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Last Desire 13

von

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Sam und Jeremiel

Er saß schon die ganze Zeit starr da und sagte nichts. Keine einzige Regung war in seinem Gesicht zu erkennen und seine eisblauen Augen wirkten so leer und ausdruckslos wie der Rest von ihm. Wie eine lebende Puppe. Seit Tagen war er in diesem Zustand und fühlte nichts in sich. Weder Freude noch Trauer und auch seine Erinnerungen an sein altes Leben begannen immer mehr zu verblassen. Er kannte diesen Zustand und er war auch nichts Neues und doch spürte er, dass etwas anders war als zuvor. Was war es bloß, das ihm fehlte? Und wer war er? Niemand… er war Sam Leens. Ein Niemand ohne richtigen Namen, ohne Identität und ohne Zukunft. Er wusste, was das Schicksal für ihn bereithielt und er bedauerte es auch nicht, aber sonderlich freuen konnte er sich auch nicht. Er würde dem Ganzen neutral gegenüberstehen und das alles einfach hinnehmen. Immerhin bestand für ihn keinen Grund, sich dagegen zu sträuben, oder sich unbedingt darum zu reißen. Aber dennoch war irgendetwas nicht mehr wie früher. Zwar fühlte er die Leere in seinem Herzen, aber es war einfach nicht mehr dieselbe Leere wie all die Jahre davor. Denn ihm war, als wäre sie größer geworden… und schmerzhafter. Ja, es tat weh, diese Leere zu spüren und das hatte er noch nie gehabt. Wieso war es so? Noch nie hatte er sich mehr gewünscht, als diese Leere nicht mehr zu spüren. Vielleicht war diese innere Leere ja deshalb noch unerträglicher als zuvor, weil er etwas gehabt und dann wieder verloren hatte. Ja, er hatte Gefühle gekannt und sie wieder verloren. Und er war nicht mal imstande, deswegen traurig zu sein. Nun ja, eigentlich war es nicht er gewesen, der diese Gefühle gehabt hatte, sondern sein anderes Ich. Jeremiel Lawliet, der Mensch in diesem Körper. Und was war er? Ein Proxy? Nein, er war nicht einmal das. Er war ein leeres Gefäß… ein Kokon, der weder Raupe noch Schmetterling war. Nur ein undefinierbares Zwischending und mehr nicht. Und obwohl es ihm eigentlich egal war, weil er sowieso nichts dabei empfand, so wollte ein kleiner Teil von ihm das nicht. Aus welchem irrationalen Grund auch immer. „…weil du weißt, dass es dich töten wird…“ Schon wieder er. Obwohl es eigentlich nicht möglich sein durfte, mischte er sich schon wieder ein. Da half wohl nichts. Sam Leens schloss die Augen und kehrte in sich. Er reiste in diese leere Welt, die ihm gehörte und wo sein Alter Ego eingesperrt worden war. In einem ausbruchsicheren Gefängnis, wo er bleiben würde, bis er endlich für immer restlos verschwand, als hätte er nie existiert.

Diese Welt war leer und besaß keine Farben, weder schwarz noch weiß, geschweige denn, dass es hier Licht oder Dunkelheit gab. Es gab nicht einmal ein Geräusch oder die Stille. Sie war mit Worten nicht zu beschreiben und der menschliche Verstand hätte auch nicht ausgereicht, um sie zu begreifen. Denn Menschen konnten nur in diesen Maßstäben denken, weil sie das Nichts nicht erfassen konnten. Anders aber war es bei Sam Leens, dem die emotionalen Sinneseindrücke der Menschen vollkommen fremd waren und er deshalb nichts in seiner Welt bewahren konnte. Deshalb war das Gefängnis, von dem die Rede war, nicht in dem Sinne existent, wie es sich Menschen vielleicht vorstellen würden. Aber um es für alle anderen verständlich zu machen, die nicht in der Lage waren, Sam Leens’ Innerstes zu begreifen, musste man sich solcher Metaphern bedienen, um seiner Sicht wenigstens ein bisschen näher zu kommen. Er stand also vor den Gittern dieser Gefängniszelle und sah sein anderes Ich in einer Ecke kauern. Jeremiel Lawliet, ein Gefangener in der Welt seines alten Ichs und er war nicht in der Lage, sich aus eigener Kraft zu befreien. Sam Leens trat näher heran und als Jeremiel seine Schritte hörte, schaute er auf und ihre Blicke trafen sich. „Warum bist du hier, Sam?“ fragte er und erhob sich. Er kam zu ihm und blieb direkt vor ihm stehen. Der Emotionslose sah die Angst und den sehnlichen Wunsch seines Gefangenen, dieses Gefängnis zu verlassen. Aber er war auch sehr schwach geworden. Hatte er sich zu Anfang noch heftig gewehrt und ihn sogar noch erfolgreich davon abhalten können, die anderen zu töten, so war er kaum noch in der Lage dazu, aufzustehen. Und es würde nicht mehr lange dauern, bis Jeremiel das letzte bisschen seiner Kraft verließ. Er war dabei, im Nichts zu verschwinden und dann zu einem Teil davon zu werden. Dennoch war trotz der Angst wilde Entschlossenheit zu sehen. Er wollte nicht aufgeben. Und das war Sam ein Rätsel, denn Jeremiel wusste doch, dass er hier niemals mehr herauskommen würde. Es gab für ihn keine Hoffnung mehr. „Erklär es mir“, sagte er tonlos. „Wieso fühlt es sich so anders an als sonst? Meine Brust tut weh und obwohl ich nichts fühle so wie sonst, ist es trotzdem nicht dasselbe.“ „Na weil…“, Jeremiel war blass und sah müde aus. Es fiel ihm schwer, sich auf den Beinen zu halten. Anscheinend war es nur noch die Willenskraft, die ihn durchhalten ließ. Es war Sam ein einziges Rätsel, was sich dieser Dummkopf davon versprach. „Weil die Leere umso größer ist, wenn man vorher etwas hatte und es dann wieder verliert. Es bleiben immer Spuren zurück und obwohl du keine Gefühle mehr empfindest, so sind die Erinnerungen mit Emotionen verbunden. Sie lösen immer noch eine körperliche Reaktion bei dir aus und der Schmerz in der Brust ist Traurigkeit. Traurigkeit darüber, weil wir beide das Wertvollste verloren haben, was wir besitzen. Nämlich unsere Gefühle und unsere Menschlichkeit. Sam, ich weiß, dass du mir nicht helfen willst und du keinen Grund hast, überhaupt jemandem zu helfen. Aber ich bitte dich, doch mal darüber nachzudenken, was wirklich wichtig ist. Wenn du wirklich zulässt, dass der Unborn uns vollständig zerstört, werde nicht nur ich verschwinden, sondern auch du.“

„Ich weiß“, sagte Sam tonlos. „Aber dazu sind wir erschaffen worden. Nämlich um Elohim einen neuen Körper zu geben, damit er und Ain Soph wieder erwachen. Einzig und allein zu diesem Zweck existiert dieses Projekt.“

„Das Projekt ist dabei, in eine völlig falsche Richtung zu laufen!“ rief Jeremiel und schlug gegen das Gitter. „Mag sein, dass es zu dem Zweck ins Leben gerufen wurde, um die beiden zurückzuholen und auf diese Weise eine bessere Welt zu erschaffen. Aber Elohims Hass hat ihren Verstand vollkommen beeinflusst und es ist schon lange kein Traum mehr von einer besseren Welt, sondern einzig und allein ein Rachefeldzug und wenn nichts unternommen wird, dann wird es bald nichts mehr geben. Dir mag es ja egal sein, aber mir nicht! Ich will das nicht zulassen, Sam.“ Jeremiel wollte wieder etwas sagen, doch da verließ ihn die Kraft und er sank erschöpft zu Boden, wobei er schwer atmete. Sam betrachtete ihn ausdruckslos.

„Du kannst nichts ausrichten. Nicht in deiner jetzigen Verfassung. Du hast ja nicht einmal mehr die Kraft, dich auf den Beinen zu halten.“

„Ich weiß, dass ich nichts mehr ausrichten kann… aber trotzdem will ich nicht aufgeben, weil ich nicht zulassen will, dass dieser Traum von einer besseren Welt zum Alptraum für andere wird. Du kannst es genauso wenig aufhalten. Aber gemeinsam könnten wir es schaffen. Ich bitte dich nur darum, mir noch etwas Zeit zu verschaffen. Ein bisschen Zeit, bis die anderen kommen. Mehr verlange ich nicht.“

„Was könntest du mir schon als Gegenleistung bieten? Du hast nichts, was du mir geben könntest und was mich interessiert.“ Und damit wollte Sam wieder gehen, doch da hielt Jeremiel ihn auf. „Natürlich habe ich etwas, das ich dir bieten könnte.“ Der Emotionslose blieb stehen und wandte sich wieder um. Er war neugierig und wollte hören, was Jeremiel ihm anbot. „Und was?“ „Ein Herz…“ Sein Gefangener wurde immer schwächer. Es war schon fast abzusehen, wann er endgültig zusammenbrechen würde. „Eva hat mir Gefühle gegeben. Und die… kann ich dir… auch geben. Dazu müssen wir nur eins werden. Wenn wir… ein gemeinsames Wesen werden, dann… dann wirst du ein Teil von mir… und… und kannst…“ Er schaffte es nicht mehr, weiterzusprechen. Er drohte, endgültig die Kraft zu verlieren, doch da ergriff Sam Leens seine Hand und gab ihm etwas Energie ab. „Sprich weiter“, wies er ihn an und nachdem Jeremiel halbwegs sein Bewusstsein wiedererlangt hatte, versuchte er wieder Worte zu finden. „Du und ich, wir gehören zusammen. Du bist ein Teil von mir, mein altes Ich. Aber dennoch sind wir verschieden. Man kann die Leere nur füllen, indem man sein Herz mit ihr teilt. Deshalb kann ich dir anbieten, dass wir eins werden. So brauchst du nicht zu verschwinden und bist dann doch in der Lage, dir deinen Wunsch zu erfüllen und Gefühle zu haben.“

„Aber du müsstest mit meinen Erinnerungen leben.“

„Das nehme ich in Kauf. Auch wenn ich nicht akzeptieren kann, was du getan hast, will ich damit leben, weil ich weiß, dass das die Vergangenheit ist. Beyond und die anderen haben mich bei sich aufgenommen und mich als Teil der Familie akzeptiert. Und du kannst auch ein Teil davon sein. Wenn wir beide eins werden, dann werden wir beide ein normales Leben führen können. Und du wärst auch nicht mehr so alleine.“ „Woher weiß ich, dass du nicht versuchst, mich zu täuschen? Welche Garantie kannst du mir geben, dass du dein Wort hältst?“ „Das kann ich nicht“, gab Jeremiel ehrlich zu. „Ich kann dir nur mein Wort geben. Du bist ein Teil von mir, Sam. Und deshalb habe ich eigentlich keinen Grund, dich zu hintergehen.“ Eine Weile stand Sam da und sagte nichts. Ganz kühl und analytisch ging er alles durch und überlegte, wie er sich entscheiden sollte. Er war jemand, der absolut logisch entschied und sich durch nichts anderes beeinflussen ließ. Jeremiel, der langsam merkte, wie ihm die Kraft wieder entzogen wurde, spürte wieder diese lähmende Müdigkeit. Alles in ihm wollte nur noch schlafen und am besten nie wieder aufwachen. Doch er wehrte sich dagegen, auch wenn ihm das zusehends schwerer fiel. Er wusste, dass er verschwinden würde, wenn er einschlief und das konnte er einfach nicht zulassen. Er wusste, dass die anderen alles versuchen würden, um ihn zu retten. Alles, was er brauchte, war Zeit. Dummerweise lief diese ihm so langsam davon und Sam dachte immer noch nach. Die Augen fielen ihm langsam zu und selbst sein Verstand war wie gelähmt. Schlaf… er brauchte Schlaf… Dann aber dachte er wieder an Liam, seine Mutter, an L und die anderen. Daran, dass er sie unbedingt wiedersehen wollte. Und deshalb wollte er auch nicht aufgeben. Aber dann merkte er, wie die Energie wieder in ihn zurückkehrte und die Müdigkeit wich. Ja, er war wieder hellwach und konnte auch wieder aufstehen. Das konnte nur eines bedeuten: Sam ging auf sein Angebot ein. Um sicherzugehen fragte er aber noch „Du bist damit einverstanden?“ „Ja“, sagte der Emotionslose knapp. „Ich werde dir Zeit verschaffen, bis deine Familie kommt, um dich zu retten. Aber auch nur bis dahin. Danach liegt es einzig und allein an ihnen, dich zu retten.“ „Danke, Sam“, sagte Jeremiel und stand wieder auf, wobei sich ihre Blicke trafen. Zwar wusste er, dass sein Alter Ego diese Entscheidung aus rein logischen Gründen getroffen hatte, aber er war dennoch unendlich erleichtert, dass er noch etwas Zeit bekam und wenigstens so lange durchhalten konnte, bis Liam und die anderen kommen würden. Es gab also noch Hoffnung, dass er tatsächlich gerettet werden und dass er endlich zu den anderen zurückkehren konnte. Und die Erleichterung war so groß, dass ihm sogar die Tränen kamen. Sam beobachtete dies und versuchte zu erkennen, was die Uhrsache für diese Reaktion war, denn er verstand einfach beim besten Willen nicht, wieso Jeremiel anfing zu weinen. Aber er wollte es verstehen, auch wenn er wusste, dass er es nicht konnte. „Wieso weinst du?“ „Weil ich froh bin. Manchmal können Menschen auch weinen, wenn sie froh und erleichtert sind. Und ich bin froh, dass es noch eine Chance gibt, dass ich Liam und die anderen wiedersehen kann. Und wenn wir beide eins werden, dann wirst du auch verstehen, wieso. Du wirst sie genauso mögen wie ich. Weißt du, Liam ist manchmal etwas grob und drückt sich nicht immer so aus, wie er eigentlich wollte, aber ich liebe ihn über alles und genauso liebt er auch mich. Und L… nun ja, wir kriegen uns zwar manchmal in die Haare, weil er Liam nicht mag und Beyond ist auch recht frech und nimmt sich so einige Unverschämtheiten heraus, aber er hat mich als Teil der Familie akzeptiert. Trotz der Dinge, die du ihm angetan hast. Ich mach dir da keinen Vorwurf, Sam. Du hast es einfach nicht besser gewusst, weil du doch nur ein Mal in deinem Leben etwas anderes empfinden wolltest, als die Leere in deinem Herzen. Und auch wenn die Dinge, die du getan hast, schlimm sind, habe ich auch Mitleid mit dir. Ich kann mir nicht vorstellen, wie unerträglich es ist, rein gar nichts zu fühlen.“ Sam Leens sagte nichts, er schwieg einfach und sah sein anderes Ich mit einem Blick an, den man unmöglich zu deuten vermochte. „Eine Frage musst du mir aber beantworten, Sam: ist es nicht unerträglich für dich, einsam und unverstanden zu sein und so fremd in dieser Welt zu sein?“ Wieder herrschte einen Moment Pause, in welcher Sam Leens wohl nachdachte. Dann aber antwortete „Ja, das ist es.“ „Kannst du mir mehr darüber erzählen, damit ich dich besser verstehen kann?“ Der Emotionslose verstand nicht, wieso sich sein anderes Ich so für ihn interessierte und schob es einfach darauf, dass es zu diesem Sozialverhalten der Menschen gehörte, dass sie versuchten, einander näher kennen zu lernen, um eine soziale Bindung einzugehen. Nun, er hatte keinen Grund, Jeremiel nichts zu erzählen. Nur fiel es ihm äußerst schwer, die richtigen Worte zu finden. „Es ist, als wärst du keiner von ihnen. Als würdest du in einer Gesellschaft mit Aliens oder Affen leben. Und alles, was bei anderen Gefühle auslöst, so wie ein sonniges oder verregnetes Wetter, Musik, Farben oder andere Menschen und Tiere, lässt dich vollkommen kalt. Du kannst dich über nichts freuen und auch über nichts weinen. Du kannst noch nicht einmal darüber traurig sein, dass du nichts fühlst. Alles, was dir bleibt, ist die Leere. Zwar ist sie nicht unangenehm, angenehm ist sie aber auch nicht und da dich niemand versteht und du niemanden verstehst, versuchst du eben einen Weg zu finden, etwas daran zu ändern. Deshalb beginnst du nach etwas zu suchen, was diese Leere füllen kann und du endlich normal wirst.“

„Verstehe“, murmelte Jeremiel und nickte. „Du hast das alles also nur getan, weil du endlich normal sein und die Menschen verstehen wolltest.“ Sam bestätigte dies und fügte noch hinzu „Ich habe mein ganzes Leben lang die Verhaltensweisen der Menschen studiert und sie in den verschiedensten Situationen und Gefühlslagen beobachtet. Aber wenn die Menschen dir sowieso schon so fremd sind und du noch nie Gefühle gekannt hast und unfähig bist zu verstehen, wieso sie Tränen vergießen oder anfangen zu schreien, dann ist es im Grunde ein nie endender Teufelskreis, in welchem du gefangen bist. Und was bleibt, ist nichts als Hilflosigkeit.“

„Und nun, da ich Gefühle kenne und sie immer noch irgendwo im Gedächtnis vorhanden sind, ist diese Leere nur noch unerträglicher für dich geworden. Das Schicksal kann schon manchmal grausam sein.“ Sam gab darauf keine Antwort und er wusste auch nicht, was er dazu sagen sollte. „Ich frage mich“, sagte er schließlich „wieso ich mir nicht ein eigenes Herz erschaffen konnte, so wie Lacie.“

„Lacie?“

„Proxy-00, unser weibliches Gegenstück, um Ain Soph zurückzuholen. Sie sollte eigentlich wie ich sein, aber da ein Teil von Alice Wammys Seele extrahiert und ihren Körper gepflanzt wurde, ist sie anders.“

„Wahrscheinlich, weil sie dank Alices Erinnerungen in der Lage war, die fehlenden Bruchstücke selbst zu ersetzen. Aber du konntest das nicht, weil du nichts hattest. Deshalb darfst du dir das auch nicht zum Vorwurf machen.“

„Ich mache mir nie Vorwürfe.“

„Weiß ich. Es ist nur als Redensart gemeint.“ Sam Leens sah ihn verständnislos an und begriff nicht, was Jeremiel damit meinte. Dieser war ebenfalls ein bisschen ratlos, aber so langsam verstand er nun, wie es den anderen ergangen war, als er auch dieses ausdruckslose Gesicht hatte und ständig versucht hatte, Menschen anhand von Büchern zu verstehen. Ganz zu schweigen davon, dass er nichts mit Sarkasmus, Ironie und Redewendungen anfangen konnte. Kein Wunder, dass seine Familie auch manchmal ratlos gewesen war. Jeremiel seufzte und schüttelte den Kopf. „Schon gut. Ich wollte dir nur damit sagen, dass nicht deine Schuld ist. Es war nur eine nett gemeinte Geste meinerseits gewesen.“ Ein einfaches „Aha“ kam zur Antwort und Sam wandte sich ab. „Ich muss wieder zurück.“ Jeremiel nickte und wusste, was das bedeutete: weiterhin hier warten und darauf hoffen, bald hier rausgeholt zu werden. Wie lange er wohl schon hier drin eingesperrt war? Tage? Wochen? Er wusste es selbst nicht genau und er fragte sich, was wohl die anderen machten. Zumindest war es ein Trost für ihn zu wissen, dass Liam nach England gekommen war, nachdem Sam ihm davon erzählt hatte. Naja, im Grunde hatte dieser es nur aus dem Grund getan, um die Reaktion seines Gefangenen beobachten zu können. Aber Jeremiel war ihm dennoch dankbar für diese Information. Seltsamerweise hatte Sam ihn kein einziges Mal gefoltert oder anderweitig gedemütigt, so wie es Beyond ergangen war. Stattdessen sperrte ihn dieser nur weg und kam zwischendurch vorbei, um ihn wie ein Studienobjekt zu beobachten. Das war schon merkwürdig und sah Sam auch eigentlich nicht ähnlich, wo er doch sonst keine Hemmungen hatte, seine Opfer zu foltern, weil er kein Gewissen hatte. Während er so ganz alleine in dieser leeren Welt war, begann er nachzudenken. Vielleicht habe ich für mehr Veränderungen bei ihm gesorgt als gedacht, oder aber es hat sich von selbst in ihm etwas verändert. Ob er mir vielleicht nichts antut, weil er in gewisser Art und Weise nicht will, dass ich verschwinde, weil ich seine einzige Chance bin, sich seinen Traum zu erfüllen? Nun, aus seiner Sicht wäre das jedenfalls logisch. Warum auch sonst sollte er das tun? Na hoffentlich geht alles gut… Ach was. Sie haben Frederica und Liam und dieser Dathan ist ja auch ein Unvergänglicher. Mit Sicherheit wird alles gut werden. Ich muss einfach nur daran glauben, dass mein Bruder es schaffen wird. Immerhin ist er doch L der große Meisterdetektiv und er hat schon Kira in die Knie gezwungen. Da ist so etwas hier doch kein Problem für ihn.

Obwohl dieser Gedanke ihn tröstete, hatte er Angst. Dieser unwirkliche Ort, an dem er gefangen war, machte ihm Angst und er wurde immer wieder von dieser quälenden Frage heimgesucht, was wohl passieren würde, wenn das Projekt erfolgreich abgeschlossen wurde, bevor die anderen herkamen. Was wenn Elohim tatsächlich von meinem Körper Besitz ergreift und ich und Sam endgültig verschwinden? Nein, das darf nicht sein. Es darf einfach nicht so weit kommen. Niedergeschlagen setzte er sich in seine Ecke und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand. Er schloss die Augen und begann das Lied zu summen, welches Frederica ihn mal vor einer Weile beigebracht hatte. Sie hatte es L immer vorgesungen, wenn er als kleines Kind traurig oder verängstigt gewesen war und nun sang er es, um sich selbst Mut zu machen. Oh Mann… das Schicksal meinte es wohl wirklich nicht gut mit ihm. „Keine Angst, Jeremiel“, hörte er plötzlich eine Stimme in seinem Kopf sprechen und zog verwundert die Augenbrauen zusammen. „Dein Bruder und die anderen haben schon alle Vorkehrungen getroffen, um dich da rauszuholen.“ „Wer bist du?“

„Ich bin ein Freund. Mein Name ist Elohim. Zumindest seine gute Hälfte, die in Elions Körper wiedergeboren wurde. Da ich als Entität eine weitaus größere Macht besitze als die Sefirot, ist es mir möglich, zu dir durchzudringen. Du musst dir keine Sorgen machen. Dein Bruder und die anderen arbeiten hart daran, das Institut zu stürmen und dir zu helfen. Meinst du, du kannst noch eine Weile durchhalten?“

„Ich denke schon“, antwortete Jeremiel, verstand aber noch nicht so ganz, was das alles zu bedeuten hatte. „Ich habe Sam überreden können, mir noch etwas Zeit zu verschaffen, damit ich durchhalten kann, bis ihr eingetroffen seid. Aber soweit ich weiß, bereiten die schon alles vor, um das Projekt in die nächste Phase einzuleiten. Das heißt, sie werden mir bald eine Art Serum injizieren, durch welches deine andere Hälfte in meinen Körper gelangt und mich endgültig zerstören wird. Sam sagte mir, dass sie noch knapp 40 Stunden brauchen und dann… dann werden sie mir das Mittel spritzen. Und dann ist es endgültig zu spät.“

„Okay, ich hab verstanden. Ich denke, es wird kein Problem sein. Vertrau einfach deinem Bruder und halte noch etwas durch.“ L und die anderen waren also tatsächlich schon fast soweit und würden bald kommen, um ihn zu retten. Diese Nachricht war eine Riesenerleichterung für den 26-jährigen. Endlich hatte er feste Gewissheit, dass er bald gerettet werden würde und dass alles gut ging.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  pri_fairy
2015-02-04T20:49:24+00:00 04.02.2015 21:49
Ein super Kapitel! :) auf das Treffen der beiden war ich mega gespannt ^^ ich bin so unendlich froh wie es ausgegangen ist :)
Von: abgemeldet
2015-01-31T13:24:55+00:00 31.01.2015 14:24
Das Kapitel war mega super.*-*


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