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I wish you'd stay

Ein Taito-Krimi
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Nach langer Zeit mal eine neue FF... mehr Taito braucht das Land, jawohl!

Das Übliche: Tai und Matt gehören mir nicht und ich verdiene hiermit kein Geld.

Die anderen Charaktere sind jedoch meinem eigenen irren Geist entsprungen ^-^

Ich widme diese Fanfic ButterFay - ich hab dich ganz arg lieb! Egal wie weit du entfernt bist, du bist immer in meinem Herzen!

Ach ja: Die Lyrics gehören zu Blue October, einer maßlos unterschätzten Band, hört doch mal rein ^.~

Also falls euch die Geschichte gefällt, würde ich mich über Kommentare freuen. Und nun viel Spaß! Komplett anzeigen

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Gelbe Schnürsenkel

"Matt, ich bin dein größter Fan! Ist es möglich, dass ich dir meinen BH schicke, damit du ihn signierst??? Meine Freundinnen werden vor Neid umkippen!"
 

"Ihre Songtexte sind wirklich großartig, Ishida-san, woher nehmen Sie nur Ihre Inspiration? Bitte bleiben Sie der Welt noch lange erhalten! Ihre Musik gibt mir Kraft!"
 

Yamato hörte nur mit einem halben Ohr zu. Früher hatte er sich über jede einzelne Äußerung eines Fans gefreut, aber inzwischen war er wohl abgestumpft. Im Grunde waren es immer wieder die gleichen Inhalte, gekleidet in ähnliche Worte, die sich auf Eines reduzieren ließen: Du bist toll, deine Musik ist toll, heirate mich! Der blonde Sänger gähnte herzhaft, nahm einen Schluck von seinem Whiskey und blätterte in einem Buch während sein Co-Gitarrist Hayato weiterhin amüsiert die Mails vorlas.
 

"Oh das hier mag ich! Die Jeans, die du in deinem neuen Parfüm-Werbespot trägst ist einfach geil, wo kann ich so eine bekommen? Na???"
 

Yamato schüttelte nur abwesend den Kopf. Über was sich manche Menschen Gedanken machten. Unfassbar. Aber das war noch lange nicht die Spitze des Mount Sinnlosigkeit. Er erinnerte sich noch an einen Facebook-Kommentar in dem er gefragt worden war, welches seine Lieblings-Schnürsenkelfarbe war.
 

Kein Scherz.
 

Hayato hatte ihn davon überzeugt, dass es unendlich wichtig sei, auf diese Frage zu antworten.

Man muss seine Fans ernst nehmen. Man muss den Dialog mit den Fans suchen. Die Fans geben uns soviel, also müssen wir ihnen auch was zurückgeben.

Waren ihre Musik, ihr Schweiß und ihre Leidenschaft auf der Bühne denn nicht genug? Offensichtlich nicht.
 

Naja, letztendlich hatte er einfach spontan mit "Gelb" geantwortet.... und nur Gott wusste, wie viele Paar gelber Schnürsenkel er seitdem per Post bekommen hatte. Zusammengeknotet hätten sie dreimal um den Erdball gereicht – da war Yamato sich sicher. Hayato lachte sich heute noch halb tot, wenn wieder ein Bündel davon in der Post war. Seitdem hielt Yamato sich bei solchen Dingen eher zurück, egal wie sehr seine Bandkollegen oder Manager ihn dazu motivieren wollten.
 

Yamato hatte sich wieder in dem bequemen Schwingsessel zurückgelehnt und sich seiner Lektüre gewidmet als Hayato nach einer langen Zeit der Schweigens plötzlich ein merkwürdiges Zischen von sch gab. Er schaute auf. "Geht's dir gut?" Alle Geräusche von Kichern über Lachen und Hustenanfälle waren normal, wenn Hayato die Fanpost las... aber dieses scharfe Ausatmen hatte er noch nie gehört. Der rothaarige Gitarrist schaute von seinem Laptop auf und winkte ab. "Ach nix weiter, der eine hier klingt ein bisschen psychotisch." Stille. Yamato legte den Kopf schief und musterte Hayato. Sonst las er doch immer alles, was er auch nur für annähernd interessant hielt vor – egal ob man es hören wollte oder nicht. Und nun ließ er ihn neugierig sterben? Als nach einer Minute noch immer keine Reaktion kam, stand Yamato auf, um herüberzugehen und über Hayatos Schulter zu spähen.
 

Matt, ich vergöttere den neuen Song, den du für mich geschrieben hast. Ich liebe es, wie deine Stimme alles erfüllt und wie du mich ansiehst. Ich will dich ebenso erfüllen, unsere Stimmen und Blicke teilen. Ich warte auf den Tag, an dem wir unsere Leben vereinen. Wenn du ganz Mein sein wirst. Sing weiter für mich, mein Saphir. Bald komme ich dich holen.
 

Während er las runzelte er die Stirn. Diese schleimerische Poesie hatte etwas Verstörendes. Es war nichts Neues, dass manche Fans sich einbildeten, er würde nur für sie singen. Das störte ihn auch nicht. Irgendwie sang er für jeden und für keinen, oder für sich selbst? Egal, dieser Fan projizierte es jedenfalls auf sich. Es war mehr die Wortwahl, die Yamato wunderte. Hayato sprach seine Gedanken aus.
 

"Ich warte auf den Tag, an dem wir unsere Leben vereinen. Mein Saphir." Hayato schüttelte den Kopf. "Du hast ja schon einiges an Kosenamen bekommen, aber der ist neu. Und "Leben vereinen"... wahrscheinlich ein neuer Ausdruck für "Heirate mich und mach mir ganz viele Babys"... " Beide lachten und Hayato schloss das E-Mail Fenster. "Genug für heute. Ich gehe schlafen. Es war ein langer Tag." Der Gitarrist klappte den Laptop zu, stand auf und tappste aus dem Zimmer. Bevor er ins Schlafzimmer verschwand warf er Matt noch ein "Schlaf gut!" zu.
 

Der Blonde fuhr sich durchs Haar und stellte schließlich das Buch ins Regal zurück. Es war wirklich ein anstrengender Tag gewesen. Am Vormittag Autogrammstunde, nachmittags das Open-Air Konzert und später der Talkshow-Auftritt. Es war weit nach Mitternacht, die Sonne würde bald wieder aufgehen. Zeit sich hinzulegen. Schlaf war wichtig für die Gesundheit... er wollte ja nicht frühzeitig Falten bekommen.
 

Gähnend schlich er durch das dunkle, stille Apartment. Fast ein bisschen unheimlich diese Ruhe nach Stunden voller Gekreische und Gejubel. Aber nun war die USA-Tour fast vorbei und die Heimreise nahe. Eine halbe Ewigkeit waren sie hier unterwegs gewesen. Und das Jahr davor war Europa dran gewesen... sein neues Leben war Abenteuer und Aufregung pur, sodass er anfangs nur selten an zu Hause gedacht hatte – Die ganze Welt ist jetzt dein Zuhause! hatte Brent, sein Manager, mal zu ihm gesagt. Irgendwie stimmte das wohl auch. Egal wo sie hinkamen, die Scharen an Fans verebbten nie. Trotzdem spürte er in den letzten Monaten, dass ihm das nicht reichte. Nun war die Tournee so gut wie beendet, übermorgen würden sie nach Japan zurückfliegen. Dort würden sie ein paar Wochen ausruhen, einen Gang zurückschalten und nicht mehr von einem Termin zum nächsten hetzen. Hoffte er jedenfalls.
 

So glücklich sie alle auch über die internationale Karriere waren, die sie innerhalb der letzten sieben Jahre gemacht hatten – so überfordert waren sie auch manches Mal damit. Die Band im Allgemeinen und er im Besonderen hatten ihr Leben und ihre Gewohnheiten teilweise drastisch umstellen müssen. Und damit meinte er nicht nur den Schlafrythmus.
 

Er konnte inzwischen kaum noch unerkannt durch die Straßen gehen. Brent hatte ihm einen Personenschützer engagiert, der ihn wie ein Schatten verfolgte. Einige Male hatte Matt ihn ausgetrickst und war alleine losgezogen... Jedes Mal war dann ein Gewittersturm von Vorwürfen auf ihn eingeprasselt. Was hätte nicht alles passieren können? Yamato rollte mit den Augen als er daran dachte. Er war kein Kleinkind, er konnte auf sich aufpassen und verdammt: er war ein Rockstar!– Sollte das nicht Wildheit, Spaß und Freiheit bedeuten? Je erfolgreicher sie wurden umso eingesperrter fühlte er sich. Und er kam sich eher gezähmt als wild vor, denn wenn er Begleitung mit in sein Appartment brachte, wusste er genau, dass der Bodyguard vor der Tür stand und auf die Uhr sah... Ja sicher, mit der Zeit hatte er sich ein bisschen daran gewöhnt... aber richtig fallen lassen konnte er sich trotzdem nicht. Wenn er nicht ab und zu ausgebrochen wäre, wäre er schon durchgedreht.
 

Als er sich gerade zugedeckt hatte, leuchtete sein Handy auf. Grummelnd griff er danach, um die SMS zu lesen. Es war nur mal wieder eine shizophrene Attacke seiner Ex-Verlobten Samantha... momentan war sie wieder auf dem Liebestrip... was bedeutete, dass sie nächste Woche auf dem Hasstrip sein würde. Sie konnte sich einfach nicht entscheiden, ob sie ihn zurückwollte oder ob er zur Hölle fahren sollte. Am besten ignorieren. Er legte das Telefon auf den Nachtschrank, drehte sich um und schloss die Augen.

*
 

"Das ist also deine Wohnung. Komisch, ich habe sie mir irgendwie.... unordentlicher vorgestellt." Taichi schloss die Tür hinter sich und schob Masao sanft vorwärts. "Das liegt an der Dunkelheit." Er hatte seine Hände sanft auf Masaos Hüfte gelegt und dirigierte ihn so durch die schummrige Wohnung bis ins Wohnzimmer, wo die riesigen Fenster das Mondlicht einließen. "Dann schalt doch das Licht ein Tai, sonst stolpern wir noch und dann kannst du die Auswahl vergessen." "Shhht.", machte Tai nur und drückte Masao sanft auf die Liegefläche.
 

Der andere schien verstanden zu haben, denn er grinste verschmitzt zu Tai herauf, der nun zwischen seinen Beinen auf dem Sofa kniete und sich über ihn beugte. Der Mond fiel auf Masaos Gesicht und ließ seine Augen silbern leuchten. Tai beugte sich weiter hinab und drückte seine Lippen begierig auf Masaos. Ein leichtes Prickeln kroch über seinen Rücken als sein Kuss zuerst sanft, dann aber immer forscher erwidert wurde. Masao vergrub seine Hände in Tais wilder Mähne und drängte ihm seinen Körper entgegen. Tai unterbrach den Kuss und näherte sich Masaos Hals, knabberte sich seinen Weg bis zum Ohrläppchen. Der junge Mann unter ihm zuckte bei dieser Berührung leicht zusammen und wollte sich ihm entziehen.

"Nicht da, das ist unfair.", keuchte er und wand sich. Aber Tai grinste nur. Plötzlich gab es ein leises Poltern, aber die beiden ließen sich nicht ablenken. Das Radio war angesprungen, wahrscheinlich hatte er die Fernbedienung auf dem Sofa liegen gelassen und nun war sie runterfallen. Die leisen Gitarrenklänge störten nicht, also gab es keinen Grund, aufzustehen um das Ding wieder auszuschalten. Masao schaffte er irgendwie, Tai aus seiner Halsbeuge herauszudrängen und verführte ihn zu einem weiteren Kuss. Hungrig spielten ihre Lippen miteinander.
 

I see the sun go down on the river

I feel the wind blow out, would've stayed to gray

I feel the air around you, it's kinda closing in

Do you feel it fall, or do you feel at all, I can!
 

Langsam drang der Gesang in sein Bewusstsein und Tai spürte, wie er von den Worten fortgetragen wurde. Die Stimme... Sie kam ihm bekannt vor. Eine Gänsehaut huschte über seine Arme und die kam nicht durch Masao... Er runzelte die Stirn aber sein Freund ließ ihm keine Zeit zum Nachdenken; seine Finger hatten den Weg unter sein Shirt gefunden und streichelten die erhitzten Bauchmuskeln des Sportlers.
 

I see the world keep moving as I stumble

They seem to move much faster than me

And while I sit in my four cornered room dividing hearts for a little girl

Well I can't be anything but who I am
 

Tai wollte sich auf seinen Freund konzentrieren. Masao war ein Traum, sportlich, gutaussehend und humorvoll.... und sexy.... er hatte seine ungeteilte Aufmerksamkeit verdient. Tais Körper wollte sie ihm auch geben, aber seine Gedanken drifteten immer wieder zu der Musik. Und zu der Stimme. Sie berührte etwas in ihm.

Masao bekam davon nichts mit, seine Hände machten sich gerade am Verschluss von Tais Jeans zu schaffen. Der Sportler versuchte, das seltsame Gefühl abzuschütteln, das die Stimme aus dem Radio ihm eingeflößt hatte und schob Masaos T-Shirt nach oben um dessen Oberkörper zu liebkosen.
 

And I wish you'd stay

That was the beginning of the two of us, the start of our show

Stay, stay, stay...

Now I would never have let go
 

Masao hatte es endlich geschafft und zog ihm umständlich die Hose von den Hüften. Tai blinzelte als in seinem Kopf Bilder auftauchten, Erinnerungen die er augenblicklich zu verdrängen versuchte. Plötzlich wusste er, wer da sang und es machte die Sache nicht besser. Nein er wollte nicht mehr daran denken! Nie mehr. Aber er war machtlos. Diese Stimme kroch unter seine Haut, die Worte bohrten sich in sein Bewusstsein wie kleine Nadeln. Sie schmerzten.
 

And I see the sun go up as your image

And I feel the weight of your eyes as you stare

I feel it all when you, when you first, when you kissed my lips

You used to make me feel at home, you made me feel at home, you made me

Feel again
 

Aus, vorbei. Das hatte so keinen Zweck.

Tai entzog sich Masaos, der gerade im Begriff gewesen war, ihn seiner Shorts zu entledigen. "Was ist?", hörte er den anderen fragen. Ja, eine berechtigte Frage. Tai atmete angestrengt. Der Puls klopfte in seinen Ohren und seine Hände zitterten leicht. "Ich.. ich kann nicht." Masao richtete sich auf und musterte ihn zweifelnd. "Versteh ich nicht. Es fühlte sich an, als könntest du sehr wohl." Tai stand nun vollends vom Sofa auf. Er wusste, dass sein Verhalten vollkommen bescheuert wirkte, und es versetzte ihm einen Stich, Masaos Blick zu sehen. "Es liegt nicht an dir. Tut mir leid. Besser zu gehst jetzt."
 

Oh and that's when you use to say, "Will you stay, and not let go?"

That was just the two of us to think about, the stars of our show

And you would say, "I wish you'd stay" and I'd never go

Oh I would never have let go!
 

Masao schüttelte unwirsch den Kopf. "Was spielst du für ein Spiel mit mir, Taichi?" Übelkeit stieg in seinem Bauch auf. Er wollte Masao nicht enttäuschen. Was konnte er denn schließlich dafür, dass Tai nach so vielen Jahren noch immer nicht reinen Tisch mit den Geistern seiner Vergangenheit gemacht hatte? Aber er wollte einfach nicht mit ihm zusammen sein, solange jemand anders in seinem Kopf herumspukte. Das fühlte sich.. falsch an.

"Entschuldige... ich fühl mich nur auf einmal nicht mehr so gut. Es hat wirklich nichts mit dir zu tun, okay?" Ja klar, Tai hätte sich für diese blöden Floskeln ohrfeigen können. Er ließ den Kopf hängen. Ob Masao ihm das nochmal verzeihen würde?

Sein Besucher nahm grummelnd das T-Shirt wieder an sich. "Du kannst dich ja melden, wenn's dir besser geht." Eine gewisse Kälte lag in seiner Stimme. Dann drückte Masao auf den Lichtschalter. "Hast Recht... es ist doch ziemlich unordentlich." Tai verharrte an Ort und Stelle bis die Tür klappte und Masao verschwunden war. Ein tiefes Seufzen entglitt seiner Kehle.
 

So take this heart of mine

You've taken it a hundred thousand times

But this time, this time, I'm gonna take it with me
 

Tai hob die Fernbedienung auf und schaltete das Radio ab. Die Stimme war fort... aber die Bilder und das Gefühl blieben.
 

*
 

Yamato flog nicht gerne. Da konnte man ihm noch so oft sagen, dass Flugzeuge die sichersten Verkehrsmittel seien. Seine Bandkollegen zogen ihn zu gerne mit seiner Flugangst auf, aber inzwischen hatte er gelernt, sie zu ignorieren. Wenigstens mussten sie sich den Flieger nicht mit den Heerscharen an Menschen teilen, die den Flughafen verstopften. Von der Rolletreppe aus überblicke der Sänger die riesige Eingangshalle. In diesem Gewimmel glichen die Leute einer Ameisenschar. Er rückte seine Sonnenbrille zurecht. Immerin hatten sie gutes Wetter. Schlimmer als das Fliegen an sich war nur, bei Gewittern, Stürmen oder sonstigen Naturlaunen zu fliegen...
 

Sie durchquerten die Pforte zum VIP Bereich des Flughafens und ließen die Waffenkontrolle über sich ergehen. Selbstverständlich piepste der blöde Detektor bei ihm. Eine Kontrolleurin kam näher und fuchtelte mit diesem Hand-Metalldetektor vor und um ihn herum. Als das Ding immer wieder wie wild piepte und seine Kollegen schon alle breit grinsten, hielt sie Inne.
 

"Entschuldigung Sir, aber ich muss Sie bitten-" Bevor sie zu Ende sprechen konnte, hatte Yamato sein Shirt schon mit der linken Hand hochgezogen. Der winzige Metallstab in seiner Brustwarze blitzte in der Sonne. "Wollen Sie sonst noch was sehen?", fragte er und ließ auf das Kopfschütteln der Dame hin sein Oberteil wieder los. Der etwas beschämte Ausdruck auf dem Gesicht der Frau verriert, dass sie noch neu war.

"Was hättest du gemacht, wenn sie deine Hose noch hätte kontrollieren wollen?", fragte Koji ihn grinsend während sie weitergingen. Yamato lachte, verkniff sich aber jegliche Witze, die den Inhalt seiner Hose in Relation zu einer "Waffe" gesetzt hätten.
 

Kurze Zeit später saßen sie auch schon im Flieger und vertrieben sich die Stunden mit schlafen, rumalbern und fernsehen. Hayato verfolgte einen Nachrichtensender auf dem gerade irgendwelche Interviews geführt wurden. Matt hatte die Augen geschlossen und versuchte die ganze Zeit angestrengt, sich einzureden, dass er sich NICHT tausende Kilometer über dem Erboden befand. Manchmal schaffte er es sogar, für eine Weile einzudösen, schreckte aber bei jedem leichten Ruckeln der Maschine wieder auf.
 

Plötzlich fiel ein Name, den er lange nicht mehr gehört hatte. "Taichi Yagami" - hatte er das gerade richtig verstanden? Naja, den Namen dürfte es öfter geben. Trotzdem öffnete er die Augen und glotzte auf den Fernsehbildschirm vor Hayato. Dort wurden gerade Szenen eines Fußballspiels eingeblendet. Die Bewegungen waren ziemlich hektisch, aber dann zoomte die Kamera näher an eine Szene heran. Das war tatsächlich sein Tai... naja sein Kumpel Tai eben.

Den Ball, der ihm zugepasst worden war, versenkte er zielsicher ins Tor. Der Reporter pries anschließend die fußballerischen Qualitäten des brünetten jungen Mannes. Yamato hörte Worte wie "Ausdauer", "Ehrgeiz", "ausgefeilte Balltechnik" und "Schusskraft" aber er war viel zu sehr in seine Gedanken vertieft, um den Kommantaren zu folgen.
 

Er hatte die ganzen Jahre nichts von Tai gesehen oder gehört und nun sah er ihn wieder und alles war... fast als sei es erst gestern gewesen. Sein Herzschlag ging schneller und etwas in ihm zog sich bitter zusammen. Das erste Gefühl, dass er beim Anblick seines Freundes auf dem kleinen Fernsehbildschirm empfunden hatte, war Freude gewesen. Das warme Gefühl einer engen Freundschaft, die sie beide früher einmal verbunden hatte glimmte auf. Dann aber schossen ihm die Bilder der letzten Tage vor ihrem Abschied durch den Kopf. Kalt und grau, aber so lebendig, dass es schmerzte.
 

"Matt? Hörst du, wir landen gleich, willst du keine Vorkehrungen treffen?" Kojis Stimme holte ihn aus seine Gedankenwelt ins Hier und Jetzt zurück. Er seufzte theatralisch und zog den Sicherheitsgurt enger um seinen Körper. Wie er die Landungen hasste... fast noch mehr als die Starts.
 

Am Tokyoer Flughafen warteten natürlich schon wieder einige Reporter und wollten ihn unbedingt interviewen aber er hatte keine Lust, Fragen zu beantworten. Vorerst verabschiedete sich Matt von seinen Bandkollegen und wünschte ihnen angenehme Urlaubstage. Sein Chauffeur brachte ihn wohlbehalten zu seinem Appartment. Alles war, wie er es verlassen hatte. Als wäre er nie weg gewesen. Ein seltsames Gefühl.
 

Das Gepäck stand schon im Wohnzimmer. Yamato seufzte und beschloss, dass Auspacken eine gute Ablenkung von den seltsam melancholischen Gedanken war, die um ihn herum schlichen. Aber als er sich zu seinem ersten Koffer hinabbeugte, musste er feststellen, dass dieser schon offen war. "Was zum..?" Matt runzelte die Stirn. Nein, der Riemen war eindeutig geöffnet worden, nicht beschädigt oder so, sondern aufgezogen. Na super, hoffentlich war nichts herausgefallen. Und hoffentlich hatte niemand etwas geklaut. Nicht auszudenken, wenn jetzt irgendwer eine Jacke oder Hose von ihm fand oder noch schlimmer: seine Sammlung gelber Schnürsenkel...

Scheinbar war gutes Personal doch schwerer zu finden, als er gedacht hatte. Er würde gleich morgen Brent benachrichtigen und ihn bitten, das überprüfen zu lassen. Heute war er irgendwie schon zu geschafft für sowas.
 

Halbherzig packte er seine Sachen aus. Hauptsächlich Klamotten, aber auch Bücher, Notizen, Fotos und einige Andenken von den verschiedenen Konzertstädten. Als er fertig war, dämmerte es draußen schon. Yamato beschloss, dass er das Haus heute nicht mehr verlassen würde. Die anfängliche Freude über die Rückkehr nach Hause war verschwunden. Schon seit dem Flug.

Worauf hatte er sich nochmal gefreut? Familie, nein. Freunde? Freizeit? Ach nein, es war die Ruhe gewesen. Aber die war keine gute Gesellschaft. Seine Wohnung war groß, grau und leer. Lag wahrscheinlich nur an den Strapzen des Fluges. Morgen würde alles besser werden. Bestimmt. Er ließ sich auf die Couch fallen.
 

Über den Fernsehbildschirm flimmerten Bilder seines letzten Konzertes, gerade mal einen Tag alt. War das wirklich gestern gewesen? Es fühlte sich so weit weg an. Die Augen fielen ihm zu und seine eigene Musik geleitete ihn in einen unruhigen Schlaf.
 

And I see the sun go up as your image

And I feel the weight of your eyes as you stare

I feel it all when you, when you first, when you kissed my lips

You used to make me feel at home, you made me feel at home, you made me

Feel again
 

Oh and that's when you use to say, "Will you stay, and not let go?"

That was just the two of us to think about, the stars of our show

And you would say, "I wish you'd stay" and I'd never go

Oh I would never have let go!

Burn-Out & Alzheimer

Kapitel 2
 

Als er am Mittag des nächsten Tages aufstand, war sein Appartment noch immer leer. Er richtete sich auf dem Sofa auf. Das Leder gab ein knirschendes Geräusch von sich. Sein Nacken schmerzte von der unbequemen Position, in der er eingeschlafen war. Irgendwelche Nachrichten flimmerten über den Fernsehbildschirm. Gähnend rieb Yamato sich den Kopf, seine Haare fühlten sich feucht und wirr an. Er schlurfte ins Badezimmer, schälte sich die Klamotten vom Leib und nahm eine Dusche. Das kalte Wasser versuchte, seine Lebensgeister zu wecken. Die fielen zwar aus dem Bett, aber wollten scheinbar auf dem Boden weiterschlafen. Er säuberte sich von oben bis unten, ließ sich vom Schaum seines Duschgels umarmen, wusch die Haare. Sein Kopf war seltsam leer. Klopfte das allseits gefürchtete Burn-Out-Syndrom an seine Tür? Mit vierundzwanzig? Blödsinn.
 

Er schob die Tür der Duschkabine auf und angelte nach dem Handtuch. Zumindest fühlte er sich jetzt etwas frischer. Wahrscheinlich war die Umstellung einfach zu groß. Ein leerer Terminkalender, Freizeit, Einsamkeit.... das war er gar nicht mehr gewöhnt. Seltsam, hatte er sich nicht genau diese Sachen noch vor wenigen Tagen sehnlich gewünscht?

Ja verdammt!

Komm schon, Matt, fang' an, es zu genießen! Er blickte in den großen Spiegel. Du bist jung, sexy und erfolgreich, jawohl. Es wäre eine immense Verschwendung von Ressourcen, wenn du nur in der Bude rumliegst und in die Glotze schaust. Er nickte als Reaktion auf seine eigenen Gedanken.
 

Nachdem er die Haare halbwegs abgetrocknet und in Form gebracht hatte, putzte er seine Zähne und schlüpfte in ein frisches Outfit. Gut, aber was anfangen? Vielleicht ein paar Besuche bei Freunden und Familie machen? Ja, das war wohl angemessen. Er seufzte und griff nach seinem Mobiltelefon. Ins Leere. Hatte er es nicht gestern auf den Tisch gelegt? Offenbar nicht. Suchend schaute er sich im Wohnzimmer um. Kein Handy zu sehen. Er wühlte in den Kissen auf der Couch, ergebnislos. Er sah im Badezimmer nach, vielleicht hatte er es gedankenlos mitgeschleppt und dort liegen lassen? Fehlanzeige. Er kratzte sich am Hinterkopf. Bekam er jetzt Alzheimer? Ob sich das gut mit seinem beginnenden Burn-Out vertragen würde? Er konnte sich beim besten Willen nicht erinnern, das Telefon irgendwo anders hingelegt zu haben. Nach einigen Minuten des angestrengten Grübelns entschloss er sich, dass es sinnlos war und er damit nur noch mehr Zeit verplempern würde. Die meisten Sachen fanden sich schnell wieder an.
 

Wen hatte er schon anrufen wollen? Seine Bandkollegen waren sicherlich eh beschäftigt. Mit ihren Freundinnen ... oder mit ihren Eltern ... oder mit dem Aufreißen von "potentiellen" Freundinnen ... oder mit Protzen ... egal, sie hatten sicherlich gerade bessere Dinge zu tun, als ihn aus seinem Motivations-Tief herauszuzerren. Sie waren Arbeitskollegen, nicht seine besten Freunde. Klar waren sie irgendwie sowas wie Freunde ... aber es kam halt immer darauf an, wie man den Begriff definierte, und Yamato definierte ihn etwas individueller. Vor den Kollegen wollte er nicht jammern. Er war der Bandleader, der Anführer, das Aushängeschild, der Frontmann. Er war stark, entschlossen und unterhaltsam – nicht müde, demotiviert und melancholisch. Nein. Er würde alleine klarkommen.
 

Unzufrieden warf er sich seine Lederjacke über, setzte seine Sonnenbrille auf und verließ die Wohnung. Eigentlich hätte er laut Brent jetzt seinen Bodyguard informieren müssen ... aber er hatte ja kein Handy – super Ausrede! - und auch keine Lust dazu. Er hatte ja nicht vor, sich großartig unters Volk zu mischen, er wollte nur ein bisschen an die frische Luft, nachdenken, wach werden.
 

Es war ein schöner, sonniger Tag. Auf den Straßen herrschte wie immer ein geschäftiges Treiben. Überall Menschen und alle schienen es eilig zu haben. Umso besser. Matt hatte gerade keine Lust darauf, Autogramme zu geben. Manche drehten sich zwar nach ihm um, vielleicht kam er ihnen bekannt vor, aber niemand sprach ihn an. Eigentlich hatte er nur ziellos ein bisschen durch die Stadt laufen wollen, hierhin und dorthin und dann wieder nach Hause. Aber nach einer halben Stunde realisierte er, dass er unbewusst einen bestimmten Weg genommen hatte. Er kannte diese Straße. Früher war er häufig hier gewesen. Sein bester Freund Tai hatte hier gewohnt. Nach der Schule waren sie oft zusammen hierher gegangen. Er erinnerte sich an gemeinsame Pizza-Nachmittage, DVD-Nächte und Last-Minute-Referate. Ein dünnes Lächeln huschte über sein Gesicht. Er blieb vor dem Eingang stehen. Alles sah aus wie damals, nichts hatte sich verändert. Die Zeit war wohl stehen geblieben, die sieben Jahre waren nur ein Wimpernschlag. Ohne nachzudenken stieg Yamato die kleine Treppe zur Eingangstür hinauf und klingelte.
 

Er hörte ein Rumpeln, kurz darauf wurde die Tür geöffnet und eine junge Frau mit braunem Haar blickte ihm etwas genervt entgegen. "Hallo", sagte Matt, ein wenig irritiert von seiner spontanen Handlung. Das Mädchen sah ihn aus großen, verwunderten Augen an. Sie schien ihn nicht sofort zu erkennen. "Matt?! Hallo! Äh – das ist ja eine Überraschung!"

Ja, er war selber überrascht über das, was er hier gerade tat. Warum hatte er überhaupt geklingelt? Hatte er gehofft, Tai hier zu treffen? Erstens war das schwachsinnig, weil Tai mit vierundzwanzig sicher nicht mehr bei seinen Eltern wohnte – er hatte damals vor sieben jahren schon fest geplant auszuziehen – und zweitens war ernsthaft zu bezweifeln, dass Tai ihn überhaupt sehen wollte.

"Du bist groß geworden Hikari. Und hübsch." Ah da war sie wieder, seine Öffentlichkeits-Persönlichkeit. Antrainiert, perfektioniert, charmant, selbstsicher. Immer zur Stelle, wenn man sie brauchte...

Kari blickte ihn verdutzt an, errötete leicht und öffnete die Tür ein Stückchen mehr.

"Willst du vielleicht reinkommen? Aber mein Bruder ist nicht hier, falls du den suchst."

"Nein, tut mir leid ich habe keine Zeit, ich wollte nur mal "Hallo" sagen. Es war schön, dich mal wiederzusehen... Richte deiner Familie schöne Grüße aus, ja?" Damit drehte er sich auf dem Absatz um und ging davon.

Was war bloß in ihn gefahren? Er musste einen ziemlich seltsamen Eindruck hinterlassen haben. Weshalb war er hierher gekommen? Weshalb hatte er geklingelt? Einfach nur aus Gewohnheit? Aus Einsamkeit? Ja, das musste es sein. Wenn er früher hatte reden wollen, dann war er immer zu Tai gegangen. Der war zwar ein Plappermaul aber überraschenderweise auch ein guter Zuhörer gewesen. Schade, dass er so einen Menschen nicht mehr in seinem Leben hatte. Er seufzte und zog die Jacke enger als ein kalter Wind aufkam.
 

Er war ja selber schuld daran, dass die Freundschaft zu Tai nicht mehr bestand. Sie hatten damals vieles falsch gemacht, besonders er. Er hätte nicht gehen dürfen, ohne die Verhältnisse zwischen ihnen zu klären. Es waren so viele Worte ungesagt, so viele Fragen unbeantwortet, so viele Gefühle unentwirrt geblieben. Tai hatte allen Grund gehabt, den Kontakt abzubrechen. Wahrscheinlich wäre ihre Freundschaft durch seine Herumreiserei ohnehin irgendwann eingeschlafen. Die Entfernung und sein Zeitmangel hätten sehr daran genagt. Ja, es war besser so.
 

Yamato beschloss, nun der Familie den Vorzug zu geben und rief sich ein Taxi. Eigentlich hatte er mit TK abgemacht, dass er anrief, bevor er vorbeikam aber vielleicht würde er ja Glück haben.
 

*
 

Tai warf sich seine Sporttasche über die Schulter und rief den Teamkameraden ein "Bis nächste Woche dann!" zu. Ein anstrengendes aber ergiebiges Training lag hinter ihm. Sein Körper war ausgepowert – ein Gefühl, das Tai mochte, denn es bedeutete, dass er alles gegeben hatte. Seine Beine waren schwer und leicht zugleich, aber der Rest seiner Muskeln fühlte sich aufgelockert und entspannt an ... es war schwer zu beschreiben. Er atmete die Frühlingsluft und überlegte, wie er den Rest seines Tages verplanen sollte. Plötzlich klingelte sein Handy. Es dauerte ewig, bis er das kleine Ding endlich aus seiner Jacke gefummelt hatte – das konnte nur seine Schwester sein, kein anderer Mensch besaß eine solche Engelsgeduld.

"Bruderherz, du glaubst nicht, wer gerade hier vor der Tür stand!"

"Hm.. vielleicht dieser Filmstar, auf den du so abfährst ... wie hieß er nochmal?"

"Was? Nein! Rate nochmal!"

"Kari ich bin schlecht in sowas, jetzt sag's mir doch einfach!"

"Matt! Dein Freund Matt! Ich hab ihn kaum wiedererkannt! Ihr müsst euch doch ewig nicht gesehen haben!"

Tai stockte in seinem Lauf und starrte mit geweiteten Augen auf sein Handy.

"Tai? Tai! Bist du noch dran? Hallo?"

Er schüttelte den Kopf als er realisierte, wie sinnfrei es war, das Handy anzuglotzen, wenn er eigentlich gerade mit jemandem telefonierte. "Ja, ich bin noch da, Kari. Entschuldige, ich war nur etwas.. überrascht."

"Ja, war ich auch! Ich glaube, er wollte dich besuchen. Hat er sich bei dir gemeldet?"

Tai unterdrückte jeden bitteren Kommentar, der ihm in den Sinn kam. "Nein."

Warum hätte er sich denn melden sollen? Die Zeiten waren vorbei. Er war jetzt der Rockstar, der er immer hatte sein wollen. Den Kontakt hatte er vor Jahren eingestellt.

"Na, vielleicht kommt das noch! Ich finde das total spannend! Wir kennen einen Promi Tai!"

Tai schüttelte den Kopf über die Fangirl-Reaktion seiner Schwester. Sie war eben ein Teenager.

"Ja vielleicht. Also bis später dann!", verabschiedete er sich und legte auf.
 

Kari konnte ja nichts dafür aber irgendwie löste Matts Auftauchen nicht die Reaktion bei ihm aus, die sie wohl erwartet hatte. Damals vor sieben Jahren ... ihre Freundschaft war etwas Besonderes gewesen aber dann hatte sie sich irgendwie verändert. Und damit waren sie nicht klar gekommen. Der Kuss und alles, wohin er geführt hatte ... diese seltsamen Gefühle, die alles durcheinander gebracht hatten. Sie waren wahrscheinlich zu jung gewesen um damit umzugehen. Aber es war auch nicht einfach gewesen, keiner von ihnen hatte sich getraut, die Dinge anzusprechen und die Karten auf den Tisch zu legen. Und dann war Matts Traum von der Musik dazwischengeraten. Eine Chance, die sich nicht zweimal im Leben ergibt, soviel war klar gewesen. Das hatte die Stimme in Tai damals zum verstummen gebracht, er hätte seinen besten Freund nie im Leben davon abhalten können, diese Gelegenheit wahrzunehmen. Er hatte den Anfang machen wollen, es ansprechen wollen, aber sein Hals war wie zugeschnürt gewesen.

"Bitte bleib bei mir." - Hätte das etwas geändert? Vielleicht war es naiv, sich einzubilden, dass es Matts Entscheidung beeinflusst hätte. Wer war er schon, dass er glaubte, mit einem Lebenstraum konkurrieren zu können? Aber er hatte es trotzdem gehofft. Und genau deswegen hatte er es nicht sagen können. Etwas in ihm hatte nicht gewollt, dass Matt seinen Traum möglicherweise aufgab. Er hätte es sich nicht verziehen. Ja, eigentlich war es gut, so wie es gelaufen war.
 

Tai stieg die Treppen zu seiner Wohnung hinauf. Er wohnte im zehnten Stock und liebte das zusätzliche Training... aber irgendwie war er nun ziemlich verspannt. Er atmete tief ein und aus, damit die Anspannung, die diese Erinnerungen in ihm hervorgerufen hatten, von ihm abfiel. Sein Kopf weigerte sich, Platz für andere Gedanken zu machen.
 

Wenn er mit der Sache abgeschlossen hatte – wieso bewegte ihn das alles so sehr in seinem Innern? Wieso konnte er dann nicht mit Masao zusammen sein, obwohl er es wollte? Sollte er nicht inzwischen genug Abstand zu Matt gewonnen haben? Er schüttelte den Kopf. Es nützte nichts, sich etwas vorzumachen. Er würde nicht aufhören können, darüber nachzudenken, wenn sie nicht darüber sprachen. Also musste er Yamato irgendwie wiedersehen. Aber wie sollte er das anstellen? Natürlich hatte er mitbekommen, dass sein ehemals bester Freund zu einem gefragten Musiker geworden war – man würde nicht mehr so leicht an ihn herankommen. Seine Handynummer hatte Tai damals gelöscht ... und sicher wäre sie inzwischen sowieso nicht mehr gültig gewesen.
 

Grübelnd schloss Tai die Wohnungstür auf.
 

*
 

Nachdem auch der Besuch bei Takeru aufgrund von dessen Abwesenheit gescheitert war, kehrte Yamato ein wenig geknickt wieder in seine Wohnung zurück. Was war das nur für ein seltsamer Tag?
 

Gerade als er sich wieder auf sein Sofa hatte fallen lassen, erklang eine Melodie. Matt sprang auf und folgte dem Klingelton seines Handys ins Schlafzimmer. Da lag es, auf dem Tisch und verkündete freudestrotzend den eingehenden Anruf als könne es kein Wässerchen trüben. Heute Morgen hatte es nicht da gelegen. Eindeutig. Oder stand er so neben sich? Nein, das konnte er nicht übersehen haben. Bevor er sich weiter den Kopf darüber zermarterte griff er nach dem Ausreißer und nahm den Anruf entgegen.
 

"Ishida."

"Matt! Wie schön, deine Stimme zu hören!"

Er seufzte innerlich. Wann merkte er sich endlich, dass es besser war, VORHER aufs Display zu schauen. Er hatte doch beschlossen, nicht mehr mit ihr zu reden.

"Was willst du?"

Sie hatte keine Freundlichkeit verdient. Nein, sie nervte ihn in letzter Zeit einfach nur. Und in seinem momentanen emotionalen Zustand konnte er wirklich kein Ex-Freundinnen-Generve gebrauchen. Es war vorbei und das war gut so.

"Du ... es tut mir wirklich leid."

"Gib dir keine Mühe, Sam."

"Ich versteh' dich ja. Ich will nur, dass wir wieder Freunde sein können."

Er verkniff sich ein verächtliches Zischen. Ein Eifersuchtsbündel wie sie und "Freunde sein"? Konnte sich ein Mensch so sehr verändern? Matt bezweifelte das.

"Ich glaube, dafür ist es noch zu früh." Viel zu früh. Frag mich in fünf Jahren nochmal.

"Ich.. verstehe." Ihre Stimme klang bedrückt, als würde sie gegen Tränen kämpfen. Eine Weile sagte sie nichts mehr und er hörte nur ihr unruhiges Atmen. Er fragte sich, ob das mal wieder eins ihrer Schauspiele war, oder tatsächlich echt.

"Weißt du, du fehlst mir einfach, als Mensch. In meinem Leben."

Du redest wirr.

"Eines Tages sind wir vielleicht wieder sowas wie Freunde, Sam. Man muss manchmal den Abstand zueinander vergrößern, damit man irgendann wieder aufeinander zugehen kann, verstehst du?"

Ein unterdrücktes Schluchzen war zu hören. Aber ihre Stimme lächelte als sie antwortete.

"Das mag ich an dir ... du kannst dich so schön ausdrücken. Ja ich ... verstehe das. Dann ... bis bald, Matt."

"Bye."

Er atmete erleichtert aus und drückte den roten Knopf um das Gespräch zu beenden. Ja, seine charmante Persönlichkeit konnte schön klingende Dinge sagen. Er rieb sich die Stirn. Ihr Anruf hatte mehr in ihm bewegt, als er gedacht hatte. Mist! Das lag nur daran, dass er sich heute so einsam fühlte. Es war einfach blöd gelaufen. Erst die Sache mit dem Yagami-Haus, dann Takerus Abwesenheit und ...

An allem war nur dieses blöde Telefon schuld! Ein wenig zornig sah er sein Handy an. Es war ihm noch immer schleierhaft, was los gewesen war. Heute Mittag hatte er doch als erstes an dieser Stelle nachgesehen und es war definitiv nicht dort gewesen. Er musste sich verschaut haben ... irgendwie abgelenkt gewesen sein. Wie auch immer. Jetzt hatte er es zumindest wieder. Er klickte sich durch die Kontakte und startete einen Anruf bei Koji.
 

Wenige Stunden später saßen Matt und Koji im VIP Bereich des "XX" – wieder einer dieser Clubs, die zwei Wochen lang von den Medien totgehypt wurden und der dann wieder von der Bildfläche verschwand ... aber so schnelllebig war das Business nunmal - und amüsierten sich besser als gedacht. Die Musik umwogte sie und sie konnten die tanzende Masse aus Körpern in der unteren Etage beobachten während sie einen Drink nach dem anderen schlürften. So ließ es sich aushalten.
 

Matt tanzte gern. Aber das da unten war eher ein kollektives, rythmisches Körperaneinanderpressen ... hatte mit Tanzen nicht viel zu tun und zerknitterte höchstens seine Klamotten. Nunja, Zusehen war unterhaltsam genug. Außerdem trank es sich im Sitzen nunmal besser. Zumindest strahlte dieser Ort Leben und gute Laune aus, genau das, was Yamato gebraucht hatte. Er und Koji quatschten, lachten und scherzten über die Leute, die Musik, die Karriere und alles was ihnen einfiel. Es war einfach ein toller Abend, der das Grinsen auf seinem Gesicht immer wieder auffrischte.
 

Als dann auch noch zwei gutaussehende Damen ihren Tisch ansteuerten, war die Nacht perfekt. Natsumi und May waren aufgehende Sterne am Modelhimmel wie sich nach wenigen Minuten herausstellte.
 

"Du solltest auch mal übers Modeln nachdenken", flirtete Natsumi, strich sich die langen schwarzen Haare über die Schulter und konnte ihren Blick kaum noch von dem blonden Sänger nehmen.

"Das überlasse ich lieber euch."

"Matt ist doch viel zu schmal für ein Männermodel!", feixte Koji herüber.

"Ich habe ... andere Qualitäten", gab Yamato mit einem vielsagenden Blick zurück.

Natsumi lächelte. "Zeigst du sie mir?"
 

Er leerte seinen Drink. Der wievielte war es eigentlich? Er hatte nicht gezählt, aber langsam wurde ihm heiß. Ein sicheres Zeichen dafür, dass es "recht viele" gewesen waren.
 

Natsumi blinzelte ihm verführerisch zu. Warum sich zurückhalten? Er war frei, er hatte morgen keine wichtigen Termine, Natsumi war genau sein Typ, offensichtlich angetan von ihm und schien ihn dennoch nicht heiraten zu wollen – perfekt!
 

*
 

Als er am nächsten Morgen erwachte, war Natsumi fort. Gut so. Eine weitere Klette álá Samantha konnte er nicht gebrauchen. Er hatte Kopfschmerzen ... und eine Menge Knitterabdrücke auf seinem Körper. Sein Bett war völlig zerwühlt. Momentaufnahmen der letzten Nacht drängten in seine Gedanken. Natsumis ebenmäßiges Gesicht, mit genießerisch geschlossenen Augen, ihr schlanker Körper auf seinem, das Gefühl ihrer weichen Haut ... Er grinste und taumelte ins Bad. Sein Körper protestierte gegen seinen plötzlichen Elan. Matt warf einen Blick in den Spiegel. Seine Haare standen in alle möglichen Richtungen ab. Wenn er jemals aus Versehen eine Reporterin abeschleppte, würde sie Millionen mit einem Foto dieses Anblicks abgreifen, soviel war sicher.
 

Kurz nach dem Frühstück klingelte sein Handy.

"Morgen Brent, was gibt's?"

"Du hörst dich ja gut gelaunt an! Business, always business, Matt. Ich habe einen Werbespot für dich, für eine große Jeanskampagne!"

Diese Aussage schmälerte seine Laune nun doch etwas. Er konnte Werbedrehs nicht leiden. Er war Künstler und kein Teleprompter-ablesender Kleiderständer! Er seufzte. Was Brent beschlossen hatte, war beschlossen. Matt kannte seine Arbeitsweise und eigentlich waren die Termine, die Brent für ihn machte immer gut und wichtig. Sonst hätten sie es wohl kaum so weit gebracht.

"Schön. Wann geht's los?"

"Am Montag! Aber ich möchte dir die Location für den Dreh heute Nachmittag noch zeigen!"

"Wenn's sein muss..."

"Great! Ich lasse dich um zwei abholen! Bye!"
 

Matt rollte mit den Augen und legte das Handy beiseite. Jeans also. Naja das war immerhin besser als Parfüm. Hoffentlich musste er nicht so viel Text nachplappern. Schauspielern lag ihm einfach nicht, auch wenn die anderen beharrlich das Gegenteil behaupteten.
 

*
 

"Ich habe Sie noch nicht gefeuert, weil Sie ein verdammt guter Verkäufer sind, Yagami! Aber wenn Sie weiterhin so unzuverlässig sind, dann muss ich leider die Konsequenzen ziehen!"

Tai setzte ein schiefes Grinsen auf. "Es tut mir leid! Kommt nicht mehr vor!"

"Ach versprechen Sie doch nichts, was Sie nicht halten können..."

Zum Glück schien sein Fillialleiter in Eile zu sein, denn statt die Belehrung fortzusetzen, huschte er durch die Verkaufsräume, zupfte hier und da an den aushängenden Kleidungsstücken, schob die Dekoration zurecht und verschwand dann mit dem Handy am Ohr aus der Hintertür.
 

Schulterzuckend begann Tai seine Arbeit. Er musste sich wirklich mehr zusammenreißen, sonst würde er den Job verlieren. Aber in den letzten paar Tagen stand er oft einfach neben sich, war gedanklich abwesend und verpasste dann die Zeit. Er hatte noch immer keinen Weg gefunden, sein Problem aus der Welt zu schaffen. Er traute sich nicht so recht, bei Yamatos Management anzurufen. Die hielten ihn am Ende nur für einen durchgeknallten Fan, der versuchte, an Matts Nummer ranzukommen ... und in der Schar von Facebookanhängern würde ein Posting von ihm gnadenlos untergehen. Wahrscheinlich las diese Beiträge sowieso niemand. Aber wenn er weiterhin nichts tat, als zu grübeln und "Was wäre wenn"-Szenarios in seinem Kopf durchzuspielen, würde sich seine Unsicherheit nur verschlimmern. Er wollte die Sache endlich abhaken und sich wieder auf sein Leben konzentrieren. Er nahm sich fest vor, gleich nach der Arbeit doch mal einen telefonischen Versuch zu starten. Man muss die Dinge schon selber in die Hand nehmen! Genau! Er konnte jawohl kaum darauf hoffen, dass Matt ihm einfach so über den Weg lief – wie standen die Chancen? 1:100.000.000?

Jeanskarma

Kapitel 3
 

Der Drehort war ein ziemlich exklusiv wirkender Laden des Labels "Pulse". Die Einrichtung wirkte sehr modern, wenn auch ein wenig abgehoben, aber auf eine angenehme Art und Weise. Die giftgrünen Wände dominierten das Erscheinungsbild des Geschäfts und lenkten fast ein bisschen zu stark von den Klamotten ab. Es gab ausschließlich Jeans... helle, dunkle, gemusterte, zerschnittene, bedruckte, bestückt mit jeder Menge Applikationen wie Ketten, Nieten und ähnlichem Kram. Erleichtert stellte Matt fest, dass das eine oder andere Modell tatsächlich seinen Geschmack traf. Die Vergangenheit hatte gezeigt, dass es vorteilhaft war, wenn man den Werbepartner nicht vollständig bescheuert fand.
 

"Stöber ruhig ein bisschen, Matt. Ich bin gleich wieder da." Brent wollte wohl noch etwas mit dem Geschäftsführer besprechen, oder mit den Angestellten. Kunden waren keine da, man hatte den Shop extra für ihren Besuch geschlossen. Mäßig motiviert widmete sich Matt dem dargebotenen Sortiment an Jeans und hoffte, dass Brent sich beeilte. Er war nicht unbedingt eine Shopping-Queen, ihm wurde beim Einkaufen einfach zu schnell langweilig.
 

*
 

Vielleicht hätte ich dem Chef vorhin besser zuhören sollen, schoss es Tai durch den Kopf als der wichtig wirkende Mann mit Zopf und feinem Anzug auf ihn zusteuerte. Zweifellos war ihm ein Detail entgangen, das den heutigen Tagesplan betraf. Er hatte den Laden um zwei für einen "exklusiven Gast" geschlossen, wie es auf der krakeligen Notiz vom Boss stand, aber den Rest konnte Tai leider nicht entziffern. War wohl sehr in Eile gewesen der Gute. Naja, auf jeden Fall war dieser Gast nun da - durch den Hintereingang reingeschlichen - ein blonder Typ mit Sonnenbrille und Lederjacke, und schaute sich die Ware an während Tai sich abwartend in der Mitte des Verkaufsraumes platziert hatte - nicht so ganz sicher, was von ihm erwartet wurde.

Der Anzugtyp, wahrscheinlich eine Art Manager oder Marketing-Chef, setzte ein geschäftmäßiges Lächeln auf und Tai sah, wie seine grauen Augen in Richtung des Namensschildes zuckten. "Herr Yagami, schönen guten Tag! Brent Cooper, wie geht's Ihnen? Ich würde Sie gern bitten, uns kurz mit der Location und den aktuellen Werbemodellen vertraut zu machen."
 

Mr. Cooper machte einen sehr freundlichen Eindruck aber sprach so schnell und mit einem starken amerikanischen Akzent, dass Tai einen Moment brauchte, um den Inhalt des Gesagten zu begreifen. Schließlich verbeugte er sich höflich. "Willkommen bei Pulse. Natürlich bin ich Ihnen gern behilflich." Tai setzte sein hilfbereites Verkäuferlächeln auf und folgte Mr. Cooper zu dem blonden Mann. Er gab sich Mühe, seriös und kompetent auszusehen. Dieser "exklusive Gast" war wichtig für den Chef, das hatte er deutlich gemacht. Trotzdem fragte er sich, worum genau es hier ging. Vielleicht war der blonde Typ Designer oder eine Art Sponsor?
 

*
 

Als Brent mit dem Verkäufer im Schlepptau zurückkam fiel Matt fast die Kinnlade herunter. Das Schicksal hatte wirklich einen seltsamen Humor. Wie sollte er sich jetzt verhalten? Tausend Gedanken schossen ihm durch den Kopf.

"Matt, das ist Mr. Yagami, er zeigt dir alles und-" Das Klingeln von Brents Mobiltelefon unterbrach ihn. "Ach ihr schafft das auch ohne mich guys, sorry." Damit nahm er das Gespräch an und entfernte sich von den beiden, um in Ruhe sein Telefonat zu führen.

Tai hustete und lächelte ihn ein wenig unschlüssig an. "Freut mich, Sie kennen zu lernen." Yamatos Herz schlug bis zum Hals. Regungslos und sämtlicher Worte beraubt starrte er sein Gegenüber an.
 

*
 

Als der Blonde nicht auf ihn einging, fragte Tai sich fieberhaft, ob er irgendetwas Bestimmtes hätte tun sollen. Oh Mann, die Kündigung war ihm so gut wie sicher! Das peinliche Schweigen dröhnte in seinen Ohren. Sprach der VIP vielleicht gar kein Japanisch? Zu blöd, dass sein Englisch so schlecht war. Er versuchte, seine Unsicherheit mit einem Lächeln zu überspielen und räusperte sich während er nach den Resten seines Schulenglischs fahndete.
 

"Es ist... schön, dich wiederzusehen, Tai."
 

Sein Herz blieb stehen.
 

Die Stimme des anderen durchzuckte ihn wie ein Blitz. Mit geweiteten Augen stand er da und ein leichtes Schwindelgefühl ergriff ihn, als der Blonde die Sonnenbrille abnahm. Blaue Augen kamen zum Vorschein und lösten das Rätsel um seine Identität...
 

Das war zu viel. Er wollte sich irgendwo festhalten.... wusste nicht was er sagen, denken, fühlen sollte. Seine Gedanken drehten sich im Kreis, dass ihm schwindelig davon wurde. Er blickte in Matts Gesicht, das sich nur wenig verändert hatte... ein bisschen kantiger, erwachsener ja. Der Hauch eines Lächelns umspielte den Mund des Sängers. Tai war völlig überfordert damit, diese Situation zu definieren. Was war jetzt angemessen? Er konnte unmöglich in seiner neutralen Verkäuferrolle verharren.

Ein kleiner Teil von ihm wollte jubeln, Matt anspringen und umarmen. Ein anderer Teil wollte wütend auf ihn sein, ihn anschreien. Schließlich aber gewann eine seltsame Euphorie die Oberhand in ihm. Er spürte, dass seine Hände vor Aufregung zitterten. Er hatte unfassbar viel Glück, dass der Zufall sie nun zusammenführte! Nun konnte er das Problem seiner Vergangenheit endlich aus dem Weg räumen. Matt stand direkt vor ihm.

Aber – wie sollte er anfangen? Hallo Matt, ich bin beziehungsunfähig seit du mich damals sitzen gelassen hast, bitte hilf mir, indem du mir sagst, dass dir das mit uns rein gar nichts bedeutet hat und verschwinde dann wieder aus meinem Leben.
 

Ja, genau so.
 

"Ich.. wow,... also.", brabbelte er wenig intelligent. Wo sollte er nur anfangen? Er hatte so viel zu sagen. Wie viele Wochen hatte er damit verbracht, in seinem Innern Gespräche mit Matt zu führen? Aber irgendwie herrschte das reinste Chaos in seinem Kopf. Er nahm sich zusammen und versuchte es erneut. "Das ist..eine ziemliche Überraschung."
 

Das Lächeln auf dem Gesicht seines ehemals besten Freundes flackerte wieder auf. Ein warmer Schauer rauschte über Tais Rücken.
 

"Ja, für mich auch."
 

*
 

Dieses Gespräch fühlte sich so unwirklich an. Jahrelang hatte Funkstille geherrscht und plötzlich standen sie sich gegenüber, nach sieben Jahren... es war so viel passiert. Schuldgefühle ergriffen ihn, als er in die braunen Augen schaute. Es hätte nicht so weit kommen dürfen. Er hatte ihre Freundschaft damals sterben lassen, er hatte den ersten Schritt auf den Abgrund zu gemacht, hatte sie beide hinabgestürzt, ohne Rücksicht auf Verluste alles zerstört für... was auch immer. Dann war er fort gegangen um seinen Traum von der Musik zu verwirklichen, das kam genau richtig, was hätte ihn denn auch in Japan gehalten? Die Trümmer ihrer Freundschaft? Er hatte nicht den Mut und die Kraft gehabt, jeden Tag wieder in Tais Gesicht zu sehen, seine Stimme zu hören und so zu tun, als wäre nichts gewesen. Sie hätten nicht mehr zurück gehen können. Er war schuld. Und jetzt lächelte Tai ihn an? Vergeben und vergessen?
 

Er wollte sich entschuldigen, sagen, dass es ihm leid tat, dass er ihre Freunschaft vermisste, wollte auf Tai zugehen und ihn umarmen. Aber er tat nichts von all dem. Er war nach wie vor ein Egoist und ein Feigling. Was sollte eine Entschuldigung nach sieben Jahren denn bitte bringen? Sein Gewissen erleichtern? Tai schien die Sache abgehakt zu haben, er sollte nicht wieder darin herumwühlen... Er konnte die Vergangenheit nicht ändern. Wahrscheinlich würde es Tai nur wütend machen, irgendwelche Ausreden anzuhören. Aber vielleicht...
 

"Ihr steht ja immernoch hier rum!"
 

Matt zuckte zusammen, hatte den Ort, den Grund seiner Anwesenheit und seinen Manager bereits vollkommen vergessen.
 

Brent blickte zwischen ihren Gesichtern hin und her und schien die merkwürdige Atmosphäre zwischen den beiden sofort zu spüren. "Everything okay with you, Matt? Gibt es Schwierigkeiten, soll ich-"
 

"Alles okay Brent.", fuhr er dazwischen bevor Brent seinen Satz beenden konnte. Er wusste, wohin das sonst führte. Brent war eigentlich ein lockerer Typ, aber wenn es um Fremde ging, neigte er zur Übertreibung. Einmal hatte er einen Stylisten gefeuert, weil er Yamato versehentlich mit einer Sicherheitsnadel gestochen hatte. Er beschloss, die Sache lieber aufzuklären bevor Brent Misstrauen gegenüber Tai entwickelte.
 

"Taichi ist zufällig ein alter Schulfreund von mir, das ist alles."
 

Brents skeptische Miene wechselte sofort zu überfreundlich und ein erneuter Redeschwall brach aus ihm heraus. "So ist das also, long time no see, was? Ihr könnte nachher über die alten Zeiten reden, aber bitte lass dir vorher die Modelle zeigen, die du tragen sollst, Matt. Ich will nicht, dass sie beim Dreh dann zu groß sind oder so! Am besten ihr nehmt nochmal Maß! Leider muss ich los, da ist noch eine andere Sache. Ich lasse dir Georg da. I'll call you later. Hat mich gefreut, Sie kennen zu lernen Mr. Yagami, wir sehen uns dann zum Dreh! Bye!"
 

*
 

Tai zog eine Augenbraue hoch. Der Typ war ja noch aufgedrehter als er selbst an seinen besten Tagen. Aber Mr. Cooper schien es damit weit gebracht zu haben, das war... beruhigend. Sein Blick wanderter von der Hintertür, durch die der Manager gerade gerauscht war, zurück zu Matt. Dreh? Modelle tragen? Maß nehmen? ...
 

"Man du hast es echt weit gebracht... Sänger UND Model."
 

Matt schüttelte energisch den Kopf. "Fang du jetzt nicht auch noch damit an."
 

"Womit?"
 

"Ach egal! Erzähl mir lieber, wie es dir geht und was du die ganzen Jahre getrieben hast!" Der Blonde hatte sich lässig gegen die Wand gelehnt, die Hände in den Hosentaschen und schaute ihn aufrichtig interessiert an. Das war kein Höflichkeitstheater. War er nicht wegen etwas ganz anderem hergekommen? Was sollte er davon halten? Matt stand da und wollte scheinbar die "guten alten Zeiten" wieder aufleben lassen, als sei nichts gewesen. Einen Augenblick lang dachte Tai an Masao. Er musste die Gelegenheit ergreifen um mit Matt ein klärendes Gespräch zu führen bevor er wieder verschwand.
 

"Ich habe die Schule beendet und gejobbt. Ich spiele immernoch Fußball, inzwischen in der Regionalliga, naja." Er zuckte mit den Schultern als er realisierte, wie lächerlich dieser kleine Erfolg in den Ohren eines internationalen Musikstars klingen musste. Für Tai war der damalige Aufstieg in die Liga ein Wahnsinnsereignis gewesen, inzwischen gab es sogar einige Stimmen, die ihm in Kürze eine Karriere in der Nationalmannschaft voraussagten, aber das hielt er für unwahrscheinlich.
 

Überrascht bemerkte er das breite Grinsen auf dem Gesicht des Sängers. "Das ist doch super! Sicher schaffst du es noch in die Nationalmannschaft! Ich freu mich für dich!" Tai kratzte sich etwas verlegen am Hinterkopf. "Danke." Verdammt wie sollte er nur anfangen?!
 

Als das Gespräch nun ein paar Sekunden stagnierte, stieß sich der Blonde von der Wand ab und musterte die Regale vor denen Tai stand. "Also, wir sollten uns um diese Werbesache kümmern."
 

Tai seufzte innerlich. Hatte er wirklich erwartet, dass sie jetzt ihre Probleme von damals klären würden? Wahrscheinlich war das für Matt gar keine so große Sache mehr, vielleicht hatte er es gar vergessen? Der Gedanke schmerzte ihn. Nein, so war Matt nicht. Zumindest nicht der Matt, den er früher seinen besten Freund genannt hatte. Dieser Matt hier war ein Star, ein Promi und ein Geschäftsmann. Und das hier war einer seiner Geschäftstermine. Ein Eintrag in seinem Terminkalender. Aber... hatte Kari nicht erzählt, dass Yamato sein Elternhaus besucht hatte?
 

"Tai?"

Er zuckte zusammen. "Ähm, ja, aber.. kannst du mir vielleicht nochmal genau erklären, um was es dabei geht? Mein Chef hat sich da nicht so deutlich ausgedrückt."
 

"Ich soll in einem Pulse-Werbespot die neuen Jeansmodelle tragen. Brent will unbedingt, dass ich mir die Teile vorher angucke, na du hast ihn ja gehört. Zeig mir einfach, welche es sind, für mich sieht hier alles gleich aus."
 

Ein Werbespot also, kein Musikvideo. Tai nickte und bedeutete Matt, dass er ihm folgen sollte. Sie gingen zu einem der riesigen Schaufenster in dem dürre Puppen die hochpreisige Kollektion präsentierten. "Das hier sind die neusten..." Tai blieb vor dem Regal stehen und musterte seinen Kunden fachmännisch von der Hüfte abwärts. Welche Größe würde Yamato passen? Sein momentanes Outfit saß lässig, ließ aber klar erkennen, dass der Sänger eine schlanke Figur ohne überflüssige Fettpolster hatte. Wahrscheinlich kam er bei seinem stressigen Job kaum zum Essen... und stundenlange Konzerte stellte Tai sich körperlich durchaus anstrengend vor.. anders als Fußball zwar, aber man brauchte bestimmt eine gute Kondition für die ganze Singerei.
 

Yamato betrachtete die zusammengelegten Jeans kritisch, zog eine aus dem Stapel heraus, faltete sie auseinander, spähte nur kurz auf das Schild mit den Maßen und hielt sie sich prüfend an. Die Länge stimmte immerhin. "Welche Größe hast du?", fragte Tai schließlich. Matt war ja keine reiche Teenagerin, die zerschmolz, wenn er ihr absichtlich eine kleinere Konfektionsgröße andichtete, als sie trug.
 

Der Sänger machte ein nachdenkliches Gesicht. "Keine Ahnung."
 

Wahrscheinlich kauften normalerweise irgendwelche Angestellten Klamotten für ihn ein. Erneut belehrte ihn seine innere Stimme. Dein Freund Matt ist jetzt ein Star.
 

"Ich probier einfach mal, dann werden wir ja sehen." Der Blonde verschwand in eine der Umkleidekabinen an der Wand neben ihnen. Tai sah ihm nach, hörte das leichte Rascheln des Stoffs. Es war merkwürdig. Jetzt stand Matt hinter dem Vorhang und zog sich um. Tai kniff die Augen zusammen. Es war sinnlos, gegen die Bilder zu kämpfen, die bei dem Gedanken durch seinen Kopf rauschten. Der Film lief vor seinem inneren Auge ab, schwarzer Jeansstoff, helle Haut, Zittern, Herzklopfen, Keuchen. Er fühlte sich schlecht.
 

Matt schob den Vorhang beiseite und trat heraus. "Was sagt der Jeansverkäufer dazu?" Tai schob die Gedanken von sich und blickte Matt an, der sein Shirt mit den Händen leicht heraufgezogen hatte um ihm die Jeans gänzlich vorzuführen. Wie konnte jemand einfach nur in den Stapel greifen und genau die Hose greifen, die wie angegossen saß? Er selber brauchte Ewigkeiten, wenn er denn mal eine neue Jeans kaufte und er KANNTE seine Größe im Gegensatz zu dem Sänger.
 

Der Bund umarmte seine schmalen Hüften, die Taschen saßen wo sie sollten, die Jeans wirkte wie auf seinen Leib geschneidert. Yamato drehte sich vor dem Spiegel, um sich selber zu betrachten und Tai starrte unverblümt auf seinen Hintern. Unfassbar. Das war ja nicht mehr normal, er hatte stundenlang Kunden beraten, aber selten solche Ergebnisse erzielt! Eindeutig übernatürlich. Jeans-Karma... oder so. Er schüttelte den Kopf.
 

"Der Jeansverkäufer sagt dazu, dass wir nichts nachmessen brauchen."
 

Dieser Werbespot würde für einen Ansturm von epischem Ausmaß sorgen, so viel stand fest. Er hörte Matt erleichtert ausatmen.
 

"Umso besser." Matt zog den Vorhang erneut hinter sich zu, wieder raschelte es so verboten aber diesmal blickte Tai aus dem Schaufenster hinter ihnen, vor dem einige Passanten stehen geblieben waren. War ja klar, dass sich sowas schnell herumsprach. Ein breitschultriger Riese trieb die Zuschauer zum Weitergehen an wie ein Schäferhund seine Schafsherde. Security. Tai ließ die Schultern hängen. Matt stand vielleicht zwei Meter entfernt von ihm aber eigentlich war er auf einem anderen Planeten. Er fuhr sich durchs Haar. Es war sinnlos, dieses Gespräch führen zu wollen, oder? Gleich würden sich ihre Wege trennen. Dieses Mal wahrscheinlich für immer. Sein Hals zog sich zusammen.
 

*
 

Das Pflichtprogramm war erfüllt und würde Brent hoffentlich zufrieden stellen. Er schob den Vorhang zurück und trat mit der halb zusammengelegten Jeans über dem Arm wieder in den Verkaufsraum. Er übergab Tai das Kleidungsstück. "Schreib's einfach auf und gib es an deinen Chef weiter." Er hatte jetzt keinen Nerv für Anprobieren oder gar Maßnehmen. Das war unter normalen Umständen schon nicht sein Fall und im Moment stand er ein bisschen neben sich. Seine Gedanken kreisten um Tai. Da war er, der Freund nach dem er sich sehnte, das offene Ohr, das ihm zuhörte, das Lächeln, das ihn aufbaute und die Freude, die ihn mitriss.
 

Aber so einfach war es nicht. Oder?
 

Ein paar Sekunden lang standen sie sich schweigend gegenüber und die Gedanken rasten unaufhörlich durch seinen Kopf. Eine sanfte Stimme in seinem Kopf wollte die alte Freundschaft zurück und flüsterte ihm unaufhörlich zu, was er sagen sollte. Tai, es tut mir leid, wie es damals gelaufen ist... lass uns nochmal von vorn anfangen, ja?
 

Ein zitroniger Geruch schlich sich in seine Nase.... Bergamotte. Tai hatte schon immer gut gerochen. Die Note beschwor Bilder in seinem Kopf herauf, Erinnerungen. Fatal.
 

"Also..", begann er. Verdammt, wieso war das so schwierig? Er gab Interviews vor Millionen von Zuschauern aber er schaffte es nicht, eine einfache Entschuldigung in Gegenwart seines ehemals besten Freundes auszusprechen. Was bist du doch für ein Loser, Ishida.
 

"Ich werde dich dann nicht weiter von der Arbeit abhalten." Die sanfte Stimme seufzte tief und gab auf. Noch ein flüchtiger Blick in die braunen Augen. Tai lächelte, aber es sah anders aus als das alte Tai-Lächeln von früher.
 

***
 

Durchs Schaufenster konnte er sehen, wie Yamato in ein Auto einstieg und davonfuhr. Jetzt stand er ganz allein in dem riesigen Geschäft mit leblosen Schaufensterpuppen und fühlte sich seltsam traurig. Er atmete tief ein und aus und ordnete das Wirrwarr in seinem Kopf. Jetzt hatte er doch wieder zugelassen, dass Matt ging. "Mist!", schimpfte er und verlieh seinem Gefühl mit einem leichten Tritt gegen das nächstgelegene Warenregal Ausdruck. Er hatte es nicht geschafft, die Chance, die das Schicksal ihm auf einem goldenen Tablett serviert hatte, wahrzunehmen. Nein, stattdessen hatte sich seine Situation eher verschlimmert, zumindest fühlte es sich so an. Mit einem Schlag war Matt wieder ein Teil seines Lebens und er war wehrlos dagegen... dabei hatte er jahrelang daran gearbeitet, die Erinnerung an ihn zu vedrängen. Tja, soviel dazu. Er brauchte wahrscheinlich professionelle Hilfe dafür... einen guten Psychiater. Er kam sich so bescheuert vor.
 

Was nun?
 

Plötzlich schoss ihm der Grund von Yamatos Auftauchen wieder durch den Kopf. Werbedreh... genau. Vielleicht ergab sich dadurch tatsächlich nochmal die Chance, mit ihm zu reden. Obwohl... da würden sie bestimmt nicht wieder so ungestört sein mit irgendwelchen Werbeleuten und allem drum und dran... falls man Tai überhaupt erlauben würde, dabei zu sein. Verdammt die Gelegenheit war doch perfekt gewesen! Er widerstand dem Drang, seinen Kopf gegen eine Wand zu schlagen nur schwerlich.
 

Noch einige Minuten stand er in seine Gedanken versunken an der Stelle vor den Umkleidekabinen bis ihn ein elektronisches Piepen in die Wirklichkeit zurück holte. Irritiert schaute er sich um und versuchte, das Geräusch zu orten. Schließlich schob er den Vorhang der Kabine neben sich zur Seite und spähte hinein. Auf dem weißen Teppichboden lag ein Mobiltelefon dessen Display aufleuchtete. Mit ungläubigem Blick hob Tai es auf. Auf dem Bildschirm stand "ein unbeantworteter Anruf von Sam". Ohne darüber nachzudenken drückte Tai eine der Tasten und die Botschaft verschwand. Auf dem Display erschien nun das Bild eines blauen Wolfs und der Schriftzug "Teenage Wolves". War das Matts Telefon? Es musste beim Umziehen aus seiner Hosentasche gerutscht sein.

Paranoia

Eigentlich hätte sein Chef doch fest damit rechnen müssen, dass nach dem Besuch eines Promis hier die Hölle los sein würde, oder? ...

Warum zum Teufel hatte er es dann für sinnvoll befunden, alle anderen Mitarbeiter zu Hause faulenzen zu lassen?! Womöglich war das die Rache für sein häufiges Zuspätkommen.
 

"Oh Gott, vielleicht hat er eine von denen hier angefasst!!!" "Nein, er stand hier drüben!" Sie kreischten und qietschten und rauschten durch den ganzen Laden wie eine Horde rolliger Kanarienvögel. An der Kabine, in der Yamato sich zuvor umgezogen hatte, hätte man nun Eintritt nehmen können. Es waren nicht nur junge Frauen sondern vielmehr eine bunte Mischung von Menschen, als hätte man die Bewohner eines ganzen Häuserblocks in das Geschäft gekippt. Die meisten Männer rollten entnervt mit den Augen, während ihre Freundinnen, Schwestern und Mütter den von ihrem Messias berührten Ort besichtigten. Aber Tai kam kaum dazu, sich darüber zu wundern, zu amüsieren oder aufzuregen, denn ein Gutes hatte die Sache immerhin: Die Kasse klingelte. Ob er dafür einen Bonus bekommen würde?
 

Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn die Meute das Handy gefunden hätte! Er stellte sich vor, wie es auf einem roten Samtkissen aufgebahrt auf einer Art Yamato-Ishida-Schrein thronte und von davor knienden Fans angebetet wurde.
 

Vielleicht hätte es aber auch einfach nur jemand bei Ebay eingestellt um Milliardär zu werden?
 

Pünktlich Feierabend machen lag heute außerhalb seiner Vorstellungskraft. Selbst eine Stunde nach offiziellem Ladenschluss tummelte sich noch eine Gruppe Frauen nahe der Kabine. Es kostete Tai eine gute Menge Nerven, die Clique zum Gehen zu animieren ohne dabei unfreundlich zu werden. Langsam lagen die Nerven einfach blank. Wenn er noch eine einzige Frage zu Matts Aufenthalt in diesem Shop beantworten musste, würde er hysterisch kreischend und wild mit Kleiderbügeln um sich schlagend auf die Straße rennen. Als er endlich die Vordertür verschließen konnte, seufzte er erleichtert auf und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

Was für ein Tag! Der Laden sah aus wie ein Schlachtfeld. Viele hatten es nicht für wichtig erachtet, die Sachen wieder zusammenzulegen. Irgendwelche Zettel lagen auf dem Fußboden und mehrere Leute hatten sich doch tatsächlich in der Umkleidekabine schriftlich verewigt!
 

"Matt, ich will ein Kind von dir!", las er sich selber vor. Wie unheimlich kreativ. Kopfschüttelnd sprühte er das Reinigungsmittel auf und wischte die Wand dann mit einem Tuch ab. Langsam fragte er sich, ob Matt sich überhaupt noch irgendwo frei in der Öffentlichkeit bewegen konnte, ohne angesprungen zu werden.
 

Es war schon lange dunkel als Tai sich auf den Heimweg machte. Das fremde Telefon hatte er in seiner Jackentasche verstaut. Die Nacht war kühl, aber es war ja nicht weit. Mit all den Lichtern, Autos und Geschäften war es hier nachts fast genauso hell wie tagsüber und genauso belebt. Die frische Luft klärte das Chaos in seinem Kopf etwas auf. Er hatte das Handy. Er würde Matt definitiv wiedersehen. Sie würden dieses Gespräch führen, egal wie unangenehm es vielleicht sein würde. Und dann konnte er sein Leben weiterleben. Mit Masao. Er lächelte schief. Der Gedanke schmeckte bittersüß.

Plötzlich rempelte ihn jemand unsanft aus seinen Gedanken. Er verlor den Halt und prallte hart auf den Asphalt. Schmerz durchzuckte seinen Rücken. Die andere Person fiel auf ihn. "Hey! Was-?"
 

Ein junger Mann mit halblangem schwarzen Haar und akkuratem Kinnbart blickte ihn überracht an, sein Gesicht nur eine Hand breit von Taichis entfernt - dann verhärtete sich die Miene des Fremden. "Pass doch besser auf!" Der Typ stand unwirsch auf und wischte mit den Händen über seine Kleidung als hätte er auf etwas Schmutzigem gelegen.

Perplex blinzelte Tai ihn an. "Entschuldigung... ich war in Gedanken." Er hatte wirklich keine Lust auf eine Auseinandersetzung. Sein Hintern tat weh. Der Fremde stand da und starrte ihn mit einer Art stillem Hass an. Er schien gar nicht daran zu denken, Tai aufzuhelfen.

Tai rieb sich den Hinterkopf und starrte zurück. "Alles okay?" Er rappelte sich auf.

Der Fremde erwachte nun zwar aus seiner Starre, hielt eine Antwort aber scheinbar für überflüssig und rauschte an ihm vorbei. Was für ein seltsamer, unhöflicher Typ. Kopfschüttelnd setzte Tai seinen Weg fort.
 

*
 

Yamato saß vor seinem Labtop, blickte ins Leere und versuchte, seinen Kopf frei zu kriegen. Irgendwie stand ihm heute nicht der Sinn nach Ausgehen. Seine Gedanken kreisten unaufhörlich um Taichi. Ein schlechtes Gewissen verjährte wohl nicht. Die Erinnerung an den verhängnisvollen Tag war glasklar obwohl sie etwa 7 Jahre alt war und er sie jedes Mal unterdrückte, wenn sie sich ihm aufdrängen wollte. Was war damals nur in sie gefahren? Er brummte unwillig und rieb sich über die Stirn.
 

Auf der Suche nach Ablenkung klickte der Sänger auf seine Facebookseite und stutzte. Zwischen all den üblichen Beweihräucherungen und einigen Hatern stand mal wieder eine eher merkwürdige Nachricht:
 

"Gleich sehen wir uns! Ich freue mich schon auf dich, mein Saphir."
 

Er runzelte die Stirn. Die Nachricht war von vor einer halben Stunde. Musste er jetzt etwa davon ausgehen, dass unten vor dem Haus ein Stalker stand und versuchte, in seine Fenster zu glotzen? Oder gar auf einem der benachbarten Dächer? So richtig mit Fernglas und allem? Zweifelnd warf Yamato einen Blick über die Schulter. Die Vorhänge waren zugezogen.

Ach Blödsinn! Dass er sich überhaupt Gedanken darüber machte, war ja schon bescheuert! Leute schrieben eine ganze Menge Stuss im Internet.
 

"Ich werde noch paranoid." Er seufzte.
 

*
 

Trautes Heim, Chaos allein. Tai schaltete das Licht ein, holte Matts Smartphone aus der Jacke und schleuderte seine Schuhe in die Ecke. Erschöpft ließ er sich auf sein Bett fallen und betrachtete das Telefon in seiner Hand. Kurz dachte er darüber nach, seiner Neugier nachzugeben und ein bisschen darin herumzustöbern aber es erschien ihm falsch. Er wollte schließlich auch nicht, dass jemand in seinem Handy SMS las oder sowas. Aber er musste zumindest irgendwie Bescheid sagen, dass er das Telefon hatte, sonst würde man noch denken, dass er es geklaut hatte. Stirnrunzelnd erinnerte er sich an das misstrauische Gesicht von Mr. Cooper.
 

Vorsichtig tippte er auf dem Display herum auf dem daraufhin wieder "Ein unbeantworteter Anruf von Sam" aufleuchtete. "Sam" brauchte scheinbar keinen Nachnamen. War wohl jemand wichtiges. Leider gelang es ihm nicht, das Menü zu öffnen, denn eine dieser neuartigen Tastensperren blockierte den Zugriff. Er wurde aufgefordert irgendein Muster mit den Fingern auf das Display zu zeichnen. Oh man, das konnte ja alles mögliche sein. Es war sinnlos, es auch nur zu versuchen. Tai stöhnte theatralisch auf. Das hatte er sich wohl zu einfach vorgestellt. Er ließ das Telefon auf seinem Bett liegen und beschloss, erstmal schnell zu duschen. Vielleicht würde ihm dann ja etwas einfallen.
 

Das "Problem" löste sich von selber, als Tai gerade aus dem dampfenden Bad tappste. Das Handy klingelte mal wieder und diesmal stand "Brent" auf dem Display. Das war doch der Name dieses Managers, wenn er sich richtig erinnerte... Perfekt! So konnte er mit jemandem Kontakt aufnehmen und die Übergabe des Fundstücks auf die Reihe bringen ohne irgendwelche Passwörter herausfinden zu müssen! Er nahm den Anruf an und hielt das Smartphone ans Ohr.
 

"Matt, endlich gehst du ran – ich dachte schon-!"

"Eeeeentschuldigung!", unterbrach Tai hastig den Redeschwall des anderen. "Hier ist Yagami Taichi, aus dem Pulse-Shop – erinnern Sie sich?"

"Pardon? Was machen Sie mit Matts Mobile?"

"Ähm, er hat es im Laden verloren und ich habe es gefunden."

"Gefunden, aha."

Tai hob beide Augenbrauen. Wieso nur klang Mr. Cooper so ungläubig?

"Ja, gefunden." Moment... dachte er etwa-? "Also, ich will es natürlich so schnell wie möglich zurückbringen! Könnten Sie mir Matts Adresse geben, dann gehe ich sofort zu ihm."

Kurz herrschte Schweigen. Hatte das jetzt etwa auch verdächtig geklungen? ... Für einen Manager, der einen heißgeliebten Musikstar unter seinen Fittichen hatte – wahrscheinlich schon. Klar, er hatte Matts Handy gestohlen um jetzt seine Adresse zu erpressen! Tai schüttelte den Kopf.

"O-oder ich bringe es Ihnen! Wo soll ich hinkommen?"
 

*
 

Zehn Minuten später war Tai schon wieder unterwegs. Die Adresse war fast eine Stunde U-Bahn fahren von seiner Wohnung entfernt. Was tat man nicht alles um einer Anzeige zu entgehen? Eigentlich konnte er ja noch froh sein, dass er nicht ans andere Ende der Stadt musste. Er war müde, aber er wollte auch nicht, dass man ihn für einen Dieb hielt. Aber es ärgerte ihn, dass er nun doch nicht so einfach mit Yamato sprechen konnte. Hoffentlich würde sich durch diese Werbeaktion nochmal eine Chance ergeben.
 

Er ließ den Blick durch den Waggon schweifen. Partyvolk, dazwischen einige Anzugträger... aber irgendwie wurde er das Gefühl nicht los, beobachtet zu werden. Er schüttelte den Kopf und sah wieder zum Fenster. Der Tag war einfach zu stressig gewesen, da konnte man sich schonmal Dinge einbilden.
 

Ein frischer Wind wehte durch die Straße. Tai fand die gesuchte Adresse glücklicherweise schnell. Ein unauffälliges Café, schick aber leergefegt. Die Wärme des Raums begrüßte ihn zusammen mit dem Duft von Espresso. In einer Ecke entdeckte er Mr. Cooper, der trotz Anzug unheimlich lässig dasaß. Tai grüßte die Bedienung und näherte sich dann langsam dem Manager, während er sich fragte, ob er ihn wohl wirklich für einen Dieb hielt.

"Guten Abend Mr. Cooper.", begrüßte er den Mann höflich und lächelte zögerlich als sich ihre Blicke trafen. Als sein Lächeln erwidert wurde, entspannte er sich etwas. "Hallo Mr. Yagami. Schön, dass Sie so schnell kommen konnten." Tai atmete erleichtert aus.

"Hier ist das Handy." Tai streckte ihm das Mobiltelefon entgegen und Mr. Cooper nahm es nickend entgegen. Froh, die Sache erledigt und sein Ansehen gegenüber Matts Manager rehabilitiert zu haben, wandte sich Tai zum Gehen aber sein Gegenüber wedelte mit den Händen, auf dass er ihm gegenüber Platz nehmen sollte. Etwas verwundert setzte er sich auf den Stuhl und fuhr sich durchs Haar. Damit hatte er nicht gerechnet. Kam jetzt doch noch ein Verhör?
 

"Ähm, was kann ich denn sonst noch für Sie tun?" Diese Situation fühlte sich merkwürdig an. Was wollte dieser Mann jetzt noch von ihm kleinen Verkäufer? Mr. Cooper grinste.

"Wenn du schon einmal hier bist, kannst du auch einen Kaffee mit mir trinken, oder? Ich bin übrigens Brent. You know... ich hatte Zweifel daran, ob du wirklich ein Freund von Matt bist, oder ob du irgendwas komisches im Schilde führst – aber jetzt bin ich mir sicher, dass du ein vernünftiger Typ bist." Da war die Quasselstrippe wieder. Oh mann. Na auf jeden Fall besser als das kühle Misstrauen.

"Ähm, ja gerne. Danke."

"Ich darf doch Tai sagen, ja?" Der Sportler nickte und Brent bestellte zwei Kaffee. Gut, dann würde er ja auf dem Heimweg doch nicht einschlafen.

"Du musst Matt ja schon ewig kennen, wenn ihr Schulfreunde seid."

Tai kratzte sich am Kopf. "Ja, ungefähr seit wir zwölf waren."

"Das ist eine lange Zeit..."

Er gab ein zustimmendes Brummen von sich. Ob dieser Brent wusste, dass sie seit knapp sieben Jahren kein Wort mehr miteinander geredet hatten? Matt schien ihn ja nie erwähnt zu haben. Naja, warum hätte er das auch tun sollen. Die Angabe des ehemals besten Freundes gehörte normalerweise nicht in einen Lebenslauf.

Die Kellnerin kam mit zwei großen Tassen Kaffee zurück.

"Matt hat mal von einem besten Freund aus der Schulzeit erzählt, der immer bei ihm abgeschrieben hat. Er war ein echt hilfsbereiter und lustiger Typ, aber etwas chaotisch. Bist du das wohl?"

Tai spuckte fast seinen Kaffee wieder aus. Mühevoll würgte er den Schluck herunter und hustete.

"...Ja. Nett, dass er das mit dem Abschreiben erwähnt hat."

Brent lachte. "Aber du musst wirklich ein guter Kumpel gewesen sein, er hat sonst niemals etwas von Freunden erwähnt. Er redet überhaupt nur wenig über sein früheres Leben oder über sich selbst." Brent griff nach der Tasse.

"Er war noch nie die Art Mensch, die alles nach Außen trägt.", sinnierte Tai.

Sie redeten noch eine Weile über Matt und allgemein über Schulzeit und Freundschaft. Brent war eigentlich ein sehr sympatischer, humorvoller Typ. Manchmal lachte er so heftig, dass er mit der Handfläche auf den Tisch schlug, was Tai beim ersten Mal etwas erschreckt hatte. Je mehr man ihn am Stück reden ließ, umso mehr englische Vokabeln und Satzteile verwendete er, sodass Tai manchmal kaum noch den Sinn verstand – aber er lachte trotzdem mit.

Nachdem sie ihre Tassen geleert hatten, wurde Brents Miene plötzlich nachdenklich.

"Du bist voll in Ordnung, Tai. Ich wünschte, Matt wäre ein bisschen mehr wie du."

Wie meinte er das? Was war verkehrt an Matt? Es konnte eben nicht jeder ein so extrovertierter Chaot wie er sein. Die Welt stände am Abgrund...

"Seit er sich von Sam getrennt hat, scheint er kaum noch gute Laune zu haben." Ah, da war also wieder dieser Sam. Ein Ex-Freund??? Das ließ Tai aufhorchen.

"Eine Trennung ist eben nie leicht. Das wird schon wieder."

Brent bezahlte die Rechnung und Tai bedankte sich für den Kaffee.

"Warte, ich fahre dich nach Hause. Du hast es doch ganz schön weit, right?"

"Ähm.. also.. das ist nicht notwendig.. wirklich!" Langsam kam er sich vor, wie ein Schmarotzer. Erst einladen lassen, dann noch chauffiert werden. War das vielleicht am Ende noch ein Test von Brent, ob er den Reichtum anderer ausnutzen wollte?

"Doch, doch. Ich bestehe darauf!" Brent lächelte. "Wie sollte ich mich vor Matt verteidigen, wenn du auf dem Heimweg überfallen wirst oder so?" Tais Grinsen wurde bitter. Tja, es gab mal eine Zeit, in der er wahrscheinlich wirklich SO wichtig für Matt gewesen war. Aber die war vorbei.

"Keine Widerrede mehr." Brent schob Tai nach draußen zu seinem Wagen und ließ ihn auf der Beifahrerseite einsteigen. Ein teurer weißer Sportwagen mit weißen Ledersitzen und blauer Armaturenbeleuchtung. Tai hatte fast Angst, sich zu bewegen und etwas zu beschmutzen oder kaputt zu machen. Das war einfach nicht seine Welt. Er schnallte sich vorsichtig an und dirigierte Brent durch die Straßen. Große Regentropfen prasselten auf die Scheibe und Tai war nun doch ziemlich dankbar für Brents Angebot.
 

*
 

Brummend drehte er sich auf die andere Seite. Die dünne Bettdecke klebte an seinem Rücken. Selten hatte er solche Probleme mit dem Einschlafen gehabt. Es war der reinste Kampf. Kaum hatte er sich von den aufdringlichen Gedanken rund um das heute Erlebte befreit, kam von irgendwo ein lautes Geräusch, das ihn wieder aus der Ruhe brachte. War es still genug, fuhren seine Gedanken Karussell. Eine Diele im Hausflur knarrte. Genug damit!

Matt öffnete die Augen und warf einen Blick auf den Wecker. 3 Uhr. Wer kroch denn um diese verdammte Zeit auf dem beschissenen Flur rum?! Er wollte doch nur schlafen! Unmöglich manche Leute! Er schob die Decke von sich und tappte wütend zur Tür seines Apartments, öffnete sie und spähte durch den Spalt – bereit, jeden den er dort antraf brüllend zurechtzuweisen.

Aber da war keiner. Nur... Dunkelheit und... der Geruch von Lavendel? Matt zog die Tür wieder zu und lehnte sich von Innen dagegen. Samantha hatte früher immer danach gerochen. Aber was sollte sie hier um diese gottlose Zeit suchen? Außerdem hatte sie doch versprochen, ihm den Abstand zu gönnen... hatte er sich den Geruch nur eingebildet? Aber das Geräusch war doch da gewesen? Langsam wurde es wohl Zeit, einen Psychotherapeuten aufzusuchen. Diese Paranoia tat auf Dauer nicht gut. Zerknittert zuckte er mit den Schultern und schleppte sich wieder ins Bett.
 

*
 

Es schüttete Wasserfälle als Tai ausstieg. Er dankte Brent und joggte zum Eingang des Hochhauses in dem sich seine Wohnung befand. Das kleine Vordach bot keinen Schutz. Es war wohl eher als Dekoration gedacht. Der Wind tat sein Übriges. Es waren nur ein paar Sekunden aber Tai triefte bereits als wäre er gerade aus einem See gestiegen. Seine Haare klebten ihm in der Stirn. Er fummelte den Schlüssel aus der Tasche, schloss auf und trat in den finsteren aber immerhin trockenen Flur. Die große Tür klappte hinter ihm wieder zu. Wie spät mochte es sein? Weit nach Mitternacht auf jeden Fall. Er seufzte. Nichts wie ins Bett.

Als er sich wieder in Bewegung setzte, ging das Licht automatisch an. Tai zuckte zusammen, als er die Person, die kaum einen Meter entfernt neben ihm an der Wand lehnte und ihn ansah, entdeckte. Sein Herz schlug mit einer schmerzhaften Intensität gegen seine Brust. "M-Masao! Was-was machst du so spät hier? Du hast mich zu Tode erschreckt!" Der junge Mann blickte ihn an, ohne eine Miene zu verziehen. "Wo warst du?" "Ich war in einem Café." "Mit einem gutaussehenden Mann in einer Luxuskarre...", führte sein Freund den Satz in vorwurfsvollem Tonfall fort.

Tai runzelte die Stirn. Auch das noch. Dieser Tag stellte wirklich alles auf den Kopf. War ja klar, dass Masao nun sauer war. Für ihn musste es aussehen, als würde er ihn betrügen. Er fuhr sich durchs Haar und sah Masao schuldbewusst an. Was sollte er sagen?

"Es ist nicht so, wie du denkst." Oh ja! Das war wohl der glaubhafteste Satz der dir eingefallen ist?

Er machte einen Schritt auf Masao zu aber der wich vor ihm zurück und stierte ihn aus wütenden Augen an. "Ich muss ein paar Dinge für mich selbst klären.", äffte er Tai nach.

"Es ist so, wie ich es dir gesagt habe. Wir haben nur geredet und einen Kaffee getrunken."

"Das ist schon mehr, als wir die letzten Tage zusammen unternommen haben!"

Tai senkte den Kopf. "Du hast Recht. Es tut mir leid."

Die Müdigkeit trieb ihn zum Treppenaufgang. "Das ist die falsche Zeit und der falsche Ort für so ein Gespräch... ich... rufe dich morgen an, okay? Ich bin unglaublich müde." Tai hatte erwartet, dass Masao ihn nun endgültig abschreiben würde, so etwas wie "Spar dir den Anruf." sagen würde... aber Masao sagte nichts dazu. Er legte Tai, der im Begriff war, die Stufen zu erklimmen, eine Hand auf die Schulter, sodass er stehen blieb und sich langsam umdrehte. Noch unerwarteter kam die Umarmung und dann der Kuss. Ein Hauch von Erleichterung streifte Tais Gefühlswelt, aber auch eine Art von Traurigkeit. Masao war so nett zu ihm, obwohl er ihn so vernachlässigt hatte. Er hatte das nicht verdient. Ich werde es in Zukunft besser machen, schwor sich Tai und erwiderte die Liebkosung. Nach einigen Augenblicken trennten sie sich und mit einem "Schlaf gut." verschwand Masao.

Mut und Feigheit

Das Sonnenlicht ließ die Wasseroberfläche glitzern, als würden tausende Sternschnuppen durch den See schwimmen. Matt sah den Steinen zu, die Takeru übers Wasser schnippte. Er konnte das ziemlich gut. Sie saßen am Ufer auf einem großen Felsen, ganz früh am Sonntagmorgen – jetzt war noch alles ruhig und kaum jemand hier. Eine Idylle, die man in einer so großen Stadt selten spürte. Der Morgen hatte etwas magisches.

"Letztes Mal war ich mit Kari hier. Eis essen."
 

Matt überlegte kurz und ließ seinen Blick über den See schweifen. Am Ufer wuchsen Gänseblümchen und man konnte hier im Sommer gut picknicken. Ja.. zum letzten Mal war er mit Tai hier gewesen. Nicht direkt zum picknicken, aber zum Reden und Faulenzen. Um auf der Wiese zu liegen und in den Himmel zu sehen. Um grässlich klingende Duette auf Blattflöten zu spielen oder um sich gegenseitig nass zu spritzen während man über Schule oder Familie scherzte. Ein bisschen wehmütig sah Matt auf sein Spiegelbild im Wasser herab. Kurz bildete er sich ein, Tais Gesicht neben seinem zu sehen, aber es war TK.
 

"Erde an Matt! Hallo!"

"Entschuldige, ich war nur.. in Gedanken. Ich höre jetzt zu." Er lächelte seinen kleinen Bruder entschuldigend an.

"Was bedrückt dich?", fragte TK.

"Nichts.. es ist nur die Umstellung, der Jetlag, die neue alte Umegbung..." TK fing seinen Blick auf. Er hatte diesen sanften aber durchschauenden Ausdruck in den Augen, wie nur ein Bruder ihn haben konnte.

"Aber das ist nicht alles."

"Ja.. kann sein..."

Takeru setzte ihn nicht unter Druck, er wartete einfach schweigend und Steine schnepsend darauf, dass er weitersprach. Der Aufprall des letzten Kiesels zog viele kleine kreisförmige Wellen um sich.

"Ich habe Tai wiedergesehen, rein zufällig.. in dem Geschäft, wo er arbeitet. Das hat mich irgendwie... nachdenklich gemacht."

"Weil ihr damals im Streit auseinander gegangen seid, hm?" TKs Stimme war mitfühlend. Matt hatte ihm nicht alles darüber erzählt, was passiert war. Er hatte seinem minderjährigen Bruder damals unmöglich erklären können, was Tai und er wirklich gemacht hatten.

"Ja..."

"Da wäre ich an deiner Stelle auch ziemlich überrumpelt gewesen. Aber Tai war bestimmt genauso überrascht wie du." Damit hatte er sicherlich Recht. Ob Tai auch ständig daran denken musste?

"Habt ihr darüber gesprochen?"

Matt schüttelte den Kopf.

"Ich bin sicher, dass es Tai genauso leid tut wie dir, wie es damals gelaufen ist. Du glaubst aber, dass er es dir noch übel nimmt, oder? Worum ging es denn eigentlich in dem Streit?"
 

"Ähm... ich weiß es nicht mehr genau... ist zu lange her."
 

Takeru runzelte die Stirn. "Gut, du willst es mir nicht sagen." Wieso nur konnte Takeru jede Lüge in seinem Gesicht ablesen? Er hätte die Sonnenbrille mitnehmen sollen.
 

"Das ist schon okay, du wirst einen guten Grund dafür haben. Aber was es auch war, es ist doch nun Jahre her. Glaubst du nicht, dass ihr die Sache begraben und wieder Freunde sein könnt?"
 

Matt verzog den Mund zu einem leichten Lächeln. Sein Bruder konnte immer die optimistische Seite in ihm hervorzaubern. Ja, irgendwie hoffte er, dass es so sein könnte. Er wollte irgendwann wieder mit Tai hier am See sitzen, wollte DVD-Marathons auf dem heimischen Sofa abhalten, für sie beide Pizza machen, sich von Tai zum Joggen zwingen lassen und ihm neue Songideen auf der Gitarre vorspielen. So wie früher.
 

Er schaute wieder aufs Wasser. Takeru schien seine Gedanken zu lesen.
 

"Hey großer Bruder – ich weiß, dass dir das schwer fällt, aber du musst einfach nur mit Tai darüber reden. Ich meine: es ist doch immernoch Tai!"
 

"Ja du hast Recht." Tai hatte es immer gehasst, mit jemandem lange verstritten zu sein oder wenn ein Problem im Raum schwebte. Er war meistens der erste, der einen Schritt auf den anderen zu machte, es anpackte und aus der Welt schaffte. Das war eine der vielen guten Seiten, die er an Tai mochte. Verdammt! Er vermisste ihn wirklich. Mehr als er nach so langer Zeit für möglich gehalten hatte, das wurde ihm nach und nach bewusst.
 

"Danke kleiner Bruder."
 

*
 

Die Uhr zeigte halb zehn. Das ganze Bett war überhäuft mit knittrigen Zetteln, herausgerissenen Notizblockseiten und Notenblättern. Er hatte alles vor sich ausgebreitet. Es waren alte Songtexte und Melodien aus der Zeit kurz bevor er fortgegangen war. Als er noch nicht ahnte, wie kurzfristig sein Leben umgekrempelt werden würde. Manche davon hatte er schon beinahe vergessen. Er nahm seine Gitarre und spielte leise einige Akkorde. Er schloss die Augen.
 

Take my hand

Maybe we should run away

Maybe we should disappear

Leave everything behind

Like the useless things

Boxes labeled memories

The sudden health emergencies

Yeah we can leave those things behind

Why do I only feel the chills when I'm with you?

I only hear your words that you say are true

But you keep thinking it over, thinking it over

You could catch me if you wanted to
 

Das Lied erweckte weitere Erinnerungen zum Leben. Es fühlte sich an, wie früher. Während er sang und spielte, war die Welt vollkommen. Er konnte das Meer riechen, hörte das Rauschen, sah sich neben Tai in die Wellen rennen, ihren Sommerurlaub. Knisterndes Lagerfeuer am Strand, der Geruch von gerösteten Marshmallows, Zelten unter einem grandiosen Sternenhimmel. Freiheit, Ausgelassenheit, Geborgenheit. Bauchschmerzen vom Lachen. Tais verschwörerisches Grinsen. Ihre Fußspuren im Sand...
 

*
 

Das Wochenende war die Ruhe vor dem Sturm gewesen. Die Tage mit TK zu verbringen und in den Nächten Songtexte zu schreiben und auf der Gitarre zu klimpern – das war schon nahe an dem, was er sich unter einem entspannten Urlaub vorgestellt hatte. Wie sehr sehnte er sich jetzt gerade nach dem schummrigen Licht seiner Nachttischlampe, dem warmen Klang der Gitarrensaiten und seinem Bett als bequemen Untergrund? Und nach der Stille, die seine Musik empfing....
 

Überall um ihn herum trampelten gehetzte Angestellte über den Teppich. Kameramänner brüllten Kabelträger an, der Ladenbesitzer brüllte seine Mitarbeiter an und... naja allgemein brüllten halt eine Menge Leute unnötig herum. Aber so was es immer. Er hatte inzwischen eine gewisse Routine entwickelt. Früher hatte er manchmal die Diva gespielt, in der Hoffnung, die Abläufe damit zu beschleunigen – aber das Gegenteil war der Fall gewesen. Also saß er unbewegt auf seinem Platz - und zwar so unbewegt, dass er langsam Durchblutungsstörungen bekam – und ließ die "Arbeit" der Stylistin kommentarlos über sich ergehen. Also so kommentarlos wie möglich!
 

Er hustete. Sie hatte es mal wieder mit dem Puder übertrieben. Sah er denn noch nicht blass genug aus?! "Jetzt schau doch nicht so genervt, Matt!", bat Brent und hielt ihm ein Glas Wasser hin."Ich hoffe, du hast nicht mit Gin gespart." Er griff nach dem Glas und kippte alles hinunter. Dann blickte er seinen Manager zutiefst enttäuscht an. "Meinetwegen lade ich dich heute Abend auf einen Drink ein, aber wie sagt man so schön? Erst die Arbeit, dann das Vergnügen." Yamato rollte gespielt übertrieben mit den Augen. "Schon gut, ich arbeite wie verrückt, das siehst du doch."
 

Jetzt zupfte die junge Frau schon seit einer gefühlten Stunde an seinen Haaren herum ohne eine sichtbare Veränderung herbeizuführen. Ob sie wirklich wusste, was sie tat? Er betrachtete sich im Spiegel. Eigentlich sah er kaum anders aus, als direkt nach dem Aufstehen... nur mit weniger Kissenknitterabdrücken im Gesicht.
 

"Fertig jetzt? Das Filmteam wartet!" Wer Brent bei der Arbeit erlebte, dem fiel es manchmal schwer zu glauben, dass er eigentlich ein völlig lässiger und lustiger Kerl war. Obwohl er so viel Geld hatte, war er keiner dieser abgehobenen Snobs, von denen Yamato inzwischen gezwungenermaßen einige kannte – Brent war der Typ, der sogar unter Termindruck noch die Zeit fand, einer Oma über die Straße zu helfen (und er kam trotzdem nicht zu spät!). Außerdem hatte er eine gute Menschenkenntnis, auch wenn er Fremden anfangs übermäßig misstrauisch begegnete wenn es um ihn ging. Sobald er zum Super-Manager mutierte, scheuchte er jeden herum, dirigierte, kritisierte... bis alles perfekt war.
 

Die Stylistin ließ von ihm ab und Yamatos Beine waren dankbar, endlich wieder durchblutet zu werden. Er musste doch länger auf diesem Hocker gesessen haben, als gedacht. Brent winkte ihn in den angrenzenden Raum wo ihn grellstes Scheinwerferlicht begrüßte. Ein kleines Kamerateam hatte sich rund um den Drehbereich positioniert. Ein Typ in einem fliederfarbenen Anzug kam auf sie zu – der Regisseur.

"Zeit ist Geld also hör gut zu Matt! Ich habe mich für etwas ganz Neues entschieden! Nicht das übliche "Bla Bla – hier ist das Produkt"-Gelaber! Dieser Spot wird echte Kunst! Und du bist das Rot auf meiner Leinwand! Der Mittelpunkt!" Kann ich nicht lieber das Blau sein? Matt verkniff sich ein breites Grinsen. Er war es gewohnt, mit Verrückten konfrontiert zu werden. Genies waren oft so. Oder Menschen, die sich für solche hielten. "Du wirst in die Kabine gehen und die Jeans anziehen! Dann kommt du raus! Pow! Du betrachtest dich in dem großen Spiegel, posierst sexy, cool, lässig, wild, Rockstar! Dann gehst du wieder rein, ziehst dich um, kommst wieder raus! Das ganze Programm von vorne! Das wird einzigartig!" Lässig und wild gleichzeitig? ... Naja ... wenigstens keine Sprechrolle!
 

*
 

"WO SIND DIE JEANS?", brüllte jemand, dass die Wände erzitterten. Tai zuckte unwillkürlich zusammen. War das die Stimme von Matts Manager? Er klang so anders als in der Nacht im Café. Aber der Akzent war unverkennbar. "YAGAMI!" Akzentfrei. Das war sein Chef. Tai seufzte. Warum war er eigentlich immer für alles verantwortlich?

Pflichtbewusst lud er sich den Stapel Jeans auf die Arme und sprintete los. "Da in die Kabine!" Er deponierte die Sachen wie gewünscht und verharrte mit seinem Blick ein wenig zu lange auf den Kameras, die ihn anstarrten. "Willst du da Wurzeln schlagen?" Ein Typ mit einem bunten Jacket jagte ihn mit wedelnden Händen aus dem Drehbereich, als wäre er eine aufdringliche Taube, die es zu verscheuchen galt.

"Mach dich lieber nützlich und koch Kaffee für das Team!" Klar, er war ja auch der einzige Mitarbeiter hier. Ehrlich gesagt interessierte er sich schon für den Dreh. Wann war man schonmal live an einem Filmset und konnte zusehen, wie ein Webespot entstand? Noch dazu wenn der Akteur ein ehemliger Freund war... Aber scheinbar sollte ihm das nicht vergönnt sein. Enttäuscht marschierte Tai in die Küche und setzte eine große Kanne Kaffee auf.
 

Als er mit einem riesigen Tablett, das mit gefüllten Kaffeetassen bestückt war, zurück ans Set wankte, war das Spektakel bereits in vollem Gange. Tai war allerdings so mit der Balance des Geschirrs beschäftigt, dass er kaum hinübersehen konnte – zumindest wenn er nicht riskieren wollte, einen Kaffeetassenanschlag auf jemanden zu verüben. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn er Kaffee über jemanden verschüttete! Wahrscheinlich müsste er dann wegziehen und eine andere Identität annehmen um dem Zorn seines Chefs zu entgehen.
 

"Ja, genau so! Ach ich liebe diesen Kerl!" Scheinbar machte Matt seine Sache gut. Er wagte es, kurz aufzublicken – bereute es aber sogleich, denn er wäre beinahe über eins der Kabel gestolpert, konnte sich gerade noch fangen. Zufällig kam er direkt neben Brent zum Stehen, der ihm zuzwinkerte und ihm eine Tasse abnahm. "Good job, Taichi.", grinste er, hatte wohl diese athletische Leistung beobachtet. Konnte man ja glatt neidisch werden, Matts Chef war viel netter als seiner. Wie unfair das Leben doch die Resssourcen verteilte...
 

*
 

Langsam hatte er keine Lust mehr, sich dauernd umzuziehen. Ob es schon einen Guiness-Weltrekord in dieser Disziplin gab? Achthundertmal die Hose wechseln in zwei Stunden? Genug Zeugen waren jedenfalls anwesend.

Die übergroßen Scheinwerfer trieben ihm den Schweiß auf die Stirn aber er ließ sich seine Stimmung nicht anmerken. Es war ja schließlich fast geschafft. Also.. bald. Hoffentlich. Der Regisseur lobte ihn zwar permanent mit immer neuen Worten, aber irgendwie wollte er trotzdem noch ein weiteres Take, und noch eins, und noch eins... Model oder Schauspieler war definitiv kein Beruf für ihn.
 

"Wunderbar! Jetzt noch ein paar Takes ohne dieses Hemd und dann ist das Kunstwerk perfekt!" Matt warf Brent einen Blick zu. Der zog nur zweimal anzüglich die Augenbrauen hoch. Scherzkeks. Er knöpfte das Hemd auf und warf es seinem Manager zu.

"Oh ja, ich kann es schon vor mir sehen!"
 

*
 

"Den Drink hast du dir hart erarbeitet.", gab Brent zu und schlug Matt auf die Schulter. "I'm proud of you." Der Sänger lächelte und schlüpfte in seine Jacke. Nun hatte der Dreh doch noch den ganzen Nachmittag gedauert. Draußen dämmerte es bereits. "Ich bin gespannt auf das Ergebnis.", murmelte er und blickte durchs Schaufenster zu den herumwuselnden Filmmitarbeitern, die ihre Ausrüstung verluden. "Ich auch. Aber es wird great. Ganz sicher."

Der Pulse-Boss kam auf die beiden zu. Unvermittelt griff er nach Yamatos Hand und schüttelte sie als gäbe es kein Morgen. "Vielen Dank für die gute Arbeit! Ich hatte ja zuerst meine Zweifel, aber ich glaube, das wird der Hit! Die Leute werden uns die Jeans aus den Händen reißen! Ich habe schon ein paar Ausschnitte gesehen!" Etwas überrumpelt nickte Yamato.
 

"Dann können wir ja jetzt feiern gehen!" Ja bitte, bevor noch mehr Leute versuchen, mir den Arm abzureißen. Sie verließen das Geschäft durch den Hinterausgang und schlenderten zu Brents Wagen. Ein paar Meter vor ihnen lief Tai in seinen wohlverdienten Feierabend. "Hey wie wär's wenn wir deinen alten Kumpel Taichi auch einladen?" Was? "Öhm." Das hatte Brent wohl als "Ja" gereicht, denn er joggte so hastig hinter Tai her, dass sein Pferdeschwanz ins Fliegen geriet. "Taichi! Excuse me!"
 

Zweifelnd biss sich Yamato auf die Unterlippe. Sollte Tai auf Brents spontane Einladung eingehen, kam er wohl nicht mehr um die Aussprache herum. Naja, er hatte sich ja nun sieben Jahre lang mehr als erfolgreich darum gedrückt. Es wurde Zeit. Sein guter Vorsatz vom Sonntagmorgen stand noch, aber er hatte nicht erwartet, dass er so schnell in die Situation kommen würde. Aber beschlossen war beschlossen... felsenfest, unumstößlich, jawohl! Auch wenn ihm die Nervosität über den Rücken kroch – er hatte seinen Entschluss gefasst.
 

*
 

"Komm doch noch mit auf einen Drink! Du hast hart gearbeitet, ich hab's gesehen. Wer arbeitet, muss auch mal Spaß haben!" Brent grinste ihn auffordernd an und seine grauen Augen funkelten. Er musste ihn mit der nächtlichen Handy-Zurückbring-Aktion irgendwie beeindruckt haben – oder gab es vielleicht noch einen ganz anderen Grund für seine Freundlichkeit? Wahrscheinlich war er einfach ein sehr offener Mensch. War das die amerikanische Mentalität?

In Tais Kopf ratterte es. "Ähm."

Er sah Brent an, der abwartend vor ihm stand und lugte dann verstohlen über dessen Schulter hinweg zu Matt, der an dem weißen Auto lehnte. Das war eine neue Chance für dieses Gespräch, das er führen wollte. Andererseits kam das wirklich ungelegen – heute Abend wollte er doch zu seinem Masao gehen! Hatte er nicht versprochen, es besser zu machen und ihn nicht mehr zu vernachlässigen? Masaos enttäuschter Blick erschien vor seinem inneren Auge. Er konnte ihn doch nicht schon wieder versetzen und dann mit anderen Leuten losziehen... Wenn er das rausbekäme... er war so ein Arsch, dass er überhaupt darüber nachdachte!

Es kam nicht in Frage!

Aber... als Matt so zu ihm rüberschaute, geriet er doch wieder ins Zweifeln.

Ach verdammt!

Es war falsch, so richtig falsch! Aber er musste einfach mitgehen. Das war die Chance, endlich richtig mit Matt zu reden! Letztendlich würde das auch Masao zu Gute kommen! Zumindest half es, sich das einzureden.

Er war immernoch unschlüssig. Wollte Matt überhaupt, dass er mitkam? War das nicht eher so eine Art... geschäftliche Feier?

Brent schien seinen Blick verfolgt zu haben, denn er lächelte.

"Matt würde sich auch freuen, wenn du mitkommst." Würde er?

"Na gut dann.. danke für die Einladung!" Wenn das mal nicht ein Schritt ins Verderben war. Sein schlechtes Gewissen gegenüber Masao fing jetzt schon an, ihn zu verschlingen. Er versuchte, den Gedanken schnell beiseite zu schieben. Es würde ja das letzte Mal sein, dass er ihn wegen einer anderen "Verabredung" versetzte – nein – er verschob ihr Wiedersehen ja nur... auf morgen. Spätestens!
 

*
 

Irgendwie hatte er sich doch etwas anderes unter der Einladung vorgestellt. Statt in einer netten Bar um die Ecke, in der man an der Theke herumlungern, locker reden und Cola trinken konnte, saß er nun im hinteren Bereich eines "Clubs" im bläulichen Halbdunkel auf einem Designer-Ecksofa – das zugegebenermaßen sehr bequem war – und betrachtete den im dunkeln leuchtenden Drink, der vor ihm auf einem Glastischchen stand. Die Musik aus dem Tanzbereich drang herüber, aber die gedämpfte Lautstärke erlaubte Unterhaltungen.

Neben ihm tippte Brent auf einem Mobiltelefon herum und schräg gegenüber nippte Matt an seinem Drink. So richtig wohl fühlte Tai sich hier nicht. Wahrscheinlich weil er nicht so oft in exklusiven Clubs und deren VIP-Bereichen herumhing. Ja, das musste es sein. Er musste versuchen, sich zu entspannen und das Gespräch in die Wege zu leiten.

Entschlossen griff er nach dem Glas mit dem leuchtenden Getränk und probierte einen Schluck. Brent hatte es ihm bestellt. Er hatte nicht allzu viel für Alkohol übrig und auch die fruchtige Süße dieses Drinks machte es nicht besser. Aber vielleicht würde es ihn ein bisschen lockern. Er stellte das nun halb geleerte Glas wieder ab.

"Und schmeckt's?", erkundigte sich Brent.

"Es ist nicht schlecht, danke. Gute Wahl." Das zauberte ein breites Grinsen auf das Gesicht des Managers.

"Matt mag es nicht so sweet, aber er hat eben keinen Geschmack."

Matt warf Tai einen kurzen Blick zu, lehnte sich zurück und erwiderte dann trocken:"Tai mag es auch nicht, er ist nur zu höflich, um das zuzugeben."

"Also, ich fand es wirklich nicht so übel!"

Matt grinste. "Gib doch einfach zu, dass ich dich durchschaut habe."

"Niemals!"

"Du hast dich kaum verändert."

'Du dich auch nicht' wollte er sagen, zögerte aber. Wenn sie so miteinander redeten, hatten die sieben Jahre Funkstille nicht stattgefunden. Aber in Wirklichkeit war Matt inzwischen der Star, der er immer hatte sein wollen und schwebte damit in einer ganz anderen Sphäre. In einer Glitzersphäre voll von VIP-Clubs, Konzerten und Werbedrehs. Meilenweit über ihm und über seinem alten Leben.

Plötzlich stand Brent auf. "Ich bin gleich wieder da, guys. Lasst euch nicht stören." Matt blickte ihm stirnrunzelnd nach.

"Du bist dafür sehr weit voran gekommen."

"Ja... aber ich musste auch eine Menge dafür aufgeben." Das Lächeln auf Matts Gesicht wirkte traurig.

Einige Sekunden sahen sie sich schweigend an.

"Ich habe lange bereut, mich damals nicht von dir verabschiedet zu haben.", gab Tai schließlich zu.

Matt hob eine Braue. "Ich hatte sowieso nicht damit gerechnet, dass du da sein würdest – ich hatte es nicht anders verdient."

Die Worte versetzen ihm einen Stich. Du dachtest, ich will dich mit meiner Abwesenheit bestrafen? So sehr hatte Matt sich scheinbar doch nicht verändert. Sich die Schuld an allem zu geben, war schon immer ein Hobby seines besten Freundes gewesen. Zu der verhängnisvollen Nacht hatten sie jawohl beide gleichermaßen beigetragen.

"Ich bin nur nicht zum Flughafen gekommen weil... weil ich nicht damit klar kam, dass du weggehst. Ich war einfach feige!"

Es tat gut, endlich darüber zu sprechen. Er spürte, wie die Last auf seinem Herzen abnahm. Befreiend.

Matt hatte sich langsam ein Stück zu ihm vorgebeugt und blickte ihn mit aller Offenheit an.

"Und wenn ich geblieben wäre?"

Willkommen zu Hause

Kapitel 6
 

Damals hatte er sich zwischen den beiden wichtigsten Dingen in seinem Leben entscheiden müssen. Freundschaft oder Musik? Aber als das eine zerstört schien, war die Entscheidung klar gewesen. Ein kampflos beendetes Gefecht. Und obwohl er sich somit für die Karriere entschieden hatte, hatte ein kleiner Teil von ihm den ganzen Abreisetag lang nach Tai Ausschau gehalten. Dutzende Male hatte er sich eingebildet, den wirren Schopf seines Freundes in einer Menschenmenge entdeckt zu haben. Zwei Mal hatte er sogar geglaubt, Tais Stimme würde ihn rufen. Aber jedes Mal war nur die Enttäuschung über die Realität geblieben, ein Seufzen und die Erinnerung an die letzten Wochen ihrer Freundschaft. Im Flieger vermischten sich diese Gefühle noch mit einer Prise Wut, Wut auf sich selbst und ein bisschen auch auf Tai. Aber der ganze Gefühlscocktail versickerte nach und nach, je länger er von Tai fort war. Nach einigen Wochen fühlte er weder die Wut, noch die Traurigkeit, sondern nur noch eine seltsame Einsamkeit. Sein bestes Ventil dafür waren von Anfang bis Ende seine Songs gewesen. Damit konnte man wunderbar verarbeiten und loslassen. Aber immer nur ein Stückchen... Bis er Samantha traf, war er überzeugt gewesen, sich nie wieder jemandem so nah und verbunden fühlen zu können, wie Tai. Doch nach einigen Monaten des Glücks wurde auch das wieder zerschlagen, nur war er sich dieses Mal sicher, dass es nicht seine Schuld war. Samanthas Betrug hatte ihn hart getroffen. Dass sie ihn trotzdem für ihren Fehltritt verantwortlich machen wollte, machte es noch schlimmer. Kreischende Weiber hier, Liebeslieder da. Sie hatte ihm ständig Untreue unterstellt und war am Ende selber auf Abwege geraten. Der Rest war nur noch Streit und Tränen. An diesem Tiefpunkt hatte er begonnen, sich zu fragen, ob es das alles wert war. Ob sein Leben nicht viel glücklicher hätte verlaufen können, wenn er nicht fortgegangen wäre. Wenn er einfach weiter für sich und seine engsten Freunde Musik gemacht hätte. Wenn er...

Tai blickte ihn mit großen Augen an, Verwunderung spiegelte sich darin.
 

"Dann hätte ich dich dafür verprügelt, dass du deinen Traum so einfach aufgibst." Tai lächelte. Es sah fast aus, wie sein altes Tai-Lächeln von früher, warm und irgendwie ehrlich. Aber in seinen Augen lag ein Hauch von Melancholie.

Matt antwortete mit einem leichten Grinsen. Das war einfach typisch für Tai. Er dachte zuerst an andere und dann an sich. Aber seine eigentliche Frage war damit noch nicht beantwortet.

"Wäre unsere Freundschaft dann.. weitergegangen?" Was für eine bescheuerte Formulierung! Aber es war schwer genug, überhaupt darüber zu reden. Takeru erschien vor seinem geistigen Auge und lachte ihm ermutigend zu.

Tai legte den Kopf etwas zur Seite und sein Blick wanderte zur Decke, als würde er nachdenken. Ob er an ihre tolle Zeit vor dem ganzen Chaos dachte? "Ja, ich denke schon."

Matts Mundwinkel zuckten zaghaft nach oben. "Dann können wir theoretisch auch jetzt wieder... Freunde werden?" Hoffnungsvoll beobachtete er Tais Reaktion, suchte in seiner Mimik nach einem positiven Zeichen. Tais Blick wirkte unsicher, grübelnd. Eine feine Gänsehaut sauste über Matts Arme. Verständlich, dass Tai Zweifel hatte. Sie kannten einander ja kaum mehr wirklich. Auch wenn sie den Fotos von damals noch stark glichen, so hatte doch jeder von Ihnen ein völlig anderes Leben gelebt, mit Erfahrungen, die einen Menschen zwangsläufig veränderten. Aber sie konnten sich ja wieder kennenlernen und...

"Hey guys, habt ihr Lust, zu tanzen?", unterbrach Brent plötzlich das Gespräch. Matt zuckte innerlich zusammen. Nicht jetzt Brent! 

Tai stand auf. "Danke, aber... ich muss jetzt langsam nach Hause!" Er wich Matts Blick aus. "Danke für den Drink und... bis dann!" 

"Tai!" Aber er reagierte nicht mehr, sondern lief schnurstracks zum Ausgang. Dann war er verschwunden. Matt atmete tief ein.

Verdammt! Er ließ dem Kopf sinken.

Der Traum von der alten neuen Freundschaft war zerplatzt. Tais Reaktion war eindeutig gewesen. Auch wenn sie nicht zu dem Bild passte, das er von seinem ehemals besten Freund hatte... was nur erneut dafür sprach, dass sie sich nicht besser kannten, als Fremde. Aber jetzt hatte er wenigstens sowas wie eine Antwort. Auch wenn sie deprimierend war.

*

Tai verspürte das dringende Bedürfnis, seinen Kopf gegen etwas hartes zu schlagen. Er lief zur U-Bahn - nein, eigentlich rannte er. Rannte weg. Es war lächerlich. Er war lächerlich und die ganze Situation war es ebenfalls. Er war mit Brent und Matt losgezogen, um sich klarer über seine Gefühle gegenüber seinem ehemaligen besten Freund zu werden... Nun sollte alles klar sein. Matt tat es leid, ihm tat es leid. Die Sache von damals war abgehakt. Matt wollte sogar, dass sie wieder richtige Freunde wurden. Aber... die Sache war nicht so einfach. Es war nicht so, dass er nicht auch gerne seinen besten Freund zurück gehabt hätte. Aber er wusste, dass er es nicht nochmal erleben wollte, ihn dann wieder aufgeben zu müssen. Auf keinen Fall! Es war besser, wenn sie die Sache nun auf sich beruhen ließen. Jetzt wo er einfach abgehauen war und sich damit wie ein egoistischer Vollidiot verhalten hatte, würde es Matt sicherlich auch leichter fallen, mit dem Kapitel ihrer Freundschaft abzuschließen. Nun waren sie schließlich quit.

*

Seitdem waren nunmehr zwei Wochen vergangen.

Tatsächlich gestaltete sich sein Liebesleben jetzt etwas geordneter als zuvor. Das war unter anderem auch Masaos unendlicher Geduld zu verdanken. Er war einfach ein guter Mensch. Und er schätzte sich glücklich, von so einem Menschen geliebt zu werden. Er war dankbar für gemütliche Momente wie diesen, in dem er auf dem Sofa lümmeln konnte, den Kopf seines Freundes auf dem Schoß, während sie einfach nur fernsahen und sich gegenseitig mit Popcorn fütterten. Es war das Paradies. Draußen tobte ein Gewitter, das seines gleichen suchte, Regen prasselte gegen die Fensterscheiben - aber das machte die wohlige Wärme hier drinnen nur noch gemütlicher. Der Duft von Masaos Haaren vermischte sich mit dem süßen Aroma des Popcorns. Tai beugte sich herunter um Masao zu küssen. Sein Leben sollte für immer so perfekt sein, wie dieser Moment. Masao küsste ihn zurück, schob Tai dann aber leicht von sich. Überrascht und auch fast etwas beleidigt über diese Geste sah Tai ihn an. Aber sein Freund grinste nur keck, griff in die Popcornschale und stopfte sich eine handvoll Popcorn in den Mund.

"Soll das etwa heißen, du ziehst Popcorn mir vor?!", fragte er gespielt wütend. Sein Freund lachte.

"Du bist eben nicht so süß wie Popcorn." Masao sprang auf und schnappte sich die Schüssel, welche inzwischen beinahe leer war.

"Deswegen muss ich jetzt neues machen." Er streckte Tai die Zunge heraus und verschwand in der Küche. Das würde noch Rache geben. Oh ja. Tai grinste und verschränkte die Arme hinterm Kopf. Auf einmal gab sein Handy ein Piepsen von sich - eine SMS. Vermutlich von einem seiner Teamkameraden. Er holte das Telefon hervor, öffnete die Nachricht und stutzte. Sie war von einer unbekannten Nummer. "

"Matt braucht dich." Mehr stand da nicht. Sicher kam das von Brent. Aber er würde nicht darauf eingehen. Er war froh, dass die Fronten einigermaßen geklärt waren. Na gut, er hatte nicht auf Matts Frage geantwortet, aber seine Reaktion war doch nicht zu missinterpretieren gewesen oder? So schön der Vorschlag mit der neuen alten Freundschaft auch klingen mochte, so war doch eigentlich klar, dass das nicht funktionieren konnte. Er seufzte und legte das Handy beiseite bevor Masao zurück kam und sich wieder an ihn kuschelte.
 

*
 

Wieder eins dieser alten Lieder von damals. Schnipsel des Songtexts, zusammengepuzzelt und zu einem ganzen Lied zusammengesetzt. Der Proberaum war leer und dunkel. Genau richtig. Er schlug die Saiten an und schloss die Augen. Die Töne füllten die Stille.
 

Light the fire in this castle

and watch it burn into a glow

By the river fear of quite sincere

there's a drawbridge life support
 

And there's a plank we'll have to crawl upon

but dare not look below
 

where the water scene is crystall clean

and the clouds are raining snow
 

So hush hush baby

there's a lot of other ways to choke

we're in a freakshow now

and we're dealing with a mind of its own

when too many worlds collide

I'd like to think it would be good if we talked

I ask you to not leave my side

I can't man - this is quicksand alone
 

So I ask you through the voice of a friend

why don't you stay with me

through the voice of a friend

why don't you stay with me
 

Als er die Augen wieder öffnete und die Töne verklangen, sah er, dass Brent im Türrahmen lehnte. "Das solltest du bald einsingen, könnte eine tolle Single werden.", sagte er und lächelte.

"Später vielleicht." Matt legte die Gitarre zur Seite und sah ihn wartend an. Wie hatte er ihn hier gefunden? Höchstwahrscheinlich war er erst bei ihm zu Hause gewesen...

"Komm, wir gehen eine Pizza essen!"
 

*
 

Brent schaute ihn an wie eine besorgte Mutter ihr Kind. Das tat er schon seit Tagen, aber heute war es mal wieder besonders eindringlich.

"Ich sage ja nur, lass dich nicht so hängen." Nur war gut. Er sagte es alle zehn Minuten.

Matt nahm einen großen Bissen von seiner dampfenden Pizza und kaute genüsslich. Er hatte keine Lust mehr, dauernd so mitleidig angesehen zu werden. Ja, es hatte ihn ziemlich getroffen, dass Tai auf seine Frage hin fluchtartig den Raum verlassen hatte. Aber letztendlich war das sein gutes Recht gewesen und er versuchte, das zu akzeptieren. Und es gelang ihm mit jedem Tag besser. Er hatte es doch damals in etwa genauso gemacht. Es war nur fair.

"Ich lasse mich doch gar nicht hängen."

Brent zog eine Braue hoch.

Lag es an dem Lied? Unwahrscheinlich, er hatte ja auch früher melancholische Texte geschrieben.

"Ich gehe nachher noch aus. Zufrieden?"

Brent neigte den Kopf, scheinbar unschlüssig darüber, ob er die Sache glauben konnte.

"Ich schicke dir morgen eine Liste mit Zeugen. Und jetzt wechseln wir das Thema, wenn's recht ist." Endlich grinste Brent wieder wie gewohnt und begann ebenfalls, seine Pizza zu verputzen. Er schien inzwischen schon so große Angst um Matts seelisches Befinden zu haben, dass er ihm erlaubte, komplett ohne Sicherheitspersonal alleine durch die Stadt zu ziehen. Das hieß, er machte sich wirklich Sorgen um ihn. Aber es gab keinen Grund. Er kam besser mit der Sache klar, als er selber gedacht hatte. Und vor allem hatte sein Kopf endlich aufgehört, ihm ständig Fragen wegen damals zu stellen.
 

*
 

Als sein Handy schon wieder piepste und er von dem selben Absender eine MP3-Datei erhielt, überlegte Tai ernsthaft, sich eine neue Nummer zuzulegen. Langsam grenzte es an Stalkerei. Es war vorbei, die Sache war abgeschlossen, Strich drunter. Er wollte nicht ständig damit konfrontiert, und darum gebeten werden, es sich nochmal zu überlegen und seine Entscheidung zu ändern. Aber Brent schien ziemlich hartnäckig zu sein. Musste man als Manager wahrscheinlich auch.

Tai seufzte.

Masao war vor einer Stunde nach Hause gegangen, als das Gewitter aufgehört hatte. Mit einem Schlag fühlte sich die Wohnung wieder leer und kühl an. Aber sein Geruch hing noch an seinen Klamotten und tröstete Tai. Naja trösten war übertrieben. Sie würden sich ja in Kürze wiedersehen. Noch wohnten sie nicht zusammen, aber das war wohl nur eine Frage der Zeit, wenn es nach Masao ging. Tai war sich nicht sicher, ob er den anderen mit seinem chaotischen Ordnungssystem nicht schneller vergraulen würde, als ihm lieb war. Vielleicht war es einfach Zeit, erwachsen und... ordentlich zu werden.

Argwöhnisch betrachtete Tai das Display seines Telefons. Öffnen oder nicht öffnen? Eigentlich war direktes Löschen die beste Konsequenz aus seinem Entschluss... Tai presste die Lippen aufeinander und sah sich im Raum um, als könnte Masao noch hinter dem Sofa hocken, und ihn bei etwas Verbotenem beobachten. Was für ein Quatsch.

1:0 für die Neugier. Schande über ihn und seine Schwäche!

Aus dem kleinen Lautsprecher kamen leise Gitarrenklänge.
 

*
 

Es war der perfekte Ort, um ohne Nerverei ein bisschen Spaß zu haben. "Masquerade" machte seinem Namen alle Ehre. Im Eingangsbereich des unmoralisch teuren Clubs befand sich eine Art Garderobe an der jeder Gast eine Maske auswählen konnte, die er hier die ganze Zeit über tragen würde. Die Auswahl war riesig und alle waren hochwertige Arbeiten von modernen Spitzenkünstlern. Matt war die Wahl nicht schwergefallen, die schwarz-silbern verzierte Wolfsmaske hatte ihn förmlich angejault. Sie verdeckte sein Gesicht ab den Nasenflügeln aufwärts. Kurz warf er einen Blick in den Spiegel um seine Eitelkeit zu befriedigen. Alles saß gut. Er grinste sich selbst zu und trat seine Erkundungstour durch den Cub an.

Von außen hatte es gar nicht so gewirkt, aber es war unheimlich groß, zahlreiche Räume reihten sich aneinander. Das Ambiente schwankte zwischen knallig-jugendlich, edel-elegant und modern-futuristisch... es wirkte ein bisschen wie der wirre Fiebertraum eines Designers. Aber im positiven Sinn.

Drinks gab es an jeder Ecke. Sogar das Personal war maskiert. Eine Katze brachte ihm seinen Gin auf einem goldenen Tablett. In den meisten Räumen spielte laute Musik verschiedener Stile, einer hatte eine Liveband. Matt lehnte an der Wand des neusten von ihm entdeckten Raumes und beobachtete einige Tänzerinnen mit Vogelmasken und Pfaufenfedern an der Unterwäsche, die sich akrobatisch an Stangen austobten. Die Partymeute tanzte ausgelassen zu Rockmusik und der Alkohol breitete sich angenehm warm in seinem Körper aus, als er sich dazugesellte. Der Beat der Musik wurde zum Puls der tanzenden Masse und gleichzeitig zu seinem Herzschlag. All die Fremden um ihn herum, die sich zur Musik bewegten, machten ihn neugierig und entspannt zur selben Zeit. Eine Tanzfläche voller fleischgewordener Geheimnisse Dieser Hauch von Anonymität beflügelte seinen Geist. Es war toll, hier zu sein.
 

Eine Stunde später spielte er in einem anderen Raum eine Partie Billiard mit einem Panther, einem Adler und einem Löwen. Die ganze Zeit über fühlte er sich beobachtet, aber in diesem Maskenwald war es umso schwerer, die Blicke der Leute aufzufangen und man sah ihre Mienen nicht. Als das Spiel zu Ende war, zog er weiter in einen riesigen runden Raum, in dem die einzige Lichtquelle ein riesiger, leuchtender Teich war, der fast den kompletten Boden einnahm. In die Wand waren mehrere lederne Sitzbereiche eingelassen, wie Sofas und die Decke war eine Immitation des Sternenhimmels. Hier war niemand außer ihm. Er nahm auf einem der Sofas Platz und betrachtete für eine Weile die ebenfalls leuchtenden Fische im Wasser. Ob die echt waren? Wahrscheinlich nicht. Vielleicht sollte er sich langsam auf den Heimweg machen. Wie spät es wohl war? Jedenfalls fühlte er sich langsam ein wenig müde.

Er hob den Blick. Eine Frau mit einer Fuchsmaske näherte sich ihm. Ihr Gang war sehr körperbetont und sie lächelte verführerisch, als sie sich direkt neben ihn setzte. Ohne Zweifel war es ihr Blick gewesen, den er die ganze Zeit über gespürt hatte. Sie roch nach Orange.

"Ganz allein hier?", schnurrte sie ihn an.

Nicht gerade der originellste Anmachspruch, den er je gehört hatte. Aber er hatte nichts gegen etwas Gesellschaft einzuwenden. So störte er sich nicht weiter daran und kam mit ihr ins Gespräch.
 

*
 

"Soso, du bist also Künstler. Darf ich raten?"

Sie griff nach seiner Hand und fuhr mit ihrem Zeigefinger sanft über seine Handfläche. Eine Gänsehaut huschte über Matts Schultern. Die Katze klimperte zuckersüß mit ihrem langen Wimpern und lächelte.

"Kein Maler jedenfalls.", sie ließ seine Hand wieder los und blickte ihm tief in die Augen. "Bestimmt bist du Musiker. Bei deiner angenehmen Stimme, wahrscheinlich Sänger, was?"

Matt hob eine Augenbraue, was man hinter der Maske aber wohl nicht sehen konnte. Woher wusste sie das? Konnte man das wirklich nur von seiner rechten Hand und seiner Stimme her schließen? Oder hatte sie ihn vielleicht erkannt, und tat jetzt nur unwissend?

"Vielleicht.", antwortete er. Irgendwie war ihm nicht gut. Ein leichtes Übelkeitsgefühl überkam ihn. War der letzte Happen, den er vom Tablett einer der Angestellten gereicht bekommen hatte, nicht in Ordnung gewesen?

"Oh du bist gemein. Wenn ich richtig liege, kannst du es doch auch zugeben."

Sie seufzte, als er nicht darauf einging.

"Du bist ja wirklich geheimnisvoll, Mr. Wolf. Aber das gefällt mir!", schnurrte sie und lehnte sich enger an ihn. "Wollen wir nicht woanders hingehen?"

Zwar war das Angebot nicht vollkommen uninteressant, aber eigentlich war er ja extra hierher gekommen, um komplett unerkannt zu bleiben – und auch um unerkannt wieder zu gehen. Vielleicht verbarg sich hinter der Katze am Ende eine einfallsreiche Reporterin... außerdem waren da noch diese ätzenden Bauchschmerzen und sein Kopf fühlte sich auch langsam schummrig an.
 

*
 

Er hätte vielleicht doch mehr getrunken, als er gedacht hatte. Schon der Weg vom Bordstein bis zur Eingangstür war eine kleine Herausforderung. Wie spät war es? Keine Ahnung, aber er hatte sich kaum von der Füchsin losreißen können. Sie hätte ihn am liebsten mit zu sich genommen... aber irgendwie hatte er sich von da an mit jeder Minute schlechter gefühlt. Als hätte er etwas falsches gegessen. Jedenfalls fuhr sein Kopf Karussel und sein Magen brannte. Er tastete sich an der Wand entlang durch die dunklen Flure. Was für eine Nacht.

Er brauchte den ganzen Weg, um den Schlüssel aus seiner Hosentasche zu fingern... aber als er ankam, musste er feststellen, dass die Tür gar nicht abgeschlossen war. Aber er hatte sie doch beim Verlassen zugeschlossen. Oder? Er tat das immer. Schon das Nachdenken über dieses einfache Detail schmerzte in seinem Kopf. Verdammt, er brauchte dringend Schlaf, eine Schmerztablette, ein Glas Wasser...!

Die Tür war jedenfalls offen... aber er hatte sie nicht offen gelassen, als er gegangen war. Er erinnerte sich daran. Das konnte nur bedeuten, dass sich jemand anderes Zugang verschafft hatte. Ein Paparazzi? Ein verrückter Fan? Der Schreck über diesen Gedanken riss ihn nur minimal aus seiner Umnebelung.

Er schritt vorsichtig in seine Wohnung. War der Einbrecher womöglich noch anwesend? Er blieb kurz stehen um zu lauschen. Aber da war nichts, keine Schritte, kein Rascheln, kein fremdes Atmen.... Nur ein... merkwürdiger Geruch. Süßlich.

Was zum Teufel war hier los? Matt drückte auf den Lichtschalter und zog die Tür hinter sich zu. Sein Körper erstarrte. Sein Atem stockte. Ein kalter Schauer rieselte seinen Rücken hinab und stellte die Härchen in seinem Nacken auf. Es war wie in einem schlechten Horrorfilm.

Sein Wohnzimmer ertrank beinahe in Rosenblättern; fast als hätte der Boden geblutet. An der gegenüberliegenden Wand prangte in schönster roter Handschrift geschrieben:"Willkommen zu Hause mein Edelstein!"

Schlaflos

Kapitel 7 – Schlaflos
 

Tai warf sich die Sporttasche über die Schulter.

"Dann bis nächste Woche Jungs!" Er hob die Hand zum Gruß und stapfte aus der Umkleide. Es gab doch nichts besseres, als diese angenehme Ausgeglichenheit nach einem anstrengenden Training. Kühle Luft strich über sein erhitztes Gesicht. Tai schloss für einen kurzem Moment die Augen, um das Gefühl zu genießen. Jetzt würde er sich auf den Weg zu Masao machen. Sie könnten sich vor ein nettes Eiscafe setzen und das schöne Wetter genießen... oder einen Spaziergang im Park machen, oder...

"Yagami Taichi?"

Erschrocken blinzelte er und blieb stehen, hatte die beiden Fremden gar nicht herankommen gehört. Ein etwas dicklicher Mann, vielleicht Anfang 40, mit Stoppelbart und eine junge Frau mit straff gebundenen Haaren standen vor ihm.

"Guten Tag. Ja, das bin ich. Und wer sind Sie?"

Der Mann erwiderte sein Lächeln nicht, sondern griff in seinen Mantel und hielt ihm dann eine Polizeimarke vors Gesicht.

"Ich bin Kommissar Moteuchi, das ist meine Patnerin Frau Saito."

Tai machte große Augen und musterte den Ausweis so eindringlich, als würde er einen schlechten Scherz vermuten. Polizei? Kommissare? Was wollten die von ihm? War Kari irgendwas passiert? Sein Herz schlug schneller.

"Was ist passiert?"

Aber die Polizisten reagierten gar nicht auf seine Frage.

"Wo waren Sie gestern Nacht in der Zeit von neun bis zwei Uhr?"

Wo er gewesen war? Wurde er verdächtigt? Für was denn? Gab es einen Einbruch bei Pulse? Er musste ruhig bleiben. Angestrengt versuchte er, seine Aufregung zu verdrängen. Es war sicher alles halb so wild.

"Zuhause in meiner Wohnung."

"Kann das jemand bezeugen?"

Tai zögerte. "Ja, mein Freund."

"Name?"

"Können Sie mir vielleicht bitte erstmal sagen, was eigentlich los ist?", versuchte er es erneut.

"Name?", beharrte der Dicke.

Tais Hand krampfte sich um den Schultergurt seiner Sporttasche. Das war ja zum Verrücktwerden!

"Nakamura Masao."

Die junge Frau notierte den Namen auf einem kleinen Notizblock.

"Wir werden das überprüfen."

Damit machte das ungleiche Paar kehrt, als wäre gar nicht gewesen.

"Hey! Ich will wissen, was los ist!", rief er ihnen nach. "Ich habe doch wohl ein Recht darauf, das zu erfahren!"

...

Die beiden zuckten nichtmal, sondern liefen ungerührt weiter zu ihrem Auto. Sowas dreistes! Er warf ihnen einen letzten ärgerlichen Blick hinterher. Das war verschwendete Mühe.

Irgendetwas musste gestern Nacht geschehen sein. Ein Verbrechen. Mit einem flauen Gefühl im Magen griff er nach seinem Handy um seine Eltern anzurufen.
 

*
 

Matt lehnte mit verschränkten Armen an der Wand des riesigen Wohnzimmers und blickte Brent verständnislos an.

"Das ist völlig übertrieben. Ich bin nicht Robby Williams oder so."

Sein Blick glitt über die riesige blaue Sofa-Insel, dann zu dem überdimensionalen Fernseher, der in die gegenüberliegende Wand eingelassen war. Die großzügig ausgestattete Küche war durch einen Thresen vom Rest des Raums abgetrennt. Brent hatte probeweise auf einem der dort stehenden Barhocker Platz genommen.

"Nein, das ist völlig angemessen für jemanden wie dich. Wie du vorher gewohnt hast war unangemessen."

"Wahrscheinlich hast du den Einbruch inszeniert, damit du mich endlich zum Umziehen überreden kannst.", erwiderte der Sänger trocken und stieß sich elegant von der Wand ab.

"Hier ist es nicht nur komfortabler, sonder auch sicherer, Matt."

Das bezweifelt er nicht. Der kleine, weiße Kasten blinkte ihn aus der oberen Zimmerecke an. Naja, eine Alarmanlage war wohl nicht die schlechteste Idee... aber musste es denn unbedingt gleich so eine Villa sein? Das fühlte sich irgendwie falsch an... abgehoben.

Brent stand auf und bedeutete ihm mit einer Geste, ihm zu folgen. Neben der Küchenzeile gab es noch eine Tür, die Matt bisher nicht aufgefallen war. Sie führte auf das Außengelände hinter der Villa zu einem abgegrenzten Bereich. Von einer Art Sichtschutzmauer umgeben lag dort ein Pool.

Matt hob eine Braue. "Gut, und wo ist mein privater Zoo? Gibt es auch noch eine hauseigene Achterbahn? Auf dem Dach vielleicht?"

"Nein, leider nicht. Aber es gibt einen kleinen Proberaum im Keller und daneben einen Fitnessraum."

Wieso nur fühlte er sich auf einmal wie ein Snob? Dieser ganze Luxus machte ihn schwindelig. Er brauchte das doch gar nicht. Am liebsten wäre er wieder in sein altes Bett gekrochen.

"Brent das ist zu viel."

"Du musstes ja nicht benutzen, wenn du nicht willst." Brent grinste. "Aber es wäre schade drum."

Ein Klingeln unterbrach ihre Führung. Brent ging wieder hinein um die Tür zu öffnen. Matt warf dem Pool noch einen mürrischen Blick zu und betrat dann ebenfalls wieder das Küchen-Wohnzimmer.

"Matt, das ist Mr. Morel."

"Jules.", stellte sich der Detektiv vor und deutete eine Verbeugung an. Ein Mann, der kein Alter zu haben schien. Eisblaue Augen blickten ihm lächelnd aus einem feingeschnittenen Gesicht entgegen.

"Ich würde ja sagen: Willkommen in meinem bescheidenen Heim...", brummte Yamato.

"Es ist zweifellos ein entzückendes Heim." Morels... ach nein – Jules' Stimme strahlte Ruhe und Gewissenhaftigkeit aus. Ein charismatisches Lächeln rundete das Gesamtbild ab. Wo grub Brent nur immer solche Leute aus?

Das Engagieren eines Privatdetektivs empfand Matt als genauso überflüssig wie diese Luxus-Bude, aber Widerstand hatte wie üblich keinen Zweck gehabt. Zugegeben... er fühlte sich unwohl bei dem Gedanken daran, dass da draußen irgendwo eine Person herumlief, die es scheinbar so sehr auf ihn abgesehen hatte, dass sie nachts in seine Wohnung einstieg und "Liebesbotschaften" an seine Wände schmierte... Naja, es war vielleicht gar nicht so falsch, die Ermittlungen eigenständig zu beschleunigen. Die Erinnerung an gestern Nacht jagte ihm noch immer eine Gänsehaut über die Schultern.
 

Dieser Morel sollte einer der besten seines Gebiets sein, ein richtiges Detektiv-Genie sozusagen. Brent hatte ihn noch in der Nacht des Vorfalls von Matts Wohnung aus angerufen. Na da konnte ja nichts mehr schiefgehen...

Sie nahmen auf der blauen Sofa-Insel Platz, wo Brent und Jules das weitere Vorgehen besprachen während Matt wenig begeistert kalte Nudelsuppe schlürfte, Reste aus Brents höchst eigenem Kühlschrank! – Es war in der Hektik einfach keine Zeit gewesen, zu kochen oder gar einzukaufen.

Jules erläuterte, dass einige seiner Angestellten bereits übers Internet versuchten, den "Edelstein"-Fan ausfindig zu machen. Alle waren einer Meinung darin, dass der Einbrecher gleichzeitig Verfasser einiger dubioser Nachrichten auf Matts Facebook-Seite sein könnte. Zusätzlich sollte Matt ein neues Telefon bekommen, sicher war sicher. Laut Jules standen generell sämtliche Personen unter Verdacht, die seit seiner Rückkehr nach Japan mit ihm zu tun gehabt hatten... es würde wohl ewig dauern, aus dieser Masse den "Richtigen" herauszufiltern.

"Ich brauche natürlich nicht extra erwähnen, dass Sie zu Ihrer eigenen Sicherheit das Haus vorerst nicht verlassen sollten, Matt. Der Einbruch war nur der erste Schritt. Ich kenne solche Fälle, ein Einbruch, dann eine Entführung... Aber ich will Ihnen keine Angst machen." Warum tat er es dann?

Matt seufzte tief. Da kamen ja rosige Zeiten auf ihn zu. Ob Brent genau deswegen so einen diamantenbesetzten Käfig für ihn ausgesucht hatte? Damit er sich mit einem Kino-Fernseher und eigenem Schwimmbad vom Trauern um seine Freiheit ablenken konnte?

"Und hinein dürfen nur die verifizierten Personen, wie besprochen. Es ist wichtig, dass Sie sich genau daran halten." Matt rollte mit den Augen. War das hier die Quarantäne-Station eines Krankenhauses?

"Nur so lange, bis der Einbrecher gefasst ist, Matt. Okay?", schob Brent schnell nach.

Als ob er eine Wahl gehabt hätte...
 

*
 

Eine Stunde später war Tai noch immer so schlau wie zuvor. Seinen Eltern ging es gut, Kari auch. Das war eine Erleichterung. Er hatte sogar seinen Chef angerufen und sich erkundigt, ob im Geschäft alles okay war. Nichts war passiert, alles war beim alten. Das machte die Sache nur noch mysteriöser. Ob die Polizisten ihn verwechselt hatten?

Er zuckte mit den Schultern und versuchte, die Sache abzuschütteln. Vielleicht war es nur ein blöder Streich seiner Teamkollegen gewesen. Und wenn nicht? Nun... wenn es wirklich etwas Ernstes gewesen wäre, hätten sie ihn doch direkt festgenommen, oder? Tai seufzte. Er würde so nicht dahinter kommen. Nein, er sollte jetzt aufhören, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Stattdessen würde er sich voll auf seinen Freund konzentrieren!

Entschlossen hob Tai die Hand und drückte auf die Klingel.

Beim dritten Schrillen öffnete sich die Tür. Ein aufgeregter Masao blickte ihn an.

"Tai! Die Polizei war grade hier!"

Tai begrüßte seinen Freund und betrat die Wohnung. "Lass mich raten, sie haben dich gefragt, ob du letzte Nacht bei mir warst."

Masaos Blick folgte ihm. "Was ist da los, Tai? Erklär's mir bitte." Der unsichere Unterton in seiner Stimme versetzte Tai einen Stich.

"Ich weiß es nicht. Ich habe keinen blassen Schimmer, was das zu bedeuten hat."

Masao runzelte die Stirn, lehnte noch immer neben der Tür und starrte ihn zweifelnd an. Na toll... er glaubte ihm nicht.

"Kann ich mir irgendwie nicht vorstellen, Tai. Die haben auch nicht den Eindruck gemacht, als ginge es um eine Lapalie." Er verschränkte die Arme.

Ein wenig hilflos wiegte Tai den Kopf zur Seite. Wie sollte er Masao von seiner "Unschuld" überzeugen, wenn er nichtmal wusste, wessen er verdächtigt wurde?

"Ich bin sicher, dass sich dieses Rätsel schnell aufklärt. Ich tue keiner Fliege was zu Leide - gehe nichtmal bei Rot über die Ampel! Du kennst mich doch!" Er warb mit seinem Lächeln um das Vertrauen seines Gegenübers aber irgendwie wollte die plötzliche Distanz zwischen ihnen nicht schrumpfen. Als wäre da eine Wand zwischen ihnen.

Masao wandte den Blick ab. Langsam beschlich Tai das Gefühl, im falschen Film zu sein. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass du dich seltsam verhältst. Masao sagte nichts, aber das Ungesagte klang laut genug in Tais Ohren.

"Eigentlich wollte ich einen schönen Nachmittag mit dir verbringen... aber das können wir dann wohl vergessen,was?", durchbrach Tai nach einer Minute des Schweigens die bedrückende Stille. Wenn er ehrlich war, hatte er auch gar keine Lust mehr, etwas zu unternehmen. Dieser Mann dort konnte nicht derselbe sein, neben dem er gestern Nacht eingeschlafen war.

Tai war sauer auf die Cops, die weder ihm noch Masao den Grund ihrer Ermittlungen mitgeteilt hatten... aber der Schock über Masaos Misstrauen wog deutlich schwerer. Hatte er nicht vor ein paar Tagen noch vom Zusammenziehen gesprochen? Ja, er hatte sich mehrmals blöd verhalten, ihn versetzt – aber er war doch kein Verbrecher! Dass der Mann, der ihm gegenüber von "Liebe" sprach, ihm so etwas zutraute, tat weh.

Mit gesenktem Kopf stapfte Tai wieder an Masao vorbei aus der Wohnung.
 

Er würde jetzt direkt zur Polizei gehen und nicht eher verschwinden, als bis man ihm Antworten auf seine Fragen gegeben hatte!
 

*
 

"Bitte Madame Gold, nur drei Fragen, dann sind Sie mich wieder los!"

Dass man vor diesen Journalisten auch niemals sicher war! Samantha seufzte theatralisch, klappte ihr Schminspiegelchen ein, strich sich die Haare zurück und deutete auf den Platz ihr gegenüber.

"Aber fassen Sie sich kurz, ich erwarte noch jemanden."

Der hartnäckige Reporter lächelte ein blendendweißes Lächeln als er Platz nahm. Seine hellblauen Augen leuchteten ihr entgegen. Fast so schön, wie die von Matt...

"Was treibt Sie nach Japan Madame Gold? Soweit ich weiß, stecken Sie mitten in den Dreharbeiten Ihres neuen Films. Gab es Streitigkeiten mit dem Team, was steckt dahinter?"

Gleich mehrere Fragen auf einmal... unmöglich diese Leute.

Samantha begann, sich eine Haarsträhme um den Zeigefinger zu wickeln während sie antwortete.

"Ich habe meine Gründe. Aber seien Sie versichert, dass es nichts mit meinem momentanen Projekt zu tun hat. Es läuft alles wunderbar. Ich habe mir lediglich... ein paar Tage für private Dinge frei genommen." Sollten Sie vielleicht auch tun...

Der Mann lächelte und nickte. "Ich verstehe. Es wird Ihre Fans freuen, das zu lesen. Es ist gut, sich zwischendurch etwas Ruhe zu gönnen."

"Sind wir jetzt fertig?"

"Gleich Madame, ich habe noch eine Frage frei." Er zwinkerte ihr zu.

"Es gibt Gerüchte über eine mögliche Versöhnung mir ihrem Ex-Verlobten Ishida Yamato. Dass Sie gerade jetzt wieder in Japan sind, nährt diese Hoffnungen natürlich... Ganz unter uns: Ist da noch etwas zwischen Ihnen?"
 

*
 

Frustriert versetzte Tai der nächstbesten Laterne einen Tritt. Doch die warf völlig unbeeindruckt weiterhin ihr Licht vor den Seiteneingang des Polizeigebäudes.

Zwei Stunden in diesem Präsidium – verschwendete Zeit! Ermittlungsstrategische Geheimhaltung. Pft! Tai war strikter Nichtraucher, aber wenn er es nicht gewesen wäre, wäre das definitiv der richtige Zeitpunkt für eine Kippe gewesen.

Es blieb gar nichts anderes übrig, als wieder nach Hause zu gehen. Die Aussicht, wegen "Behinderung der Ermittlungen" eine Geldstrafe oder gar eine Nacht im Arrest zu verbringen war nicht sehr attraktiv.

Die kühlfeuchte Nacht hauchte ihm erst richtig ins Gesicht, als er aus der Gasse stapfte. Was für ein bescheidener Tag... Es konnte eigentlich nur besser werden, oder?

Der Nieselregel kühlte sein erhitztes Gemüt nach und nach ab. Zurück blieb ein seltsames Gefühl der Machtlosigkeit und die Enttäuschung. Hatte er in der Beziehung zu Masao etwas anderes gesehen, als da war? Oder war es nicht eigentlich seine eigene Schuld? Hätte er sich die Wochen zuvor besser ihm gegenüber verhalten... Vielleicht wäre das Vertrauen, das er nun vermisste, dann vorhanden gewesen?

Die nasse Kälte kroch in den Kragen seiner Jacke und in die Ärmel. Er ließ die Hände in den Jackentaschen versinken und legte einen Schritt zu. Wie angenehm wäre es, jetzt in ein warmes Bett zu kriechen... und am besten am nächsten Morgen dann mit der Erkenntnis aufzuwachen, dass der heutige Tag nur ein dummer Traum gewesen war.

Stirnrunzelnd warf Tai einen Blick über die Schulter. Litt er jetzt unter Verfolgungswahn, oder war da nicht eben eine Bewegung gewesen? ... Vielleicht nur eine Reflexion. Tai schüttelte den Kopf.
 

*
 

Sobald er die Augen schloss, stand er wieder in seiner Wohnung, in hunderten Rosenblüten und starrte seine beschmierte Tapete an. Und das obwohl er sich hier doch sicher fühlen sollte und konnte, oder? Alarmanlage hin oder her – alleine die Nacht in einem so riesigen, fremden Haus zu verbringen, hatte etwas Unheimliches. Matt hatte das Gefühl, von dieser Weite und Stille verschluckt zu werden.

Trotzdem fehlte ihm seine Wohnung irgendwie. Er vermisste sogar den Verkehrslärm, das Hupen und Reifenquietschen und das Knarzen seiner Schlafzimmerdielen. Hier war alles so... perfekt. Aber auch so abgeschottet. So musste sich ein Astronaut im Weltraum fühlen. Als wäre die Welt da draußen kilometerweit entfernt.

Das Bett war bequem – keine Frage, aber es war trotzdem ungemütlich. Mehr denn je wünschte der Sänger sich Gesellschaft. Ob er sich einen Hund zulegen sollte?

Er rollte sich auf die andere Seite und blinzelte in die Dunkelheit. Hoffentlich gingen die verdammten Ermittlungen schnell voran. Er würde hier umgehend ausziehen, sobald alles geregelt war. Die ganze Band hätte hier ohne Probleme hausen können – es war bescheuert, den Platz für eine einzige Person zu verschwenden.

Von seinem Wecker leuchtete ihm die Uhrzeit entgegen. Halb vier. Ob er zur Strafe Brent anrufen sollte? Der hatte ihm das immerhin eingebrockt. Aber wahrscheinlich taugte das nicht als Rache... Brent machte oft die Nächte durch. Außerdem hatte er ja auch kein Handy mehr. Das wurde auf "Fremdzugriff" geprüft, wie Jules sich ausgedrückt hatte.

Seufzend richtete sich der Sänger auf und schob sich aus dem Bett. Es war sinnlos, schlafen zu wollen.
 

*
 

"Good Morning Matt. Du siehst-"

"-Scheiße aus, ich weiß.", knurrte der Sänger und ließ sich auf das Sofa fallen. Und "scheiße" war noch geschmeichelt, das wusste er. Augenringe, die Haut noch blasser als sonst, stumpfes Haar... kein Wunder.

"Was-"

"-los ist? Ich kann in diesem verdammten Haus nicht schlafen, Brent! Wie würdest du wohl aussehen, wenn du drei Tage nicht geschlafen hättest?!"

Matt griff nach dem halbvollen Glas und kippte den letzten Schluck herunter.

Brent legte die Stirn in Falten, seufzte tief und schritt dann langsam hinter das Sofa.

"Du bist etwas mitgenommen von den jüngsten Vorfällen.", sprach er voller Verständnis und begann, Matts Schultern zu massieren. "Und was das Haus betrifft... du musst dich eben erst mal einleben."

Und wenn er sich gar nicht einleben wollte?! Der Sänger atmete tief ein und aus. Warum passierte eigentlich ausgerechnet ihm sowas? Es gab tausende andere Sänger, tausende angesagte Stars, die meisten sagen sogar besser aus als er – warum bekam ausgerechnet ER einen durchgedrehten Spinner zum Fan?

"Ich habe alles in Bewegung gesetzt, was geht, Matt. Trust me. Es wird alles gut."

"Brent. Rede nicht mit mir, als wäre ich ein Kind, das Angst vor den Monstern unter seinem Bett hat. Das fehlt mir gerade noch."

"Sorry."

"Ich... werde hier einfach verrückt."

Es war ja nicht so, als ob er es nicht versucht hätte. Er hatte sich stundenlang DVDs auf seinem Kinobildschirm angesehen, hatte im ganzen Haus Gitarre gespielt, hatte sogar die verdammte Trainingsbank getestet. Er war rastlos durch diese Bude getigert, hatte versucht, sich mit Lesen abzulenken, oder mit Schwimmen in seinem ach so tollen Pool. Er hatte kein Telefon, jeglicher Kontakt zur Außenwelt war "verboten"... TK war bei seiner Mutter, ahnte nichts von alldem hier – was wahrscheinlich auch besser war - und ansonsten musste er sich ja an die "verifizierten" Personen halten. Mehr als einmal hatte er darüber nachgedacht, einfach abzuhauen und in einem Hotel zu übernachten. Aber jedes Mal hatte ihn Ang- ääh Vernunft davon abgehalten... Es war zum Kotzen.

"Ich habe dir ein neues Mobile mitgebracht." Schwacher Beschwichtigungsversuch.

Brent reichte ihm das kleine Gerät nach vorn und massierte dann weiter. Seine Muskeln entspannten sich langsam, aber das änderte nichts an seiner psychischen Verfassung.

"Und wen soll ich deiner Meinung nach anrufen? Die Telefonseelsorge?"

"Wie wär's mit der Band?"

Matt runzelte die Stirn.

"Sind die inzwischen 'verifiziert'?"

Brent gab ein Brummen von sich. Hieß wohl nein. Hätte ihn auch gewundert.

Es war absurd, anzunehmen, dass Hayato oder einer der anderen etwas mit der Sache zu tun hatte. Jules hatte jedoch fest darauf beharrt, dass sie zum Kreis der Verdächtigen gehörten. Neid und Missgunst aus der hinteren Reihe hatte er denen unterstellt. Auf den Ruhm des Bandleaders, des Frontmanns... Ehrlich, er hielt das für Schwachsinn und das hatte er auch gesagt. Gebracht hatte es nichts.

Wenn dieser Kerkermeister von einem Detektiv das nächste Mal hier auftauchte, konnte er sich auf was gefasst machen. Zumindest, falls Matt dann noch die Kraft hatte, seine Faust zu heben.

"Du hast nicht zufällig auch ein gutes Schlafmittel mitgebracht?"

Brent hörte mit der Massage auf und ließ sich dann neben Matt auf dem Sofa nieder.

"Tabletten sind nicht die Lösung, Matt."

Oh doch! Im Moment schien ihm das sogar sein bester Einfall seit langem zu sein! Aber Brent musste sich ja wieder als Mutter Oberin aufspielen und...

"Ich könnte dich aber K.O. schlagen, wenn du möchtest.", scherzte er und stieß Matt kumpelhaft von der Seite an.

"Ich mein's ernst Brent. Ich bin total fertig, ich will schlafen. Ich hab alles versucht. Aber dieses verdammte Haus hält mich wach! Diese ... Leere." Er musste klingen wie ein Psychiatrie-Insasse – aber so kam er sich auch langsam vor.

"Wie wär's damit: Ich bleibe so lange hier, bis ich es geschafft habe, dass du einschläfst! Deal?"

Ausbruch

Kapitel 8 – Ausbruch
 

Ein unangenehmer Geruch hing in seinem Flur, als Tai zur Arbeit aufbrechen wollte. Hatte er etwa irgendwo Essen stehen gelassen, das nun vor sich hin vergammelte? Nein, diese Zeit hatte er eigentlich hinter sich gelassen. Es roch auch eher süßlich, wie ein seichtes Parfüm. Vielleicht hatte er den Geruch letzte Nacht selber mit herein gebracht. Er zuckte mit den Schultern, warf sich die Jacke über und verließ die Wohnung.
 

Es war ein merkwürdiges Gefühl. Irgendwie fühlte er sich schon fast wie ein Verbrecher. Masao hatte sich nicht mehr gemeldet. Die Polizei auch nicht. Immer wieder ging er im Kopf die letzten Tage durch, auf der Suche nach einem Detail, einer Handlung oder einer Situation, die auf irgendeine Art und Weise kriminell relevant gewesen sein könnte – ergebnislos. Alles war wie sonst gewesen. Wie Monate zuvor, teilweise wie Jahre zuvor. Die einzige besondere Veränderung in der letzten Zeit war das Zusammentreffen mit Matt gewesen, und das war ja wohl auch kein Verbrechen.
 

Hinzu kam das sporadische Kribbeln in seinem Nacken. Als würde ein Blick auf ihm lasten, ein verstohlener, beobachtender Blick. Verfolgungswahn ließ grüßen. Und alles nur wegen dem Polizei-"Interview", kein Wunder, dass er langsam durchdrehte. Diese Ungewissheit war nervig. Masao dachte aufgrund dessen schlecht von ihm und Tai konnte nur dafür beten, dass Kari, seine Eltern und seine Freunde es ihm nicht irgendwann gleich taten. Zum Glück war die "Nachricht" aber wohl noch nicht so weit vorgedrungen.
 

*
 

Es war wie die Wiederkehr von einer langen Reise. Sein Bewusstsein hatte einen Schalter umgelegt und – Klick – da war das Ticken der Uhr wieder, das kaum merkbare Gewicht der Bettdecke, das zerknautschte Kopfkissen unter seinem Schädel und ... der Atem seines Bettnachbarn? Matt blinzelte ins Halbdunkel seines Schlafzimmers.

Ach verdammt. Er war ja immernoch hier. Irgendwie hatte er doch zu hoffen gewagt, dass alles nur ein schlechter Traum gewesen war. Ein Hirngespinst, genau wie die rote Wandmalerei und Taichis Flucht vor ihm. Nein, war wohl alles wirklich passiert. Matt wischte sich ein paar Haarsträhnen aus dem Gesich und rieb sich den Schlafsand aus den Augenwinkeln. Langsam wurde sein Blick klarer. Stirnrunzeln war die Folge.

Direkt vor seinem Gesicht lag ein anderes, schlafend, die Nasenflügel zitterten leicht unter den friedlich-tiefen Atemzügen. Langes blondes Haar umrahmte das markante Gesicht seines Managers und verfing sich in den winzigen Bartstopeln an dessen Kinn. Eine Hand unter den Kopf geschoben lag er da, in seine Träume vertieft, als könne er kein Wässerchen trüben. Ein paar Sekunden der überraschten Betrachtung gönnte sich Matt, bevor er sich langsam aufsetzte. Die Decke glitt von seinen Schultern herab, als er die Arme über den Kopf streckte. Ein lautes Knacken verkündete, dass die Gelenke nun einsatzbereit waren. Brent schlummerte immernoch seelig. Hatte wohl auch schon eine Weile nicht mehr geschlafen. Matt grinste leicht. Er gönnte Brent die Ruhe. Er tat so viel für ihn, sogar das hier...

Die Bilder des vergangenen Tages drängten in sein Bewusstsein. Einige Teile waren eher schwammig, vor allem die, die nach dem Alkohol kamen. Der Sänger schüttelte kaum merklich den Kopf – Tabletten hatte Brent strikt abgelehnt, Drinks waren aber eine ganz andere Sache. Nunja, drastische Fälle und drastische Maßnahmen. Aber das war nicht Brents einziges Mittel gewesen. Er hatte Matt vorher dazu genötigt, mehrere Runden um den Pool zu joggen. Ja, zu joggen! Danach hatten sie gemeinsam jedes einzelne Gerät in seinem verdammten Fitnessraum durchprobiert. Später hatten sie Titanic auf seinem Kino-Bildschirm angeschaut. Das hatte aber eher Übelkeit statt Müdigkeit bei ihm hervorgerufen... könnte aber auch am Alkohol gelegen haben. Die letzten Bilder in seinem Kopf vermischten sich mit schiefen Gitarrenklängen und beinahe passablem Gesang. Er blickte zur Bettkante. Brent wäre sicherlich ein großartiger Vater gewesen, wenn er denn überhaupt Zeit gehabt hätte, um eine Familie zu gründen. Matt war sich nicht sicher, ob es an der schiefen Gute-Nacht-Musik gelegen hatte, an den Drinks, am Sport oder an Kates und Jacks Geschmachte – vielleicht war es auch einfach nur Brents Anwesenheit gewesen – auf jeden Fall war er am Ende offensichtlich wirklich eingeschlafen. Wenn Brent einen Deal machte, dann löste er den auch ein. Ein Punkt mehr für dich.

Nur war Matt davon ausgegangen, dass Brent vorgehabt hatte, nach getaner "Arbeit" zu entschwinden. Stattdessen... nun, er sah das Ergebnis live und in Farbe vor sich. Inzwischen scharchte "es" sogar leise.
 

Matt schob sich vorsichtig aus dem Bett. Die Uhr verkündete elf Uhr – Zeit für Frühstück. Barfuß und mit völlig zerzaustem Haar schlich Matt in die Küche. Er mochte zerknittert aussehen, aber er fühlte sich wie neugeboren. Wie erholsam war der Schlaf nach einem Wach-Marathon von über drei Tagen gewesen. Naja, wahrscheinlich war er zwischendurch schon mal für ein paar Minuten weggenickt, aber jedes Mal wieder aufgeschreckt und noch kaputter als vorher gewesen. Jetzt aber war die Welt wieder in Ordnung. Also schlaftechnisch zumindest.
 

Er wühlte sich durch die Schränke um ein brauchbares Frühstück... oder um diese Uhrzeit eher einen Brunch – wie Brent es nennen würde – zusammenzustellen. Ja, er hatte sich während der langen Zeit im Ausland völlig durchmischte Essgewohnheiten angeeignet. Das betraf nicht nur die Auswahl und Zubereitung der Nahrungsmittel sondern zweifelsohne vor allem die Essenszeiten... Mitternächtliches Eisessen war nichts Ungewöhnliches gewesen, genauso wie Pizza zum Frühstück. Eigentlich ziemlich kontraproduktiv für seine Gesundheit, aber zwischen zwei Konzerten, einer Talkshow und einer Autogrammstunde blieb oft gar keine Möglichkeit, es anders zu regeln. Aber durch den Stress hatte der viele Zucker sich auch nicht auf seinen Hüften bemerkbar gemacht. Eigentlich war er sogar zufrieden mit seiner Figur. Brent sah das wohl anders... oder sollte er den Fitnessraum im Keller und den Pool hinter der Küche nicht als Wink mit dem Zaunpfahl interpretieren?
 

Schließlich ertönte ein langgezogenes, lautes Gähnen aus dem Nachbarzimmer, gefolgt von einem Rascheln, einer kurzen Stille und dann einem schlurfenden, sich näherndem Geräusch.
 

"Na Dornröschen, gut geschlafen? Du hast deinen Deal eingelöst, meine Hochachtung."

"Und du behauptest, dass du drei Tage nicht geschlafen hattest? Ehrlich gesagt hatte ich damit gerechnet, dass du mindestens zwei Tage durchschlafen würdest..." Brent lachte und wuschelte sich durch die blonde Haarpracht. Matt fragte sich unwillkürlich, ob er seinen Manager jemals zuvor mit offenem Haar gesehen hatte.

"Es war ja auch so.", murrte er schließlich und wandte sich wieder der Essenszubereitung zu.

"Ich hoffe, du hast dann wenigstens gut geschlafen. Ich jedenfalls schon." Er grinste.

"Ja... ich fühle mich schon viel besser.", entgegnete der Musiker und präsentierte einen Augenblick später das Mahl. "Und das hier ist mein Dankeschön." Er stellte den Teller auf den Küchenthresen vor einen der Barhocker und sah Brent auffordernd an. "Jetzt setz dich hin."

Brent schnaubte belustigt und trottete zu dem Platz. "So kenne ich dich ja gar nicht."

"Was willst du damit sagen?"

"Ach nichts, gar nichts - nevermind."
 

So verbrachten sie einen lockeren Vormittag miteinander, brunchten, scherzten... sodass Matt für eine Weile sogar den ganzen Mist der letzten Tage vergaß und sich gleichzeitig auch in seiner neuen Residenz ein bisschen heimisch fühlte. Leider hielt diese Leichtigkeit des Seins nur bis gegen zwei Uhr Nachmittags an.

Brent öffnete auf das Klingeln hin die Tür und dann stand dieser Detektiv wieder in seinem Wohnzimmer. Matt konnte nur für ihn hoffen, dass er gute Nachrichten mitgebracht hatte – zum Beispiel, dass seine Gefangenschaft aufgehoben werden konnte.

"Wie ich sehe, lebt man sich bereits gut ein. Wunderbar."

Matt runzelte die Stirn. Unter "gut einleben" verstand er persönlich etwas anderes. Sein Blick folgte Jules, während dieser durch den Raum schlenderte, die Wände mit den Augen vermessen zu schien und sich ewig Zeit ließ, bis er sich endlich mit an den Tisch setzte. Brent hatte sich ebenfalls wieder auf das Sofa fallen lassen.

"Was haben Sie zu berichten, Jules?"

Der Detektiv zuckte vielversprechend mit den feinen Augenbrauen und kramte in der Innentasche seiner Anzugjacke nach etwas. Schließlich förderte er mehrere Fotos zutage, die er auf dem Glastisch verteilte.

"Ich habe Madame Gold getroffen. Sie hat kein Alibi für die Tatzeit und es gibt einige sehr interessante Details auf diesen Fotos, die sie mit dem Einbrecher in Verbindung bringen könnten." Er deutete auf eines der Bilder. Es zeigte Sam, wie sie mit gelangweilter Miene an einem Tisch saß, den Kopf auf die linke Hand gestützt. Nichts Spektakuläres. Und dafür bezahlte Brent Geld?

Brent schien ebenfalls nichts auffälliges entdecken zu können, denn er warf einen fragenden Blick zu Jules hinüber.

Daraufhin ließ dieser sich zu einer Erklärung herab. "Madame Gold trägt eine Halskette mit einem tropfenförmigen Saphir."

Matts linke Augenbraue zuckte nach oben. Aha. Saphir. Na gut, aber diese Verbindung zu den beunruhigenden Einträgen auf seiner Facebookseite wirkte auf ihn als Laien etwas dünn. Es gab sicher tausende Frauen, die Saphirschmuck trugen – und gerade Samantha hatte ein ziemlich umfangreiches Schmuckkästchen, wenn er sich recht erinnerte.

"Außerdem ist Madame Gold in Tokyo, obwohl sie es nicht sein sollte. Das allein ist schon verdächtig. Als Begründung gab sie "private Angelegenheiten" an. Glauben Sie mir, ich weiß, wie man zwischen den Zeilen seiner Verdächtigen zu lesen hat. Diese Frau verbirgt etwas."

Noch immer zweifelnd betrachtete Matt die anderen Fotos. Auf einem schminkte sich Sam die Lippen rot nach, auf einem anderen unterhielt sie sich mit einem ihm unbekannten Mann. Die weiteren Fotos zeigten seine Bandkollegen sowie einige Leute, die Matt noch flüchtig vom Filmset in Erinnerung waren. Außerdem erspähte Matt zu seiner Verwunderung zwei Fotos von Tai.

"Warum verdächtigen Sie ihn?", fragte er und tippte auf eins davon.

Jules lehnte sich weiter zu ihm vor, als benötige seine Antwort mehr Nähe. Der Geruch von frischen Orangen kitzelte für ein paar Augenblicke Matts Nase.

"Sie beide hatten früher eine enge Beziehung zueinander. Neid und Eifersucht sind starke Motive für Verbrechen." Matt begegnete dem ernsten Blick seines Gegenübers.

"Ich glaube nicht, dass...", setzte der Sänger an, aber Jules unterbrach ihn mit einem sanften Lächeln. "... dass Ihr alter Schulfreund zu so etwas fähig wäre? Ihr guter Glaube in allen Ehren, Matt, aber die gutgläubigen Menschen, sind meistens die, die in der größten Gefahr schweben. Ich spreche aus Erfahrung."
 

*
 

Sie verbrachten den ganzen Nachmittag mit der Analyse von Jules' bisherigen Ermittlungsergebnissen. Seine Hacker hatten noch keine Spur wirklich zurückverfolgen können, der Detektiv machte ihm auf diesem Gebiet auch nicht viel Hoffnung. Höchstwahrscheinlich waren die Nachrichten von einem Internet-Cafe aus versendet worden. Viel wichtiger seien die Spuren in seiner alten Wohnung, die Tatwaffe – der Rotstift – und die Rosenblätter.

Beim Thema "Lockerung der Gefängnisregeln" gab es ebenfalls kein großes Vorankommen. Er dürfe Besuch empfangen, jedoch nur unter Aufsicht. Als wäre er ein Kleinkind, das einen Babysitter brauchte. Als ob Koji oder Hayato auf sowas Bock hätten... und er selber erst recht nicht. War es denn so viel verlangt, wenigstens ein bisschen Spaß haben zu wollen? Rausgehen dürfe er, aber nur mit zwei Bodyguards dicht an seiner Seite. Na großartig, damit würde er in den Clubs bestimmt kein bisschen auffallen. Aber auf der Tanzfläche würde ihn so ganz sicher niemand anrempeln, haha...

Jules war inzwischen wieder fort und auch Brent wandte sich zum Gehen.

"Jetzt guck doch nicht schon wieder so missmutig."

"Wie soll ich denn bitte gucken bei diesen Aussichten?"

Brent war dabei, seine Jacke überzustreifen.

"Du hast einen vollen Kühlschrank und meine ganze DVD-Sammlung."

"Ich hätte lieber meine Freiheit. Oder wenigstens ein "Besuchsrecht". Bitte bring mir nächstes Mal einen Hund mit. Oder einen Papagei..."

"Ach Matt. Ich würde hier bleiben, wenn ich könnte, aber die Geschäfte erledigen sich nicht von alleine."

"Ich weiß."

"Du kannst ja ein bisschen spazieren gehen. Die Nummer für den Bodyguard-Service ist in deinem Mobile gespeichert."

Der Sänger winkte ab.
 

*
 

"WAS?" Vor Schreck rutschte ihm das Handy aus der Hand. Dank übermenschlichen Reflexen gelang es Tai jedoch, das Telefon vor dem Aufprall auf dem Betonboden abzufangen. Angespannt hielt er das Telefon wieder ans Ohr. Plötzlich wurde ihm so einiges klar. Das Auftauchen der Polizisten bei ihm konnte nur damit in Verbindung stehen! Eine ganze Lichterkette leuchtete in seinem Kopf auf.

"Das ist... unfassbar, ich .. wie geht es ihm denn?", stammelte er schließlich zusammen und wischte sich über die Stirn.

"Er ist okay... Naja er ist ziemlich zickig. Aber das liegt am Stress."

"Ich habe nichts mit der Sache zu tun Mr. Cooper, ich würde niemals-"

"Immernoch 'Brent'. Tai, ich rufe nicht an, weil ich dich für den Täter halte."

Tai hielt einen kurzen Moment Inne. Es war komisch nach seinem fluchtartigen Abgang aus dem Club vor über zwei Wochen und den SMS, die er unbeantwortet gelassen hatte, nun wieder auf einer so freundschaftlichen Ebene miteinander zu reden. Vor allem, da Brent ja gar nichts für die ganze Sache zwischen ihm und Matt konnte... Tjaja, das schlechte Gewissen.

"Eigentlich rufe ich sogar genau deswegen an, weil ich mir vollkommen sicher bin, dass du mit der Sache nichts zu tun hast."

Hä? Verwirrt kratzte sich Tai am Kopf.

"Danke, ähm. Und was kann ich jetzt für dich tun?"

"Ich gebe dir Matts neue Adresse. Es würde ihm gut tun, dich zu sehen. Er hat noch nie so dringend einen Freund gebraucht, glaub mir. Bitte denk drüber nach."
 

*
 

So! Schluss jetzt! Es reichte. Ein für alle Mal. Das Ende der Gefangenschaft war hiermit eingeläutet! Entweder er starb hier in seiner Luxusbude an Langeweile, Einsamkeit und Frustration oder er ging raus und wurde im schlimmsten Fall von seinem Stalker entführt, was möglicherweise ebenfalls das Ende seines Lebens zur Folge hatte – aber wenigstens starb er dann nicht ALLEINE. Pah!

Er warf einen Blick auf sein neues Handy. Von wegen. Er würde den für ihn abgestellten Personenschutz nicht anrufen. Er wollte wenigstens für ein paar Stunden so tun, als wäre alles normal, wollte rausgehen, in einer Bar was trinken, oder ein bisschen tanzen, feiern, was auch immer. Alles war besser, als das hier!

Er kämmte sich die Haare zurecht, schlüpfte in seine Lieblingslederjacke und griff nach dem Türknauf. Er zögerte. Angst? Ja, vielleicht. Aber das würde ihn dieses Mal nicht mehr abhalten. Das Maß war voll. Sollte ihn doch der Stalker holen. Er würde ihm einen ordentlichen Kinnhaken verpassen und ihn dann persönlich zur Polizei schleifen. Dafür brauchte er weder Jules noch irgendwelche Bodyguards.

Entschlossen öffnete er die Tür und trat nach draußen. Freiheit! Die Nacht nahm ihn in Empfang. Dankbar atmete er die frische Luft und fühlte sich dabei unendlich gut. Er hatte seine Ketten gesprengt, jawohl! Und er hatte viel zu lange damit gewartet...

Endlich roch es wieder nach Autoabgasen. Die Straßenlaternen warfen bereits ihr fahles Licht auf die Fußwege. Matt kannte sich in dieser Gegend kaum aus. Hier schien es weniger lebhaft zu sein, als in seinem alten Viertel. Naja, hier lebten ja scheinbar auch noch andere "gut-betuchte" Leute. Matt schüttelte den Kopf über diesen absurden Gedanken. Er war Musiker, Künstler, aber kein reicher Proll. Er hätte bis an sein Lebensende in seiner kleinen, gemütlichen, muffeligen Wohnung hausen wollen. Ohne Pool und ohne amerikanische Küche.

Er steckte die Hände in die Jackentaschen und schlenderte den Fußweg hinunter. Einfach der Nase nach. Dahin, wo es nach mehr Leben aussah.

Er lief vorbei an Schaufenstern, Bushaltestellen und Bettlern, an Cafés, alkoholisierten Jugendlichen und leuchtenden Reklametafeln. Und nirgends war die Spur eines Stalkers. Keiner wollte ihm hier irgendwas tun, ja er schien nicht einmal bemerkt zu werden, obwohl er normalerweise allein wegen seiner Haarfarbe schnell auffiel. Nichtmal nach einer Zigarette wurde er gefragt, nicht nach der Uhrzeit und auch nicht, ob er etwas Geld übrig hatte. Er war einfach nur eine unbedeutende Ameise in dem Ameisenhaufen. Und das tat verdammt gut. Er hatte schon ganz vergessen, wie sich das anfühlte.

Nur kurz streifte ihn der Hauch eines schlechten Gefühls, als er an Brent dachte, der nun wirklich alles dafür getan hatte, dass es ihm einigermaßen gut ging. Letztendlich war auch er nur um die Sicherheit seines Schützlings besorgt... verständlich. Aber er musste das hier einfach tun, er musste sich ein Stück seiner Freiheit zurückholen. Er würde schon heil wieder zurückkehren, die anderen mussten ja nichtmal was davon erfahren.
 

*
 

Der Tequila schmeckte nach Freiheit. Klar, er hätte auch "zu Hause" einen trinken können, aber das wäre etwas anderes gewesen.

Er saß an der Bar und beobachtete die Angestellten und die anderen Gäste. Es war das Normalste der Welt und in diesem Moment trotzdem etwas Besonderes. Was ein paar Tage in Abschottung mit einem anstellen konnten... Aber damit war ja nun endgültig Schluss. Er konnte so einen Ausflug jeden Tag machen. Solange er nicht gerade zu Brent fuhr oder Jules über den Weg lief. Aber wie hoch war schon die Wahrscheinlichkeit? Schließlich waren beide sehr beschäftigte Leute. Matt verleibte sich den letzten Rest seines Drinks ein und sah auf die Uhr. Die Nacht war jung, er wollte noch ein bisschen durch die Gegend streifen.

Mit einem Lächeln auf dem Gesicht verließ er die Bar und bog in die nächste Straße ein. Wäre es zu viel des Guten, heute in einem Hotel zu übernachten? Ja, wahrscheinlich. Vielleicht würden morgen früh neue Ermittlungsergebnisse vorliegen... oder Brent würde auftauchen, um ihn zum Frühsport zu zwingen. Brent würde den Schock seines Lebens bekommen. Und das Resultat wäre wahrscheinlich ein unter der Haut angebrachter Peilsender oder gar eine elektrische Barriere vor seiner Tür, damit er nicht mehr abhauen konnte. Er traute Jules so einiges zu. Klar, es ging ja nur um seine Sicherheit... aber man konnte es auch übertreiben.

Ja, jemand war in seine Wohnung eingebrochen und hatte eine ziemlich psychomäßig klingende Nachricht an der Wand hinterlassen. Blutrot. Und den Boden in Rosenblätter getränkt. Aber hieß das denn auch, dass derjenige vorhatte, ihn zu ermorden? Das war doch eher unwahrscheinlich, oder? Wenn der Verrückte fähig gewesen war, in seine Wohnung einzubrechen, hätte er das ja auch tun können, wenn er gerade unter der Dusche stand und ihn dann wie in diversen Hollywoodstreifen dort ganz einfach erledigen können.
 

Er hätte sich das alles vielleicht nicht ganz so bildlich vorstellen sollen. Augenblicklich überzog eine dünne Gänsehaut seine Arme und er glaubte, beobachtet zu werden.

Reg dich ab. Es ist alles in Ordnung.

Er widerstand dem Drang, einen Blick über die Schulter nach hinten zu werfen.

Benimm dich nicht, wie ein kleines Kind.

Doch er konnte seine Beine nicht davon abhalten, einen Gang zuzulegen. Nein er lief nicht weg, er hatte es nur eilig! Und er fühlte sich auch nicht verfolgt. Verdammt hier waren doch so viele Menschen, es war lächerlich! Natürlich hörte er überall Schritte, auch hinter sich, war doch völlig normal. Das war nur wieder seine Paranoia.

Er überquerte die Straße.

Aber das Gefühl wollte nicht von ihm weichen. Schließlich blieb er vor einem Schaufenster stehen und versuchte, sich auf die ausgestellten Designerjacken zu konzentrieren. Ablenkung würde bestimmt helfen. Langsam beruhigte sich sein Herzschlag wieder. Na also. Kein Grund zur Panik. Er atmete ein paar Mal ruhig ein und aus. Alles wieder in Ordnung.

Als er sich umwandte, um weiterzuziehen, blickte er direkt in ein bekanntes Gesicht.

"Was machst du denn hier?"

Nächtliche Besuche

Kapitel 9 – Nächtliche Besuche
 

Ein wenig perplex blinzelten ihm braune Augen entgegen. Das panische Gefühl des Verfolgtwerdens fiel von ihm ab und wich einer freudigen Erleichterung. Was für ein Zufall, dass er gerade hier auf Tai traf.

"Das könnte ich dich auch fragen!"

Matt grinste leicht. "Ich bin aus dem Gefängnis ausgebrochen."

Tai schüttelte den Kopf. "Du bist unmöglich. Ich hab' gehört, dass irgendein Verrückter hinter dir her ist."

Das Grinsen wurde breiter. "Ja, habe ich auch gehört. Und jetzt hat er mich wohl gefunden."

"Da macht man sich Sorgen und dann muss man sich auch noch beleidigen lassen.", erwiderte Tai mit gespielt verletzter Miene und verschränkte die Arme.

"Du machst dir Sorgen um mich?"

"Ja." In seiner Stimme lag Ernsthaftigkeit.

"Und woher wusstest du, dass ich hier bin?"

"Wusste ich nicht... ich wollte dich in deiner neuen Wohnung besuchen... und du solltest vielleicht wirklich nicht alleine hier draußen rumlaufen, Matt."

Er stieß Tai kumpelhaft mit der Schulter an. "Ich bin ja nicht alleine."

Sie liefen nebeneinander die Straße entlang, scherzten, redeten, lachten als sei nie etwas anderes zwischen ihnen gewesen. Ihre Beziehung zueinander schien endlich wieder unbeschwert und frei zu sein. Matt war sich nicht sicher, ob das von Dauer sein würde. Wahrscheinlich handelte Tai wirklich nur aus Sorge. Aber... das hieß auch, dass er Tai nicht egal war. Nein, da war noch etwas zwischen ihnen, etwas das seinen ehemals besten Freund dazu gebracht hatte, hierher zu kommen, um nach ihm zu sehen. Und das, obwohl er von ihrem letzten Treffen geflohen war. Es war ein großer Schritt in seine Richtung. Ein Schritt, auf den Yamato gar nicht mehr zu hoffen gewagt hatte. Die Sache war abgeschlossen gewesen. Zumindest hatte er versucht, sich das so klarzumachen. Und es hatte ganz gut funktioniert, oder?

Wenn er jetzt so in Tais Gesicht blickte und mit ihm durch die Straßen schlenderte, konnte er für einen Moment vergessen, wie beschissen die letzte Zeit gewesen war. Vieles wurde unwichtig. Seine Gefangenschaft, der Stalker, Jules, Samantha.

Matt schloss die Tür auf und tippte den Sicherheitscode in das Panel an der Wand ein.

"Dann darf ich Sie jetzt in der Villa Alcatraz willkommen heißen." Er deutete eine Verbeugung an und machte eine präsentierende Geste. Verwundert schritt Tai an ihm vorbei nach drinnen und betrachtete die Eingabefläche der Alarmanlage. Ja, das musste schon ziemlich übertrieben wirken, oder?
 

*
 

Matt schaltete das Licht ein, wodurch erst die ganzen Ausmaße dieser riesigen "Wohnung" erkennbar wurden. Ein Meer von einem blauen Teppich markierte den Bereich des Wohnzimmers, wo mehrere Sofas und Sessel zum Herumlümmeln einluden. Die direkt angeschlossene Küche war fast genauso groß und sah aus, als sei sie einer dieser Fernseh-Kochsendungen entsprungen.

"Wow!", machte Tai wenig intelligent. Aber etwas anderes fiel ihm nicht mehr ein, als er den riesigen Fernsehbildschirm an der Wand entdeckt hatte. Fußballspiele mussten darauf eine wahre Freude sein! Wahrscheinlich fast so gut, wie direkt im Stadion.

"Hast du Hunger?", kam es von Matt herüber, der an der Küchentheke lehnte.

"Wenn du mich so fragst..."

Er grinste.
 

*
 

Kurze Zeit später hatten sie es sich mit Pizzaresten, Weintrauben, Cola und Bier auf der Sofainsel gemütlich gemacht und ließen sich von Transformers 3 berieseln.

"Du warst also tatsächlich mit einer Schauspielerin verlobt. Wahnsinn."

Matt schüttelte den Kopf. "Du könntst langsam mal aufhören, alles, was ich dir erzähle mit Worten wie 'Wahnsinn' und 'Wow' zu kommentieren und mir lieber ganz normal antworten. Tu mal nicht so, als hättest du nur in der Ecke gesessen."

Tai schluckte einen Bissen Pizza hinunter und spülte mit einem Schluck Cola-Bier nach.

"Entschuldige... naja, aber ich habe keine Heiratspläne gemacht."

"Sei froh."

"Nein im Ernst. Ich finde das alles ziemlich schwierig."

Er warf Tai einen fragenden Blick zu.

"Naja ich bin im Moment auch mit jemandem zusammen und es ist irgendwie kompliziert."

Matt seufzte. Waren Beziehungskisten jemals einfach? Er wusste es nicht. Aber alles, was in seinem Leben auch nur annähernd in diese Richtung gegangen war, war schwierig gewesen.

"Und dass er jetzt denkt, dass ich ein Verbrecher bin, macht die Sache auch nicht besser."

Matts Augenbrauen zuckten kurz nach oben. 'Er'.

Eigentlich hätte ihn das nicht wundern dürfen, aber trotzdem löste diese Information ein seltsam wirres Gefühl in ihm aus. Irgendwie hatte er wohl angenommen, dass das zwischen ihnen damals nur eine Art... Ausrutscher... gewesen war. Die Folge von zu viel Alkohol, zu vielen Hausaufgaben, Übermüdung und... naja dem obligatorischen Hormonchaos von Teenagern eben. Scheinbar war das bei Tai nicht so.

Tai schien seine Reaktion nicht bemerkt zu haben, denn er redete ungerührt weiter.

"Vor einer Woche wollte er noch mit mir zusammenziehen, weißt du, und jetzt redet er nicht mehr mit mir."

Das schien ihm schon lange auf dem Herzen zu liegen. Matt nahm noch einen Schluck Bier um seine Gedanken damit herunterzuspülen.

"Es wird sich aufklären... spätstens sobald sie den Stalker geschnappt haben. Dann ist deine Unschuld automatisch bewiesen."

"Dass ich überhaupt was beweisen muss...", grummelte Tai.

Matt nickte verstehend.

Ein wenig fühlte er sich an seine Diskussionen mit Samatha erinnert. Die ewigen Unterstellungen. Die ewigen Verdächtigungen. Als würde er sich jede Nacht zwanzig Fangirls aufs Hotelzimmer einladen. Er hatte so viel und so lange auf seiner Treue beharren können, wie er wollte - es war völlig zwecklos gewesen. Und irgendwann nur noch nervig. So etwas fraß die Liebe mit der Zeit auf und ließ nur noch unangenehme Gefühle zurück. Aber das hatte Sam nie verstanden. Am Ende hatte sie selber ihn betrogen. Wahrscheinlich als Rache für etwas, das er nie getan hatte. Menschen machten schon komische Dinge.

"Du musst ihm vielleicht mehr Zeit geben... er kennt dich scheinbar noch nicht so gut..."

"... wie du?", beendete Tai den Satz und sah ihn direkt an.

Matt begegnete dem Blick. "Ja."

Etwas lag in der Luft. Die Stimmung war auf einmal so ernst... Würde Tai jetzt wieder abhauen? Wie letztes Mal?

Ein paar Augenblicke der Wortlosigkeit vergingen. Nur die Stimmen aus dem Fernseher erfüllten den Raum, aber Matt hörte nicht hin. Er sah Tai an, als könnte er ihn mit seinem Blick dort festhalten.

Matt atmete ein und gab sich endlich einen Ruck. "Tai... es tut mir wirklich leid, dass ich damals einfach abgehauen bin. Einen guten Freund.. nein, den besten Freund... lässt man nicht so zurück. Ich war ein egoistischer Idiot und... es kommt nicht wieder vor. Versprochen." Endlich hatte er die Entschuldigung herausgebracht. Ein Teil der Anspannung ließ ihn los. Tai saß noch immer da und blickte zur Seite. Dann senkte er leicht den Kopf und Matt glaubte, ein Lächeln auf seinem Gesicht zu sehen.

"Danke, Matt."

"Ich... hole uns Nachschub." Er stand auf und huschte rüber in die Küche um dieser, für ihn irgendwie unangenehmen, Situation zu entkommen.
 

*
 

Während Matt sich mit den Küchenschränken beschäftigte, entspannte Tai sich wieder ein bisschen in seinem Sessel. Matts Entschuldigung hatte eine Last von ihm genommen, als hätte er den Stachel aus einer Wunde gezogen. Aber dieses gute Gefühl verursachte gleichzeitig wieder ein schlechtes Gewissen. Wenn Masao wüsste, dass er den Abend schon wieder mit jemand anderem, noch dazu einem anderen jungen Mann... einem Mann, dem er früher ziemlich nah gewesen war... Halt stopp! Masao war derjenige, der nicht mehr mit ihm redete und der ihn aus misstrauischen Augen ansah. Und außerdem... war Matt nur ein Freund. Kein Flirt oder so. Und das von damals war.. nun offiziell verjährt.

Während Tai den Gedanken auf diese Art habwegs gut zur Seite geschoben hatte, flimmerte etwas über den Fernsehbildschirm, das seine Aufmerksamkeit beanspruchte. Mit leicht angehobenen Augenbrauen und großen Augen starrte er den Spot an, der gerade lief. Dort sah er Matt. Den selben Matt, der grade in der Küche mit den Schranktüren klappte. Matt, der mit freiem Oberkörper enge Jeans anprobierte, eine nach der anderen. Dutzende Einstellungen, getrennt von harten Schnitten, unterlegt mit Rockmusik... Matts perfekter Hintern, seine Hüften, seine Taille, seine Schulterblätter, ein cooler Blick über die Schulter. Seine filigranen Hände am Hosenbund der Jeans und dann wie sie den obersten Knopf öffneten. Der Kontrast zwischen dunklen Jeans und heller Haut... Matts Bauchnabel... das Blitzen eines Piercings an seiner linken Brustwarze. Die Nahaufnahme eines unverschämt verwegenen Grinsens auf seinem Gesicht.

Tais Wangen fühlten sich plötzlich heiß an und in seinem Bauch kribbelte es aufgeregt. Verdammt! Ein paar Sekunden Jeanswerbung hatten ihn noch nie so aus der Fassung gebracht. Mit Schrecken registrierte er, wie Matts Schritte näher kamen. Zum Glück war die Werbung endlich vorüber.

"Alles okay?", fragte der Sänger und stellte zwei frische Bier und eine Schale Chips auf den Tisch.

"J-ja klar." Oh oh.

Matt runzelte die Stirn und betrachtete Tai eingehend.

"Sicher? Du siehst irgendwie... mitgenommen aus."

"Ach ja, das ist sicher nur der Alkohol.", log Tai schnell und grinste schief.

Matt warf ihm einen Blick zu, der klarmachte, dass er ihm nicht recht glaubte. Aber zu Tais Erleichterung hakte er nicht weiter nach.

"Dann solltest du vielleicht doch keins mehr trinken."

Beide blickten zu den leeren Cola- und Bierflaschen neben dem Tisch. Er hatte nicht wirklich viel Bier getrunken, eher Cola... aber zumindest war es eine taugliche Ausrede. Auf jeden Fall besser, als die Wahrheit. Ob er mal eben Matts Dusche benutzen konnte, oder war das zu auffällig? Sie hatten gerade erst ihre Freundschaft wiederbelebt und er geiferte hier allen Ernstes den Werbespot seines Kumpels an...

"Ja.. und wahrscheinlich sollte ich auch langsam nach Hause gehen."

Matt warf einen Blick auf die Uhr und seufzte.

"Wahrscheinlich."

Tai erhob sich. "Es war ein lustiger Abend."

Der Sänger griff nach der Fernbedienung und schaltete den Bildschirm aus. Nun lag die Wohnung im Dunkeln. Das Licht der Straßenlaternen flutete dämmrig in den Raum. Die Alarmanlage blinkte wachsam an der östlichen Wand des Zimmers. Man konnte gerade noch genug erkennen, um sich im Raum zu orientieren und nicht über irgendwelche Möbelstücke zu stolpern.

"Ja." Matt war an das Fenster nahe der Eingangstür herangetreten und blickte zwischen den Vorhängen hinaus auf die Straße. Tai hatte seine Mühe mit den veränderten Lichtverhältnissen und stolperte schließlich aus der Sofainsel heraus. Irgendwie missfiel ihm diese gedrückte Stimmung. Aber bevor er den Gedanken vertiefen konnte, bemerkte er, wie gebannt Matt auf die Straße starrte... und, dass er plötzlich die Luft anzuhalten schien.

"Matt?"

Keine Reaktion. Verwundert trat Tai neben ihn ans Fenster und lugte ebenfalls am Vorhang vorbei. Auf der anderen Straßenseite lief ein Pärchen, aus der anderen Richtung kam ein Mann mit Aktentasche... nichts, das einen so aus der Fassung bringen sollte. Oder?

"Matt?", versuchte er es nochmal. "Was ist los?"

"Da ist Sam.", flüsterte der Sänger.

Tai kniff die Augen zusammen. Sam? Nochmals ließ er seinen Blick über die Gehwege schweifen, bis er endlich auf eine einzelne Person aufmerksam wurde, die beinahe in Zeitlupengeschwindigkeit die Straße entlang spazierte und Matts Haus zu betrachten schien. Sam. Samantha. Tai schüttelte den Kopf über sich selbst. Jetzt war immerhin auch gleich das Rätsel um Matts hartnäckigen Anrufer gelöst.

Die junge Frau trug einen langen dunklen Mantel und eine Mütze. Brünette Haarstähnen lugten darunter hervor. Man konnte auf diese Entfernung nicht viel von ihrem Gesicht erkennen.

"Bist du sicher, dass sie es ist?"

"Sicher bin ich sicher."

Die Frau griff in ihren Mantel und zog eine Zigarette hervor.

"Eindeutig.", kommentierte Matt die Szene.

"Tja vielleicht... will sie dich auch besuchen?" Es musste doch nicht hinter allem gleich etwas schlechtes vermutet werden... Es brachte Matt ja auch nichts, ständig in Panik zu leben.

"Tai."

"Matt?"

Endlich löste Matt seine Starre und blickte zu ihm.

"Meine neue Adresse ist so geheim wie die Kochrezepte deiner Mutter."

"Aber-"

"Ich nehme an, Brent hat dir meine Adresse gegeben, weil er Mitleid mit mir hatte. Aber Sam ist eine der Letzten, die sie kennen sollten."

Nachdenklich wanderte Tais Blick wieder zu Samantha, die inzwischen stehen geblieben war, und immernoch herüber starrte. Sie konnte sie nicht sehen, davon war er überzeugt. Aber es war eindeutig, dass sie sich für die Wohnung interessierte.

"Glaubst du, sie war's?"

Matt seufzte und schüttelte unwillig den Kopf.

"Eigentlich nicht... " Das 'aber' hing in der Luft, wurde jedoch nicht ausgesprochen. Wer wollte schon gerne zugeben, mit einer Psychopathin verlobt gewesen zu sein? Aber im Ernst – es beunruhigte Tai schon ein wenig, dass diese Person sich nun so verdächtig benahm und Matts Haus belagerte, von dem sie nichtmal wissen sollte, dass es hier war.
 

*
 

Jetzt war Matt froh darüber, nicht mehr draußen herumzulaufen. Wäre er Sam statt Tai in die Arme gelaufen, wäre der Abend sicher nicht so angenehm geworden. Eigentlich wollte er sie nicht verdächtigen, sie war sicher kein schlechter Mensch, nur... neigte sie eben zur Dramatisierung von Situationen, was vielleicht bei einer Schauspielerin nicht ungewöhnlich war? Trotzdem wollten die Erinnerungen an ihre "Rache" nicht verblassen.

Es war inzwischen weniger die eigentliche Verletzung seiner Gefühle, sondern zunehmend der Schock über die Erkenntnis, wie kalt und berechnend jemand sein konnte, wenn er sich seiner Eifersucht hingab. Wenn er es sich recht überlegte, hätte er ihr das damals ebenfalls nicht zugetraut... bis sie ihn eines Besseren belehrte.

Sie hatte es darauf angelegt, von ihm erwischt zu werden. Es war genau so geplant gewesen, sie hatte sonst nie einfach so "vergessen", dass sie eine Verabredung hatten. Wenn sie es hätte geheimhalten wollen, hätte sie den Typen außerdem woanders treffen können, als in ihrer Wohnung, zu der sie Matt extra den Schlüssel gegeben hatte...

Die Szene lief wie ein Film vor seinem inneren Auge ab. Zwei Paar Schuhe lose verteilt im Flur, Highheels und Sneakers. Seltsame Geräusche aus dem Schlafzimmer, die Tür dort nur angelehnt. Der Geruch von Alkohol und Zigaretten hing im Raum. Wie er den Gestank hasste... Dann die Stimme des anderen Mannes, den Namen seiner Verlobten hervorpressend. Und obwohl ihm in dem Moment schon völlig klar gewesen war, was er sehen würde, hatte er mit angehaltenem Atem leise gegen die Tür gedrückt und einen Blick riskiert. Es war wie bei einem schlimmen Unfall – man will nicht hinsehen, aber man kann irgendwie auch nicht wegschauen. Sekunden, die ihm wie Ewigkeiten vorkamen, brannten Bilder in seine Augen, in sein Gedächtnis, die Übelkeit in ihm hervorriefen, wann immer er an Sam dachte.

Matt kniff die Augen zusammen und schüttelte die Gedanken ab. Dass Tai immernoch neben ihm stand, realisierter er erst, als dieser ihm eine Hand auf die Schulter legte.

"Vielleicht solltest du die Polizei rufen oder so."

Matt seufzte. "Besser nicht. Dann kriegt sie ja wieder die Aufmerksamkeit, die sie haben will. Sie soll... mich einfach nur in Ruhe lassen."

Als er wieder hinausblickte, stand Sam nicht mehr an der Hauswand auf der anderen Straßenseite. Na wenigstens war sie jetzt aus seinem Blickfeld verschwunden und würde hoffentlich wieder abziehen und nie wieder herkommen... Morgen würde er Brent beziehungsweise Jules darüber informieren.

Plötzlich klingelte es an der Tür und beide zuckten zusammen.
 

*
 

Matt neben ihm schien die Luft anzuhalten. Tai fühlte sich wie ein Schauspieler in einem Krimi. Ein Blick aus dem Fenster legte den Schluss nahe, dass Samantha jetzt vor der Tür stand. Sie schien ja wirklich besessen von Yamato zu sein. Er hatte vorhin davon erzählt, dass die Beziehung kein besonders angenehmes Ende genommen hatte und dass er ihr mehrmals überdeutlich klargemacht hatte, dass die Sache für ihn beendet war. Hoffentlich geriet er niemals an so jemanden.

Es klingelte nochmal. Was wenn die Gute gar nicht mehr gehen würde? Nach Hause gehen stand momentan jedenfalls nicht mehr auf Tais Plan. Seine Hand berührte noch immer Matts Schulter. Als er die Anspannung seines Freunes so deutlich spürte, fasste er seinen Entschluss. Das wäre doch gelacht...

Er holte tief Luft, schritt selbstbewusst den kurzen Flur entlang zur Haustür und öffnete diese. Matt regte sich nicht.

Die Nachtluft schlug ihm entgegen. Draußen stand tatsächlich die junge Frau. Die perfekten Gesichtszüge unter einer dicken Schicht Make-Up verborgen.

Sie blickte ihn überrascht an. Hatte wohl jemand anderen erwartet.

"Guten Abend.", sagte er förmlich.

"Ich- äh.. wer sind Sie denn?" Der Gestank von Zigaretten schlug ihm entgegen und auch eine leichte Fahne.

Tai hob eine Augenbraue.

"Sie haben doch bei mir geklingelt. Die Frage sollten also wohl Sie beantworten, nicht wahr?"

Nun wirkte die Frau nicht mehr nur überrascht, sondern auch etwas verunsichert. Sie versuchte, an ihm vorbei ins Haus zu schauen, aber erstens stand Matt nicht im Gang und zweitens war es viel zu dunkel, um etwas zu erkennen. Tai lehnte sich ein Stück nach rechts um ihren Blick abzufangen.

"Also?"

"Wohnen Sie hier?" Was für eine unhöfliche Art...

"Ist das nicht offensichtlich?", fragte Tai möglichst arrogant zurück. "Sehe ich aus, wie eine Putzfrau? Oder wie der Gärtner?"

"Ich.. dachte nur...", murmelte sie kleinlaut und starrte wieder in sein Gesicht, noch immer ungläubig.

"Sie haben getrunken, vielleicht sollten sie lieber nach Hause gehen.", sagte er nun etwas freundlicher, beinahe mitleidig.

Es schien zu funktionieren. Sams Gesicht nahm einen zickigen Ausdruck an. Dann strich sie sich eine ihrer perfekt gestylten Haarsträhnen hinters Ohr, richtete sich kerzengerade auf und machte auf dem Absatz kehrt ohne ein weiteres Wort zu verlieren. Tai schüttelte den Kopf und schloss die Tür.

Er kehrte zu Matt zurück, der noch am Fenster stand und zusah, wie Samantha die Straße hinuntermarschierte und endlich aus dem Blickfeld verschwand.

"Danke, Tai. Das war filmreif."
 

*
 

Eine spontane Idee, irgendwie albern aber gleichzeitig auch irgendwie genial und vor allem wirkungsvoll. Das war so typisch Tai, dass es ihm ein Lächeln aufs Gesicht zauberte. Mit etwas Glück hatte diese Aktion Sam so sehr beeindruckt, dass sie es nicht nochmal versuchen würde. Sie hasste peinliche Auftritte; und dass Tai sie auf den Alkohol hingewiesen hatte, tat sein übriges.

"Ich würde in Anbetracht der Lage vorschlagen, dass ich hierbleibe."

Überrascht wandte er sich zu Tai um.

"Das musst du nicht, ich meine... ich hab' keine Angst oder so."

Sein Freund lächelte und legte den Kopf leicht schief. "Natürlich nicht. Aber ich würde mich besser fühlen... außerdem haben wir doch noch eine Menge Geprächsstoff nachzuholen und so..."

Matt wurde das Gefühl nicht los, dass Tai ihm nicht glaubte. Aber was sollte es! Eigentlich freute er sich darüber, dass Tai bleiben wollte, denn es bedeutete tatsächlich einen großen Schritt in Richtung "alte Zeiten". Außerdem fühlte sich dieses Haus einfach besser an, wenn er sich nicht allein darin aufhielt.

"Na gut."

Erinnerungen

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Gefährliche Nähe

„Du solltest zu ihm gehen und von Angesicht zu Angesicht mit ihm darüber reden“, sagte Matt schließlich, nachdem sie sich mehrere Minuten angeschwiegen hatten.

„Da gibt es nichts mehr zu reden, fürchte ich.“ Tai lächelte, aber es reichte nicht, um ihn zu täuschen.

„Du hättest gestern Abend lieber zu ihm gehen sollen. Tut mir leid, dass ich dich hier so mit reingezogen habe.“

Tai sah auf. „Du siehst das falsch, Matt. Du bist mein Freund und er hätte sicher verstanden, dass ich dir beistehen wollte...“

Naja, ob das wirklich stimmte? Oder ob das nur wieder Tais naive Ader war, die sich die Tatsachen schönredete? Er wollte etwas erwidern, aber Tai sprach weiter.

„Die Beziehung lief auch vor der Polizeisache schon nicht so toll... Es ist eigentlich sowieso besser so. Glaube ich.“

Matt hob eine Augenbraue. Der leicht niedergeschlagene Ausdruck in Tais Augen blieb. Er wusste nicht, ob er tiefer graben oder es dabei belassen sollte. Sie tranken still ihren Kaffee aus. Tai sah viel zu betrübt aus, obwohl er sich Mühe gab, das mit einem Grinsen zu überspielen, wenn er Matts Blick bemerkte.

Er versuchte, sich an früher zu erinnern. Tai war selten wirklich traurig gewesen. Enttäuscht vielleicht, wenn er ein Spiel verloren hatte, wobei das bei ihm schnell in Trotz und Entschlossenheit umgeschlagen war. Aber damals war das beste Mittel immer Ablenkung gewesen...

„Hast du dann vielleicht Lust, schwimmen zu gehen?“
 

*
 

„Die Tests haben eindeutig ergeben, dass dieser Stift zu der Schrift an der Wand passt.“

Brents Stirn lag in tiefen Falten, während er das unschuldig aussehende Schreibinstrument betrachtete. Dann glitt sein Blick langsam wieder hinauf zu Jules' Gesicht.

„Es gibt doch sicher hunderte solcher Stifte in Tokyo.“

„Es ist kein eindeutiger Beweis, aber ein weiteres Indiz, das in die selbe Richtung deutet... Sie müssen das Gesamtbild betrachten, nicht nur die einzelnen Teile.“ Jules blickte ihn sachlich an. „Es ist tatsächlich oft so, dass solche Verbrechen von Personen aus dem vertrauten Umfeld begangen werden. Das Motiv könnte Neid sein, oder eine krankhafte Eifersucht...“

Aber... das war einfach so schwer zu glauben. Sein Gefühl sagte ihm, dass Taichi es nicht gewesen sein konnte. Aber was der Detektiv vorbrachte, ließ ihn langsam doch an seiner eigenen Einschätzung zweifeln. War er einfach nur naiv? Geblendet von einer sympathischen Fassade? Brent schüttelte den Kopf.

Taichi tat Matt gut, das hatte er schnell gemerkt, er hatte es zwischen den Zeilen seiner Songs gelesen und er hatte es an seinen Reaktionen auf das Thema gemerkt. Was für ein Schlag wäre es nach dem grässlichen Ende seiner Verlobung, wenn sich jetzt auch noch herausstellte, dass sein Freund aus der Schulzeit ihn bedrohte?
 

*
 

Die Sonne fiel sanft durch das Glasdach und ließ die Wassertropfen glitzern, als Tai mit Wucht auftauchte und die nasse Mähne schüttelte. Die langen Haarsträhnen flogen herum und klebten triefend in seiner Stirn während er lachte und sie mit der Hand beiseite schob.

„Kommst du auch rein, oder was?“

Matt lächelte innerlich darüber, wie schnell Tai nach dem Bruch seiner Beziehung wieder lachen konnte. Aber das war eben sein sonniges Gemüt, das ihn schon immer ausgezeichnet und bei allen beliebt gemacht hatte. Natürlich hieß das nicht, dass er schon darüber hinweg war, aber zumindest saß er nicht auf dem Bett und heulte oder schrieb traurige Lieder. Er kam auf seine Tai-Art-und-Weise darüber hinweg.

„Keine Hektik.“ Er platzierte sein Handtuch auf dem Stuhl und tappte dann zum Beckenrand. Das war das erste Mal, dass er diesen Pool benutzte. Seinen Pool. Seinen Indoor-Pool. Es wirkte noch immer so absurd.

Er hockte sich an den Rand und tauchte die Hand ins Wasser. Ziemlich frisch. Aber leider hatte er Schwimmen ja selber vorgeschlagen, also würde er nicht drumherum kommen.

Plötzlich ergriff Tai seine Hand und zog ihn ins Becken.
 

*
 

„Tai!“, hörte er noch Matts überraschten Schrei, aber dann tauchte er auch schon ein und jeder Schall wurde vom Wasser gedämpft. Er öffnete die Augen und blickte in das Gesicht seines Kumpels, das gerade noch blasser wirkte, als normalerweise. Er grinste, als Matt ihm sein Handgelenk entriss und an die Oberfläche paddelte.

„Scheiße ist das kalt!“

„Nur im ersten Moment.“

Matt schob mit einer lässigen Geste die durchnässten Ponysträhnen aus dem Gesicht, was ihn irgendwie wilder aussehen ließ. Blaue Augen funkelten ihn direkt an. Ein kleines bisschen Wut lag darin. Dann kam es, wie es kommen musste – der Gegenangriff auf ihn wurde gestartet. Matt warf sich auf ihn, bekam seine Schultern zu greifen und tauchte ihn unter. Er hatte gerade noch eine Sekunde um Luft zu holen, dann versanken sie gemeinsam in der Stille.

Das Sonnenlicht schien genau auf sie beide herab und ließ Yamatos Haare golden glitzern. Tai merkte, wie er unwillkürlich lächelte, während sie immer langsamer Richtung Boden sanken. Matt blinzelte. Die spielerische Wut war gewichen, er sah für einen Augenblick einfach nur befreit und fröhlich aus, als er auf ihn herabblickte und grinste, die Hände noch immer auf seinen Schultern. Tai spürte, wie sein Herz schneller schlug. Es war einer dieser Momente, in denen man das Glück fühlen konnte.

Aber es dauerte nur Sekunden, dann ließ Matt ihn los um aufzutauchen.
 

*
 

Der Mittag verging während sie schwammen, tauchten und Blödsinn machten. Sein Plan schien zu funktionieren – Tai sah zu keiner Sekunde traurig aus. Im Gegenteil, sie lachten so viel, dass ihm manchmal die Mundwinkel wehtaten. Ein Gefühl, von dem er nicht wusste, wann er es das letzte Mal gehabt hatte. Aber da er nicht mit einer so sportlichen Kondition wie sein Freund gesegnet war, zog er sich bald an den Beckenrand zurück, stützte die Unterarme auf und sah Tai zu, wie er von einem Ende des Pools zum anderen kraulte.

„Was ist? Schon aus der Puste oder was?“, fragte er keck, als er bemerkte, dass er Pause machte.

„Hast du keinen Hunger?“

Tai hielt den Kopf leicht schief, während er über die Frage nachzudenken schien.

„Jetzt, wo du es sagst...“
 

Kurze Zeit später saßen sie nebeneinander auf dem Liegestuhl und aßen Spaghetti. Stinknormale Spaghetti. Wie früher.

„... und Misaki passt mir den Ball rüber, aber er kommt nicht so gut. Zu hoch und meterweit entfernt...“ Tai schlang einen Batzen Nudeln herunter, bevor er weitersprach. „Also sprinte ich nach vorne und sehe, dass es nicht mehr reicht... also hilft nur ein Hechtsprung. Kopfball! Und er ist drin!“ Tai riss den Arm als Siegesgeste nach oben. Matt grinste. Tai war nach wie vor voll dabei, wenn er von seinen Matches erzählte.

„Die Medien sind auch schon auf dich aufmerksam geworden. Ich habe einen Fernsehbericht gesehen, in dem du vorkamst.“ Er angelte sich die letzten zwei Nudeln aus der Schüssel und stellte sie dann auf den Boden.

„Du hast mich im Fernsehen gesehen?“

„Ja, auf dem Flug.... am 20. Mai.“

„Ich glaube, da hab ich dich auch gesehen... gehört meine ich.“

Tais Stimme wurde leiser während er sprach, als ob ihn das Gesagte an etwas erinnerte.
 

*
 

Ja, da hatte die Sache mit Masao gerade Fahrt aufgenommen. Er erinnerte sich noch, wie sie die Treppen zu seiner Wohnung hochgestiegen waren. Noch euphorisch vom Training und aufgeregt angesichts dessen, was sie stillschweigend beschlossen hatten. Aber die Hitze zwischen ihnen war schlagartig abgekühlt, als er diese Stimme gehört hatte, wie sie die Zeilen sang, die tief vergraben in seinem Unterbewusstsein, seit Jahren unausgesprochen warteten, über die Lippen gebracht zu werden. Der Person gesagt zu werden, für deren Ohren allein sie bestimmt waren.

„Willst du noch eine Runde im Pool drehen oder wollen wir uns ein anderes Betätigungsfeld suchen? Ich habe noch einen Fitnessraum.“

Tai blickte auf, die Gedanken von eben verwischten. Er hob misstrauisch eine Braue. Dass Matt einen Fitnessraum hatte, war schon etwas merkwürdig, aber dass er sogar vorschlug, ihn zu benutzen... er schien sich doch verändert zu haben. Oder aber...

„Du musst das nicht machen.“

„Was?“ Matt blickte ihn verwundert an.

„Dich mit Sport quälen, um mich abzulenken“, antwortete er und lächelte.

„Ich quäle mich nicht. Ich … versuche nur verzweifelt, dich hierzubehalten, damit ich Unterhaltung habe. Absolut eigennützig.“

Ein viel besserer Lügner als er selbst, war sein Kumpel aber auch nicht. Er legte ihm eine Hand auf die Schulter.

„Er war einfach nicht der Richtige. Was soll's? Ich werde drüber hinwegkommen und ich verspreche, dass ich mich nicht irgendwo runterstürze.“

Matt blickte Tais Hand an, als würde er sich über diese Geste wundern.

„Danke, dass du so ein guter Freund bist, Yama.“

Nun blickten die blauen Augen wieder in seine. Er konnte sehen, wie die Mundwinkel des Sängers nach oben zuckten. Im selben Moment realisierte er, dass er diesen Spitznamen seit damals nicht mehr benutzt hatte. Es war ein Zeichen ihrer Vertrautheit gewesen. Er hatte ihn benutzt, ohne darüber nachzudenken … ganz natürlich eben. Es war ein schönes Gefühl.

„Lass uns lieber noch einen Film gucken.“
 

So verbrachten sie den Nachmittag damit, sich mit Popcorn bewaffnet auf dem Sofa zu lümmeln, die Füße auf dem Tisch abgelegt, und sich von Actionfilmen berieseln zu lassen während sie Scherze über die Schauspieler abließen. Zum Thema Schauspieler schien Matt ohnehin einiges erzählen zu können … blieb wohl nicht aus, wenn man zwei Jahre mit jemandem aus dieser Zunft liiert war.

„Sag mal...“, begann er. Es gab da eine Frage, die ihn schon seit einer Weile immer wieder beschäftigte.

Matt nahm die Füße vom Tisch und drehte sich auf dem Sofa zu ihm, schaute interessiert. Er hatte seine ungeteilte Aufmerksamkeit. Wieso machte es ihm das gerade nur schwerer?

„Wirst du eigentlich bald wieder auf Tournee gehen, oder...“

Erkenntnis blitzte in den blauen Augen auf. Er fuhr sich durchs Haar. Sein Blick wich kurz zur Seite aus, während er nachzudenken schien.

„In der nächsten Zeit bestimmt nicht“, erwiderte er schließlich. „Aber ich weiß nicht, wie es in ein paar Jahren aussieht. Es kommt drauf an...“

„Auf euren Erfolg?“

Matt sah ihn wieder an.

„Unter anderem.“
 

*
 

Wann würde diese Achterbahn aufhören? Ständig schwankten sie zwischen dem Hochgefühl ihrer Freundschaft und den Tiefen ihrer vergangenen Verfehlungen. Die bittere Miene seines Freundes erzeugte ein schweres Gefühl in seinem Magen.

„Ich würde nicht nochmal einfach so abhauen“, beschwor er und meinte es auch so. „Ich verspreche es.“

Ein schwaches Lächeln zierte Tais Gesicht. Er war sich nicht sicher, ob er ihm glaubte. Da würde er noch einiges an Vertrauen zurückgewinnen müssen, das wurde ihm jetzt bewusst. Sie mussten sich stetig weiter herantasten.

„Und wer weiß … vielleicht interessiert sich in einem halben Jahr keine Sau mehr für uns … oder der Stalker killt mich … oder ich bin in einem Jahr verheiratet und habe drei Kinder“, versuchte er die Stimmung wieder aufzulockern.

Tai gab ein amüsiertes Schnaufen von sich.

„Die ganze Welt liebt deine Musik.“

„Die Welt ist verdammt schnelllebig.“

„Der Stalker kriegt dich nicht.“

„Das will ich hoffen.“

„Und ich glaube, drei Kinder und eine Hochzeit in einem Jahr ist unwahrscheinlich. Eine Schwangerschaft dauert-“

„Drillinge!“

Tai schüttelte den Kopf und lachte.

„Vielleicht hält mich ja auch irgendwas anderes davon ab.“
 

*
 

Schon wieder so ein Moment, in dem er Herzklopfen bekam, wenn er ihn ansah. Wie Matt da so saß, seitlich gegen die Sofalehne gelehnt und den Kopf dort lässig abgestützt, die Finger in den Haaren vergraben, konnte er ihn sich direkt wieder in einem Werbespot vorstellen.

Sexy …

Er biss sich auf die Unterlippe. Was bildete er sich ein? Bis vor zehn Stunden war er noch mit Masao zusammen gewesen und jetzt … Warum jetzt? Wann hatte er sich zu einem Arschloch entwickelt, das direkt nach Ende einer Beziehung alle alten Gefühle abschalten und dem nächstbesten Kerl hinterher geifern konnte? Nein. Matt war nicht einfach der nächstbeste, er war auch gleichzeitig der falscheste, den er sich dafür aussuchen konnte. Er sollte sich wohl erst mal etwas Zeit nehmen, diese Trennung zu verdauen, damit er nicht aus Einsamkeit seinen besten Freund ansprang.

Er rappelte sich vom Sofa auf.

„Tja, ich werde dann langsam aufbrechen.“

Nachdem sie sein Zeug eingesammelt hatten, brachte Matt ihn zur Tür.

„Danke fürs Gesellschaft leisten.“

„Es hat Spaß gemacht, in deiner Luxusbude zu übernachten.“

„Und sprich dich mit deinem Ex-Freund aus.“

Er nickte leicht. Ja, wahrscheinlich würde er das tun. Ein paar Dinge waren bisher ungesagt geblieben.

Sie lächelten sich kurz zu und Tai zögerte bei dem Gedanken, was ein angemessener Abschied in so einer Situation war. Früher hatten sie sich immer kurz umarmt, aber …

Matt schien ebenfalls unschlüssig, machte jedenfalls keine Anstalten zu einem Handschlag oder so. Er schaute ihn nur an. Schon wieder diese Anspannung. Ein Knistern lag in der Luft. Ging es nur ihm so? Es war ein gefährliches Gefühl, das sich da in ihm aufbaute. Er erinnerte sich daran, wozu es damals geführt hatte...

„Dann … bis bald!“ Er zwang sich zu einem Grinsen, hob kurz die Hand zum Gruß, drehte sich um und ging eilig davon.
 

Diese schnelle Abgang war sicher seltsam rübergekommen … aber er wusste nicht, wozu er sich hätte verleiten lassen, wenn er weiter dort gestanden und nachgedacht hätte. Das war auf jeden Fall die beste Lösung gewesen. Er konnte es später damit erklären, dass er doch noch etwas mitgenommen wegen seiner kürzlichen Trennung war. Genau. Matt würde das verstehen.

Tai stieg aus der U-Bahn und joggte die Treppen hinauf. Von hier aus war es nicht mehr weit. Die Straßenlaternen waren bereits eingeschaltet. Morgen musste er wieder arbeiten. Diesen ganzen Alltagskram hatte er fast vergessen, während er bei Matt gewesen war. Als hätte die Außenwelt währenddessen gar nicht existiert.

Er seufzte. Zu Hause würde er Masao anrufen. Er musste wenigstens versuchen, mit ihm zu reden. Es war Zeit, ein bisschen Ordnung in diese Sache zu bringen. In seine Gefühle. Inzwischen hatte er das Gefühl, dass es gut war, dass sie sich getrennt hatten. Die Beziehung hatte von Anfang an unter einem schlechten Stern gestanden, er hatte alles blockiert. Logisch, dass er damit das Vertrauen nach und nach verspielt hatte, kein Wunder, dass Masao ihm misstraute. Und auch, dass er den logischen Schluss daraus gezogen hatte. Da waren zwar noch Gefühle, aber zum Großteil verkettet mit einem Schuldgefühl. Das war nicht die richtige Basis für eine Beziehung. Sie sollten nochmal darüber reden und dann versuchen, damit umzugehen. Vielleicht würden sie danach irgendwann Freunde sein.

Er hatte seine Straße erreicht und marschierte auf das Wohnhaus zu. Als er gerade aufschließen wollte, trat jemand hinter ihn und legte eine Hand auf seine Schulter.

„Yagami Taichi?“

Eine unbekannte Stimme. Was wollte der Kerl von ihm? Er drehte sich langsam um, auf alles gefasst, und blickte schließlich auf einen Typ in Uniform, der ihm eine Polizeimarke entgegenhielt. Ein Anflug von Panik verdrehte ihm den Magen.

Verdammt! Auch das noch. Wurde er jetzt verhaftet oder was? Er unterdrückte den Drang, wegzulaufen.

„Ja?“

„Katsura, Polizei. Ich muss Sie bitten, mitzukommen.“

Das konnte alles nicht wahr sein.
 

*
 

Nach Tais Verabschiedung hatte Matt sich ein kleines Abendessen zubereitet und sich damit aufs Sofa verzogen um den vergangenen Tag Revue passieren zu lassen. Er war so dankbar dafür, dass Tai sich mit ihm versöhnt hatte und sie die alten Zeiten wieder aufleben lassen konnten.

Er blätterte mit dem Smartphone durch die neusten Facebook-Kommentare auf seiner Fanseite. Mal keine verstörenden Nachrichten zu finden. Nur das übliche Geschmachte. Es klang seltsam, aber trotz all der Aufmerksamkeit, all der Fans und ihren Liebesbekundungen, trotz ausverkaufter Stadien und Interviewanfragen fühlte er sich oft außen vor. Gerade jetzt, nachdem Tai hier gewesen war, wog dieses Gefühl schwer. Fans waren eben keine Freunde, Beliebtheit war keine Liebe und Medien-Aufmerksamkeit war kein echtes Interesse. Er legte das Telefon weg und zappte durch die Kanäle.

Nach ein paar Minuten unterbrach die Türklingel seine Abendunterhaltung. Mit gemischten Gefühlen erhob er sich. Hoffentlich war es Brent mit der guten Nachricht, dass der Einbrecher gefasst war. Und hoffentlich war es nicht schon wieder Sam. Er lugte durch den Spion und stellte erleichtert fest, dass es Jules war. Dann bestand vielleicht wirklich Hoffnung darauf, dass es Fortschritte bei den Ermittlungen gab.

Er öffnete die Tür und ließ den Detektiv ein.

„Bon soir, Yamato. Ich hoffe, ich störe nicht.“  

„Es gibt hier nichts, wobei man stören könnte. Ich hoffe, Sie bringen gute Nachrichten?“

Sie durchquerten den kleinen Flur und blieben an der Theke, welche die Küche vom Wohnzimmer abtrennte, stehen.

Jules lächelte. „Ja, das tue ich durchaus.“ Seine Stimme klang anders als sonst … tiefer. Die eisblauen Augen funkelten ihn an. Irgendetwas stimmte nicht. Unruhe stieg in Yamato auf, er tastete hinter sich nach dem Rand der Theke während er Jules nicht aus den Augen ließ.

„Spannen Sie mich nicht auf die Folter, Jules. Ich wäre wirklich froh, wenn Sie mir sagen könnten, dass die Sache aufgeklärt ist.“ Er versuchte, sich seine plötzliche Anspannung nicht anmerken zu lassen. Er wurde langsam paranoid, wie es schien.

„Natürlich.“ Jules lächelte sein charismatisches Lächeln und griff in seine Jacke während er näher auf ihn zukam. Matt wollte gerade erleichtert ausatmen und das neue Material betrachten. Was er sah, war jedoch der Lauf einer Pistole an seiner Brust.  

Sein Kopf war leer.

Er konnte einfach nur starr dastehen und mit geweiteten Augen die Schusswaffe anstarren, die der Detektiv auf ihn richtete. Er spürte den Druck der Waffe an seinem Körper, der ihm klarmachte, dass das hier keiner seiner Alpträume war. Er schluckte hart, als er begann, das Geschehen zu begreifen. Erst nach Sekunden gelang es ihm, den Kopf zu heben. Jules' Gesichtsausdruck hatte sich kaum verändert. Er lächelte noch immer, nur etwas breiter.

„Ich habe das Warten genauso satt wie du, das kannst du mir glauben“, sagte er sanft.

Sein Puls raste. Viel zu langsam begann sein Verstand wieder zu arbeiten. Er wollte noch nicht sterben verdammt! Er tastete hinter sich auf der Theke herum, aber dank seines guten Ordnungsbewusstseins lag da natürlich kein Messer. Sofort verstärkte sich der Druck gegen sein Herz.

„Ich würde dir raten, diese Idee sofort zu vergessen. Ich habe wirklich keine Lust, den Abend beenden zu müssen, bevor er überhaupt begonnen hat.“

Ich liebe dich

Er konnte immer noch nicht glauben, dass das hier wirklich passierte. Wie war er hier nur hineingeraten? Und noch wichtiger: Wie würde er wieder herauskommen? Die leeren Wände des Verhörzimmers gaben ihm keine Antwort. Man hatte ihn hier alleine gelassen. Wahrscheinlich sollte ihn das verunsichern oder zermürben. Es war wie in einer dieser Krimiserien, nur dass man ihn nicht gefragt hatte, ob er überhaupt mitspielen wollte.

Nach schier endlosen Minuten ging endlich die Tür auf und ein Polizeibeamter kam herein, setzte sich ihm gegenüber an den Tisch und blickte ihn grimmig an.

„Warum bin ich hier?“

„Hauptsächlich wegen Einbruchs, Sachbeschädigung, ein bisschen Belästigung und Stalking.“

Machte sich der Typ auch noch lustig über ihn? Tai brauchte all seine Beherrschung, um einigermaßen ruhig zu bleiben.

„Ich habe nichts davon getan und bevor ich hier auch nur noch ein einziges Wort dazu sage, möchte ich telefonieren.“

Der Polizist hob eine Braue, rollte mit den Augen und stand wieder auf.
 

*

Als er mit der Pistole im Rücken ins Schlafzimmer dirigiert wurde, kam es ihm vor, als würde das hier gerade jemand anderem passieren und nicht ihm, als würde er selber daneben stehen und zusehen, wie es passierte. Wahrscheinlich war es die Angst. Die Angst davor, dass sein Leben mit dem nächsten Lidschlag vorbei sein könnte. Sein Leben, das gerade in der Hand eines Verrückten lag.

Er reagierte einfach nur. Er tat, was der Kerl ihm zuflüsterte und er wagte nicht, genauer darüber nachzudenken. Ihm war eiskalt, sein Herz schien unregelmäßig zu schlagen, seine Hände zitterten. Nur entfernt bekam er mit, wie er gegen die Wand seines Schlafzimmer gedrückt wurde, dann eine kalte Berührung an seinen Handgelenken. Und obwohl er nicht denken wollte, schossen ihm tausend Gedanken durch den Kopf.

Warum hatten sie es nicht gemerkt? Was wollte dieser kranke Typ von ihm? Wozu dieses Spiel? Warum passierte das ausgerechnet ihm? Warum jetzt? Gab es irgendetwas, das er tun konnte? Konnte man mit dem Typen ... reden? Warum hatte er Tai gehen lassen?

Er stolperte, als Jules ihn Richtung seines Bettes schob. Zu dem Bett, auf dem er noch 24 Stunden zuvor gesessen und Tai sein neues Lied vorgespielt hatte. Ob man später seine Leiche dort auffinden würde? Ihm schossen Bilder von der Tatortszene durch den Kopf. Er sah Brent und Koji, Hayato und den Rest der Band, er sah Takeru und ...Taichi, den starren Blick ungläubig auf die Szene gerichtet, in seinem Gesicht der Ausdruck eines Menschen, der seinen besten Freund zum zweiten Mal verloren hatte. Endgültig. Er sah eine Blutlache, er sah Brent, fassungslos und von Schuldgefühlen zerfressen und er sah Tai aus dem Zimmer stürmen und ziellos durch die Straßen rennen. Und er spürte eine Leere von nie gekanntem Ausmaß in sich. Es durfte noch nicht zu Ende sein. Nicht jetzt. Nicht so.

„Du sagst ja gar nichts“, stellte der Detektiv mit sanfter Stimme fest. Matt unterdrückte ein sarkastisches Zischen. Sein Herz raste noch immer, aber er konnte die Situation nicht verbessern, wenn er nicht irgendwie die Ruhe behielt. Vielleicht konnte er ihn irgendwie davon überzeugen, keinen Gebraucht von der Pistole zu machen oder … es zumindest hinauszögern und auf ein Wunder hoffen. Er konnte das Zittern nicht verbergen, schon gar nicht, seit ihm die Hände hinter dem Rücken fixiert worden waren. Er fühlte sich so machtlos. Er hätte schreien können, aber wer sollte es hören? Um sich treten war ebenfalls keine Option. Solange die Pistole da war, schien jegliche Gegenwehr sinnlos. Er konnte den Kerl einfach nicht einschätzen. Niemand schien das zu können. Brent hatte sich immer so viel auf seine Menschenkenntnis eingebildet und dann höchstpersönlich diesen psychotischen Killer engagiert. Es wäre ein Grund zum lachen gewesen, wenn es nicht gerade um sein Leben gehen würde. Er war nur noch nicht tot, weil der Kerl irgendein krankes Spiel mit ihm spielte.

Direkt vor dem Bett blieben sie stehen. Der Druck des Pistolenlaufs zwischen seinen Schulterblättern war allgegenwärtig. Jules stand hinter ihm, er spürte seinen Atem, als er sprach.

„Verzeih mir die etwas unkonventionellen Methoden, aber … ich konnte einfach nicht anders.“ Matt wagte nicht, sich zu bewegen, aber er sah aus dem Augenwinkel, wie Jules sich an den Kopf griff und sich die Haare vom Kopf zog – eine Perücke? Zum Vorschein kamen glatte, schwarze Haare. Es wurde immer verwirrender. Sollte er den Typen von irgendwoher kennen? Wahrscheinlich schon, oder? Welchen Sinn machte eine Verkleidung sonst? Seine Nackenhärchen stellten sich auf. Er sagte nichts. Er wusste nicht, was er sagen sollte, seine Gedanken waren das reinste Chaos und voller Fragen.

„Ich liebe dich.“

Der Satz ließ ihm das Blut gefrieren. Er hatte nicht gedacht, dass sich diese Worte jemals so grässlich in seinen Ohren anhören könnten. Egal wie sanft die Stimme war, die sie sprach. Er atmete tief ein und wurde sich dabei erneut bewusst, wie sehr die Angst seinen Körper im Griff hatte. Jules setzte sich auf die Bettkante und zog ihn neben sich. Dann legte er eine Hand auf seinen Oberschenkel.

„Sing für mich.“

Es war so absurd, dass es ihm die Sprache verschlug. Aber scheinbar erwartete man auch gar nicht, dass er etwas sagte, denn er sprach immer weiter.

„Das Lied. Unser Lied. Es tut mir leid, dass ich damals einfach nicht mehr aufgetaucht bin.“ Kalte Finger strichen über seine Wange. „Aber nachdem du mir diesen Song geschrieben hattest, wusste ich, dass du mich vermisst und dass wir nicht ohne einander sein können. Jetzt kannst du es für mich singen, nur für mich, ohne die Menschenmassen um uns herum, die deine Gefühle sowieso nicht verstehen.“

Wovon redete der Kerl? Gott, er hatte so viele potentielle Liebeslieder geschrieben und keins von denen einem psychotischen Killer gewidmet. Nein. Hier war ein Psychiater nötig, irgendwas war hier eindeutig fehlinterpretiert worden. Aber … was sollte er tun? Was konnte er tun? Würde er ihn am Leben lassen, wenn er sich auf diese wirre Fantasie einließ?

„Welches Lied meinst du?“, schaffte er schließlich vorsichtig zu fragen. Er riskierte damit, den anderen zu verärgern, das war ihm klar, aber er wusste auch, dass er diesem kranken Wunsch nachkommen musste, wenn er noch ein paar Minuten weiteratmen wollte.

„Unsere Trennung muss dich so sehr geschmerzt haben, dass du alles aus deinem Kopf verbannt hast, was? Diese Alibi-Samantha und dein Taichi haben dich gut davon abgelenkt, aber nach heute Nacht wirst du dich wieder daran erinnern, wie sehr wir beide zusammengehören.“

Jules – oder wer auch immer er wirklich war - strich mit seiner kalten Hand an seinem Hals entlang weiter nach unten und legte sie dahin, wo sein Herz gerade Amok lief. „Sing für mich über dein gebrochenes Herz. Und danach flicken wir es wieder zusammen.“

Immer wieder schoss ihm durch den Kopf, wie absurd das Ganze war. Merkte der Typ eigentlich noch, dass er ihm eine Pistole gegen den Leib drückte? Er atmete tief ein und aus, um sich zu beruhigen, aber es brachte nicht viel. Er musste für diesen Killer singen und irgendwie versuchen, so zu tun, als ob er seine „Gefühle“ erwiderte. Zum ersten Mal wünschte er sich tatsächlich, ein besserer Schauspieler zu sein.
 

Seine Stimme zitterte, als er begann. Seine Kehle war so eng, dass es sich anfühlte, als müsste er jede Silbe einzeln hochwürgen.
 

Many times, many times

I fell in love with you

and never showed it
 

*
 

„Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass ich sein Gesicht nicht wirklich gesehen habe. Hören Sie überhaupt zu?“

„Sie sind unser einzige Zeugin und wir sind auf Ihre Hilfe angewiesen, Miss Gold, bitte konzentrieren Sie sich.“

Sie blickte genervt durch die Scheibe, hinter der eine Reihe junger Männer stand, von denen jeder eine Zahl hielt. Ihre Augen huschten von links nach rechts und nochmal zurück, dann blieb ihr Blick kurz an der Nummer vier hängen. Der kam ihr tatsächlich bekannt vor ...

„Wenn ich Ihnen helfe, kann ich dann gehen? Ich hatte heute noch etwas anderes vor.“

Sie brauchte hiernach dringend eine Zigarette.

„Ja.“

„Nummer vier.“
 

*
 

And don't you know, don't you know

I'd die for just a lie from you

yeah a token
 

And even though, even though

I know it could never heal

My heart's still broken
 

Die Worte klangen unecht und die Töne falsch, als würde sein Körper das Lied sabotieren. Sein Hals kratzte und fühlte sich trocken an. Der Typ mit der Waffe hatte die ganze Zeit über geschwiegen, aber nicht aufgehört, ihn zu befummeln, seine Schultern zu streicheln oder ihm in die Haare zu grabschen.

Und jetzt, da ein paar Sekunden Stille eingekehrt war, schien er ihn anzustarren. Er spürte den Blick fast genauso bohrend wie die Waffe. Schließlich griffen kühle Finger nach seinem Kinn und zwangen ihn, den Kopf zu heben und seinem Stalker ins Gesicht zu sehen. Er sah in die kühlen Augen und der Kloß in seinem Hals wuchs.

Der Kuss traf ihn unvorbereitet. Aus leicht geweiteten Augen sah er, wie der andere seine schloss, spürte die Lippen und seinen eigenen Herzschlag, der bis zum Hals geklettert war. Den reflexartigen Ruck seiner Hände hatte er nicht verhindern können, der Drang, den Kerl wegzustoßen war zu groß, aber er schien es zum Glück kaum registriert zu haben. War er so abgelenkt? Vorsichtig versuchte Matt, seine Hände aus ihrem Gefängnis zu ziehen, bis das Metall schmerzhaft in seine Haut schnitt und er die Augen zusammenkneifen musste. Es hatte keinen Sinn.

Er versuchte, die Sache so gut wie möglich über sich ergehen zu lassen. Ignorierte den Mund, der sich an seinem eigenen nicht satt kosten zu können schien.

„Komm schon, sei nicht so schüchtern“, forderte der andere zwischen seinen Küssen. Der französische Akzent war völlig aus seinen Worten gewichen. „Ich weiß doch, dass du eigentlich ganz anders bist.“

Matt wünschte sich, mehr Alkohol im Blut zu haben, um es besser ertragen zu können. Mechanisch öffnete er den Mund ein winziges Stück und zwang sich dazu, ihn zurückzuküssen. Sofort spürte er die fremde Zunge und ein eisiger Schauer rieselte über seinen Rücken. Ein Gedanke zuckte durch seinen Kopf, der Schnipsel einer Erinnerung. Dieses Piercing … Momente einer durchfeierten Nacht waberten an seinem inneren Auge vorbei. Schemenhaft. Er versuchte, danach zu greifen, aber das Bild entglitt ihm. War er dem Typen etwa schonmal begegnet? Oder eher – hatte er ihn jemals geküsst? Er war auf tausenden von Partys gewesen in all der Zeit und er hatte dabei nicht selten mehr Alkohol getrunken, als gut für ihn und sein Gedächtnis gewesen war … aber normalerweise war er eher an Frauen geraten. Unmöglich, sich da an eine bestimmte Person zu erinnern: Sie waren alle gleichermaßen unbedeutend gewesen, nur ein kurzer Kick in dem immerwährenden Strom aus Konzerten, Partys, Interviews und Flügen, in dem man gar keine Zeit hatte, sich auf jemanden einzulassen. Sie waren im besten Fall als vage Schatten in seiner Erinnerung zurückgeblieben, ohne Namen, ohne Telefonnummern und ohne Gefühle. In diesem Moment aber wünschte er sich, er hätte besser darauf geachtet. Brent hatte ihm mehrmals gesagt, er solle sich etwas zurückhalten – aber verdammt, dafür war es nun auch zu spät!

Verwundert bemerkte er, wie die Pistole für einen Moment von seinem Rücken verschwand, stellte aber schnell fest, warum. Der Kerl lehnte sich gegen ihn, drängte ihn weiter aufs Bett ohne seine Lippen von ihm zu nehmen. Die Pistole begrüßte nun wieder seine Brust. Umständlich rutschte er nach hinten und kam auf seinen Armen zu liegen, Jules direkt über ihm. Erleichtert beobachtete Matt, wie er die Pistole zurück in seine Jacke steckte. Aber die Situation blieb beängstigend. Er bekam seine Hände nicht frei und der andere saß rittlings auf Höhe seiner Oberschenkel, sodass er auch kaum hoffen konnte, ihn von sich zu treten.

„Gestern Nacht hast du mit Taichi in diesem Bett gelegen. Ich habe es kaum ausgehalten. Das musst du jetzt alles wieder gutmachen.“ Dieses Grinsen ließ ihn von Neuem erschaudern. Er hätte sein Leben lang das Bett mit Tai geteilt, aber keine eine einzige Nacht mit diesem Verrückten. Aber es war ja nicht so, als ob er überhaupt eine Wahl hatte.

Er wagte nicht, nach dem „wie“ zu fragen. Der Typ schaute auf ihn herab wie ein Wolf auf seine Beute. Matts Puls schoss wieder in die Höhe, als er sich plötzlich etwas zu ihm herunter lehnte und begann, sein Hemd aufzuknöpfen. Nein - er musste das irgendwie abwenden!

„Wie heißt du wirklich?“ Es war das Erstbeste, das ihm eingefallen war.

Und es funktionierte, er hielt Inne und sah ihn an.

„T-tut mir leid, dass ich es vergessen habe“, schob er hastig nach.

Der Ausdruck des anderen wurde weicher.

„Ich verzeihe dir. Aber dieses Mal wirst du es dir merken. Gabriel.“

Er versuchte so sehr, sich zu erinnern, dass es fast schon schmerzte. Je stärker er darüber nachdachte, umso mehr glaubte er, ihm doch schon mal begegnet zu sein … Gabriel machte sich indessen weiter an seinem Hemd zu schaffen, was Matt zusätzlich unter Druck setzte. Küsse folgten den geöffneten Knöpfen.

„Wir … haben uns auf einer Party kennengelernt.“

Er spürte Gabriels Lächeln auf seiner Haut. „Ich wusste, dass du dich erinnern würdest.“

Etwas vibrierte in seiner Jeans. Sein Handy. Die Rettung? Gabriel griff danach, sah aufs Display.

„Es ist Brent. Verhalte dich normal, oder es ist endgültig aus mit uns.“

Gabriel betätigte den Lautsprecher, nahm den Anruf an und hielt das Telefon vor Matts Gesicht.

„Hey Matt, alles klar bei dir?“, kam Brents Stimme aus dem Gerät.

Das war seine Chance. Aber … wenn er um Hilfe rief, würde Gabriel das Telefonat abbrechen, ihn wahrscheinlich umlegen und dann abhauen … er brauchte einen anderen Plan und zwar schnell, aber … Er konnte ja kaum geradeaus denken. Gabriels Augen verengten sich und drängten ihn zu einer Antwort.

„Hi. Ja, alles klar. Was gibt’s denn?“

„Ist wirklich alles okay? Du klingst so seltsam.“

Gabriel hob die Augenbrauen.

„Ja, ich bin nur ein bisschen erkältet, alles okay.“

Kurz war Stille in der Leitung. Brent räusperte sich. Im Hintergrund hörte man ein Dröhnen, scheinbar fuhr er gerade Auto.

„Ich habe gerade einen Anruf von Taichi bekommen. Er wurde verhaftet. Ich bin auf dem Weg zu ihm.“

„Was?“, entfuhr es ihm.

„Ja, scheinbar haben sie einen Zeugen, der ihn in der Nacht vor deiner Wohnung gesehen hat und noch irgendwas anderes. I don't care about what Jules said, er kann es unmöglich gewesen sein. Ich werde die Sache schon irgendwie hinbiegen, mach dir keine Sorgen.“

„Okay.“

„Ich rufe dich nochmal an, wenn ich genauer Bescheid weiß, okay? Bis dann!“

„Bis dann.“

Er ließ den Kopf zurück aufs Bett sinken als Gabriel das Handy beiseite legte. Game Over. Er hätte irgendeine Geheimbotschaft oder sowas in seine Worte legen müssen. Aber er war kein Genie. Und unter Druck erst recht nicht. Das war sie also gewesen, seine letzte Chance auf Rettung.

„Ich hoffe, das war die letzte Störung“, raunte Gabriel und war sofort wieder dabei, ihn weiter auszuziehen.

„Das mit Tai, ist das dein Werk?“

Er gluckste, ließ sich aber nicht an seiner Tätigkeit hindern. „Ja, natürlich. Ich kann nicht zulassen, dass er dich mir wegnimmt. Ich weiß, dass er auf dich steht.“

„Tut er nicht.“

Er zog ihm das Hemd halb über die Schultern und betrachtete sein Werk.

„Oh doch, das tut er. Er bewahrt Fotos von dir in seinem Schlafzimmer auf. Er hört dauernd deine Musik und er hatte wegen dir Streit mit seinem Ex-Freund.“

Matt runzelte die Stirn. Er wunderte sich gar nicht erst darüber, woher Gabriel das alles wusste, sondern eher über die eben enthüllten Informationen. Gut, das mit der Musik war nicht so überraschend, aber …

„Und du? Stehst du etwa auf ihn?“ Gabriel fuhr mit seinen Händen über Matts Oberkörper. Vor allem das Piercing schien es ihm angetan zu haben.

„Nein“, presste er hervor und zuckte zurück, als die fremde Zunge seinen Nippel umspielte und an dem Metallstäbchen zupfte.

Seine Arme begannen heftig kribbelnd nach besserer Durchblutung zu betteln. Er versuchte, das Gewicht irgendwie zu verlagern, aber Gabriel gab ihm kaum Spielraum. Er schien die Bewegung völlig anders zu deuten, denn er grinste erneut und zwang ihm noch einen Kuss auf.

„Du bist genauso ungeduldig, wie ich, hm?“ Im gleichen Moment machte sich eine Hand an seiner Jeans zu schaffen.
 

*
 

Brent parkte seinen Wagen in einer Seitenstraße und ging den Rest zu Fuß. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn, als er sich dem Haus näherte. Wahrscheinlich würde Matt ihn paranoid oder überbesorgt nennen, aber irgendetwas an ihrem Telefonat war seltsam gewesen. Matts Stimme – und die kannte er nunmal in- und auswendig – hatte ungewohnt angespannt geklungen. … aber vor allem war es wohl die Tatsache, dass er die Nachricht über Tais Verhaftung so wortkarg akzeptiert hatte.

Er überquerte die Straße. Matts Wohnung war dunkel. Wahrscheinlich saß er im Schlafzimmer auf dem Bett und arbeitete an seinen Songs. Vielleicht war er wirklich nur krank … Aber da er jetzt hier war, würde er auch kurz nach ihm sehen, bevor er weiter zum Polizeirevier fuhr.

Er betätigte die Klingel und wartete kurz. Als sich nichts rührte, stieg nun doch Unruhe in ihm hoch. Er schloss die Tür auf und trat ein. Ein süßlicher Geruch hing in der Luft. Brent hob eine Braue. Aus dem Schlafzimmer kamen Schritte.
 

*
 

Konnte man denn nicht mal ein paar Stunden mit seinem Geliebten allein sein? Offenbar nicht. Der Eindringling konnte nur Brent sein. Niemand außer ihm hatte sonst noch Zugang. Er hätte vielleicht doch noch einen Tag länger warten und ein Ablenkungsmanöver für den Manager arrangieren sollen … aber nachdem dieser Taichi so viel Zeit mit Matt verbracht hatte, hatte es ihn zu sehr in den Fingern gejuckt, endlich zum Zuge zu kommen.

Genervt seufzend erhob er sich, stopfte sich die Haare unter die Perücke und rückte alles zurecht.

„Es ist eigentlich schade um ihn, aber er kommt gerade wirklich ungelegen. Ich bin gleich wieder da“, erklärte er seinem Liebsten noch flüsternd, bevor er das Schlafzimmer verließ und die Tür hinter sich schloss.
 

*
 

Als Jules aus dem Schlafzimmer kam und von Matt nichts zu sehen war, sah er sich in seinem Gefühl bestätigt. Hier stimmte etwas nicht. Jules' Anzugjacke wirkte zerknittert, die Frisur saß nicht so perfekt wie sonst. Das Bild hing schief.

Er trat Jules entgegen und lächelte freundlich.

„Ich bin überrascht, Sie hier zu sehen Jules. Vor einer halben Stunde wurde Yagami, Ihr Verdächtiger, festgenommen, sollten Sie nicht im Revier sein?“

„Oui, ich kam gerade vorbei, um Yamato die Nachricht persönlich zu überbringen, aber er schläft tief und fest. Wir sollten ihn nicht wecken. Er kann es später erfahren.“ Der Detektiv lächelte. „Fahren wir gemeinsam ins Präsidium?“

Matt hatte hier unter normalen Umständen nur schwerlich einschlafen können … und niemals im Leben würde er so schnell wegnicken, nachdem er eben noch am Telefon erfahren hatte, dass sein bester Freund womöglich die Nacht im Gefängnis verbringen musste. Das war eine dicke, fette Lüge und er konnte sich keinen anderen Grund für so etwas denken, als …

Jules griff in die Innentasche seiner Jacke während sich die Puzzleteile in Brents Kopf zusammensetzten. Augenblicke später wurde eine Pistole auf ihn gerichtet und obwohl er es inzwischen in Betracht gezogen hatte, schockierte ihn der Anblick nun doch. Der Detektiv, den er selber angeheuert hatte, dem er Matts Sicherheit anvertraut hatte ...

Er fühlte sich so vorgeführt, wie noch nie in seinem Leben.

Aber er würde das wieder in Ordnung bringen.

Er tat einen Schritt auf Jules zu.

Die blauen Augen verengten sich.

„Matt braucht dich nicht mehr, er hat jetzt mich.“

Erschossen

Als er den Schuss hörte, zuckte er zusammen. Der Schuss und dann ein Rumpeln und dann nichts mehr. Er kniff die Augen zusammen. Übelkeit stieg in ihm auf.

Brent war tot und er würde der Nächste sein. Er hatte immer geglaubt, irgendwann, wenn er zu alt dafür war, auf der Bühne an einem simplen Herzinfarkt zu sterben, die Gitarre noch in der Hand und die Fans in Panik kreischend … aber das hier war das reinste Grauen. Was war nur falsch gelaufen? Mehr denn je wünschte er sich, die Zeit zurückdrehen und seine früheren Entscheidungen verändern zu können.
 

Das wäre alles nicht so passiert, wenn er damals in Tokyo geblieben wäre.
 

Es wäre nicht so passiert, wenn er weniger gesoffen und auf die Leute, die ihn umgaben, geachtet hätte.
 

Und es wäre vielleicht nicht so passiert, wenn er Tai vorhin am Handgelenk gepackt und in seine Arme gezogen hätte, wie es die wahnwitzige Stimme in seinem Kopf ihm vorgeschlagen hatte.
 

Aber er hatte nichts von alldem getan, weil er damals ein idiotischer, feiger Egoist gewesen war und sich diese Tatsache bis heute nicht geändert hatte. Es blieb noch nichtmal dabei, dass er sein eigenes Lebensende damit besiegelt hatte, sondern auch noch das von Brent, dem Menschen, der ihm die ganzen Jahre lang zur Seite gestanden hatte.
 

Es war so ungerecht.
 

Trauer und Wut ballten sich zu einem grässlichen Klumpen in seinem Inneren. Der Versuch, das Handy mit eingeschlafenen, gefesselten Händen zu bedienen, war kläglich gescheitert und das Quäntchen Hoffnung auf Rettung, das er gehabt hatte, war verschwunden. Erschossen.
 

Als er wieder Schritte hörte, die sich auf die Tür zubewegten, bemühte er sich hektisch darum, seine Ausgangsposition einzunehmen. Matt starrte die Tür an.
 

Er fröstelte. Die Verzweiflung ließ ihn zittern. Es war vorbei. Endgültig. Wahrscheinlich hatte er das verdient.
 

*
 

Die Zellentür knallte hinter ihm zu. Fluchend setzte sich Tai auf die Holzpritsche und stierte durch die Gitterstäbe dem Beamten hinterher, der ihn hier eingebuchtet hatte.
 

Es ging sowas von abwärts mit ihm. Single. Vorbestraft. Als nächstes wahrscheinlich arbeitslos und enterbt. Er lachte bitter und fragte sich, wo Brent blieb. Und ob sein Auftauchen überhaupt noch einen Sinn haben würde, nachdem man ihn ja eindeutig identifiziert hatte. Identifiziert als den Einbrecher. Ein roter Stift, der angeblich dem Tatort zugeordnet werden konnte, war außerdem in seiner Sporttasche gefunden worden. Alles passte zusammen. Offensichtlich war er Schlafwandler.
 

Tai seufzte und versuchte, die zynischen Gedanken zu vertreiben. Aber es fiel ihm schwer. Vor einer Weile hatte er noch mit Matt im Pool herumgeblödelt und jetzt saß er hinter Gittern, weil er scheinbar einen geheimen Anschlag auf sein Leben plante. Aus Neid sicherlich.
 

Abermals schüttelte er den Kopf und blickte zu der Uhr draußen auf dem Gang. Konnte ihn nicht bitte jemand retten kommen? Irgendjemand?
 

Er stützte den Kopf auf die Hände, schloss die Augen und massierte sich die Schläfen.
 

„Ich glaube nicht, dass du es warst.“
 

Überrascht hob Tai den Kopf und widerstand dem Drang, sich die Augen zu wischen nur schwerlich. Masao stand draußen, eine Hand um das Gitter gelegt und lächelte mitleidig zu ihm herüber.
 

Er stand auf und ging auf ihn zu.

Sein Ex-Freund war so ziemlich der letzte Besucher, den er hier erwartet hätte. Es war unangenehm, ihn unter diesen Umständen zu sehen. Nach der Trennung heute morgen am Telefon. Was sollte er sagen? Sein Kopf war irgendwie leer und alles fühlte sich so wirr an.
 

„Warum hast du deine Meinung geändert?“, fragte er schließlich, nachdem sie sich einige Sekunden nur still angesehen hatten. Tai war zu müde, um die Schärfe ganz aus seiner Stimme zu verbannen.
 

In Masaos Augen lag eine Sanftheit, die er sich nicht erklären konnte. Ein Grinsen formte sich auf seinem Gesicht, als er antwortete. „Du würdest niemals den Fahrstuhl nehmen.“
 

Tai verzog den Mund zu einem bitteren Lächeln. Was sollte er dazu sagen. Er stand einfach nur schweigend vor den Gittern, den Kopf leicht gesenkt, die Augen müde auf Masao gerichtet.
 

„Es tut mir leid. Das was ich heute morgen gesagt habe“, sprach er weiter. „Aber das war voreilig. Bitte verzeih mir. Ich möchte, dass wir wieder-“ Er verstummte, als Tai den Kopf schüttelte und den Blick hob. Er legte seine Hand auf Masaos.
 

„Nein. Du hattest Recht, es ist besser so. Wir sollten getrennte Wege gehen.“
 

Unverständnis prägte das Gesicht seines Ex-Freundes.
 

„Ich habe das nicht leichtfertig entschieden, Masao. Wenn du unsere Beziehung mal sachlich betrachtest, haben wir uns die ganze Zeit nur gegenseitig verletzt. Ich habe dich vernachlässigt und dich auf Abstand gehalten. Und du hast mir im Gegenzug misstraut. Wir haben so ziemlich alles falsch gemacht. Naja … hauptsächlich ich.“
 

„Aber wir können das doch wieder aufarbeiten.“
 

Tai seufzte. „Das würde nichts bringen, denn der Grund für mein Verhalten besteht weiterhin. Du hattest Recht. Es tut mir leid, dass ich so lange gebraucht habe, das zu erkennen.“
 

Masao zog seine Hand langsam zurück. „Es gibt jemand anderen?“
 

*
 

Kopfschüttelnd klappte Brent sein Smartphone zusammen und blickte auf Jules hinab.

Das hätte schiefgehen können. Aber er war trotz der langen Zeit noch nicht ganz aus der Übung. Er nahm die Patronen aus der Pistole und ließ die geleerte Waffe auf dem Küchentresen liegen. Die Polizei würde gleich hier sein und den Bewusstlosen in Gewahrsam nehmen.
 

Er stieg über den Detektiv und öffnete die Schlafzimmertür. Sein Schützling lag auf dem Bett und wirkte reichlich mitgenommen. Die Frisur zerzaust, die Stirn feucht und das Gesicht noch blasser als sonst. Ansonsten wirkte er glücklicherweise wohlauf. Mit großen Augen und geöffnetem Mund blickte der Sänger ihn an, als er den Raum durchquerte.
 

„Alles okay?“
 

Matt nickte und sah ihn weiterhin ungläubig an. Tja, da hatte er nicht nur einen mit seinen verborgenen Talenten überrascht.
 

Er setzte sich zu ihm aufs Bett und legte ihm seine Hand auf die Schulter. „Es tut mir leid, Matt. Ich hätte diesen Kerl nicht engagieren dürfen.“
 

„Danke für die Rettung. Das war … echt knapp.“
 

„Warum ist deine Hose offen?“
 

„Weil ich sie nicht zumachen kann.“
 

„Ich helfe dir. Das macht sonst keinen guten Eindruck vor der Polizei, don't you think?“
 

Etwas mehr Farbe als nötig kehrte in Matts Gesicht zurück. Er blickte wieder zur Tür. Im Flur war es still.
 

„Ist er-?“
 

„Tot? Nein. - Knocked out? Hell, yeah!“
 

*
 

Eine Woche danach fühlte sich das Ganze noch immer so unwirklich an, als wäre es nie passiert. Es war nach der Festnahme von Gabriel noch groß durch die Nachrichten gegangen und wann immer er ein Interview dazu gegeben hatte, war es gewesen, als würde jemand anders mit seiner Stimme sprechen.

Die Taubheit, die sich wie ein Nebel über seine Gefühle gelegt hatte, verschwand nur langsam, aber am Ende machte sie Platz für eine ganz neue Klarheit. Etwas hatte sich verändert. Er konnte es nicht greifen, aber er spürte, dass es so war. Er wusste nur noch nicht, ob das gut oder schlecht war.
 

Etwas anderes hatte sich auch verändert. Seine Wohnung. Natürlich war er aus dem Haus, das er ohnehin gehasst hatte, ausgezogen. Nach einigen Nächten in Brents Appartment konnte er nun endlich seine neue Bude einweihen. Eine gemütliche Zwei-Raum-Wohnung. Mit einem vernünftigen Schloss an der Tür. Genau richtig.
 

Heute war sozusagen die Einweihungsfeier gewesen. Am Nachmittag waren Brent und die Band dagewesen und hatten mit ihm auf ruhigere Zeiten angestoßen. Inzwischen war es recht spät und Takeru machte sich ebenfalls auf dem Heimweg.
 

„Schließ ja die Tür gut ab!“, witzelte er noch und winkte.
 

Matt ging zurück ins Wohnzimmer, wo Tai angefangen hatte, das benutzte Geschirr abzuräumen - ein seltsames Bild. Er folgte ihm in die Küche und half ihm, die Sachen in die Spülmaschine einzusortieren.
 

„Aber der Pool hatte auf jeden Fall was“, setzte Tai unvermittelt ihr Gespräch von vorhin fort.
 

„Er fehlt mir kein bisschen.“
 

„Der Trainingsraum sicher auch nicht.“
 

„Stimmt.“ Er schloss die Maschine und gestikulierte in Richtung Wohnzimmer.
 

Sie ließen sich wieder auf dem Sofa nieder, auf dem einige verlorene Krümel Popcorn lagen. Über den Fernsehbildschirm flimmerte ein Musikvideo.
 

„Aber so ein Panorama-Fernseher, das wäre schon was!“
 

„Ich bin vielleicht einfach nicht gemacht für ein Leben als Star. Zumindest nicht für das Wohnen als Star“, sinnierte Matt, pickte eine Popcornflocke auf und warf sie in den Aschenbecher.
 

Tai grinste und blickte zum Fernseher. „Aber für die Bühne.“
 

Matt wandte den Kopf und sah, dass nun sein eigenes Musikvideo lief, das aus seinem Abschiedskonzert in den Staaten zusammengeschnitten worden war. Er stand auf einer Open-Air Bühne, ein endloses Meer aus im Takt wogenden Menschen sang mit ihm seinen neusten Song. Er erinnerte sich an den Abend und lächelte.
 

I see the world

keep moving

as I stumble
 

They seem to move

much faster than me
 

Ja, er hatte es geliebt und genossen vor Menschenmassen in ausverkauften Stadien zu singen. Er hatte sich gefühlt, als könne er fliegen und das sah man ihm an. Er tanzte mit der Gitarre über die Bühne, flirtete mit den Fans in den ersten Reihen, die Transparente mit der Aufschrift „We wish you'd stay“ hochhielten.
 

In dem Video sah er glücklich aus, lebendig, euphorisch. Er liebte die Musik. Was er da sah, stand im krassen Gegensatz zu dem, was sich an anderen Tagen in Hotelzimmern oder auf Parties abgespielt hatte. Ja, auf der Bühne hatte er immer alles vergessen können, weil die Liebe zur Musik ihm in diesem Moment Flügel schenkte.

Aber abseits der Bühnen hatte er die Leere gespürt. Als wäre in seinem Inneren ein Loch, durch das all das Glück, das ihn bei seinen Auftritten durchströmte, viel zu schnell wieder abfloss.

Er hatte Jahre damit zugebracht, das zu suchen, was ihm fehlte. Aber das, was er gesucht hatte, war nicht in den Hotelzimmern, nicht in Talkshows und auch nicht auf den Tanzflächen gewesen. Es war nicht in Samanthas Bett gewesen und nicht in Flugzeugen. Nicht in den USA, nicht in Europa.

Er schaute zu Tai hinüber, der das Video verfolgte.
 

Well. I can't be anything

but who I am
 

And I wish you'd stay

that was the beginning of

the two of us

the start of our show
 

Stay Stay Stay
 

Now I would never

have let go.
 

„Weißt du“, setzte er an und blickte nachdenklich auf den Bildschirm. „Immer wenn mich jemand gefragt hat, ob dieser oder jener Song eine persönliche Bedeutung für mich hat, oder einer bestimmten Person gewidmet ist, habe ich das verneint.“

Er spürte, dass Tai ihn fragend anschaute.

„In dem Moment war mir auch gar nicht bewusst, dass das gelogen war.“ Er lachte leicht. „Dabei ist es doch so offensichtlich, oder?“
 

I see the sun

go up as your image

I feel the weight

of your eyes

as you stare
 

Tai sagte nichts und Matt wandte sich ihm zu. Auf einmal war da keine Angst mehr in ihm. Er konnte endlich alles sagen. Es fühlte sich so klar an.

„Ich glaube, ich war damals verliebt in dich, Tai. Und diese wilde Nacht hat einen regelrechten Orkan in mir ausgelöst. Ich war so verwirrt … ich wusste nicht, wie ich dir entgegentreten sollte. Ich wusste nicht, was meine Gefühle für unsere Freundschaft bedeuteten. Ich hatte Angst.“ Er machte eine kurze Pause und blickte in Tais vor Verwunderung geweitete Augen. „Und als ich dachte, dass der Typ mich gleich erschießt, hatte ich noch mehr Angst. Und ich habe immer wieder an dich gedacht und an all die Dinge, die ich nicht getan und gesagt habe.“
 

I feel it all

when you

when you first

when you kissed my lips

you made me feel again
 

Tai hörte ihm aufmerksam zu. Matt konnte in seinen Augen ablesen, dass die offenen Worte etwas in seinem besten Freund auslösten. Er öffnete den Mund, schloss ihn wieder, biss sich auf die Unterlippe.

„Es tut mir leid“, sagte Tai schließlich und stand auf. Matt rechnete damit, dass er gleich aus der Wohnung stürmen würde. Aber er tat es nicht. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt, schien die richtigen Worte zu suchen. „Ich hätte es zu dir sagen sollen. Aber ich … ich ...“
 

And you would say

I wish you'd stay

and I'd never go
 

Matt stand ebenfalls auf. Er legte Tai eine Hand auf die Schulter und schüttelte sachte den Kopf. Er wollte nicht, dass Tai sich für irgendetwas entschuldigte, denn in Wahrheit ... „Vielleicht wäre ich damals trotzdem gegangen, Tai, aber was ich dir eigentlich sagen wollte ...“ Ihre Blickte trafen sich endlich, als Tai den Kopf hob.
 

So take this heart of mine

you've taken it a houndred-thousand times
 

„Ich würde nie wieder gehen.“
 

Ein paar Sekunden sahen sie sich einfach nur tief in die Augen während im Hintergrund die letzten Noten verklangen. Schließlich formte sich ein leises Lächeln auf Tais Gesicht, das Matt nur erwidern konnte.
 

„Du verstehst sicher, dass ich Beweise dafür fordern muss.“
 

Endlich trafen sich ihre Lippen und Matt spürte, dass es genau das war, was er wollte. Das hier. Er wollte mit Tai zusammen sein. Er hatte sieben Jahre gebraucht, um das zu erkennen. Es gab so viel aufzuholen …
 

„Du könntest bei mir übernachten“, schlug er vor und grinste in den Kuss.
 

„Nur, wenn ich die Fernbedienung bekomme.“
 

„Das hättest du wohl gerne.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Wow, also ... es ist ein seltsames Gefühl, die FF abzuschließen. Der Schaffensprozess dauerte sozusagen von LBM zu LBM, fast ein Jahr. Ich möchte mich bei allen Lesern bedanken, die so lange durchgehalten haben. Ich hoffe, die Story hat euch gefallen! ^.^ Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (19)
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Von:  Kamoh_Kyo
2014-07-23T20:09:04+00:00 23.07.2014 22:09
Nach langem mal wieder eine Taito, die ich gelesen habe und es hat sich gelohnt, wenn du mich fragst :) NurMasao, der tut mir ein bisschen leid... ^^
Antwort von:  Vidora
23.07.2014 22:21
Dankeschön, das ehrt mich sehr :3
Von:  akasuna
2014-03-10T01:32:27+00:00 10.03.2014 02:32
Ich dachte wirklich das er Brent erschossen hat und das matt der nächste sein wird. Wie erleichtert ich dann war als alles sich doch zum guten gewendet hat. Die Story ist jetzt zu Ende. Schade denn sie war sehr schön.
Antwort von:  Vidora
10.03.2014 20:22
Vielen Dank für deinen Kommi!
Ich freue mich sehr, dass dir die FF gefallen hat ^.^
Von:  Shiho-Sherry
2014-03-08T15:53:17+00:00 08.03.2014 16:53
Hallöchen liebe Vidora. :>

Jetzt habe ich deine Fanfiction in einem durchgelesen und dachte mir, ich geb dir einen kleinen Kommentar, was mir so an deiner Geschichte gefällt und was mir sonst so aufgefallen ist.

Ich persönlich schaue nach JAHREN (seit Digimon nicht mehr auf RTL2 lief) noch mal Digimon nach. Und es hat mir danach in den Fingern gekribbelt eine schöne DEUTSCHE Fanfiction zu lesen. Ich bin ehrlich: Ich hatte nicht soooo viel Hoffnung. Eher, dass es noch so schöne uralt Fanfictions gibt, die noch so Worte wie 'Koi', 'Koibito' und 'Kokoro' oder sonst was beinhalten. Das war einfach Anfang des neuen Jahrtausend schließlich In. :>
Ich gebe zu, dass ich mich kaum noch an Digimon erinnern konnte und als Kind hab ich sowieso keine schwulen Pärchen in einer Serie gesehen. Es hat auch jetzt, beim nachschauen, bis in die Myotismon Staffel gedauert um das Pairing Taito nachvollziehen zu können. Aber dann hat es mich dich erwischt. >D'
Das ich jetzt so eine aktuelle und gut geschriebene Fanfiction gefunden habe, hat mich mega überrascht und erfreut. Es hat wirklich unheimlich Lust gemacht sie so schnell wie möglich durch zu lesen. Fast wie bei einem richtigen Buch. ;D

Dein Schreibstil ist nicht zu ausschweifend und auch nicht zu hoch. Genau richtig für mich zum lesen. Das einzige was mir aufgefallen ist, sind minimale Flüchtigkeitsfehler in Worten. Ein Buchstabe fehlt oder es wurde einer dran gehangen, so das Wort ein anderes ergibt. Hast du sowas wie einen Betaleser? Ich kenne das von mir selber, dass man egal wie oft man etwas, was man selber geschrieben hat, durchliest, Flüchtigkeitsfehler übersieht. Ich wollte nur darauf hinweisen. Es hat den Lesefluss auch kaum gestört, aber ändern kann man es ja vielleicht auch nachträglich? ^^

Was mir nur ganz, ganz kurz am Anfang aufgefallen ist war ein Wort, wo sich alle Nackenhaare sich bei mir aufgestellt haben. Im ersten Kapitel hast du das Wort 'Laptop' benutzt, es aber Labtop geschrieben... Ich hab extra noch mal im Duden nachgelesen, bevor ich hier was falsches kritisiere. Es wird 'Laptop' geschrieben. Vielleicht einfach kurz verbessern? Weil, DAS hat meinen Lesefluss wirklich irritiert, da dein Schreibstil sehr schön ist und deine Rechtschreibung korrekt und dann kommt dieses Wort und es hat mich total verwundert. >_<
Und ich betone noch mal extra, dass dieses Wort die Geschichte nicht schlechter macht!!

Nun zu den Charaktern:
Ich mag wie du Tai und Matt niederschreibst. Sehr authentisch und realistisch. Ihre vorgegebenden Charakter aus der Serie sind gut wieder zu finden und kaum verändert.
Auch deine eigenen Charakter sind sehr gut in die Geschichte eigegliedert und wirken nicht fehl am Platz.

Deine Geschichte ist sehr spannend und lässt mich hibbelig auf das nächste Kapitel warten. >-<
Auch wenn es mir irritiet, dass die gesamte Fanfiction auf Abgeschlossen steht, wobei ja noch Kaptiel? folgen.

Ich warte also nun sehnsüchtlichst auf das nächste Kapitel, hoffe das alles gut wird und es somit ein Happy End gibt. >u<
Antwort von:  Vidora
08.03.2014 17:29
Liebe  Shiho-Sherry
vielen vielen Dank für deinen Kommi ^.^
Es freut mich sehr, dass du deine Fandom-Erfahrungen hier teilst, die ich so gut nachvollziehen kann. Aber es gibt auch im deutschen Bereich noch ein paar Perlen - nach denen man zugegebenermaßen teils lange suchen (bzw. auch Glück haben) muss. Wenn jemand meine FFs dazuzählt, lässt mich das gleich ein paar Centimeter wachsen ^.^

Was den Laptop betrifft hast du natürlich recht. Ich war gerade auch kurz etwas irritiert, so nach dem Motto "Was, das habe ich wirklich geschrieben?!" XD ich werde das natürlich sofort korrigieren, nachdem ich diese Antwort hier geschrieben habe ^^ Danke für den Hinweis!

Die Fanfiction steht seit gestern Nacht auf "abgeschlossen" weil sich das letzte Kapitel in der Freischalte befindet ^.^ (also Augen offenhalten!) ein Hinweis dazu steht auch in der FF-Beschreibung. Ich wollte natürlich niemanden damit verwirren XD sorry.

Also nochmals vielen lieben Dank für deinen Kommentar und für das Lob und auch die hilfreiden Hinweise ^.^ ich freue mich, so aufmerksame Leser zu haben! Die haben sich dann vielleicht auch ein Happy End verdient. *g*
Von:  akasuna
2014-02-10T11:42:11+00:00 10.02.2014 12:42
Jetzt wird es spannend. Oh bitte las Brent nicht im nächsten Kapitel sterben. Oder Matt. Jetzt muss ein wunder geschehen.
Antwort von:  Vidora
19.02.2014 14:53
Danke für deinen Kommi :)
Ich freue mich sehr darüber, dass du dir Sorgen um Brent machst ^.^ Ich mag ihn im Übrigen auch sehr gern. Aber ob und wer stirbt ... da kann ich keine Versprechungen machen ;) Warten wir das nächste Kapitel ab.
Von:  Naenia
2014-02-04T19:02:42+00:00 04.02.2014 20:02
Egal, was passiert war, und egal, wie er daran gezweifelt hatte: Ihre Freundschaft war noch da. - Mein absoluter Lieblingssatz dieses Kapitels, der genau das Gefühl beschreibt, was ich die ganze Geschichte über hatte: Egal, was gewesen, diese tiefe Freundschaft ist vielleicht ein wenig verblasst, aber ganz sicher nicht verschwunden. Sie musste nur ihre Farben wieder finden... Es ist wirklich erstaunlich, wie du auch wieder auf Yamatos stärkste Eigenschaft verweist, wenn du schreibst, dass er sich damals dazu entschieden hat, die Freundschaft zu Tai bewahren zu wollen. Sehr schöne Erinnerung an sein Wappen aus dem Original. Ich wünschte ehrlich, ich könnte das auch so. Bei dir wirkt das immer so natürlich - ein Teil des Flusses eben.

... und nun hat Masao also Schluss gemacht. Endlich. Das wäre eh nichts geworden und Tai wusste das sowieso schon die ganze Zeit und ich erst recht. ;D Nun bin ich wirklich gespannt, wie es zwischen Tai und Matt weitergeht, ob Matts Traum und dieser veränderte Beziehungsstatus etwas in Gang setzen, dass sich hintergründig schon die ganze Zeit über entwickeln wollte?
Zum Glück kann ich diesmal gleich frühlich weiterlesen - denn das neue Kapitel ist ja schon da! *-*
Antwort von:  Vidora
04.02.2014 20:12
Natürlich will sich da hintergründig was entwickeln. *hust* Es ist so hintergründig, dass manche es als vordergründig betrachten würden XD

Danke für deinen superlieben Kommi T.T Ich glaube, ich weiß, was hintergründig dazu führt, dass ich so viel Freundschaftsfeeling in die FF packen kann - Freunde wie du ^_^
Von:  ButterFay
2014-01-30T20:44:36+00:00 30.01.2014 21:44
safjklfl! weiter! sofort!
du bist die queen of cliffhanger, dafür muss ich dich manchmal ein bisschen hassen >______<
Antwort von:  Vidora
04.02.2014 20:12
In dem Fall nehme ich das als Kompliment XD
Von:  Naenia
2013-11-05T12:21:00+00:00 05.11.2013 13:21
... Oh, Tai ♥
Ich bin so unheimlich froh, dass Matt ihn dort getroffen hat und niemand anderen. Ich hatte es doch nach dem letzten Kapitel so sehr gehofft!

Es ist mir mal wieder ein absolutes Rätsel, wie du es schaffst die Spannung so wirkungsvoll aufrecht zu erhalten. Es wird einfach nicht langweilig, diese Geschichte zu lesen und es ist wunderbar umgesetzt, wie Tai und Matt sich langsam wieder nähern und ihre Freundschaft stückchenweise zurückgewinnen. Das lese ich so gern. Die ganze Atmosphäre, die du erzeugst, stimmt einfach. Die beiden haben sich Jahre lang nicht gesehen, und sind nicht unbedingt im Guten auseinander gegangen. Da ist es nur natürlich, dass sie sich langsam wieder verstehen müssen. Trotzdem merkt man immer wieder, wie wichtig sie einander noch sind. Auch daran, dass sie so leicht wieder in früheres Verhalten fallen. Ich mag sehr, wie du das erzählst.

Und Sam ist auch wieder aufgetaucht. Ehrlich gesagt, hatte ich vermutet, dass ihre Beziehung mit Matt wegen so etwas beendet wurde. Ich bin nur wirklich immer noch nicht ganz sicher, ob sie wirklich der Stalker ist, oder ob du deine Leser absichtlich aufs Glatteis führen willst. Denn so scheint das alles so offensichtlich. Vielleicht zu offensichtlich? Ich bleibe auf jeden Fall dran und erwarte das nächste Kapitel. :3
Antwort von:  Vidora
05.11.2013 14:04
"Es ist mir mal wieder ein absolutes Rätsel, wie du es schaffst die Spannung so wirkungsvoll aufrecht zu erhalten."
Mir auch... Wenn ich es rausgefunden habe, sage ich dir Bescheid :D

Danke für deinen wieder Mal sehr aufbauenden und motivierenden Kommentar! Es freut mich unendlich, dass das Bild, dass ich von dem Neuaufbau ihrer Freundschaft im Kopf hatte und zu beschreiben versucht habe, sich so gut mit deiner Leseerfahrung deckt! Ich bin mir nie sicher, ob es so rüberkommt, wie ich es mir vorgestellt habe, da macht es mich wirklich glücklich, sowas zu lesen! ♥ Danke!

Naja... vielleicht hast du Recht... vielleicht ist aber Offensichtlichkeit auch die beste Tarnung *g* wir werden sehen ^_^
Von:  Naenia
2013-10-23T08:22:11+00:00 23.10.2013 10:22
... und schon wieder einer dieser Cliffhanger, die den Leser begierig auf das neue Kapitel warten lassen ;D
Wer steht denn wohl da? Tai? Sam? Brent?
Ich bin so gespannt! Und Matt sollte sich eigentlich wirklich nicht so anstellen, es gibt schlimmeres als mal ein paar Tage in einem goldenen Käfig zu hocken. Er hat doch bestimmt Internet und DVDs. Ich könnte damit ja dann wunderbar einige Zeit ausharren. :D

Das Kapitel war wirklich wieder sehr kurzweilig zu lesen. Das ist dir wirklich gut gelungen, die Spannung weiterhin aufrecht zu erhalten. Wenn Matt durch die Stadt läuft und sich immer wunohler fühlt... und was war das für ein Parfum in Tais Wohnung?
Es spricht übrigens mal wieder gegen Masao, wenn Brent Tai vertraut, während dessen eigener Freund es nicht tut... Ja, Masao. Der kriegt von mir auch immer nur Negatives ab, aber das spricht eigentlich nur dafür, dass du einen tollen OC gestaltet hast, der mir in Erinnerung bleibt :)

Ich freu mich auf das nächste Kapitel <3

(Bitte lösch mal den anderen Kommentar, ich weiß auch nicht, was ich da gemacht hab. :D)
Von:  Naenia
2013-10-19T22:01:12+00:00 20.10.2013 00:01
Nein, Brent, dich brauchen wir da gerade gar nicht.
Ich hab da schon so ein Gefühl, wessen Gesellschaft dem lieben Matt sicher besser gefallen würde :D

Aber mal ganz abgesehen davon, ich bin so neugierig, wer sich letzten Endes als Stalker herausstellen wird. Du erzählt diese Geschichte wirklich gut und es macht Spaß, mitzufiebern. Jetzt taucht auch noch die verschmähte Verlobte wieder auf und ich hab so das Gefühl, dass das durchaus Konfliktpotential bereit hält. Und tai hat ja auch immer noch seinen Freund, den ich ja überhaupt nicht leiden kann...

So, jetzt lese ich gleich noch das näcste Kapitel <3
Von:  Naenia
2013-09-09T20:51:52+00:00 09.09.2013 22:51
Wow!
Eigentlich wollte ich vorhin nur mal kurz reinlesen, weil ich eigentlich keine Zeit hatte, aber dann konnte ich einfach nicht mehr aufhören und habe alle Kapitel gleich am Stück gelesen.
Deine Geschichte ist wirklich fesselnd und ich finde es toll, wie du Yamato und Taichi charakterisierst.
Ich bin wirklich ganz gespannt, wie es weitergeht und freue mich schon auf die folgenden Kapitel. Der Cliffhänger zuletzt war auch wirklich sehr fies. Ich hab erstmal verzweifelt versucht weiterzuscrollen und den Button gesucht, der mich umblättern lässt.
Wirklich sehr gelungen, auch deine eigenen Charaktere sind wunderbar lebendig und fügen sich schön in die Geschichte ein. Ich mag ja den Manager und Masao tut mir schon ein wenig Leid. Ich bin wirklich gespannt, wie sich am Ende alles auflösen wird und ob Sam nochmal auftritt.

... deine Geschichte hat mich außerdem erkennen lassen, dass ich Taichi mit anderen Männern echt nicht so gern hab. Seltsam, bei Yamato hab ich diese 'Sperre' nicht :D
Ich kann mir ja eigentlich denken, dass am Ende eben Taito angesagt ist, aber irgendwie bin ich doch immer total am Mitfiebern und ich denke, das spricht eigentlich auch absolut für deine tolle Art zu erzählen.

Liebe Grüße
Naenia
Antwort von:  Vidora
10.09.2013 06:57
Danke danke danke für deinen Kommi! ^.^
Ich bin ganz gerührt von dem vielen Lob. Ich bin froh, wenn jemand sagt, dass er die Nebencharas gut gelungen findet, und dass mir Tai und Yama nicht völlig entglitten sind. Steigert meine Motivation auf jeden Fall ^-^ die Geschichte wird noch recht lang befürchte ich, da kommt Sam sicherlich auch nochmal vor ;) Und ob die beiden sich am Ende kriegen.... mal sehen :P


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