine eisige Hand schien nach seinem Herzen zu greifen. Seine Augen begannen feucht zu schimmern und mit aufsteigender Panik irrte sein Blick in der Krankenstation umher.

„Nein“, flüsterte er heiser, als er die Silhouette seiner Frau am Fuß der Haupt-Medoliege entdeckte. Im nächsten Moment war er bei ihr, drehte sie vorsichtig herum und bettete sie in seinem Arm. Im ersten Moment schien es so, als sei sie lediglich gestürzt und bewusstlos, doch als nun ihre linke Gesichtshälfte sichtbar wurde, stöhnte der Lieutenant gequält auf. Fast die gesamte Gesichtshälfte war verbrannt und blaues Blut sickerte aus zahlreichen Rissen in der Haut. Erst nach einigen Augenblicken bemerkte er, dass sie auch aus einigen Wunden an ihrem Oberkörper blutete, dort wo Splitter der explodierten Wandkonsole ihre Uniform zerfetzt hatten und in ihren Körper eingedrungen waren.

Während sich die Gedanken des Mannes jagten, öffnete die Andorianerin in seinen Armen stöhnend die Augen und mit verschleiertem Blick sah sie ihn an. „Wer...“, fragte sie mit versagender Stimme.

„Ich bin es, Valand“, antwortete Kuehn mit vibrierender Stimme. Er hielt ihren Kopf und bemerkte dabei, das warme Blut an seinen Fingern.

Die Antennen der Andorianerin zuckten unkontrolliert. Fast unhörbar sagte sie: „Kuri´Fe na... tarin...“ Ihr Blick klärte sich für einen Moment und sie lächelte ihn an. Dann sank ihr Kopf kraftlos zur Seite.

„Oh Gott, nein“, flüsterte Valand und bettete Ahy´Vilara vorsichtig auf den Boden. Dann sprang er auf und suchte fieberhaft nach einem Tricorder. Als er schließlich einen gefunden hatte, aktivierte er ihn mit zitternden Fingern und scannte den Körper seiner Frau.

Ungläubig blickte er auf die Anzeige.

Keine Vitalfunktionen.

„NEIN!“

Valand Kuehn schrie das Wort mit überschlagender Stimme heraus, ließ achtlos den Tricorder fallen und sank dabei auf die Knie, neben Ahy´Vilara.

 
 

* * *

 

Nachdem Sylvie LeClerc die Izarianerin verlassen hatte, war sie auf die Gruppe von Chirome gestoßen und hatte sich schnell danach erkundigt, was die Crewmen erlebt hatten, bevor sie die vier Leute zu Miranea Kerath weiterschickte.

Auf dem Weg zur Brücke war sie schließlich auf Mark Langdon und seinem Begleiter gestoßen. Auf der Brücke hatte sich ihnen ein Bild des Grauens geboten. Ein Teil der Deckenkuppel war fort, und nur die Notkraftfelder hatten dafür gesorgt, dass sie überhaupt hatten eintreten können. Keiner der Anwesenden hatte überlebt, und nur von Commander Tscharun und einem Petty-Officer hatte man überhaupt Reste finden können. Alle anderen waren entweder in den Weltraum hinaus gewirbelt worden, bevor die Notkraftfelder in Tätigkeit getreten waren, oder aber durch jenes unbekannte Phänomen verbrannt, das dafür verantwortlich gewesen war, dass man die meisten Gegenstände auf der Brücke in geschmolzenem oder glasierten Zustand vorgefunden hatte.

Das beunruhigende Flackern der Notkraftfelder hatte Sylvie dazu veranlasst schnell den Befehl zu erteilen, die Brücke wieder zu verlassen und alle Zugänge zu versiegeln. Bevor man das nächste Mal her kam musste zunächst die Energieversorgung gesichert werden.

Sylvie LeClerc überlegte nicht lange. Sie schickte die beiden Crewmen auf die Suche nach Verwundeten und machte sich auf den Weg zur Krankenstation. Durch Zufall fand sie einen der wenigen noch gangbaren Wege dorthin. Kurz bevor sie ihr Ziel erreicht hatte hörte sie einen Schrei, der ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ. Sie begann zu rennen. Erst am Rahmen des geöffneten Schotts der Krankenstation hielt sie Inne und starrte auf die Szene.

Valand Kuehn kniete auf dem Boden und hielt Ahy´Vilara – nur sie konnte es sein – in seinen Armen, fest an sich gepresst. Seine Schultern zuckten.

Hilflos stand Sylvie, die zu ahnen begann, Zeuge welche Tragödie sie gerade wurde, im Schottrahmen und spürte dabei einen dicken imaginären Klos in ihrem Hals. Ihre Augen füllten sich unaufhaltsam mit Tränen, als sie Valand in diesem Zustand erblickte. Unwillkürlich musste sie daran denken, dass die letzten Worte zwischen ihr und der Andorianerin im Streit gesprochen worden waren. Egal wie sehr sie Valand liebte – das hatte sie nie gewollt. Sie wischte die Tränen, die über ihre Wangen rannen, fort und schritt beinahe mechanisch zu der Stelle, an der jener Tricorder lag, den Valand achtlos fallen gelassen hatte. Sie aktivierte ihn und brauchte nicht lange um festzustellen, dass sowohl bei Alloran Veron, als auch bei Ahy´Vilara Thren jede Hilfe zu spät kam. Beide waren tot.

Sie kniete sich neben Valand und legte ihren Arm um seine Schulter. Sie wusste auch nicht, was sie sonst hätte tun können. Sie konnte später nicht sagen, wie lange sie so am Boden gekauert hatten, als sie Valand leise ansprach. Immer wieder sagte sie dabei seinen Namen, bis er sich schließlich mit einer Hand über die Augen fuhr, und sie aus geröteten Augen, wie aus weiter Ferne, ansah.

Sylvie musterte ihn eindringlich und sagte mit belegter Stimme: „Valand, die Brückencrew ist tot, oder vermisst. Ich habe nur die Überreste von Commander Tscharun und einem der beiden Petty-Officers an der TAKTIK finden können. Du musst, als ranghöchster Brückenoffizier, das Kommando übernehmen. Miranea Kerath ist zwar dienstälter, aber kein Führungs- oder Brückenoffizier.“ Sie blickte in seine leeren Augen und fragte dann: „Valand hast du mich überhaupt verstanden?“

„Ja“, antwortete der Norweger tonlos. Dann sagte er: „Sie ist tot, Sylvie. Ich habe ihrem Vater versprochen, dass ich auf sie aufpasse. Ich habe kläglich versagt.“

„Aber dich trifft doch keine Schuld, es war...“

„Du verstehst nicht!“, unterbrach Valand sie unbeherrscht und funkelte sie beinahe zornig an. Dann atmete er tief durch und erklärte leise: „Nan´Doraan übergab mir am Hochzeitstag das Nelaan-tor, welches seit Generationen vom Vater auf den Ältesten Sohn oder Schwiegersohn übergeht. Das ist nicht nur einfach eine Geste. Ich gehöre damit zu seinem Clan, und ich habe damit die Verantwortung für seine einzige Tochter übernommen. Wie kann ich ihm jemals wieder unter die Augen treten?“

Sylvie verstärkte den Griff ihrer rechten Hand an seiner Schulter. „Valand, du konntest nicht das Geringste tun. Mach dich jetzt nicht selbst verrückt. Ich kann deinen Schmerz nicht annähernd erfassen, aber ich weiß, dass die Überlebenden dich jetzt brauchen. Ich weiß, dass ich damit Übermenschliches von dir verlange, aber du musst jetzt für die überlebende Crew da sein.“

Unglaube und Widerspruch lagen in seinem Blick und er hatte eine scharfe Erwiderung auf seinen Lippen. Doch dann blickte er an Sylvie vorbei ins Leere. Als er sie schließlich wieder ansah hatte sich sein Blick geklärt und er schluckte, bevor er rau sagte: „Du hast Recht, Sylvie. Und ich werde dich bei dieser kommenden Aufgabe brauchen. Deshalb werden wir vergessen was vorhin gesagt wurde, und wir werden nie wieder darüber reden.“

Die Französin gewann den Eindruck, dass sein Gesicht plötzlich einen ungewohnt harten Zug besaß, und in seinen Augen lag ein Ausdruck von Endgültigkeit. Sanft erwiderte sie: „Ja, lass uns den Zwist vergessen.“

Sie nahm ihre Hand von Valands Schulter.

Auch der Norweger erhob sich und bettete seine tote Frau auf eines der Biobetten. Er wandte sich um als von draußen Schritte aufklangen. Im nächsten Moment kam Melanie Gerlach herein. Als wäre sie gegen eine massive Mauer gerannt blieb sie stehen, als sie die Szenerie überblickte. Mit Tränen in den Augen blickte sie von Sylvie, die sacht den Kopf schüttelte, zu Valand. Dann schritt sie schnell zu dem Norweger und schloss ihn in die Arme. „Nein, das kann nicht sein“, schluchzte sie. „Bitte nicht Alloran und Ahy´Vilara...“

Valand, der wusste, dass Melanie beide ebenso gern gehabt hatte wie er selbst, zumindest in platonischer Hinsicht, brach es beinahe das Herz, und erneut rannen Tränen über seine Wangen, während er die Frau tröstete. Nach einer Weile sagte der Norweger bitter: „Wir müssen unsere Trauer eine Weile zurückstellen, Melanie. Ich brauche dich jetzt. Wir müssen einen medizinischen Notdienst auf die Beine stellen.“

„Ich verstehe auch etwas von Erster Hilfe“, warf Sylvie ein. „Ich kann Melanie dabei helfen.“

Valand nickte ihr dankbar zu. „Dann machen wir es so.“ Er wandte sich zu Sylvie, als ihm etwas einfiel. „Sagtest du vorhin, du hättest Miranea getroffen?“

Sylvie nickte. „Ja, sie wollte schauen, wie es im Maschinenraum aussieht.“

Valand nickte schwach. „Wir werden sie in die Kommandocrew integrieren müssen. Aber zuerst müssen wir uns informieren wie hoch die Verluste an Bord sind. Sorge bitte dafür, dass jeder Tricorder an Bord dazu eingesetzt wird, um nach Überlebenden zu suchen. Wer weiß, wie viele Verletzt noch auf Hilfe warten.“

Sylvie LeClerc bestätigte, erleichtert, dass sich Valand wieder gefangen hatte. In diesem Moment fasste sie wieder Hoffnung diese furchtbare Lage zu meistern.



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