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Last Desire 6.5

Just another Desire
von

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Zimmerarrest

„Was zum Teufel ist mit ihm los und wieso erinnert er sich an nichts?“ Liam schlug mit der Faust gegen die Wand und seine Augen funkelten die weißhaarige schöne Frau an, die ein wenig apathisch aussah. Er war wütend und hätte sie am liebsten dafür umgebracht, aber das wäre völlig zwecklos. Selbst wenn er sie tötete, Eva würde sich einfach einen neuen Wirtskörper suchen und zurückkehren. „Du hast mir versprochen, dass du ihn mir zurückgeben wirst und dass alles gut werden wird. Du verdammte Hexe hast mich schon wieder betrogen.“ „Das habe ich nicht“, erwiderte Eva in einem ruhigen und beschwichtigenden Ton und fing sich sogleich eine Ohrfeige ein, die es so in sich hatte, dass sie zu Boden stürzte. „Er hatte keine eigene Seele, also musste ich erst eine konstruieren. Und da er durch die Mutationen schwere Gehirnschäden hatte und dadurch weder Gefühle noch Schmerz oder Hitze und Kälte empfinden konnte, musste ich ein paar Änderungen vornehmen. Deshalb hat er auch keine persönlichen Erinnerungen mehr. Weder an die Zeit, als er Sam Leens war, noch als er in meiner Welt gelebt hat. Das war leider unvermeidlich.“

„Unvermeidlich… unvermeidlich sagst du? Du hast mich betrogen, Eva. Du hast mir schon wieder irgendwelche Hoffnungen gemacht und diese zerschlagen. Ich hab dir gesagt, dass ich deine menschliche Wiedergeburt so wie die deiner gesamten Familie töten werde, wenn du mir Nikolaj nicht zurückgibst. Du bist schuld, dass er damals getötet wurde. Es war deine Aufgabe, deine Familie zu beschützen und du hast sie im Stich gelassen. Du hast mich im Stich gelassen, als du feige abgehauen bist und ich über 400 verdammte Jahre nichts mehr von dir gehört habe. Du hast mir Nikolaj genommen und hast mich mit deiner hinterhältigen Lüge getäuscht, um deine Familie zu retten. Glaub mir, wenn du nicht unvergänglich wärst, dann hätte ich dich auf der Stelle kalt gemacht.“ Eva kam wieder auf die Beine und sah traurig aus. Sie senkte den Blick und man sah ihr an, dass sie sich schuldig fühlte. „Es tut mir leid“, sagte sie mit leiser Stimme und wich seinem Blick aus. „Ich wollte doch nicht, dass es passiert und glaub mir, ich habe versucht, sie alle damals zu retten, aber ich konnte nichts tun. Sie als Menschen wieder zurückzuholen war die einzige Möglichkeit gewesen und ich bin doch jetzt hier, damit ich dir helfen kann.“ „Was nützt mir deine Hilfe, wenn er sich an nichts erinnern kann? Du hättest wenigstens seine Erinnerungen als Sam Leens intakt lassen können.“ Doch da schüttelte Eva den Kopf und erwiderte „Jetzt denk doch nach, Bruderherz: er spürt zum ersten Mal Gefühle, Schmerz und andere Empfindungen. Er ist mit Sicherheit völlig überfordert mit der Situation und du weißt genau, was er in seinem Leben als Sam Leens getan hat. Das wird ihm den Rest geben, wenn er erfährt, dass er unzählige Menschen gefoltert und getötet hat. Ein Stück weit wollte ich ihn genau davor beschützen und außerdem sind er und Sam Leens zwei verschiedene Personen, das müsste dir doch auch klar sein. Mit Nikolaj hat es sich ja nicht anders verhalten.“

„Aber da hast du seine Erinnerungen auch nicht gelöscht.“

„Jetzt beruhige dich erst mal. Es bringt überhaupt nichts, wenn du dich so dermaßen aufregst und deine Wut vielleicht noch an ihm auslässt. Jeremiel ist der Allerletzte, der etwas dafür kann. Lass ihm doch erst mal Zeit, sich an diese neue Situation zu gewöhnen.“ Verächtlich verzog der Rotäugige die Miene und funkelte Eva hasserfüllt an. „Zeit… 419 Jahre habe ich gewartet und als er wiedergeboren wurde, habe ich auf deinen und Fredericas Wunsch hin noch mal 25 Jahre gewartet, bis er alt genug war. Ich bin es leid zu warten. Wenn du dein Versprechen nicht halten wirst, dann werde ich L und die anderen töten.“

„Araphel!“ rief sie, als Liam gehen wollte und ergriff seine Hand. Doch er schlug sie weg und stieß Eva zurück. „Fass mich nicht an und nenn mich nie wieder bei diesem Namen. Ich bleibe bei meinem Wort, im Gegensatz zu dir. Wenn ich schon nicht glücklich werden kann, dann du genauso wenig. Und inzwischen müsstest du längst kapiert haben, dass es mit unserer Freundschaft schon lange vorbei ist. Du spielst dich hier wie eine wohltätige Göttin auf und dabei weiß doch niemand, wie viel Blut wirklich an deinen Händen klebt. Wie viele Menschenleben hast du geopfert, nur um deine Familie wieder zurückzuholen? Wenn ich an den Tod von Nastasja Kasakowa und ihrem Mann denke, an das Massaker im Norington Waisenhaus… wie viele Tote gehen denn auf dein Konto, weil du meinst, du könntest aus Lust und Laune deine Kräfte einsetzen, nur um deinen Willen zu bekommen? Ich habe mich damals entschlossen, nach den Regeln der Menschen zu spielen, so wie Nikolaj es mir gesagt hat und das solltest du auch tun. Also hör, auf mir irgendwelche Moralpredigten zu halten und zu denken, du wärst etwas Besseres.“

„Das tue ich doch nicht.“ Aber Liam ließ nicht mit sich reden. Er verließ das Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu. Wie sehr er diese verlogene Hexe doch hasste. Wenn sie damals nicht in den Wald zum Feuerholzsammeln gegangen wäre, dann wären Nikolaj und die anderen noch am leben und er wäre all die Zeit nicht allein gewesen. Gleich schon, als er auf den Flur hinausging, kam ihm Delta entgegen. „Und?“ fragte er und sah ihn immer noch mit einem kühlen Blick an. „Wie geht es ihm?“ „Tja, was soll ich sagen? Er ist im Bad zusammengebrochen und wirkt völlig verwirrt… Der weiß wohl noch gar nicht, wie ihm geschieht. Und Herzchen, was hat das Gespräch ergeben?“

„Was denn schon? Sie sagte, dass sie seine Erinnerungen absichtlich gelöscht hat. Angeblich, um ihn zu schützen.“ Delta seufzte theatralisch und klopfte Liam auf die Schulter, wobei er den Kopf schüttelte. „Herzchen, dir fehlt es echt an Empathie und Feingefühl. Die Menschen sind nun mal ein sensibles Völkchen. Wenn sie erfahren, dass sie vor ihrem Gedächtnisverlust Mörder waren, da bricht eine Welt für sie zusammen! Und mal im Ernst: sein bisheriges Leben war ja auch nicht gerade toll gewesen. Aber du weißt doch selbst, dass alle ihre Erinnerungen verloren haben, aber die Gefühle und der Charakter sind gleich geblieben. Folglich also kann doch nichts schief gehen, wenn du endlich mal deine Krallen einfahren und dich nicht wie das letzte Arschloch aufführen würdest. Versuch doch wenigstens ein kleines bisschen netter zu ihm zu sein und ihn nicht gleich anzuranzen, obwohl er doch überhaupt keine Schuld an der Situation trägt. Denk mal darüber nach, Herzchen. Ich muss noch mit Marcel sprechen. Es geht um die neue Einrichtung eines Nachtklubs und ich muss ihn endlich mal dazu bringen, mir mehr Gelder zu bewilligen, anstatt mir immer die ganzen Kosten vorzurechnen. Dieser brillenschlangige Schmalspuradvokat…“

„Lasst mir aber dieses Mal die Einrichtung am Stück und achtet mal ein wenig auf die Lautstärke. Das letzte Mal, als bei euch die Fetzen geflogen haben, seid ihr so lautstark gewesen, dass Johnny schon meinte, ihr würdet euch gegenseitig im wahrsten Sinne des Wortes die Ärsche aufreißen.“

„Ich weiß. Aber dafür ist der Sex umso schmutziger. Tüdelü! Ich lass dich mal mit Engelchen allein.“ Damit ging Delta mit einem verführerischen Zwinkern davon und summte munter eine Melodie vor sich her. Liam sah ihm kopfschüttelnd hinterher und wollte sich auf den Weg zu Jeremiels Zimmer machen, da bemerkte er, dass die Tür offen stand und der 25-jährige mit ein wenig wankenden Schritten den Flur entlangging, wobei er sich an der Wand abstützte. Was hat der denn jetzt vor? Liam ging direkt zu ihm hin und packte ihn etwas grob an der Schulter. „Was soll das denn werden? Ich hab dir ausdrücklich gesagt, du sollst in deinem Zimmer bleiben und dich ausruhen. Wo willst du überhaupt hin?“

Jeremiel sah ihn mit einem Blick an, den man einfach nicht deuten konnte. Seit sein wahres Selbst erwacht war, wirkten zwar seine Augen lebhaft, aber der Rest seines Gesichts war genauso starr und ausdruckslos geblieben wie sonst. „Ich wollte meinen Bruder suchen gehen. Vielleicht kann er mir sagen, wer ich wirklich bin.“

„Du hattest kaum Kontakt zu ihm und er kennt dich nicht mal wirklich. Also gibt es auch keinen Grund für dich, nach ihm zu suchen. Du bleibst hier und schonst dich. Du hast echt Nerven, dass du in deinem Zustand einfach gehen willst.“

„Aber ich weiß nicht, wer ich bin und wieso ich angeschossen wurde. Ich weiß rein gar nichts und um dieser retrograden Amnesie entgegenzuwirken, will ich jedem Hinweis auf meine Vergangenheit nachgehen und auf diese Weise meine Erinnerungen wieder abrufbar machen.“ Der hat sie doch nicht mehr alle, dachte Liam und packte ihn, dann zerrte er ihn zurück in sein Zimmer und stieß ihn aufs Bett. Warum nur will er mit aller Macht wissen, wer er wirklich ist? Das will er in Wirklichkeit gar nicht. Wenn er es erfährt, dann wird das sein Leben für immer verändern und der wird sich nur selbst unglücklich machen. Und überhaupt: ich werde ihn ganz gewiss nicht gehen lassen. Den Fehler mache ich nicht ein zweites Mal. „Du wirst schön hier bleiben und dich ausruhen. Wenn du vernünftig bist, dann wartest du wenigstens, bis du vollständig genesen bist.“

„Aber…“

Liam ergriff seine Hand und legte sie ihm auf die Brust. „Du lebst und das ist das Einzige, was du wissen musst. Also lass es gut sein.“ Jeremiel sah zu ihm hoch, immer noch mit diesem ausdruckslosen Gesicht, welches alles nur noch schlimmer machte. Man konnte aus ihm einfach nicht schlau werden. Beim besten Willen nicht. „Was genau hast du eigentlich mit mir vor?“

„Erst einmal dafür sorgen, dass es dir besser geht und du wieder auf die Beine kommst.“ Doch Jeremiel sah nicht danach aus, als würde er sich damit wirklich zufrieden geben. Verdammt hartnäckig, dachte Liam und ballte die Hände zu Fäusten. Genauso wie sein Bruder. Er wird nicht auf das hören, was ich sage und wieder versuchen, nach seinem Bruder zu suchen. Wenn ich nichts unternehme, wird er noch wieder abhauen. Einen Sturkopf wie ihn kriegt man so schnell nicht klein. Aber so einfach lass ich ihn nicht gehen. Nein, ich werde nicht zulassen, dass er weggeht. Und wenn ich zu härteren Mitteln greifen muss, um ihn daran zu hindern. Kurzerhand verließ Liam das Zimmer und kam wenig später mit einer Fußfessel mit einer langen Kette zurück, dann befestigte er die Kette ans Heizungsrohr und legte die Fessel am rechten Fußgelenk des Blondhaarigen an. Jeremiels Gesicht blieb unbewegt, aber ein leichter Anflug von Besorgnis war in seinen Augen schon zu erkennen. Und er selbst merkte auch, wie er unruhig wurde und wie sein Herz schneller schlug. Aber er verstand nicht, wieso sein Körper so komisch reagierte und was das alles zu bedeuten hatte. „Warum… warum tust du das?“ „Zu deinem eigenen Schutz. Wer nicht hören will, der muss eben fühlen und ich werde nicht zulassen, dass du deine Gesundheit aufs Spiel setzt, indem du planlos durch die Gegend rennst, obwohl du kaum laufen kannst. Die Kette ist lang genug, dass du dich im Zimmer frei bewegen kannst und ins Bad kommst du damit auch.“

„Bin ich hier ein Gefangener?“

„Nein, du bist mein Gast. Ich mach das hier einzig und allein zu deiner eigenen Sicherheit. Du hättest das Problem jetzt nicht, wenn du auf mich gehört hättest und im Bett geblieben wärst!“ Damit ging Liam wieder und Jeremiel blieb allein zurück. Er betrachtete die Fußfessel und fragte sich, ob man so etwas wirklich Gastfreundschaft nennen konnte. Soweit er sich doch richtig erinnerte, legte man jemandem keine Fessel an, der ein Gast war. Also war er doch ein Gefangener. Dieser Liam hatte eine etwas seltsame Auffassung von Gastfreundschaft und nun stellte sich natürlich die Frage, wie lang er diese Fessel tragen musste. Vielleicht, bis er genesen war? Oder würde er diese Fußfessel schlimmstenfalls länger tragen müssen? So wie er den Eindruck gehabt hatte, schien dieser Liam nicht gerade darauf aus zu sein, ihn einfach gehen zu lassen. Nein, er wollte anscheinend mit aller Macht verhindern, dass er seinen Bruder L suchen ging. Aber wieso? Jeremiel nahm wieder diese gewohnte Sitzhaltung ein und klemmte sein Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger. Den Rücken ließ er dabei aber gerade und stützte seinen anderen Arm auf seinen Oberschenkeln ab, um eine halbwegs gerade Haltung gewährleisten zu können. Also folgende Optionen standen offen: 1. er war eine Geisel von Liam und dieser wollte ihn aus bestimmten Gründen nicht gehen lassen oder aber 2. etwas war mit seinem Bruder passiert, was er nicht herausfinden durfte. Dass er gefangen gehalten wurde, konnte folgende Gründe haben. Entweder war das hier vielleicht eine Lösegelderpressung, von der er nichts erfahren sollte, oder aber es ging um etwas anderes. So oder so war es ratsam, sich besser vor Liam in Acht zu nehmen. Denn der schien einer von der Sorte zu sein, die absolut knallhart und kompromisslos war. Aber was will er von mir? Irgendwie will er mir auch keine richtige Antwort auf diese Frage geben. Also was soll ich dann tun? Mich ihm zu widersetzen scheint jedenfalls keine gute Idee zu sein. Ich wollte ja nur meinen Bruder suchen und daraufhin legt er mir gleich eine Fußfessel an. Was wohl passiert, wenn ich die Fessel irgendwie aufbekomme? Nun, ich glaube nicht, dass er sonderlich begeistert sein wird.

Ein brennender Stich in seinem Kopf lähmte für einen Moment seine Gedanken und er biss sich auf die Unterlippe. Seit er aufgewacht war, hatte er höllische Kopfschmerzen. Und die machten ihm am meisten zu schaffen. Er drückte auf den Schalter und kurz darauf öffnete sich die Tür und ein Junge von knapp 17 oder 18 Jahren kam herein. Er hatte kurz geschnittenes schwarzes Haar, trug einen rotschwarz gestreiften Pullover, darüber einen Pullunder mit Kapuze und einen schwarzen Mantel. Mit einem fröhlichen Grinsen kam er herein und rief gleich „Hey Bitches! Johnny is in the House!“ Jeremiel sah ihn irritiert an und verstand nicht so wirklich, was das jetzt bedeuten sollte. Der Junge kam auf ihn zu und sofort sah der 25-jährige auch diesen goldenen Ring in der rechten Iris, genauso wie bei Liam und Delta. „Hey, ich bin Johnny. Und du bist Jeremiel, Liams Ehrengast nicht wahr? Ich sehe schon, du bist ihm auch schon auf die Füße getreten oder habt ihr gleich schon das erste Date übersprungen und seid schon beim Vorspiel?“ Immer noch ratlos sah Jeremiel ihn an und verstand noch nicht wirklich, was Johnny denn meinte. „Wer bist du überhaupt?“

„Johnny. Mein richtiger Name ist Kazab, aber ich finde, Johnny klingt irgendwie cooler. Ich gehöre zu Liams Familie und bin sein persönlicher Informant und Kurier. Ich dachte mal, ich sag hallo, solange Delta noch mit Marcel beschäftigt ist. Wahrscheinlich zerlegen sie wieder die gesamte Einrichtung, während sie es richtig krachen lassen. Aber sag schon, Jerry, was gibt’s?“

„Mein Kopf tut ziemlich weh…“ Johnny begann an der Innenseite seines Mantels herumzukramen und dabei entdeckte Jeremiel mehrere Messer, die Johnny bei sich trug. Auch Schlagringe und Pistolen. Schließlich holte er ein kleines Döschen mit Pillen heraus und rief „Ah wunderbar, da sind sie ja. Ich hab immer was für den Notfall dabei.“ Damit gab er Jeremiel zwei von den Pillen, die er dankend entgegennahm und schluckte. Johnny zog einen Stuhl heran und setzte sich zu ihm. „Hast du sonst irgendwelche Fragen?“ „Ja… wo genau sind wir hier und wieso wurde ich hierher gebracht? Und wieso bin ich überhaupt hier?“ Johnny holte ein Springmesser hervor und begann sich damit den Dreck unter den Fingernägeln zu entfernen. Er wirkte wie jemand, der ein typischer Unruhestifter war und mit Sicherheit viel Ärger machte. „Nun, wir befinden uns am äußersten Stadtrand von Boston und du bist hier, weil Liam wohl was von dir will oder so. Aber ich darf da leider auch nicht viel sagen, ich bin nämlich sehr verschwiegen musst du wissen. Ich weiß aber, dass Liam wohl seit längerem ein Auge auf dich hatte und dass du so einiges getrieben hast. Das ist aber alles.“

„Und mein Bruder?“

„Nun, soweit ich weiß ist er so eine Art Detektiv. Er ist sogar ein ziemlich guter und hat es geschafft, Kira das Handwerk zu legen und damit einen der gefährlichsten Massenmörder aufzuhalten.“ Kira. Ja, der Name sagte ihm was. Das war doch dieser Schüler aus Japan, der mit einer bis dato unbekannten Waffe Verbrecher und später auch persönliche Feinde töten und manipulieren konnte, wofür er nur ihre Namen und Gesichter brauchte. Bis heute war nie öffentlich gemacht worden, um was für eine Waffe es sich handelte. Komisch, dass er sich daran erinnern konnte, aber nicht an Liam. „Kannst du mir sagen, wieso Liam unbedingt verhindern will, dass ich meinen Bruder finde?“

„Nun, das könnte daran liegen, weil du deinen Bruder nie wirklich getroffen hast oder zumindest nicht als Bruder selbst. Ihr wusstet bis vor kurzem gar nichts voneinander und es könnte deshalb ein klein wenig schwierig werden. Wahrscheinlich will Liam dich nur schonen, auch wenn er es nicht wirklich zeigt. Leider ist der Kerl so feinfühlig wie ein Kaktus.“ Jeremiel spürte langsam, wie seine Kopfschmerzen nachließen und er war auch wirklich dankbar dafür. Teilweise waren sie so schlimm gewesen, dass es kaum auszuhalten war. Aber dennoch war er immer noch nicht schlauer als vorher. Wenn er wenigstens Liams Motiv kennen würde, dann könnte er seine Lage besser abschätzen, aber selbst Johnny wollte offenbar nicht viel dazu sagen. „Kann ich Liam überhaupt vertrauen?“

„Nun Jerry, es gibt zwei Sorten von Menschen, denen du besser nicht vertrauen solltest: jenen, die dir sagen, sie seien vertrauenswürdig und jenen, die von sich behaupten, sie seien nicht vertrauenswürdig.“

„Soll das etwa heißen, ich darf niemandem mehr vertrauen?“

„Falsch! Du kannst darauf vertrauen, dass die Person, die sich als nicht vertrauenswürdig einstuft, auch wirklich nicht vertrauenswürdig ist. Und du kannst darauf vertrauen, dass Personen, die vorgeben, sie seien vertrauenswürdig, nicht immer zu vertrauen ist.“

„Ah verstehe. Also soll ich niemandem leichtfertig vertrauen.“

„Ich sehe, du kapierst es. Weißt du, die meisten sind damit schon längst überfordert, weil ich dazu neige, mit Worten so lange zu jonglieren, bis die Leute nicht mehr wissen, wo oben und unten ist. Ich verdrehe die Tatsachen und die Logik und kann sie auf die Weise dazu bringen, mir irgendwann jedes Wort zu glauben, selbst wenn ich ihnen sagen würde, Gott ist ein fliegendes Spaghettimonster. Ich hab noch jeden in den Wahnsinn getrieben, aber du scheinst zu verstehen, was ich sagen will. Du gefällst mir.“ Schließlich holte Johnny aus den diversen Innentaschen seines Mantels Bonbons hervor und gab Jeremiel davon eines. Dieser schob es sich in den Mund und runzelte die Stirn, als er diesen seltsamen Geschmack wahrnahm. „Das ist… süß.“

„Klar, sonst würden sie ja nicht Süßigkeiten heißen. Sag bloß, du hast noch nie Süßes gegessen.“

„Weiß nicht. Aber… mir kommt das alles so neu vor. Auch, dass ich Schmerzen habe und Hitze und Kälte wahrnehme. Als hätte ich das alles noch nie zuvor gehabt. Ich weiß einfach nicht, was mit mir los ist und ob das auch von dieser Amnesie herkommt.“ Johnny aß nun selbst ein Bonbon und schwieg, wobei er Jeremiel neugierig betrachtete. Er schien selbst nachzudenken und erklärte dann nach einer Weile „Der Grund liegt darin, weil du durch eine Gehirnstörung nicht fähig warst, Gefühle oder Schmerz zu empfinden. Und da sind eben solche Dinge neu für dich. Aber Liam und Eva haben diesen Fehler behoben und nun, da du nach 25 Jahren fähig bist, Gefühle zu empfinden, musst du das alles erst einmal lernen und das braucht eben seine Zeit. Und eben weil Liam diesen Defekt behoben hat, brauchst du Ruhe, weil dein Hirn sonst so schnell überlastet wird.“

„Ich wurde am Gehirn operiert? Aber… ich hab gar keine Spuren einer Operation gefunden.“

„Nun… Liam versteht es eben, so vorzugehen, dass er kaum Spuren hinterlässt. Das ist seine Spezialität. Aber wir können ein anderes Mal weiterreden, Jerry. Ich muss jetzt auch mal los. Wenn ich dir einen guten Rat geben darf: lass dich nicht von Liam unterkriegen. Er ist zwar manchmal ein Arsch, aber er meint es eigentlich nicht böse.“ Damit stand Johnny wieder auf und ließ Jeremiel erst mal alleine. Diesem ging es zwar ein klein wenig besser, da seine Kopfschmerzen deutlich nachgelassen hatten, aber dennoch kam er sich irgendwie etwas verloren vor. Es würde wohl noch eine Weile dauern, bis er sich an diese Situation gewöhnt hatte, aber trotzdem beschäftigte ihn diese Tatsache sehr, dass er nie Kontakt zu seinem Bruder gehabt hatte und dass er zudem noch an einen Hirndefekt gelitten haben sollte. Die ganze Zeit hatte er keine Gefühle wahrnehmen können und war deshalb so überfordert mit der ganzen Situation? Aber wieso war die Erinnerung an seinen Zwillingsbruder so präsent, wenn sie sich beide angeblich nie direkt getroffen hatten? Tja, vielleicht erhalte ich ja die nächste Zeit Antwort darauf. Fragt sich nur, wie lange ich hier bleiben muss, bis man mir diese Fußfessel abnimmt.

Erschöpft und müde legte sich Jeremiel ins Bett und beschloss, noch ein wenig zu schlafen. Vielleicht wurde ja morgen alles besser…



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2014-10-31T15:14:23+00:00 31.10.2014 16:14
Yahh das Kapi war echt toll.


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