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Last Desire 13

von

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Der Sturm bricht los

Frederica war gerade dabei, die Laken von Ezras und Sheols Bett zu wechseln und summte gerade eine kleine Melodie vor sich hin, da wurde die Tür geöffnet und Lacie kam herein, die offenbar frische Wäsche dabei hatte. Als das Albinomädchen sie sah, machte sie schon Anstalten, sie wegzuschicken. „Du solltest besser gehen, bevor du dich ansteckst.“ Doch Lacie lächelte nur und erklärte „Soweit ich Nastasja richtig verstanden habe, werden Proxys nicht krank. Es scheint wohl doch einige Vorteile zu haben, kein richtiger Mensch zu sein. Und da du so viel zu tun hast und Elohim mit Dathan trainiert, dachte ich, ich gehe dir ein wenig zur Hand.“ Sie begannen nun gemeinsam damit, die Betten neu zu beziehen. Nachdem Sheol auch noch krank geworden war, hatte man ihn auch hier einquartiert. Während die Betten neu bezogen wurden, waren sie auf beide Badezimmer verteilt worden, da ein heißes Bad ihnen durchaus gut tat. „Wie geht es dir eigentlich damit, dass du erfahren hast, wer du wirklich bist?“ erkundigte sich Frederica und zog die Bettwäsche ab, woraufhin Lacie die neue aufzog. „Naja, es ist immer noch ein herber Schlag für mich“, gab die Engländerin zu. „Aber ich versuche eben das Beste aus meiner Situation zu machen. Und Liams Weisheit hat mich auch zum Nachdenken angeregt. Jene, die besagt, dass einzig und allein die Entscheidungen unser wahres Wesen ausmachen.“

„Oh ja, an dieser Philosophie hat er schon immer festgehalten und glaubt auch fest daran. Und nur weil man kein Mensch ist, bedeutet es noch lange nicht das Ende der Welt. Sheol und Elion geht es auch wunderbar und du hattest immerhin großes Glück und konntest ein normales Leben führen.“ „Mag sein und ich freue mich auch sehr, dass ihr mich in eure Runde aufgenommen habt. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, als würde ich nicht so wirklich dazugehören. Außer Dathan habe ich doch keine direkte Verbindung zur Familie.“

„Nun, du hast ja noch mich. Wenn du erst mal etwas Zeit in unserer Familie verbracht hast, dann wird schon das Gefühl verschwinden, glaub mir ruhig. Niemanden erging es anders.“

„Naja… ich habe nur irgendwie das Gefühl, dass Nastasja mich nicht leiden kann.“ Das Albinomädchen sah sie sprachlos an und konnte sich nicht vorstellen, dass Nastasja sie nicht leiden konnte. So etwas sah ihr doch nicht ähnlich. „Ich glaube, sie war nur etwas misstrauisch, weil du ihrer alten Freundin so ähnlich bist und vielleicht war sie ein bisschen eifersüchtig, weil du so einen engen Draht zu Dathan hast. Sie ist sehr temperamentvoll und manchmal etwas unberechenbar, aber sie begegnet eigentlich jedem freundlich und aufgeschlossen, wenn nichts Gravierendes gegen diese Person spricht. Seit sie die Wahrheit kennt, scheint sie jedenfalls deutlich weniger distanziert zu sein. Mit Sicherheit hast du das nur falsch verstanden. Im Moment ist sie auch sehr angespannt, weil sie Angst um Jeremiel hat und weil sie sich um Ezra Sorgen macht, weil sein Fieber immer weiter steigt und es ihm deswegen so schlecht geht. Außerdem nimmt sie die Sache mit Alice sehr mit, da steht sie eben neben der Spur. Aber mach dir keine Sorgen. Gegen dich hat sie nichts.“ Nachdem sie die Betten fertig bezogen hatten, wollten sie schmutzige Wäsche nach unten bringen und unterhielten sich dabei weiter. Sie verstanden sich sehr gut und pflegten inzwischen ein freundschaftliches Verhältnis zueinander. Wahrscheinlich war der Grund dafür, weil sie beide versucht hatten, anderen zu helfen und sie näher zusammenzubringen und sich auch sonst recht ähnlich waren. Schließlich holte Lacie etwas aus ihrer Rocktasche hervor. Es war eine Kette mit einem Schmetterlingsanhänger. „Hier, die wird dir sicher stehen.“ Fredericas Augen wurden groß, denn sie hatte noch nie Schmuck getragen, da sie noch nie einen Anlass gesehen hatte. Sie betrachtete die silberne Kette und den Schmetterling und war gerührt. „Danke, die Kette ist wirklich schön. Aber das ist doch wirklich nicht nötig.“

„Ach was. Ich finde, du könntest dich auch mal trauen, Schmuck zu tragen, du bist doch ein hübsches Mädchen. Und außerdem ist der Schmetterling ein Glücksbringer, zumindest ist er das für mich. Wer weiß… vielleicht hilft er dir eines Tages, einen Partner zu finden, der dich glücklich machen kann.“ Frederica errötete und wich etwas verlegen Lacies Blick aus und sagte nichts. Nachdem sie mit der Arbeit fertig waren, brachten sie die beiden Kranken zurück ins Bett. Ezra sah wirklich furchtbar aus. Er hustete viel und war ziemlich bleich geworden. Nachdem er es nicht mehr geschafft hatte, alleine in sein Zimmer zurückzugehen, trug Lacie ihn auf den Rücken. „Wie geht es dir denn?“ fragte sie den 16-jährigen, der aussah, als würde er gleich vor Erschöpfung einschlafen. „Wirklich klasse, ich könnte Bäume ausreißen“, antwortete er sarkastisch. „Scheiß Krankheit… und wie geht’s bei euch voran?“ „Nun, L hat offenbar schon einen Plan ausgearbeitet, soweit ich das richtig gehört habe. Demnach dürfte also nichts schief gehen.“

„Na wenigstens halten wir euch nicht auf…“

„Ach was. Es konnte doch niemand ahnen, dass du krank wirst. Und wenn diese ganze Sache vorbei ist, kommt Elion ja auch wieder zurück und kann sich um dich kümmern.“ Als Ezra sich ins Bett gelegt hatte, schlief er sogleich wieder ein und leise gingen sie und Frederica wieder raus. Auf dem Flur trafen sie Nastasja, die die Medikamentenboxen vorbereitet hatte und sie Frederica gab. „So, darin befinden sich die Antibiotika und Hydromorphon zur Fiebersenkung für Ezra. Sheol bekommt das Paracetamol. Sorg dafür, dass sie ausreichend trinken und die Medikamente zu sich nehmen. Sheol schludert da ganz gerne und Ezra bringst du auch nur mit Mühe dazu. Und pass auf, dass Sheol auch im Bett bleibt. Du weißt ja, wie er ist.“ Während Nastasja Frederica noch Anweisungen gab, blieb Lacie erst einmal unsicher stehen, aber dann beschloss sie, besser zu gehen. Hier wurde sie sowieso nicht mehr gebraucht. Sie ging in Richtung Küche und kochte einen Kaffee, während sie nachdachte. Darüber, wie es weitergehen sollte für sie. Und irgendwie wurde sie dabei von einer seltsamen Melancholie ergriffen. Diese Familie war wirklich herzlich und jeder kümmerte sich um den anderen. Und doch hatte sie irgendwie das Gefühl, als gehöre sie nicht hier rein. Ob die anderen mir nicht trauen? Ob ich vielleicht unerwünscht bin? Lacie atmete geräuschvoll aus, lehnte sich gegen den Herd und sah zum Fenster raus. Vielleicht war es ja auch besser so. „Lacie?“ Elohim kam herein und schien nach ihr gesucht zu haben. „Bist du mit dem Training schon fertig?“ fragte sie erstaunt und sah ihn mit ihren blauen Augen an, die so tief und unergründlich wirkten. „Ich will Nivkha eine kleine Pause gönnen, aber er macht seine Sache bisher ganz gut. Wie geht es dir denn? Bedrückt dich etwas?“ „Ich habe nur das Gefühl, hier nicht reinzupassen. Vielleicht rede ich mir das ja auch nur ein.“

„Ach Unsinn. Wenn sie dich nicht gewollt hätten, dann hätte ich es sofort gespürt. Es ist nur die Anspannung. Kann es sein, dass du wegen deiner Vergangenheit so verunsichert bist?“

„Schon möglich. Es ist auch nicht sonderlich schön zu erfahren, dass alles, was einen ausmacht, nicht einem selbst gehört. Im Grunde ist „Lacie Dravis“ nur das Produkt einer Mischung aus Fragmenten von Alice Wammy und Ain Soph. Außer meinen Erinnerungen während der Zeit, als ich als Lacie gelebt habe, gehört sonst nichts mir. Woher soll ich denn wissen, dass diese Liebe, die ich für dich empfinde, auch wirklich meine ist und nicht die von Ain? Ich weiß einfach nicht, wer ich bin und das verunsichert mich eben. Schon mein ganzes Leben habe ich mich genau das gefragt und nun bin ich eben noch mehr verunsichert und weiß nicht wohin.“ Elohim nahm sie in den Arm und sofort erwiderte Lacie diese Geste. „Wenn du nicht weißt wohin, dann ist diese Familie doch die richtige Anlaufstelle. Alle, die hier sind, wussten nicht, wohin sie sonst gehen sollten. Ach ja, bevor ich es vergesse: Nabi war vorhin hier und hat das hier für dich da gelassen. Es ist ein kleines Geschenk von Samajim und soll wohl deine Frage beantworten.“ Damit drückte er ihr das kleine Objekt in die Hand, was wie ein zusammengewickeltes Blatt aussah. Lacie betrachtete es schweigend und war sich offenbar erst nicht sicher. Aber dann lächelte sie und nickte. „Danke.“ Sie küsste ihn und drückte sich fest an ihn. „Vielleicht brauche ich einfach erst mal eine Zeit, bis ich diesen Schock verkraftet habe, dass ich nicht Lacie Dravis bin.“

„Egal wer du auch bist. An meinen Gefühlen für dich wird es nichts ändern.“
 

Beyond ging immer wieder innerlich den Plan durch und sah ein wenig müde aus. Kein Wunder. Er war genauso unruhig wie L und war auch froh, wenn es endlich vorbei war. Müde legte er seinen Kopf auf L’s Schulter ab und schloss die Augen. „Irgendwie sind alle ziemlich angespannt. Man merkt echt diese unruhige Atmosphäre, ne?“ „Eigentlich auch nicht verwunderlich. Immerhin sind wir fast soweit, dass wir das Institut stürmen können. Und da darf eben nichts schief gehen.“ Beyond gab nur ein zustimmendes „hm“ von sich. Er hatte auch schon mit Andrew und Rumiko über Webcam gechattet um nachzuhören, wie zuhause die Lage war. Nun, es war schon beruhigend zu hören, dass bei denen alles in bester Ordnung war und es ihnen gut ging. Rumiko hatte zwar kleinere Stimmungsschwankungen wegen der Schwangerschaft, aber ansonsten ging es ihrer Familie bestens. Andrew und Oliver steckten momentan im Stress, weil sie an der Entwicklung einer neuen Maschine arbeiteten und die Programmierung offenbar nicht funktionieren wollte (was insbesondere Oliver nervte). Aber sonst ging es auch ihnen wunderbar und sie zeigten ihm überglücklich das letzte Ultraschallbild ihrer kleinen Tochter Charity. Es war zumindest eine kleine Aufmunterung gewesen und sogleich hatte Beyond auch von dem neuesten Stand der Dinge berichtet und dass sie nicht nur einen weiteren Proxy gefunden hätten, sondern dass Nastasja auch noch einen Freund hatte. Das machte das Paar schon sprachlos und sofort hatten sie auch mehr wissen wollen und Beyond war ja nicht wirklich derjenige, der sich mit solchen Infos zurückhielt. Aber dann war er auch auf ein ernsteres Thema zu sprechen gekommen, nämlich Jeremiels Entführung und was es mit ihm und Projekt AIN SOPH wirklich auf sich hatte. Das Gespräch hatte sich knapp drei Stunden hingezogen und da war es eben auch ziemlich spät geworden, weshalb er auch nur recht wenig Schlaf gefunden hatte. Aber zumindest hatte das Gespräch seine Stimmung deutlich gebessert und auch Rumiko hatte ihm angeraten, ein Auge auf L zu haben, eben weil es ihm nicht gut ging.

„Wir haben ja zum Glück Lacie und die kennt sich im Institut aus. Und das ist doch schon mal was. Sie und Frederica sind ziemlich optimistisch, dass das alles schon klappt, also…“ Und hier schlang Beyond seine Arme um ihn, „da kannst du dich auch ein klein wenig entspannen.“ L war in ein nachdenkliches Schweigen versunken und seine Laune besserte sich auch nicht sonderlich. Auch nicht, als Frederica und Lacie mit Kaffee und Süßgebäck dazukamen. Die bedrückte Stimmung war nicht zu übersehen und sofort fragte das Albinomädchen auch „Ist irgendetwas vorgefallen?“ „Nein. L macht sich nur eben Sorgen, dass etwas schief gehen könnte und dass seinem Bruder etwas passiert.“ „Kann ich verstehen“, seufzte Frederica. „Wenn ich in deiner Situation wäre, dann würde es mir auch nicht anders ergehen.“

„Keine Sorge“, sagte Lacie und lächelte zuversichtlich. „Ich kenne mich im Institut hervorragend aus und selbst Samajim sagt, es wird alles klappen. Und ich werde auf jeden Fall mein Bestes geben um dafür zu sorgen, dass ihr alle heil raus kommt. Ich mag zwar keine besonderen Kräfte haben, aber ich denke in solchen Momenten an einen Spruch von Joseph, mit dem er Alice immer Mut machen wollte: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Und es mag ja sein, dass das Projekt viele Opfer eingefordert hat, aber es hat auch Gutes bewirkt. Ich meine… ohne dieses Projekt wäre Elion genauso wenig geboren worden wie ich und es hat euch alle zusammengebracht. Dathan hat seinen Vater und Samajim einen guten Freund wieder. Und es besteht Hoffnung, dass Elohim endlich Gerechtigkeit widerfährt nach allem, was ihm angetan wurde. Man kann es ja sehen, wie man will. Natürlich kann ich nicht abstreiten, dass Projekt AIN SOPH deine Familie zerstört hat, L. Aber wäre dieses Projekt nicht gewesen, hätte es auch Projekt EVA wohl kaum gegeben und die Familienzusammenführung hätte nicht stattfinden können. Eva und Liam wären immer noch zerstritten und Ezra hätte niemals eine so liebevolle Familie gefunden. Das Projekt ist zwar in eine völlig falsche Richtung verlaufen, aber es hat auch Gutes bewirkt, auch wenn es paradox klingt. Man muss nur versuchen, auch das Licht zu sehen und zu versuchen, das Beste daraus zu machen.“

„So ganz unrecht hat sie nicht“, sagte Beyond und nickte. „Dass das Projekt viele Tote zu verbuchen hat und dass Elion und Sheol ziemlich viel durchmachen mussten, kann keiner abstreiten. Aber wäre es nicht gewesen, dann hätten wir alle einander nicht kennen gelernt. Andy wäre gestorben und hätte Oliver nicht heiraten können. Und jetzt werden die beiden bald Väter. Und deine Mutter hat jetzt Dathan und ohne dieses Projekt wäre er auch ganz alleine.“ Ja, man konnte es sehen wie man wollte. Und auch wenn L in erster Linie nur die Zerstörung seiner Familie, den Tod von einigen Proxys und dann auch noch Fredericas Martyrium sah, so hatte das alles sie zu einer großen Familie zusammengeschweißt. Das Projekt hatte wirklich seine Licht- und Schattenseiten. Schließlich aber fiel Lacie ein Brief auf, der auf dem Tisch lag. Sie hob ihn auf und las ihn, wobei sie aber etwas verwundert die Stirn runzelte. „Woher habt ihr das?“ „Den Brief hatte Samsara bei sich, eine der Proxy-Schwestern. Das war diejenige, die Selbstmord begangen hat.“ Lacie las sich den Brief aufmerksam durch und ihr Blick wurde ernst. Sie murmelte leise etwas und ließ dann den Brief sinken. L entging nicht, dass sie angestrengt über etwas nachdachte und fragte auch „Kannst du dich noch an etwas erinnern?“ Doch sie antwortete nicht. Sie wirkte vollkommen geistesabwesend und selbst als Frederica vorsichtig eine Hand auf ihre Schulter legte, sagte sie nichts. Dann aber weiteten sich ihre Augen. Sie sah schon fast entsetzt aus und dann rannte sie auch schon hinaus und eilte davon. Sofort erhoben sich L und Beyond, denn so wie es aussah, schien da irgendetwas nicht zu stimmen. Offenbar hatte sich Lacie an etwas ungeheuer Wichtiges erinnert, aber warum sie auf einmal losgestürmt war, als wäre sie auf der Flucht, das konnten sie sich nicht erklären. Frederica folgte ihnen ebenfalls und als sie nach unten kamen, sahen sie auch schon, wie Lacie Elohims Arm ergriff und rief „Wir müssen sofort ins Krankenhaus, schnell!“ Sie war mit einem Male völlig aufgebracht, wo sie doch immer so ruhig und beherrscht war. Es musste irgendetwas Schlimmes sein und es bereitete auch L Sorgen und bevor Elohim etwas sagen konnte, fragte L auch schon „Was ist denn los, Lacie? Hast du dich an irgendetwas erinnert?“

„Wir haben keine Zeit für Erklärungen. Wenn wir nicht schnellstens zum Krankenhaus fahren, wird Watari sterben. Bitte, wir müssen sofort los!“

„Watari wird sterben?“ Nastasja, die das alles von der Küche aus mitbekommen hatte, warf das Geschirrtuch beiseite und zog sofort ihren Mantel an. „Dann lasst uns keine Zeit mehr verlieren.“ Sie eilten sofort zu Lacies Wagen und nachdem sich alle angeschnallt hatten, fuhren sie auch schon los. Lacie drückte das Gaspedal durch und raste in halsbrecherischer Geschwindigkeit durch die Straßen. Sie mussten sich festhalten, als sie um die Kurve schlitterten und die eine oder andere rote Ampel überfuhren. Natürlich wollten sie wissen, was denn los war und wieso die Engländerin so hektisch und panisch war. Aber sie ahnten, dass sie nicht in der Verfassung war, jetzt in dieser Situation zu antworten. Und man konnte die Angst in ihren Augen sehen. Vor irgendetwas hatte sie große Angst. „Hoffentlich sind wir nicht zu spät…“ Das war das Einzige, was sie sagte.
 

Watari fühlte sich inzwischen viel besser als die letzten Tage, auch wenn die Untersuchungen schon anstrengend gewesen waren. Zwischendurch hatte er Besuch von ein paar alten Freunden gehabt, die er noch von früher kannte und zu denen er Kontakt aufgenommen hatte. Insbesondere über McFinnigans Besuch hatte er sich gefreut. Er wusste ja, dass L und die anderen momentan nicht die Zeit hatten, ihn zu besuchen. Und er verstand es auch, weil es so viel Wichtigeres gab. Immerhin schwebte Jeremiel in Lebensgefahr und der Alpha-Proxy trieb sein Unwesen. Da brauchten sie ihre ganze Energie und Konzentration und er… er war ausrangiert. Ein alter Mann mit schwachem Herzen, der nichts mehr ausrichten konnte. Wenigstens war Nastasja kurz zu Besuch gekommen und hatte ein paar Partien Schach mit ihm gespielt und ihm berichtet, was sie herausgefunden hatten. Und sie hatte ihm erzählt, was es mit Lacies wahrer Identität auf sich hatte. Umso mehr hatte es ihn erschüttert, dass er im Grunde so wenig über seine Tochter gewusst hatte. Dass sie ein Teil von Projekt Ain Soph gewesen war, dass Will Duncan sie vergewaltigt und in der Silvesternacht von der Straße abgedrängt hatte, um sie daran zu hindern, zur Polizei zu gehen. Und dann auch noch, dass Alice niemals Ärztin, sondern Schriftstellerin werden wollte. Er hatte ihr erstes Buch „Die Stadt meiner Träume“ gelesen, welches sie unter dem Pseudonym Celia Walters geschrieben hatte. Es war ein witzig geschriebenes, gut durchdachtes und vor allem unterhaltsames Buch. Alice hatte ein unfassbar großes Talent zum Schreiben gehabt. Das, was da geschrieben worden war, war nicht die stille und verschlossene Alice. In ihren Büchern war sie regelrecht aufgeblüht und man merkte auch, wie viel Freude ihr das bereitet hatte. Und er hatte es einfach nicht erkannt, sondern sie stattdessen zu etwas gedrängt, was sie nicht wollte. Alice hatte Krankenhäuser gehasst, sie hatte unter dem ganzen Druck gelitten und sie konnte ihm nicht mal sagen, dass sie diesen Joseph Brown liebte. Wie viel hatte er denn überhaupt von seiner Tochter gewusst? Eigentlich gar nichts und das war für einen alleinerziehenden Vater doch ein absolutes Armutszeugnis. Aber zumindest verstand er nun, wieso Lacie Kontakt zu ihm aufgenommen hatte und wieso sie Alice so ähnlich war: sie trug einen Teil seiner Tochter in sich und lebte ihre Träume weiter. Im Grunde war Lacie genau die Person, die Alice geworden wäre, wenn sie nicht dieses Medizinstudium begonnen hätte… wenn sie einfach ihre eigenen Wünsche durchgesetzt hätte… Während er so seinen Gedanken nachging und ihm die eine oder andere Träne kam, bemerkte er gar nicht, dass da plötzlich jemand bei ihm im Zimmer war und die Tür abgeschlossen hatte. Es war eine Person mit Motorradhelm und verdunkeltem Visier. Sie trug einen schwarzen Lederanzug, sodass man deutlich erkennen konnte, dass es sich um eine Frau handelte. Sie hatte ein Schwert bei sich und ging langsam und lautlos zu ihm hin. Und als er sie sah, da erkannte er sie wieder. Es war der Alpha-Proxy vom Friedhof. „So sieht man sich wieder, alter Mann“, erklang die elektronisch verzerrte Stimme und damit zog die Maskierte ihr Schwert. Es hatte eine durchsichtige Klinge, die aber aussah, als wäre sie zersprungen und wieder zusammengesetzt worden. Sie war im Inneren gebrochen und sah zersplittert aus. Watari blieb regungslos sitzen und wusste, dass er keinerlei Chancen gegen sie hatte. Und er wusste, weshalb sie gekommen war: sie wollte ihn töten. „Trauerst du immer noch der Vergangenheit nach? Das bringt dir deine Tochter auch nicht zurück. Aber glaub mir, freiwillig würde sie zu so einem Rabenvater wie dir ja sowieso nicht zurück wollen. Wie viele Leben hast du zerstört? Wie fühlt es sich an, das Blut anderer Menschen an den Händen kleben zu haben und zu wissen, dass du am Tod deiner einzigen Tochter Mitschuld hast?“ Diese Frau… sie hatte behauptet, Alices Mörderin zu sein. Aber Lacie hatte doch gesagt, Will Duncan hätte den Unfall herbeigeführt, indem er Alice von der Straße abgedrängt hatte. „Was hast du mit meiner Tochter zu schaffen gehabt?“

„Sie hat mich erschaffen. Genauso wie all die anderen Proxys bin ich das Produkt all dieser ganzen Forschungen.“

„Und wieso behauptest du, du hättest sie umgebracht, wenn Alice doch von Will ermordet wurde?“ Der Alpha-Proxy ließ ein gehässiges Lachen ertönen und durch den Stimmenverzerrer klang es unheimlich und bizarr. „Du stellst ja viele Fragen für jemanden, der gleich sterben wird. Aber da ich ja nicht unhöflich bin, werde ich mal nicht so sein. Alice ist bei dem Unfall nicht gestorben, sie hat überlebt. Aber nicht lange. Sie wollte dieses Leben nicht mehr und hat es nicht mehr ertragen. Und da habe ich ihr den Gefallen erwiesen und sie endgültig von ihrem Leid erlöst. Du kannst dir nicht vorstellen, wie dankbar sie mir dafür gewesen ist. Und nun ist es an der Zeit, dass du für deine Verbrechen bezahlst, alter Mann.“ Und damit kam der Alpha-Proxy näher und erhob die Klinge, bereit zum tödlichen Schlag. Watari machte keine Anstalten zu fliehen. Er wusste sowieso, dass er hier nicht lebend rauskam. Wenn er schon sterben musste, dann würde er dem Tod auch ins Gesicht sehen und keine Angst haben. Vielleicht war dies ja auch die gerechte Strafe dafür, dass er Mitschuld am Tod seiner Tochter trug und damals einen verzweifelten Waisenjungen in den Selbstmord getrieben hatte…



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  pri_fairy
2015-02-04T20:52:34+00:00 04.02.2015 21:52
Ein sehr gutes Kapitel :) Frederica soll auch bald ihr Glück finden :) sie hat so viel durchgemacht... Elohim und Lacie sind sehr süß zusammen^^ Oh L und Co beeilt euch... der arme Watari
Von: abgemeldet
2015-01-31T13:24:18+00:00 31.01.2015 14:24
Oh nein! Das sieht schlecht aus. >. < Ich hoffe sehr das Watari jetzt nicht ... Die anderen müssen sich beeilen.
Das Kapitel war so tooooooolllllllll. Kenn ich auch nicht anders. XD


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