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Harry Potter, the Real Story

die Geschichte beginnt
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Autorenvorwort: Zum ersten Mal am 29. April 2010 veröffentlicht und endlich, nach siebzehnfacher Überarbeitung und nach dem dritten Mal Hochladen bin ich fertig - hier das letzte Kapitel zum ersten Teil von Harry Potter the Real Story! Das Hochladen hat sich zwar jetzt um ein paar Monate verzögert, aber ich hoffe trotzdem, dass es euch gefällt :)
Viel Spaß beim Lesen :D Komplett anzeigen

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Prolog

Die Kirchenglocken von Godric´s Hollow läuten; es ist Mitternacht. Tom Riddle – besser bekannt unter dem Namen Lord Voldemort – stößt die Tür zum Hause Potter auf. Seine Gefolgsleute sind ihm dicht auf den Fersen. Der Dunkle Lord stürzt in das Wohnzimmer, wo die vier Potters alle versammelt sind. »Schnell! Lauf, Lily! Bring die Kinder in Sicherheit!« Ohne mit einer Wimper zu zucken, tötet Tom Riddle James Potter. Mit starrem Blick fällt er zu Boden. Seine Frau, Lily Potter, schreit auf und beugt sich über ihren Sohn Harry. »Nein! Bitte lass meinen Sohn am Leben!«, ruft sie immer wieder. Das zweite Kind der Potters, Sally, ist, auf den Befehl ihrer Mutter hin, inzwischen zu dem Verschwindekabinett in der Ecke des Raumes gelaufen. »Schnell! Verschwinde, Sally! Weit weg, wo man dich nicht finden kann!«, drängt ihre Mutter mit zitternder Stimme. »Verfolgt das Mädchen!«, kreischt die hohe, grelle Stimme Voldemorts während er den Zauberstab erneut hebt. »Avada Kedavra!«, schreit er. Zum zweiten Mal erfüllt ein grelles, grünes Licht das Zimmer. Mit schreckgeweiteten Augen sieht Sally zu, wie der leblose Körper ihrer Mutter Lily am Boden aufschlägt. Der Dunkle Lord lacht und bewegt sich langsam auf Harry zu. Sally will nicht mit ansehen, wie ihr Bruder getötet wird. Und so schließt sie die Tür genau in dem Moment, als Voldemort den Zauberstab hebt, Harry töten will und ein letztes Mal kreischt »Verfolgt das Mädchen!« Mit einem leisen ›Plopp‹ ist Sally auch schon verschwunden. Als sie die Tür wieder öffnet, weiß sie nicht wo sie ist. Alles ist dunkel um sie herum. Der kleine Körper des Mädchens zittert heftig; sie weint. Plötzlich macht es einen lauten Knall. Und noch einmal. Sally schreit auf. Sie spürt wie jemand sie an den Haaren zieht. »Hahahaaa…das ist jetzt die Rache für den Dunklen Lord, du kleines Biest!«, kreischt eine hohe Frauenstimme dicht hinter ihr. Sally blickt in das grauenhafte Gesicht eines Mannes. »Dreh sie um, Mulciber. Ich will dieses kleine Monster ansehen, wenn es getötet wird.« Wieder die Frauenstimme. Sally wird umgedreht. Der Mann, der sie festhält, quetscht ihr die Arme auf den Rücken, so dass das Mädchen glaubt, dass sie ihr bald abbrechen. »Avada Ked…« Die restlichen Buchstaben gingen in zwei, drei nein vier, weiteren lauten Knallern unter. »Niemand tötet oder rächt hier irgendwen.« Eine vertraute Stimme. Sally fällt hinunter. So schnell sie kann, krabbelt sie über den staubigen Fußboden. Soweit sie es zuordnen kann, kauert sie in einer Ecke. Dann wird es plötzlich hell. Ein vernarbtes, gutmütiges, aber sehr mitgenommenes Gesicht, mit einem besorgten Blick steht vor ihr. »Mad-eye?«, flüstert das Mädchen verwirrt. Der Mann lächelt leicht. »Es ist vorbei. Der Dunkle Lord ist gefallen. Ich bringe dich hier weg.«

Alastor Moody rettet die kleine Sally, nimmt sie auf den Arm, verschwindet mit ihr aus dem Haus, welches anscheinend niemanden gehört und bringt sie mit einem leisen ›Plopp‹ weg. Weg von den toten Körpern ihrer Eltern. Weg von ihrem toten Bruder. Weg von Godric´s Hollow, oder wo immer sie war. Weg von den Sorgen. Hinein in ein neues Leben.

Happy Birthday, Sally!

Schweißgebadet wachte Sally auf. Sie atmete schnell und ihr Herz raste wie nach einem Marathon. Schon wieder dieser Traum.

Dieser Alptraum.

Diese Schreie.

Diese grünen Blitze.

Und immer dieses furchtbar hohe, kalte Lachen.
 

Sonnenstrahlen krochen in den Raum. Sally setzte sich auf und bemerkte, dass irgendjemand die Vorhänge in dem sonnengelben Zimmer zurückgezogen hatte.

Sie gähnte und streckte sich. Dann hatte sie plötzlich einen Motivationsschub und versuchte sich aus einem Knoten Bettdecke zu befreien, was allerdings kläglich scheiterte und sie im Endeffekt genau das Gegenteil von aufstehen bezweckte. Sie hing nun mit dem Kopf übers untere Bettende und konnte dadurch die Staubflusen unter dem Bett sehen, die so zahlreich vorhanden waren, dass man glauben könnte, Sally hätte in ihren jungen Jahren schon mehrere Morde begangen.

Vielleicht hatte aber auch die Schlange, die unter ihrem Bett saß, diese Morde auf ihrem Konto.

Sally legte den Kopf etwas schief und grinste. »Hallo, Sergej«, begrüßte sie die kleine Otter freundlich. Sergej zischte zur Antwort und schlängelte sich unter dem Bett hervor. Es dauerte nicht lange und schon hatte er es sich bequem gemacht; er hatte sich Sallys Unterschenkel – der senkrecht in die Höhe stand – hoch geschlängelt und den kleinen Kopf auf ihrer Fußsohle abgesetzt.

»Sag mal, ist Mika auch hier?«, fragte die Schwarzhaarige, während sie weiterhin die Unterseite ihres Bettes begutachtete. Sergej zischelte. Natürlich war sie da, es war nichts anderes zu erwarten gewesen. Ihre Schlange würde kaum von selbst hier eintrudeln.

Dennoch war Sally so erfreut über diese Nachricht, dass sie sich auf den Rücken rollte, Sergej Zeit ließ sich auf ihrem Oberschenkel fest zu wickeln, aufsprang und zum Fenster hastete.

Tatsächlich.

Dort unten im Gras hockte Mika, die über irgendwas sehr belustig schien. Es dauerte nicht lange bis Sally die Quelle davon sah: Ihre Schwester Nymphadora. Sally war wenig verwundert und als sich Mika bereits im Gras kugelte vor Lachen, juckte es Sally selbst nach unten zu gehen.

Sergej hatte sich inzwischen um ihre Schultern gehängt und sah ebenso nach draußen. Er ließ ein vergnügtes Zischeln hören, als er seine Besitzerin sah und forderte Sally leise auf, ihn runter zu lassen. Das tat sie auch und schon war Sergej durch den offenen Spalt ihrer Tür verschwunden.

Sally trat zu ihrem Kleiderschrank. Was würde sie heute anziehen? Es war immerhin ein besonderer Tag. Doch die Entscheidung wurde ihr durch eine aufbrausende Person abgenommen.

»Guten Morgen, Schatz. Alles Gute zum Geburtstag!«, flötete eine Stimme und schon wurde ihre Zimmertür aufgerissen. Andromeda Tonks kam, mit einem strahlendem Lächeln und ausgebreiteten Armen, auf Sally zu und umarmte diese. »Danke, Mum!« Andromedas Augen leuchteten, wie jedes Mal wenn Sally sie »Mum« nannte.

»Na dann zieh dich mal an. Mika ist da. Und Dora und Papa warten schon! Hier, dein erstes Geschenk.« Andromeda drückte Sally das kleine Paket in die Hand, welches sie kurz zuvor am Bett abgelegt hatte. Sally fühlte daran. Anziehsachen. Eindeutig!

»Das ist von Papas Eltern. Die werden heute übrigens auch noch kommen. Und jetzt beeil dich!« Andromeda lächelte ihrem kleinen Schützling zu, gab ihm einen Kuss auf die Stirn und verließ das Zimmer.

Sally öffnete das Päckchen vorsichtig um das Papier nicht zu zerstören. Es enthielt eine kurze Jeanshose und hellgelbes Spaghettitop; ideal also für den Sommer. Das Mädchen grinste übers ganze Gesicht und las noch die beiliegende Karte, bevor sie in ihre neuen Sachen schlüpfte. Stolz trat Sally vor den Spiegel und grinste sich zu. Sie nahm die Bürste aus dem Schrank heraus und begann ihre Haare zu entwirren.

Wenige Minuten später tappte das Mädchen die Treppe runter. »Morgen!«, rief Sally laut, auch wenn wahrscheinlich niemand hier drinnen war. Sie warf einen Blick auf die Uhr; Mittag. »Guten Morgen, Sally. Alles Gute!« Ted Tonks kam gerade vom Garten und grinste übers ganze Gesicht, wie seine Frau. Er umarmte Sally und gab ihr einen Kuss auf die Nase. »Wenn ich das noch darf«, zwinkerte er. Sally lachte und umarmte ihn noch einmal. »Draußen warten sie schon alle auf dich. Beeil dich«, grinste Ted und gab ihr einen Klaps auf die Schulter. Bevor Sally das Haus verließ, beugte sie sich hinunter und hob die kleine Katze hoch, die gerade an ihr vorbeihuschen wollte. Sie drückte das graue Wollknäuel an sich und dieses leckte ihr wie zur Begrüßung übers Gesicht. Sally lachte wieder. »Lass das, Klio!«, meinte das junge Mädchen belustigt und trat nach draußen ins weiche Gras.

»Da ist ja endlich unsere Schlafnase!«, rief eine gut gelaunte Stimme quer durch den Garten.

Sally lief auf ihre Schwester zu, ließ Klio währenddessen runter und warf sich in die Arme von Nymphadora. Diese drückte die Kleinerer an sich. »Alles Gute zu deinem 11. Geburtstag, Süße! Jetzt wirst du auch schon alt!«, grinste Dora und ließ sich die Haare auf dieselbe Länge wachsen, wie Sally und färbte sie schwarz. Dann schnitt sie eine Grimasse und verwandelte ihre Nase in die eines Schweinchens. Sally lachte auf und wusste jetzt warum Mika so gelacht hatte.

»Hey, Sal~«, hörte sie da auch schon die amüsierte Stimme ihrer besten Freundin. »Mika!«, rief Sally nun endlich höchst erfreut aus. »Alles Gute!« Die beiden fielen sich um den Hals als hätten sie sich eine Ewigkeit nicht mehr gesehen.

Stimmte ja auch.

Beinahe.

»Hey, ihr zwei. Ihr habt euch doch vor zwei Tagen gesehen. Könntet ihr bitte Essen kommen?«, lachte Ted und wedelte mit der Grillzange zum Tisch herüber. Sally und Mika brachen in Gelächter aus. »Ach, lass sie doch noch. Du bist ja sowieso noch nicht fertig«, warf Andromeda neckend ein als sie mit einem Stapel Teller aus dem Haus kam. Sally grinste und wandte sich wieder Mika zu. Die beiden setzten sich ins Gras, doch Mika sprang auch schon wieder auf. »Warte kurz. Ich hol schnell dein Geschenk!« Und schon war sie weg. In der Zwischenzeit beschäftigte Sally sich mit Sergej. Eigentlich hatte sie Angst vor Schlangen. Aber da ihre um ein Jahr jüngere Freundin so besessen von den Tieren war, konnte Sally nicht anders, als dass sie die Tiere nach kurzer Zeit auch ins Herz schloss.

»Hier. Alles Gute zum Geburtstag. Es ist nicht viel, aber ich hoffe trotzdem, dass es dir gefällt…« Mika hielt ihr das Geschenk hin, kratzte sich entschuldigend am Hinterkopf und wurde etwas rot. Sally nahm das kleine Paket dankend entgegen. »Ach was. Dass du hier bist ist schon das beste Geschenk«, beruhigte Sally ihre Freundin. Mika atmete erleichtert auf und ließ sich wieder gegenüber ihrer schwarzhaarigen Freundin ins Gras plumpsen. Sie nahm Sergej auf den Arm und beobachtete die Ältere, wie diese sorgfältig das Geschenk öffnete. Sally wollte nicht, dass das schöne dunkelviolette Papier zerriss. Es war wirklich schön. Eben dunkelviolett mit goldenen Sternen darauf. Manche würden vielleicht meinen, dass das mehr Weihnachtlich wäre, doch Sally fand, dass es auch für den 7. August passte.

»Wow…« Mehr bekam sie nicht hervor. Sally war richtig beeindruckt. Mika schien erleichtert, dass das Geschenk so gut angekommen war und grinste breit. »Gefällt's dir?« Unnötige Frage. Doch sie wollte auf Nummer sicher gehen. »Und wie!« Sally kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Sie hielt ein wunderschönes Exemplar von Die Märchen von Beedle dem Barden in den Händen. Schon lange hatte sie sich dieses Märchenbuch gewünscht. Ihre Mutter hatte ihr zwar oft ein Märchen daraus erzählt, doch ein eigenes Exemplar hatte Sally nie besessen. Sie fühlte sich gleich viel erwachsener.
 

Sally wusste, dass es Hexen und Zauberer gab. Immerhin waren ihre Eltern und ihre Schwester Hexen und Zauberer. Und Nymphadora war noch zusätzlich ein Metamorphmagus. Sally fand das lustig, denn Dora konnte ihr Aussehen verändern und zum Beispiel eben diese Schweinchennase haben, oder die gleichen Haare wie Sally.

Sally wusste auch, dass die Zauberer ein eigenes Krankenhaus hatten. Denn dort arbeitete Mikas Vater, der auch Zauberer war. Mikas Mutter war keine Hexe. Sie war ein ›Muggel‹. So wurden die nichtmagischen Menschen von Zauberern genannt.

Die Zauberer hatten sogar eine eigene Einkaufsstraße. Die Winkelgasse. Sally war noch nie dort gewesen. Wenn Dora etwas für die Schule brauchte dann musste Sally zu Hause bleiben. Sie wusste zwar nicht warum, aber es war so. Dafür nahm ihr Dora immer heimlich Süßigkeiten mit, damit Sally auch etwas von der magischen Welt hatte. Sally wusste nicht ob sie eine Hexe war oder nicht. Aber von dem was sie wusste, würde sich das heute vielleicht endlich herausstellen. Denn Dora hatte ihr erzählt, dass jeder Zauberer und jede Hexe einen Brief von der Zaubererschule Hogwarts bekommen würde, sobald er elf Jahre alt wurde. Darum hatte sich Sally auch schon so auf ihren Geburtstag gefreut. Ihre Schwester selbst ging auf diese Schule und berichtete immer ganz begeistert davon.

Nymphadora hatte ihr das alles heimlich erzählt, da ihre Mutter nicht wollte, dass Sally das alles vorher schon erfuhr, was passieren würde. Doch Sally war das egal. Dennoch hatte sie ihrer Schwester versprochen, dass sie Andromeda nichts verraten würde.
 

Sally bewunderte das Buch noch ein wenig, dann wickelte sie es wieder in das Papier ein und zusammen mit Mika ging sie zum Tisch. Denn Ted war gerade mit dem letzten Stück Fleisch fertig geworden, die Teller standen schon gefüllt am Tisch und Andromeda hatte den beiden schon zweimal gerufen, dass sie essen kommen sollten.

Die beiden Mädchen gingen zum Tisch hinüber und setzten sich nebeneinander hin. Kaum hatten sie sich gesetzt, schon wurde ihnen ein Teller mit Würstchen und zwei Fleischstücken vor die Nase gestellt. »Guten Appetit«, meinte Ted und grinste die beiden an. Sally und Mika mussten kichern. »Guten Appetit!«, riefen sie einstimmig und begannen zu essen. Andromeda brachte den beiden etwas zu trinken. »Zweimal Kürbissaft, hab ich da vernommen?!« Und schon standen die Gläser am Tisch.

Sally liebte es Geburtstag zu haben. Da gab es immer das was sie am meisten mochte. Wäre ja auch seltsam wenn nicht…

Es dauerte nicht lange, da nahmen auch schon Nymphadora, Andromeda und Ted Platz und begannen zu essen. Sally schmeckte das gegrillte Fleisch hervorragend. Als sie fertig war ließ sie sich zurückfallen und glaubte, ihr Bauch würde platzen.

»Boa! War das gut!«

Auch Mika war mit dem Essen fertig und hielt sich den schmerzenden Bauch. Die beiden Mädchen seufzten einstimmig. Ted lachte. »Freut mich, wenn's euch geschmeckt hat!«

Eulenpost

»Höre ich da etwa knurrende Mädchenmägen?«

Als Sally die vertraute Stimme vernahm richtete sie sich sofort wieder auf. Ihr Großvater blickte grinsend durch die Hintertür des Hauses. Einen Augenschlag später stand auch schon seine Frau neben ihm.

»Grandma! Grandpa!«, rief Sally erfreut aus und stürmte auf die beiden zu um sie fest zu umarmen. »Hallo, Kleines. Alles Gute zum Geburtstag.« Die beiden drückten die 11-jährige nacheinander an sich und ließen das strahlende Kind dann wieder los, um sie zu mustern. »Oh! Wie ich sehe trägst du bereits dein neues Gewand. Gefällt es dir?«, fragte ihre Großmutter und lächelte glücklich, als Sally begeistert nickte. »Natürlich! Gelb ist doch meine Lieblingsfarbe!« Sally grinste, schnappte die beiden an den Händen und zog sie zum Tisch hinüber.

Dort wurden die beiden Neuankömmlinge herzlichst begrüßt. Ted bot ihnen etwas zu Essen und seine Eltern nahmen dankend an. Während Mika mit Sergej im Gras lag und döste und ihre Großeltern aßen und sich mit ihrer restlichen Familie über die neuesten Neuigkeiten unterhielten, nutzte Sally die Gelegenheit und blätterte in ihrem neuen Buch. Sie hatte sich vom Tisch entfernt und saß unter dem Baum, unter dem sie vor dem Essen gesessen hatte. Mika lag wenige Meter entfernt von ihr. Sally fischte sich einen Schokofrosch aus der Schachtel, die sie von Nymphadora bekommen hatte und aß ihn während sie »Babbitty Rabbitty und der gackernde Baumstumpf« las. Sie hatte dieses Märchen schon gemocht, als es ihr noch als Gutenachtgeschichte erzählt wurde.

Sally war so in Gedanken versunken, dass sie nicht merkte, dass genau über ihr ein weißer Vogel saß, der sie schon seit ein paar Minuten beobachtete und gierig die Schokofrösche anstarrte. Sally nahm sich einen neuen Frosch und hatte gerade den Kopf abgebissen, als ein Brief in ihren Schoß segelte. Sie war so erschrocken, dass sie sich an dem Stück Schokolade in ihrem Mud verschluckte. Die Schneeeule nutzte die Gelegenheit der Abgelenktheit, flog hinab und stibitzte sich den restlichen Frosch in Sallys Hand. Diese ließ einen spitzen Schrei hören, als sie den Vogel sah, der sogar Mika aufwachen ließ. »Was ist passiert?«, fragte sie wie aus der Pistole geschossen und Sergej zischelte zustimmend. Die Gespräche am Tisch waren verstummt und die Erwachsenen blickten auf das Szenario und warteten was weiter passieren würde.

Sally hatte sich wieder einigermaßen von ihrem Schreck erholt und die Schneeeule sah sie entschuldigend an; sie machte beinahe ein trauriges Gesicht. Die Eule hatte sich wohl genauso über Sallys Geschrei erschreckt, wie Sally über die Eule. »Tut mir leid…«, meinte Sally dann, als sie die Sprache zurückerlangt hatte. Das Tier hob den Kopf und kniff in den Finger des Mädchens, als wollte es sagen: »Ist schon okay. Und mir tut es auch leid.« Sally strich einmal über das Gefieder des Tieres, dann breitete dieses die Flügel aus und verschwand.

»Was war denn das?!« Mika und sah der Eule mit gerunzelter Stirn hinterher. »Das nennt sich Eule, Mika!«, rief Nymphadora, die gerade auf die beiden zukam und Mikas letzten Satz gehört hatte. Die Jüngere verdrehte die Augen und meinte belustigt: »Nein? Was du nicht sagst.« »Ja, wirklich! Sogar eine Schneeeule«, erwiderte Nymphadora, machte aus ihrer Nase einen Schnabel und ließ sich zu den beiden ins Gras plumpsen. »Was hat sie denn vorbeigebracht, die Eule?«, fragte sie ihre kleine Schwester neugierig. Etwas verwirrt sah Sally die Ältere an. Dann fiel es ihr wieder ein. Der Brief.

Sie klappte das Buch auf und nahm den Brief heraus. Er war schwer. Und mit smaragdgrüner Tinte beschrieben.
 

Miss S. Potter

Außerhalb des Ortes im Hause Tonks

Hellgelbes Zimmer im obersten Stockwerk

Basildon
 

Sally las die Adresse dreimal durch. Mrs. S. Potter. Wer war das? Und warum lag der Brief in ihrem Schoß? Sonst wohnte allerdings niemand Außerhalb des Ortes im Hause Tonks…mit S. konnte Sally gemeint sein. Aber Potter? das ergab für das junge Mädchen keinen Sinn. Sie wusste ja zwar, dass sie keine geborene Tonks war, aber sie hatte seit sie denken konnte unter diesem Namen gelebt. Sally Tonks. Damals, als sie ihre Eltern belauscht hatte, hatte sie ja gehofft, dass alles nur ein böser Traum war; sie hatte es auch nach kurzer Zeit wieder vergessen, doch das hier verwirrte sie nun zunehmend.

»Sally?«

Nymphadora fuchtelte vor ihren Augen mit der Hand herum, bis Sally wieder in die Realität zurückgekehrt war. »Bist du noch da?« »Was? Ja. Sicher…«

Sally drehte den Brief in ihren Händen um und sah auf ein bekanntes Wappen.

»Hogwarts…«, hauchte sie.

Inzwischen hatte sich ein Lächeln auf Doras Gesicht gebildet, denn sie hatte ihren eigenen Brief, mit der Bücherliste hinter ihrem Rücken versteckt gehalten.

»Hogwarts«, bestätigte sie der Jüngeren.

»Oh mein Gott…oh mein Gott…« Sally konnte es noch nicht fassen. Erneut drehte sie den Brief um und sah auf die Adresse. Das war das einzig rätselhafte daran. Andererseits, warum sollte der Vogel ihr den Brief geben, wenn er eigentlich für jemand anderen bestimmt gewesen wäre?!

Noch einmal sah sie sich das Siegel an, dann sprang sie auf und rief schreiend auf ihre Eltern zu. »Mum! Dad! Ich hab einen Brief aus Hogwarts!!!« Sie kriegte sich überhaupt nicht mehr ein, warf sich den beiden an den Hals und brach in Freudentränen aus. Insgeheim hatte sie schon den ganzen Tag darauf gewartet und erst jetzt am frühen Nachmittag war es endlich so weit gewesen.

Sie drückte die beiden bestimmt fünf Minuten an sich und bemerkte nur, dass ihr beruhigend über den Rücken gestreichelt wurde. Als sie sich wieder von ihnen löste, sah sie in die strahlenden Gesichter ihrer Eltern. »Das ist toll, Schatz«, brachte ihre Mutter nach kurzer Zeit hervor. Auch Sally lächelte bis über beide Ohren. »Ich weiß!« Noch einmal drückte sie die beiden an sich; diesmal aber nicht so lange.

Zur Feier des Tages stellte Ted eine große Torte auf den Tisch, auf der riesengroß Happy Birthday, Sally! stand. Die 11-jährige pustete die elf Kerzen auf einmal aus und erntete damit den Applaus ihrer Familie. Sally und Mika bekamen als erste ein Stück der Torte. Die Jüngere war immer noch ganz fasziniert von dem Brief, den Sally immer noch nicht geöffnet hatte. Aber auch sie verstand nicht, warum Potter als Anschrift darauf stand. Die beiden waren mit ihrer Weisheit am Ende und hatten aufgehört zu tuscheln.

Sally war sich noch etwas unsicher was den Brief anging. Irgendwie war so ein Drang in ihr, der sie dazu bewegen wollte, den Brief zu öffnen. Aber irgendwie kam sie sich blöd vor. Was wenn diese S. Potter den Brief schon erwartete, ihn aber nicht bekam, weil er bei Sally lag?

Das kleine Mädchen hatte keine Zeit mehr sich darüber Gedanken zu machen, denn Andromeda trat mit etwas großem aus dem Haus. Sally konnte nicht zuordnen was es war, nur dass es groß und die Wohnzimmerdecke darüber gelegt worden war. »Jetzt ist es Zeit für unser Geschenk.« Lächelnd kam ihre Mutter auf sie zu. »Alles Gute zum Geburtstag, Sally.« Andromeda hatte Sally diese Worte ins Ohr geflüstert und überreichte ihr nun das große etwas. Unsicher sah Sally ihre Mutter an, die ihr aufmunternd zunickte. Sally hatte es am Boden vor sich abgestellt und hob nun vorsichtig die Wohnzimmerdecke an.

Man wusste nicht welches Gekreische lauter war. Entweder das erfreute von Sally, oder das erschreckte der Eule in dem Käfig. »Das ist nicht euer Ernst?!« Sally war überglücklich und fiel, zuerst ihrer Mutter und dann ihrem Vater erneut um den Hals, bevor sie wieder zu dem kleinen, verschreckten Etwas in dem Käfig ging. »Darf ich sie rauslassen?« Andromeda lachte. »Natürlich! Sie gehört jetzt dir. Aber ich hoffe doch mit ›sie‹ meinst du die Eule? Sie ist nämlich ein er. Und er ist ein Waldkauz.« Andromeda lachte erneut, als sie das verwirrte Gesicht ihres kleinen Schützlings sah. Man konnte förmlich die Zahnräder in Sallys Gehirn rattern sehen. Die Kleine zuckte mit den Schultern und öffnete den Käfig. Der kleine Waldkauz bewegte sich allerdings nicht von der Stelle, da er viel zu verängstigt war. Sally steckte ihre Hand in den Käfig, um den Vogel zu streicheln. Er wich nicht zurück aber er musterte die kleine Hand, die in seinem Käfig steckte, etwas verwirrt. Er saß auf seiner Stange und da er ziemlich neugierig war, streckte er der Hand langsam den Kopf entgegen. Sally zog die Hand nicht zurück und wartete gespannt darauf was der Waldkauz tun würde.

Dass er allerdings den Kopf so weit nach vorne strecken würde, dass er direkt von der Stange in ihre Hand segeln würde, damit hatten weder sie, noch der Waldkauz gerechnet…

Das Tier war momentan so erschrocken, dass es ruhig liegen blieb. Sally zog die Hand mit dem Vogel aus dem Käfig heraus und hielt ihn nun mit beiden Händen, sonst würde er wohl oder übel noch weiter fallen. »Ich werde ihn James nennen.« Sie sah auf. Mikas Augen waren groß, rund und leuchteten. Die ihrer Mutter waren auch groß. Allerdings vor Schreck. »James? Das ist aber ein schöner Name…« Sie schien etwas nervös. »Aber findest du nicht, dass…« Weiter kam sie nicht. »Ja, du hast recht. Ich nenne ihn Oliver.« Sally sah die Eule an und nickte zustimmend. »Ja. Du heißt jetzt Oliver.« Sie bemerkte nicht, dass sich ihre Mutter wieder entspannte und kraulte Oliver am Kopf.
 

Der restliche Nachmittag, von dem nicht mehr viel übrig war, verging schnell. Sally spielte mit Mika einige Runden Zaubererschach, von denen sie nur zwei gewann und die restlichen vier verlor. Aber das machte ihr nichts. Sie war nicht ganz bei der Sache gewesen, aber auch wenn es so gewesen wäre, hätte sie wahrscheinlich verloren, da Mika einfach ganz und klar die bessere Spielerin war.

»Mika, dein Vater ist da!«

»Maaaann!!!«

»Ich freu mich auch dich zu sehen, Schatz!«

Sally kicherte. Es war immer der gleiche Ablauf. Andromeda teilte Mika mit, dass ihr Vater da war und Mika und Sally begannen gleichzeitig sich zu beschweren.

Mikas großgewachsener Vater Darren O'Brian trat aus dem Haus heraus und kam auf die beiden Mädchen unter dem Baum zu. »Hey ihr zwei. Alles Gute zum Geburtstag, Sally.« »Danke.« Sally lächelte und schüttelte die Hand von Mikas Vater. Mika saß mit verschränkten Armen im Gras und schmollte. »Ach komm, Mika. Ihr seht euch doch bestimmt noch mal vor Schulanfang. Und dann…« Weiter kam er nicht. »Nein, sag jetzt nicht und dann trefft ihr euch eben an den Wochenenden. Sally hat nämlich ihren Brief von Hogwarts bekommen…!« Mika schmollte nun nicht mehr sondern lächelte breit und ihre Augen leuchteten; sie war sehr stolz auf ihre Freundin.

Darren hob die Augenbrauen. »Wirklich? Na dann herzlichen Glückwunsch!« Sally grinste breit. »Danke.« »Aber jetzt müssen wir wirklich los, Süße. Deine Mutter macht sich schon Sorgen.« »Na gut…« Mika zog wieder eine Schnute, stand aber dennoch auf. Sie nahm ihre Schlange hoch, hängte sie sich um den Hals und nahm ihr Zaubererschachspiel in die Hand. »Gut, ich hab alles.« Ihr Vater sah die Schlange etwas abschätzenden an. »Willst du nicht vielleicht die Schlange vom Hals runter nehmen…?«, bat er. »Nein. Eigentlich nicht.« Mika sah ihn an und lächelte ihm beruhigend zu. Sally stand daneben und musste sich ein Lachen verkneifen. Es war doch immer wieder zu lustig, wenn sich die beiden unterhielten.

Mika verabschiedete sich von Sally und den anderen und bedankte sich noch einmal dafür, dass sie heute hier sein durfte. »Ist doch selbstverständlich! Und vor Schulanfang kommst du noch mal zu uns, oder Sally zu dir. Das machen wir schon.« Andromeda drückte Mika liebevoll an sich und gab dann ihrem Vater die Hand. »Tschüß!«, rief Sally Mika noch nach, als die beiden zusammen im Kamin standen und schon ›eingesaugt‹ wurden.

Kurz nachdem Mika und ihr Vater das Haus verlassen hatten, verabschiedeten sich auch ihre Großeltern. Draußen wurde es langsam dunkel und sie wollte noch nach Hause, bevor sie nichts mehr sahen. Sally bedankte sich noch einmal und schon waren auch sie weg.

Klio strich ihr ums Bein und Sally hob sie hoch. Zusammen mit der Katze trat sie nach draußen und beobachtete Oliver, der vom Baum herunter auf seinen Käfig zu segelte. Sally ging zu ihm hinüber, ließ Klio wieder runter, verschloss den Käfig und hob ihn hoch. »Na dann werd ich dich mal in dein neues zu Hause bringen…« Sie trug Oliver ins Haus und ging die Treppe hoch in ihr Zimmer. Dort stellte sie den Käfig am Schreibtisch ab. Oliver war den kurzen Weg hier rauf eingeschlafen. Liebevoll sah Sally ihn noch eine Weile an.

Leise klopfte es an ihrer Zimmertür. Sally wandte den Kopf und sah ihren Vater, der fragte, ob er eintreten dürfte. »Ja klar.« Er kam auf den Schreibtisch zu. »Schläft er schon?« Sally nickte. Ted legte ihr einen Arm auf die Schulter. »Hier. Ich hab noch etwas für dich. Es ist zwar nicht viel, aber ich hoffe trotzdem, dass es dir gefällt.« Er hielt ihr eine kleine Schatulle hin, die Sally zögernd entgegen nahm. Vorsichtig öffnete sie das kleine Kästchen. Darin lag ein dunkelbraunes Lederarmband. Es war nur etwa fünf Millimeter breit und in der Mitte wurde es von einem dunkelgelben, bis hellorangenen Faden durchzogen; die Farbe war nicht eindeutig zu erkennen.

»Es ist wunderschön…«, flüsterte Sally begeistert. Ted lächelte. Er nahm es ihr aus der Hand und band es ihr um das linke Handgelenk. »Mama will, dass du nach unten kommst. Sie muss mit dir sprechen.« Sally nickte und Ted wandte sich zum Gehen. Sie betrachtete immer noch das Lederband um ihr Handgelenk. Als Ted an der Tür war, hielt sie ihn noch einmal zurück.

»Dad?«

»Hm?«

»Woher hast du das Armband?«

Ted drehte sich um und lächelte ihr liebevoll zu. Sally glaubte, in seinen Augen eine Träne glitzern zu sehen.

»Es ist ein Erbstück deiner Mutter.«

Kleines, wir müssen mit dir reden

Nach einigen Augenblicken zog Sally den Vorhang ihres Fensters zu und seufzte leise. Sie sah auf ihr Handgelenk. »Es ist ein Erbstück deiner Mutter.« Immer wieder hörte sie diesen Satz in ihren Gedanken.
 

Sally wusste, dass Ted und Andromeda nicht ihre richtigen Eltern waren. Eines Nachts, als sie 8 Jahre alt war, hatte sie nicht einschlafen können und wollte zu ihren Eltern ins Zimmer. Doch diese waren nicht da gewesen, also war sie hinunter ins Wohnzimmer im Erdgeschoss gegangen. Und da hatte sie Andromeda und Ted reden hören ›wie sie es ihr sagen sollten‹ und, dass sie dann beschlossen hatten ›es ihr dann zu sagen, wenn der Brief kommt‹. Irgendwie hatte Sally zwar schon immer eine leise Ahnung gehabt, da sie weder Ted noch Andromeda ähnlich sah, doch sie hätte nie gedacht, dass es wirklich so war.
 

Sie gab sich einen Ruck und verließ das Zimmer. Als sie an dem Wandspiegel am Gang vorbeikam, hielt sie kurz an und blickte in ihr eigenes Gesicht, das ihr irgendwie fremd schien. Ihre schwarzen Haare hatten einen leichten Rotstich, was dem Mädchen gefiel. Sie hob die linke Hand und strich sich die Haare hinters Ohr. Sie fragte sich was im unteren Stockwerk auf sie zukam; was Andromeda ihr zu sagen hatte. Und warum ausgerechnet heute. Es musste einen Grund geben.

Gerade wollte sie sich von ihrem Spiegelbild abwenden, da schoss es ihr wie der Blitz.

»Wir werden es ihr sagen, sobald sie ihren Brief aus Hogwarts bekommt. Sonst ist noch nichts sicher. Es könnte ja auch sein, dass sie gar keine Hexe ist.«

Sallys Augen waren schreckgeweitet. War das ein Traum? Würde sie die ganze Wahrheit erfahren?

Das Mädchen schluckte schwer, warf sich noch einmal einen kurzen Blick zu und betrat dann die Treppe. Sallys Zimmer war im Dachgeschoss, neben einem Gästezimmer und einem Badezimmer. Im mittleren Stockwerk waren das Schlafzimmer ihrer Eltern, das von Nymphadora und das zweite Badezimmer. Und im Erdgeschoss befanden sich Küche, Wohnzimmer, Esszimmer und noch ein Badezimmer.

»Komm rein, Kleines, wir müssen mit dir reden.« Sally stand vor der angelehnten Tür des Wohnzimmers, aus der die Stimme ihrer Mutter drang. Vorsichtig öffnete sie die Tür und trat ein. Allerdings fand sie nicht, wie zuerst vermutet, ihre Mutter und ihren Vater vor, sondern Leute, die sie noch nie zuvor gesehen hatte.

Oder doch…

»Mad-eye?«

Sally wusste zwar nicht, woher sie den Namen des Mannes kannte, der ein herumzischendes Glasauge hatte, aber das würde sich noch herausstellen. Das vernarbte Gesicht des Mannes sah sie an und sie glaubte ein Lächeln zu erkennen. »Hallo, Sally.«

»Setz dich, Sally.«

Andromeda deutete auf den Stuhl, der gegenüber der Couch stand, auf dem die drei Personen saßen; ihr Vater war nicht dabei.

Sally setzte sich auf den gemütlichen Sessel, den sie so sehr liebte und wurde dann doch etwas nervös. Sie begann mit ihrem neuen Armband zu spielen, um ihre Nervosität zu verbergen; doch es gelang nicht. Die Frau, die neben ihrer Mutter saß, warf einen Blick auf Sallys Handgelenk und ein liebevoller Ausdruck legte sich auf ihr Gesicht.

»Sally, das sind Alastor Moody und Minerva McGonagall. Du kennst Moody unter dem Namen ›Mad-eye‹ bereits. Er war es, der dich damals zu uns gebracht hat…« Andromedas Stimme war nun nur mehr ein Flüstern. Sie hatte den Blick zu Boden geheftet als sie das gesagt hatte. Minerva McGonagall legte ihr die Hand auf die Schulter und drückte sie leicht.

»Was ist eigentlich los, Mama?« Sally sah ihre Mutter fragend an und als diese zu weinen begann, war das Mädchen komplett ratlos. Die alte Frau neben Andromeda drückte diese an sich und versuchte sie zu trösten. Sally wusste nicht wie ihr geschah; immerhin dachte sie, dass ihre Mutter ihr einfach alles erklären würde, aber anscheinend war das doch nicht so einfach…

Der Mann mit dem sich ständig bewegenden Glasauge, zog wieder Sallys Aufmerksamkeit auf sich. Als er zu reden begann lauschte die Elfjährige aufmerksam. »Es gibt eine Geschichte, Sally, die jeden Zauberer und jede Hexe in den Bann zieht. Es ist die Geschichte eines Jungen namens Harry Potter.« Moody hielt inne und ließ seine Worte auf das Mädchen wirken. Das Schluchzen Andromedas wurde leiser, bis es schließlich ganz aufhörte und auch sie dem Mann zuhörte.

»Vor acht Jahren war ein mächtiger, dunkler Zauberer an der Macht. Sein Name war Lord Voldemort. Er tötete jeden, der sich ihm in den Weg stellte. Eines Nachts vor acht Jahren, drang er in das Haus der Familie Potter ein. Die Potters waren gute Menschen. Ich kannte sie. Sie waren gute Bekannte von mir. Sie hatten zwei Kinder; einen Jungen und ein Mädchen. Das Mädchen war um zwei Jahre älter als der Junge.« Er legte wieder eine kurze Pause ein. Sally wusste nicht wohin das führen sollte, doch die Geschichte zog sie in den Bann.

»James Potter war ein mutiger Mann. Er stellte sich dem Dunklen Lord in den Weg, damit er seine Familie beschützen konnte. Seine Frau Lily versuchte unterdessen die Kinder zu retten. Das Mädchen schickte sie in das Verschwindekabinett. Für den Jungen war es allerdings zu spät. James wurde getötet. Lily wollte ihren Sohn beschützen und opferte sich für ihn. Voldemort schickte seine Anhänger, damit sie das verschwundene Mädchen töten konnten, er selbst wollte noch den Jungen töten. Doch es gelang ihm nicht. Der Fluch prallte auf ihn zurück und traf Voldemort selber. Seitdem ist er verschwunden und Harry Potter ist berühmt für etwas, an das er sich nicht einmal mehr erinnern kann. Seine Anhänger befolgten seinen letzten Auftrag und suchten das Mädchen. Dieses war inzwischen in dem zerstörten Haus von den Johnsons; Freunde der Familie. Harry wurde währenddessen in Sicherheit gebracht. Auroren hatten die Anhänger des Dunklen Lords aufgespürt und waren ihnen gefolgt. Ich selbst war einer davon. Sie wurden festgenommen und in das Zauberergefängnis Askaban gebracht, von dem du sicher schon gehört hast.« Sally nickte. Doch Moody wartete nicht auf eine Antwort von ihr und fuhr stattdessen fort.

»Ich ging auf das kleine, verängstigte Mädchen zu, das in einer Ecke kauerte. Sie erkannte mein Gesicht, da ich nur ein paar Stunden zuvor bei ihrer Familie zu Besuch war.« Er machte wieder eine kurze Pause. Bisher hatte Alastor Moody die Hände von Sally gemustert. Jetzt sah er ihr direkt in die Augen.

»Sally. Ich war es, der dich gerettet hat. Ich habe dich damals aus dem Haus geholt, in dem du gelandet bist. Ich habe dich eigenhändig hierher gebracht.«
 

Sally war sprachlos. Sie wollte etwas sagen, aber sie konnte nicht. Sie wandte sich an ihre Mutter; hoffte, dass das alles eine Lüge war. Doch ihre Mutter nickte nur.

»Niemand, außer wenigen Eingeweihten, kennt diesen Teil der Geschichte. Niemand weiß, dass Sally Potter damals überlebt hatte.«

Sally sah ihn an. Sie versuchte das zu verdauen was er gerade gesagt hatte. »Das heißt…ich…?« Sie schluckte. Mad-eye nickte. »Ja. Du bist das Mädchen. Du bist Sally Potter. Du bist die Tochter von Lily und James. Du bist Harry Potters Schwester. Und du musst dieses Geheimnis für dich behalten so lange es geht.« Moody sah ihre tief in die Augen, damit sie verstand, wie ernst es ihm war. »Jeder Zauberer und jede Hexe glaubt, dass du damals auch getötet wurdest oder vermutet dich in irgendeinem Winkel des Erdballens.«

Das Mädchen blickte zu Andromeda, die wieder Tränen in den Augen hatte. »Warum habt ihr mir das nie gesagt?« »Wir wollten auf den richtigen Zeitpunkt warten. Dir das alles genau erklären. Damit du verstehst.« Ihre Mutter sah Sally entschuldigend an. Bevor Sally allerdings etwas erwidern konnte, übernahm jetzt Minerva McGonagall das Wort, die bisher noch nichts gesagt hatte. »Und der richtige Zeitpunkt war jetzt, da du deinen Brief erhalten hast. Du kannst unmöglich nach Hogwarts gehen, mit dem Namen Sally Potter. Jedes Kind auf dieser Welt kennt die Geschichte und wenn jemand diesen Namen hört, dann werden sie sofort daran erinnert. Du wirst deine sieben Schuljahre unter dem Namen Sally Tonks erleben, wie bisher. Du wirst ein ganz normales Leben führen können. Bist du damit einverstanden?« Die Frau sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen, die keinen Widerspruch duldeten; Sally nickte mechanisch.

»Du kannst wieder zu Bett gehen, Liebling.« Andromeda sah sie liebevoll an. Sally stand auf; ebenso Andromeda. Sie umarmte ihre Pflegetochter. »Weißt du, ich habe dich immer geliebt. Nicht, weil die ganze Welt deinen Namen kennt, sondern weil du wie eine Tochter für mich bist. Ich werde dich immer lieben, Sally. Ich bin immer für dich da. Und Daddy auch«, flüsterte Andromeda Sally ins Ohr. Das Mädchen nickte unter Tränen. »Ich liebe dich auch, Mum.«

Nach einer Minute lösten sich die beiden und Sally ging zur Tür. Als sie die Klinke hinunterdrückte und die Tür öffnete, wandte sie sich noch einmal zu den drei Erwachsenen um. »Weiß Dora…?« Andromeda nickte.

»Ja. Sie weiß es.«

Willkommen in der Winkelgasse!

In dieser Nacht schlief Sally schlecht. Immer wieder jagte sie der Alptraum, von dem sie nun wusste, dass er wahr war. Als sie am nächsten Morgen wach wurde und sich umsah, glaubte sie, dass der letzte Abend ein Traum war. Doch als sie das Armband an ihrem Handgelenk betrachtete, wusste sie, dass es wirklich geschehen war.

Oliver schlief noch und Sally zog sich inzwischen leise an. Sie ließ sich wieder auf ihr Bett fallen, den Brief aus Hogwarts in den Händen. Immer wieder las sie ihn durch, ohne ihn eigentlich wirklich zu verstehen. Das, was Mad-eye Moody ihr erzählt hatte, jagte ihr im Kopf herum.

Es klopfte leise an der Tür und als Sally aufsah, sah sie bereits, dass Nymphadora ins Zimmer gehuscht war. Heute Morgen trug sie kurze, blaue Haare. »Morgen, Kleine. Kann ich reinkommen?« Doch sie stand sowieso schon mitten im Raum. Sie setzte sich zu Sally. Die beiden schwiegen eine Weile, doch dann fragte die Ältere: »Sie haben es dir gestern gesagt, nicht wahr? Darum waren Mad-eye und Professor McGonagall hier, oder?« Dora sah Sally von der Seite her an. Diese hatte den Blick gesenkt und betrachtete den Brief. Eine Träne tropfte darauf als sie nickte. Dora legte der Jüngeren einen Arm um die Schulter und zog sie zu sich. »Sally, du bist etwas Besonderes. Wie dein Bruder. Du kannst stolz auf ihn sein. Und auf dich. Ihr habt beide überlebt, wenn auch nur zufällig«, flüsterte die Blauhaarige.

Die beiden saßen eine Weile so da, bis Ted von unten rief, dass das Frühstück fertig sei. »Komm, gehen wir.« Dora stand auf und zog Sally mit sich. »Weißt du, auch wenn du die wahre Geschichte jetzt kennst. Du wirst immer meine kleine Schwester bleiben, die ich liebe. Und du wirst immer ein kleiner Goldengel sein, den Mum und Dad lieben. Ich hoffe du weißt, dass du zur Familie gehörst, wie eine ›richtige‹ Tochter oder Schwester.« Sally nickte. Sie drückte sich an Dora. Das hatte ihr ihre Mutter zwar auch schon gesagt, aber das gleiche aus dem Mund ihrer Schwester, ihrer engsten Vertrauten, noch mal zu hören, war etwas ganz anderes.
 

Einige Tage vergingen und Sally konnte immer besser schlafen. Sie zählte schon förmlich die Tage bis zum Schulbeginn. Es waren noch genau 18. Sally gähnte herzhaft und streckte sich. Sie hatte diese Nacht etwas schönes geträumt. Sie war mit einem Besen hoch über das Hogwarts, wie sie es sich vorstellte, geflogen.

Sally kroch aus dem Bett und zog sich an. Oliver war gerade wach geworden und fiepte zur Begrüßung fröhlich. »Dir auch einen schönen guten Morgen, Oliver.« Als sie sich fertig angezogen hatte, ging sie zum Käfig hinüber und öffnete ihn, damit Oliver hinausfliegen konnte. Bevor er aus dem offenen Fenster flog, verabschiedete er sich noch mit einem liebevollen Zwicken in das Ohr seiner Besitzerin. Sally kicherte und schon war der Vogel weg.

Sie ging in das unterste Stockwerk und begrüßte ihre Eltern. Sie setzte sich zu ihnen an den Tisch. »Und gut geschlafen, mein Engel?«, fragte ihr Vater, der sich gerade ein Brot bestrich. Sally nickte. »Ja. Sehr gut sogar.« »Das freut mich.« Er wusste von ihren Alpträumen und war froh, dass sie wieder besser schlief. Als Sally sich den dritten Löffel ihres Müslis in den Mund schob, kam eine ziemlich müde aussehende Nymphadora die Treppe runter. »Morgen, Leute…«, begrüßte sie ihre Familie. »Wann gehen wir denn in die Winkelgasse? Ich brauch bald mal meine Sachen…«, gähnte Dora, die ihre Augen immer noch nicht geöffnet hatte. Sally kicherte leise. »Ich hätte mir gedacht, dass wir das heute erledigen. Ted, du hast gesagt, du fährst heute zu deinen Eltern, nicht? Dann könnten wir drei nämlich nach London fahren.« Andromeda sah vom Tagespropheten auf und ihren Mann an. Ted nickte. »Auch wenn ich gerne dabei wäre, aber meine Mutter braucht Hilfe also könnt ihr ruhig fahren. Oder was dann auch immer«, fügte er grinsend hinzu. »Vielleicht komme ich später nach.« Sally war mit einem Schlag hellwach. Das hatte sie beinahe vergessen! Sie musste ja noch ihre ganzen Sachen besorgen und durfte nun das erste Mal in die Winkelgasse! Sie war schon wahnsinnig aufgeregt. »Ach, Mum?« Dora hatte es inzwischen geschafft, dass sie halbwegs wach wurde und normal aussah, und richtete sich ein Müsli. »Ja, Schatz?« »Sarah geht heute auch in die Winkelgasse. Sie hat mir heute eine Eule geschickt. Oder zumindest ist sie heute angekommen… Stört es dich, wenn ich mit ihr die Bücher kaufen gehe?« Andromeda schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht, Liebling. Aber ich möchte gerne, dass du trotzdem mit uns zusammen nach Gringotts gehst. Damit ich dir das Geld für dieses Schuljahr mitgeben kann. Und ich würde sagen, dass wir uns dann bei Florean‹s treffen?« Sallys Schwester stimmte mit einem »Ja natürlich« zu. Sally war dem Gespräch der beiden gebannt gefolgt.

Eine Stunde später saßen sie bereits im Auto auf den Weg nach London. Ted hatte angeboten sie mitzunehmen, da seine Eltern in einem Vortort Londons lebten und außerdem war das Flohpulver alle, wie Nymphadora festgestellt hatte.

»Hast du auch deine Liste dabei?«, fragte Andromeda Sally nun schon zum dritten Mal. »Nein, Mum. Weil die hast du in deiner Tasche«, lachte das Mädchen, als es den erschrockenen Blick Andromedas sah. Diese nickte erleichtert. »Achja. Genau…«

Ted setzte sie in der Stadt ab. »Viel Spaß, ihr drei. Kauft nicht zu viel. Wenn ich nicht mehr nachkomme nehme ich an, dass ihr mit dem Flohnetzwerk nach Hause kommt?« Andromeda nickte. »Ja. Danke, Schatz. Und bestell deinen Eltern liebe Grüße von uns.« Sie verabschiedete sich mit einem Kuss von ihrem Mann und dann wandte sie sich den beiden Mädchen zu. »So. Los geht‹s.«

Sally staunte nicht schlecht, als sie eine kleine London-Stadtführung erhielt. Sie war noch nie hier gewesen. Gesehen hatte sie in diesen fünf Minuten zwar nicht viel von der Hauptstadt Großbritanniens, doch es war trotzdem beeindruckend gewesen. Ihre Mutter bog in eine Seitenstraße ein, in der sich nicht viele Leute tummelten. Die Muggel nahmen keine Rücksicht auf sie. Andromeda ging zielstrebig ans andere Ende der Straße, wo ein dunkles Pub war. Tropfender Kessel stand da. Sally bemerkte, dass die Muggel nichts bemerkten. »Sie sehen das Haus nicht. Nur Zauberer und Hexen sehen es«, flüsterte Nymphadora zur Erklärung.

Die drei traten ein. Es war dunkel und bis auf den Wirt waren keine Leute in dem Wirtshaus. »Hallo, Tom«, begrüßten Andromeda und Dora den Wirt zugleich. »Hallo, Andromeda. Nymphadora. Wen habt ihr denn da noch mitgebracht? Ist das deine zweite Tochter?« Andromeda nickte. »Ja. Das ist Sally.« »Hallo«, sagte Sally schüchtern. »Guten Tag, Sally. Wollt ihr etwas trinken?« »Später vielleicht, danke. Zuerst erledigen wir, was zu erledigen ist.« Andromeda lächelte dem Wirt zu und die drei verabschiedeten sich von ihm. Sie gingen in den Hinterhof, wo Andromeda ihren Zauberstab zog. Sie klopfte auf den Backsteinen herum und nach kurzer Zeit tat sich eine Art Tor auf. Sally kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.

»Willkommen in der Winkelgasse!«

Sally klappte der Mund auf, als sie die Einkaufsstraße der Hexen und Zauberer mit schnellen Schritten durchquerten. Schon bald standen sie vor einem großen, weißen Gebäude. »Das ist Gringotts. Die Zaubererbank«, erklärte Andromeda. Die drei traten ein. An den Schaltern saßen lauter »Kobolde«, flüsterte Andromeda. »Nicht zu spaßen, mit denen.«

Als sie am Empfangsschalter angekommen waren, räusperte sich Andromeda kurz. »Guten Tag. Wir würden gerne zwei Verließe aufsuchen.« Der Kobold am Schalter sah auf. Er blickte auf Andromeda herab und sah sie mit warteten Blick an. »Zuerst möchten wir zum Verließ der Potters und dann zu unserem. Tonks«, fügte sie hinzu, als der Kobold sie fragend ansah. »Die Schlüssel, bitte.« Andromeda zog zwei kleine Schlüssel aus ihrer Tasche und reichte sie ihm. »Bitte einen Augenblick. Sie können dort warten. Alden wird sich gleich um Sie kümmern.« Die drei gingen dort hin, wo der Kobold hingezeigt hatte und ein weiterer Kobold wartete bereits auf sie. »Guten Tag. Ich bin Alden«, begrüßte sie der Kobold. Er war etwas kleiner, als die anderen und wirkte viel freundlicher. »Guten Tag«, sagten die drei einstimmig. Der Kobold führte sie zu einem Waggon. »Bitte steigen Sie ein und halten Sie sich gut fest.« Sally wusste nicht wozu das gut war, doch als der Waggon losfuhr, fand sie es besser seinem Rat doch zu folgen. Sie war noch nie Achterbahn gefahren, aber sie glaubte zu wissen, dass die Fahrt in die unterirdischen Verließe Gringotts‹ tausend Mal schlimmer war. Zuerst waren sie beim Verließ der Potters. Sally und Andromeda stiegen aus; Dora wartete im Waggon. Der Kobold nahm den Schlüssel, steckte ihn ins Schloss und drehte ihn einmal herum. Die schwere Tür ging langsam auf und Sally klappte der Mund auf. Da lagen Berge von Galleonen, Sickel und Knuts. »Das gehört alles dir. Und deinem Bruder, natürlich«, verbesserte sich ihre Mutter sofort. Sie half Sally einen Beutel mit Geld zu füllen. »Damit dürftest du eine Zeit lang auskommen, will ich meinen. Und jetzt weiter mit diesem Karren zu unserem Verließ.« Als Andromeda Geld aus dem Verließ der Tonks‹ geholt hatte, stieg sie wieder in den Karren und schon nach ein paar Minuten sahen Sally, Dora und Andromeda wieder das Tageslicht, welches grauenhaft in den Augen blendete.
 

»Hey, Tonks!« Sally hörte eine Mädchenstimme rufen, als sie die Zaubererbank verließen. Anscheinend war ›Tonks‹ der Spitzname Doras in Hogwarts, denn die Ältere hatte sich sofort danach umgewandt und erfreut gerufen: »Hey, Sarah!« Sarah Martin war ein schlankes Mädchen, das gleich alt war wie Nymphadora. Neben ihr stand ein kleineres Mädchen, mit rotbraunen Haaren. »Das ist meine Schwester Sophie. Sie fängt heuer in Hogwarts an.« »Und das ist meine Schwester Sally. Auch sie fängt dieses Jahr an«, gab Nymphadora grinsend zurück. Sophie warf Sally einen Blick zu und lächelte schüchtern. »Hallo«, sagten die zwei gleichzeitig. »Also, Mum. Wir sehen uns später. Tschau, Sal.« Mit diesen Worten verabschiedete sich die momentan Lilahaarige von ihnen und zog mit Sarah und Sophie von dannen.

»Na dann. Auf geht‹s.«

Zuerst gingen Sally und ihre Mutter in den Laden von Madam Malkin. Dort bekam sie ihre Umhänge her. Andromeda ging inzwischen in die Apotheke, um Zaubertrankzutaten und Flohpulver für zu Hause zu kaufen. Außerdem nahm sie noch Drachenhauthandschuhe und Glasfläschchen für Sally mit.

»Hogwarts?« Es war mehr eine Feststellung als eine Frage. Sally nickte, doch das bekam Madam Malkin gar nicht mehr mit. Denn schon hatte sie die Elfjährige auf einen Schemel gestellt und ein magisches Maßband maß sie ab. Nach cirka zwanzig Minuten war Sally fertig. Sie bezahlte und ging hinaus aus dem Laden. Ihre Mutter wartete schon auf sie. »So. Dann gehen wir mal deine Bücher kaufen.« Auch der Mann in diesem Laden fragte ob sie nach Hogwarts kam und schon drückte er ihr ihre Bücher in die Hand. Jetzt fehlten noch Kessel, Waage, Teleskop und ein Zauberstab. Den Zauberstab besorgten sie ganz zum Schluss. Sally war schon gespannt darauf.

Sie betraten den Laden von Mr. Ollivander. Er war klein, dunkel und sehr staubig. Als Sally und ihre Mutter eintraten klingelte es irgendwo im Laden. Kaum eine Sekunde später stand ein alter Mann vor ihnen.
 

»Sie sehen aus wir ihre Mutter, Miss Potter.«

Sally zuckte kurz zusammen. Sie hatte ja mit vielem gerechnet aber damit sicher nicht. Sie warf dem Mann einen vorsichtigen Blick zu, der ihr – war es aufmunternd? – zulächelte.

Irgendetwas an diesem Mann war sehr faszinierend. »Guten Tag, Andromeda. Wie geht es Ihnen? 12 Zoll, Ahorn, Einhornhaar, unbiegsam.« Andromeda nickte. »Danke, gut. Ihnen hoffentlich auch?« Mr. Ollivander war inzwischen schon in den Reihen von Zauberstabschachteln verschwunden, während ein Maßband erneut Sallys Maße vermerkte. »Natürlich geht es mir gut. Zauberstabhand ist rechts, wie ich annehme?« Es war eine Feststellung, keine Frage. Erneut.

»12 ¾ Zoll, Buche mit einer Phönixfeder als Kern. Schwingen Sie ihn.« Sally nahm den Zauberstab in die Hand, doch bevor sie überhaupt dazu kam, dass sie ihn über ihren Kopf hob, wurde er ihr von Ollivander schon wieder aus der Hand gerissen. »Nein. Nein. Nein. Auf keinen Fall. Ich weiß...« Anscheinend hatte Ollivander einen Einfall, denn er hastete ans andere Ende des Ladens. Er holte einen Zauberstab hervor und reichte ihn Sally. Als sie ihn berührte erfüllte ein warmes Kribbeln ihren ganzen rechten Arm. Goldene Funken sprühten aus der Spitze des Stabes. Mr. Ollivander nickte zufrieden. »Ja. 11 Zoll und aus Rosenholz gefertigt. In seinem Inneren befindet sich die Herzfaser eines Ungarischen Hornschwanzes. Der Stab ist für feine Arbeiten sehr gut geeignet, genau wie der Ihrer Mutter, Miss Potter.«

Nachdem sie bezahlt hatten wünschte Mr. Ollivander ihr noch viel Glück. Als sie den Laden verließen legte Andromeda Sally den Arm um die Schulter. »Ich weiß, dass es noch ungewohnt ist für dich, nicht wahr? Aber Mr. Ollivander hat Recht. Du bist Lily wie aus dem Gesicht geschnitten.« Sally sagte nichts dazu. Sie würde den Moment zerstören, wenn sie etwas sagen würde, wie sie fand.

Sally war nicht wirklich traurig über ihr Schicksal. Wenn sie dem was Moody erzählt hatte Glauben schenken konnte, dann waren ihre Eltern sehr mutig gewesen. Und sie war stolz auf die beiden. Und sie würde die beiden stolz machen.
 

Bei Florean Fortescues Eissalon machten Sally und Andromeda erneut Halt. Nymphadora und die Familie Martin saßen bereits vor dem Laden und schleckten ein Eis. Die beiden Neuankömmlinge holten sich auch eins und Sally verzehrte glücklich ihr Zitroneneis. Nach einer Stunde brachen die Martins auf. »Wir sehen uns, Tonks~«, verabschiedete sich Sarah von Dora. Sophie und Sally sahen sich an. »Bis in Hogwarts«, meinte Sally. Sophie nickte und lächelte. »Ja. Bis dann.«

Etwas später brachen auch die drei wieder auf. Im Tropfenden Kessel tranken sie noch etwas. Sally bekam ein Glas Kürbissaft und die anderen beiden tranken Butterbier. Danach verabschiedeten sie sich von Tom, der ihnen viel Spaß in Hogwarts wünschte. Sie durften den Kamin benutzen und mit dem neu gekauften Flohpulver konnten die drei nach Hause reisen.

Nach dem Abendessen nahm Sally die Einkaufstüten mit in ihr Zimmer. Sie nahm eines der Bücher – Theorie der Magie von Adalbert Schwahfel – und begann darin zu lesen. Doch schon auf der zweiten Seite schlief sie ein. Nicht etwa, weil es so langweilig war, sondern weil der Tag sie mehr geschafft hatte, als sie eigentlich geglaubt hatte.

Oliver kam gerade durchs Fenster hereingesegelt und sah seine schlafende Besitzerin. Er wollte sie nicht aufwecken. Dennoch flatterte er hinüber und versuchte das Buch so gut es ging von ihrem Gesicht zu heben. Nachdem er sich eine Viertelstunde abgemüht hatte, gelang ihm irgendwie und er ließ es auf ihren Nachttisch fallen. Mit aller Kraft, die er aufbringen konnte, hob er die Decke, die am Boden lag, hoch und deckte Sally zu, damit sie nicht fror. Mit einem liebevollen Blick bedachte der Vogel seine schlafende Besitzerin und flog dann in den eigenen Käfig zurück um zu schlafen.

Im Hogwartsexpress

Die Tage bis zum Schulbeginn vergingen schnell. Sally bereitete sich auch dementsprechend vor. Auf den Tipp ihrer Schwester hin lernte sie das halbe Buch für Zaubertränke auswendig; sie wusste nun, dass der Lehrer – Professor Snape – ziemlich…eigen war, um es mal so auszudrücken.

Am Tag vor Sallys erstem Hogwartsjahr bekam sie noch mal Besuch von Mika. Sally zeigte ihrer jüngeren Freundin alle Sachen, die sie in der Winkelgasse gekauft hatten. Dann führte sie ihr auch noch einen kleinen Zaubertrick vor, den sie mit Nymphadora geübt hatte. »Schmeiß mal die Vase da runter.« Sally deutete auf die weiße Vase, die auf dem Fensterbrett stand. Mika sah sie etwas verdutzt an. »Die? Du spinnst doch! Ne, das mach ich nicht.« Mika weigerte sich und riss den Mund weit auf, als Sally die Vase selber runter schmiss. »Sally!« »Ach was. Sieh dir das jetzt an!« Sally richtete ihren Zauberstab auf die zertrümmerte Vase und sagte: »Reparo!« Wie von Geisterhand flogen die Teile der Vase wieder zusammen und das Lieblingsdekostück der Elfjährigen landete wieder dort wo es vorher gewesen war. So als ob nichts geschehen wäre. Mika bekam den Mund nicht mehr zu. »Waaaahnsinn!!« Sally lachte.

Die beiden verbrachten noch eine Weile damit, die verschiedensten Sachen kaputt zu machen um sie dann wieder reparieren zu können. »Hey, sag mal. Was hat das jetzt eigentlich mit dem Nachnamen auf sich?«, fragte Mika nach eineinhalb Stunden, als sich die beiden auf Sallys Bett fallen ließen und Mika den Brief auf Sallys Nachttisch entdeckt hatte. Sally seufzte kaum hörbar. Mika stütze sich auf ihre Ellenbogen und sah ihre beste Freundin fragend an. Die Schwarzhaarige wusste nicht wo sie anfangen sollte. Also begann sie einfach dort, wo es ihr am sinnvollsten erschien. »Du kennst doch die Geschichte von Harry Potter…« »…dem Jungen der überlebt hat. Natürlich. Wer kennt die nicht?!« Mika schüttelte den Kopf, als ob sie nicht glauben könnte, dass solche Leute existierten. »Naja. Ich kannte sie nicht.« Mika sah Sally überrascht an. Diese fuhr fort. »Also. An meinem Geburtstag waren Mad-eye Moody und eine Professorin aus Hogwarts hier. McBonagall oder so. Nein warte. McGonagall, genau. Auf jeden Fall haben sie mir da die Geschichte erzählt…« Sally ließ den Rest des Satzes im Raum stehen. Sie wusste, dass Mika so klug war, dass sie sich selber einen Schluss daraus ziehen konnte. »Aber warum…? Warte. War da nicht noch was…?!«, unterbrach sich die Jüngere selber und schlug sich an die Stirn. Sally nickte. »Ja. Harrys Schwester.« »Natürlich! Sally Potter! Aber sag jetzt bloß…« Sally nickte wieder. »Oh. Mein. Gott.« Mika war sprachlos. Der Mund war ihr wieder aufgeklappt. »D…du…du hast überlebt?« Das braunhaarige Mädchen fiel ihrer Freundin um den Hals. Beiden kamen die Tränen. »Das ist doch…unglaublich.« Mika konnte es nicht fassen.

Sallys Freundin versprach ihr hoch und heilig, dass sie nichts erzählte; Sally vertraute ihr. Als Mikas Vater per Flohnetzwerk kam, um sie zu holen, gab es ausnahmsweise keine hitzige Diskussion. Die beiden Mädchen fielen sich um den Hals. »Viel Spaß in Hogwarts. Und viel Glück. Und was man halt sonst noch alles so gebrauchen kann«, zwinkerte Mika. »Danke. Ich schicke dir sofort eine Eule, wenn es was zu berichten gibt«, versprach Sally lächelnd. Die beiden standen immer noch da und umarmten sich; Mika nutzte die Gelegenheit um Sally noch etwas ins Ohr zu flüstern.

»Ich werde dich vermissen. Sally Potter.«
 

Am nächsten Morgen wurde Sally früh wach. Sie hatte am Vorabend noch ihren Koffer gepackt und hatte die halbe Nacht damit verbracht, ihn immer und immer zu kontrollieren und im Zimmer auf und ab zu laufen, um zu sehen ob sie auch ja nichts vergessen hatte. Das war auch gut, denn sie hätte beinahe ihre Federkiele und ihr Pergament liegen gelassen. Selbst ihr kleiner Waldkauz merkte, dass etwas nicht stimmte; er spürte die Nervosität seiner Besitzerin. Er war heute früher wach als sonst. Sally schlüpfte in ihre Schuluniform und beschloss den Umhang erst im Zug überzuwerfen. Während sie damit beschäftigt war, den Umhang halbwegs griffbereit in ihren Koffer zu stopfen, rief Andromeda nach ihr, ob sie eh nicht verschlafen hätte. Als würde sie an so einem wichtigen Tag verschlafen!

Ihr Frühstück rührte Sally kaum an. Ihre Eltern wollten sie dazu überreden, dass sie etwas aß, doch dann griff Nymphadora ein und verteidigte sie. »Lasst sie. Sie ist nervös. Das war bei mir auch. Und im Zug kann sie sich dann sowieso was kaufen.« Sally warf ihr einen dankbaren Blick zu und Dora zwinkerte nur und flüsterte: »Für dich doch gern, Schwesterherz.«

Um neun Uhr saßen sie alle im Auto und fuhren nach London. Die zwei Schulkoffer und die zwei Eulen waren im Kofferraum verstaut worden. Schwer, aber es war alles drin. Sally war ganz unruhig geworden und knetete ihre Hände durch. Ihre Schwester lächelte ihr aufmunternd zu; wahrscheinlich musste sie daran denken, wie sie vor sechs Jahren im Auto gesessen hatte und nach King‹s Cross gefahren war.

Es war sehr starker Verkehr und so schafften sie es mit Müh und Not, dass sie um halb elf in London waren. Ted fuhr zum Bahnhof King´s Cross und lud das Gepäck der Mädchen auf zwei Karren auf. Die kleine Familie suchte den Bahnsteig 9 auf. »So. Du weißt was zu tun ist, Sally.« Ihre Mutter lächelte ihr aufmunternd zu. Nymphadora rannte vor Sally auf die Absperrung zwischen Gleis 9 und 10 zu und schon war sie verschwunden. Sally war ganz hibbelig. Ihre Mutter drückte dem Mädchen beruhigend die Schulter, bevor es los lief. Sally schloss die Augen und wartete auf einen Aufprall, obwohl sie wusste, dass der nicht kommen würde. Als sie ihre blauen Augen wieder öffnete, fand sie sich am Gleis 9 ¾ wieder. Die scharlachrote Dampflok des Hogwartsexpresses stand vor ihr. Sally lächelte breit und schon standen ihre Eltern hinter ihr.

Ted half Sally den Koffer in den Zug zu hieven. Sally stellte den Eulenkäfig neben den Koffer. Oliver schien etwas nervös, da er ununterbrochen fiepte. Die beiden waren inzwischen ein richtig eingeschweißtes Team geworden; spätestens ab dem Abend, an dem Sally in der Winkelgasse war. Das Mädchen war seinem Tier ewig dankbar dafür, dass es sich so um seine Besitzerin gekümmert hatte.

Sally steckte ihm einen Eulenkeks zwischen die Stangen hindurch, an dem er knabbern konnte bis sie wiederkam. Sie hüpfte auf den Bahnsteig hinaus in die Arme ihrer Mutter; dieser kullerte wieder eine Träne über die Wange. Nymphadora hatte sich kurz zuvor von den beiden verabschiedet. »Meld dich sobald wie möglich und erzähl alles, was passiert ist, okay?« Sally nickte. »Mach ich.« Ihre Mutter lächelte und umarmte das Mädchen noch einmal. Auch von Ted wurde sie einmal kräftig gedrückt. Dann ertönte ein Pfiff und Sally musste einsteigen. Sie lehnte sich zum Fenster hinaus und umarmte ihre Eltern noch ein letztes Mal. Andromeda hielt die Kleine fest und flüsterte ihr Etwas ins Ohr. »Deine Mutter und dein Vater wären heute sehr stolz auf dich, Sally.« Sie gab ihrem Pflegekind einen Kuss auf die Stirn und dann fuhr der Zug los. Sally winkte, bis sie um eine Kurve bogen und die beiden nicht mehr zu sehen waren.

Die Schwarzhaarige zog ihren schweren Koffer durch den Gang, auf der Suche nach einem Abteil. Doch wie es schien war kein einziges mehr frei. Das Mädchen war kurz vor dem Verzweifeln. Was wenn sie kein Abteil finden würde? Dann müsste sie am Gang draußen bleiben und alle die vorbeikamen würden über sie lachen. So hatte sie sich ihren ersten Tag wirklich nicht vorgestellt!

Sally wollte die Hoffnung schon aufgeben, als sie ein Abteil fand, indem ein braunhaariger Junge in ihrem Alter saß. Sie schob die Abteiltür zur Seite und der Junge sah auf. »Hallo«, begann sie schüchtern. »Darf ich mich zu dir setzen? Der ganze Zug ist voll…« Der Braunhaarige lächelte. »Natürlich. Setz dich.« Er deutete auf die Bank gegenüber von ihm. Sally dankte ihm und zog ihren Koffer ins Abteil. In Gemeinschaftsarbeit schafften es die beiden ihren Koffer auf die Gepäckablage zu legen. »Danke.« Sally lächelte und ließ sich erschöpft auf den Sitz fallen. Der Junge lächelte wieder. »Kein Problem. Ich heiße übrigens Simon Carter.« Er streckte ihr die Hand entgegen und Sally schüttelte sie. »Ich bin Sally…Tonks«, fügte sie hinzu und wurde etwas rot.

Simon hatte auch eine Eule; eine Schneeeule namens Nikki. Oliver und Nikki schienen sich ebenso zu verstehen wie Sally und Simon. Der Junge hatte ein Talent dafür, dass er witzige Sachen extrem ernst sagte, was Sally jedes Mal zum Lachen brachte. Mit Simon konnte man sich wirklich gut unterhalten und das Mädchen war froh, dass es bereits jemand sehr nettes kennen gelernt hatte, bevor sie nach Hogwarts kam.

»In welches Haus glaubst du kommst du?«, fragte Sally neugierig. Simon zuckte die Schultern. »Ich weiß nicht. Meine Mutter war in Ravenclaw und mein Vater in Gryffindor. Ich hab wirklich keine Ahnung. Und du? Hast du schon eine Ahnung?« Auch Simon wurde von Neugier gepackt. »Ähm…also…« Sally wurde etwas nervös. »Ich weiß auch nicht. Also ich weiß nicht in welchem Haus meine Eltern waren«, gestand sie. Simon machte große Augen. »Wirklich? Warum weißt du das nicht? Haben sie mit dir über das nie gesprochen?« Er schien ganz verwirrt. Dem Mädchen wurde mulmig zu mute. »Naja, weißt du. Meine Eltern sind kurz vor meinem dritten Geburtstag gestorben. Und dann kam ich zu einer Pflegefamilie. Und mit denen hab ich eigentlich nicht oft darüber gesprochen…« Sally hatte den Blick auf ihre Füße geheftet. Jetzt war es Simon, der den Kopf senkte. »Oh. Tut mir leid. Das wusste ich nicht…« »Kein Problem.«

Gott sei Dank kam in diesem Moment eine alte Dame mit dem Servierwagen, sonst wäre das Abteil wohl für die restliche Fahrt in peinliches Schweigen gehüllt gewesen. »Ihr Lieben. Etwas Süßes?« Simon schien erleichtert über den ›Themenwechsel‹ und sprang sofort auf. »Ähm. Zwei Lakritzzauberstäbe, bitte.« »Und vier Schokofrösche«, fügte Sally lächelnd hinzu und gab der Dame das Geld für die Frösche. Die beiden setzten sich wieder hin und Simon reichte Sally einen Lakritzzauberstab, während sie ihm zwei Schokofrösche gab. »Danke«, sagten sie gleichzeitig und mussten wieder lachen.

Zwillinge, Rastalocken und Russen

Die Zeit verging schnell und Sally war sich sicher, dass sie noch nie so viel gelacht hatte – sie hatte schon richtige Bauchschmerzen! Auch Simon hatte seinen Spaß dabei, das Mädchen zum Lachen zu bringen. Draußen begann es bereits zu dämmern, als Sally hinaussah. Simon stand auf und streckte sich. »Ich werd mal meine Schwester suchen gehen, okay?« Sally nickte. »Treffen wir uns dann wieder hier? Ich seh mir mal den Zug an. Vielleicht treffe ich bekannte Leute…« Sally runzelte etwas die Stirn und Simon kicherte leise. Insgeheim hoffte sie, dass sie Sophie wieder treffen würde. »Klar. Bis später.« Simon hatte sie wieder aus ihren Gedanken zurückgeholt.

Sally steckte sich den letzten Schokofrosch in den Mund und verließ das Abteil. Sie ging nach links; Simon war nach rechts gegangen. Sally hatte ein Lächeln im Gesicht; in jedem Abteil an dem sie vorbeikam, saßen Schüler, die lachten und sich auf ein weiteres Jahr in Hogwarts freuten.

Nachdem sie schon eine Weile gegangen war und weder Sophie noch Nymphadora getroffen hatte, wollte sie schon wieder umdrehen. Doch sie hielt mitten in der Bewegung inne, da sie Stimmen vernommen hatte, die sich gerade stritten. Sie war einfach zu neugierig, als dass sie zurückgehen hätte können. Und so traf sie auf eine Gruppe Jungen, die sich gerade alle möglichen Schimpfwörter an den Kopf warfen. Da waren zwei Blondschöpfe, zwei mit roten Haaren, die offensichtlich Zwillinge waren und eine schwarzer Junge mit Rastalocken. Ein sehr schmächtiger Junge mit braunen Haaren und einer dicken Brille stand etwas abseits und beobachtete angsterfüllt das Szenario, das sich ihm bot.

Man erkannte gleich, dass vier gegen einen waren.

Naja.

Zumindest jetzt.

Denn als Sally näher herangetreten war, erkannte sie, dass bereits zwei Jungen am Boden lagen. Allerdings bezweifelte sie, dass die beiden mit Flüchen K.O. geschlagen wurden; die Jungs waren alles Erstklässler. Das erkannte Sally sofort, denn sie hatten alle schon ihre Hogwartsumhänge angezogen; niemand trug allerdings ein Wappen.

»Hey, Kleine! Geh zur Seite!«, rief einer der Burschen. Sally erschrak etwas; sie wusste nicht mal wohin sie ›zur Seite gehen‹ sollte. Denn ehrlich gesagt war in dem Gang nicht gerade viel Platz. Doch ohne, dass sie sich den Kopf darüber zerbrechen musste, stand sie schon im Abteil der Jungs. Ein blonder Junge, mit dunkler Haut, holte gerade aus und schlug dem anderen Blonden mitten ins Gesicht. Dessen Nase fing zu bluten an und er rief: »Wenn mein Vater das erfährt! Ihr werdet noch von mir hören!« »Das will ich auch hoffen; ich bin noch nicht fertig mit dir, Montague!«, brüllte ihm der Junge hinterher, der ihm die Nase blutig geschlagen hatte.

»Wer war das?«, fragte Sally. »Das war Nathan Montague und seine Anhängsel. Halt dich fern von denen. Sind komplette Volltrottel«, erklärte der Blonde, als er ins Abteil zurückkehrte. Er ließ sich auf den Sitz neben den rothaarigen Zwillingen fallen. Der Braunhaarige mit der Brille bedankte sich gefühlte hundert Mal bei dem Blonden, bevor er in irgendeine Richtung flüchtete. Sally stand nun als einzige mitten im Abteil und wusste nicht, was sie tun sollte. »Willst du dich nicht setzen?«, fragte einer der vier. Es war der Junge mit den Rasterlocken. »Ähm…okay…?« Sally zuckte die Schultern und ließ sich auf den freien Platz neben der Tür fallen. Doch sogleich schrie sie auf und stand wieder mitten im Abteil. Der blonde Junge lachte. »Das ist nur Mia. Sie ist ganz zahm. Zumindest wenn ich das will.« Er lächelte etwas hinterlistig und nahm die Natter, die sich über den Boden schlängelte, auf den Arm. Sally setzte sich wieder hin. »Wer bist du eigentlich?«

Sie brauchte einige Momente, in denen sie sich von dem Schreck der Schlange wieder erholte. Sie hatte ja kein Problem mit den Tieren, da ihre Freundin ja so vernarrt in Schlangen war. Aber sie hatte einfach nicht damit gerechnet, dass die Otter aus dem Sitz rauskroch. »Ich bin Sally…Tonks«, fügte sie (wieder) nach kurzem Zögern hinzu. Sie sah die Jungs fragend an. Der Blonde begann. »Ich bin Michail Perov.« Der Junge mit den Rasterlocken folgte. »Ich bin Lee Jordan.« Dann waren die beiden Rothaarigen an der Reihe. »Fred und George Weasley, zu Diensten«, meinten sie gleichzeitig und grinsten bis über beide Ohren. »Okay. Ich sag‹s gleich – ich werde euch nie auseinander halten können«, meinte Sally an die Zwillinge gewandt und die beiden lachten. »Das haben wir schon öfter gehört«, zwinkerte der rechte der beiden.

»Hey, Kleine. Kommst du?«

Jemand hatte die Abteiltür geöffnet. Und dieser Jemand war niemand anderes als »Dora!« Sally sprang auf und fiel ihrer Schwester um den Hals. Dann wandte sie sich an die Jungs. »Das ist meine Schwester«, meinte sie nur, denn Dora hatte sie schon halb zur Tür hinausgezogen. Sally winkte den Jungs zum Abschied. »Wir sehn uns.« Fred und George. »Bis später.« Lee. »Tschau.« Michail. Dora rief noch »Hoffentlich sehen wir uns am Hufflepufftisch wieder« über ihre Schulter und grinste.

Die beiden gingen den Gang hinunter zu dem Abteil, indem Sally mit Simon gesessen hatte. »Ich suche dich schon die ganze Zeit; ich wollte dir sagen, dass du dich langsam umziehen solltest, da wir bald da sind. Außerdem freut es mich, wenn du schon Freunde gefunden hast. Wer waren die denn?« »Michail Perov, Lee Jordan und Fred und George Weasley«, wiederholte Sally. »Fred und George Weasley?« Dora lachte leicht. »Ihr Bruder Charlie ist in meinem Jahrgang; Gryffindor. Ganz cooler Typ.«

Sie waren beim Abteil angekommen. Simon war auch wieder da und hatte schon seinen neuen Hogwartsumhang an. »Da bist du ja«, rief er erleichtert aus, als Sally durch die Tür kam. Er war ganz blass geworden; er war bestimmt schon nervös. »Ja ich bin wieder da. Kleine Komplikation, mit der ich nicht gerechnet hätte. Erzähl ich dir später. Simon, das ist meine Schwester Dora. Dora das ist Simon«, stellte sie die beiden einander vor. Während sie sich begrüßten war Sally damit beschäftigt, dass sie ihren neuen Umhang aus dem Koffer fizelte. Sie warf ihn sich über und ließ sich dann wieder auf ihren Platz fallen. »Bis später dann, Kleine. Tschau, Simon. Und ich kann nur wiederholen, was ich zu jedem Erstklässler sage: Hoffentlich sehen wir uns am Hufflepufftisch wieder~« Grinsend verließ Dora das Abteil und schloss die Tür hinter sich. »Deine Schwester ist ziemlich…« »Eigenartig, ich weiß.« Sally kicherte leicht. »Sag mal. Ist sie eine Metamorphmaga? Das kann unmöglich ihre normale Haarfarbe sein.« Sally giggelte wieder und meinte dann: »Ja ist sie.« Jetzt wurde Simon einiges klar und er nickte, dass er verstanden hatte.

Sally erzählte ihm, was ihr gerade passiert war. Von dem Streit zwischen den Jungs und wie sie dann im Abteil der vier Burschen gelandet war. »Michail Perov sagst du? Das ist ein russischer Name.« Sally runzelte die Stirn. »Russisch? Wie geht das denn?« Das Mädchen war ganz verwirrt. Simon zuckte die Schultern. »Keine Ahnung. Eigentlich müsste er nach Durmstrang gehen. Du weißt schon. Die Schule, die dort irgendwo liegt…« Sally nickte. »Ja.« Eigentlich wusste sie es zwar nicht, aber das musste Simon ja nicht wissen.

Die beiden hörten auf sich darüber den Kopf zu zerbrechen, denn der Zug blieb mit lautem Quietschen stehen. Simon und Sally sahen sich an und lächelten.

»Auf nach Hogwarts, würd ich sagen.«

Das Mädchen nickte und folgte seinem neuen Freund nach draußen.

Die Wahl des Sprechenden Hutes

»ERSTKLÄSSLER HIERHER!«

Kaum waren Sally und Simon aus dem Zug gesprungen, schon hörten sie die tiefe Stimme rufen. Sally warf Simon einen fragenden Blick zu. Simon deutete nach links. »Sieh mal!« Dort stand ein … Riese von einem Mann!

Er hatte eine große Laterne in der Hand und rief immer wieder »Erstklässler! Sind schon alle da?« Die beiden liefen hinüber; sie waren die letzten. Und schon ging es weiter. Die älteren Schüler gingen in die komplett andere Richtung. »Was machen wir?«, flüsterte Simon. »Ich weiß es nicht«, antwortete Sally. Naja. Eigentlich wusste sie es schon. Nymphadora hatte ihr immerhin erzählt, dass sie mit Booten zur Schule hochfuhren. Sally war etwas enttäuscht gewesen, als sie ihr das gesagt hatte – immerhin war nun die ganze Überraschung vorbei. Darum sagte sie es Simon nicht.

Sally und Simon bildeten das Schlusslicht und so hörten sie kaum die Worte des bärtigen Mannes. »Und jetzt, werdet ihr gleich zum ersten Mal in eurem Leben Hogwarts sehen!« Von vorne hörte man schon ein einstimmiges »Wow!«. Simon und Sally beschleunigten ihre Schritte und liefen ebenso nach vorne. Sie überholten den braunhaarigen Jungen mit der dicken Brille von vorhin und einen Jungen, der sich sofort beschwerte. »Was soll das? Könnt ihr nicht hinten bleiben? Landen bestimmt in Hufflepuff«, grummelte er zu sich selber. Sally schüttelte den Kopf. »Der kommt ganz bestimmt nach Slytherin!«, wettete sie mit sich selbst.

Wenige Momente später kam sie neben Simon zum Stehen und ihr klappte der Mund auf. In ihren schönsten Träumen hätte sie sich das nicht träumen lassen. Es war einfach … »Wow…« Simon wandte sich mit einem breiten Lächeln zu ihr um. »Das ist einfach Wow!« Sally nickte zustimmend.

»So. Ihr könnt zu viert in ein Boot. Ich nehm eins alleine«, sagte der Bärtige gerade. Sally war bisher nicht aufgefallen, dass Boote am Ufer standen – den anderen Erstklässlern anscheinend auch nicht. Simon und sie sprangen in ein Boot. Und das erste Mal an diesem Tag sah sie Sophie Martin wieder. Denn diese fragte höflich, ob sie sich zu ihnen ins Boot setzen dürfe. »Natürlich!«, meinte Sally, erfreut, dass sie das Mädchen wieder sah. Eine neugewonnene Freundin Sophies hüpfte dieser hinterher ins Boot. Kaum war dies geschehen, schon setzte sich das Boot in Bewegung.

Bevor die vier in einstimmiges Schweigen und Staunen verfielen, stellten sie sich einander vor. Sophies Freundin hieß Carina Jones.

Sally kam es wie eine Ewigkeit vor, als sie endlich am anderen Ufer des Sees angelangten. Simon erwies sich als Gentleman und half den drei Mädchen aus dem Boot. Langsam kamen auch die letzten drei Boote an, und somit auch der Riese. Er kämpfte sich aus dem Boot und seufzte dann zufrieden. Sally warf einen Blick zurück und sah wie die vier Jungs die sie im Zug kennen gelernt hatte aus dem letzten Boot stiegen. Sie lächelte ihnen zu und wandte sich dann schnell wieder ab.

»So nun folgt mir.« Der große Mann ging an den Erstklässlern vorbei und diese folgten ihm brav. Simons Zwillingsschwester Emily war nun zu ihnen gestoßen und die drei beschleunigten ihre Schritte, damit sie besser sehen konnten, was später passieren würde. Sie kamen an einem knallrothaarigen Mädchen vorbei, die einen ziemlich genervten Blick draufhatte. Sally schüttelte den Kopf und lief fast in den riesigen Mann hinein, der plötzlich vor einem mächtigen Tor stehen geblieben war. Das Mädchen erkannte ein Wappen. Ein Löwe, ein Dachs, ein Adler und eine Schlange, die sich um den Buchstaben ›H‹ befanden. Es war das Hogwartswappen. Dasselbe war auf dem Brief gewesen, den Sally bekommen hatte.

Der Bärtige klopfte dreimal laut gegen das Tor.

Stille.

Dann, ganz unerwartet, wurde es geöffnet und eine streng aussehende Frau mit smaragdgrünem Umhang stand vor ihnen. Sally erkannte sie sofort, es war Professor McGonagall. »Da sind Sie ja endlich, Hagrid!« Das Mädchen sah zu dem Mann hoch, der anscheinend Hagrid hieß. Hagrid kratzte sich entschuldigend am Bart. »Es gab einige Probleme mit dem Kraken, Professor McGonagall.« Er wandte sich um und fixierte Fred, George, Michail und Lee. Die vier taten als ob sie nichts mitbekommen würden. Professor McGonagall fauchte noch etwas, was niemand verstand und forderte die Erstklässler auf ihr zu folgen.

Sally sah noch einmal zu den Jungs zurück und Michail grinste ihr frech zu. Sie hob eine Augenbraue. Was für ein Kraken? Was hatten die vier angestellt? Dass das gar nicht mitzukriegen war? Das Mädchen schüttelte den Kopf und folgte Simon, der ihr schon dreimal gerufen hatte.

Als Sally, Simon und Emily das Schloss betraten, begann es draußen zu regnen. Die Umhänge der letzten paar Schüler waren gerade so nass, dass es störte und auf der Haut klebte – Sally beneidete sie nicht wirklich… Sie folgten Professor McGonagall in einen kleinen Raum, wo sie alle gerade so hineinpassten. »Ihr wartet hier«, murrte die Frau – sie schien etwas…gereizt.

Kaum hatte sich die Tür hinter ihr geschlossen, schon quasselten einige ganz aufgeregt über die ersten Eindrücke. Simon stellte Emily und Sally einander vor und die Blonde war Sally auf Anhieb sympathisch.

»Also das ist eine bodenlose Frechheit – wir werden einfach zurückgelassen und in einen staubigen, alten Raum gesperrt? Ich denke einige unter uns würden wirklich eine besser Behandlung…«

»Halt die Klappe, Montague!«

Mit einem Schlag wurde es still in dem Raum und all starrten auf Nathan Montague und Michail.

»Ach. Der Möchtegernrusse hat etwas zu melden? Verzieh dich zurück nach Durmstrang, dich will hier keiner sehen!«, keifte der Blonde mit der öligen Stimme.

Sally konnte sehen, wie das Gesicht des Anderen rot wurde. Etwas nervös biss sich das Mädchen auf die Unterlippe – gleich würde er wohl ausrasten. Das konnte nicht gut ausgehen! Zumindest nicht für den Montaguejungen.

Es hatte sich ein Kreis um die beiden Streitenden gebildet und die rothaarigen Zwillinge, die Sally bei bestem Willen nicht auseinanderhalten konnte, hielten Michail davon ab irgendetwas Dummes anzustellen. Der Junge wehrte sich mit Händen und Füßen und wollte sich befreien, doch bevor es dazu kam, herrschte Professor McGonagalls strenge Stimme durch den Raum.

»Jetzt ist aber genug! Auseinander, sofort! Und aufstellen, in Zweierreihen.«

Ihre Stimme duldete keine Widerrede und sämtliche Erstklässler stellten sich in Zweierreihen hinter der Professorin auf. Sally hatte ihren Platz neben Simon gefunden und hörte Michail hinter sich »Dich krieg ich noch, Montague« grummeln. Sally drehte sich kurz zu ihm um. Er zwinkerte und grinste ihr kurz zu. Schüchtern lächelte Sally zurück und hob kurz die Hand zum Gruß. Neben Michail erkannte sie den Jungen von vorhin, der sich lautstark über alles und jeden beschwert hatte, als sie zu den Booten gegangen waren.

»Ruhe jetzt«, ermahnte Professor McGonagall erneut und Sally wandte schnell um. Sie konnte noch sehen wie die Lehrerin sie mit einem undefinierbaren Blick bedachte, kümmerte sich aber nicht mehr weiter darum.
 

Endlich ging es los und Sally wurde inzwischen etwas schlecht vor Aufregung. Was wenn nun bald alle ihr Geheimnis wissen würden? Was wenn sie fälschlicherweise doch unter dem Namen »Potter« aufgerufen wurde?

Oder noch schlimmer…was wenn sie gar nicht aufgerufen wurde? Dann wurde sie zum Lachnummer der Schule werden. Sogar Simon und Emily würden sie auslachen…

Professor McGonagall führte die Erstklässler erneut durch die Eingangshalle zu einer riesigen Tür, die sich öffnete, als sie sich ihr näherten. »Das ist die Große Halle!« »Die Decke ist verzaubert!« »Boah…sie sieht wirklich aus, wie der Himmel draußen!« Sally hörte das Getuschel hinter und vor sich, doch sie konnte nicht nach oben blicken. Sie hatte Angst, dass sie stolperte und fiel. Es gab nur einen Grund, der sie veranlasste nicht auf ihren Weg zu blicken, und an dem kam sie gleich vorbei. »Ich drücke dir die Daumen, Kleine!« Ein Lächeln stahl sich wieder in Sallys Gesicht, als sie an Dora vorbeikam, die ihr ihre gedrückten Daumen zeigte.

Professor McGonagall blieb vor einem knorrigen Stuhl stehen, auf dem ein Spitzhut lag. Sally wartete darauf, dass sie etwas sagte, doch stattdessen wurde es mucksmäuschenstill in der Halle. Nach einigen, ewig scheinenden Momenten der Stille, tat sich ein Riss oberhalb der Krempe auf. Es sah aus, als würde der Hut gähnen, doch in Wahrheit holte er tief Luft und begann sein Lied:
 

Von allen Hüten, die da waren

gibt´s mich schon seit den längsten Jahren

Und ich kann von mir behaupten –

Ich saß schon auf den meisten Haupten!

Denn ich bin – ihr kennt mich gut

euer alter Sprechender Hut!

Vor langer Zeit der Gründer vier

sammelten sich also hier

Wissen lehren wollten sie

so was gab‹s zuvor noch nie.

Junge Hexen und Zauberer

kamen bald von überall her.

Der edle Gryffindor nahm

sich der Tapfersten von ihnen an.

Denn in ihren Herzen sah er

Mut und ein unauslöschlich Feuer.

Slytherin jedoch jene wählte

für die List und Tücke zählte.

Wahre Freundschaft ehrte er

als höchstes Gut noch viel mehr.

Wen Ravenclaw erwählte

sicher zu den Klügsten zählte.

Weise und gelehrsam strebten

sie Wissen zu erbeten.

Doch Hufflepuff begehrte

zu lehren ohne Blick auf Werte.

So nahm sie jede fleißige Hand

und lehrte ihnen Treue und Verstand!

Nun nach vielen langen Jahren

die Gründer längst vergangen waren.

Doch Hogwarts hier noch immer steht

und seinen Pflichten nachgeht.

Und scheint nicht immer alles klar,

und ist nicht immer alles wahr,

was man von sich behaupten möge

und als Geheimnis mit sich tröge

so weiß der Hut doch mit Sicherheit

in welches Haus wer denn gehört!

Nun setzt mich auf und glaubt an mich

denn richtig wählte immer ich!
 

Sally schnappte nach Luft, als sie die letzten Verse des Liedes realisierte. Simon wandte sich fragend nach ihr um, doch sie winkte nur ab.

Es würde schon niemandem aufgefallen sein…

Oder?

Während Sally ihren Gedanken nachhing, tobte die Halle und es dauerte etwas, bis sich der Applaus wieder legte.

Professor McGonagall zog eine lange Pergamentrolle heraus, rückte ihre Brille zurecht und räusperte sich kurz. »Ich werde jetzt eure Namen der Reihe nach aufrufen. Ihr werdet nach vorne kommen, den Hut aufsetzen und dieser wird euch in eines der Häuser einteilen. Gryffindor, Hufflepuff, Ravenclaw oder Slytherin«, erklärte sie und deutete der Reihe nach auf die Haustische, die von ihr aus links nach rechts angereiht waren. Bei einem erneuten Räuspern wandte Sally sich um.

Die ersten beiden Schülerinnen wurden zu Hufflepuffs, der nächste wurde ein Slytherin und so ging es weiter, bis Emily aufgerufen wurde. Es dauerte nicht lange, bis der Hut sie in das Haus Hufflepuff einteilte und das Mädchen mit einem strahlenden Gesicht auf den klatschenden Haustisch zulief.

»Carter, Simon!«

Simon warf ihr noch einen aufgeregten Blick zu, bevor er nach vorne ging um den Hut aufzusetzen. Es dauerte seine Zeit, bis der Hut laut »HUFFLEPUFF!« brüllte.

»Corunna, Joel« wurde zu einem Slytherin und »Davis, Mike« zu einem Gryffindor. »Diggory, Cedric« hingegen wurde wieder ein Hufflepuff.

Als »Perov, Michail Danilovitsch« aufgerufen wurde, zuckte Sally kurz zusammen. Sie waren bereit bei P angelangt. Würde sie, oder würde sie nicht…?

Es dauerte lange bis der Sprechende Hut Michas Haus verkündete, doch schlussendlich brüllte er »SLYTHERIN!« durch die Halle. Der Junge sah kurz verdutzt zu den Weasley-Zwillingen und verdrehte dann die Augen, denn Nathan Montague war kurz zuvor in dasselbe Haus eingeteilt worden.

»Der Arme«, hörte Sally eine Stimme hinter sich. Etwas verwundert drehte sie sich zu dem schwarzhaarigen Jungen um, der sich gleich als »Smirnow, Nikita Alexandrowitsch« herausstellte. Sally runzelte die Stirn. Noch ein Russe? Oder hatten einfach alle hier so komische Namen?

Dann endlich war es so weit und sie hörte ihren Namen.

»Tonks, Sally!«

Sally schluckte schwer und stolperte nach vorne. Als sie den Hut aufsetzte, sah sie noch das aufgeregte Gesicht Nymphadoras, doch dieses verschwand auch sogleich wieder, als ihr der Hut über die Augen rutschte.

»Hmm…«, hörte sie plötzlich eine piepsige Stimme in ihrem Ohr.

Sally zuckte kurz zusammen. »Keine Angst…in dir wohnt ein Geheimnis, von dem du nicht willst, dass es andere erfahren«, stellte der Hut fest. Sally lauschte seinen Worten als er fortfuhr. »Dein Leben ist eine Mischung aus Realität und Maskerade. Sei vorsichtig und vergiss nicht wer du bist, was dich zu dem macht, das du bist.« Sally musste unweigerlich nicken, woraufhin der Sprechende Hut ein leises Kichern ausstieß. Er bestärkte seine Worte indem er sagte: »Achte darauf, dass du nicht vergisst, was dich zu dem gemacht hat und dass sich hinter jeder Scheußlichkeit irgendwo ein positiver Kern verbirgt, der nur darauf wartet gefunden zu werden.« Es herrschten einige Momente Stille, in denen Sally glaubte ihren eigenen Herzschlag zu hören. Sie hatte Angst, dass der Sprechende Hut ihr jetzt eine Moralpredigt hielt und ihr im Endeffekt mitteilte, dass sie nicht nach Hogwarts durfte, sondern wieder nach Hause musste. »Du bist stark, auch wenn du dir diese Stärke selbst nicht zutraust. Aus diesem Grunde würdest du sehr gut nach Slytherin passen. Du hast auch einiges in deinem Köpfchen, was eine Ravenclaw ausmachen würde. Doch ich sehe auch, dass du ungeheuren Mut besitzt, den du dir nur selten eingestehst. Finde zu dir selbst und du findest zu dem Wesen, das das Haus Gryffindor ausmacht.«

Sally hatte gar nicht bemerkt, dass der Sprechende Hut das Wort »Gryffindor« in die Halle gebrüllt hatte, doch als ihr plötzlich der Hut vom Kopf gezogen wurde und der ganz linke Tisch vor Freude zu brüllen begann, konnte sie nicht anders als das zu glauben. Auch wenn sie etwas enttäuscht war, nicht mit Simon im selben Haus zu sein, lief Sally lächelnd zum Gryffindortisch und ließ sich neben Nikita Alexandrowitsch Smirnow auf einen freien Platz fallen. Immerhin besser als Slytherin. Als sie den Blick ihrer Schwester suchte, war das erste was sie sah, flammend rote Haare, die wohl für Gryffindor stehen sollten. Sally lachte, als sie nur Doras in die Höhe gestreckte Hände sehen konnte, die ihr einen Daumen zeigten. Ihre Schwester wusste wohl zu gut, dass sie sofort nach ihr gesucht hatte.

Von den restlichen Schülern bekam Sally nicht mehr viel mit. Dass Fred und George Weasley ebenso zu Gryffindors wurden erkannte sie, als sie sich gegenüber von ihr auf einen Platz fallen ließen. Das letzte Mädchen (»Watson, Samira«) wurde zu einer Ravenclaw und die letzten Jungen (»Warrington, Caedmon« und »Winterbottom, Justin«) wurden beide Slytherins
 

Als sich die Aufregung für‹s erste gelegt hatte, stand der Schulleiter Albus Dumbledore von seinem Platz auf und stellte sich nach vorne an das Podium.

»Willkommen.«

Sofort verstummte jedes Gespräch in der Großen Halle und alle lauschten den Worten des Schulleiters. Er hatte die Arme weit ausgebreitet als er fortfuhr.

»Willkommen, hier an Hogwarts. Und natürlich an alle alten Hasen, ein herzliches Willkommen zurück!«

Tosender Applaus füllte die Halle. Ein Lächeln lag auf dem Gesicht des alten Mannes. Er öffnete den Mund und sofort war es wieder still in der Halle.

»Wir dürfen erneut ein neues Schuljahr gemeinsam beginnen und ich möchte euch noch einige Informationen aushändigen. Die Quidditchauswahlspiele finden in der zweiten Schulwoche statt – Schüler ab der zweiten Klasse können daran teilnehmen. Unser Hausmeister Mr. Filch lässt erinnern, dass das Zaubern auf den Gängen untersagt ist. Der verbotene Wald ist, wie der Name schon sagt, verboten. Dies soll auch als Erinnerung für die Älteren gelten.« Professor Dumbledore ließ den Blick durch die Halle schweifen und seine Augen blieben bei diesen oder jenen Schülern hängen.

»Das hört sich nach einem tollen Abenteuer an«, hörte Sally ein Flüstern von der gegenüberliegenden Seite des Tisches. Sie wandte den Kopf und sah wie einer der Zwillinge seinen Kopf wieder Richtung Podium drehte und dabei kurz ihren Blickkontakt aufnahm. Sally wandte sich sofort wieder ab und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder dem Schulleiter zu.

»…schwabbel, Honigkuchenpferd und Zitronenbrausebonbons. Ich wünsche euch einen guten Appetit und ein erfolgreiches neues Schuljahr. Lasst das Festmahl beginnen!«

Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, schon waren die Teller auf den Haustische gefüllt mit Sachen, die man unmöglich alle essen konnte. Etwas unentschlossen ließ Sally erst mal einen Löffel Bratkartoffeln auf ihren Teller rieseln bevor sie sich ein Schweinekotelett unter den Nagel riss.

Sally wollte gerade den ersten Bissen nehmen, als der Schwarzhaarige neben ihr vor Schreck zusammenzuckte. Das Mädchen drehte den Kopf nach links und verschluckte sich beinahe. Der Kopf eines Mannes mit Halskrause war mitten in dem Brathähnchen des Jungen aufgetaucht. »Guten Abend.« Der Geist glitt nun ganz durch den Teller hindurch um knapp über den Köpfen der Erstklässler zu schweben. »Ihr seid also die neuen Gryffindors«, stellte er fest und musterte einen nach dem anderen. »Ich bin Sir Nicholas de Mimsy-Porpington; Hausgeist von Gryffindor.« »Sie sind also der Fast Kopflose Nick«, warf einer der Zwillinge ein und warf dem Geist einen neugierigen Blick zu. »Ich bevorzuge…« »Wie kann man bitte fast kopflos sein? Geht das denn überhaupt?« Der Schwarzhaarige neben Sally wandte sich dem Geist nun mit größerem Interesse zu. Der Fast Kopflose Nick verdrehte kurz die Augen, zog an seinem linken Ohr und schon klappte sein Kopf zur Seite. Die Gryffindorerstklässler sahen ihn erstaunt an als er seinen Kopf wieder auf den Hals klappte. »So ist man fast kopflos, und nun entschuldigt mich.« Der Geist seufzte kurz und schwebte davon – Sally war sich ziemlich sicher, dass er sich ärgerte, weil es nun schon wieder Leute gab die ihn nicht Sir Nicholas de Mimsy-Porpington nennen würden. Irgendwie tat er ihr ja fast leid, aber andererseits, wer sollte sich bitte diesen langen Namen merken können?
 

Als Sally glaubte platzen zu müssen, wusste sie noch nicht, dass das noch lange nicht das Ende des Festmahls war. Als alle fertig zu sein schienen, verschwanden die Speisen von den Tellern und alles war wieder genauso blitzsauber wie vorher. Einen kurzen Augenblick später waren die Teller schon gefüllt mit allen möglichen Desserts. Kuchen, Torten, Cremes und Schnitten so weit das Auge reichte. Ein Seufzen entwich den Lippen des jungen Mädchens; eigentlich war sie schon ziemlich satt, doch es sah einfach alles so köstlich aus!

Nach kurzem Zögern griff Sally nach einem kleinen Stück einer Himbeerschnitte. »Das ist eine gute Wahl«, hörte sie plötzlich eine vertraute Stimme hinter sich. Sally zuckte zusammen und ihre Gabel fiel beinahe zu Boden. Nymphadora fing sie gerade noch rechtzeitig auf und legte sie neben Sallys Teller auf den Tisch. »Aufpassen, Kleine«, zwinkerte die Ältere und zwängte sich zwischen Sally und Nikita auf die Bank. »Dora!«, rief Sally dann endlich erfreut aus und umarmte ihre Schwester. Ein Junge mit roten Haaren (es war dasselbe rot, wie es die Zwillinge hatten) und wichtigtuerischer Miene beugte sich über den Tisch und sagte: »Tonks, du gehörst hier nicht hin. Du musst auf den Hufflepufftisch zurückkehren.« Tonks verdrehte die Augen und meinte nur: »Aach…halt die Klappe, Percy.« Die Weasley-Zwillinge lachten und dieser Percy zog sich mit beleidigter Miene wieder zurück.

»Na wie fühlst du dich?« Tonks griff nach Sallys Gabel und stibitzte sich einen Happen ihrer Himbeerschnitte. »Mhm. Ist lecker!« Sally lachte. »Das ist deine Schwester, nicht wahr?«, stellte einer der Zwillinge fest und sah Sally fragend an. Diese nickte stolz und sagte: »Ja, das ist meine große Schwester Dora – auch Tonks genannt«, fügte sie sogleich hinzu als sie den Blick Tonks‹ sah. Sally kicherte leise. »Hi, ich bin Fred Weasley und das ist mein Bruder George«, stellte sich der Zwilling vor und blickte zu Tonks. Dann sah er die beiden abwechselnd an und meinte: »Ihr seht euch aber nicht sehr ähnlich.« Schlagartig wurde Sally heiß und sie stotterte: »D…das muss man…muss man das denn?« Etwas verwirrt sah sie den Zwilling an und sie spürte Doras Hand, dir ihr beruhigend über den Rücken strich. Das nächste was Sally wahrnahm war das erstaunte Gesicht Freds und Georges. »So, sehen wir uns jetzt ähnlich genug?«, fragte Tonks und grinste. Sally drehte den Kopf zu ihr und lachte. Sie hatte sich lange schwarze Haare wachsen lassen und das Gesicht so verändert, dass sie Sally bis auf die Nasenspitze glich. Mit einem Lachen verwandelte sich Tonks wieder zurück und meinte: »Wir sind keine Zwillinge – seht euch an. Ihr seht auch nicht gleich aus wie Percy oder Charlie.« Sie hob die Augenbrauen und zwinkerte ihnen zu. Dann stand sie auf und drückte Sally einen Kuss auf die Wange. »Wir sehen uns morgen, Kleine. Viel Spaß in deiner ersten Nacht hier in Hogwarts.«

Mit einem Lächeln verschwand die Ältere und setzte sich wieder zu ihren Freunden an den Hufflepufftisch. Dass sie Sally lieber in ihrem Haus hätte, war doch klar – sie hätte eindeutig besser ein Auge auf sie werfen können. Dennoch glaubte Tonks, dass sie in Gryffindor gut aufgehoben war. Und es war ja nicht so, dass sie ganz aus der Welt war…

Die Zwillinge waren noch immer etwas verwirrt, aber sie beließen es dabei.

»Deine Schwester ist echt cool«, meinte der schwarzhaarige Junge, der nun wieder näher zu Sally rutschte. Sally hatte gerade einen Bissen der (wirklich leckeren) Himbeerschnitte im Mund und so konnte sie nur nicken. Als sie geschluckt hatte, meinte sie: »Ja ich weiß. Danke.« Sie lächelte ihm zu und er lächelte zurück. Dann meinte er: »Ich bin übrigens Nick.« »Das freut mich. Ich bin Sally«, antwortete sie mit einem breiten Lächeln. Nick schien auf den zweiten Blick sehr sympathisch zu sein und Sally war sich sicher, dass sich die beiden gut verstehen würde.

Sie redete noch einige Zeit mit Nick und erfuhr, dass er aus Russland kam und er mit seinen Eltern vor einem Jahr hierhergezogen war. Sally war so vertieft in das Gespräch mit Nick, dass sie gar nicht bemerkte, wie die Zeit vergangen war. Der Schulleiter war wieder aufgestanden und wünschte ihnen eine gute und erholsame (erste) Nacht hier in Hogwarts.

Stühle wurden gerückt und sogenannte Vertrauensschüler führten die Häuser bzw. vor allem die Erstklässler aus der Großen Halle in die Gemeinschaftsräume.

Dachse und Kürbisse

Es hatte sich herausgestellt, dass sie sich mit Simon ziemlich oft den Klassenraum teilte. Sally war nicht klar gewesen, dass sie den Unterricht öfter mit den anderen Häusern teilten. Und auch wenn sie nicht gerade viel von der Rivalität zwischen Slytherin und Gryffindor hielt, musste sie zugeben, dass das wirklich die schlimmsten Stunden waren.

Sally und Simon waren ein ziemlich gutes Team. Inzwischen hatte sie auch Simons Zwillingsschwester Emily besser kennengelernt und verstand sich auch mit dieser hervorragend. Mit den Mädchen in ihrem eigenen Schlafsaal hatte sie bisher nicht sehr viel zu tun gehabt. Sie schienen zwar die meisten irgendwie nett zu sein, doch um ehrlich zu sein kam sie sich immer wie das fünfte Rad am Wagen vor. Die meisten hatten bereits im Zug Freundschaften geschlossen. Dass sie zusätzlich noch etwas kleiner war als die anderen, trug auch nicht gerade dazu bei, dass sie sich positiv bemerkbar machte - sie hatte schon öfter die ein oder andere abfällige Bemerkung wahrgenommen, obwohl sie ja genau genommen nichts dafür konnte. Auch wenn sie das ziemlich traurig stimmte, hatte sie ja Gott sei Dank die Carter-Zwillinge, die sie wieder aufheiterten.
 

Sally stand vor der Pflanze und rümpfte die Nase. Vor einigen Jahren hatte sie es geschafft innerhalb von drei Wochen einen Kaktus zu töten – wie sollte sie es da schaffen bis Weihnachten dieses Nieskraut zu pflegen? Professor Sprout hatte ihnen die Pflanzen gerade vor die Nase gestellt und sie dazu aufgefordert in Gruppen aus drei Personen zusammenzugehen. Sally, die zu ihren beiden Seiten einen Carterzwilling vorweisen konnte, starrte immer noch auf die Pflanze und ging dann einen Schritt zurück. »Was ist los?« Simon sah sie fragend an. Er hatte seinen Umhang etwas hoch gezogen, so dass er seine Nase bedeckte. Sally zuckte die Schultern und wandte sich wieder der Pflanze zu. Emily war inzwischen interessiert vorgetreten. Anscheinend machte ihr das Kitzeln in der Nase nichts aus, denn in ihrem Gesicht war außer Neugier, keine Regung abzulesen. »Ich glaube das wird spannend«, meinte sie schlussendlich und wandte sich strahlend den beiden zu. Sally wagte dies zu bezweifeln, sagte aber nichts dazu.

Die Stunde war vorbei und während sie ihre Bücher und Unterlagen zusammenpackten, meinte die Gryffindor: »Lasst mich bloß nie alleine mit der Pflanze – ich bringe sie sonst innerhalb einer Woche um.« Simon lachte und Sally warf ihm einen irritierten Blick zu. »Du lachst…ich meine das ernst.« Doch ein Grinsen konnte sie sich doch nicht verkneifen.

»Was habt ihr am Nachmittag?«, fragte Sally, als sie die Gewächshäuser verließen und zum Mittagessen wieder ins Schloss gingen. Emily, die ihren Stundenplan wohl schon auswendig kannte, antwortete ohne zu zögern: »Zaubertränke. Und du?« Mit einem Lächeln im Gesicht antwortete Sally: »Zauberkunst.« Sie liebte dieses Fach und bisher hatte sie sich auch gar nicht so schlecht geschlagen.

Als sie die Große Halle betraten, knurrte Sallys Magen.

Dora, die bereits am Hufflepufftisch saß und sich über ihr Essen hermachte, winkte die drei zu sich. Sally warf dem Gryffindortisch einen kurzen Blick zu, entschied sich aber dann doch dafür sich zu ihrer Schwester und ihren Freunden zu setzen. An ihrem Haustisch hatte sie ja ohnehin niemanden, mit dem sie quatschen konnte. Die Weasley-Zwillinge und Lee Jordan überlegten schon seit Tagen lautstark, wie sie es am besten anstellen sollten abends unbemerkt aus dem Schloss zu kommen um den Verbotenen Wald zu erkunden und Nick Smirnow war zu sehr damit beschäftigt Mike Davis im Zaubererschach zu schlagen. Sophie Martin vergrub sich lieber hinter ihren Hausaufgaben als zu reden und was Angelina Johnson und Alicia Spinnet anging…nunja, die beiden schienen Gefallen daran zu finden, Sally in den Wahnsinn zu treiben, indem sie jedes Mal tuschelten und kicherten, wenn sie vorbeiging. Sally hatte zwar keine Ahnung was sie den beiden getan hatte, aber was sollte sie schon großartig dagegen tun.

Die Schwarzhaarige ließ sich neben Simon auf einen freien Platz gegenüber Dora fallen. Emily hatte sich ein paar Plätze weiter zu Marlena Ebdon gesetzt. »Und habt ihr euch schon gut eingelebt?«, fragte Dora die beiden. Sally, die von den Bratkartoffeln gar nicht genug bekommen konnte und sich gleich einen riesigen Berg davon auf den Teller häufte, zuckte die Schultern. »Ist ganz okay«, meinte sie beiläufig. Ihre Schwester starrte sie mit offenem Mund an. »Ganz okay? Das ist ja wohl ein Scherz, oder?« Sally lachte. »Natürlich, was glaubst du denn? Es ist total toll hier, bis auf…naja egal.«

Das Mädchen biss sich auf die Lippe. Sie hatte weder Simon noch Dora gegenüber erwähnt, dass sie sich in ihrem Haus unwohl fühlte. Sie war sogar kurz am Überlegen gewesen, ob sie den Schulleiter nicht bitten sollte, sie nach Hufflepuff zu stecken. Dora sah sie fragend an, doch Sally winkte ab. »Bis auf den Zaubertrankunterricht«, meinte sie leichthin und schob sich schnell eine Bratkartoffel in den Mund.
 

Der Nachmittagsunterricht verging ziemlich schnell. Sally, Sophie und Mike hatten jeweils fünf Punkte für Gryffindor gewonnen, da sie es geschafft hatten ihre Feder schweben zu lassen. Sally war ziemlich stolz auf sich, doch dieser Stolz wurde ihr gleich wieder genommen, als sie sah, dass Angelina mit dem Finger auf sie deutete und Alicia irgendetwas ins Ohr murmelte. Deprimiert legte sie ihren Zauberstab zur Seite und blätterte unmotiviert in ihrem Buch. Sie hatte wirklich keine Ahnung was das Problem der beiden war - sie hatte aber auch nicht den Nerv dafür es herauszufinden.

Als der Unterricht zu Ende war, packte sie schnell ihre Sachen und lief auf schnellstem Wege hoch in den Gryffindorturm. Sie würde sich gleich mit Dora treffen um einen Spaziergang zu machen. Sally warf ihre Tasche auf ihr Bett im Schlafsaal und warf sich einen dickeren Umhang um die Schultern, da der Wind draußen inzwischen ziemlich kalt geworden war. »Oh tut mir leid«, meinte Angelina kichernd, als sie Sally auf der Treppe mit voller Absicht angerempelt hatte. Sally ignorierte ihre Klassenkameradin und setzte stattdessen ihren Weg fort.

Nymphadora wartete bereits in der Eingangshalle auf sie und empfing sie mit einem strahlenden Lächeln, das Sally nur halbherzig erwidern konnte. »Was ist los, Kleine?«, fragte sie besorgt und Sally seufzte nur als Antwort. »Es ist nichts…« Dora hob eine Augenbraue und sah sie abschätzend an als sie nach draußen gingen. »Mum kannst du ja Blödsinn erzählen, aber mich brauchst du nicht für dumm zu verkaufen«, meinte sie vorwurfsvoll als sie den Weg Richtung Quidditchfeld einschlugen. Die beiden waren schon ein paar Mal dort gewesen, doch Sally war jedes Mal wieder überwältigt. »Also?«, hakte die Hufflepuff nach. Sally kaute auf ihrer Unterlippe und rückte dann schlussendlich doch mit der Wahrheit raus.

»Ich wäre gerne in Hufflepuff…«

Etwas überrascht sah Dora sie an. »Wieso das denn? Gryffindor ist doch auch ein tolles Haus.« »Ja, schon…aber…« Sally setzte sich neben ihre Schwester auf die Tribüne und sah sie traurig an. Sie erklärte ihr die unangenehme Situation mit Angelina und den anderen. Dass Sophie sich von ihr fern zu halten schien, dass Nick etwas besseres zu tun hatte und dass sie Fred, George und Lee nicht ernst nehmen konnte. »Meine einzigen Freunde die ich hier habe sind meine Schwester, Simon und Emily und allesamt in Hufflepuff. Und das nach knapp zwei Monaten Schule«, beendete Sally ihre Geschichte und eine einzelne Träne lief über ihre Wange.

Dora nahm sie tröstend in den Arm und strich ihr sanft über den Rücken. »Ach, das wird schon. Lass dich nicht unterkriegen. Und von Aufgeben und Haus wechseln, will ich überhaupt nichts hören«, meinte Dora mit sanfter Stimme und drückte die Jüngere fest an sich. »Du bist doch ein starkes Mädchen, und was kümmert es dich was die anderen sagen? Die sind doch nur neidisch. Ich meine, du hast heute eine Feder schweben lassen und das nach dem fünften Versuch! Und nur weil du kleiner bist als die anderen, heißt das noch lange nicht, dass du nichts auf dem Kasten hast«, munterte die Hufflepuff ihre Schwester auf. »Und jetzt will ich dich wieder lächeln sehen. Komm, gehen wir runter zu Hagrid, der kann dich sicher wieder aufheitern.«

Dora stand auf und hielt Sally die Hand hin, welche sie nur zu gerne ergriff. Sie war froh sich ihrer Schwester anvertraut zu haben.

Rubeus Hagrid war der Wildhüter Hogwarts´ und Sally war bisher noch nie bei ihm zu Besuch gewesen. Dora hatte ihr in ihren ersten Tagen hier viel über ihn erzählt und sie war schon wirklich gespannt ihn endlich kennenzulernen. Sie fanden Hagrid in seinem Garten, wo er gerade die Kürbisse begutachtete. Sally war immer noch überwältigt von der Größe dieses Mannes. Er begrüßte sie freudig und zeigte ihnen sofort die Prachtexemplare für das Halloweenfest. Die Kürbisse waren wirklich riesig und Sally war schon gespannt, wie sie als Dekoration verwendet wurden. Hagrid lud die beiden zu einer Tasse Tee ein und er nahm Sally auf, als würde er sie schon ewig kennen.

»Weißt du…ich hab damals deinen Bruder aus Godric´s Hollow weggebracht«, meinte er da plötzlich und Sally hätte sich beinahe an ihrem Tee verschluckt. Sie hatte ja mit vielem gerechnet, aber damit sicher nicht. »´S immer noch so schlimm was passiert ist…kann´s noch immer nicht glauben«, fügte er traurig hinzu und Sally glaubte in seinen Augen Tränen glitzern zu sehen. Etwas unbeholfen war sie Dora einen Blick zu, die begonnen hatte, Hagrids riesigen Unterarm zu tätscheln. Tränen tropften in seinen Bart, als er den Kopf schüttelte.

»Erzähl mir von ihnen«, meinte Sally dann. Sie hatte bisher nichts über ihre leiblichen Eltern erfahren und allem Anschein nach, hatte Hagrid die beiden besser gekannt. Der bärtige Wildhüter schien etwas überrascht zu sein, wischte sich jedoch über die Augen und begann zu erzählen.

»Lily un´ James waren einfach gute Menschen. War´n Seinerzeit Schulsprecher und Schulsprecherin. Du hast so viel von Lily - bist ihr wie ausm Gesicht geschnitten. Hab gehört Zauberkunst liegt dir?« Sally nickte kurz, doch das nahm Hagrid überhaupt nicht wahr. »War ihr bestes Fach…die beiden hams nicht verdient zu sterben. Euch zwei allein zu lassen…« Wieder kullerten dicke Tränen über das Gesicht des Wildhüters. Er schnäuzte sich lautstark in ein Taschentuch, das mindestens so groß war, wie Sallys letzter Aufsatz für Zaubertränke lang.

Hagrid erzählte noch ein bisschen von James und Lily und von ihren Freunden Sirius, Remus und Peter. Er erzählte ihnen, dass Sirius Black - James bester Freund - die Potters anscheinend verraten und Peter Pettigrew getötet habe. Man hatte damals nur einen Finger von ihm gefunden. Sally wurde etwas mulmig zumute und verspürte sofort großen Hass auf diesen Sirius Black. Sie war froh, dass er in Askaban gefangen war. »Ich denk´ ich hab hier noch was…«, meinte Hagrid dann plötzlich und stand auf.

Dora und Sally warfen sich fragende Blicke zu, als er begann in einer Schublade herumzukramen, sagten aber nichts. Nach wenigen Minuten hatte er anscheinend gefunden was er gesucht hatte, denn er kam mit einem zusammengefalteten Stück Etwas zurück. »Hier, das kannst du haben«, lächelte Hagrid, faltete ein Foto auseinander und schob es ihr zu. Darauf waren ihre Eltern zu sehen. James trug eine lachende Sally auf dem Arm und Lily einen schlafenden Harry. Sally war überwältigt. »Danke, Hagrid«, flüsterte sie, stand auf und umarmte ihn fest. Hagrid tätschelte ihr sanft den Rücken und bedachte sie mit einem liebevollen Blick. »Das hamse mir geschickt, nachdem der kleine Harry auf die Welt kam.«

Draußen wurde es langsam dunkel und Dora und Sally verabschiedeten sich von Hagrid. Die Schwarzhaarige hatte sich gefühlte tausend Mal bei Hagrid bedankt und fühlte sich irgendwie glücklich. Das Foto hatte sie in ihre Umhangtasche gesteckt und sie freute sich schon, wenn sie es Simon zeigen konnte. Sally und ihre Schwester gingen hoch zum Schloss, da das Abendessen rief. Hagrid sah noch einmal nach seinen Kürbissen, weshalb er sie nicht begleitete.

Mit einem freudestrahlenden Lächeln ließ sich Sally neben Simon auf einen freien Platz fallen. »Wo warst du? Ich dachte schon du kommst nicht mehr«, meinte er ein bisschen vorwurfsvoll. Sally erzählte ihm leise was sie am Nachmittag gemacht hatte und zeigte ihm dann unter dem Tisch das Foto, das Hagrid ihr gegeben hatte. Sie hatte Simon zwar nicht die ganze Wahrheit erzählt, aber das war momentan nicht wichtig.

Simon betrachtete das Foto und gab es ihr lächelnd zurück. »Das ist wirklich toll, Sal«, meinte er dann. Sally strahlte ihn an und gleichzeitig begannen sie sich die Leckereien vor ihnen auf den Teller zu häufen. Es war gerade das erste Mal gewesen, dass sie jemand nicht ›Sally‹ oder ›Kleine‹ genannt hatte und das freute sie unheimlich. Sie und Simon unterhielten sich über Dieses und Jenes und als dann der Nachtisch vor ihnen stand meinte Sally: »Du bist mein bester Freund, Simon.« Etwas schüchtern lächelte sie ihm zu, doch die Schüchternheit war sofort verflogen, als sie Simons Gesichtsausdruck sah.

Er grinste breit und meinte: »Natürlich bin ich das. Du bist schließlich auch meine beste Freundin.«

The Snake and The Lion

»Zehn Punkte Abzug für Gryffindor«, schnarrte eine kalte Stimme und der ganze Raum wurde plötzlich mucksmäuschenstill. Alle wandten sich um und entdeckten den Professor für Zaubertränke, der wohl schon etwas länger in der Tür stand. Fred und George Weasley zogen die Köpfe ein und versuchten sich unsichtbar zu machen, doch es gelang ihnen nicht. »Außerdem möchte ich morgen Abend einen zwei Pergament langen Aufsatz über die richtige Pflege und Wartung von Kesseln auf meinem Schreibtisch sehen. Von Ihnen beiden, Mr. Weasley und Mr. Weasley.« Mit diesen Worten schritt Professor Snape durch den Raum und stellte sich hinter sein Pult, wo er seine Notizen für den heutigen Unterricht aufschlug. Während Snape damit beschäftigt war die Zutaten und weitere Informationen für den heutigen Trank auf die Tafel zu schreiben, wandte sich Sally vorsichtig um. Die Zwillinge hatten es wohl geschafft den Kessel von Michail Perov zu schmelzen. Die drei hatten schon herum geblödelt, als sie die Treppe zu den Kerkern hinunter gegangen waren, also wunderte Sally eigentlich gar nichts mehr. Nicht mal, dass Michail ungeschoren davon gekommen war - schließlich war er Slytherin. Leise seufzend wandte Sally sich wieder um und schlug ihr Zaubertränkebuch auf der richtigen Seite auf. Bis auf den Lehrer und die Slytherins war Zaubertränke eigentlich ganz okay. Naja, die Kerker nervten auch und der ungute Geruch, der sich in den Gemäuern wohl schon festgesetzt hatte. Sally bemühte sich immer sehr und sie war eigentlich ziemlich verwundert, dass sie eine der (sehr) wenigen Gryffindors war, die sich bisher noch nie eine Schimpftirade Snapes anhören musste. Ehrlich gesagt kam es ihr eher so vor als würde er sie ignorieren… Sie hatte zwar keine Ahnung warum, aber das war ihr auch recht. Sie versuchte sich weiterhin unauffällig zu verhalten und nichts in die Luft zu sprengen.

Sally war gerade dabei die Informationen auf der Tafel zu berücksichtigen, als sie plötzlich von etwas am Hinterkopf getroffen wurde. Reflexartig griff sie zu der Stelle und mit einem angewiderten Gesicht zog sie sich eine Raupe aus den Haaren. Sie verzog das Gesicht zu einer Grimasse, drehte sich aber demonstrativ nicht nach hinten. Es folgten weitere Raupenangriffe und als eines der Tiere in Sallys Kessel landete, drehte sie sich wütend um. »Was ist dein Problem?«, fuhr sie Montague an, der sich krümmte vor lachen. Sally wurde auch ziemlich schnell bewusst warum, denn Professor Snape stand hinter ihr und begutachtete ihren Trank. Bevor Sally überhaupt irgendetwas sagen konnte, leerte Snape mit einem Schwenker seines Zauberstabes ihren Kessel. »Noch mal zehn Punkte Abzug für Gryffindor. Lesen lernt man normalerweise im Kindergarten«, meinte Snape abfällig. Natürlich wusste Sally, dass sie keine Raupen für den Trank gebraucht hätte, doch ihm das zu erklären würde ihr nur weitere Punkte kosten. »Bis zur nächsten Stunde bringen Sie mir einen Pergament langen Aufsatz über die korrekte Aufbewahrung von Zaubertrankzutaten - im speziellen Raupen.« Snape hob eines der Tiere hoch und begutachtete es beinahe schon mitleidig. »Es tut dem Trank nicht gerade gut, wenn man die Zutaten vorher durch den Raum wirft«, fügte er hinzu und ließ die Raupe wieder auf ihren Tisch fallen. Sally sagte kein Wort und war leichenblass. Sie hörte Montagues grunzendes Lachen hinter sich und würde ihm am liebsten eine reinhauen.

Der Rest der Stunde war nicht gerade das was Sally als angenehm empfand. Sie durfte den Trank nicht noch einmal machen und Snape hatte sie neben Montague gestellt, damit sie sehen konnte ›wie man es richtig machte‹. Montague hatte es sich wohl unterdessen zum Ziel gemacht, Sally das Leben zur Hölle zu machen. Michail hatte mit seinen Worten damals im Zug Recht behalten - Montague war wirklich ein Vollidiot. »Hältst dich wohl für besonders toll, weil Snape dir bisher keine Punkte abgezogen hat. Bist aber noch besser davongekommen als die Weasleys - jetzt müssen sie Nachtschichten auch noch einlegen, schließlich müssen die noch Geld beschaffen, damit sie sich mal ordentliche Umhänge leisten können. Kannst sie ja fragen, ob sie dir deine Aufsätze schreiben, wenn du sie ordentlich bezahlst.« In dem Moment ertönte Gott sei Dank das lang ersehnte Klingeln - Sally schnappte ihre Tasche und machte sich auf dem schnellsten Weg nach draußen. Fred oder George hatte ihr noch nachgerufen, doch Sally wollte einfach so schnell wie möglich weg von den Kerkern und tat so als hätte sie es nicht gehört.

Ihr Tag hätte kaum noch schlimmer kommen können und das obwohl erst die ersten beiden Stunden vorbei waren. Sally war mit den Gedanken bereits bei der Doppelstunde Kräuterkunde am Nachmittag, wo sie endlich wieder mit Simon arbeiten konnte, als plötzlich jemand einen Eimer eiskaltes Wasser über ihren Kopf leerte. Sie schrie auf und hörte ein gackerndes Lachen über sich. Sie musste den Kopf nicht heben um zu wissen, dass es Peeves war. Neben ihr flog die Tür zu einem Klassenzimmer auf und Professor McGonagall stürmte heraus. Mit einer Schimpftirade scheuchte sie Peeves davon, der sich köstlich amüsierte. Sally hörte das Lachen Lee Jordans hinter sich, was darauf schließen ließ, dass die restlichen Gryffindors gleich in den Gang einbiegen würden. Professor McGonagall redete inzwischen auf Sally ein, ob es ihr gut ginge, doch die hörte kaum hin. Ihre Zähne klapperten und ihr war einfach nur kalt. Außerdem waren ihre Sachen tropfnass und ihre Unterlagen wohl im Eimer. Professor McGonagall bemerkte schnell, dass Sally ihr nicht zuhörte, schwang den Zauberstab und trocknete Sallys Sachen inklusive Tasche und Unterlagen. Leise murmelnd und immer noch mit den Zähnen klappernd bedankte sich Sally bei der Professorin. »Weasley! Bringen Sie Miss Tonks hier in den Krankenflügel - Madam Pomfrey wird Sie durchchecken, damit Sie sich nicht erkälten«, fügte sie an Sally gewandt hinzu, bevor sie sich wieder umdrehte. »Ihr Zwilling wird Professor Binns Bescheid geben wo Sie beide sind«, meinte McGonagall bestimmt, wandte sich um und schloss mit einem lauten Knall die Tür hinter sich. Langsam drehte sich Sally um und stand vor den Weasley-Zwillingen, Lee Jordan, Mike Davis und Nick Smirnow. Einer der Zwillinge drückte dem anderen seinen Rucksack in die Hände und trat dann vor. »Dann wollen wir mal, Miss Tonks«, meinte er belustigt und nahm Sally ihre Tasche ab. Sally, die immer noch am ganzen Körper zitterte, hatte die Arme vor der Brust verschränkt und wusste nicht recht was sie tun sollte. Nach einigen Momenten des Zögerns, setzte sie sich schließlich in Bewegung und folgte dem Rotschopf in den Krankenflügel. Als sie außer Hörweite der anderen waren, meinte sie: »Ich kann meine Sachen auch selber tragen, Fred.« Sie hatte zwar keine Ahnung wer da neben ihr herging, aber einen Versuch war es wert. Grinsend drehte er sich um. »Ich bin George. Und man kann auch ›danke‹ sagen.« Er zwinkerte frech und drehte sich wieder zurück. Sally verdrehte die Augen. »Danke. Und tut mir leid, George.« »War nur ein Witz - ich bin doch Fred.« Die Schwarzhaarige atmete einmal tief durch, blähte ihre Nasenflügel und sagte nichts mehr dazu.

Auf den Weg in den Krankenflügel erzählte Fred ihr was sie mit Michas Kessel angestellt hatten. Sally brauchte einen Moment um herauszufinden wer denn dieser ›Micha‹ überhaupt war, bis sie zu dem Schluss kam, dass heute sowieso nur ein Kessel geschmolzen war. Sie hörte Fred kaum zu, machte hier und da mal »Mhm« oder »Aha« und wünschte sich, dass sie endlich im Krankenflügel ankommen würden. Dieser Wunsch wurde ihr wider Erwarten schnell erfüllt und Sally seufzte erleichtert auf, als Fred ihr die Tür aufhielt und sie eintrat. Madam Pomfrey, eine streng aussehende Frau, schien etwas gestresst und schenkte den Neuankömmlingen vorerst keine Beachtung. Drei der Betten waren besetzt mit Fünftklässlern, die anscheinend einen kleinen Zaubertrankunfall gehabt hatten. Sally sah schnell weg als einer der Jungen, dessen Kopf auf das Doppelte angeschwollen war, ihr zugrinste. »Was kann ich für euch tun?«, hörte sie eine entnervte Stimme und sofort wandte sie sich danach um. Madam Pomfrey sah die beiden abwechselnd an und ihr Blick sagte, dass sie heute keine Lust mehr auf Scherze hatte. Fred ergriff schnell das Wort und erklärte ihr die Sachlage. Madam Pomfrey führte Sally durch den Raum und hielt mit ihr vor weiteren Raum, der wohl ihr Büro sein musste. Madam Pomfrey holte ihren Zauberstab aus ihrem Büro, murmelte ein paar Worte, ging dann noch einmal hinein und kam mit einer großen braunen Glasflasche zurück. Während die Krankenschwester einen Löffel suchte, versuchte Sally zu identifizieren was in der Flasche war, doch das war einfach unmöglich. Madam Pomfrey kippte die Flasche über den Löffel und ein rosa, dickflüssiger Saft kam zum Vorschein. Bevor Sally noch etwas denken oder sagen konnte, hatte Madam Pomfrey ihr den Löffel schon in den Mund geschoben. Der Saft war eigentlich gar nicht schlecht - er schmeckte nach Himbeeren. »So, das war´s auch schon wieder, Miss Tonks. Sollten Sie sich morgen trotzdem erkältet fühlen, kommen Sie noch einmal vorbei. Und jetzt raus mit euch beiden.« Die beiden Gryffindors warfen sich einen vielsagenden Blick zu, bedankten und verabschiedeten sich und flüchteten schnell aus dem Krankenflügel.
 

Halloween war schneller gekommen, als Sally ›Quidditch‹ sagen konnte. Das ganze Schloss war gespannt auf das Festessen und es ging das Gerücht herum, dass Dumbledore einen Vampir eingeladen hatte. Man konnte Hagrid den ganzen Tag lang beobachten, wie er seine riesigen Kürbisse in das Schloss trug, die dann von Professor Flitwick verzaubert wurden. Die Große Halle war am Nachmittag verschlossen, um den Schülern die Überraschung nicht zu nehmen.

»Ich bin gespannt ob das mit dem Vampir stimmt«, meinte Simon, als er und Sally gemeinsam die Eulerei betraten. »Ja, ich auch. Ich kann mir zwar gut vorstellen, dass Dumbledore einen Vampir kennt, aber ehrlich gesagt glaube ich kaum, dass die Weasley-Zwillinge das wirklich von ihm aufgeschnappt haben.« Sally warf Simon kurz einen vielsagenden Blick zu, bevor sie den Brief an Olivers Bein band. Oliver war bereits außer Sichtweite, als Sally entdeckte, dass Simon seine Schneeeule Nikki noch immer nicht gefunden hatte. »Ist sie das dort?«, fragte Sally schließlich und deutete auf eine weiße Eule, die im letzten Winkel saß und schlief. Simon seufzte etwas genervt auf und verdrehte die Augen. »Ja, das ist sie. Meine Güte, immer muss sie sich verstecken…« In Teamarbeit schafften sie es die Eule halbwegs sanft zu wecken, dennoch warf sie ihnen noch einmal einen bösen Blick zu, bevor sie nach draußen segelte.

»Was hat Snape dann eigentlich zu deinem Aufsatz gesagt?« Simon hielt Sally die Tür auf, während diese genervt schnaubte. »Er hat sich natürlich zuerst mal beschwert, dass ich mehr geschrieben habe als er gesagt hat. Aber Gott sei Dank hat er mir keine Punkte abgezogen. Sonst hat er nichts dazu gesagt.« Sally verdrehte die Augen. Der Lehrer für Zaubertränke war wirklich etwas…eigen um es einmal vorsichtig zu formulieren.

Sally und Simon gingen gemeinsam in die Bibliothek um zu lernen und ihre Hausaufgaben zu machen. Es dauerte noch ein paar Stunden bis sie in die Große Halle durften und Emily hatte heute Morgen vorgeschlagen, dass sie doch alle gemeinsam lernen konnte. Mit ›alle‹ meinte Emily noch zusätzlich ihre beiden Freundinnen Catriona Callahan aus Ravenclaw und Marlena Ebdon aus Hufflepuff. Sally und Simon hatten die drei Mädchen schnell gefunden und setzten sich zu ihnen. Die beiden Neuankömmlinge arbeiteten an ihrem Kräuterkundeprojekt weiter. Ihre Pflanze war inzwischen zu einer stattlichen Größe gewachsen und man konnte das Gewächshaus 1 nicht mehr betreten ohne Niesen zu müssen, weshalb sie alle einen Schutz tragen mussten. »Wir haben noch etwas Zeit, wir könnten die Sternenkarte für Astronomie noch fertig machen«, schlug Sally schließlich vor, nachdem sie die Sachen für Kräuterkunde weggeräumt und auf Simons Uhr gesehen hatte. Simon rümpfte die Nase und seufzte. »Na gut…« Er brauchte immer einen Anstoß um sich mir seinen Hausaufgaben zu befassen, weshalb es nicht gerade die schlechteste Idee war, dass Sally ihn häufig daran erinnerte. Astronomie war ein Fach, das Sally sehr interessierte. Sie hatte zwar oftmals keine Ahnung was Professor Sinistra meinte, doch schon alleine mit dem Fernglas in den Nachthimmel zu schauen, war einfach überwältigend. Gemeinsam mit Simon, Emily, Marlena und Catriona bearbeitete sie ihre Sternenkarte. Als Simons Magen nach einer Weile knurrte und er auf die Uhr sah, seufzte er erleichtert auf. »Wir können endlich rein!« Auch Sally war mehr als froh, als sie ihre Sachen zusammenpacken und endlich nach unten gehen konnte. Gemeinsam gingen die fünf nach unten und in der Eingangshalle trafen sie auf Nymphadora. Grinsend kam sie auf die kleine Gruppe zu und legte Sally einen Arm um die Schulter. »Es sieht klasse aus!« Dora führte ihre Schwester nach drinnen und Sally klappte der Mund auf. Die riesigen Kürbisse schwebten über den Haustischen und waren die einzigen Lichtquellen der Halle. Die Geister von Hogwarts schwebten durch die Halle und glitzerten etwas unheimlich. Ein paar Fledermäuse flogen durch die Halle und entweder war wirklich Vollmond draußen, oder aber man hatte die Decke für den heutigen Anlass einfach nur so verzaubert.

Mit Simon und Dora gemeinsam setzte sie sich an den Hufflepufftisch. Marlena, Emily und Cat nahmen ihnen gegenüber Platz. Das Festessen war ausgezeichnet, wie immer. Die Desserts waren so angerichtet, dass sie aussahen wie Knochen, Augäpfel, Fledermäuse und andere gruselige Sachen. Sally war gerade in ein Gespräch mit Simon vertieft, als ihr einfiel, dass sie ihre Sternenkarte in der Bibliothek liegen gelassen hatte. Sie aß ihren Fledermausschokokuchen auf und meinte dann: »Ich werde gleich mal gehen. Ich hoffe, dass sie noch da ist… Wir sehen uns morgen.« Sally umarmte Simon kurz und verließ die Große Halle schließlich, nachdem sie sich auch von Dora verabschiedet hatte. Die Gänge waren bereits dunkel, hier und da schwebte ein leuchtender Kürbis herum, doch das war es auch schon. Sally beeilte sich um in die Bibliothek zu kommen und war mehr als erleichtert, dass ihre Karte noch dort lag, wo sie sie hinterlassen hatte. Beim Hinausgehen verstaute sie sie in ihrer Schultasche. Als sie ihren Blick wieder nach vorne richtete um zu sehen wo sie hinlief, wäre sie beinahe in eine Gruppe Jungs hineingelaufen, die am Ende des Ganges anscheinend auf sie gewartet hatte. Sally dachte zuerst, dass es Fred, George und die anderen waren, doch sie erkannte schnell mit wem sie es hier zu tun hatte. Nathan Montague stand mit verschränkten Armen und flankiert von Adrian Pucey und Justin Winterbottom vor ihr. Bevor Sally umdrehen und verschwinden konnte, hatte Montague schon ihre Sternenkarte aus ihrer Tasche gezogen. »Ach was haben wir denn da, Jungs? Ich denke das können wir ganz gut gebrauchen.« Die drei grinsten wie die größten Idioten dieser Welt. »Gib es her, Montague. Du kannst auch deine eigenen grauen Zellen mal etwas anstrengen«, meinte Sally betont ruhig und wollte nach der Karte greifen, doch Montague hatte sie Pucey in die Hand gedrückt. »Was sagst du da? Bezeichnest du mich als dumm…Hufflepuff?« Er grinste hämisch, bevor er einen Schritt auf Sally zumachte, um sie wegzustoßen. Sally stolperte nach hinten und fiel hart auf den Steinboden. »Ich denke deine Hufflepufffreunde werden dich hier lange suchen«, meinte Montague, als er sich über sich beugte und immer noch grinste. »Ich denke eine Ganzkörperklammer könnte ihr ganz gut tun, Adrian.« Montague ging zurück und stieg dabei auf Sallys Schienbein, da sie versucht hatte aufzustehen. Sofort schossen ihr Tränen in die Augen. Als Adrian Pucey nun seinen Zauberstab hob und den Mund aufmachte, hielt die Gryffindor den Atem an.

»Petrificus…«

»Expelliarmus!«

Es ging alles ziemlich schnell und Adrians Zauberstab wurde ihm aus der Hand gerissen und flog quer durch den Gang. Sally, die immer noch den Atem anhielt, bekam es mit der Angst zu tun. Sie konnte sich nicht umdrehen, da ihr Bein einfach zu sehr schmerzte. Ein Mädchen mit knallroten Haaren erschien in ihrem Blickfeld und Sally atmete schließlich erleichtert auf. Das Mädchen schien ziemlich wütend zu sein - es pfefferte Pucey seinen Zauberstab ins Gesicht, riss Montague Sallys Sternenkarte aus der Hand und boxte Winterbottom in den Bauch. »Und jetzt verzieht euch, ihr Mistratten«, fauchte die Rothaarige. Sally versuchte sich unterdessen aufzusetzen und erkannte das Mädchen schließlich auch - es war Charlotte Mason aus Slytherin. Hatte ihr gerade wirklich eine Slytherin geholfen? Vielleicht hatte sie der Fall auf den Boden vorhin doch am Kopf getroffen…

Charlotte kam auf Sally zu und reichte ihr die Sternenkarte. »Alles okay bei dir?« Sie hob die Augenbrauen und sah Sally fragend an. »Ich denke schon…bis auf mein Schienbein…« Charlotte hob Sallys Schultasche hoch, steckte die Sternenkarte hinein und schulterte die Tasche schließlich. Dann half sie Sally auf die Beine und stützte sie. »Du musst in den Krankenflügel«, meinte sie nur. Die Situation war sehr merkwürdig, doch Sally war froh, dass sie jemand gefunden hatte. Egal wie Slytherin dieser jemand war. Schweigend gingen die beiden Mädchen in den Krankenflügel und als sie den Flur erreicht hatten, brach Sally die Stille. »Danke, Charlotte. Das war wirklich nett von dir.« Die Rothaarige lächelte noch immer nicht, antwortete aber: »Kein Problem. Und du kannst Charly sagen. Ich hab sie vorhin beim Abendessen schon tuscheln gehört und als du rausgegangen bist, sind sie dir sofort gefolgt. Und es tat ziemlich gut ihnen mal eins reinzuwürgen«, erklärte sie ungefragt. Die beiden betraten den Krankenflügel und Madam Pomfrey kam sofort herbeigeeilt. Sie half Charly dabei Sally auf ein Bett zu setzen. »Gebrochen«, murmelte die Krankenschwester nur, als sie das Schienbein betrachtete. Bevor Sally ›Autsch‹ sagen konnte, hatte Madam Pomfrey das Schienbein geheilt und Sally etwas zur Beruhigung eingeflößt. Etwas benebelt bekam sie nur halb mit, dass Madam Pomfrey darauf bestand sie über Nacht hier zu behalten. Charly half ihr in einen Pyjama, den die Krankenschwester ihnen aufs Bett gelegt hatte. »Danke«, sagte Sally zum hundertsten Mal, als sie sich ins Bett gelegt und die Slytherin sich auf den Stuhl neben ihr gesetzt hatte. »Kein Problem. Gute Nacht, Sal.« Und als das Beruhigungsmittel der Schwarzhaarigen endgültig die Augen zudrückte, war sie sich sicher, dass ein Lächeln auf Charlys Gesicht lag.

Dachse fressen Schlangen

Als Sally die Augen am nächsten Morgen aufschlug, wusste sie kurzzeitig nicht wo sie war. Sie warf einem Blick aus dem Fenster des Krankenflügels - es war noch dunkel draußen. Sally wandte den Kopf nach rechts und sah einen Haufen roter Haare, der das Gesicht eines Mädchens verdeckte. Erst jetzt fiel ihr wieder ein, was gestern Abend passiert war. Charly schien die ganze Nacht neben ihrem Bett gewacht zu haben. Ein leichtes Lächeln legte sich auf Sallys Lippen, doch so ganz wusste sie nicht was sie jetzt tun sollte. Ihr Blick fiel auf den Wecker, der auf ihrem Nachttisch stand. Es war noch früh morgens und noch lange nicht Zeit um aufzustehen. Dennoch schwang Sally die Beine aus dem Bett und hievte die Slytherin hoch, um sie auf das Nachbarbett zu legen. Charly hatte einen ziemlich tiefen Schlaf, denn außer ein Grunzen ließ sie nichts hören. Das Mädchen war zudem ziemlich leicht, was die ganze Aktion vereinfachte. Die Gryffindor deckte die Slytherin zu, bevor sie in ihr eigenes Bett zurücktapste um noch einmal zu schlafen.

Langsam wurde Sally wieder wach, doch bevor sie die Augen aufschlug, lauschte sie angestrengt in die Stille hinein. Sie kam sich beobachtet vor und wollte keine allzu schnellen Bewegungen machen. Sally öffnete die Augen und blickte in ein paar braune Kulleraugen. Erschrocken fuhr sie zurück und Charly lachte auf. »Das war gemein!« »Dir auch einen guten Morgen, Sal.« Charly grinste und zwinkerte. Dann griff sie nach einem Schokofrosch, der auf Sallys Nachttisch lag. Sally setzte sich auf und lehnte sich zurück. »Deine Schwester und dieser Simon waren vorhin hier und haben das vorbei gebracht. Inzwischen weiß wohl der ganze Jahrgang was passiert ist und Montague hat nun einen noch schlechteren Ruf als ohnehin schon«, erzählte Charly beiläufig und biss dem Frosch den Kopf ab. Sie warf Sally einen der Schokofrösche in den Schoß, bevor sie weitersprach. »McGonagall und Snape war auch hier um zu sehen, ob es dir gut geht und ich musste ihnen erzählen was passiert ist. Ich hab zehn Punkte für Slytherin verdient, aber ich denke mal das war unnötig, denn McGonagall hat darauf bestanden, dass Montague, Pucey und Winterbottom mindestens fünfzig Punkte abgezogen werden. Keine Ahnung wie es dann ausgegangen ist…achja und McGonagall hat uns für den heutigen Unterricht befreit.« Charly grinste breit und überschlug die Beine. Sally wusste nicht recht was sie sagen oder davon halten sollte, und machte sich stattdessen über ihren Schokofrosch her.

Madam Pomfrey kam am frühen Nachmittag zur Kontrolle vorbei und entließ Sally schließlich. Charly wich nicht von ihrer Seite und die Slytherin machte auch keine Anstalten in diese Richtung. Die beiden Mädchen beschlossen in die Große Halle zu gehen; wenn sie Glück hatten war das Mittagessen noch nicht vorbei. Als sie die Große Marmortreppe runtergingen, entdeckte Sally Simon in der Eingangshalle. Er ging auf die Marmortreppe zu und entdeckte die beiden Mädchen schließlich. »Sally!«, rief er erfreut aus und zog die Gryffindor in eine feste Umarmung, als sie unten angekommen war. »Hast du mir einen Schrecken eingejagt. Geht es dir auch gut?« Besorgt musterte er sie und Sally nickte nur. Charly räusperte sich kurz und Simon wandte sich der Slytherin zu, welche aufgesetzt lächelte. Simons Miene verfinsterte sich etwas. »Hat sie dir etwas getan?«, fragte er Sally. »Nein, keine Sorge. Sie hat mich gerettet.« Simon hob die Augenbrauen und wandte sich wieder Sally zu. »Gut. Ich dachte schon, dass sie mich angelogen hat.« Charly ließ ein Lachen hören. »Mein Lieber, ich lüge nie. Ich verdrehe nur manchmal die Wahrheit. Wir sehen uns, Sal.« Sie zwinkerte ihm zu, verabschiedete sich von Sally mit einer kurzen Umarmung und ging in die Große Halle. Simon sah ihr skeptisch hinterher und wandte sich dann wieder nach Sally um. »Seid ihr irgendwie befreundet, oder so?« »Keine Ahnung um ehrlich zu sein…«

Charly verbrachte immer häufiger Zeit mit Simon und Sally. Auch wenn Simon ihr nicht ganz über den Weg traute, sagte er nichts dagegen, denn Sally und Charly schienen sich wirklich gut zu verstehen. Am Wochenende stand schließlich das erste Quidditchspiel der Saison an. Slytherin gegen Hufflepuff. Sally war schon früh wach - Simon war am vorigen Nachmittag ganz aufgeregt gewesen; er war eben ein richtiger Quidditchnarr und konnte es kaum erwarten, dass er nächstes Jahr selber mitspielen durfte. Charly schien sich nicht viel daraus zu machen, dass ihre Häuser die Quidditchsaison eröffneten, was Simon überhaupt nicht verstand. Sally stand etwas zwischen den Fronten, weil sie nicht genau wusste was sie sagen oder tun sollte. Sie wusste auch nicht Recht zu welchem Haus sie halten sollte - natürlich würden alle Gryffindors Hufflepuff anfeuern, doch was wenn Charly ihre Meinung kurzfristig änderte und sich doch für das Spiel interessierte? Wäre sie dann böse auf Sally? Während die Schwarzhaarige an die Decke starrte, beschloss sie mit sich selbst, sich einfach für beide Teams zu freuen. Es sei denn Charly war dem Spiel gegenüber immer noch abgeneigt - unter diesen Umständen wollte Sally ihr Leben nicht aufs Spiel setzen, schließlich war die Rivalität zwischen ihren beiden Häusern mehr als groß und ihr reichten schon die skeptischen Blicke, wenn sie und Charly gemeinsam die Große Halle betraten.

Sally richtete sich auf und blickte sich im Schlafsaal um. Die anderen Mädchen schliefen noch, weshalb sich Sally so leise wie möglich anzog und in den Gemeinschaftsraum ging. Dort fand sie Lee Jordan vor, der entweder an Schlafstörungen litt, oder seit gestern Abend über dem Aufsatz für Zauberkunst saß. »Guten Morgen«, grüßte Sally ihn freundlich und lächelte leicht. Sie hörte nur sein Seufzen als Antwort, während sie den Raum durchquerte und sich auf ihren Platz von gestern setzte, wo noch immer ihre Schulsachen herumlagen. »Guten Morgen«, antwortete Lee Jordan schließlich und Sally schrak auf, als er sich neben sie auf einen freien Sessel fallen ließ. Er legte seine Sachen auf den Tisch und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. »Alles okay?« Sally sah ihn fragend an, denn es sah nicht gerade danach aus, als wäre in irgendeinem Paralleluniversum irgendetwas in Ordnung. »Nicht wirklich, nein. Ich versteh einfach nicht was wir für Flitwick machen sollen. Der Typ verwirrt mich jedes Mal mehr…« Lee verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Naja, so schwer ist das nun auch wieder nicht. Was hast du denn bis jetzt geschrieben?« Sally zog das Stück Pergament, das vor ihm auf dem Tisch lag, zu sich und blickte darauf, bevor Lee irgendetwas sagen konnte. Sie war wenig überrascht, dass auf dem Pergament nichts Hilfreiches stand. Er und die Zwillinge waren in der letzten Zauberkunststunde anderweitig beschäftigt gewesen… Da es noch zu früh war um frühstücken zu gehen, kramte Sally aus ihrer Schultasche ihren eigenen Zauberkunstaufsatz heraus. »Sieh mal. Das sind die Dinge, die er gefordert hat und im Buch findest du auf den Seiten 30-35 was dazu.« Lee hatte sich vorgebeugt und schlug das Buch auf den Seiten auf, die Sally ihm genannt hatte. Er überflog die fünf Seiten und meinte schließlich: »Das ist doch gar nicht so schwer!« »Hat auch niemand behauptet«, zwinkerte Sally, während sie dabei war ihm eine Einleitung zu schreiben. »Hier. Vielleicht fällt es dir jetzt leichter etwas zu schreiben.« Lee überflog das Geschriebene und warf ihr einen bewunderten Blick zu. »Dankeschön. Das ist wirklich nett von dir, Sally.« Die Schwarzhaarige winkte ab. »Ach, kein Problem.« Sie lächelte und half ihm den restlichen Aufsatz fertig zu stellen.

»Wir sind wirklich fertig, ich glaub es nicht. Du hast mir gerade das Leben gerettet, Sally!« Sally lachte auf. »Übertreib mal nicht.« Sie zwinkerte, warf einen Blick auf die Uhr und stand auf. »Ich werd dann mal frühstücken gehen. Wir sehen uns, Lee.« Sie verabschiedete sich von ihm und ging zum Portraitloch. Doch Lee machte keine Anstalten sich auch zu verabschieden, denn er folgte ihr einfach. »Warte doch mal! Ich hab schließlich auch Hunger«, grinste er. Draußen ging Sally, wie üblich, nach links, während Lee nach rechts ging. »Hey, wo willst du denn hin?« Lee sah sie fragend an und erst jetzt bemerkte Sally, dass er eine andere Richtung eingeschlagen hatte. »Naja…in die Große Halle?« »Hier sind wir schneller. Vertrau mir.« Der Gryffindor grinste breit und Sally wusste nicht so recht was sie tun sollte. Schließlich siegte die Neugier und sie folgte dem Jungen. »Mit diesem Geheimgang bist du drei mal schneller«, versprach er ihr und schob einen Wandteppich zur Seite. Er ging ihr voraus eine lange Wendeltreppe hinunter und als Sally glaubte einen Drehwurm zu bekommen, blieb Lee stehen. »Alles okay soweit?« Er grinste breit und ging einen Gang entlang, der erneut mit einem Wandteppich endete. Er schob ihn zur Seite und ließ Sally den Vortritt. Sie staunte nicht schlecht, als sie plötzlich in der Eingangshalle stand. »Respekt. Wann hast du das herausgefunden?« Sally drehte sich nach Lee um, der den Wandteppich wieder vor den Eingang des Geheimganges schob. »Fred, George und ich haben ihn in der ersten Woche hier entdeckt«, erklärte er und gemeinsam gingen sie in die Große Halle. Als Sally am Hufflepufftisch vorbeikam, zögerte sie kurz. Doch sie konnte weder Simon noch Dora irgendwo erkennen, weshalb sie Lee zum Gryffindortisch folgte.

»Ich bin schon gespannt auf das Spiel heute. Gryffindor gegen Slytherin wird bestimmt auch spannend werden.« Sally nickte. »Ja, das glaube ich auch. Aber dauert ja noch etwas.« Sie unterhielten sich noch etwas über Quidditch, als die Weasley-Zwillinge auftauchten und gegenüber von ihnen Platz nahmen. »Ein ganz fremdes Gesicht am Gryffindortisch«, meinte einer der beiden grinsend und zwinkerte Sally zu. Sofort fühlte sie sich unwohl in ihrer Haut, doch die Aufmerksamkeit lag nicht lange auf ihr. Lee erzählte den Zwillingen von dem geglückten Zauberkunstaufsatz und die beiden versprachen mit einem Zwinkern ihn nicht eins zu eins zu kopieren. Sally war sich zwar sicher, dass sie es trotzdem tun würden, doch das war ihr egal. Sallys Blick wanderte zum Eingang der Großen Halle - eine Gruppe Hufflepuffs war hereingekommen, unter ihnen auch Simon. »Wir sehen uns später, Jungs«, sagte Sally schnell, griff nach ihrem Marmeladenbrot und wechselte den Haustisch. »Guten Morgen, Simon!«, begrüßte sie ihn überschwänglich, als sie sich neben ihn auf einen freien Platz fallen ließ. »Du bist heute aber gut gelaunt.« Der Hufflepuff grinste breit und schmierte sich ebenso ein Marmeladenbrot.
 

Eine Stunde später war es so weit - Simon und Sally warteten in der Eingangshalle auf Charly, die das Frühstück ausgelassen hatte. Sally hatte ein paar Brote eingepackt, denn sie war sich sicher, dass die Slytherin hungrig war. Als ein Großteil der Schüler bereits nach draußen geströmt war, tauchte schließlich auch Charly auf, die immer noch sehr verschlafen aussah. »Guten Morgen«, gähnte sie, hakte sich bei Sally unter und zog sie mit nach draußen. Simon verdrehte die Augen und folgte den beiden. »Hier, ich hab dir was vom Frühstück mitgenommen.« Sally drückte Charly den Stoß Marmeladenbrote in die Hand. »Danke.«

Sie hatten das Quidditchfeld schnell erreicht und nahmen ganz oben auf der Tribüne Platz. Vor ihnen entdeckte Sally die Weasley-Zwillinge, Lee Jordan, Michail Perov und einen weiteren Slytherin, dessen Name sie nicht kannte. Simon war ganz aufgeregt und zappelte auf seinem Platz herum. »Beruhig dich. Wir machen euch sowieso fertig«, grinste Charly als sie sich an Sally vorbei beugte um mit Simon sprechen zu können. »Oh, du hast ja keine Ahnung, Charly. Unsere Mannschaft hat trainiert bis zum Umfallen.« »Ja, aber wir sind Schlangen.« Simon lachte bei diesem Argument. »Du vergisst dabei nur eines: Dachse fressen Schlangen.« Die beiden Mädchen stimmten in Simon Lachen mit ein und schlussendlich hatte er Recht behalten: Hufflepuff gewann das Spiel mit einem knappen Vorsprung von zehn Punkten. Doch Sally war etwas viel Besseres und Wichtigeres aufgefallen: Es war das erste Mal gewesen, dass sich Simon und Charly nicht ankeiften oder ignorierten. Das war auf jeden Fall der Beginn einer sehr interessanten Freundschaft, so viel stand fest.

Paranoia und neue Freunde

Je kälter die Tage wurden, desto besser verstand sich das eigenartige Trio. Charly ermutigte Sally zu mehr Selbstbewusstsein, weshalb die Gryffindor ihre Mahlzeiten inzwischen an ihrem Haustisch einnahm. Vielleicht lag es auch an der Drohung »Wenn ich dich noch einmal bei Simon sitzen sehe, verhexe ich dich«, aber das war wohl weit hergeholt. Charly wusste mit dem Zauberstab umzugehen und Sally wollte nicht ihren Groll auf sich ziehen. Unfreiwillig war sie in eine Lerngruppe mit den Weasley-Zwillingen und Lee Jordan befördert worden. Lee hatte auf seinen Zauberkunstaufsatz eine sehr gute Note bekommen und so war Sally zwangsbeglückt worden. Sie wäre ja ganz zufrieden damit, wenn die drei Burschen nicht gerade einen Wettbewerb daraus machen würden, wer am wenigsten im Unterricht aufpasste.

»Tut mir leid, aber ich hab noch was vor.« Sally war inzwischen etwas genervt von den dreien. Sie packte ihre Sachen, brachte sie in den Schlafsaal und verließ schließlich den Gemeinschaftsraum. Sie, Charly und Simon würden Hagrid besuchen gehen, weshalb sie sich den dicken Umhang fest um den Körper wickelte, während sie durch den Geheimgang hinter dem Wandteppich, in die Eingangshalle lief. Als sie das Erdgeschoss erreicht hatte und nach dem Wandteppich greifen wollte, wurde er von außen geöffnet und einer der Zwillinge stand grinsend vor ihr. Sally machte vor Schreck einen Schritt zurück, was den Weasley köstlich zu amüsieren schien. »Bin nur ich, du brauchst keine Angst zu haben.« Er zwinkerte ihr zu, als sie sich an ihm vorbeiquetschte. Wie konnte das möglich sein? Er war doch gerade noch im Gemeinschaftsraum gewesen! Doch Sallys Aufmerksamkeit wurde auf Charly gelenkt, die quer durch die Eingangshalle ihren Namen brüllte. »Viel Spaaaß!«, rief ihr der Weasley noch hinterher, doch Sally wandte sich nicht mehr nach ihm um.

»Was hat dir denn den Zauberstab verknotet?« Charly warf ihr einen fragenden Blick zu, als Sally schließlich neben ihr stehen blieb. »Keine Ahnung. Irgendwie… ist das komisch.« Sie drehte sich noch einmal zu dem Weasley um, der plötzlich wieder verschwunden war. Etwas verwirrt wandte sie sich wieder Charly zu. »Ich schwöre, der Typ war gerade noch im Gemeinschaftsraum!« Doch bevor Charly noch etwas sagen konnte, tauchte auch Simon schon auf und die drei verließen das Schloss. Es war bitterkalt draußen und Sally war froh, dass sie sich in ihren dicken Umhang gehüllt hatte. Auf ihrem Weg zu Hagrid beschwerte sich Charly lauthals über Professor McGonagall, während Sally das Gefühl nicht los wurde, verfolgt zu werden. Immer wieder drehte sie sich um, bis Simon schließlich stehen blieb und sie in ihn hineinlief. »Alles okay bei dir? Du wirkst irgendwie etwas nervös.« Besorgt musterte er sie, doch sie zuckte nur mit den Schultern. »Tut mir leid. Ich hab nur irgendwie das Gefühl, dass uns jemand beobachtet.« »Das wundert mich nicht. Da drüben hocken Perov und Weasley«, mischte sich Charly schließlich ein und deutete auf einen Baum in ihrer Nähe. Und tatsächlich. Michail und einer der Zwillinge standen an einen Baum gelehnt und unterhielten sich über irgendwas. Die drei Freunde hatten ihre Blicke auf ihre Schulkollegen gerichtet, als diese sich zu ihnen umwandten und - zumindest der Rotschopf - ihnen überschwänglich zuwinkten. »Gehen wir«, ordnete Charly an, nachdem sie sich ein paar Momente lang ein Blickduell mit Michail geliefert hatte.

Hagrid schaffte es schließlich, dass Sally sich nicht mehr den Kopf über das komische Verhalten der Zwillinge und Michail zerbrach. Der Wildhüter hatte ihnen drei große Tassen Tee vor die Nase gestellt und seine Felsenkekse, die Sally lieber mied. Sie hatte sich vorige Woche beinahe einen Zahn ausgebissen und den Keks dann heimlich an Fang verfüttert, der ihn wohl als Kauknochen verwendet hatte… Der Wildhüter erzählte ihnen von dem bevorstehenden Weihnachtsfest, der Dekoration, dem Festessen und Sally war beeindruckt, konnte sich das ganze nicht so ganz vorstellen, da es wirklich atemberaubend sein musste. Als es draußen zu dämmern begann schlug Hagrid mit der Faust auf den Tisch, sodass Simon der Keks aus der Hand fiel - was er offensichtlich nicht gerade traurig fand. »So s´reicht. Bring´ euch jez´ rauf ins Schloss«, grummelte der Wildhüter, erhob sich von dem Tisch und schob diesen sogleich zwei Meter von sich weg. Charly sprang schnell auf, unterdrückte einen Schrei und eilte an Sallys Seite. Diese warf ihr einen amüsierten Blick zu und griff nach ihrem Umhang. Hagrid hüllte sich in seinen dicken Maulwurfmantel, griff nach einer Laterne und bat die drei nach draußen. »Un´ wisst ihr schon ob ihr über Weihnachten nach Hause fahrt?« Hagrid machte so große Schritte, dass sich die drei beeilen mussten um ihm hinterher zu kommen. Sally hatte eigentlich noch nicht genau darüber nachgedacht, ob sie nach Hause fahren sollte oder nicht. Auch wenn es eigentlich klar war, dass sie Weihnachten bei ihrer Familie verbringen würde. Doch bevor sie etwas sagen konnte, hatte Charly schon den Mund aufgemacht. »Also ich werde nach Hause fahren. Meine Eltern veranstalten immer ein großes Fest mit der ganzen Familie - auch wenn ich da nicht wirklich Bock drauf habe muss ich da wohl hin.« Sally warf der Slytherin einen kurzen Blick zu und auch wenn sie es nicht sehen konnte, war sie sich sicher, dass der Rotschopf gerade die Augen verdreht hatte. Bevor Hagrid allerdings antworten konnte, stieß Charly einen spitzen Schrei aus. »Was ist passiert?«, riefen Simon und Sally gleichzeitig aus, doch die Slytherin antwortete nicht. Stattdessen hatte sie sich etwas vorgebeugt und schien etwas im Verbotenen Wald zu fixieren, doch die anderen konnten nicht genau sagen was.

Einige Momente der Stille vergingen, bis ein Geräusch aus dem Wald kam, das die vier zusammenzucken ließ. Es war das selbe Geräusch eines knackenden Astes, das Charly zuvor schon erschreckt hatte. »Kommt… is´ bestimmt nur ne Maus.« Doch auch in Hagrids Stimme lag etwas Unbehagen. Er drängte die drei Erstklässler schnell weiter und Sally warf noch einmal einen kurzen Blick zurück. Sie hätte schwören können einen roten Haarschopf gesehen zu haben, doch der war nun definitiv nicht mehr da. Irgendwie war das alles mehr als seltsam. Wurde sie langsam paranoid? Aber dann müssten Simon, Charly und Hagrid doch auch nicht mehr richtig im Kopf laufen. Sally spürte wieder dieses Kribbeln im Nacken, als würde sie jemand beobachten - ihr Kopf schnellte herum, doch da war niemand. Hätte sie auch gewundert. »Komm weiter«, meinte Charly mit einem nervösen Unterton, den Sally gar nicht von ihr kannte. Die Slytherin griff nach Sallys Hand und zog sie mit sich. Der restliche Weg zum Schloss hoch, schien länger als normal zu sein. Selbst Simon wurde langsam etwas unwohl und er drehte sich ein paar Mal um. Auch wenn niemand etwas sagte, oder es zugeben würde, doch sie waren alle drei froh, dass Hagrid an ihrer Seite war.

Als sie endlich im Schloss angekommen waren, entwich den drei Erstklässlern ein erleichtertes Seufzen. »So un´ nun ab mit euch in eure Schlafsäle. Das is´ mir alles nich´ ganz geheuer«, fügte Hagrid grummelnd hinzu. Sally, Charly und Simon warfen sich einen kurzen Blick zu und verabschiedeten sich schließlich von Hagrid. Sie warteten, bis er das große Schlossportal hinter sich geschlossen hatte und versteckten sich in dem Gang, der zur Küche und zu Simons Gemeinschaftsraum führte. »Was denkt ihr war das?«, platzte Simon sogleich heraus. Die beiden Mädchen zuckten mit den Schultern. »Keine Ahnung. Aber angeblich soll es im Wald Werwölfe geben. Und Zentauren. Und was weiß ich noch alles. Er ist ja nicht ohne Grund verboten«, gab Charly leise flüsternd zurück. »Werwölfe?« Sally starrte ihre Freundin mit großen Augen an und schluckte schwer. Ob Hagrid etwas gesehen hatte? Oder hatte er sie einfach aus allgemeinen Sicherheitsgründen schnell weitergeschoben? Zwischen den drei Freunden herrschte nachdenkliches Schweigen, bis das Zuschlagen einer Tür sie alle aus den Gedanken riss. Charly klammerte sich an Sallys Arm und starrte gebannt in den dunklen Flur hinunter. Eine Gestalt, die nur ein Stück größer war als sie drei, kam auf sie zu. Wenn sie Pech hatten, war es Professor Flitwick. Wenn sie Glück hatten, war es »Michail!« Charly fasste sich erleichtert an die Brust und auch Sally atmete wieder auf. Der Slytherin grinste breit und sah die drei abwechselnd an. »Ihr seht aus als hättet ihr ein Gespenst gesehen. Bin nur ich«, meinte der Junge leichthin. »Ich denke… wir sollten langsam in unsere Gemeinschaftsräume«, warf Simon schließlich ein. Auch ihm schien die ganze Situation nicht allzu geheuer zu sein und Sally war erleichtert, dass endlich jemand diesen Vorschlag machte. Michail schien von dieser etwas abstrusen Atmosphäre nichts mitzubekommen. Oder er wollte es nicht mitbekommen. Oder aber er überspielte es ziemlich gut, denn sein Grinsen reichte immer noch von einem Ohr zum anderen.

Nachdem sie sich schließlich voneinander verabschiedet hatten, machte Sally sich auf den schnellsten Weg zurück in den Gryffindorturm. Das ungute Gefühl hielt den ganzen Weg über an, weshalb sie auch den Geheimgang nach oben nahm. Immer wieder blickte sie sich um, doch es war niemand hinter ihr. Sie atmete ein paar Mal tief durch - sie war bald da und dann könnte sie sich ausgiebig duschen und schlafen gehen. Bald war sie da. Bald war sie da. Wie ein Mantra wiederholte sie dies in ihrem Kopf. Als dann endlich das Ende des Geheimganges in Sicht kam und sie wusste, dass sie endlich den siebten Stock erreicht hatte, atmete sie erleichtert aus. Noch einmal drehte sie sich um, während sie nach der Türklinke griff, doch sie griff ins Leere. Sally wandte sich um und vor ihr stand einer der Weasleyzwillinge. Ein spitzer Schrei entwich ihr und sie stolperte ein paar Schritte zurück und wäre beinahe die Treppe hinuntergepurzelt, hätte Fred oder George nicht nach ihrer Hand gegriffen und sie zurückgezogen. »So schreckhaft heute?« Der Weasley grinste frech und hielt Sally die Tür auf. Sie warf ihm einen skeptischen Blick zu, sagte aber nichts. Sie ließ seine Hand los und drückte sich an ihm vorbei nach draußen. »Danke«, murmelte sie schließlich. Der heutige Tag war… mehr als verwirrend.
 

Und die nächsten Tage wurden nicht besser.

Egal wo Sally, Simon und Charly sich aufhielten, es schien als schwänzelten die Weasleyzwillinge und Micha immer irgendwo in der Nähe herum. Gingen sie einen langen Gang entlang, konnte man sich sicher sein, dass sie einen der drei am Anfang und am Ende des Ganges begegneten. Wanderten sie von der Großen Halle in die Bibliothek, konnte man sich sicher sein, dass ihnen einer der drei die Türen öffnete. An die Tatsache, dass Fred oder George Sally jedes Mal den Wandteppich öffneten, sobald sie vom Gryffindorturm kam, hatte sie sich - mehr oder weniger - gewöhnt. Sie hatte keine Ahnung wie sie das machten und allzu genau wollte sie es wahrscheinlich auch nicht wissen.

»Ich würd da nicht hochgehen.«

Charly und Sally blieben stehen, warfen sich einen kurzen, vielsagenden Blick zu und wandten sich schließlich um.

Micha stand lässig an der Mauer gelehnt da und sah sie an.

»Ach und warum nicht?«, fragte Charly bissig.

Sie wollten hoch in den Krankenflügel um Simon zu besuchen. Er war heute Vormittag, als er mit Emily in den Gewächshäusern war, ausgerutscht und hatte sich den Fuß gebrochen. Auch wenn Madam Pomfrey den Bruch in kurzer Zeit geheilt hatte, wurde ihm Ruhe verordnet.

Micha hatte sich von der Wand gestoßen und ging ein paar Schritte auf die beiden zu, die Hände tief in den Hosentaschen vergraben und eine Unschuldsmiene aufgesetzt, dass man zehn Meter gegen den Wind riechen konnte, dass etwas falsch war.

Allerdings roch es wirklich ziemlich streng. Sally rümpfte die Nase und wandte sich um. Der Gang, den sie entlanggehen wollten, war inzwischen nicht mehr sichtbar. Ein paar Schüler kreischten und versuchten sich aus dem Stinkbombenangriff zu retten. Oder vielleicht lag es gar nicht an den Stinkbomben, dass die Schüler schrien, denn Charly zog Sally gerade noch rechtzeitig Richtung Boden, als ein beißendes Frisbee auf sie zugeflogen kam. »Lass uns abhauen!«, rief die Rothaarige und zog die Gryffindor mit sich. Michail stand immer noch am selben Platz und lachte laut auf, als die Mädchen das Weite suchten.

»Ich hab euch doch gesagt, dass ich mir nen anderen Weg suchen würde!«, rief er ihnen hinterher, doch Charly und Sally ignorierten ihn und versuchten so schnell wie möglich zu verschwinden.

»Die sind doch alle verrückt!«, beschwerte Charly sich zwei Stockwerke höher, als sich ihre Schritte endlich verlangsamt hatten. Sally schnaubte zur Antwort und bekam beinahe einen Herzinfarkt, als die Weasleyzwillinge drei Meter vor ihnen standen. Ihr Grinsen reichte von einem Ohr bis zum anderen, und wieder einmal hatte Sally keine Ahnung wer wer war. Charly stemmte die Hände in die Hüften und hob die Augenbrauen. Sally warf ihr einen verwirrten Blick zu, da sie keine Ahnung hatte was ihre Freundin vorhatte, doch diese Haltung bedeutete normalerweise nichts Gutes.

»Ihr wart das, oder?«

»Was denn?«

»Na die Stinkbombenattacke im zweiten Stock. Wegen euch müffeln unsere Umhänge jetzt! Und eure bescheuerten Frisbees könnt ihr euch auch schenken. Ich hoffe Filch erwischt euch! Komm Sal, wir gehen.«

Charly machte auf dem Absatz kehrt und zog die Gryffindor erneut mit sich. Sally wandte sich noch einmal zu den Jungs um, von denen einer etwas in seinem Rucksack suchte. Keine zwei Sekunden später flog schon ein beißendes Frisbee auf sie zu. »Lauf!«, rief Sally doch es war schon zu spät. Charly war stehen geblieben und Sally war direkt in sie hineingelaufen und über sie gestolpert. Die beiden Mädchen lagen am Boden und das Frisbee hatte absolut kein Mitleid mit ihnen.
 

Als sie schließlich eine knappe Stunde später als versprochen im Krankenflügel ankamen, sahen sie beide aus, als hätten sie sich mit dem Kraken im See angelegt. Ihre Haare waren zerzaust, ihre Schulunfiorm großteils zerissen und ihre Arme übersäht mit roten Kratzern. »Was ist denn mit euch passiert?« Simon saß mit dem Tagespropheten auf dem Schoß und einem Schokofrosch in der Hand auf dem Bett und starrte die beiden verwirrt an. »Weasleys«, schnaubte Charly nur und legte sich erschöpft auf das Bett neben Simon. Sally zuckte nur die Schultern, und ließ sich ebenso erschöpft auf einen Sessel zwischen den beiden Betten fallen. Madam Pomfrey kam sogleich angewuselt, wollte sich über den Lärm beschweren, bemerkte jedoch schnell dass die Mädchen verletzt waren und brachte ihnen eine übel riechende, grünliche Creme, die sie auf die Haut auftragen sollten. Während Sally ihre und Charlys Arme eincremte - die Slytherin würde ›dieses stinkende Ding in tausend Jahren nicht angreifen!‹ - erzählten sie Simon von der Stinkbombenattacke und den beißenden Frisbees im vierten Stock. »Die haben ja echt nicht mehr alle«, meinte er und hob die Augenbrauen. Doch Sally konnte sehen, dass seine Mundwinkel zuckten und er sich schwer tat dieses Zucken zu verbergen. Ein Schmunzeln legte sich auf ihre Lippen - ja, irgendwie war es ja doch lustig, aber wenn sie das laut neben Charly sagen würden, hätten sie schon ihr Todesurteil unterzeichnet.

Charly war irgendwann eingeschlafen und Sally und Simon hatten begonnen eine Runde Zaubererschach zu spielen. Sally hatte das Spiel mal vor einigen Jahren von Nymphadora zum Geburtstag geschenkt bekommen - es war eine Reiseausgabe: klein und kompakt. Sie saßen auf Simons Bett und naschten nebenbei Schokofrösche. Dass Sally das Schachspiel verlor, war kein Wunder - sie war grottenschlecht darin. Und ihre Konzentration war im Moment auch nicht gerade die beste. Sie und Simon unterhielten sich nebenbei über alles mögliche. »Wie geht´s eigentlich unserer Nieswurz?«, fragte Sally schließlich als sie einen Läufer opferte um ihren Masterplan durchzusetzen. Allerdings war der Masterplan ziemlich in die Hose gegangen, denn Simon hatte sie nun Schachmatt gesetzt. »Keine Ahnung. Emily behütet das Ding wie ihren eigenen Augapfel. Mum hat ihr schon neue Pergamentrollen schicken müssen, weil sie einen ziemlichen Verschleiß hat.« Amüsiert hob er die Brauen und half Sally die Figuren erneut aufzustellen.

»Na auch gut. Ich bin froh, wenn dieses Projekt endlich vorbei ist.« Sally schickte einen ihrer Bauern nach vorne und das Desaster begann von vorne. »Ja, ich auch. Und ehrlich mal - Professor Sprout hätte die Atemschutzmasken echt früher austeilen können.« Inzwischen konnte man ohne Schutzmaske gar nicht mehr in das Gewächshaus 1 gehen - die Pflanzen waren wie wild am sprießen und jede Woche gab es mindestens eine Person, die dank eines nicht enden wollenden Niesanfalles in den Krankenflügel musste.

»Hey was soll das? Wieso mampft ihr ohne mich Schokolade?«, meldete sich plötzlich eine müde Stimme zu Wort. Charly richtete sich in ihrem Bett auf, wickelte sich in die Decke und tapste zu den anderen hinüber. Sie schubste Simon etwas hinüber um sich neben ihn auf das Bett zu setzen. Dass sie dabei gleich das Schachbrett umriss, war ihr natürlich egal. Sally war darüber allerdings froh, denn so entkam sie einer weiteren Niederlage. Während die Gryffindor das Schachspiel wegräumte, mopste sich Charly einen Schokofrosch, dem sie sogleich den Kopf abbiss. »Sagt mal wie spät ist es eigentlich?«, fragte sie mit vollem Mund. Simon und Sally zuckten die Schultern. Die Mädchen waren gegen halb vier in den Krankenflügel gekommen und seitdem hatte keiner mehr über die Uhrzeit geachtet.

»Es ist Zeit für´s Abendessen«, ertönte eine bekannte Stimme. Die drei Freunde fuhren herum und erblickten drei Mädchen, die im Eingang standen. Es war Simons Schwester Emily mit ihren beiden Freundinnen Marlena Ebdon aus Hufflepuff und Catriona Callahan aus Ravenclaw. Charly verzog kaum merklich das Gesicht. Sally wusste, dass sie nicht gerade der größte Fan von den dreien war und sich nur mit ihnen abgab, damit sich Simon nicht beschwerte. Aber alles brauchte einfach seine Zeit. Und Emily, Marlena und Catriona waren auch nicht gerade begeistert von der Slytherin.

Es dauerte keine Minute bis Madam Pomfrey wieder herangewuselt kam. Sie gab Sally und Charly ihre reparierte Schuluniform zurück, die sie hinter dem Vorhang anzogen, während Madam Pomfrey nach Simons Bein sah. »Na dann wollen wir«, grinste Simon als er aus dem Bett aufstand und sich einmal druchstreckte. Man könnte fast meinen er hätte einen Wellnesstag hinter sich, so ausgeruht wie er aussah.

Die merkwürdige Truppe machte sich auf den Weg in die Große Halle. Und ohne es vorher überhaupt anzusprechen, setzten sich die drei Freunde an den Hufflepufftisch, als wäre es alltäglich. Charly wurde zwar von einigen Hufflepuffs etwas schief angesehen, doch sie scherte sich nicht drum. Andererseits scherte sich Charly sowieso um nichts. Der immense Schokoladenkonsum der drei Erstklässler hätte zwar eigentlich dazu führen müssen, dass absolut und gar nichts mehr in ihre Mägen passte, doch die drei aßen als hätten sie den ganzen Tag noch nichts zwischen die Zähne bekommen.
 

Ein paar Tage später hatte es schließlich zu schneien begonnen. In ganz Hogwarts wurde der Schnee schon sehnsüchtig erwartet und es war kaum ein Wunder, dass man, kaum war die Wiese weiß, schon die ersten Schüler draußen sah. Simon war mit Emily (zwangsweise) in die Gewächshäuser gegangen – in diesem Stadium der Nieswurz zog Emily es vor alle auf Sicherheitsabstand zu halten. Sally durfte nur in die Nähe der Pflanze, wenn es denn unbedingt nötig war. Simon hatte sie ja eigentlich auch nur mitgenommen, damit er aufschreiben konnte, was sie sagte. Als würde das Ding tot umfallen, wenn Sally oder Simon es schief anschauten. Emily litt wohl an Paranoia… Charly hatte sich dazu entschlossen diesen Samstag an ihren Hausaufgaben zu arbeiten und ein Buch zu lesen, daher hatte sie sich nach dem Mittagessen verabschiedet und lungerte nun im Slytheringemeinschaftsraum herum. Aber Sally war sich trotzdem ziemlich sicher, dass die Mason einfach nur auf ihrem Bett lag und schlief. Inzwischen kannte sie den Rotschopf gut genug.

Sally streunte also alleine durch das Schloss. Fred, George, Michail und inzwischen auch Lee hatten wohl den Spaß daran verloren ihnen überall aufzulauern. Und um ehrlich zu sein, war sie auch ziemlich froh darüber. Denn sie war sich nicht mehr ganz sicher gewesen, ob nicht sie diejenige mit der Paranoia gewesen war. Etwas planlos lief sie also durch das Schloss, bis sie Stimmen hörte. Es war nur ein leises Tuscheln, doch sie hatte ganz deutlich Lee Jordans Stimme herausgehört. Ihre Schritte verlangsamten sich und ihr Blick glitt zu einer Tür, die einen Spalt offen stand. Wahrscheinlich planten die vier ihren nächsten Streich, und wenn Sally davon wusste könnte sie dafür sorgen, dass sie, Charly und Simon am anderen Ende des Schlosses waren! Sally blieb an der Tür stehen und lauschte an dem kleinen Spalt. Doch die vier sprachen so leise und schnell, dass sie überhaupt nichts verstehen konnte. Sie wollte noch ein Stück näher ran, doch im nächsten Moment lag sie schon in dem beinah leeren Klassenzimmer auf dem Boden. Hinter sich hörte sie ein Gackern, das wohl nur zu Peeves gehören konnte. Und den Kreidestückchen nach zu urteilen, die nach ihr geworfen wurden, gab es wohl keinen Zweifel mehr. Gackernd und irgendeinen Blödsinn singen flog der Poltergeist wieder davon und Sally lag nun im wahrsten Sinne des Wortes im Schlamassel. Etwas verwirrt wurde sie von den vier Burschen angestarrt, bis schließlich George aufstand und ihr auf die Beine half. »Danke«, murmelte sie und klopfte sich etwas Staub von den Klamotten. Nachdem sich George schließlich gesetzt hatte - inzwischen konnte sie die Zwillinge nämlich so irgendwie auseinanderhalten, da George ein kleines Muttermal am Kinn hatte, welches Fred nicht vorweisen konnte - sah Sally zu den vieren um sie erstmal zu grüßen. Vor ihnen auf dem Tisch lagen Haufen von Pergament und auf einem davon bewegten sich doch tatsächlich kleine Füße!

Der Schwarzhaarigen klappte der Mund auf und sie hatte schon wieder vergessen was sie eigentlich sagen wollte. »Was zum Teufel?« Ungefragt trat sie vor und beugte sich über Georges Schulter. »Was ist das?« Die vier wechselten einen kurzen Blick, bevor Michail schließlich grinsend das Wort ergriff. »Das ist die Karte des Rumtreibers.« Sally hob den Kopf und starrte ihn verwirrt an. »Wie bitte, was?« »Die Karte des Rumtreibers«, wiederholte er und grinste wieder. Die Gryffindor blickte wieder auf das Pergament und langsam dämmerte es ihr. »Das… das ist doch Hogwarts!« Michail nickte, doch das nahm sie gar nicht wahr. »Verdammt… das gibt´s doch nicht. Wo habt ihr das Ding bitte her?« Man konnte einfach jeden sehen! Egal wo er war. Und Sally hatte wohl Recht behalten, denn der kleine Punkt, der den Namen ›Charlotte Mason‹ trug, bewegte sich nicht vom Fleck und befand sich im Slytherinmädchenschlafsaal. ›Emily Carter‹ und ›Simon Carter‹ verließen gerade Gewächshaus Nummer 1 und gingen zurück Richtung Schloss. Fred und George hatten inzwischen begonnen ausführlichst zu erzählen, wie sie zu der Karte kamen. Anscheinend hatten sie sie aus Filchs Büro geklaut, bei dem sie ihre Starfarbeit absitzen mussten, die Snape ihnen aufgehalst hatte, nachdem sie Michails Kessel geschmolzen hatten. Sally konnte den Blick gar nicht mehr von der Karte abwenden. ›Albus Dumbledore‹ lief in seinem Büro auf und ab. ›Minerva McGonagall‹ war mit ›Filius Flitwick‹ und ›Pomona Sprout‹ im Lehrerzimmer. »So habt ihr es also geschafft, dass ihr mir nachstellt.« Sally setzte sich auf einen freien Platz zwischen den Zwillingen - Lee hatte inzwischen die Tür geschlossen und so hatten sie ihre Ruhe. Dank der Karte wusste sie, dass ›George Weasley‹ zu ihrer linken saß. Sie fixierte den kleinen Punkt, der den Namen ›Sally Tonks‹ trug. Für einen kurzen Moment beschleunigte sich ihr Herzschlag. Sie hatte gar nicht daran gedacht, was gewesen wäre wenn… Doch ihre Gedanken wurden schnell unterbrochen, als Fred ihr schließlich eine Antwort gab: »Ja, das war ziemlich lustig. Du hättest mal dein Gesicht sehen sollen. Aber du warst nicht unser einziges Opfer. Percy ist beinahe durchgedreht, ich dachte schon er schreibt Mum und Dad, damit er vorzeitig in die Ferien gehen darf.« Ein spitzbübisches Grinsen zierte sein Gesicht, was Sally nur die Augen verdrehen ließ.

»Und was ist das alles?«, fragte sie schließlich weiter und deutete auf den ganzen anderen Pergamentkram. »Oh, nur ein paar Ideen für Streiche«, meinte George lässig und lehnte sich zurück. Neugierig wie sie war, stellte sie sogleich die nächste Frage: »Was plant ihr als nächstes?« Die Zwillinge wechselten einen kurzen Blick, bevor George fortfuhr. »Als erstes wollten wir Percys Klamotten verstecken, wenn er unter der Dusche steht. Irgendwo im Gemeinschaftsraum aufhängen, das wird ihn freuen.« Er rieb sich die Hände und ein siegessicheres Grinsen lag auf seinem Gesicht. »Wieso werft ihr seine Sachen nicht raus in den Schnee? Es zieht sowieso jeden nach draußen, im Schloss versäumt Percy ja was. Und ihr könntet ihm ja noch eine Stinkbombe in seinen Koffer legen und eines eurer komischen Frisbees nachwerfen«, schlug Sally vor und legte die Unterarme auf den Tisch. Irgendwie war das schon ziemlich gemein. Andererseits war Percy Weasley ein wirklich lästiger Mensch. Und vielleicht würde ihn das mal für zwei Tage ruhig stellen. Sally musste zugeben, dass es irgendwie ganz witzig war sich Streiche zu überlegen. Michail, der ihr gegenüber saß, hatte die Unterarme ebenso auf den Tisch gelegt und warf ihr einen verwunderten, aber dennoch amüsierten Blick zu.

»Ich seh schon, das kleine Löwenmädchen hat Potenzial.« Er ließ sie nicht aus den Augen, als er das sagte, was ihr irgendwie unheimlich war. Dennoch gab sie frech zurück: »Dankeschön, Schlange

Ein unerwarteter Besuch

»Ich bin fertig.«

»Gut, und das nächste Mal überlegst du dir vielleicht vorher, ob du etwas anstellst.«

Diese schmierige Stimme, ließ Sally nur die Augen verdrehen.

Mr. Filch überließ Sally sich selbst und verschwand aus dem Pokalzimmer. Mit zusammengezogenen Augenbrauen warf sie ihm einen bösen Blick hinterher, bevor sie sich abwandte und in die andere Richtung verschwand. Es war schon spät und draußen war es dunkel. Man merkte deutlich, dass die Tage immer kürzer wurden. Mit schnellen Schritten marschierte die Gryffindor Richtung Gemeinschaftsraum.

»Hey, warte!«

Sally fuhr erschrocken herum und konnte einen Weasleyzwilling in dem dunklen Gang ausmachen. Die Schwarzhaarige blieb stehen. »Na auch gerade fertig geworden?«, fragte Fred als er neben ihr zum Stehen kam. Augenverdrehend meinte sie: »Ja. Filch hat mich die Ehrenmedaille von Mr. Tom Riddle, die ihm für besondere Dienste um die Schule verliehen wurde, mindestens fünf Mal polieren lassen.« Kopfschüttelnd grummelte sie irgendetwas vor sich hin und setzte gemeinsam mit ihrem Klassenkollegen den Weg fort. »Wie war's bei dir?« Der Rotschopf seufzte theatralisch. »Auch nicht gerade besser. McGonagall hat mich irgendwelche grausigen kleinen Tierchen sortieren lassen, die Professor Kettleburn für Pflege magischer Geschöpfe braucht. Aber nicht um sie zu untersuchen, sondern um sie an größere, grausige Tierchen zu verfüttern. Keine Ahnung wieso ich sie sortieren sollte, aber bitte. Eines dieser Mistviecher hat mich gebissen, aber McGonagall hat mir nur lieblos ein Pflaster gegeben anstatt mich in den Krankenflügel zu schicken. Schau mal.« Fred hielt ihr seinen rechten Zeigefinger vor die Nase, der ganz angeschwollen und etwas grün war. Sally verzog das Gesicht. »Das solltest du dir vielleicht ansehen lassen.« Er zuckte nur mit den Schultern und legte ihr grinsend einen Arm um die Schulter. »Aber ich muss sagen, es hat sich trotzdem gelohnt.«

Ja, da hatte er recht. Es hatte sich wirklich gelohnt!
 

Percy war nur mit einem Handtuch und Socken bekleidet durch den Gemeinschaftsraum gelaufen und hatte wild herumgefuchtelt und herumgeschrieen. Vom Jungenschlafsaal der Drittklässler war ein übler Gestank in den Gemeinschaftsraum gedrungen und Sally und Lee waren in einer Ecke gesessen und hatten geheult vor Lachen. Sie hätten beinahe versäumt, dass sie ihre beißenden Frisbees abschossen. Percy war schreiend nach draußen gelaufen und hatte sich in der Toilette im 7. Stock versteckt, bis Professor McGonagall die Party unterbrochen hatte, weil sie Percys Klamotten draußen liegen gesehen hatte. Sie hatte Sally, Lee, Fred und George jeweils 20 Punkte abgezogen und jeden zu einer Strafarbeit verdonnert. Auch wenn sich Sally sicher war, dass sie ein Zucken um die Mundwinkel ihrer Hauslehrerin gesehen hatte, war diese ziemlich wütend gewesen. Obwohl wütend wahrscheinlich nicht mal eine angemessene Bezeichnung gewesen war.

Die 80 verlorenen Punkte für Gryffindor waren dem ganzen Haus so gut wie egal, denn der Anblick des schreienden Weasleys hatte alle amüsiert. Charly hatte sich noch Tage später darüber beschwert, dass sie nicht dabei gewesen war, während Simon und Micha nicht aufhören konnten über diese brillante Idee zu schwärmen. Sally war begeistert, dass sie nun alle irgendwie sowas wie Freunde waren, auch wenn Charly nicht so begeistert gewesen war, dass sie nun mit vier Gryffindors durch die Gegend lief. Aber sie hatte sich wohl ziemlich schnell daran gewöhnt - denn eigentlich konnte die Rothaarige sowieso nichts dagegen tun.

Weihnachten rückte immer näher und die Hauslehrer hatten in ihren jeweiligen Häusern eine Liste ausgehängt, in der sich alle Schüler eintragen konnten, die über Weihnachten in Hogwarts blieben. Die Weasleyzwillinge, Lee, und Micha hatten sich sofort eingetragen, doch Sally zögerte noch etwas. Sie wusste noch nicht ob sie nach Hause fahren sollte oder nicht und würde mit ihrer Schwester erstmal darüber sprechen. Charly hatte noch keine Entscheidung getroffen und Simon und seine Schwester würden auch nach Hause fahren.

»Hey, Dora!« Sally kam gerade aus Zauberkunst und hatte einen rosafärbigen Haarschopf gesehen, und das konnte nur Nymphadora sein. Sie eilte ihrer Schwester hinterher, welche am Ende des Flurs auf sie wartete. »Na? Habt ihr wieder mal die Klamotten von irgendwem versteckt?« Die Ältere grinste breit und Sally verdrehte nur belustigt die Augen. »Haha … aber was anderes - ich weiß nicht ob ich Weihnachten hier bleiben soll oder nicht.« Sie verzog das Gesicht und ging mit ihrer Schwester hinunter Richtung Große Halle zum Mittagessen. »Also ich kann dir nur so viel sagen: Weihnachten in Hogwarts ist toll. Aber Mum freut sich auch, wenn du nach Hause kommst. Du hast ja noch etwas Zeit, überleg es dir und sag mir dann Bescheid, denn ich weiß es ehrlich gesagt auch noch nicht«, gab Dora lachend zu. Sally ging hinüber zum Gryffindortisch, setzte sich zwischen die Zwillinge und verfiel in Schweigen. Es war eine schwierige Entscheidung - die meisten ihrer Freunde blieben hier und hatten sicher unheimlichen Spaß. Und was wenn sie nach den Ferien nicht mehr mit ihr befreundet sein möchten? Das wäre auch ziemlich doof … Andererseits hatte sie ihre Eltern schon lange nicht mehr gesehen und sie hatte ihnen so viel zu erzählen. Und mit Mika könnte sie sich auch wieder treffen. Es war zum Haare raufen.
 

Doch schon am nächsten Tag wurde der jungen Gryffindor die Entscheidung abgenommen. Als beim Frühstück die Posteulen hereingeflogen kamen, steuerte eine schöne Schleiereule auf Sally zu und ließ sich vor ihrer Müslischüssel nieder. Sofort erkannte sie die Handschrift ihrer Mutter auf dem Umschlag und schnell band sie den Brief los. Die Eule stibitzte sich etwas von Sallys Müsli, doch das bekam diese schon gar nicht mehr mit. Ihre Mutter würde ihr sicher helfen können bei ihrer Entscheidung! Sally überflog den Brief und eine ihrer Augenbrauen wanderte nach oben.
 

Liebe Sally,
 

Bald ist Weihnachten und ich kann mir denken, dass Professor McGonagall bereits die Listen ausgehängt hat. Ich weiß, dass du liebend gerne in Hogwarts bleiben und mit deinen Freunden etwas unternehmen würdest und ich wäre dir auch nicht böse, ich hoffe du weißt das. Allerdings haben dein Vater und ich gerade sehr gute Neuigkeiten erhalten und wir erwarten um Weihnachten Besuch von einer Person, die dich gerne kennenlernen würde. Wir würden uns also alle freuen, wenn du und auch Nymphadora nach Hause kommen würdet. Schickt mir eure Antworten eulenwendend.
 

Ich hab euch lieb,

Mama
 

Etwas verwirrt starrte sie auf das Stück Pergament. Wer in Gottes Namen wollte sie denn bitte kennenlernen? Und die größere Frage war: Wollte sie diesen Jemand auch kennenlernen? Ehrlich gesagt bezweifelte sie es. Wie mechanisch stand sie auf und ging hinüber zum Hufflepufftisch. Sie hatte ihre Schwester schnell gefunden und ohne ein großes Wort hielt sie ihr den Brief unter die Nase. Nymphadora schien genauso verwirrt zu sein wie sie, meinte aber: »Na dann werden wir nach Hause fahren, oder?« Sally zuckte mit den Schultern und nickte langsam. »Ja, ich denke schon.« »Gut, ich muss ohnehin hoch zur Eulerei, ich schicke Mum ne Antwort.«
 

Die Tage bis zu den Ferien wurden immer weniger und schon bald hatten sie den letzten Schultag erreicht. Im Unterricht passte niemand mehr auf und die Lehrer gaben den kläglichen Versuch um die Aufmerksamkeit der Schüler zu ringen, schlussendlich doch auf. In ihrer letzten Stunde Zauberkunst spielte Sally mit Fred eine Runde Zauberschnippschnapp. »Und du fährst heute nach Hause?« »Ja. Keine Ahnung aber Mum meinte, dass wir Besuch bekommen. Was weiß ich. Charly fährt auch nach Hause, oder?« Fred nickte nur. Die Mason hatte so lange überlegt, bis die Listen abeghängt worden waren. Und dann hatte sie gemeint, dass sie ohnehin nach Hause fahren wollte. »Wieso fahren du und George eigentlich nicht?« »Mum hat uns nach der Sache mit Percy einen Heuler geschickt und gesagt sie dreht uns den Hals um, wenn sie uns das nächste Mal sieht. Wir hoffen einfach, dass sie es bis zum Jahresende vergessen hat. Außerdem besuchen unsere Eltern, Ron und Ginny unseren Bruder Charlie in Rumänien«, erklärte Fred und im nächsten Moment explodierten die Karten und flogen quer durchs Klassenzimmer. Eine Karte landete auf dem erschrocken wirkenden Professor Flitwick, der auf seinem Bücherstapel stand und irgendwelche Geschichten erzählte.

Im ganzen Schloss war die Aufregung zu spüren. Alle freuten sich auf die lang ersehnten Ferien, Schüler wie auch Lehrer. Sally hatte ihren Koffer noch vor dem Mittagessen gepackt und beobachtete nun, mit vor Nervosität zappelnden Füßen, wie George und Lee Zauberschach spielten. Fred versuchte unterdessen eines der beißenden Frisbees so zu verzaubern, dass es zwischen den Beißgeräuschen Weihnachtslieder trällerte. Als es schließlich zwei Uhr wurde, sprang Sally wie von der Tarantel gestochen auf und lief nach oben in den Schlafsaal um ihren Koffer nach unten zu tragen. Angelina Johnson, Alicia Spinnet, Sophie Martin und Vicky Frobisher fuhren ebenso nach Hause und hatten ihre Koffer bereits zum Mittagessen nach unten getragen. Sally hievte den schweren Koffer nach unten und lief dann noch einmal nach oben um sich ihren dicken Winterumhang umzuwerfen. Sie hatte überlegt den Eulenkäfig ebenso mitzunehmen, doch Oliver würde ohnehin entweder unterwegs sein oder in der Eulerei bleiben. Und sonst würde er es ohne seinen Käfig auch überleben, davon war sie überzeugt.

»Sollen wir helfen?«, fragte George breit grinsend und lehnte sich lässig an den Koffer als Sally wieder in den Gemeinschaftsraum trat. »Das wäre durchaus äußerst nett Mr. Weasley.« Sally strahlte die beiden Rothaarigen an, als diese jeder ein Ende von dem Koffer ergriffen und Richtung Porträtloch spazierten. Lee, der gerade noch sein Zauberschachspiel weggeräumt hatte, rief quer durch den Gemeinschaftsraum: »Hey, wartet auf mich!« Sally blieb stehen und wandte sich zu dem Jordan um, der einen Slalom der elegantesten Klasse hinlegte um den nicht allzu großen Raum zu durchqueren.

In der Eingangshalle warteten bereits Charly, Simon und Michail auf sie. Nicht weit weg stand Simons Schwester Emily mit ihren beiden Freundinnen Catriona Callahan und Marlena Ebdon, die wohl auch beide nach Hause fahren würden. Neben den drei Mädchen stand ein etwas größerer Junge an seinen Koffer gelehnt und starrte Löcher in die Luft. Sally erkannte ihn als einen Zweitklässler aus Gryffindor, mit dem sie allerdings noch nie ein Wort gewechselt hatte. Und seinen Namen kannte sie auch nicht, weshalb sie sich fragte was er hier tat und ob er sich vielleicht verirrt hatte. »Dann fahren wir also nach Hause«, begrüßte Charly die Gryffindors grinsend. »Sieht so aus«, stimmte Sally ihr zu. Inzwischen freute sie sich schon auf daheim. Auf ihre Eltern … auf ihre Katze Klio … auf Mika und Sergej. »Na dann sehen wir uns wohl nach den Ferien«, meinte die Slytherin an die Jungs gewandt und umarmte sie kurzerhand der Reihe nach. Nur allzu gerne hätte Sally ein Foto von dieser Situation geschossen, denn vor allem Micha sah aus, als wäre er am liebsten wo anders. Mit einem mehr als breiten Grinsen, begnügte sich die Gryffindor damit einmal in die Runde zu winken und ein »Frohe Weihnachten und schöne Ferien!« zu rufen. Gemeinsam mit ihren beiden Freunden, Emily und deren Freunde, wanderte Sally nach draußen, wo es bitterkalt war. Eine große Gruppe an Schülern war bereits vor dem Schloss versammelt und wartete wohl auf irgendetwas. Sally nutzte den Moment um sich ihren Schal um den Hals zu wickeln, die Mütze tief ins Gesicht zu ziehen und in ihre Handschuhe zu schlüpfen. Charly und Simon taten es ihr gleich. Die Gryffindor musste lachen, als sie sich zu den beiden umwandte. Beide waren so vermummelt, dass man nur mehr die Augen ausmachen konnte - Charly in Slytheringrün und Simon in Hufflepuffgelb. Es war ein doch sehr groteskes Bild um mal ehrlich zu sein. Gerade wollte Sally etwas sagen, als ihre Schwester breit grinsend auf sie zu kam. »Na wen haben wir denn da?« Sie umarmte Sally kurz und kramte dann in ihrer Umhangtasche. »Stellt euch mal zusammen«, forderte Dora auf, was die drei nur einen fragenden Blick tauschen ließ. »Mum hat mir vor zwei Wochen meine Kamera nachgeschickt und ich hab bisher immer vergessen ein Foto von euch Dreien zu machen«, erklärte sie dann auf die nicht gestellte Frage. Sally, Simon und Charly rückten zusammen und blickten in die Kamera. Ein breites Lächeln lag auf Sallys Gesicht, obwohl man das ja eigentlich gar nicht sah, nachdem sie ihren Schal so weit hochgezogen hatte. Sie hoffte einfach mal, dass sie nicht allzu sehr wie ein Chinese aussehen würde…

Es dauerte nicht lange, bis mehrere Kutschen angefahren kamen. Als Sally sich danach umdrehte um Charly und Simon zu folgen, hielt sie jedoch abrupt inne. »Was zum…?« Vor jeder Kutsche waren zwei … ja was waren es? Eine sehr seltsame Art Pferde, wie Sally fand. Sie hatten Flügel, waren groß und hatten eine schwarze, ledrige Haut. Etwas zaghaft machte Sally ein paar Schritte nach vorne nachdem Charly nach ihr gerufen hatte, doch diesen Tieren galt im Moment ihre ganze Aufmerksamkeit. Die schwarze Haut spannte sich so über den Körper, dass Sally jeden einzelnen Knochen hätte zählen können. »Das sind Thestrale«, murmelte ihr Nymphadoras Stimme ins Ohr und sie schrak zusammen. Sally wandte sich fragend zu ihrer Schwester um, die in irgendeine Richtung blickte, aber nur nicht auf die Pferde. »Aber … aber wieso … Charly und Simon?« Die beiden saßen bereits in der Kutsche und machten keine Anstalten sich die faszinierenden Tiere anzusehen. »Wieso interessiert die das nicht?« Sally hatte noch nie in ihrem Leben solche Tiere gesehen und verstand nicht, wieso man nicht inne hielt und sie sich ansah. Und Charly und Simon schienen inzwischen schon ziemlich ungeduldig zu sein, denn Charly trommelte schon zum vierten Mal gegen die Scheibe. Nymphadora schob Sally vor sich her und half ihr den Koffer in die Kutsche zu hieven, bevor sie selbst mit ihrem Koffer einstieg. Immer noch etwas verwirrt sah Sally zu ihrer Schwester hinüber. »Die beiden können sie nicht sehen. Und ich übrigens auch nicht.« »Was können wir nicht sehen?«, platzte Charly sogleich heraus. »Die Thestrale.« »Die bitte was?« Charly sah Dora verständnislos an und hob fragend die Augenbrauen.

Nymphadora sah in die fragenden Gesichter und grinste schließlich. »Glaubt ihr etwa die Kutschen fahren von selbst?« Charly und Simon warfen sich einen kurzen Blick zu und der Hufflepuff meinte schließlich kleinlaut: »Eigentlich hatten wir das schon geglaubt…« Sally war immer noch verwirrt. Wieso konnten Charly, Simon und anscheinend Nymphadora die Tiere nicht sehen und sie schon? Ihre Schwester schien ihre Gedanken zu lesen, denn schon sprach sie weiter: »Man kann einen Thestral nur sehen, wenn man jemanden sterben gesehen hat.«

Bumm.

Wie eine Bombe hatte dieser Satz eingeschlagen.

Sally spürte Charlys und Simons Blicke auf sich, doch sie reagierte nicht, sah immer noch in Doras heute haselnussbraunen Augen.

Die Stille war zum Zerreißen gespannt und ein mehr als ungutes Gefühl breitete sich in ihrer Magengegend aus. Sie hatte jemanden sterben gesehen. Natürlich. »Mein Eltern«, sagte sie leise und Dora nickte langsam.
 

Die restliche Fahrt mit der Kutsche war sehr unangenehm gewesen. Simon und Dora hatten sich über Quidditch unterhalten, Charly hatte ihren Kater gestreichelt und Sally hatte immer wieder nachdenkliche Blicke nach draußen auf die Thestrale geworfen. Ob es an Hogwarts viele Schüler gab, die sie sehen konnten? Als die Kutschen schließlich am Bahnhof Hogsmeade anhielten, hatte es draußen zu schneien begonnen. Zu viert hatten sie es schließlich irgendwie geschafft die schweren Schrankkoffer nach draußen zu hieven. Der Hogwartsexpress stand bereits im Bahnhof und weißer Rauch stieg aus der Lok. Nymphadora half den drei Erstklässlern die Koffer in den Zug und in einem freien Abteil auf die Gepäckablage zu hieven. Während sich Sally, Simon und Charly hinsetzten, die Schuhe auszogen und die Füße hochlegten, verabschiedete sich Nymphadora um nach ihren Freunden zu suchen. Es war komisch wieder im Hogwartsexpress zu sitzen. Wieder mit Simon in einem Abteil - nur dieses Mal war auch Charly dabei. Und wie auch bei ihrer letzten Reise mit dem Zug, hatte Simon keine Ahnung wo seine Schwester hingekommen war. Emily hatte mit ihren beiden Freundinnen und dem Jungen von vorhin eine Kutsche genommen und war viel früher am Bahnhof gewesen.

»Wie schön, dass wir endlich Ferien haben«, meinte Charly und seufzte erleichtert auf. Sally nickte zustimmend. Ja, es war schon eine ziemliche Erleichterung. Auch wenn ihr das Schuljahr - vor allem die letzten paar Wochen - ziemlichen Spaß gemacht hatten. Simon überredete Sally schließlich dazu mit ihm Zauberschach zu spielen. Charly rief immer wieder irgendwelche Anweisungen dazwischen um ihr zu helfen, doch Sally machte genau das Gegenteil, was ihr mehr tote Bauern einbrachte als bei sonst einem Spiel gegen Simon. »Hättest du halt mal auf mich gehört«, meinte Charly, als die beiden das Spiel wegräumten und Simon breit grinste. »Also ich find's gut, wenn du immer genau das machst, von dem Charly sagt, dass du es nicht machen sollst. Zieh nicht so ein Gesicht«, versuchte er sie aufzuheitern, konnte sich allerdings ein lautes Lachen nicht verkneifen. »Ich hasse euch«, murrte Sally, stimmte aber bald in das Lachen Simons ein. »Ich weiß, Sal. Ich spendier dir dafür 'nen Schokofrosch«, versprach der Hufflepuff. »Oh bekomm ich auch einen?«, fragte Charly und ihre Augen glitzerten vor Begeisterung als Simon nickte.

Als die alte Dame mit dem Servierwagen ihre Abteiltür öffnete, kauften die drei Erstklässler so gut wie alle Schokofrösche, die es noch gab. Vorsorgend, wie Simon war, kaufte er für sich und seine beiden Freundinnen jeweils eine Kürbispastete, damit sie sich nicht nur von Schokolade ernährten. Die restliche Zugfahrt verging so schnell, dass es den Dreien so vorkam, als wären sie erst eine halbe Stunde unterwegs. Charly hatte vorgeschlagen über jedem in ihrem Jahrgang ein Gerücht zu erfinden - auch wenn Sally und Simon zuerst nicht sehr begeistert davon gewesen waren, so hatten sie sich schnell überreden lassen. Die drei hatten selten so gelacht und alle drei hatten ziemliche Bauchschmerzen vor Lachen - was natürlich nicht annähernd von der vielen Schokolade kam.

»Wisst ihr, ihr werdet mir irgendwie fehlen«, meinte Charly als sie nach draußen blickte. Es war stockdunkel und sie würden London wohl bald erreichen. »Was heißt hier ›irgendwie‹?«, gab Simon gespielt beleidigt zurück. Charly streckte ihm die Zunge entgegen. »Nein, ich meine das ernst. Ich hätte mir nicht gedacht, dass … « Es fiel ihr sichtlich schwer ihre Gedanken in Worte zu fassen. Sally warf Simon einen kurzen Blick zu, doch keiner der beiden sagte etwas. » … naja, dass ich so gute Freunde finde«, beendet Charly ihren Satz schließlich kleinlaut. »Aaaaawww!«, riefen Sally und Simon gleichzeitig aus, standen auf, setzten sich jeweils links und rechts von Charly hin und umarmten sie gleichzeitig. »Was ist denn hier los?«, fragte eine belustigte Stimme von der Abteiltür her. Die drei wandten sich zu Nymphadora um und Charly meinte schließlich: »Na die bringen mich um, wonach sieht´s denn aus?« Nymphadora lachte auf. »Ich hab nichts gesehen, sollte jemand fragen. Aber ihr solltet euch langsam fertig machen, wir sind gleich da.« Und mit diesen Worten ließ sie die drei wieder alleine. Simon stand auf und streckte sich durch. »Freu ich mich schon auf mein Bett.« Er schlüpfte in seinen dicken Winterumhang, band sich den Schal um Hals und Mund und zog seine Mütze tief ins Gesicht. Die beiden Mädchen taten es ihm gleich und so warteten die drei Freunde nur mehr darauf, dass der Zug anhielt.

»Vielleicht können wir uns ja mal treffen?«, schlug Simon schließlich vor, als der Zug immer langsamer wurde. Sally sah zwischen den beiden hin und her und grinste. »Find ich eine gute Idee, ehrlich gesagt. Charly?« Die Rothaarige wiegte den Kopf kurz hin und her, als müsste sie überlegen, ob sie überhaupt noch einen freien Termin für ihre Freunde hätte - dann lachte sie leise und meinte: »Natürlich, machen wir das. Ich dachte schon ihr würdet nie fragen.« Sie zwinkerte und stieg dann auf die Bank um die Koffer von der Gepäckablage zu holen. Sally und Simon nahmen die drei Koffer und den Katzenkäfig entgegen. Nachdem Charly ihren Kater eingesperrt hatte, schleiften die drei ihre schweren Schrankkoffer hinaus in den Gang, der schon überfüllt mit aufgeregt quasselnden Schülern war. Es dauerte eine ganze Weile, bis die drei es schafften sich hinaus auf den Bahnsteig zu kämpfen. Und noch länger dauerte es einen Platz zu finden, auf dem nicht eine Horde Menschen standen. In einer Ecke entdeckten sie schließlich Simons Schwester Emily, die sich noch mit Marlena Ebdon unterhielt. Die drei kamen neben den beiden Mädchen zum Stehen und erst jetzt wandten sich zwei Erwachsene zu ihnen um, die ganz offensichtlich die Eltern der Carters waren. Simon stellte Sally und Charly seinen Eltern vor und die beiden wurden herzlichst begrüßt und sofort eingeladen in den Ferien mal vorbeizukommen. Sally und Charly umarmten Simon zum Abschied und wünschten der Familie noch Fröhliche Weihnachten, als sie sich verabschiedeten und das Gleis 9 3/4 verließen.

Der Bahnsteig wurde immer leerer und jetzt erst entdeckte Sally ihre Eltern und ihre Schwester, die bereits auf die beiden Mädchen zukamen. »Mum! Dad!« Sally ließ ihren Koffer stehen und lief auf ihre Eltern zu. Sie umarmte die beiden fest und strahlte übers ganze Gesicht. Erst jetzt merkte sie, wie sehr sie die beiden vermisst hatte. »Hallo, Liebes. Alles gut bei dir? Wir haben dich vermisst.« Ihr Vater drückte ihr einen Kuss auf die Stirn und lächelte sie liebevoll an. »Ich hab euch auch vermisst.« Andromeda drückte ihre Schulter kurz und meinte dann: »Komm, es ist schon spät. Wir sollten nach Hause fahren.« Sally nickte und wandte sich um, um ihren Koffer zu holen, der immer noch neben Charly stand. Inzwischen war niemand mehr auf dem Bahnsteig, außer der Familie Tonks und Charly. Sally ging hinüber zu ihrer Freundin, die sie künstlich anlächelte. »Tja, ich schätze, sie haben mich wieder mal vergessen.« Charly zuckte teilnahmslos mit den Schultern, doch Sally hörte den traurig enttäuschten Unterton in ihrer Stimme. Die Schwarzhaarige biss sich auf die Unterlippe und senkte den Blick. »Na los, fahr nach Hause. Deine Eltern warten schon. Irgendwann wird schon jemand kommen«, versuchte Charly ihre Freundin zu beschwichtigen, doch Sally schüttelte nur den Kopf. »Nein, ich kann dich schlecht hier alleine stehen lassen. Sonst stellst du nur irgendeinen Blödsinn an.« Die Slytherin lachte. »Ich bin ja nicht du. Vergiss es, Sal. Ich werd einfach mit dem nächsten Zug nach Oxford fahren, und die Sache ist gegessen.« Doch sie beide wussten, dass die Sache nicht gegessen war - Charly hatte erstens kein Muggelgeld und zweitens fuhren um diese Zeit bestimmt keine Züge mehr nach Oxford.

»Du kannst mit uns mitkommen, wenn du magst.«

Die freundliche Stimme von Sallys Mutter mischte sich in das Gespräch mit ein. Andromeda hatte die letzten paar Worte gehört und sie würde auf keinen Fall eine Elfjährige alleine auf einem Bahnhof in London stehen lassen. Das war so gar nicht ihre Art. »D … das würden Sie wirklich?« Charly hatte es kurzzeitig die Sprache verschlagen - ihre Stimme zitterte und Tränen glänzten in ihren Augen. »Natürlich. Wir schicken deinen Eltern eine kurze Nachricht, wenn wir zu Hause sind. Du kannst im Gästezimmer schlafen und sie können dich jederzeit abholen kommen. Und wenn sie nicht kommen, oder du nicht nach Hause willst, kannst du auch bei uns bleiben.« Andromeda lächelte der Rothaarigen aufmunternd zu und Sally strahlte ihre Mutter an, bevor sie aufgeregt in die Hände klatschte. »Gut, dann ist das beschlossene Sache!« Begeistert wandte sie sich wieder zu Charly um, die etwas überfordert mit der Situation schien. »Das ist … wirklich sehr nett von Ihnen. Vielen Dank.« Die Röte stieg ihr ins Gesicht und ihre Wangen hatten nun beinahe die gleiche Farbe, wie ihre Haare. »Kein Problem. Charly, richtig? Nun kommt aber jetzt, ihr friert bestimmt.« Schnell wischte Charly sich die Tränen aus den Augenwinkeln und zog ihren Koffer hinter sich her nach draußen. »Und was ist mit Mire?«, flüsterte sie Sally nervös zu. So ganz schien die Mason wohl noch nicht überzeugt zu sein. »Darf der bei euch rumlaufen?« Sally schenkte ihr ein Lächeln und meinte beruhigend: »Natürlich. Wir haben auch eine Katze - die beiden verstehen sich sicher prächtig.« Die Gryffindor konnte förmlich hören, wie Charly ein Stein vom Herzen fiel.
 

»Mädchen aufstehen! Frühstück ist fertig!«

An diesem Morgen fielen keine Sonnenstrahlen durch Sallys Vorhänge. Draußen schneite es seit Stunden ununterbrochen. Es war zwar bereits Mittag, doch das ganze Haus war bis vor einer halben Stunde noch im Tiefschlaf versunken gewesen. Andromeda hatte für Sally, Charly und Nymphadora in der Nacht noch eine heiße Schokolade gemacht - kein Wunder also, dass die drei Mädchen nicht so schnell daran gedacht hatten schlafen zu gehen.

Mit einem Seufzen raffte sich Sally auf und schlüpfte in eine bequeme Hose und ein T-Shirt. Während dem Hinausgehen zog sie sich ihren Pullover über den Kopf und wäre beinahe in die geschlossene Tür hinein gelaufen. Etwas übermütig riss die Gryffindor die Tür auf und stand eine verwirrt wirkenden Charly gegenüber. »Guten Morgen«, flötete Sally vergnügt und umarmte Charly zur Begrüßung. Es war irgendwie komisch Charly hier zu wissen. Andererseits war Sally aber auch mehr als erleichtert, dass sie wirklich wusste wo ihre Freundin war - immerhin wusste niemand ob und wann ihre Eltern aufgetaucht wären. Die beiden Freundinnen gingen hinunter zum Frühstück - im ersten Stock stieß eine verschlafene Nymphadora zu ihnen und begleitete sie nach unten.

Schon im Flur roch es köstlich nach frischen Croissants und frisch gekochtem Tee. Als die drei das Esszimmer betraten, staunte Sally nicht schlecht. Ihre Mutter hatte sich mal wieder selbst übertroffen. Der Tisch war reichlich gedeckt, mit allem was das Herz begehrte. Das Bücherregal, das über der Bank hing, zierten einige Girlanden, an denen kleine, glitzernde Schneebälle hingen. Aus dem Radio, das Andromeda auch sehr weihnachtlich dekoriert hatte, schallten wohl sämtliche Weihnachtslieder, die es auf der Welt gab, und durchfluteten das ganze Haus mit Weihnachtsstimmung.

Nachdem Sally und Charly ungefähr eine Stunde mit Essen verbracht hatten, zogen sie sich einen Skianzug an und gingen nach draußen um einen Schneemann zu bauen. Da Sally und Nymphadora nie die gleichen Maße gehabt hatten - sehr zum Leidwesen ihrer Mutter - hatte Andromeda den alten Skianzug von Dora für Charly bereit gestellt. Er war ihr zwar etwas zu groß, erfüllte aber seinen Zweck. Es schneite immer noch, doch nicht mehr ganz so heftig wie in der Nacht. »Haben sich deine Eltern schon gemeldet?«, fragte Sally vorsichtig, als sie gerade dabei war Charly zu zeigen, wie man die Kugel am besten durch den Schnee rollte. Ihre Freundin hatte wirklich noch nie einen Schneemann gebaut! Wo gab es denn so etwas… Sally richtete sich auf und legte den Kopf schief. Die Slytherin war schon die ganze Zeit so still, was Sally von ihr überhaupt nicht gewohnt war. »Jaaa…«, gab sie langsam zurück, wich Sallys Blick aus und kratzte sich etwas Schnee von den Handschuhen. »Mein Dad ist auf Geschäftsreise - wieder einmal - und er hatte vergessen mir Bescheid zu geben oder meinen Onkel zu informieren. Der ist inzwischen irgendwo in Südfrankreich.« Charly verdrehte die Augen, sah Sally aber immer noch nicht direkt an. »Und meine Mum hat nur gesagt, dass ich mich anständig benehmen soll, damit sie sich nicht schämen muss. Und anscheinend ist sie heute Morgen nach Thailand gereist - sie meinte sie brauchte mal etwas Freizeit und Abstand.« Charlys Worte waren leise, doch Sally verstand jedes Wort. Der Anblick, wie die sonst so toughe Charlotte Mason da stand, an ihren Handschuhen herumzupfte und versuchte die dicken Tränen zu verbergen, die ihr über die Wangen kullerten, trieb Sally selbst die Tränen in die Augen. Mit zwei schnellen Schritten hatte sie ihre Freundin erreicht und zog sie fest in die Arme. »Das tut mir so leid, Charly.« Sally wusste eigentlich nichts über Charlys Familie, da sie nicht gerne darüber sprach. Sie wusste nur, dass ihr Vater für Gringotts arbeitete, viel unterwegs war und sehr viel Geld verdiente, das ihre Mutter nur zu gerne ausgab. Und was sie auch wusste war, dass Charlys bisher einziger Freund der Hauself Dibo gewesen war. »Das muss es dir nicht. Ich bin selbst Schuld, dass ich mir Hoffnungen gemacht habe, dass es dieses Jahr anders werden könnte. Ich hätte einfach in Hogwarts bleiben sollen …« Charly hob den Kopf und lächelte gezwungen. »Danke, dass ich hier bleiben darf. Das ist wirklich sehr nett von euch.« Die Slytherin schlang die Arme um ihre beste Freundin und weinte sich an ihrer Schulter aus. Sie hatte nie jemanden gehabt, dem sie ihre Gefühle anvertrauen konnte. Niemanden bei dem sie sich hätte ausweinen können. Keine Freundin, mit der sie über die Schuhe der Nachbarin lästern konnte. Nur ein dumme Mutter, die glaubte sie wäre die Königin der Welt und das hart verdiente Geld ihres Mannes ausgab. Charly verabscheute diese Frau abgrundtief und sie war wohl mit ein Grund, wieso Charly so war wie sie eben war.

Eine ganze Weile standen die beiden so da, bis Charlys Tränen versiegelt waren. »Kannst du mir noch mal zeigen, wie das mit der Kugel geht?«, fragte Charly und löste sich von Sally. Diese wischte sich erst mal die getrockneten Tränen von den Wangen und nickte dann. »Natürlich. Es ist gar nicht so schwer.« Und als wäre nichts geschehen begannen die beiden Mädchen große Kugeln durch den Garten zu rollen. Im Endeffekt hatten sie so viele Kugeln herumliegen, dass sie vier Schneemänner bauen konnten. »Schau mal. Das ist dein Dad, das ist deine Mum, das ist Tonks und das bist du«, lachte Charly und deutete zum Schluss auf den kleinsten und schiefsten Schneemann. »Haha. Und das bist du«, gab Sally lachend zurück und bewarf sie mit einem Schneeball. Das ließ Charly allerdings nicht sehr lange auf sich sitzen und schon begann eine der wildesten Schneeballschlachten, die Sally je erlebt hatte. Nachdem sie sich eine geschlagene Stunde mit Schnee beworfen hatten, sah der Garten aus wie ein Schlachtfeld, der Andromeda-Schneemann hatte keinen Kopf mehr und Sally und Charly lagen schwer atmend und mit hochroten Wangen im Schnee. Als Nymphadora die beiden nach drinnen rief war es bereits sechs Uhr abends. Andromeda hatte den beiden Schneehasen zwei dampfende Tassen mit heißer Schokolade auf den Wohnzimmertisch gestellt. In jeweils eine flauschige Kuscheldecke gewickelt und mit einer Tasse heißer Schokolade in den Händen saßen die beiden Mädchen auf der Couch und unterhielten sich gerade angeregt darüber, was die Weasleyzwillinge, Lee und Micha wohl gerade machen würden. »Ich bin mir sicher, dass sie euren Gemeinschaftsraum in Brand gesetzt haben«, sinnierte Charly gerade lachend vor sich hin, als Andromeda und Ted zu ihnen stießen.

»Na ihr zwei, seid ihr wieder halbwegs aufgetaut?«, fragte Sallys Vater belustigt und setzte sich ihnen gegenüber auf einen Sessel. Sally stellte ihre leere Tasse auf den Tisch und setzte sich etwas auf, was Charly ihr gleich tat. »Halbwegs. Aber ich glaub eine heiße Schokolade würde uns helfen vollständig aufzutauen«, meinte Sally unschuldig, konnte sich aber ein Grinsen nicht verkneifen. Ted lachte laut und meinte: »Na, da lässt sich bestimmt etwas machen. Aber etwas Anderes. Deine Mutter hat dir bereits in dem Brief gesagt, dass wir Besuch bekommen. Keine Sorge, Charly, du bleibst natürlich hier«, fügte er sogleich freundlich hinzu, als Charly sich aufgerichtet und ihre Augen panisch geweitet hatte. Als würde ihr jemand eine riesige Last von den Schultern nehmen, sackte sie wieder in sich zusammen, nippte an ihrer Tasse und lauschte weiter dem Gespräch. »Was dein Dad sagen will ist, dass unser Besuch jetzt schon da ist. Eigentlich wollte er erst morgen Abend kommen, aber egal. Und Remus würde dich wirklich gerne kennenlernen«, erklärte ihre Mutter und lächelte. Im selben Moment betrat ein Mann das Wohnzimmer, der schäbiger nicht aussehen könnte. Hätte Sally nicht schnell kombiniert, hätte sie womöglich laut los geschrien, weil sie gedacht hätte ein Obdachloser würde bei ihnen einbrechen. »Sally, Charly, das ist Remus Lupin. Wir lassen euch jetzt mal alleine, ihr habt bestimmt einiges zu besprechen.« Und mit diesen Worten schnappte sich ihre Mutter die beiden leeren Tassen um sie nachzufüllen und verließ mit Ted das Wohnzimmer. Sally war sich zwar ziemlich sicher, dass sie mit diesem komischen Typen nicht ›einiges zu besprechen‹ hatte, aber gut. Charly sah auch nicht gerade begeistert aus, dass sie in so eine wirre Situation hinein geworfen wurde. »Ich ähm … geh Dora suchen und frag sie ob sie mit mir eine Runde Zauberschach spielt«, meinte Charly und stand samt Kuscheldecke auf um auf schnellstem Wege aus dem Raum zu flüchten. Mit einem lauten Krachen fiel die Tür hinter ihr zu und keine Sekunde später waren ihre polternden Schritte auf der Treppe zu hören. Na toll und Sally ließ man hier alleine, mit diesem Verrückten? Was, wenn er ein Verbrecher war?

Sally besah sich den Mann, der gerade seinen Reiseumhang auszog, einmal etwas genauer. Sein Gesicht sah noch sehr jung aus, doch man merkte, dass er schon einiges erlebt hatte. Dunkle Ringe zeichneten sich unter seinen Augen ab, als hätte er mehrere Tage nicht geschlafen. Seine Wangen waren etwas eingefallen und in seinem Haar konnte man schon erste graue Strähnchen entdecken. Was war diesem Mann bloß widerfahren, dass er so aussah? Ein Verbrecher war er wohl ganz offensichtlich nicht …

»Du bist also Sally.«

Seine Stimme war rau, beinahe so als hätte er sie seit mehreren Wochen nicht mehr benutzt. Sally schreckte aus ihren Gedanken hoch und bemerkte erst jetzt, dass sich der Unbekannte ihr gegenüber gesetzt hatte und sie wohl schon eine Weile lang musterte. Schnell senkte sie den Blick und wurde rot. Ein leises Lachen kam von der anderen Seite des Tisches. »Jetzt siehst du genauso aus wie deine Mutter, wenn dein Vater etwas Dummes gesagt hatte.« Überrascht hob Sally den Kopf und zog die Decke enger um sich, als sie das liebevolle Lächeln auf seinen Lippen sah. »Sie kannten meine Eltern?« Er nickte nur und lächelte weiter. »Wer sind Sie?«, fragte Sally barscher als sie eigentlich wollte. Der Mann richtete sich etwas auf und begann schließlich zu reden.

»Ich bin Remus Lupin. Und wie es sich ganz gut trifft auch dein Patenonkel.« Dieser Satz sorgte dafür, dass Sally der Mund aufklappte. Doch bevor sie etwas sagen konnte, fuhr er auch schon fort. »Es tut mir unendlich leid, dass ich deine letzten Geburtstage, Weihnachten, Ostern und all das verpasst habe, Sally. Aber ich brauchte Abstand.« Sein Blick verriet ihr, dass es ihm wirklich leid tat. Doch so ganz verstand sie immer noch nicht. Erst vor wenigen Monaten hatte sie erfahren, dass sie eigentlich nicht die war, die sie immer geglaubt hatte zu sein und jetzt stand ein Verbrecher Mann vor der Tür, der behauptete ihr Patenonkel zu sein? War sie hier in einer der Reality-Shows gelandet, die ihr Vater so gerne sah? Remus schien zu merken, dass sich die Gedanken in ihrem Kopf überschlugen. »Schon okay. Ich kann verstehen, dass dich die Nachricht sehr überrumpelt. Aber ich erkläre dir alles in Ruhe, okay?« Sally nickte langsam, stellte aber noch eine Frage, bevor Remus mit seinen Erzählungen begann. »Und wissen Sie … ähm … dass ich …?« Die Frage war irgendwie dämlich - erstens weil es keine Frage war und zweitens hatte er doch vorhin schon gesagt, dass er ihre Eltern kannte. »Ja, das weiß ich. Und du kannst ruhig Du zu mir sagen«, erwiderte er lächelnd und lehnte sich in seinem Sessel zurück.

Sally wickelte die Decke noch enger um sich und lauschte gebannt der Geschichte ihres Patenonkels. Er war einer der besten Freunde von Sallys Vater James gewesen. Sie waren vier Freunde gewesen, die sich selbst die Rumtreiber nannten und jeder von ihnen hatte seinen eigenen Spitznamen. Tatze, Wurmschwanz, Krone - ihr Vater und Moony - ihr Patenonkel. Als Sally fragte, wie sie zu diesen außergewöhnlichen Spitznamen kamen, zögerte Remus etwas, erzählte ihr aber schließlich die Wahrheit. Aha. Ihr Patenonkel war also ein Werwolf. Die Frage war nur, war das jetzt besser oder schlechter als ein Verbrecher?

»Deine Eltern begannen sich in unserem letzten Jahr in Hogwarts zu verabreden. Keine Ahnung wie James das geschafft hat«, lachte Remus. Über früher zu reden, schien ihn zu verwandeln - seine Wangen hatten eine etwas gesündere Farbe als noch vor einer halben Stunde und seine Augen leuchteten. Er erzählte von ihrer Hochzeit, die kurz vor ihrer Geburt stattfand und von der ewig langen Diskussion, wer ihr Patenonkel werden würde. James hatte seine beiden engsten Freunde schließlich auserwählt um sich dieser Ehre anzunehmen. Sirius und Remus. Peter hatte nie wirklich Ambitionen gezeigt, dass er diesen wichtigen Posten antreten wollte, denn er hatte es kaum geschafft die kleine Sally unbeaufsichtigt länger als eine Minute zu halten. »Aber wo ist dieser Sirius dann? Kommt der auch noch?«, fragte Sally und freute sich, dass sie vielleicht noch mehr Geschichten von ihren Eltern hören würde. Remus´ Miene verfinsterte sich etwas und er meinte nur: »Dazu komme ich gleich.«

Als Harry dann zwei Jahre später zur Welt kam, wurde Sirius erneut Patenonkel. Die Potters hatten sich verstecken müssen und die vier Freunde bekamen sich kaum noch zu Gesicht. Remus erzählte, dass Sirius der Geheimniswahrer für ihre Eltern gewesen war. Man konnte ihren Aufenthaltsort also nur ausfindig machen, wenn Sirius es jemandem erzählt hätte. Und das hatte er auch. Er hatte ihre Eltern an den schlimmsten Zauberer in der Geschichte der schlimmen Zauberer verraten. In der Nacht als Lily und James starben, war Sirius zu Voldemort gegangen und hatte ihm den Aufenthaltsort verraten. Und als sie und Voldemort schließlich tot waren, war Sirius selbst nach Godric´s Hollow gekommen um sein Werk zu vollenden und Harry und sie zu töten. Peter war aufgetaucht um Sirius aufzuhalten, doch dieser war wohl durch den Fall seines Helden so durch den Wind, dass er Peter und auch noch ein Dutzend Muggel in die Luft sprengte - das größte Stück, das man von Peter gefunden hatte, war ein Finger, den man seiner armen Mutter gebracht hatte.

Sirius hatte sich dafür einen lebenslänglichen Aufenthalt in Askaban eingehandelt. Peter wurde der Merlin-Orden erster Klasse anerkannt, der seiner Mutter überreicht wurde. Remus hatte den Tatort erst erreicht, als Hagrid Harry bereits zu seiner Tante und seinem Onkel und Mad-eye Sally zu der Familie Tonks gebracht hatte. »Von den vier Freunden, die ich also je gehabt hatte, waren zwei tot und einer ein Verräter und weggesperrt. Und euch beide hab ich nicht mehr zu Gesicht bekommen - ich wusste nicht einmal ob es euch gut ging und niemand wollte mich zu euch lassen. Dumbledore hatte damals gemeint, dass ich euch früh genug wieder zu Gesicht bekommen würde. Und jetzt, sieh mich an. Ich bin die letzten acht Jahre um die halbe Welt gereist und sehe dich erst jetzt wieder. Du siehst deiner Mutter wirklich sehr ähnlich, Sally.« Ein trauriges Lächeln lag auf seinen Lippen. Sally hatte es die Sprache verschlagen. Sie hatte diesen Mann für einen Obdachlosen, ja sogar für einen Verbrecher gehalten, dabei hatte er so viel durchgemacht! Er hatte seine besten Freunde verloren und hatte nichts dagegen tun können. Sally wusste gar nicht was sie sagen sollte. Das ganze verwirrte sie zusehends. »Ich würde dich gerne richtig kennenlernen. Ich habe dir alles erzählt was ich weiß und ich hoffe du bist mir nicht böse, dass ich dich die letzten acht Jahre im Stich gelassen habe. Ich habe einfach Zeit gebraucht um das alles zu verarbeiten.« Die Schwarzhaarige nagte an ihrer Unterlippe und nickte langsam. »Ja. Ich würde dich auch gerne kennenlernen«, gab sie schließlich leise zurück und lächelte schüchtern. Remus stand auf, umrundete den Tisch und setzte sich neben Sally. Er legte ihr einen Arm um die Schulter und drückte sie sanft an sich. »Danke, dass du mir diese Chance gibst.«
 

Ein leises Klopfen unterbrach das Gespräch der beiden und Andromeda streckte den Kopf zur Tür herein. »Das Abendessen ist fertig. Remus, du bleibst doch?« Remus stand auf, zog sich seinen Reiseumhang über und schüttelte dann den Kopf. »Danke, Andromeda. Aber ich hab noch ein bisschen was zu erledigen und ich denke Sally hat einiges über das sie nachdenken will.« Er lächelte ihr kurz zu, bevor er sich wieder an ihre Mutter wandte. »Aber ich komme morgen, versprochen«, sagte er schnell, bevor Andromeda etwas sagen konnte. Das schien ihr zu genügen, denn sie brachte ihn auch schon zur Haustür, wo sie sich von ihm verabschiedete.

Als Sally das Esszimmer betrat, saßen Charly, Dora und Ted bereits am Tisch. Sally setzte sich neben Charly, die sie aufmerksam musterte, aber nichts sagte. Die Gryffindor wusste wirklich nicht was sie von der ganzen Sache halten sollte. Und wieso hatten ihre Eltern ihr verschwiegen, dass sie einen … nein zwei Patenonkel hatte? Hatten sie es überhaupt gewusst? Das alles waren Fragen, auf die Sally unbedingt eine Antwort wissen wollte. Doch nicht mehr heute. Es war wirklich schon spät. Mehr als zwei Stunden hatte Remus gebraucht um ihr alles zu erzählen und als Sally das Besteck zur Seite legte, war es schon beinahe zweiundzwanzig Uhr. Sie hatte kaum etwas angerührt, doch Andromeda sagte heute ausnahmsweise nichts dazu.

Eine halbe Stunde später lagen alle gewaschen und umgezogen in ihren Betten und schliefen. Alle bis auf Sally. Die musterte die Decke über sich, als ob sie ihr Antworten liefern könnte. Doch sie und die Decke wussten beide, dass es nie so weit kommen würde. Sally wusste nicht, wie lange sie an die Decke starrte, doch irgendwann vernahm sie das leise Quietschen ihrer Tür und spürte, wie sich jemand neben sie legte.

Charly.

Die Slytherin legte einen Arm um Sally und drückte sie fest an sich. Sie drehte sich zu Charly und vergrub den Kopf in den roten Haaren, während Charly ihr sanft über den Rücken strich. Die Tränen konnte sie nicht mehr zurückhalten - jetzt war sie es, die eine Freundin mit einer starken Schulter brauchte.

Traditionen bricht man nicht

»Und könnten wir bitte noch einmal auf den Part zu sprechen kommen, wieso du eine verdammte Schlange hast!?«

Charly schien sichtlich schockiert über die Tatsache, dass Sallys beste Freundin offensichtlich eine Verrückte war. Sally und Mika warfen sich einen kurzen Blick zu und brachen schließlich in schallendes Gelächter aus. »Was ist daran jetzt bitte witzig?«, grummelte die Rothaarige und verschränkte etwas beleidigt die Arme vor der Brust. »Kann das Ding dann bitte wenigstens vom Bett runter?«, versuchte sie es erneut und warf Sally einen hoffnungsvollen Blick zu. Doch diese hatte nur ein entschuldigendes Grinsen für sie übrig und begann dann noch leise zu kichern, als sich Mika ihre Schlange um den Hals hängte und Charly beinahe die Augen raus fielen. »Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder? Sal, sag mir dass das nicht ihr Ernst ist?« Zweifelnd warf die Rothaariger ihrer Freundin einen Blick zu, die nur mit den Schultern zuckte und erneut auflachte.

Ein ganzer Tag war inzwischen vergangen, seit Sally und Charly sich bei einander ausgeweint hatten. Irgendwie hatte das die beiden nur noch enger zusammen geschweißt. Sally hatte Charly am Vortag nun seelisch darauf vorbereitet, dass Mika mit ihren Eltern kommen würde. Jedes Jahr an Weihnachten lud Andromeda die O'Brians ein, um gemeinsam mit ihnen zu essen. Vor allem seit Mikas älterer Bruder Benjamin vor zwei Jahren gestorben war, nutzte die kleine Familie jede Möglichkeit, um an Feiertagen nicht in ihrer Traurigkeit zu versinken. Mika und ihre Eltern waren heute morgen, kurz nach der Bescherung, angekommen und natürlich hatte es zuerst mal eine nachträgliche Geburtstagstorte für die Schlangenbesitzerin gegeben. Ganz stolz hatte sie Sally ihren Hogwartsbrief gezeigt, den sie am 23. zu ihrem elften Geburtstag erhalten hatte. Charly war das Ganze sichtlich unangenehm gewesen, doch Mika hatte das Eis schnell gebrochen und sie einfach umarmt und ihr ein Stück Torte in die Hand gedrückt.

Und jetzt saßen sie hier auf Sallys Bett und … ›lernten sich besser kennen‹. Mika hatte jede noch so kleine Kleinigkeit über Hogwarts aus Sally und Charly herausgepresst, während Charly immer weiter ans Bettende gerutscht und beinahe hinunter gefallen war und Sally vor Lachen inzwischen schon Bauchschmerzen hatte. Wenn sie das Simon erzählen würde, fände er es sicher mehr als schade, dass er das nicht gesehen hatte. Im Großen und Ganzen kamen Mika und Charly jedoch gut miteinander aus. Okay, Mika kam mit Charly mehr als gut und Charly mit Mika so irgendwie klar. Aber das war immerhin schon mal ein Anfang, wie Sally fand. Es hätte auch schlimmer enden können. In der letzten Stunde hatten Mika und Sally Charly ausführlich berichtet, wie ihre jährlichen Weihnachtstraditionen aussahen. »Ach, muss das schön sein.« Charly ließ ein Seufzen hören und wickelte sich mit einem traurigen Blick eine Haarsträhne um den Finger. »Mein Vater muss jedes Jahr an Weihnachten arbeiten. Es gibt zwar Geschenke am Morgen, doch er ist nie da. Mum schläft den halben Tag und unser Hauself Dibo kocht das Essen. Gegen Mittag kommen dann meine Paten mit ihren Kindern vorbei und gemeinsam schmücken wir die Festtafel, während Dibo dann das Essen auftischt. Meine Mum steht dann eine halbe Stunde vor dem Essen auf um sich schick zu machen und hält dann jedes Jahr vor dem Essen eine peinliche Rede, was wir nicht alles erreicht haben.« Charly verdrehte genervt die Augen, bevor sie fortfuhr. »Und am Nachmittag kommen dann noch ein paar Verwandte, und es wird viel geredet und ein Familienspaziergang gemacht, bei dem allerdings nie alle mitkommen, weshalb wir inzwischen einfach alle im Wohnzimmer sitzen und uns die Rede der Queen im Radio anhören. Zwei meiner Cousins spielen dann immer über Stunden hinweg Zaubererschach, während meine kleine Cousine sie anfeuert als ginge es um Leben und Tod. Mein Urgroßvater mütterlicherseits erklärt uns ungefähr alle zehn Minuten, dass früher alles besser war und wir ohnehin nicht wüssten was der wahre Sinn hinter Weihnachten ist. Und dann beginnt er meist über Muggel zu lästern und über die Queen zu schwärmen. Dass sie viel zu hübsch ist um Muggel zu sein - er ist schon sehr alt und wir haben gelernt ihm einfach nicht mehr zuzuhören. Am Abend, wenn mein Dad endlich nach Hause kommt, gibt es dann noch mal für alle Essen und das war's auch schon.« Sie presste die Lippen aufeinander und zuckte mit den Schultern, als wäre es ihr egal, doch Sally und Mika wussten, dass es ihr nicht egal war. Die beiden warfen sich einen kurzen Blick zu und wechselten das Thema auf Quidditch, wofür ihnen Charly sehr dankbar war. Sie wollte nicht schon wieder weinen und schon gar nicht vor einer Verrückten, der eine Schlange um den Hals hing …

Um Punkt 15:00 Uhr klopfte es und Nymphadora steckte den Kopf zur Tür herein. »Na ihr drei? Bereit euch den Magen vollzuschlagen? Mum hat gekocht, als wären sieben Personen mehr da und nicht nur eine«, lachte sie und wartete darauf, dass die drei Mädchen aufstanden. Mika nahm ihre Schlange nun endlich vom Hals und legte sie sanft aufs Bett. »Träum schön, Sergej«, flötete sie während sie hinaus tänzelte. Charly warf Sally einen irritierten Blick zu und folgte Mika und Dora nach unten. »Du lässt das Ding wirklich in deinem Bett schlafen? Hat die Verrückte dir irgendetwas eingeflößt?«, fragte Charly leise und schien sichtlich besorgt. Doch Sally lachte nur und hakte sich bei der Rothaarigen ein. »Sergej ist wirklich brav. Und Mika ist nicht verrückt. Na gut, ein bisschen vielleicht, aber du wirst sie noch mögen.« Die Schwarzhaarige strahlte ihre Freundin an, was diese nur unsicher lächeln ließ. »Das heißt wohl ich muss öfter Zeit mit ihr verbringen? Na toll…«, grummelte Charly, lachte aber. Eigentlich fand sie Mika ja ganz okay. Aber das musste sie ja nicht gleich heraus posaunen.

Der Tisch war reichlich gedeckt. Es gab zwei große Truthähne, Unmengen an Beilagen wie Bratkartoffeln, Reis, kleine Karotten und Pellkartoffeln. Charly blieb der Mund offen stehen. Noch nie hatte sie so einen überfüllten Weihnachtstisch gesehen. Bei ihr zu Hause gab es zwar auch immer allerhand zu essen und eine schöne Festtafel, aber nie war der Tisch so liebevoll hergerichtet wie im Hause Tonks. »Setzt euch«, flötete Andromeda, als sie ins Esszimmer getänzelt kam und eine Schüssel mit Salat auf den Tisch stellte. Die drei Mädchen nahmen nebeneinander Platz und warteten, bis sich die anderen ebenso an den Tisch gesetzt hatten. Andromeda strahlte durch die Runde und erhob ihr Weinglas. »Ich freue mich sehr, dass ihr alle hier seid. Und ich möchte unsere liebe Charly noch einmal herzlichst begrüßen und ich hoffe du fühlst dich wohl bei uns.« Andromedas liebe Worte ließen die Mason erröten und sie senkte den Kopf etwas. Sally stupste sie in die Seite und grinste breit. Die Erwachsenen stießen mit ihren Wein- und die Mädchen mit ihren Saftgläsern an. Nachdem Ted noch ein kurzes Gebet gesprochen hatte, in dem er für das Beisammensein dankte und Mikas verstorbenen Bruder Benjamin ehrte, wurde das Essen schließlich eröffnet. Die beiden Familien saßen lange am Tisch - es wurde gegessen, getratscht und gelacht. Nach drei Stunden waren beide Truthähne vernichtet und die Schüsseln mit den Beilagen leer. Sally, Mika und Charly hatten sich zurückgelehnt und die Hände auf ihre überfüllten Bäuche gelegt. Tief seufzend stand Andromeda auf und räumte mit Hilfe von Mikas Mutter den Tisch ab. Das für Charly Faszinierende daran war, dass Sallys Mutter nur einmal den Zauberstab hätte schwingen müssen um das ganze Chaos verschwinden zu lassen. Stattdessen liefen Andromeda und Sandy tausend Mal hin und her. So ganz verstand die Slytherin das nicht, aber sie traute sich nicht zu fragen.

Ted, Darren und Nymphadora hatten sich inzwischen ins Wohnzimmer gesetzt um sich die Wiederholung der Rede der Queen anzusehen. Sally, Charly und Mika saßen am Boden des Wohnzimmers und Mika hatte Charly zu einer Runde Zaubererschach herausgefordert. Sally blätterte unterdessen in ihrem Märchenbuch von Beedle dem Barden. Nach etwa eineinhalb Stunden stießen Mrs. Tonks und Mrs. O'Brian auch dazu. Mika hatte Charly inzwischen drei Mal im Zaubererschach besiegt, während Charly zwei Siege kassieren konnte. »Ich habe euch beiden Kleider auf Sallys Bett gelegt, die ihr anziehen könnt«, meinte Andromeda an Sally und Charly gewandt und setzte sich auf die Couch. Charly warf Sally einen fragend-nervös-panischen Blick zu und bemerkte gar nicht, dass Mika sie erneut Schachmatt setzte. Oh, das hatte sie wohl vergessen zu erwähnen. Sally stand auf und zog Charly mit sich hinaus und nach oben. Mika folgte ihnen um nach Sergej zu sehen. »Tut mir leid! Ich hab total vergessen dir zu sagen, dass wir später in die Kirche gehen. Weißt du, das machen wir irgendwie schon … naja eigentlich schon immer«, erklärte sie als sie die Treppen hoch stiegen. »Ach so, okay. Und ich dachte schon ihr habt keine Ahnung was vor«, stieß Charly erleichtert hervor. Sie war noch nie in einer Kirche gewesen. Zumindest nicht seit sie sich erinnern konnte. Ihre Eltern hielten das für Humbug und Muggelkram. Charly war schon gespannt auf den Gottesdienst.

»Habt ihr noch irgendwelche Bräuche, von denen ich nichts weiß?«, fragte die Rothaarige als sie den obersten Stock erreicht hatten. Mika und Sally waren vorhin bei ihren Erzählungen etwas abgeschweift und hatten anscheinend vergessen zu erzählen, was am späten Abend und in der Nacht noch passierte. Aber es war ja auch zu interessant gewesen über das Festessen zu quatschen … Die beiden Mädchen warfen sich einen kurzen Blick zu und Mika öffnete schließlich den Mund um Charly gut gelaunt zu erzählen, was sie heute noch alles erwartete. »Ja, nach der Kirche gehen wir noch in die Suppenküche in der Stadt um dort auszuhelfen. Und später besuchen wir noch das Kinderheim. Unsere Eltern sammeln das ganze Jahr über Kleidung und Spielsachen, die sie an Weihnachten dort vorbeibringen. Und natürlich gehört die traditionelle Schneeballschlacht auch dazu« Dann wandte sie sich an Sally. »Kommt dein Patenonkel eigentlich auch?« Sie war schon ganz aufgeregt ihn kennenzulernen. Er hatte sich für das Essen leider entschuldigen lassen, da er noch einiges zu klären hatte. Ted hatte Sally nicht verraten was genau und hatte nur gemeint, dass es mit dem Ministerium zu tun hatte. Sie hatte keine Ahnung ob es stimmte oder nicht. Er hatte versprochen den Abend mit ihnen zu verbringen, und alles andere war ihr auch egal. Im selben Moment läutete es an der Tür. Sally grinste und meinte: »Ja, er kommt auch.« Dann gingen die Mädchen in Sallys Zimmer, wo Sergej sich auf einem der beiden Kleider eingerollt hatte und schlief. Charly ließ einen spitzen Schrei hören. Entweder war sie von dem Anblick erschrocken, oder sie hatte vergessen, dass Sergej existierte. Sally tippte auf Letzteres. »Schrei ihn nicht so an!«, rief Mika empört aus und eilte zu ihrem Haustier, das ebenso erschrocken aus dem Schlaf gefahren war. »Schon gut, Sergej. Die böse Tante meinte es nicht so«, murmelte Mika beruhigend und hob Sergej hoch. Perplex starrte Charly auf Mika und die Schlange und warf dann Sally einen beleidigten Blick zu, als diese in schallendes Gelächter ausbrach.

Während Mika in einem Eck mit ihrer Schlange kuschelte und sie wieder in den Schlaf wiegte, schlüpfte Sally und Charly in die hübschen Kleider, die auf Sallys Bett lagen. Sallys Kleid war brombeerfarben und Charlys war weiß und mit ein paar Strasssteinchen verziert. Erneut läutete es an der Tür und man konnte die aufgeregten Stimmen von Sallys Großeltern bis nach oben hören. Sie waren heute erst von ihrer Kreuzfahrt nach Hause gekommen, die Sallys Eltern ihnen zum Hochzeitstag geschenkt hatten. Charly wurde bleich. »Noch mehr Menschen?«, murmelte sie eher zu sich als zu sonst irgendwem. Sally strich ihr beruhigend über den Oberarm und lächelte ihr aufmunternd zu. »Sie fressen dich schon nicht.« »Das hab ich ihr von Sergej auch gesagt und sie glaubt's immer noch nicht«, warf Mika ein und zog eine beleidigte Schnute. Dann legte sie Sergej in Klios Katzenkörbchen, das in Sallys Zimmer stand und kramte aus der kleinen Reisetasche ein dunkelblaues Kleid hervor, das sie in Windeseile angezogen hatte. »Wieso putzen wir uns eigentlich so heraus?«, fragte Charly als sie Sally die Haare zu einem schönen Zopf flocht. »Naja. Wir gehen in die Kirche. Das ist eben so«, antwortete Sally und zuckte mit den Schultern. Sie hatte das nie wirklich hinterfragt. Es war eben immer schon so gewesen.
 

Um fünf vor neun nahmen sie ihre Plätze in der Kirche ein. Charly rutschte etwas nervös auf ihrem Sitz hin und her. Sie wusste nicht wirklich was sie tun sollte und verschränkte ihre Finger in einander, so wie es die anderen auch taten. Ihr Blick huschte durch die Kirche. Alle hatten sich fein herausgeputzt, so wie Charly es von ihren Familientreffen kannte. Als die Glocken zu läuten begannen, zuckte sie erschrocken zusammen und suchte Sallys Blick, die ihr aufmunternd zulächelte. Der Gottesdienst war sehr faszinierend für die Mason und sie fragte sich, wieso ihre Eltern nie in die Kirche gingen. Sie schwor sich selber, dass sie, wenn sie erwachsen war, mit ihren Kindern jedes Jahr an Weihnachten den Gottesdienst besuchen würde. Als die Kinder aus dem Kinderheim ein Krippenspiel vorführten, war Charly ganz begeistert und klatschte am lautesten, nachdem es vorbei war.

Der Gottesdienst dauerte eineinhalb Stunden, doch Charly kam es so vor, als hätten sie erst vor fünf Minuten die Kirche betreten. Sie fühlte sich irgendwie … besonders. Gesegnet. Es war ein tolles Gefühl für sie und als sie sich auf den Weg in die Suppenküche machten, griff sie aufgeregt nach Sallys Arm. »Können wir das öfter machen?« Etwas verwirrt sah die Schwarzhaarige ihre Freundin an. »Was denn?« »In die Kirche gehen. Ich finde das toll!« Sally grinste und meinte. »Klar. Aber erzähl es nicht Fred und George, die halten dich bestimmt für verrückt«, zwinkerte sie. Die Zwillinge waren keine Kirchenfans, wie Sally wusste.

Die Suppenküche war nur zehn Minuten von der Kirche entfernt. Es war viel los, trotzdem wurden die Tonks', O'Brians und Charly herzlichst begrüßt. Auch wenn Charly zuerst ziemlich nervös war und sich fehl am Platz fühlte, hatte sie nach kurzer Zeit richtig Spaß. Sie half Sally und Mika einen Eintopf auf die Teller der Bedürftigen zu verteilen. Auch wenn Weihnachten war und die Menschen dort nichts hatten, schienen sie dennoch glücklich zu sein. Die Männer erzählten den drei Mädchen so viele Witze, dass sie bald Bauchschmerzen hatten vor lachen. Die Zeit verging viel zu schnell. Keiner von ihnen wusste wie spät es war, als sie zum Kinderheim gingen. Es war stockdunkel und aus den beleuchteten Häusern und Wohnungen drangen immer noch Weihnachtslieder. Obwohl es schon beinahe Mitternacht war, war das ganze Kinderheim noch auf den Beinen. Weihnachten war ein besonderes Fest, weshalb eine Ausnahme gemacht wurde und die Kinder länger aufbleiben durften. Andromeda blieb in einer Seitengasse stehen und zog einige magisch verkleinerte Tüten und Säcke aus ihrer Tasche. Mit einem Schwung ihres Zauberstabes wurden sie wieder normal groß und jeder griff nach einem prall gefüllten Sack. Von den Kindern wurden sie schon sehnlichst erwartet und ein fünfjähriges Mädchen stürmte voll Begeisterung auf Sally und Mika zu. Sie stellte sich als Lea vor und umarmte auch Charly etwas übermütig um die Mitte.

Die Kinder freuten sich über die Spielsachen und Klamotten, doch man merkte schnell, dass ihnen das gar nicht so wichtig war. Die Jungs warteten gespannt darauf, dass Ted und Darren begannen ihnen Geschichten zu erzählen. Und auch Remus konnte einige Zuhörer für sich gewinnen. Die Mädchen wollten unterdessen von Andromeda und Sandy wissen, wie man sich am besten in der Küche verhielt, da sie alle mal Köchinnen werden wollten. Und eine kleine Gruppe hatte sich mit Sally, Mika und Charly nach draußen begeben um sich mit Schneebällen abzuballern. Die kleine Lea war ganz begeistert bei der Sache, doch sie war die kleinste und jüngste, weshalb sie nicht so weit schießen konnte, wie die anderen. Sally tat das Mädchen Leid, weshalb sie aufhörte die anderen zu bewerfen und sich stattdessen vor Lea hinstellte, damit die sie abwerfen konnte. Das Mädchen hatte sichtliche Freude daran, ihre älter Freundin mit Schneebällen zu bewerfen, doch bald wurde sie erschöpft und müde. Sally wusste, dass Lea krank war, doch was sie genau hatte, war ihr nicht bekannt. »Gehst du mit mir rein?«, fragte die Fünfjährige und stapfte durch den Schnee hinüber zu Sally. Als sie beinahe hinfiel, reagierte die Schwarzhaarige schnell genug und fing das Mädchen auf. »Hey, nicht schlapp machen«, munterte sie die Jüngere auf und erlaubte ihr auf ihren Rücken zu krabbeln, damit Sally sie huckepack rein tragen konnte. »Das hat wirklich Spaß gemacht«, murmelte Lea leise in Sallys Ohr und schon im nächsten Moment spürte Sally den ruhigen Atem der Kleinen in ihrem Nacken. Als Sally wieder in den Aufenthaltsraum ging, kam ihr bereits eine Betreuerin entgegen, die ihr Lea abnahm um sie in ihr Zimmer zu bringen.

Auch die anderen kamen langsam aber sich wieder zurück in den Aufenthaltsraum. Die Jüngeren gingen müde und erschöpft zu Bett, während sich die Älteren noch in irgendwelche Ecken setzten und einer Weihnachtsgeschichte von Ted lauschten. Charly und Mika ließen sich jeweils links und rechts von Sally auf die Couch fallen und lehnten die Köpfe an ihre Schultern. Als Mika leise zu schnarchen begann und auch den anderen beiden immer wieder die Augen zufielen, kam Nymphadora auf sie zu und weckte Mika sanft. »Kommt, Mädchen. Gehen wir nach Hause.« Mika gähnte herzhaft und streckte sich genüsslich. Die drei erhoben sich und folgten Dora nach draußen. Die Kinder waren inzwischen alle in ihren Betten verschwunden und Sally hatte das ungute Gefühl, dass sie selbst kurz eingeschlafen war, ohne es mitbekommen zu haben. Sie verabschiedeten sich von den Betreuern und wünschten ihnen noch eine erholsame Nacht. Die Kinder würden morgen wahrscheinlich trotz der viel zu kurzen Nacht, schon früh aufstehen. Auf dem Nachhauseweg waren alle zu müde, um irgendetwas zu sagen. Kaum waren sie zu Hause angelangt, verabschiedeten sich die O'Brians und verschwanden durch den Kamin. Auch Remus verabschiedete sich von ihnen, hielt aber noch kurz inne und wandte sich zu Sally und Charly, bevor er ging. »Ich würde mit euch beiden morgen gerne etwas unternehmen.« Er grinste leicht, als die Mädchen nur etwas Unverständliches vor sich hin grummelten und sich nach oben schleppten. Sie riefen noch ein »Gute Nacht« hinunter zu Sallys Eltern und ihrer Schwester, bevor sie komplett erledigt in die Betten fielen.
 

Am nächsten Tag wurde Sally erst gegen Mittag wach. Lautes Stimmengewirr aus dem untersten Stockwerk hatte sie geweckt und gähnend richtete sie sich auf. Etwas orientierungslos stolperte sie durch ihr Zimmer und schlüpfte in irgendwelche Klamotten, die dort herumlagen. Sie vermied es in den Spiegel zu schauen, denn sie war sich ziemlich sicher, dass sie über den Anblick erschrocken wäre. Als sie die Tür öffnete, huschte Klio in ihr Zimmer, lief aber sofort wieder in den untersten Stock, nachdem sich Sergej mit einem Zischeln bemerkbar gemacht hatte und sein Revier verteidigen wollte. Sally warf der Schlange einen verwirrten Blick zu, bis sie zu dem Schluss kam, dass Mika ihr liebstes Haustier wohl vergessen hatte. Na, immerhin hatte sie nicht ihren Kopf vergessen.

Sally tapste nach unten und hörte lachende Stimmen aus dem Wohnzimmer. Neugierig steckte sie den Kopf durch und erschrak ziemlich, als sie Nymphadora, Simon und Charly lachend auf der Couch sitzen sah. »Guten Morgen, Schlafmütze«, rief Simon ihr entgegen und bewarf sie mit einem Kissen. »Was … was machst du denn hier?« Verdutzt betrat sie den Raum und wich dem anfliegenden Kissen gar nicht aus, der gegen ihren Kopf klatschte. »Würdest du mal deine Post lesen, dann wüsstest du es«, meinte Charly und schon flog das nächste Kissen auf Sally zu. Sie fing es auf und pfefferte es der Rothaarigen zurück. »Ich hab dir vorgestern geschrieben. Emily und meine Mum sind krank geworden, weshalb sie nicht wollte, dass ihr vorbeikommt und euch ansteckt. Also hab ich euch gefragt ob ich nicht zu einem von euch kommen kann. Du hast mir aber nicht geantwortet und Charly hat mir geschrieben, dass sie bei dir ist. Deine Mum hat meinem Vater in der Nacht noch einen Brief geschrieben, dass sie sich freuen würde, wenn ich vorbeikomme. Ich schätze mal sie hat den Brief gefunden oder was weiß ich. Jetzt bin ich auf jeden Fall hier«, erklärte der Carter grinsend und schon sauste das dritte Kissen auf Sally zu, dem sie allerdings auswich. »Wieso hast du mir nicht gesagt, dass Simon dir geschrieben hat?«, fragte sie Charly etwas verwirrt. Und vor allem: Wieso hatte sie nicht mitbekommen, dass Simon ihr geschrieben hatte? »Naja, ich dachte du hast deinen eigenen Brief schon gelesen. Woher soll ich wissen, dass du ein blindes Würstchen bist?«, meinte Charly schulterzuckend woraufhin Nymphadora laut zu lachen begann. Sally, die eines der Kissen immer noch in den Händen hielt, warf es ihrer Schwester entgegen und ließ sich schließlich zwischen Simon und Charly auf die Bank fallen. »Ich freu mich, dass du hier bist«, meinte sie und grinste. »Das will ich auch hoffen«, gab der Carter lachend zurück.

Nymphadora hatte die drei alleine gelassen und die Erstklässler unterhielten sich über das Weihnachtsfest. Plötzlich wurden die Flammen im Kamin grün und ein hustendes Mädchen stolperte daraus hervor. Etwas verwirrt und müde sah Mika sich im Raum um und entdeckte die drei starrenden Gestalten auf der Couch. Ein breites Grinsen legte sich in ihr Gesicht. »Ich denke ich hab mein Haustier hier vergessen«, meinte sie nur belustigt und stürmte ohne ein weiteres Wort aus dem Wohnzimmer hoch in Sallys Zimmer. Sally, Simon und Charly starrten ihr mit offenen Mündern hinterher und nur eine Minute später hörten sie schon wieder das Getrampel auf der Treppe, das Mikas Ankunft ankündigte. Sie hatte sich Sergej um den Hals gehängt und tänzelte gut gelaunt ins Wohnzimmer. Sie ließ sich neben Simon auf die Couch fallen und grinste ihn an. »Hi, ich bin Mika und du bist Simon, stimmt's? Ich hab schon einiges von dir gehört, freut mich dich kennenzulernen. Das ist übrigens Sergej.« Etwas perplex starrte der Braunhaarige das quirlige Mädchen neben sich an und schüttelte schließlich ihre Hand. »Freut mich auch«, erwiderte er mit kurzer Verzögerung und grinste. Ein wirklich schräges Mädchen.

Nach dieser kurzen Kennenlernphase hatte sich schnell herauskristallisiert, dass Mika nicht mehr so schnell abhauen würde. Sie hatte es sich im Wohnzimmer gemütlich gemacht und die Beine hochgelegt. Sergej hatte sich in ihrem Schoß zusammengerollt und zischelte genüsslich vor sich hin, während sie ihm … den Kopf kraulte. Simon warf Sally einen fragenden Blick zu, den sie nur mit einem Grinsen erwiderte. Als es an der Tür läutete sprangen Charly und Simon gleichzeitig auf und liefen zur Haustür um sie zu öffnen. Sally warf Mika einen entschuldigenden Blick zu. »Ich denke sie müssen sich erst an dich gewöhnen.« Sie tätschelte ihrer besten Freundin die Schulter, bevor sie selbst nach draußen ging. Remus stand in der Tür, sah für einen kurzen Moment etwas verwirrt aus, strahlte dann aber übers ganze Gesicht. »Je mehr, desto besser«, meinte er gut gelaunt, als er das Haus betrat und seinen Reiseumhang an den Haken hängte. Er ging in das Esszimmer, wo Andromeda und Ted am Tisch saßen und den Tagespropheten lasen. »Guten Morgen«, meinte er gut gelaunt und setzte sich dazu. Sally, Simon und Charly waren ihm gefolgt und auch Mika hatte sich inzwischen vom Sofa erhoben und war ins Esszimmer gekommen. »Also, Dad und ich werden heute das Chaos hier beseitigen und ihr macht euch einfach mit Remus einen schönen Tag«, meinte Andromeda gut gelaunt, als sich die vier an den Tisch setzten und sie ihnen eine Tasse Tee vor die Nase stellte. »Nymphadora kommt auch mit, damit Remus eine helfende Hand hat um euch vier im Zaum zu halten«, fügte Ted hinzu und musste schmunzeln, als er Sally, Simon, Charly und Mika nach der Reihe musterte.

»Was ist mit mir?« Eine gähnende Nymphadora stand im Türrahmen und blickte etwas verwirrt auf das Bild, das sich ihr bot. »Du kommst heute mit uns nach … Ja, wohin geht's überhaupt?«, fragte Sally und wandte sich mit einem fragenden Blick an die Erwachsenen. Andromeda schmunzelte und überließ Remus das Reden. »Wir machen heute einen Ausflug in das Weihnachtsmanndorf in Rovaniemi«, meinte er breit grinsend und lachte auf, als er die ungläubig starrenden Gesichter sah. Andromeda klatschte begeistert in die Hände. »Gut, gut. Das heißt ihr müsst euch warm anziehen, meine Lieben. Auf, auf!«, scheuchte sie Charly, Sally und Dora in ihre Zimmern. Eine gute halbe Stunde später standen Remus, Dora, Sally, Simon, Charly und Mika dick eingemummelt vor dem Kamin. »Also Remus´ Bekannte erwartet euch schon. Wir haben ihren Kamin heute direkt an unser Flohnetzwerk anschließen lassen können - normalerweise müsstet ihr über einige Umwege dorthin reisen. Habt viel Spaß«, verabschiedete sich Andromeda von ihnen und umarmte Sally und Dora zum Abschluss.
 

»Da seid ihr ja endlich!«, rief ein freundliche Stimme aus, als sie fünf Minuten später nacheinander aus dem Kamin gestolpert kamen. Es war drei Uhr gewesen, als sie in den Kamin gestiegen waren und jetzt war es fünf nach fünf. Sally bekam einen Miniherzinfarkt als sie auf die Uhr blickte, bis ihr klar wurde, dass sie zwei Zeitzonen hinter sich gelassen hatten. Ein freudiges Kribbeln breitete sich in ihrer Magengegend aus und ein Blick auf ihre Freunde verriet ihr, dass es ihnen nicht anders ging. »Hallo, Finnja. Schön dich zu sehen«, begrüßte Remus die blonde Dame. Sie stellten sich vor und nachdem Finnja ihnen dickere Handschuhe gegeben hatte, verließen sie das kleine Haus. Draußen war es bereits stockdunkel, was die drei Erstklässler und Mika ziemlich aus der Bahn warf, doch sonst schien sich niemand daran zu stören. Finnja und Remus unterhielten sich eine Weile und führten sie zum Weihnachtsmanndorf.

»So viele Leute hab ich ja noch nie gesehen«, entfuhr es Simon erstaunt, als sie dort ankamen. Hunderte, wenn nicht tausende Menschen watschelten dort herum, lachten, aßen und tranken irgendwelche Dinge. Die Gruppe blieb stehen, so dass sie sich einen Überblick verschaffen konnten, doch das war so gut wie unmöglich. Es duftete nach frisch gebackenen Keksen, heißer Schokolade, Zimt und Weihrauch. Alle hier waren einfach nur glücklich und es schien als wären sie in einer anderen Welt gelandet. Nachdem Sally, Charly und Dora noch nichts gegessen hatten, beschlossen sie sich in eines der Restaurants zu setzen. Die Auswahl war groß, weshalb sie sich lange nicht entscheiden konnten, bis Mika schließlich weggelaufen war, weil sie vor einem Restaurant eine Rentierfigur stehen gesehen hatte. Sie war hinaufgeklettert und hatte nach ihnen gerufen und beschlossen dort erst runter zu kommen, wenn das Essen auf dem Tisch stand. Und genauso war es auch. Nur dass die Dame nicht freiwillig heruntergeklettert war, sondern sich von einem der Kellner herunterzerren hat lassen müssen. Remus war gerade am überlegen, ob er sich für die quirlige Braunhaarige nicht eine Leine hätte mitnehmen sollen, als sie auch schon das Postamt entdeckte und wieder weg war. Der Lupin fasste sich seufzend an den Kopf. »Ist sie immer so?«, fragte er Sally und Dora, welche lachten und nickten. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich das weiterhin ertragen kann«, meinte er belustigt und folgte Mika im Laufschritt, während die anderen ihnen hinterhertrotteten. Als Remus Mika wieder eingefangen und sie sich über die Schulter geworfen hatte, schlug Finnja vor, dass sie doch mit der Jüngsten das Dorf erkunden konnte. Sie war schon ein paar Mal hier gewesen, weshalb sie kein Problem damit hatte von einem Ort zum anderen zu hechten. Und Remus wollte schließlich etwas Zeit mit Sally verbringen. Sie vereinbarten einen Treffpunkt und liefen dann in unterschiedliche Richtungen. Dora, Simon und Charly beschlossen sich an die lange Schlange vor dem Weihnachtsmannturm zu stellen, während Remus und Sally einfach durch das Dorf schlenderten. Hier und da hielten sie an um sich eine leckere Knabberei zu besorgen oder eine heiße Schokolade zu trinken. Sie unterhielten sich über dieses und jenes und bekamen gar nicht mit, wie schnell die Zeit eigentlich verging. Die beiden besuchten das Postamt und als gerade weniger Leute vor dem Weihnachtsmannturm standen, besuchten sie auch den Weihnachtsmann. »Ich denke es ist an der Zeit die anderen zu treffen«, meinte Remus bei ihrer fünften Tasse heißer Schokolade schließlich. Sally nickte und langsam schlenderten sie durch das Dorf. »Das war ein wirklich schöner Tag. Danke dafür.« Sie lächelte zu ihm hoch und er strich ihr sanft über den Rücken. »Immer wieder gerne.« Sie kamen an einem Stand mit Schneekugeln an, wo Remus Sally eine schöne Kugel mit einem Rentier darin kaufte. Sie war ganz fasziniert von dem Schmuckstück und umarmte ihren Paten fest als Dank.

Sie trafen sich mit den anderen an der Rentierschlittenfahrtbahn. Charly, Dora und Simon hatten jeder zwei kleine Souvenirsäckchen. Sie hatten mehr Zeit mit essen und herumblödeln verbracht, als mit einkaufen. Charly zeigte Sally voller stolz eine Tüte mit Keksen, die sie mit den Elfen gebacken hatte. Mika und Finnja tauchten erst nach zehn Minuten auf. Mika hatte vier große Tüten in jeder Hand und Finnja hatte ihre Mütze und ihren Schal abgenommen - sie sah sichtlich erschöpft aus. Remus warf Sally einen belustigten Blick zu, als Mika zu erzählen begann, was sie nicht alles gesehen und getan hatten. Finnja schnaufte noch etwas und hielt sich die Seite, doch im Großen und Ganzen sah sie sehr zufrieden mit sich aus. Eigentlich hätte man ihr eine Medaille verleihen sollen.

Nachdem sie nun auch die letzte Station abgehakt hatten und einstimmig beschlossen hatten, dass die Rentierschlittenfahrt das Beste an dem ganzen Dorf war, schlenderten sie wieder - etwas müde und erschöpft - zurück zu Finnjas Haus. Dort trafen sie auch auf ihren Ehemann Juha und ihren Neffen Nikolai, der ungefähr in Sallys Alter war. Die beiden waren vorhin Eisfischen gewesen und Nikolai erzählte ihnen, dass er das Durmstrang Institut besuchte. Simon und Sally warfen sich einen kurzen Blick zu und grinsten. Das Institut war bereits einmal Thema ihrer Gespräche gewesen. Um genau zu sein sogar Thema eines ihrer ersten Gespräche.

Die sechs Briten bedankten und verabschiedeten sich schließlich von den dreien und wünschten ihnen noch einen schönen Abend. Durch das Flohnetzwerk kamen sie wieder zurück nach Basildon, wo es gerade halb acht wurde. Im Wohnzimmer erwartete sie schon die nächste Überraschung, denn Darren O'Brian saß auf dem Sofa und sah sichtlich besorgt aus. Er war aufgesprungen nachdem sie alle aus dem Kamin gestolpert waren. »Mika!«, rief er aufgebracht aus, doch man konnte sehen, dass er einfach nur erleichtert war, seine Tochter heil wiederzusehen. Alle wandten sich zu der O'Brian um und starrten sie fragend an. Mika hatte den Kopf eingezogen und grinste unschuldige. »Uuups.« Wie sich herausstellte, hatte Mika eigentlich nur vorgehabt ihre Schlange abzuholen und dann wieder nach Hause zu kommen. Doch letzteres war nie passiert, denn die junge Dame hatte irgendwie vergessen, dass sie heimkommen sollte. Darren hielt ihr eine kurze Predigt, dass sich ihre Mutter furchtbare Sorgen gemacht hatte, doch im Endeffekt war es so, dass das ganze Wohnzimmer darüber lachte. Mika, Darren und Sergej verabschiedeten sich endgültig, doch die Braunhaarige ließ es sich nicht nehmen ihre neuen Freunde fest zu umarmen und ihnen einen schönen Schulstart zu wünschen.

Nachdem die O'Brians verschwunden waren, tischte Andromeda das Abendessen auf und ließ sich von Dora, Simon, Sally und Charly erzählen, was sie alles gemacht hatten. Um halb neun stand Mr. Carter vor der Tür um seinen Sohn abzuholen. Die drei Freunde verabschiedeten sich überschwänglich von einander und taten so, als würden sie sich die nächsten drei Jahre nicht mehr sehen. Sally und Charly setzten sich mit einer heißen Schokolade ins Wohnzimmer und sahen sich einen Muggelweihnachtsfilm an. Nach einer guten halben Stunde waren die Mädchen Kopf an Kopf eingenickt und machten keine Regung mehr. Andromeda, Ted und Remus standen im Türrahmen und beobachteten lächelnd die Szene. »Ich denke das waren sehr anstrengende Weihnachtstage«, meinte Andromeda belustigt.

Joel Corunna

Die restlichen Weihnachtsferien hatte Sally halbwegs heil überstanden. Mika war noch einmal vorbeigekommen um ihnen Auf Wiedersehen zu sagen - aber Sally war sich fast sicher, dass sie einfach nur Charly etwas nerven wollte. Der Gedanke daran entlockte ihr nur ein Kichern. Charly hatte am letzten Ferientag noch einen Brief ihrer Mutter erhalten, den sie allerdings einfach ungelesen ins Feuer geschmissen hatte. Gemeinsam mit Simon, Emily und deren Freundinnen, waren sie nach dem Mittagessen mit dem Fahrenden Ritter wieder nach Hogwarts gebracht worden. Fred, George, Mischa und Lee waren ihnen schon entgegengelaufen. Zuerst hatten die drei gedacht, dass ihre Freunde sie schon vermisst hatten, doch in Wahrheit war es einfach nur eine unausgesprochene Herausforderung zu der größten Schneeballschlacht, die Sally je miterlebt hatte. Zuerst waren sie drei gegen die vier und im Endeffekt hieß es jeder gegen jeden. Ein paar Zweit- und Drittklässler hatten sich dazu gesellt und so kam es, dass Sally ihre Koffer erst in ihrem Schlafsaal verstauen konnte, als es schon dunkel geworden war.
 

Inzwischen war schon wieder ein Monat vergangen und die Erstklässler wurden auf ihre ersten Prüfungen in Hogwarts vorbereitet. Die Hausaufgaben stapelten sich und keiner von ihnen wusste noch recht wo ihm der Kopf stand. Sie saßen so lange gemeinsam in der Bibliothek, bis Madam Pince sie hinauswarf und dann machten sie in ihren Gemeinschaftsräumen weiter. Simon hatte so einen Knoten im Hirn und jedes Mal wenn sie ihm etwas erklären wollten, begann er aufgeregt herumzuzappeln, verschwand für eine halbe Stunde und war dann wie ausgewechselt. Charly glaubte, dass er heimlich Aufputschmittelchen nahm, doch Sally wusste es besser. Ihr bester Freund litt an Bewegungsdrang - das hatte er ihr schon zu Beginn des Schuljahres erzählt. Wenn er lange still sitzen und sich konzentrieren musste, begannen seine Beine wie wild zu zappeln und er musste draußen ein paar Runden hin und her laufen, bevor er sich wieder konzentrieren konnte. Aber das behielt sie für sich. Außerdem schien Charly die Sache mit den Aufputschmitteln besser zu gefallen. Hin und wieder gesellten sich Emily, Catriona und Marlena zu ihnen, wenn die Gruppe gar nicht mehr weiter kam, doch lange hielten es die drei Mädchen ohnehin nicht aus bei ihnen.

Es war wieder einer jener Abende, an denen die Freunde aus der Bibliothek geworfen wurden. Sally ging mit den Zwillinge und Lee nach oben in den Gemeinschaftsraum und seufzte theatralisch. »Snape hat uns doch absichtlich zehn Zoll mehr schreiben lassen«, jammerte sie. »Natürlich war das Absicht. Glaubst du er macht irgendwann mal etwas aus Versehen?«, fragte George und warf ihr einen betrübten Blick zu. Die Schwarzhaarige schob die Unterlippe nach vorne und seufzte erneut tief auf. »Nein, aber ich hatte es gehofft.« Die drei Jungs begannen zu lachen und Sally warf Lee ihr Zaubertrankbuch an den Kopf. Allerdings wich er aus, weshalb es auf Freds Fuß fiel. Der Weasley blieb stehen und warf ihr einen irritierten Blick zu. Mit einem entschuldigenden Grinsen im Gesicht hob sie das Buch wieder auf und im nächsten Moment flogen Bücher, Pergamentfetzen und Federkiele durch den Korridor. Der Fetten Dame wurden sie also schon von Weitem angekündigt, was sie nicht gerade zu erfreuen schien. Ziemlich zerzaust und mit irgendwelchen Dingen in den Händen, stolperten die vier auf das Portrait zu und posaunten gleichzeitig das Passwort (»Karneval«) heraus. »Alleine für euer unmögliches Verhalten sollten euch alle Punkte abgezogen werden. Und am besten wäre es auch noch ihr würdet draußen schlafen«, schnappte die Fette Dame und schwang trotzig zur Seite, als Fred und George begannen das Passwort in einer nervigen Singsangstimme rauf und runter zu jodeln.

Eine Gruppe Fünftklässler stand gerade auf um schlafen zu gehen und die Zwillinge stürmten vor um die guten Plätze am Kamin für sie alle zu reservieren. Breit grinsend ließen sich Sally und Lee auf die Couch fallen und breiteten die Sachen in ihren Armen auf dem Tisch auf, um sie dem richtigen Besitzer wieder zu geben. Ein Tintenfass war zerbrochen, doch Lee baute es mit einem Reparo-Zauber gleich wieder zusammen. »Flitwick wäre stolz auf dich. Du hast da noch etwas in den Haaren«, meinte Fred und beugte sich vor um Sally seine eigene Feder aus den Haaren zu zupfen. »Dankeschön. Bekomme ich meinen Zauberstab wieder?«, fragte sie ihn und streckte die Hand nach dem Stück Holz aus. »Ich habe zwar keine Ahnung, wie der in meinen Besitz gelangt ist, aber hier bitte.« Fred lachte, als er ihr den Zauberstab reichte. »Manchmal ist es besser nicht alles so genau zu wissen.« Die Gryffindor verstaute ihn in ihrer Tasche und grinste.

Lee und Sally hatten schließlich begonnen sich über Snape zu beschweren, während die Zwillinge Fratzen rissen um den ungeliebten Zaubertranklehrer möglichst real darzustellen. Als George ein besonders lustiges Gesicht machte, begannen Lee und Sally so laut zu lachen, dass sie Angelina Johnson und Alicia Spinnet vertrieben, die am Nebentisch gesessen hatten um ihre Hausaufgaben zu machen. »Könntet ihr euch mal gefälligst zusammenreißen?«, meckerte da eine bekannte Stimme und Sally erkannte Percy Weasley, der sich neben der Couch aufgebaut und seine Hände in die Hüfte gestemmt hatte. Lee prustete los und Sally stieß ihn mit dem Ellenbogen in die Rippen, denn sie traute Percy ja zu, dass er sich auf sie beide stürzen und sie fressen würde. So oder so ähnlich zumindest. »Jaja, Perce, wir sind schon still, damit du brav lernen kannst«, gab Fred mit einer zuckersüßen Stimme zurück und schnitt eine Grimasse, nachdem sein älterer Bruder sich abgewandt hatte. Fred verdrehte genervt die Augen und lehnte sich zurück. »Der bringt mich auch noch mal ins Grab.« Sally kicherte leise und warf dem älteren Weasley noch einmal einen kurzen Blick zu.

»Findet ihr nicht auch Perce würde mit ein paar Furunkeln im Gesicht besser aussehen?«

George wandte sich gerade wieder zu ihnen um, nachdem er Percy beobachtet hatte, wie er sich wieder auf die andere Seite des Raumes begeben hatte, um weiter zu lernen.

»Woran denkst du?«, fragte Fred sofort und schien Feuer und Flamme von der Idee zu sein, die es offensichtlich noch nicht gab.

»An nichts Konkretes. Aber ich denke uns fällt schon etwas ein.«

Sallys Blick wanderte zwischen den Zwillingen hin und her und sie konnte ein Schmunzeln nicht mehr unterdrücken. Der Gesichtsausdruck der beiden Weasleys sprach Bände und Sally hoffte einfach, dass sie dieses Mal eine angenehmere Strafarbeit ausfassen würden.
 

Es vergingen einige Tage, bis George ihr die Neuigkeiten eröffnete. Sally unterhielt sich gerade mit Simon über den Zaubertrankunterricht, als der Weasley den Flur entlanggelaufen kam und das Gespräch unterbrach.

»Wir haben sie!«

Die beiden Angesprochenen wandten sich zu dem Rothaarigen um und man konnte das Fragezeichen förmlich über ihnen schweben sehen.

»Was genau habt ihr?«, fragte Simon schließlich, nachdem George wohl nicht im Traum daran dachte die Informationen herauszurücken.

»Na das Furunkelgel!«, flüsterte der Gryffindor aufgeregt.

Simon warf Sally einen verständnislosen Blick zu, während ihr langsam aber sicher doch ein Licht aufging.

»Oh. Ich verstehe«, sagte sie langsam und legte den Kopf etwas schief. George nickte aufgeregt und musste sich wohl zusammenreißen um sie nicht an den Schultern zu packen und durchzuschütteln. »Morgen ist es so weit. Morgen verpassen wir Perce ein paar Furunkeln!« George jubelte und ließ die beiden wieder alleine um … was auch immer zu tun. So genau wollten es die beiden Zurückgelassenen auch nicht wissen um ehrlich zu sein.

»Soll ich fragen?« Simon warf Sally einen kurzen Blick zu, bevor er wieder in die Richtung sah, in der George verschwunden war.

»Nein. Besser nicht. Komm gehen wir Mittagessen.«

Das ließ sich der Carter nicht zwei Mal sagen.

Die beiden Freunde wollten an ihrem Gespräch von vorhin anknüpfen, aber Georges riesige Neuigkeiten hatten dafür gesorgt, dass sie den Faden verloren hatten. Gerade als Simon begann laut zu überlegen, was es wohl zu essen geben würde, stieß Charly zu ihnen und schüttelte nur den Kopf.

»Hast du es auch schon gehört?«, fragte Sally und musste schmunzeln, als ihre Freundin die Augen verdrehte. »Jaaah. Ich hab Mischa und Fred gerade reden gehört. Manchmal frage ich mich wirklich nur mehr wieso.« Sally kicherte und verabschiedete sich von den beiden um zum Gryffindortisch zu gehen. Dort angekommen ließ sie sich zwischen die Zwillinge und gegenüber von Lee auf einen freien Platz fallen.

»George hat es dir also schon erzählt?«, begrüßte Fred sie und schenkte ihr Kürbissaft ein. Sally nickte, bedankte sich kurz und nippte schließlich an dem Glas. »Ja. Aber will ich wissen woher ihr es habt?« Genau das erwartete Fred wohl, denn schon an seinem Gesichtsausdruck merkte sie, dass er ziemlich stolz darauf war. Er beugte sich etwas vor, damit niemand von den anderen Gryffindors mitbekam worüber sie sprachen. »Zufällig hab ich herausgefunden, dass Zonko's Scherzartikelladen in Hogsmeade einiges an Furunkelgel führt. Mischa, George und ich schleichen uns morgen in der Freistunde nach Hogsmeade!« Er konnte die Begeisterung in seiner Stimme kaum zurückhalten und Sally blieb der Mund offen stehen. Fred schien das als Überwältigung oder sonst irgendetwas zu deuten, doch die Gryffindor war sichtlich … schockiert. »Seid ihr wahnsinnig?«, zischte sie genauso leise, während sie sich und Fred Bratkartoffeln auf den Teller schaufelte. »Wieso?«, fragte er verblüfft und hielt in der Bewegung inne, was dafür sorgte, dass das Stück Fleisch auf seiner Gabel auf den Tisch und durch den Kopf vom Fast Kopflosen Nick fiel, der gerade durch den Tisch geschwebt kam. Er warf Fred einen bösen Blick zu. »Kein Grund mich mit Essen zu bewerfen«, meinte er beleidigt und schwebte an das andere Ende des Tisches um sich mit Percy zu unterhalten - wahrscheinlich über die Unfähigkeit seiner Zwillingsbrüder. Fred schüttelte den Kopf und spießte das Stück Fleisch wieder auf um es sich auf den Teller zu legen. Während er noch ein Stück aufspießte, um es Sally zu geben, hob er fragend die Augenbrauen. Er wartete auf eine Antwort - der Fast Kopflose Nick war schon wieder vergessen.

»Wieso!? Was macht ihr wenn Filch euch erwischt? Oder noch schlimmer … Snape?« Sally riss die Augen auf und wagte es kaum sich zum Lehrertisch umzudrehen. Sie fühlte sich, als könnte Snape von Weitem riechen, dass hier etwas ausgeheckt wurde. Und sie wartete förmlich nur darauf, dass er hinter ihnen stand und ihnen sämtliche Punkte abzog, die Gryffindor noch besaß. Fred klatschte das Stück Fleisch auf Sallys Teller und tippte ihr dann gegen die Stirn. »Wir haben doch noch die Karte, Dummerchen. Uns erwischt niemand.« Okay, ja. Die Karte hatte sie kurzzeitig verdrängt. Aber trotzdem!

Sally wandte sich ab und begann ihr Fleisch zu zerschneiden. »Mach dir nicht so viele Sorgen, wird schon alles gut gehen«, versprach Fred und schob sich grinsend eine Bratkartoffel in den Mund. »Hm. Ich hoffe es«, gab Sally wenig begeistert zurück. Sie mochte die Zwillinge, Lee und Mischa furchtbar gerne - aber manchmal schien es als glaubten sie, sie wären Gott und schafften alles. Das galt vor allem für die Zwillinge.

Der restliche Tag verlief ohne größere Zwischenfälle. Sally war furchtbar nervös, obwohl sie am folgenden Tag gar nichts zu tun hatte, außer abzuwarten. Das war wohl das Schlimmste daran. Sie konnte sich am Nachmittag in der Bibliothek gar nicht konzentrieren und wurde von Charly des Öfteren zurechtgewiesen. Lee, Fred, George und Mischa saßen ein paar Tische entfernt und brüteten über der Karte des Rumtreibers. Lee sollte für ein Ablenkungsmanöver im sechsten Stock sorgen, damit die anderen drei ungehindert in irgendeinem Geheimgang nach Hogsmeade verschwinden konnten. So viel hatte Sally mitbekommen und mehr wollte sie auch ehrlich gesagt nicht wissen.
 

Am nächsten Morgen war Sally früh wach. Sie war sich fast sicher, dass sie gar nicht geschlafen hatte. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass sie noch etwas Zeit hatte, bis das Frühstück aufgetischt wurde. Sie duschte ausgiebig und versuchte die beunruhigenden Gedanken aus ihrem Kopf zu verdrängen. Doch es gelang ihr nicht. Zwanzig Minuten später tapste sie hinunter in die Große Halle. Ihre Freunde schliefen noch, weshalb sie einer Gruppe Drittklässler folgte. Einer von ihnen beschwerte sich gerade ausgiebig über die Quidditchmannschaft der Slytherins und Sally war sich fast sicher, dass es Oliver Wood war, der da sprach. Er war der Hüter der Gryffindormannschaft und es war nicht zu übersehen, dass er ein Quidditchnarr war. Oliver Wood würde sich mit Simon bestimmt gut verstehen.

Sally wurde aus ihren Gedanken gerissen, als Percy Weasley sie ansprach.

»Guten Morgen, Sally. Wo sind denn meine Brüder?«

Die Schwarzhaarige zuckte kurz zusammen und warf Percy, der nun neben ihr ging, einen erschrockenen Blick zu. »Ähm. Ich denke sie schlafen noch. Wieso?« Percy nickte wissend. »Aha, danke. Ach nur so. Weißt du ich kenne sie schon lange und werde das Gefühl nicht los, dass sie irgendetwas aushecken. Aber ich kann mich natürlich auch irren. Du würdest es mir doch sagen, nicht wahr?« Sein Blick war bohrend und seine Stimme gebieterisch. Sally widerstand der Versuchung die Augen zu verdrehen und zog stattdessen ihre Stirn etwas kraus. »Natürlich«, gab sie so überzeugend wie möglich zurück - was nicht gerade einfach war. Doch Percy schien es zufriedenzustellen, denn er sagte nichts mehr zu dem Thema, sondern wollte schließlich von ihr wissen ob ihr Hogwarts gefiel und ob sie sich schon vor den Prüfungen fürchte. Sally gab ein paar kurze Antworten und als sie die Große Halle endlich erreichten, wollte Percy gerade vorschlagen, dass er ihr doch beim Lernen helfen könnte, denn er wusste schließlich worum es ging. Statt zu antworten, entschuldigte Sally sich und ging schnurstracks zum Hufflepufftisch, wo sie Simon gerade entdeckt hatte.

»Du bist meine Rettung«, seufzte sie und lehnte die Stirn kurz an seine Schulter. »So viel reden. Und das so früh am Morgen.« Simon sah sie fragend an, was Sally nur dazu veranlasste die Augen zu verdrehen und »Percy Weasley« zu murmeln. Das war Erklärung genug, selbst für Simon.

Als Lee Jordan schließlich mit einem breiten Grinsen im Gesicht in die Große Halle spaziert kam, stand Sally vom Hufflepufftisch auf, verabschiedete sich von Simon und seiner Schwester, und folgte Lee zum Gryffindortisch. Sie setzte sich neben ihn und kaum war das geschehen, steckten die beiden die Köpfe zusammen. »Filch ist im sechsten Stock und schrubbt den Boden. Froschlaich«, fügte Lee hinzu, als er den fragenden Blick seiner Freundin bemerkte. »Und ich hab zusätzlich noch drei Stinkbomben gezündet, damit ihm nicht langweilige wird.« Lee zwinkerte und schmierte sich Marmelade auf seinen Toast. Sally griff nach ihrer Teetasse und nippte nachdenklich daran. Das hieß ihre drei Freunde waren bereits auf dem Weg nach Hogsmeade. Sie war gespannt wie das ausgehen würde.

Ihre Freistunde verbrachte die junge Gryffindor mit Lee und Charly in der Bibliothek. Simon hatte mit den Ravenclaws gemeinsam Unterricht. Doch aus lernen wurde nichts, denn eine drückende Stille herrschte zwischen den dreien. Anfangs hatten sie noch leise flüsternd über ihren Hausaufgaben gebrütet, doch inzwischen war ihnen bewusst geworden, dass irgendetwas passiert sein musste. Fred, George und Mischa waren noch nicht zurück. Dabei hätten sie schon seit Längerem wieder hier sein müssen. Schließlich hatte Lee mit ihnen abgemacht, dass sie sich in der Bibliothek treffen würden. Doch von den Zwillingen und dem Russen fehlte jede Spur.

Bis zum Mittagessen tauchte keiner der drei auf und inzwischen war auch Lee etwas mulmig zumute. Er und Sally schlangen ihr Essen hinunter und liefen schließlich hinauf in den Gemeinschaftsraum der Gryffindors. Von den Zwillingen fehlte jede Spur, weshalb sie kurzerhand in den Jungenschlafsaal stürmten. Sally hatte nicht einmal Zeit sich darüber Gedanken zu machen, dass sie hier eigentlich gar nicht hingehörte, denn kaum hatte Lee die Tür aufgerissen, bot sich ihnen ein etwas … eigenartiges Bild. Lee begann laut zu lachen, während Sally der Mund aufgeklappt war. Fred und George saßen auf einem Bett und musterten sich in einem kleinen Spiegel. Ihre Gesichter waren übersät mit roten Pusteln.

»Was ist mit euch passiert?«, brachte Sally schließlich hervor und ging auf die beiden zu.

George schaute hoch und schnaubte. »Fred dachte es wäre eine gute Idee eine zweite Schachtel Furunkelgelgläser mitzunehmen und damit eine schmale Treppe hinunterzufallen.« Er warf Fred einen kurzen Blick zu. »Auf Mischa und mich drauf versteht sich.« Sally legte die Hand auf den Mund und weitete die Augen. Sie sah zwischen den beiden hin und her und wartete wohl darauf, dass das alles ein Scherz war - doch sie wusste wohl selber gut genug, dass dem nicht so war. Sie warf Fred einen kurzen Blick zu, der nur entschuldigend grinste und mit den Schultern zuckte. Lee hatte sich inzwischen wieder halbwegs beruhigt und sich vom Boden aufgerappelt, auf dem er inzwischen gekniet hatte.

»Und was ist mit Mischa?« Sally war noch etwas näher getreten - langsam, denn irgendwie hatte sie etwas Angst, dass einer dieser Furunkeln platzen und sie fressen könnte. Zumindest so ähnlich. Fred zuckte die Schultern. »Er sieht nicht besser aus. Madam Pomfrey hat uns einen Trank gegeben, damit die Dinger verschwinden, aber das dauert ein paar Stunden. Dann hat sie uns in unsere Gemeinschaftsräume geschickt, also gehe ich davon aus, dass er dort ist«, fügte er hinzu und zwinkerte. Sally wusste, dass er versuchte die Situation etwas zu entspannen, doch sie merkte auch, dass ihn das ganze hier mehr wurmte, als er jemals zugeben würde. Seufzend ließ sie sich vor den Zwillingen auf den Boden sinken. Sie hatten am Nachmittag noch Unterricht und sie versprach die beiden zu entschuldigen. Die vier Freunde unterhielten sich noch ein Weilchen, bevor sich Lee und Sally wieder auf den Weg nach unten machten. Simon kam ihnen in der Eingangshalle entgegengelaufen und fragte sie was passiert war. Gerade als Sally zu erzählen beginnen wollte, stieß auch Charly zu ihnen.

»Was ist passiert? Ich wollte mit Mischa reden, doch er war nicht im Gemeinschaftsraum. Irgendwer meinte, dass er mit Corunna im Schlafsaal verschwunden ist, aber … ich dachte mir dann, dass ihr bestimmt auch wisst, was los ist.« Charly grinste leicht und ein leichter Rotschimmer legte sich auf ihre Wangen. Sally wurde ebenso rot, als sie schließlich realisierte, dass sie vor fünf Minuten noch im Jungenschlafsaal auf dem Boden gesessen hatte. »Die drei hatten einen Unfall mit dem Furunkelgel«, erklärte Lee kurz und erzählte Simon und Charly dann noch kurz was Fred ihnen über ihren Besuch im Krankenflügel berichtet hatte.

Keiner der drei tauchte zum Abendessen auf, doch als Sally und Lee in den Gemeinschaftsraum zurück kamen, saßen Fred und George in einer Ecke und hatten schon wieder die Köpfe zusammengesteckt. »Na, ihr zwei?«, begrüßte Sally die Zwillinge und ließ sich neben Georges Stuhl auf den Boden sinken. Lee tat es ihr gleich und so saßen sie zu viert in einer abgeschiedenen Ecke und konnten sich in Ruhe unterhalten. Die Furunkel waren inzwischen aus ihren Gesichtern verschwunden und es schien beinahe, als hätten die beiden den Vorfall inzwischen schon wieder verdrängt. Fred grinste die beiden Neuankömmlinge abwechselnd an und schien sich über irgendetwas besonders zu freuen. Fragend hob Lee die Augenbrauen und bevor er überhaupt etwas sagen konnte, berichtete Fred ihnen schon voller Freude, dass ein Glas Furunkelgel nicht zerbrochen und somit vollkommen einsatzfähig war. »Also war der Ausflug nicht ganz umsonst«, schloss er gut gelaunt und warf Sally einen mahnenden Blick zu, da sie kurz davor war die Augen zu verdrehen.

Während Fred darüber sinnierte, wie er das Furunkelgel in die Dusche von Percy brachte, hatte Sally ihr Zauberkunstbuch hervor gezogen und übte ein paar Zauber, die sie inzwischen gelernt hatten. Lee und George spielten unterdessen eine Partie Zaubererschach. Irgendwann hatte Fred aufgehört laut zu überlegen und kommentierte das Spiel zwischen seinem Zwilling und Lee. Nach dem ganzen Tamtam über den Tag hinweg, war es ein friedlicher und witziger Abend für die vier Gryffindors. Sally hatte irgendwann damit begonnen ihre Klassenkameradinnen Angelina Johnson und Alicia Spinnet zu ärgern, indem sie ihre Bücher, Taschen, Federkiele und Pergamentstücke immer wieder mit dem Schwebezauber durch die Luft fliegen ließ. Wie sie es geschafft hatte dabei nicht entdeckt zu werden, wusste sie selber nicht so genau. Wahrscheinlich hatten sich die beiden Mädchen so sehr geärgert, dass sie gar keine Notiz von ihr genommen hatten. Irgendwann waren Angelina und Alicia beleidigt im Mädchenschlafsaal verschwunden, worüber sich Sally so freute, dass sie am liebsten quer durch den Gemeinschaftsraum gehüpft wäre.
 

Die restlichen Tage der Woche verliefen einigermaßen ruhig. Die Freunde hatten einiges an Hausaufgaben zu erledigen und beschlossen sich am Samstag in einem Klassenzimmer im sechsten Stock zu treffen. Die vier Gryffindors waren als erstes da und Fred hatte natürlich das gerettete Furunkelgelglas und die Karte des Rumtreibers dabei. Sally wollte eigentlich gar nicht so genau wissen wie er Percy das Gel unterjubeln wollte - aber ihr würde nichts anderes übrig bleiben, als den Plan auf die Nase gebunden zu bekommen. Simon traf kurz nach ihnen ein und ließ sich neben Sally auf einen Stuhl fallen. Gerade wollte er etwas zu ihr sagen, als Charly die Tür aufriss und sie hinter sich wieder zuschlug. Mischa war nirgends zu sehen.

Aber zu hören.

»Hey!«

Der Russe stieß die Tür wieder auf, die Charly ihm vor der Nase zugeschmissen hatte.

»Was soll denn das?«

»Du bringst einfach jemanden mit, ohne dass es jemand weiß. Was soll das!?«, keifte Charly zurück und setzte sich gegenüber von Simon hin, mit dem Rücken zu Mischa. Dieser verdrehte grinsend die Augen und trat zur Seite, damit besagter jemand auch eintreten konnte. Sally erkannte ihn. Es war ein Slytherin aus ihrem Jahrgang, doch ihr wollte sein Name im Moment nicht einfallen. Er sah nicht gerade so aus, als wäre er allzu begeistert über die Zusammenkunft von Löwen, Dachsen und Schlangen.

»Ah gut, du hast Jo mitgebracht. Schön. Je mehr Köpfe, desto besser«, freute Fred sich und deutete zur Tür, damit sie jemand schloss.

Ebenjener Jo ließ sich gegenüber von Sally auf den freien Platz fallen, Mischa nahm neben ihm Platz.

»Leute, das ist Joel Corunna«, stellte der Russe seinen Anhang vor, da dieser nicht daran dachte es selbst zu tun. Sally nickte ihm kurz zu und wandte sich schnell zu Charly um. Sie schien sichtlich schlecht gelaunt zu sein. Auch wenn Sally nicht wirklich wusste warum, aber das war bei Charly schließlich öfter der Fall.

Während Fred und George ihnen ihre ›missliche Lage‹, wie sie es nannten, schilderten, musterte Sally ihren Gegenüber. Joel Corunna. Ein Slytherin. Jetzt wo sie seinen Namen wusste, fragte sie sich eigentlich, wieso er ihr nicht vorher schon eingefallen war. Sein Gesicht war so markant, dass man es mit gar keinem anderen Namen betiteln könnte. Sally musste zugeben, dass Joel Corunna richtig … hübsch war. Er sah wirklich gut aus.

Kaum hatte sie ihre Gedanken und den Blick, den er ihr mit seinen dunklen Augen zuwarf, bemerkt, wurde sie rot und wandte sich schnell ab. Wie peinlich aber auch!

So richtig bekam die Gryffindor nicht mit, was die Weasleyzwillinge eigentlich von ihnen wollten und was die anderen für Vorschläge lieferten. Ihr Blick wanderte immer wieder unauffällig zu dem Slytherin. Solange, bis mehr als zwei Stunden vergangen waren, sie nichts von den Plänen der Zwillinge mitbekommen hatte und schließlich mit ihnen und Lee wieder Richtung Gemeinschaftsraum trottete. Sie blickte noch einmal kurz über ihre Schulter und beobachtete, wie Charly, Simon, Mischa und Jo gemeinsam die Treppe hinunter gingen.

Da kam ihr ein Gedanke.

Ein sehr absurder Gedanke, aber immerhin war da einer.

»Ich muss … noch mal los. Ich treff' mich mit Dora!«, erklärte sie den drei Jungs eilig und raste an ihnen vorbei zu dem Wandteppich, hinter dem ein Geheimgang direkt in die Eingangshalle führte. Sally lief die Treppe so rasch hinunter, dass sie beinahe stolperte. Unten angekommen raste ihr Herz wie wild und sie braucht einen kurzen Moment um zu verschnaufen.

Dann hörte sie Charlys Stimme, die sich von Simon verabschiedete. Sally schnappte nach Luft und eilte zu dem Wandvorhang und schob ihn ein Stück zur Seite um nach draußen sehen zu können. Sie sah, wie Simon sich von den drei Slytherins entfernte und ebenjene drei Slytherins Richtung Kerker davon gingen. Jo strich sich gerade lässig durch die Haare als Sally den Wandvorhang komplett zur Seite schob um noch einen allerletzten Blick zu erhaschen. Doch die drei waren schon verschwunden. Tief seufzend lehnte sie sich an die Wand neben dem Geheimgang und lächelte selig.

»Na, was ist denn mit dir los?«

Die Stimme ihrer Schwester erschreckte sie so, dass ihr ein leiser Schrei entwich.

Nymphadora stand grinsend neben ihr und betrachtete die Jüngere.

»Ähm …«

Sally wurde rot und fühlte sich ertappt. Doch Dora schien nichts zu ahnen, denn sie legte ihr einen Arm um die Schulter und führte sie nach draußen, damit sie wieder etwas Zeit miteinander verbrachten. Sally erzählte ihr von dem Furunkelgelgläserunfall, was die Hufflepuff sichtlich zu amüsieren schien. Sie lachte geschlagene zehn Minuten darüber und selbst als sie das Thema bereits mehrfach gewechselt hatten, musste sie immer wieder grinsen, bei dem bloßen Gedanken daran.

»Wir sollten wieder öfter etwas gemeinsam unternehmen«, meinte Dora schließlich, als die beiden über die Ländereien spazierten, auf denen der Schnee schon wieder langsam schmolz. Sally hoffte, dass es nicht mehr allzu lange dauern würde, denn sie freute sich schon unheimlich auf den Frühling.

»Ja, das sollten wir. Wir könnten doch jeden Samstag eine Stunde unserer Lernzeit abzwicken?«, schlug die Gryffindor vor und bückte sich als sie ein kleines Blümchen entdeckte.

»Eine Stunde. Oder zwei oder drei«, lachte Dora und zückte ihren Zauberstab. Sie ließ den Schnee um das Blümchen verschwinden und zauberte eine Art Kuppel darum. Bevor Sally überhaupt fragen konnte, gab Dora ihr schon eine Antwort. »Damit sie nicht erfriert und in den nächsten Wochen wachsen kann.«
 

So kam es, dass sich die beiden Schwestern den folgenden Monat jeden Samstag trafen und über die Vorkommnisse der Woche sprachen oder einfach herumblödelten. Jedes Mal lag weniger Schnee auf den Ländereien und jedes Mal war ihr Blümchen noch ein Stück weiter gewachsen. Doch nie beantwortete Sally die Frage, die Dora ihr an jenem Samstag gestellt hatte. Und nie erzählte sie ihr von den kleinen Herzchen, die sie um Joel Corunnas Namen malte, wenn ihr im Unterricht langweilig war.

Das blieb ihr kleines Geheimnis.

Ein Geheimnis, das sie niemandem erzählen würde.

Noch ein Geheimnis, das sie niemandem erzählen würde.

Auf die Freundschaft

Joel Corunna war inzwischen fester Bestandteil der Gruppe geworden - ob er wollte oder nicht. Doch je mehr Zeit er mit ihnen verbrachte, desto wohler fühlte er sich wie es schien. Er war zwar immer noch unheimlich cool, doch seine Selbstüberschätzung hing Sally inzwischen schon etwas zum Hals heraus. Nachdem Charly sie einmal beinahe erwischt hatte, wie sie Herzchen um seinen und ihren Namen malte, hatte sie damit aufgehört. Und nachdem er sich nun immer mehr als kleiner, arroganter und selbstverliebter Arsch herausstellte, dachte Sally viel seltener darüber nach, ob sich Sally Corunna eigentlich toll anhörte.

Nein, tat es nicht.

Joel Corunna war … ein Kapitel für sich. Und neben Sally hatte auch Simon seine Probleme mit dem Slytherin warm zu werden. Wenn sie in der Gruppe waren, war es okay. Aber Sally wollte sich nicht vorstellen wie es wäre, wenn sie alleine wären. Nachdem sie sich inzwischen abgewöhnt hatte daran zu denken, dass er ihr einfach seine unendliche Liebe gestehen und sie küssen würde, war sie inzwischen eher der Ansicht, dass sie sich gegenseitig die Augen auskratzen würden.

Joel Corunna war inzwischen fester Bestandteil der Gruppe geworden - ob Sally das wollte oder nicht. Und da niemand etwas von den Herzchen um seinen Namen, die Kombination aus ihrem Namen und seinem Nachnamen und den verlorenen Wünschen von Liebeserklärungen und Küssen wusste, fiel es ihr irgendwann auch leichter das zu akzeptieren. Sie traute sich kaum mit ihm zu sprechen, fühlte sich jedes Mal ertappt. Doch nachdem er nun schon zwei Monate mit ihnen unterwegs war, war sie sich fast sicher, dass nie jemand dahinter kommen würde. Also konnte sie langsam entspannen.

Und das wurde auch allmählich Zeit, denn bald standen die Prüfungen an. Die Professoren meinten es wahrscheinlich nur gut, doch die Erstklässler waren nur mehr am büffeln. Berge von Hausaufgaben waren zu erledigen und daneben musste man noch den Stoff wiederholen, der sich nicht festgesetzt hatte. So wie bei den Weasleyzwillingen, denn da hatte sich absolut und gar kein Stoff festgesetzt. Sally fragte sich manchmal, ob die beiden überhaupt im Unterricht anwesend gewesen waren. Allzu sicher war sie sich da nämlich inzwischen nicht mehr.

Der Schnee war inzwischen verschwunden und sofern das Wetter mitspielte, konnte man nachmittags draußen sitzen. Doch das Wetter spielte momentan nicht wirklich mit, denn es richtete sich wohl nach der Stimmung des ganzen Schlosses. Alle waren gestresst und aufgewühlt. Vor allem die Fünft- und Siebtklässler waren völlig durch den Wind. Die Zwischen- und Abschlussprüfungen standen an und Sally war froh, dass sie einfach nur ganz normale Prüfungen ablegen musste. Als sie an diesem Samstag beim Mittagessen saß, ließ sie wieder einmal ihren Blick durch die Große Halle schweifen, während sie lustlos in ihrem Essen herumstocherte. Der ganze Stress verursachte einen Knoten in ihrem Magen und sie brachte kaum etwas hinunter. Eine Hufflepufffünftklässlerin brach gerade in Tränen aus, nachdem ihr eine Freundin irgendetwas gesagt hatte. Wahrscheinlich hatte Ms Hufflepuff vergessen irgendetwas zu lernen. Es war nicht das erste Mal, dass ein Mädchen in Tränen ausbrach, weil es dem Stress nicht mehr standhalten konnte. Erst am Dienstag war eine Siebtklässlerin aus Slytherin einfach umgekippt. Einfach so!

»Hallo! Erde an Sally, ist jemand zu Hause?«

Die Gryffindor zuckte zusammen, als jemand mit der Hand vor ihrem Gesicht herumfuchtelte, bis sie sich schließlich nach diesem Jemand umwandte. Fred schüttelte nur belustigt den Kopf und schenkte sich, George und Lee Kürbissaft ein.

»Hm?«, fragte Sally etwas dümmlich und ließ beinahe ihre Gabel fallen, nachdem sie die drei kurz gemustert hatte. Sie war sich sicher gewesen, dass keiner der drei da gewesen war, als sie sich gesetzt hatte. Und jetzt saß sie zwischen den Zwillingen und Lee ihr gegenüber. Vielleicht war sie mit ihren Gedanken doch etwas weiter abgeschweift, als sie eigentlich wollte. Naja, auch egal. Lustlos stocherte sie auf ihrem Teller herum und knabberte schließlich an einem Karottenstückchen herum, während sie Georges Worten lauschte.

»Wir haben heute was Schönes vor, also zieh dir etwas Unauffälliges an.«

Sally hob eine Augenbraue und sah ihren Freund fragend an. Doch statt etwas zu sagen, gab er ihr nur ein breites Grinsen als Antwort.

Das restliche Essen verlief schweigend - zumindest beteiligte sich Sally nicht wirklich an dem Quidditchgespräch, das inzwischen aufgekommen war - und als sie die Große Halle verließen, trafen sie ihre drei Slytherin-Freunde. Während sich die Jungs noch kurz über ihren Plan unterhielten, steckten Charly und Sally die Köpfe zusammen.

»Weißt du was die vorhaben?«

Charly schüttelte den Kopf und zuckte mit den Schultern. »Nein. Aber Mischa ist schon ganz hibbelig. Jo ist schon ziemlich genervt, weil er mit der Sprache nicht rausrücken will. Aber egal, Hauptsache wir haben mal einen lernfreien Nachmittag«, zwinkerte die Rothaarige und ging Richtung Kerker davon.

Gemeinsam mit Lee und den Zwillingen spazierte Sally in den siebten Stock.

»Sag mal … seit wann nennen wir Mischa eigentlich Mischa?«, fragte Lee da plötzlich und warf Sally einen fragenden Blick von der Seite her zu.

»Ähm …«

Für einen kurzen Moment war sie etwas überrascht, da diese Frage so absolut aus dem Zusammenhang gerissen kam, dass sie Sally fragte was in Lees Kopf eigentlich manchmal vorging.

»Ich denke das war kurz vor Weihnachten … nachdem er Charly ausführlich erklärt hat, dass … naja … dass er halt nicht Micha genannt werden will … und irgendwas Russisches … was weiß ich … wie kommst du jetzt überhaupt drauf?«

Lee zuckte nur die Schultern und lachte. »Ich weiß auch nicht, fiel mir grade ein.«

Sally schüttelte den Kopf. Manchmal fragte sie sich echt mit was für Leuten sie sich abgab.
 

»So beeilt euch, in fünf Minuten treffen wir uns im Gemeinschaftsraum!«, ermahnte George die anderen, als sie sich vor der Fetten Dame wiederfanden und ihr das Passwort nannten. Sally vermied es zu fragen was sie eigentlich vor hatten, denn sie wusste ohnehin, dass sie keine Antwort bekommen würde. Sie warf den Zwillingen noch einen kurzen Blick zu, doch Fred grinste sie nur an und zwinkerte ihr zu.

»Verrücktes Pack«, murmelte sie und lief die Treppe in den Mädchenschlafsaal hoch. Ein Grinsen legte sich auch auf ihre Lippen, denn um ehrlich zu sein, war sie inzwischen furchtbar neugierig. Und Charly hatte Recht - einen Nachmittag ohne Schulbücher zu verbringen war auch mehr als angenehm. Sally legte den Umhang ab und schlüpfte in einfache, dunkle Kleidung. Als sie wieder nach unten trabte, fiel ihr auf, dass sich einige der älteren Schüler aufgeregt nach draußen drängten. Dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen - heute war das letzte Hogsmeade-Wochenende für alle Schüler ab der dritten Klasse! Die hatten doch nicht etwa vor … Sally schluckte und wandte sich zu ihren Freunden um. Das Grinsen auf ihren Gesichtern sprach Bände. Und wie sie das vor hatten!

»Wegen euch lande ich noch irgendwann im Knast«, murmelte sie Fred zu, als sie gemeinsam nach draußen gingen.

»Keine Sorge, Sal, ich komm dich dann besuchen.«

»Wie überaus nett von dir.«

»Tja, so bin ich~«

Sally verdrehte die Augen und folgte den drei Burschen durch irgendwelche Gänge und Stockwerke, bis sie vor einer Statue zu stehen kamen. Charly, Mischa, Jo und Simon standen schon davor - Letzterer schien überhaupt nicht begeistert zu sein, denn er umrundete die Statue bestimmt nicht zum ersten Mal, was man an Joels Blick auch ganz gut ablesen konnte.

Die Schwarzhaarige ging zu dem Carter hinüber um ihn etwas zu beruhigen, doch es schien beinahe so, als wollte er sich gar nicht helfen lassen. Natürlich liebte er Abenteuer, das wusste Sally inzwischen, doch ihm war auch jedes Mal etwas mulmig zu Mute, wenn sie die Regeln brachen. Und das hier war … ihr Schulverweis, wenn sie erwischt wurden.

»Jetzt kommt schon, beeilt euch! Filch kommt gleich hier entlang!«, forderte Fred sie alle auf und scheuchte sie in den inzwischen offenen Buckel der Statue. Er wedelte mit dem Zauberstab und der Karte des Rumtreibers herum und schob Simon, Sally und Charly vor sich her, damit sie in die Luke kletterten. Kaum berührten Sallys Füße den Boden, stand Fred auch schon hinter ihr und es wurde dunkel. Eine Gänsehaut legte sich auf ihre Arme und sie schauderte einen Moment. Dann zog sie ihren Zauberstab und murmelte »Lumos.« Sie wandte sich kurz um und blickte wieder in Freds grinsendes Gesicht. Er zückte nun ebenfalls seinen Zauberstab und schob sich an ihr vorbei nach vorne. Natürlich musste Mr. Wichtig die Führung übernehmen. Sie konnte sich ein Augenverdrehen nicht verkneifen und gesellte sich schließlich zu Charly, die sich mit ihrer freien Hand sofort bei ihr unterhakte. Sie gingen alle mit erhobenen, leuchtenden Zauberstäben hinter Fred her, der immer wieder vor sich hin murmelte: »Dies war der erste Streich und er nächste folgt sogleich … wir werden gar nicht auffallen …« Sally warf Charly einen kurzen Blick zu, die die Augen verdrehte, aber trotzdem grinste. »Ist doch irgendwie aufregend, oder?«, flüsterte die Rothaarige und ihre Augen blitzten. Sally zuckte die Schultern, verzog das Gesicht kurz, bevor sie ebenso grinsen musste. »Ja, eigentlich schon.« Ein leises Lachen entwich ihr. »Aber wir sollten aufpassen, dass Simon nicht umkippt, sollten wir noch länger in diesem Gang sein.« Der Carter fühlte sich sichtlich unwohl und Sally konnte es ihm nicht verübeln. Der Gang war schon alles andere als breit gewesen, als sie losgegangen waren … aber inzwischen konnte man nicht mal mehr zu zweit nebeneinander hergehen.

Als Fred plötzlich stehen blieb, verursachte er eine Massenkarambolage und begann laut zu lachen, als er auf seinen Zwilling blickte, der unter Lee, Mischa, Jo, Simon, Sally und Charly begraben war. Sein Lachen hallte in dem Gang wider und Sally war sich sicher, dass sie jeden Moment erwischt wurden. Aber nichts dergleichen geschah. Sie rappelten sich wieder einer nach dem anderen auf und George boxte Fred auf den Oberarm. Das gemurmelte »Trottel« vernahm auch noch der letzte Flubberwurm.

»Es ist ja schön, wenn ihr vor eurem König niederkniet … aber eigentlich wollte ich euch nur sagen, dass wir jetzt da sind. Die Treppe hoch und wir sind im Keller des Honigtopfs. Ich denke wir können es unbemerkt in den Laden schaffen, wir sollten trotzdem nicht alle auf einmal gehen. Wenn wir erst Mal draußen sind, fallen wir auch gar nicht mehr auf - fast alle Älteren sind hier und ich habe herausgefunden, dass ein Marktfest stattfindet, also genügend Leute, damit wir uns wo drunter mischen können«, erklärte Fred. Er stand auf der untersten Stufe einer Treppe, die alles andere als vertrauenswürdig aussah. Dann wandte er sich um und ging gemeinsam mit George nach oben. Sally wandte sich zu Charly um, die mit erhobenen Augenbrauen und verschränkten Armen neben ihr stand.

»Eingebildet ist der Kerl ja auch überhaupt nicht«, schnaubte sie und schüttelte den Kopf, bevor sie Mischa und Jo nach oben folgte.

Sally zuckte mit den Schultern und wandte sich zu Simon um. »Geht's dir gut? Du siehst etwas blass aus«, fragte sie ihren Freund besorgt, nachdem sie ihn kurz gemustert hatte. Simon presste die Lippen aufeinander, hielt die Luft kurz an und seufzte tief. »Ja, geht schon. Ich mag nur so enge Gänge mit vielen Menschen darin nicht sehr gerne. Komm lass uns aus diesem Loch hier verschwinden«, fügte er schnell hinzu, griff nach ihrer Hand und zog seine beste Freundin mit nach oben.

Als sie im Keller des Honigtopfes angekommen waren, hatte Sally kaum Zeit sich umzusehen, denn sie hörte Charlys Stimme, die Jo gerade irgendeine Beleidigung zuzischte und Mischa, der die beiden ermahnte ruhig zu sein, bevor er Sally und Simon aufforderte sich zu beeilen. Die beiden liefen zu der Holztreppe hinüber und folgten den drei Slytherins nach oben. Sallys Herz pochte so laut, dass sie sich sicher war, dass es der ganze Laden hören konnte. Mischa öffnete die Tür und warf einen kurzen Blick nach draußen, bevor er die anderen nach draußen scheuchte. »Fred, George und Lee warten draußen«, erklärte er ihnen gerade, als er die Tür hinter sich schloss und die Gruppe Richtung Ausgang schob, ohne ihnen Zeit zu geben sich richtig umzusehen. Typisch.

Die Zwillinge und Lee standen vor dem Süßigkeitengeschäft wie bestellt und nicht abgeholt. »Was hat da so lange gedauert?«, fragte der selbsternannte König sogleich, kaum standen sie alle wieder beieinander. Während Charly und Jo sich mit ihren Blicken gegenseitig töteten, knurrte Mischa nur: »Jo und Charly hatten eine kleine Meinungsverschiedenheit.« Der Slytherin wandte sich zu den beiden Genannten um und hätten sie es bisher noch nicht geschafft sich gegenseitig mit ihren Blicken umzubringen, so würden sie spätestens jetzt leblos umfallen. Fred seufzte theatralisch und fasste sich in schönster ›Ihr-bringt-mich-noch-mal-ins-Grab‹-Manier an die Stirn. »Ist doch jetzt egal, wir sollten hier nicht rumstehen. Mischen wir uns unters Volk«, meinte George schließlich und klatschte einmal in die Hände. Sally nickte und löste sich von Charly, die sich schon wieder bei ihr untergehakt hatte.

Viele Menschen tummelten sich auf dem Marktplatz und Sally erkannte hier und da ein paar bekannte Gesichter aus der Schule. Alle schienen wirklich gut gelaunt und froh darüber zu sein, dass sie sich einen Nachmittag von ihren Büchern losreißen konnten. Von der doch relativ großen Gruppe Erstklässler schien trotzdem niemand Notiz zu nehmen. Sally wollte gerade vorschlagen, dass es vielleicht besser wäre, wenn sie sich aufteilten, als Lee genau das zur Sprache brachte. Nachdem sich Fred nun offenbar als Gruppenkommandant fühlte, warf ihm der ganze Rest einen fragenden Blick zu. Er zuckte mit den Schultern und meinte: »Vielleicht gar nicht blöd. Sollen wir uns in einer Stunde an der Heulenden Hütte treffen?« Bevor irgendjemand der anderen überhaupt daran denken konnte zu fragen, wo diese Heulende Hütte denn war, hatte Fred sich schon umgedreht und zeigte in die Richtung, in der ihr Treffpunkt lag.

Die Gruppenbildung dauerte nicht lange, denn nachdem George, Fred und Lee in die Richtung eines Scherzartikelladens davon marschierten, schlugen Mischa und Jo die andere Richtung ein um sich das Dorf anzusehen und Sally, Simon und Charly wandten sich gleichzeitig um, um den Honigtopf genauer unter die Lupe zu nehmen.

»Wisst ihr, ich mag euch alle ja ganz gerne … aber Fred, George, Lee und Mischa können manchmal schon ganz schön anstrengend sein mit ihren Ideen. Und von Jo fang' ich mal gar nicht an, der treibt mich noch in den Wahnsinn«, schnaubte Charly und hielt Sally und Simon die Tür auf. Die beiden warfen sich einen belustigten Blick zu, sagten aber nichts dazu. In solchen Situationen war es besser Charly weder zu widersprechen noch zuzustimmen, das hatten sie in den letzten Monaten gelernt.

Charlys Beschwerden über den Rest der Clique verstummten aber schnell, nachdem sie den Blick kurz durch den Laden schweifen ließ. »Ich glaub wir sind im Paradies …« Die drei standen mit offenen Mündern im Laden und kamen aus dem Staunen gar nicht mehr raus. Regale, die bis zur Decke reichten waren voll gestopft mit Süßigkeiten in allen Formen und Farben. Wenn sie hier nicht irgendetwas finden würden, das ihnen gefiel, dann würde Sally den Glauben an die Menschheit verlieren. Es dauerte nicht lange und die drei waren vollgepackt mit Schokolade in allen möglichen Varianten, Kaugummi, Bonbons und Esspapier, das aussah wie ein beschriebenes Pergament. Jeder von ihnen hatte eine große Tüte voll, nachdem sie aus dem Laden traten. Charlys zufriedenes Seufzen sprach für sie alle.

Die Stunde war schon fast vorbei, weshalb die drei Freunde beschlossen Richtung Heulende Hütte zu schlendern. Auf dem Marktfest tummelten sich Musikanten und Künstler, die von überall herkamen wie es schien. Sally war sich sicher, dass der Schlangenbeschwörer aus Südafrika Mika besonders gut gefallen hätte. Nur gut, dass die O'Brian nicht mit ihnen hier war. Bevor sie den Marktplatz endgültig verließen, lud Simon seine Mädels noch auf eine Kugel Eis ein. Der Verkäuferin schien diese Geste so zu gefallen, dass sie ihnen allen noch eine zweite Kugel und ein paar fein geschnittene Erdbeeren zur Zierde drauf packte. Sie bedankten sich überschwänglich und spazierten weiter Richtung Heulende Hütte. Der Tag war besser geworden, als Sally es für möglich gehalten hatte.

Nach einem kurzen Fußmarsch kam die Hütte schon in Sicht und Sally war sich nicht sicher was sie davon halten sollte. Immerhin sah das Gelände nicht gerade … einladend aus. Fred, George und Lee waren bereits da und auf ein paar großen Steinen, die im Schatten einer alten Eiche standen. »Hey!«, begrüßten Sally, Simon und Charly die anderen drei gleichzeitig. Sofort berichteten die drei Gryffindors was für tolle Scherzartikel sie sich gekauft hatten und George überreichte ihnen voller Stolz eine kleine, unscheinbare Tasche, in der sie ihre Einkäufe packen könnten. Sally betrachtete die Tasche etwas skeptisch und George erklärte sogleich worum es sich handelte.

»Ich dachte mir schon, dass wir alle etwas einkaufen und nachdem es dann doch etwas auffällig wäre, wenn wir mit Hogsmeadetüten im Schloss herumspazieren, war das die perfekte Investition. Die Taschen haben keinen Boden. Man kann sie zwar nur einmal verwenden, aber ich dachte besser als gar nichts. Die, die man öfter verwenden kann, waren … ziemlich teuer«, fügte er murmelnd hinzu und wurde etwas rot. »Also ich finde es toll«, meinte Charly begeistert und begann mit Lees Hilfe ihre Tüte in die Tasche zu packen. Dann hängte sie sich das kleine, unscheinbare Ding über die Schulter und grinste. »Ist zwar nicht gerade modisch, aber für einen Kerl hast du das sehr gut gemacht.« George warf ihr einen etwas irritierten Blick zu, der die anderen lachen ließ. Sally setzte sich zu Fred auf den Felsen, ließ den Blick schweifen und seufzte zufrieden. Er warf Sally einen fragenden Blick zu, worauf sie nur zu lächeln begann. »Das war wirklich ein toller Nachmittag«, meinte sie nur, bevor sie sich wieder abwandte und Mischa und Jo dabei beobachtete, wie sie auf die Gruppe zuschlenderten. Nach einer kurzen Begrüßung wurden auch sie mit einer Tasche ausgestattet, die Jo George zu liebe etwas begeisterter hätte mustern können.
 

Die Freunde saßen eine ganze Weile bei der Felsengruppe herum und Sally war sich sicher, dass sie sich noch nie so ausgelassen unterhalten hatten. Eigentlich hatten sie vorgehabt das Geheimnis der Heulenden Hütte zu lüften, aber nachdem Charly in Lees Schoß eingeschlafen war und er begonnen hatte ihre Haare zu einer furchtbaren Frisur zu verunstalten, hatten sie sich dagegen entschieden. Ein warmer Wind wehte und Sally bekam ein leichte Gänsehaut. »Ist dir kalt?«, fragte Fred, mit dem sie gerade Schere-Stein-Papier spielte und schon vergessen hatte, worum es eigentlich ging. Die Gryffindor schüttelte den Kopf. »Nein. Ich finde es einfach gerade sehr angenehm. Ich glaube wir haben noch nie so einen ruhigen und entspannenden Nachmittag verbracht«, gab Sally zu bedenken und ließ den Blick über ihre Freunde schweifen. Lee war gerade dabei auf Georges Anweisungen hin einen Zopf zu flechten - es sah grauenhaft aus - während sich Simon und Mischa über Quidditch unterhielten. Jo hatte sich etwas abgeseilt und in die Sonne gelegt, wo er sein T-Shirt entfernt hatte und sich bräunen ließ. Sally konnte den Blick nur schwer wieder Fred zuwenden. »Ja du hast Recht. Jetzt sind wir wohl wirklich Freunde und keine partners in crime mehr«, lachte Fred. Sally stimmte in sein Lachen mit ein und verlor drei weitere Male bei ihrem Spiel.

»Okay ich schulde dir wohl jetzt offiziell einen Schokofrosch«, seufzte die Schwarzhaarige und lehnte sich zurück.

»Einen Schokofrosch? Ich dachte es ging um einen Zaubertränkeaufsatz?« Fred grinste schelmisch woraufhin Sally mit ihrem linken Bein gegen sein rechtes stupste.

»Haha. Als hättest du einen Aufsatz für mich geschrieben, wenn ich gewonnen hätte.«

»Du hättest ohnehin verloren, meine Liebe~«

»…«

Sally warf ihm einen bösen Blick zu, konnte aber nicht anders als zu lachen. »Nimm den Schokofrosch an, oder versauere, Weasley.«

Fred hob abwehrend die Hände und grinste. »Schon gut, schon gut. Ich gebe mich mit einem Schokofrosch zufrieden.«

Nachdem es schließlich auf 16:00 Uhr zuging und Jo inzwischen einen Sonnenbrand hatte, beschlossen sie wieder zurückzugehen. Sie schafften es ungesehen wieder in den Honigtopf, wo sie Charly davon abhalten mussten die ganze Schokolade aufzuessen und Lee zu töten, nachdem sie den erbärmlichen Zopf gesehen hatte, der ihren Kopf zierte. Es gestaltete sich daher eher schwierig unauffällig zurück in den Keller und den Geheimgang zu kommen. Wie sie es schlussendlich geschafft hatten, fragten sie sich wohl alle. Während Fred die Karte des Rumtreibers aktivierte und nach Filch, Snape, McGonagall und Co Ausschau hielt, fluchte Charly vor sich hin und versuchte den Knoten in ihren Haaren wieder zu öffnen.

»Ich bring dich um, Jordan«, grummelte sie immer wieder und warf Lee hasserfüllte Blicke zu, worüber George nur lachen konnte. »Und dich auch, Weasley. Bist keinen Deut besser …«

Sally hakte sich unterdessen summend bei Mischa ein und lächelte selig vor sich hin. Nachdem er ihr einen fragenden Blick zugeworfen hatte, meinte sie nur: »Ich hab dieses Fluchen in den letzten Stunden fast etwas vermisst.« Sie zwinkerte ihm zu und grinste, was auch ihn grinsen ließ. »Wir sollten so was bald wieder machen«, überlegte sie weiter. »Was? Charly einschläfern und Lee auf sie loslassen?«, fragte Mischa und hob eine Augenbraue. Die Gryffindor lachte. »Das meinte ich eigentlich nicht, aber es wäre doch sehr hilfreich, wenn sich der Rest mal entspannen will.« Das Gespräch ging noch eine Weile so hin und her, bis Fred vor ihnen wieder anhielt und beinahe etwas enttäuscht war, dass sie nicht wieder vor ihm zu Boden gingen. Der Rotschopf prüfte die Karte ausgiebig, bevor er ihnen allen schließlich das Okay gab wieder aus der Statue zu klettern. »Kein Mensch weit und breit«, meinte er gut gelaunt, öffnete mit Hilfe seines Zauberstabes den Buckel der Statue und kletterte als erster hinaus um den anderen nach oben zu helfen. Sally kam der Gedanke, dass er das schon öfter gemacht haben könnte, verwarf ihn aber sogleich wieder. Fred doch nicht. Haha. Hoch lebe der Sarkasmus.

Nachdem sie alle wieder in ihre Gemeinschaftsräume zurückgekehrt waren und Sally ihre ›Schulden‹ bei Fred beglichen hatte, widmeten sie sich mehr oder weniger motiviert ihren Schulbüchern. Vor dem Abendessen huschte Sally hoch in den Schlafsaal und war froh, dass keines der anderen Mädchen hier war. Sie ging zu ihrem Bett und zog ihren großen Schrankkoffer darunter hervor. Sie hatte ihre Tüte aus dem Honigtopf immer noch in der Tasche, die George ihr geschenkt hatte. Sie hatte ohne Probleme ein paar der Süßigkeiten daraus hervorholen können, doch sie wusste wenn die Tasche leer war, wäre sie nicht mehr ohne Boden und genauso groß wie sie jetzt war. Es dauerte ein paar Minuten, bis Sally die Papiertüte hervor gezogen und in ihrem Koffer verstaut hatte. Sally nahm schließlich die kleine Tasche in die Hand und strich über das rote Kunstleder. Ein Lächeln legte sich auf ihre Lippen. Jetzt würde in die Tasche nicht mehr als ein kleiner Schlüsselbund und ein paar Galleonen passen, aber das war egal. George hatte sich so gefreut, dass er für seine Freunde so etwas Praktisches besorgen hatte können. Liebevoll wickelte Sally den Gurt um die Tasche und verstaute sie dann vorsichtig in ihrem Koffer, direkt neben dem inzwischen eingerahmten Foto von sich, Simon und Charly, das Dora an ihrem letzten Schultag vor den Weihnachtsferien gemacht hatte. Schnell warf sie sich ihren Umhang über und ging wieder zurück in den Gemeinschaftsraum, wo George, Lee und Fred schon auf sie warteten. Sie schenkte den dreien ein strahlendes Lächeln und ging dann mit ihnen gemeinsam zum Abendessen.
 

Die nächsten Tage und Wochen vergingen wie im Flug und schon war die vorletzte Schulwoche angebrochen und die Erstklässler hatten jeden Tag Prüfungen zu schreiben. Die Nachmittage verbrachte Sally gemeinsam mit den anderen am Schwarzen See, wo sie weiter den Stoff für die noch ausstehenden Prüfungen wiederholten. Zumindest galt das für Simon, Sally, Charly und Lee, die sich Unterstützung von Simons Schwester Emily und deren beiden Freundinnen Marlena Ebdon und Catriona Callahan geholt hatten. Fred, George und Mischa zogen es vor im See zu schwimmen um den Kraken zu besuchen. Mischa hatte Sally die Geschichte von ihrem ersten Schultag erzählt, wo sie Bekanntschaft mit dem Tier im See gemacht hatten. Die Zwillinge hatten Geschichten von ihren Brüdern gehört und in feiner Fred-und-George-Manier mussten sie natürlich an ihrem ersten Tag hier gleich mal nach dem Kraken Ausschau halten. Der hatte sich natürlich total über die Aufmerksamkeit gefreut, sodass er ihr Boot als Willkommensgeschenk beinahe umgeworfen und Hagrid somit gezwungen hatte noch einmal umzukehren, damit Fred, George, Lee und Mischa nicht untergingen. Der Krake freute sich natürlich riesig, dass sie ihn nun jeden Tag besuchen kamen. Joel lag unterdessen wieder in der Sonne und wendete sich alle halbe Stunde vom Bauch auf den Rücken und wieder umgekehrt. Er war inzwischen knusprig braun gebraten und Sally hatte schon Angst, dass ihre Herzchen-mal-Zeit wieder anfangen würde. Aber das blieb - Merlin sei Dank - aus. Nicht auszudenken was McGonagall sagen würde, wenn sie auf ihre Prüfungsbögen lauter Herzchen mit Jos Namen kritzeln würde.

Sally war ganz froh, dass sie - trotz anfänglicher Behinderung durch die Weasley-Zwillinge - so viel gelernt hatten. Am letzten Prüfungstag betrat sie erleichtert den Innenhof und hielt strahlend nach ihren Freunden Ausschau. Sie war die letzte von ihnen gewesen, die den Prüfungsbogen für Zauberkunst abgegeben hatte - die Prüfung war ein Kinderspiel gewesen, weshalb sie den Bogen noch drei Mal nachkontrolliert hatte und dann beinahe eingeschlafen wäre. Charly kam wie ein aufgescheuchtes Huhn auf sie zugehüpft und fiel ihr in die Arme. Gemeinsam sprangen sie vor Freude ein paar Mal im Kreis, bevor sie sich lachend zu den Jungs gesellten. »Wir haben's geschafft! Wir haben's geschafft!«, jubelte Charly immer wieder und drehte sich so schnell im Kreis, dass ihre rote Mähne herumwirbelte und Jo ins Gesicht schlug. George lachte und schlug schließlich vor, dass sie den restlichen Tag noch am See verbringen sollten. Auch wenn sich die Mädchen nur schwer überreden ließen, gaben sie schließlich doch nach und stimmten ein ihre Badesachen anzuziehen, damit sie alle gemeinsam schwimmen gehen konnten.

Der Nachmittag war sehr ausgelassen und die Gruppe der acht Erstklässler genoss ihn in vollen Zügen. Die ganze Anspannung der letzten Wochen war abgefallen und so kam es, dass Jo nicht mal allzu böse auf sie war, dass sie ihn in Gemeinschaftsarbeit in den See zerrten. Charly und Sally war beiden etwas mulmig zumute, als die Jungs sie vor vollendete Tatsachen stellten und ihnen eröffnete, dass sie jetzt mit ihnen zur Mitte des Sees schwimmen mussten um dem Kraken Hallo zu sagen. Erst Simon konnte sie mit Müh und Not überzeugen, dass sie mitkamen. Der Krake freute sich sehr über ihren Besuch und gestattete ihnen sich auf einen seiner Tentakel zu setzen. Sally entdeckte ihre Schwester am Ufer, die mit ihrer Kamera herumpirschte und hier und da ein paar Fotos schoss. Sally rief nach Dora und winkte ihr zu. Als diese Sally und ihre Freunde erkannte, richtete sie Kamera auf sie um das erste gemeinsame Foto der Gruppe zu schießen. Im selben Moment beschloss der Krake wohl, dass er auch auf das Foto wollte, denn er streckte den Tentakel, auf dem die Schüler saßen, hoch in die Luft, so dass alle acht einstimmig aufschrieen (Charly am lautesten) und schließlich nacheinander ins Wasser purzelten. Nacheinander ploppte ein lachender Kopf nach dem anderen wieder aus dem Wasser. Sogar Jo hatte ein breites Grinsen auf dem Gesicht, was Sally am liebsten mit Doras Kamera fest gehalten hätte. Ein toller Anblick. Er hatte ja doch ein wunderbares Lächeln. Sally strahlte ihn an, bevor Mischa beschloss Jo unterzutauchen. Eine regelrechte Wasserschlacht entstand, bei der sich der Krake sogar beteiligte. Erst eine Stunde vor dem Abendessen wurden sämtliche Schüler im See von Professor McGonagall herausgescheucht und in die Gemeinschaftsräume geschickt.

Beim Abendessen taten Sally, George, Fred und Lee kaum etwas anderes als über den Nachmittag zu reden. Es hatte einen Heidenspaß gemacht mit den anderen so herumzublödeln. Als George und Lee sich gerade ausgiebig über die Wasserschlacht und den Kraken unterhielten, rutschte Sally ein Stück näher zu Fred, damit die anderen sie nicht hörten.

»Du hattest Recht. Wir sind wirklich richtige Freunde. Alle miteinander.«

Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, welches er erwiderte. Er griff nach seinem Glas mit Kürbissaft und prostete ihr zu.

»Auf die Freundschaft, Ms Tonks.«

»Auf die Freundschaft, Mr. Weasley«, gab Sally zurück und ein schmerzhafter Stich in ihrer Brust durchfuhr sie, als ihre Gläser aneinander klirrten. Was war sie nur für eine Freundin, dass sie ihnen allen die Wahrheit verschwieg? Sie hatte es versprochen, ja … aber ihre Freunde waren inzwischen so etwas wie ihre Familie geworden.

Sally seufzte leise und riss sich wieder zusammen, nachdem ihr Sitznachbar sie fragend gemustert hatte. Sie winkte ab, was Fred zwar nicht zufriedenzustellen schien, aber er nahm es hin und widmete sich wieder seinem Essen.

Abschiede

Die letzten beiden Tage ihres ersten Schuljahres an Hogwarts verbrachte Sally etwas abgeschottet von den anderen. Sie fühlte sich den anderen so verbunden, konnte ihnen aber nicht zumuten so ein großes Geheimnis für sich zu behalten. Immerhin waren sie alle erst elf Jahre alt und was wenn sie im nächsten Jahr nicht mehr miteinander befreundet waren? Was wenn Charly in einem Streit unüberlegt irgendetwas in die Welt hinausbrüllen würde?

Der schlimmste Gedanke allerdings war: Was wenn sie ihr nicht glauben würden? Sie hatte es damals immerhin selbst kaum glauben können, als Professor McGonagall, Alastor Moody und ihre Eltern ihr davon erzählt hatten. Auch wenn es ihr schwer fiel - sie musste es für sich behalten. Sie vertraute sich Dora an, die ihr Dilemma gut nachvollziehen konnte, auch wenn sie nie in so einer Situation gesteckt hatte.

»Wenn du darüber reden willst, bin ich immer für dich da. Und Mika hast du doch auch noch oder?«, munterte Dora sie auf und umarmte sie fest. »Du solltest dir von so etwas nicht den letzten Tag an Hogwarts vermiesen lassen. Geh raus, deine Freunde warten schon auf dich.« Mit diesen Worten schob Dora Sally aus der Großen Halle. Zum Abschied verwandelt sich ihre Nase noch in die eines Schweinchens, bis aufs Sallys Gesicht wieder ein Lachen zu sehen war.

Die anderen standen in der Eingangshalle und als Sally zu ihnen stieß verstummten die Gespräche.

»Alles okay?«, fragte Mischa schließlich in seiner lässigen, direkten Art, woraufhin Sally lächeln musste.

»Alles okay«, nickte sie und deutete nach draußen. »Lasst uns die letzte Stunde noch genießen, was haltet ihr davon?«

Die anderen brauchten sich nicht lange zu überreden lassen. Ihre Koffer waren alle gepackt und standen schon nach Haus und Klasse sortiert in der Eingangshalle bereit. Die acht Freunde besuchten noch ein letztes Mal den Kraken im Schwarzen See, um ihm einen schönen, ruhigen Sommer zu wünschen, bevor sie auf Sallys Bitten hin alle noch mal bei Hagrid vorbeischauten um sich auch von ihm zu verabschieden.

Als sie wieder zum Schloss kamen, standen die Kutschen schon bereit und die ersten Schüler waren schon auf dem Weg zum Bahnhof Hogsmeade. Da ihre Koffer mit an Bord waren, ließen sie den Versuch, sich in eine Kutsche zu quetschen, bleiben und teilten sich zu je zu viert eine Kutsche. Sally landete mit Charly, George und Simon in einer Kutsche, was eigentlich ganz angenehm war. Am Bahnhof wurde ihnen schließlich geholfen die Koffer in die Waggons zu hieven. Die Freunde suchten sich ein Abteil und quetschten sich in das erste freie, das sie fanden. Mit einem einfachen Schwebezauber, stapelte Simon die acht Koffer auf der Gepäckablage, bevor sie sich alle einen halbwegs angenehmen Sitzplatz suchten, auf dem sie es bis nach London aushielten. Charlys Kater war das eindeutig zu bunt, weshalb er sich gleich mal unter den Sitzen verkroch. Simons und Sallys Eulenkäfige wurden mit je einer Hand voll Eulenkeksen und einem Umhang ausgestattet, damit die beiden Tiere zu kreischen aufhören.

»Wieso genau teilen wir uns zu acht ein Abteil für sechs?«, fragte Jo gerade, als er sich über Mischas Beine kämpfte um einen Platz am Fenster zu erlangen. Sally saß ihm gegenüber und hatte die Beine bereits eingezogen, da Mischa es sich mit seiner Schlange am Boden gemütlich gemacht hatte.

»Weil wir uns so lieb haben, schon vergessen?«, gab George etwas gepresst zurück, nachdem Charly seinen Kopf gegen das Kopfgestell des Sitzes gedrückt hatte, als sie mit aller Gewalt versuchte ihren Hintern zwischen George und Lee auf die Bank zu quetschen. Sally rutschte weiter ans Fenster, doch das brachte George auch nicht aus seiner misslichen Lage. Fred und Simon, die auf der gegenüberliegenden Bank neben Jo saßen, musterten das Spektakel mit schiefgelegten Köpfen.

»Mein Gott, jetzt setz dich doch einfach hin«, meinte Lee genervt, schnappte Charly um die Mitte und platzierte sie auf seinem Schoß. Die Rothaarige sah sich kurz um, zuckte mit den Schultern und machte es sich schließlich bequem. Mit dem Rücken lehnte sie sich an das Glas des Abteils und ihre kurzen Beine streckte sie aus, so dass ihre Füße in Georges Schoß lagen. Er warf ihr einen kurzen, beleidigten Blick zu, bevor er mit sich selbst beschloss, dass es so wohl angenehmer war, als die ganze Zugfahrt mit dem Sitzpolster zu knutschen. Mire - Charlys Kater - streckte schließlich den Kopf unter der Bank hervor und beschloss wohl mit sich selber, dass er es auf dem Schoß seines Frauchens bequemer hatte, als unter der Bank von Jo, Fred und Simon.

Hogwarts war schon lange nicht mehr zu sehen, bis sie alle endlich eine halbwegs angenehme Sitzposition gefunden hatten.

»Wenn das ab nun jedes Jahr so ist, dann bin ich mir nicht sicher ob ich noch mit euch befreundet sein will«, meinte Lee, der gerade Mires Hintern im Gesicht hatte, nachdem dieser beschlossen hatte er müsse sich erst drei Mal um sich selbst drehen, bevor es in der gleichen Position wie vorher viel gemütlicher war.

»Heul doch«, gab Charly zurück und streckte ihm die Zunge entgegen.

Lee verdrehte die Augen und widerstand nur schwer dem Versuch Charly entweder in die Seite zu pieksen oder sie einfach runter zu werfen. Aber nachdem er wusste, dass das definitiv in heillosem Chaos enden würde, ließ er es lieber gleich bleiben.

Die Dame mit dem Servierwagen ließ Simons Meinung nach viel zu lange auf sich warten. Als sie dann schließlich die Abteiltür öffnete und Charly aus Versehen an den Haaren zog, wäre es ihm allerdings lieber gewesen, dass sie gar nicht gekommen wäre. Charly schimpfte vor sich hin, während Mire zustimmend miaute. Natürlich gab er seinem Frauchen recht, sonst bekam er Streichel-Entzug. Fred und George versuchten sich mit ihren Bestellungen lautstärkemäßig zu übertrumpfen, während Mischa drei Mal rief, dass er gerne eine Kürbispastete möchte. Lee versuchte Charly davon abzuhalten auf die alte Dame loszugehen, während Simon wild gestikulierend auf die Frau einredete, dass Charly eigentlich ganz harmlos war und ob er bitte, bitte einen Schokofrosch haben könnte. Sally und Jo starrten mit halb offenen Mündern auf die Szenerie und warfen sich einen kurzen Blick zu, bevor sie beide laut zu lachen begannen. Die Dame mit dem Servierwagen sah aus als würde sie gleich in Tränen ausbrechen, warf Mischa gleich drei Kürbispasteten zu, drückte Simon einen Stoß Schokofrösche für alle in die Hand und bewarf Charly, George und Fred kurzerhand mit einer Hand voll Lakritzzauberstäbe, bevor sie die Abteiltür schloss und so schnell es ging mit ihrem Servierwagen davon huschte. Es wurde still in dem Abteil und selbst Mia - Mischas Schlange - Mire und die beiden Eulen Oliver und Nikki gaben keinen Laut von sich.

»Was war das denn gerade?«, fragte Jo schließlich in die Stille hinein.

»Ich denke nicht, dass wir nächstes Jahr noch etwas von ihr bekommen«, gab Charly dann als Antwort und musterte einen nach dem anderen, bevor sie zu lachen begann und die anderen mit einstimmten.
 

Während der restlichen Fahrt spielten sie noch ein paar Spiele, knabberten an ihren Leckereien und hielten - zumindest im Fall von Lee und Charly - noch ein Nickerchen. Draußen begann es langsam zu dämmern und George verschränkte die Hände hinter dem Kopf, während er nach draußen blickte. »Wir sollten uns in den Ferien mal treffen. Ich denke Mum kommt damit klar, wenn ihr alle für ein paar Tage bei uns einmarschiert, was meinst du, Fred?«

»Ich denke Mum muss damit klar kommen«, gab der Rotschopf zurück und lachte leicht.

»Wie wollt ihr eurer Mutter eigentlich erklären, dass ihr verloren habt?«, fragte Jo die beiden und musterte sie abwechselnd, ein schelmisches Grinsen auf den Lippen.

»Was verloren?«, fragte George und hob eine Augenbraue.

»Eure Würde. Und die Ehre den Hauspokal euer Eigen zu nennen.«

Fred und George wechselten einen kurzen Blick, bevor Fred Jo auf den Oberarm boxte und George meinte: »Gryffindor war immerhin auf dem zweiten Platz, nicht wahr, Simon?« Er grinste dem Carter zu, welcher die Augen verdrehte aber lachte.

»Ist doch egal. Dann hat Slytherin halt gewonnen - nächstes Jahr machen wir euch fertig«, stimmte sich Simon siegessicher und grinste.

»Wie kommst du darauf?«, fragte Mischa und hob die Brauen.

»Ich fang nächstes Jahr im Quidditchteam an, da können wir einige Punkte gut machen.

Jetzt war es Sally, die auflachte und meinte: »Fred, George und ich wollen auch ins Team, also machen wir euch schon mal fertig. Und die Slytherins schaffen wir auch noch.« Sie zwinkerte George kurz zu, bevor sie sich an Mischa wandte, der nun wieder das Wort erhob.

»Oho, das ist aber eine Ansage. Ich will nächstes Jahr auch ins Team, also nehmt euch in Acht meine Freunde.«

Die Diskussion um den Hauspokal ging noch eine Weile so weiter, bis Charly und Lee wieder aufwachten und der Zug immer langsamer wurde.

»Ich denke wir sind da«, meinte Sally, die ihre Stirn an die Scheibe gedrückt hatte, um etwas erkennen zu können. Sie kniff die Augen zusammen und entdeckte gerade ihre Eltern, die begeistert winkten, als die anderen sich ebenso an die Scheibe drückten um etwas zu sehen.

»Oh Gott, die Verrückte ist auch wieder da!«, rief Charly aus und deutete auf Mika, die ihnen begeistert winkte, nachdem sie sie erkannt hatte.

»So verrückt ist sie gar nicht. Du hast nur ein Problem mit Menschen«, meinte Simon sachlich, bevor er auf die Sitzbank kletterte und Sally die beiden Käfige reichte.

»Das war's wohl jetzt mit der Zauberei, oder?«, fragte Lee missmutig, als er auf die andere Bank stieg um die Koffer an seine Besitzer weiterzureichen.

Es war ein ziemliches Gedränge und Sally war sich sicher, dass ihre Arme und Beine mit unzähligen blauen Flecken übersät sein würde, sollte sie es je lebend aus diesem Abteil schaffen. Nach einigem Geschimpfe und Gedränge, fand sich die bunte Truppe am Gleis 9 3/4 wieder. In schönster Manier versperrten sie den Waggonausgang, um sich voneinander zu verabschieden. Charly viel jedem theatralisch um den Hals und tat gerade so, als würde sie sie mehrere Jahre nicht mehr zu Gesicht bekommen.

»Ist ja schon gut«, lachte Simon und tätschelte ihr den Rücken. »Ich muss wirklich los, meine Eltern und Emily warten schon. Wir sehen uns, Leute!«, verabschiedete er sich, drückte Sally noch einmal kurz an sich, bevor er davon ging.

Fred und George hatten begonnen gespielte Schluchzer von sich zu geben um Charly etwas aufzuziehen. Nachdem sie die beiden gleichzeitig umarmt und ihnen danach je einen Klaps auf den Hinterkopf verpasst hatte, hörten sie auf und grinsten von einem Ohr zum anderen. »Wir melden uns dann bei euch nachdem wir mit Mum geredet haben. Wir sehen uns!« Die beiden verschwanden, kurz nach ihnen folgten Lee und Charly.

»Ich werde dann auch gehen, meine Eltern warten schon«, meinte Sally schließlich und lächelte Mischa und Jo zu. »Es war ein tolles Jahr - und ich … bin froh, dass wir uns kennen gelernt haben«, stammelte sie etwas unbeholfen und wusste nicht recht was sie tun sollte. Mischa nahm ihr die Entscheidung ab, indem er sagte: »Ja, es war wirklich toll. Und nächste Jahr wird noch besser.« Ohne groß darüber nachzudenken umarmte Sally den Slytherin und drückte ihn fest an sich. »Du hast Recht. Nächstes Jahr wird noch besser.« Sie löste sich wieder von ihm und wandte sich dann zu Jo. Sofort wurde sie rot und hielt ihm die Hand hin. »Wiedersehen«, murmelte sie und wich seinem Blick aus. Ihr Herz pochte so laut gegen ihre Brust, dass sie sich sicher war, dass der ganze Bahnhof etwas davon hatte. »Ach, Mischa bekommt eine Umarmung und ich nicht?«

»Du bekommst immerhin einen lauwarmen Händedruck«, lachte Mischa, klopfte seinem Freund auf die Schulter und zog samt Koffer und Schlange von dannen.

»Okay~« Sally verdrehte die Augen und umarmte Jo kurz. »Erzähl es ja nicht Charly, die mag dich nicht.«

»Die wird mich schon noch mögen, glaub mir«, gab Jo mit einem frechen Zwinkern zurück.

»Schönen Sommer, Jo.«

»Dir auch, Sal.«

Sie hob noch einmal kurz die Hand, bevor sie nach Olivers Käfig und ihrem Koffer griff. Ein strahlendes Lächeln lag auf ihren Lippen, als sie auf ihre Familie und Mika zuging, die bereits Dora in Empfang genommen hatten. Mika fiel ihr stürmisch um den Hals und machte ihr mehr als deutlich klar, dass sie jede Einzelheit des Schuljahres erfahren wollte. Nachdem Andromeda Mika nur mit Mühe wieder von Sally loseisen und sie in Nymphadoras Richtung schieben konnte, hatte auch sie endlich die Möglichkeit ihre Tochter zu umarmen.

»Ich freue mich, dass du wieder da bist«, meinte sie und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn.

»Ich bin auch froh, Mum.«

Sally lächelte ihr zu, bevor sie auch Ted umarmte.

»Schön dich wiederzusehen. Wir war dein Schuljahr?«

»Es ist auch schön dich wiederzusehen, Dad. Und das Schuljahr war …« Sie löste sich von ihm und wandte sich kurz um, um nach Simon und den anderen Ausschau zu halten. Sie entdeckte Jo nicht unweit von ihnen entfernt bei seinen Eltern. Er fing ihren Blick auf und zwinkerte frech, was sofort dafür sorgte, dass sich ein Lächeln auf ihren Lippen bildete.

»… einfach fantastisch«, beendete Sally zufrieden ihren Satz und wandte sich wieder ihrem Vater zu


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich möchte mich ganz herzlich bei abgemeldet bedanken, dass sie mir ihren Nikolai Stepan Mäkinen für einen kurzen Gastauftritt geborgt hat :D (ich freu mich schon, wenn er einen größeren Teil einnehmen wird! :)) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Eigentlich wollte ich jetzt etwas furchtbar Kreatives schreiben, aber ich kann grade einfach nicht - ich heule fast. Das mein ich ernst ;-; HPtRS ist mein Baby und ich möchte ein riesiengroßes DANKE aussprechen, an alle Leute, die mich so fleißig unterstützt haben!
Ganz besonders möchte ich natürlich meinen beiden Liebsten danken: abgemeldet & -Zaphira-. Ihr ward mir in Zeiten größter Not (die es in den letzten 6 Jahren ja zu Hauf gab :'D) definitiv die größte Stütze! Ihr habt mir eure Charaktere anvertraut und das alleine macht mich schon sehr stolz, dass ich euch nun das Endergebnis präsentieren darf :) Ich weiß, dass ich mich immer auf euch verlassen kann, wenn es um Fragen und wirre Situationen geht und dafür bin ich euch sehr dankbar ♥
Ein Dickes Extralob geht an dich meine liebes Schwesterlein ♥ Du hast dir den ganzen Mist, den ich in den letzten 6 Jahren produziert habe durchgelesen, und auch wenn ich oft geglaubt hab, dass deine Meinung nicht wichtig ist, weiß ich inzwischen dass es anders ist. Ich bin froh, dass du dir mein Geschreibsel antust und meine Betaleserin bist. Da warte ich auch gerne mal 4 Monate auf meine Kapitel ;) *knuff* ♥
Ein weiteres Dankeschön geht an abgemeldet, ohne die ich damals wahrscheinlich niemals angefangen hätte diese Geschichte zu schreiben. Und ich bin sehr froh, dass es nicht mehr so ein Mist ist, wie damals, das war schon teilweise nicht zumutbar :'D ♥
Danke auch an alle, die bis zum Schluss mit Sallys mitgefiebert und an ihrer Seite gestanden haben! Ohne euch Leser wäre diese Geschichte wohl nie zustande gekommen. ♥

Hier geht's zu Teil 2! :D Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (12)
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Von: abgemeldet
2015-06-29T13:55:26+00:00 29.06.2015 15:55
Sally wandte den Kopf nach rechts und sah einen Haufen roter Haare, der das Gesicht eines Mädchens verdreckte.
xDD
Die Vorstellung ist zwar wirklich göttlich, aber war glaub ich so nicht beabsichtigt ;)
Haha, Charly ist halt auch irgendwie ein wenig eigen. Und sie und Simon sind irgendwie wie so ein altes Ehepaar, die ganze Zeit am Rumzanken. Aber wenigstens können sie auch normal miteinander reden, ist ja schon mal ein Fortschritt ^^
Langsam aber sicher findet sich die Clique ja richtig zusammen, das ist schön zu sehen ^^ Bin schon gespannt wies weitergeht =D
Antwort von:  Zaje
29.06.2015 16:57
ahahah, hoppala x'D also das geh ich jz gleich ausbessern hahaha XDD
Ja, etwas *hust* Ach die beiden sind so toll gemeinsam xD ich könnt Seiten über die beiden füllen haha ^^
Ab jz wirds spannend, denke ich ;D ich freu mich schon, wenn alle auf einem Haufen sind *smile*
Von: abgemeldet
2015-06-29T13:38:48+00:00 29.06.2015 15:38
Expelliarumus ist auch einer dieser Zaubersprüche, wo ich mich immer frage wie JKR den eigentlich gemeint hatte... auf der einen Seite wird immer erwähnt wie unheimlich simpel der doch ist - auf der anderen Seite brauchen viel ältere Schüler im Band 5 erst Mal Harry, damit er ihnen den beibringt. Naja.
Hahaha, Mischa und die Zwillinge sind mal wieder so super xD immer irgendeinen Blödsinn im Kopf, das geht echt auf keine Kuhhaut. wobei mich jetzt schon interessiert hätte, was sie mit diesem Kessel angestellt haben ^^
Von: abgemeldet
2015-06-29T11:42:16+00:00 29.06.2015 13:42
Kinder können so furchtbar sein, wenn ihnen danach ist <.<
Ich find das interessant, in den HP-Büchern fällt mir jetzt eigentlich keiner ein, der mit der Wahl des Hutes so überhaupt nicht zufrieden ist, dabei ist das eigentlich nicht mal so unrealistisch. Immerhin haben die meisten selbst Erwartungen, oder wollen/müssen die Erwartungen von Familie und Freunden erfüllen, weil die Hauszugehörigkeit irgendwie... nja, weiß nicht... wichtiger genommen wird, als sie eigentlich sein sollte ^^"
Hagrid ist goldig <3 und Simon sowieso xD (und Sal hat einen unheimlich grünen Daumen, ich seh schon xD)
Antwort von:  Zaje
29.06.2015 13:43
xD das müsstest du wissen haha ;)
Ja, ich finds iwie schade, dass in den Büchern anscheinend jeder zufrieden ist..:P ist bei hunderten Schülern ja auch sehr logisch...aber nja..
ach Hagrid <3 ^^ haha klar, jetzt kannst du über Simon schwärmen, wo Mika nimmer da ist xD (hahaha woher sie den wohl hat XD)
Von: abgemeldet
2015-06-29T11:21:01+00:00 29.06.2015 13:21
Awww die Jungs und der Krake... was sie wohl schon wieder angestellt haben? Sie sind halt doch ein Fall für sich.
Sallys Gedanken bei der Auswahlzeremonie sind nachvollziehbar, ich an ihrer Stelle wäre auch ein wenig nervös ^^ ach, quatsch, ich an ihrer Stelle könnte nicht still stehen und würde den beiden, die das unheimliche Glück hätten links und rechts von mir zu sein, tierisch auf den Nerv gehen. von dem her, hat sie sich ja gut gehalten ^^
Und die Twins sind schon wieder damit beschäftigt Pläne zu schmieden xD das kann ja was werden.
Was ich mich grade frage... warum saßen Simon und Emily eigentlich nicht im gleichen Abteil im Zug?
und joah, wie immer: gab‹s (im Lied), für‹s erste, Tonks‹
Antwort von:  Zaje
29.06.2015 13:23
Ja, ich glaub das wollen wir nicht wissen haha XD
Ähm ja..deine nervösen Anfälle kenn ich eh haha xD
Klar, was auch sonst..ich mein..es sind die Twins ;P xD
Jaaah...das ist so weil...Simon Emily wahrscheinlich auf die Nerven gegangen ist haha :P Ich mein es ist Simon xD
:|
Antwort von: abgemeldet
29.06.2015 13:24
Ok, das ist tatsächlich eine ziemlich gute Begründung xD "is halt Simon xD"
Von: abgemeldet
2015-06-29T10:53:10+00:00 29.06.2015 12:53
Durmstrang, das da irgendwo liegt xD eine sehr treffende Beschreibung~
Ich bin ja froh, dass Mischa, Jacob, Lee und die Zwillinge gleich mal vorgestellt werden, auch wenn ich nicht sicher bin, um die Jungs den besten Eindruck bei Sal hinterlassen haben... noch nicht mal in der Schule angekommen und machen sich schon Feinde. Ein wenig komisch finde ich, dass sie Sally "Kleine" nennen (ich meine, bei Dora ist das ok, aber Mischa ist auch maximal ein paar Zentimeter größer als sie xD) aber schieben wir es mal darauf, dass Englisch für ihn eine Fremdsprache ist ^^
joah, und weils so schön ist: Rasterlocken (2x), sag‹s, Otter (es ist auch zwei Zeilen weiter unten immer noch eine blaue Kornnatter ^^)
Antwort von:  Zaje
29.06.2015 13:19
haha ja danke xD
naja, das ist eine andere Frage haha :P
Nja, aber die paar cm machens aus ;P xDD
achja hoppla...ich mein, das hab ich zwar im Scrivener schon ausgebessert (v.a. das mit der Otter i'm sorry) aber die verbesserung hats leider noch nicht hier her geschafft O:) *unschuldig schau* :P
Von: abgemeldet
2015-06-29T10:39:32+00:00 29.06.2015 12:39
Das war dann vorerst wohl der letzte Auftritt von Mika *sfz* schade, schade xD
Aber dafür haben wir ja jetzt Simon <3 Er ist goldig und ich bin sicher, dass wir mit ihm noch viel Spaß haben werden xD
Und übrigens: King‹s Cross (interessanterweise ist es einmal mit dem richtigen und einmal mit dem falschen Zeichen xD hast du wahrscheinlich übersehen ^^)
*zum nächsten Kapitel weitertigert*
Antwort von:  Zaje
29.06.2015 12:41
jaa xD aber sie ist ja nicht aus der welt haha ^^
x'D gut, dass wir Zaphis Charaktere haben xDD
Oh, das hab ich wohl übersehen ^^ ich sag nur Scrivener haha :P
have fun ;)
Von: abgemeldet
2015-06-29T10:31:18+00:00 29.06.2015 12:31
Vorweg: Florean‹s, Gringotts‹, Tonks‹
dat übliche halt
Und cirka schreibt man mit Z (Zentimeter auch, ich weiß aber nicht mehr wo ich das zu erwähnen vergessen habe, könnte in der OS-Sammlung gewesen sein?)
Ollivander ist so ein unheimlich schräger Charakter, ich mag ihn ^^ Wie er halt sofort weiß, wer sie ist, auch wenn sie eigentlich tot sein sollte, der Kerl ist einfach ein Fall für sich, hilft alles nichts xD
Antwort von:  Zaje
29.06.2015 13:20
*dazu nichts mehr sagt*
ich mag aber z nicht *schmoll*
Ja, der Ollivander ist so wie unsere Oma - die wissen beide alles ^^ nur dass er cooler ist haha :P
Von: abgemeldet
2015-04-28T16:02:21+00:00 28.04.2015 18:02
»Niemand, außer wenig Eingeweihten, kennt diesen Teil der Geschichte. Niemand weiß, dass Sally Potter damals überlebt hatte.«
wenigen
bitte... weil sonst ist dieser Satz ein bisschen seltsam ^^
Ahh, die große Enthüllung. Sally steckt das ja ganz gut weg - wobei sie den Teil, dass sie nicht die leibliche Tochter der Tonks' ist, ja schon weiß. Hm. Und wahrscheinlich dauert es auch ein wenig, bis man so Sachen richtig realisiert hat.
McG ist irgendwie furchteinflößender, als Moody...
Antwort von:  Zaje
28.04.2015 18:17
Ups xD Danke ^^
Haha, findest du? xD McG furchteinflößender als Moody..hmm... xD
Von: abgemeldet
2015-04-28T16:02:19+00:00 28.04.2015 18:02
Mikas Augen waren groß, rund und leuchteten. Die ihrer Mutter waren auch groß. Allerdings vor Schreck.
Einer der besten Szenen ever xD Das ist eine richtig geniale Beschreibung und trifft den Nagel sehr gut auf den Kopf ^^
Abgesehen davon... Mika ist wieder goldig, aber wie kann Darren es nur wagen ihr vorzuschlagen die Schlange wo anders hinzugeben? Ts, ts...
Sallys Unsicherheit ist ja auch niedlich. Ja, was wenn diese S. Potter nun auf den Brief wartet? Das Einzige, das man daran aussetzen kann, ist vllt, dass sie nicht gleich ihre Eltern fragt, ob die denn mehr darüber wissen. Aber njo~

Antwort von:  Zaje
28.04.2015 18:16
Ich seh schon ich sollte extra für sich tausend Sachen über Mika schreiben xD nicht etwas für Zaphi nein :P xD
Oh ich weiß auch nicht..langsam müsste er es wissen x'D ;)
Ja, das hab ich mir auch gedacht..nur hab ich mich dann halt gefragt was Andromeda sagen soll :P außer "Reden wir später, lass uns essen" ist mir nichts eingefallen, darum grübelt sie erst mal selber etwas ;) und es kommt ja eh alles zu seiner Zeit ;)
Von: abgemeldet
2015-04-28T16:02:17+00:00 28.04.2015 18:02
Ich weiß, ich weiß... ich hab versprochen keine Rechtschreib-/Grammatik-/Zeichensetzungskontrolle zu spielen. Aber das hier kann ich mir halt nicht verkneifen:
»Freut mich, wenn‹s euch geschmeckt hat!«
ich glaub da brauch ich weiter nichts dazu sagen, ne?
Ich mag Mika. Sie ist so wunderbar überdreht und mit ihrer Schlangen-Sucht... hach.
Wo war ich?
Ach ja. Ich mag die Familie Tonks. Leider kommen sie in den Büchern absolut zu wenig vor, aber ich mag sie als Charaktere wirklich gerne und bisher finde ich sie auch gut getroffen ^^
LG
Antwort von:  Zaje
28.04.2015 18:15
Hoppla...ja nein, das ist schon okay, weil du weißt ja was ich für Troubles mit diesen doofen Anführungszeichen überall hatte -.-" aber naja, habs gleich ausgebessert und in einem anderen Kap ists mir auch noch aufgefallen, dir dafür nicht ;)
Danke :) Ich muss sagen, dass Die Tonksen alle einfach toll sind und ich mag sie auch total gerne :) Außerdem sind sie so schön umsetzbar ^-^ *gg* wenn du weißt was ich meine ;)


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