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Last Desire 6.5

Just another Desire
von

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Jeremiel erwacht

„Okay, seine Werte sind soweit stabil. Hirnfunktionen sind normal und der Puls ebenfalls… und auch die Wundheilung sieht hervorragend aus. Ich glaube, er kommt schon bald wieder auf die Beine. Die Operation ist auch bestens verlaufen. Sag, was meinst du wie lange es dauert, bis er wieder der Alte sein wird?“
 

„Lässt sich momentan noch schwer sagen. Aber da die Wundheilung dank meiner zusätzlichen Unterstützung schnell voranschreitet, wird es nicht lange dauern.“
 

Wer… wer spricht denn da? Wer? Und wo bin ich? Wer bin ich überhaupt? Mein Kopf tut weh…

Jeremiel öffnete die Augen und wurde sogleich von einem hellen Licht geblendet, sodass er die Augen wieder zukneifen musste. Er versuchte etwas zu sehen, doch alles, was er erkannte, waren verschwommene Silhouetten. Sein Kopf dröhnte so stark, dass es fast unerträglich war und ihm war schlecht. Sein ganzer Körper fühlte sich bleischwer an und er konnte sich kaum bewegen. Die Kraft fehlte ihm einfach dazu. Selbst seine Arme konnte er nicht heben und ihm war kalt. Verdammt, wieso nur nahm denn niemand diese helle Lampe weg? Er konnte rein gar nichts sehen und selbst den Kopf zu heben brachte er nicht fertig. Zumindest versuchte er es irgendwie, aber es wollte einfach nicht funktionieren.
 

„Hey, ich glaube, er kommt langsam wieder zu sich.“
 

Die Stimmen klangen wie aus weiter Ferne und er hörte auch alles wie durch Watte gefiltert. Schließlich schaffte er es, seine Kraftreserven irgendwie zu mobilisieren und versuchte sich aufzusetzen, doch da drückte ihn jemand zurück und sagte irgendetwas in der Art, er solle noch liegen bleiben. Wieder verschwamm alles um ihn herum und er verlor erneut das Bewusstsein. Was war nur mit ihm passiert? Und wo war er? Er versuchte sich irgendwie zu erinnern, aber da war rein gar nichts. Irgendwie konnte er sich an rein gar nichts erinnern, was passiert war. Zwar wusste er, dass sein Name Jeremiel Lawliet war, aber ansonsten war da nichts. Ob er vielleicht einen Unfall erlitten und sich dabei am Kopf verletzt hatte? Tat ihm dieser vielleicht deshalb so weh so weh und konnte er sich deswegen kaum bewegen? Nun, möglich wäre es zumindest. Dann gehörten diese Stimmen vielleicht zu irgendwelchen Ärzten, die ihn operiert hatten. Aber warum bloß war ihm so furchtbar kalt? Er hatte das Gefühl, als würde er sich in einer Art Kühlkammer befinden, oder aber sein Körper selbst war so ausgekühlt. Nur zu einem winzigen Bruchteil bekam er mit, dass er irgendwohin gebracht wurde und wie sich diese zwei Stimmen miteinander unterhielten. Eine von ihnen gehörte irgendwie einer Frau und die anderen einem Mann. Jeremiel versuchte erneut, den letzten kläglichen Rest seines Bewusstseins zu mobilisieren und wenigstens eine Frage zu formulieren, die er den beiden stellen konnte, damit er wenigstens wusste, was hier los war und vor allem was mit ihm passiert war. Aber selbst das schaffte er nicht und dann spürte er eine Hand an seiner Schulter, die sich irgendwie heiß anfühlte. Womöglich, weil sein Körper so kalt war. Und dieses Mal hörte er die Stimme deutlich klarer als zuvor. „Bleib ganz ruhig. Du hast eine schwere Operation hinter dir, deshalb musst du dich jetzt schonen.“ Operation? Was sollte das bedeuten? Etwa, dass er tatsächlich einen Unfall hatte und sich nicht erinnern konnte? „Wo… wo bin ich?“ Das war die einzige Frage, die er mit schwacher Stimme hervorbringen konnte. Die Augen konnte er nicht mehr öffnen und er fürchtete, dass er gleich noch einschlafen würde. „Du bist in Sicherheit. Keine Sorge, wir werden uns um dich kümmern, dann wird es dir bald wieder besser gehen.“ Den Rest bekam er nicht mehr mit, denn da versank sein Bewusstsein in eine pechschwarze Tiefe. Wann genau er wieder zu sich kam, wusste er selbst nicht so genau. Aber zumindest fühlte er sich deutlich besser und sein Kopf dröhnte auch nicht mehr so unangenehm wie zuvor. Dennoch war er sehr müde und brauchte eine Weile, um wieder halbwegs klar zu werden. Zwar war ihm noch etwas schlecht und schwindelig war ihm obendrein, aber zumindest konnte er sich mit etwas Mühe aufsetzen. Das erste, was er bemerkte, waren die Bandagen um seinen Kopf und an seiner Brust. Und aus seinem Arm hingen auch diverse Schläuche. Es dauerte eine Weile, bis seine Sehkraft vollständig wiederhergestellt war, aber als er wieder gut genug sehen konnte, bemerkte er sofort, dass er gar nicht in einem Krankenhausbett lag. Merkwürdig, dabei hatte er echt damit gerechnet, dass er einen Unfall gehabt hatte und dass er deswegen ins Krankenhaus eingeliefert worden war. Wieso hätte er denn auch sonst diese ganzen Bandagen, wenn er nicht verletzt gewesen wäre? Was war denn überhaupt passiert? Jeremiel versuchte zu rekonstruieren, was denn passiert war und woran er sich als letztes erinnern konnte. Aber auch selbst jetzt fehlte ihm jegliche Erinnerung. Fragte sich nur, welche Erinnerungen denn alle betroffen waren. Er beschloss, das erst mal zu überprüfen, um schon mal eine erste Selbstdiagnose erstellen zu können. Mal sehen… Amerikas Präsident war Barack Obama in seiner zweiten Amtsperiode, es war das Jahr 2014 und die Wurzel aus 588 ergab exakt 24,24871131. Die Hauptstadt von Vietnam war Hanoi mit einer Einwohnerzahl von 6.448.837. Na, zumindest funktionierte sein Allgemeinwissen noch. Offenbar fehlten ihm lediglich die persönlichen Erinnerungen. Typische Anzeichen für eine Amnesie und wenn er bedachte, dass er sich an nichts erinnern konnte, was vor dieser Operation war, dann lag mit großer Sicherheit eine retrograde Amnesie vor. Ob er sich vielleicht ein Schädelhirntrauma zugezogen hatte? Jeremiel sah sich im Zimmer um, welches sehr hübsch eingerichtet war. Das Bett war groß und bequem, es gab große Fenster und auch einen Balkon und es war auch sehr hell und modern eingerichtet. Also definitiv kein Krankenhaus. Aber wo war er dann, wenn er operiert worden war? Vermutlich in einer Privatklinik. Ansonsten war hier niemand und er fragte sich, ob er hier besser warten oder ob er nach jemandem suchen sollte. Er beschloss, noch einen Augenblick zu warten und versuchte noch mal alles durchzugehen, was er wusste. Aber außer Dingen, die nicht sein persönliches Leben beinhalteten, wusste er rein gar nichts. Weder, wo er gelebt hatte oder ob er Freunde und Verwandte hatte. Verwandte… Moment mal. Ja, da war doch etwas. Irgendwie klingelte da ganz schwach etwas bei ihm und als er sich mehr zu erinnern versuchte, da kam ihm ein Name in den Sinn: L. Komischer Name… war das überhaupt ein Name? Er dachte noch weiter nach und versuchte den vollständigen Namen auf die Kette zu bekommen. Und dann hatte er es endlich: L Lawliet. Moment mal, dachte er sich und bemerkte sogleich etwas: ich heiße doch auch mit Nachnamen Lawliet. Dann habe ich also einen Verwandten? L… das ist doch mein jüngerer Zwillingsbruder. Ja richtig! Ich habe einen Zwillingsbruder. Aber wieso ist er nicht hier, wenn ich doch vielleicht sogar einen Unfall hatte? Vielleicht weiß er ja gar nicht, was mit mir ist, oder aber er wartet draußen. Gerade wollte Jeremiel die Schläuche aus seinem Arm ziehen, da öffnete sich die Tür und ein groß gewachsener Mann mit schwarzem Haar und dunkelroten Augen kam herein. Er hatte eine außergewöhnliche charismatische Ausstrahlung und erinnerte irgendwie an einen Panter. Anders konnte man es einfach nicht beschreiben. In der Iris seines rechten Auges leuchtete ein goldener Ring und etwas Erhabenes, Stolzes und zugleich Bedrohliches ging von ihm aus, was Jeremiel in seiner Verfassung aber nicht sonderlich wahrnahm. Er sah ihn mit einem schwer zu deutenden Blick an und sogleich kam der Mann, der ein Kreuz um den Hals trug, auf ihn zu und setzte ein Lächeln auf, in welchem sich auch List und Überlegenheit abspielte. Nicht sonderlich vertrauenswürdig, aber wahrscheinlich auch nicht zu hundert Prozent beabsichtigt, da er wohl eher freundlich wirken wollte. Nur schien ihm das nicht sonderlich zu gelingen, da er seine Art wohl schlecht ablegen konnte. „Leg dich besser wieder hin, du solltest dich noch etwas schonen. Du warst immerhin eine Woche ohne Bewusstsein.“ Eine Woche? So viel Zeit war seit der Operation vergangen? Kein Wunder, dass er sich so erschöpft und müde fühlte. „Und wer sind Sie?“ Der Mann schwieg und schien etwas verdutzt über diese Frage zu sein. Er war irritiert und brauchte einen Moment, bis er begriff, was los war. Er gewann seine Fassung wieder und erklärte „Ich bin Liam J. Adams, ein alter Freund.“

„Und was genau ist mit mir passiert?“

„Du bist angeschossen worden und musstest operiert werden. Kannst du dich an irgendetwas erinnern?“ Jeremiel schüttelte den Kopf und starrte hinunter auf seine Füße. „Ich weiß gar nichts. Ich weiß weder, wer ich genau bin, noch was mit mir passiert ist. Alles was ich weiß ist, dass ich Jeremiel Lawliet heiße und einen jüngeren Zwillingsbruder namens L habe. Aber ansonsten kann ich mich an nichts erinnern. Wer… wer hat mich denn angeschossen und warum?“ Liam verschränkte die Arme und sein Blick nahm etwas Düsteres an. Man hätte in diesem Moment echt Angst vor ihm bekommen können, wenn man ihn allein schon angesehen hätte. Aber Jeremiel empfand nicht direkt Angst vor ihm. Er wusste ja selbst nicht, was er gerade fühlte, denn irgendwie war ihm so, als wäre da eine Art große Lücke in seinem Gedächtnis oder als hätte er irgendwie alles verlernt, was Gefühle betraf. Denn er konnte auch nicht erkennen, was dieser Liam wohl gerade fühlte und er interpretierte diesen Gesichtsausdruck als Zeichen dafür, dass dieser offenbar verärgert war. „Habe ich etwas Falsches gesagt?“ „Wie?“

„Sind Sie wütend auf mich?“ So ganz verstand Liam nicht, was Jeremiel damit sagen wollte und diese irritierte Reaktion nahm er als eine verneinende Antwort auf seine Frage an. Aber trotzdem hatte er den Eindruck, als würde diesen ihm völlig unbekannten Mann etwas beschäftigen. „Sagen Sie, Mr. Adams…“

„Nenn mich einfach Liam. Die Höflichkeitsfloskeln können wir uns ruhig sparen.“

„Also gut, Liam. Kannst du mir sagen, ob ich dich vielleicht von irgendwo her kenne? Ich würde mich ja gerne erinnern wenn ich könnte, aber ich kann dein Gesicht einfach nicht zuordnen.“ Obwohl das nicht böse gemeint war, schienen dem in schwarz gekleidete groß gewachsenen Mann diese Worte nicht sonderlich zu gefallen und sein Gesichtsausdruck verhärtete sich und er antwortete mit deutlich kühlerer Stimme „Wir haben uns vor sehr langer Zeit kennen gelernt, als du auf Durchreisen warst. Du bist jetzt übrigens bei mir zuhause.“

„Ach so. Und kennst du meinen Bruder?“

„Nein, deinen Bruder habe ich nie getroffen.“ Schade, aber einen Versuch war es ja Wert gewesen. Jeremiel dachte nach und legte dabei das Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger, wobei er die Beine anzog und eine etwas merkwürdige Sitzhaltung einnahm. Dieser Liam war also ein alter Bekannter, den er vor langer Zeit auf irgendwelchen Durchreisen kennen gelernt hatte. Aber L hatte er nie kennen gelernt, also musste er entweder jemand anderen fragen oder aber sich auf die Suche nach L machen. Vielleicht war das ja der einzige Weg, Antworten bezüglich seiner Vergangenheit zu finden. Jeremiel wollte schon damit beginnen, die Schläuche aus seinem Arm zu ziehen, doch da packte Liam seine Hand und hielt ihn davon ab. „Was zum Teufel hast du da jetzt vor, kannst du mir das erklären?“ Immer noch starrte Jeremiel ihn mit einem absoluten Pokerface an, aus welchem man nicht die geringste Gefühlsregung schließen konnte. Es war, als wären seine Gesichtsmuskeln vollkommen eingefroren und nur die Augen glänzten und zeugten von Leben. „Ich habe vor, nach meinem Bruder L zu suchen. Vielleicht kann er mir Antworten auf meine Vergangenheit geben.“ „Das schlag dir mal besser aus dem Kopf“, entgegnete Liam und stieß ihn wieder aufs Bett zurück, wobei er einen sehr barschen Ton annahm. „Du hast eine schwere Operation hinter dir gehabt und warst zudem kurzzeitig sogar tot. Was du jetzt brauchst ist Schonung und Bettruhe. Leg dich also gefälligst wieder hin. Wenn du etwas brauchst, dann betätige den Schalter hier. Ich werde später zurückkommen.“ Damit ging Liam wieder zur Tür raus und Jeremiel blieb da sitzen und dachte weiter nach. Das war ja mal ein seltsamer Zeitgenosse gewesen. Vom Charakter her schien er ein sehr ungemütlicher Kerl zu sein und zudem machte er einen etwas zwielichtigen Eindruck. Vielleicht ist er in einer etwas rauen Umgebung aufgewachsen. Freundlichkeit und Feingefühl schienen jedenfalls nicht zu seinen größten Stärken zu zählen. Aber was suchte er ausgerechnet bei ihm zuhause und wieso war er nicht in einem Krankenhaus? Hätte er ihn das mal besser gleich gefragt, aber andererseits kam Liam sowieso nachher wieder zurück. Dann aber beschäftigte ihn noch etwas: diese Worte von Liam, dass er angeblich angeschossen worden war. Wieso hatte man ihn angeschossen und war da vielleicht noch jemand verletzt oder sogar schlimmstenfalls getötet worden? Ob es seinem Bruder gut ging? Jeremiel versuchte sich zu erinnern, wie sein Bruder ausgesehen hatte, aber da wollte sich nur sehr schwer ein Bild zusammensetzen. Wie sah er denn selbst überhaupt aus? Das Beste war, er suchte irgendwo einen Spiegel. Wenn L wirklich sein Zwillingsbruder war, dann mussten sie doch theoretisch gleich aussehen. Zumindest wenn sie eineiige Zwillinge waren. Jeremiel sah sich um, entdeckte aber nirgends einen Spiegel. Also zog er doch die Schläuche aus seinem Arm, zuckte aber dann zusammen, als er den Schmerz spürte. Aua, das tat ja weh! Seltsam, er konnte sich irgendwie nicht erinnern, dass er jemals Schmerzen empfunden hatte. Zwar der Anblick der Verletzungen nicht sonderlich verwunderlich für ihn, aber die Tatsache, dass er Schmerzen spürte, verwirrte ihn total. Wieso nur tat das so weh? Merkwürdig… normalerweise müsste er doch wissen, dass so etwas wehtat. Er wusste es, aber trotzdem war es total seltsam und neu für ihn, dass ihn irgendetwas schmerzte. Streng genommen müssten solche Erinnerungen trotz Amnesie erhalten bleiben, also war es vielleicht möglich, dass er zuvor nie Schmerzen gefühlt hatte? Nein, das durfte eigentlich nicht möglich sein. Selbst wenn er am CIPA-Syndrom leiden würde (was natürlich sowieso schon extrem selten war), dann verschwand so etwas nicht so einfach. Das war höchst unwahrscheinlich und zudem unlogisch. Also war er vielleicht nie mit Schmerzen konfrontiert worden? Auch das erschien ihm unsinnig, immerhin war er 25 Jahre alt und da war es doch mehr als unwahrscheinlich, dass er noch nie mit Schmerzen konfrontiert worden war. Was ist nur mit mir los? Hoffentlich kann mein Bruder mir Antwort geben, wenn ich ihn finde. Gleich schon als er auf die Beine kam, da verließ seine Beine fast die Kraft und er musste sich am Bett festhalten, um nicht hinzufallen. Dann aber schaffte er mit Mühe ein paar Schritte und fand auch schon das Bad. Er öffnete die Tür und sah auch gleich schon das Waschbecken und darüber einen großen Spiegel. Mit immer noch unsicheren Schritten ging er näher ran und sah sein eigenes Spiegelbild. Es war schon merkwürdig, sich selbst zu sehen und sich dennoch nicht wiederzuerkennen. Er sah seinem Alter entsprechend aus, hatte platinblondes Haar und eisblaue Augen, die schon fast zu leuchten schienen. Seine Haut war etwas kränklich blass, was aber auch von seinem angeschlagenen Gesundheitszustand herrühren mochte und sein Gesichtsausdruck wirkte irgendwie so… nichts sagend. Ob ich immer so dreingeschaut habe, fragte er sich insgeheim und betastete seinen Kopf. Wieder durchfuhr ihn ein starker Schmerz und als er die Bandagen abnahm bemerkte er, dass sie mit irgendetwas getränkt waren, was ein wenig seltsam roch. Am Kopf war er jedenfalls nicht operiert worden und er sah auch keine Verletzungen. Also kein Schädelhirntrauma. Und woher rührte dann die Amnesie? Vielleicht durch einen Schock? Wenn die Person, die auf ihn geschossen hatte, ein guter Bekannter von ihm gewesen war, dann könnte es gut sein, dass es zu einer Schutzreaktion seines Unterbewusstseins gekommen war, woraufhin seine Erinnerungen unzugänglich geworden waren. Als nächstes zog er sein Shirt aus und sah nun den Verband und die Stelle, wo er operiert worden war. Direkt in die Brust. Der Schütze hatte jedenfalls wirklich gut gezielt. Die Verletzung wäre mit Sicherheit tödlich gewesen. Nun ja, Liam hatte ja gesagt gehabt, dass er zwischendurch einen Herzstillstand gehabt hatte. Dann hatte er ja einen richtig guten Arzt gehabt. Jeremiel wollte sein Shirt wieder anziehen, da durchfuhr ein stechender Schmerz seinen Kopf und ihm wurde kurz schwarz vor Augen und er verlor den Halt, woraufhin er zu Boden stürzte. Was war denn nur mit ihm los und wieso tat ihm der Kopf so weh? Von der Narkose konnte das ja wohl schlecht kommen. Er atmete schwer und spürte, wie ausgetrocknet seine Kehle eigentlich war. Keuchend versuchte er, sich am Waschbecken hochzuziehen, doch er schaffte es nicht und fiel wieder auf die Fliesen. Kalt… dachte er und blinzelte benommen. Es fühlt sich so komisch an. So fremd und unangenehm. Wieso nur kommt es mir so vor, als würde ich zum allerersten Mal in meinem Leben so etwas wie Kälte oder Schmerz spüren? Was ist nur mit mir los, wieso kann ich mich kaum bewegen und warum nur bin ich nicht bei meinem Bruder oder in einem Krankenhaus, wenn ich doch angeschossen worden war? Wollte mich jemand töten und bin ich deshalb hier? Jeremiel spürte einen unangenehmen Stich in der Brust. Seine Kehle schnürte sich zu und das Atmen fiel ihm schwer. Tränen sammelten sich in seinen Augenwinkeln, doch er verstand nicht, wieso das gerade passierte. Warum sonderten seine Tränendrüsen plötzlich Salzwasser ab und wieso tat ihm die Brust so weh? Sein ganzer Körper schien verrückt zu spielen und er konnte nicht verstehen, was mit seinem Körper los war. Da er nicht die Kraft hatte, aufzustehen, blieb er auf dem Boden liegen, bis er wieder jemanden an der Tür hörte. Ob es Liam war? Nein, das Schuhwerk klang anders, ebenso wie die Schritte. „Ach herrje, was ist denn mit dir passiert, Engelchen?“ Es war nicht Liams Stimme. Sie klang deutlich lebhafter und hatte einen Ton an sich, den man schon fast als tuntig bezeichnen konnte. Jeremiel schaffte es mit Mühe, sich ein wenig aufzurichten und war verwirrt, als er eine Frau mit langen schwarzen Haaren und einem Kimono mit weitem Ausschnitt sah. Der Gürtel war vorne zugeschnürt. Ein Zeichen dafür, dass es sich um eine Prostituierte handeln könnte. Aber… die Stimme gehörte eindeutig einem Mann. Ein Transvestit? Die Person im Kimono eilte zu ihm hin und kniete sich neben ihm hin. „Hey Engelchen, was ist? Kannst du nicht aufstehen?“ „Nein“, brachte Jeremiel hervor und wurde sogleich hochgezogen. Das Gesicht dieses Mannes war sehr schön geschminkt und er hatte auch sonst sehr feminine Gesichtszüge, sodass man wirklich sofort hätte denken können, es wäre eine Frau, wenn man die Stimme nicht gehört hätte. Er brachte den angeschlagenen Jeremiel zurück und legte ihn ins Bett. „Was machst du denn für Sachen? Liam hat doch gesagt, dass du dich ausruhen musst und du hast eine schwere Operation hinter dir. Was soll denn der Blödsinn?“

„Wer… wer bist du überhaupt?“

„Ich bin Delta, Liams rechte Hand und Stellvertreter, aber auch sein bester Freund und engster Vertrauter. Die Liste ist lang! Ich wollte nur mal nach dem Rechten schauen und sehen, wie es dir geht. Hast du irgendwelche Beschwerden, Fragen oder sonst irgendetwas, das dir auf dem Herzen liegt?“ Dieser Delta war irgendwie seltsam, aber er schien deutlich anders zu sein als Liam. Viel freundlicher und lebhafter. Aber was sollte er von ihm halten und wieso hatte man ihn wirklich geschickt? „Ich würde gerne wissen, wieso ich hierher gebracht wurde und wieso ich nicht im Krankenhaus bin.“

„Nun, das liegt einfach daran, weil Liam selbst ein hervorragender Chirurg ist und dich lieber selber operieren wollte, als von irgendwelchen fremden Ärzten. Auch wenn man es ihm vielleicht nicht ansieht, aber er ist der beste Chirurg, den du auf der Welt finden wirst. Und außerdem wollte er dir helfen, weil er unter anderem eine alte Schuld bei dir begleichen wollte. Aber ich geh dir erst mal einen Drink holen, Engelchen. Du siehst wirklich aus, als könntest du jetzt was gebrauchen.“ Damit wollte Delta gehen, doch Jeremiel hielt ihn zurück und fragte verständnislos „Wieso nennst du mich so?“

„Ach, ich gebe allen einen Spitznamen. Liam zum Beispiel ist mein Herzchen. Marcel ist mein Hase, wenn ich ihn gerade mal nicht am liebsten abknallen würde und Johnny nenne ich immer Darling. Aber die anderen wirst du auch noch kennen lernen. Das kommt noch früh genug. Erst mal kommst du schön wieder auf die Beine. Immerhin bist du zwar kurz nach der OP aufgewacht, aber dann eine Woche lang im Koma gewesen.“ Damit zwinkerte Delta ihm mit einem verführerischen Lächeln zu und verließ das Zimmer.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Yo Ladies and Gentlemen, Delta is back!

Ernsthaft, ich liebe ihn einfach und ich hatte totalen Spaß an der Idee, ihn wieder zurückzuholen, nachdem er schon in meinen FFs “Der Trickster” und “Der Aufstand” seinen Auftritt hatte. Er ist einfach ein absolutes Original, anders kann man ihn nicht beschreiben. Seinen Charakter habe ich ein klitzekleines bisschen noch leidenschaftlicher und extravaganter gemacht und ihm eine andere Hintergrundgeschichte gegeben. In den o.g. FFs war er der Anführer der chinesischen Mafiagruppe „Yanjingshe“ gewesen, aber dann hab ich ihn zu Liams bestem Freund und zum Verwalter des Rotlichtviertels gemacht. Da das mit Liam und Jeremiel nicht einfach werden wird, braucht es eben jemanden, der zwischen den beiden eben vermitteln kann und da Eva sowieso mit Liam Schwierigkeiten hat und deshalb nicht viel ausrichten kann, hab ich dann mal eben Delta zurückgeholt, der einen gesunden Ausgleich zu dem eher kühlen und dominanten Liam bildet. Denn er besitzt deutlich mehr Herz und Einfühlungsvermögen und kann somit die einen oder anderen Wogen glätten. Aber alles Weitere wird sich noch zeigen. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2014-10-31T15:12:40+00:00 31.10.2014 16:12
Das Kapitel war großartig. =3


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