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I wish you'd stay

Ein Taito-Krimi
von

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Schlaflos

Kapitel 7 – Schlaflos
 

Tai warf sich die Sporttasche über die Schulter.

"Dann bis nächste Woche Jungs!" Er hob die Hand zum Gruß und stapfte aus der Umkleide. Es gab doch nichts besseres, als diese angenehme Ausgeglichenheit nach einem anstrengenden Training. Kühle Luft strich über sein erhitztes Gesicht. Tai schloss für einen kurzem Moment die Augen, um das Gefühl zu genießen. Jetzt würde er sich auf den Weg zu Masao machen. Sie könnten sich vor ein nettes Eiscafe setzen und das schöne Wetter genießen... oder einen Spaziergang im Park machen, oder...

"Yagami Taichi?"

Erschrocken blinzelte er und blieb stehen, hatte die beiden Fremden gar nicht herankommen gehört. Ein etwas dicklicher Mann, vielleicht Anfang 40, mit Stoppelbart und eine junge Frau mit straff gebundenen Haaren standen vor ihm.

"Guten Tag. Ja, das bin ich. Und wer sind Sie?"

Der Mann erwiderte sein Lächeln nicht, sondern griff in seinen Mantel und hielt ihm dann eine Polizeimarke vors Gesicht.

"Ich bin Kommissar Moteuchi, das ist meine Patnerin Frau Saito."

Tai machte große Augen und musterte den Ausweis so eindringlich, als würde er einen schlechten Scherz vermuten. Polizei? Kommissare? Was wollten die von ihm? War Kari irgendwas passiert? Sein Herz schlug schneller.

"Was ist passiert?"

Aber die Polizisten reagierten gar nicht auf seine Frage.

"Wo waren Sie gestern Nacht in der Zeit von neun bis zwei Uhr?"

Wo er gewesen war? Wurde er verdächtigt? Für was denn? Gab es einen Einbruch bei Pulse? Er musste ruhig bleiben. Angestrengt versuchte er, seine Aufregung zu verdrängen. Es war sicher alles halb so wild.

"Zuhause in meiner Wohnung."

"Kann das jemand bezeugen?"

Tai zögerte. "Ja, mein Freund."

"Name?"

"Können Sie mir vielleicht bitte erstmal sagen, was eigentlich los ist?", versuchte er es erneut.

"Name?", beharrte der Dicke.

Tais Hand krampfte sich um den Schultergurt seiner Sporttasche. Das war ja zum Verrücktwerden!

"Nakamura Masao."

Die junge Frau notierte den Namen auf einem kleinen Notizblock.

"Wir werden das überprüfen."

Damit machte das ungleiche Paar kehrt, als wäre gar nicht gewesen.

"Hey! Ich will wissen, was los ist!", rief er ihnen nach. "Ich habe doch wohl ein Recht darauf, das zu erfahren!"

...

Die beiden zuckten nichtmal, sondern liefen ungerührt weiter zu ihrem Auto. Sowas dreistes! Er warf ihnen einen letzten ärgerlichen Blick hinterher. Das war verschwendete Mühe.

Irgendetwas musste gestern Nacht geschehen sein. Ein Verbrechen. Mit einem flauen Gefühl im Magen griff er nach seinem Handy um seine Eltern anzurufen.
 

*
 

Matt lehnte mit verschränkten Armen an der Wand des riesigen Wohnzimmers und blickte Brent verständnislos an.

"Das ist völlig übertrieben. Ich bin nicht Robby Williams oder so."

Sein Blick glitt über die riesige blaue Sofa-Insel, dann zu dem überdimensionalen Fernseher, der in die gegenüberliegende Wand eingelassen war. Die großzügig ausgestattete Küche war durch einen Thresen vom Rest des Raums abgetrennt. Brent hatte probeweise auf einem der dort stehenden Barhocker Platz genommen.

"Nein, das ist völlig angemessen für jemanden wie dich. Wie du vorher gewohnt hast war unangemessen."

"Wahrscheinlich hast du den Einbruch inszeniert, damit du mich endlich zum Umziehen überreden kannst.", erwiderte der Sänger trocken und stieß sich elegant von der Wand ab.

"Hier ist es nicht nur komfortabler, sonder auch sicherer, Matt."

Das bezweifelt er nicht. Der kleine, weiße Kasten blinkte ihn aus der oberen Zimmerecke an. Naja, eine Alarmanlage war wohl nicht die schlechteste Idee... aber musste es denn unbedingt gleich so eine Villa sein? Das fühlte sich irgendwie falsch an... abgehoben.

Brent stand auf und bedeutete ihm mit einer Geste, ihm zu folgen. Neben der Küchenzeile gab es noch eine Tür, die Matt bisher nicht aufgefallen war. Sie führte auf das Außengelände hinter der Villa zu einem abgegrenzten Bereich. Von einer Art Sichtschutzmauer umgeben lag dort ein Pool.

Matt hob eine Braue. "Gut, und wo ist mein privater Zoo? Gibt es auch noch eine hauseigene Achterbahn? Auf dem Dach vielleicht?"

"Nein, leider nicht. Aber es gibt einen kleinen Proberaum im Keller und daneben einen Fitnessraum."

Wieso nur fühlte er sich auf einmal wie ein Snob? Dieser ganze Luxus machte ihn schwindelig. Er brauchte das doch gar nicht. Am liebsten wäre er wieder in sein altes Bett gekrochen.

"Brent das ist zu viel."

"Du musstes ja nicht benutzen, wenn du nicht willst." Brent grinste. "Aber es wäre schade drum."

Ein Klingeln unterbrach ihre Führung. Brent ging wieder hinein um die Tür zu öffnen. Matt warf dem Pool noch einen mürrischen Blick zu und betrat dann ebenfalls wieder das Küchen-Wohnzimmer.

"Matt, das ist Mr. Morel."

"Jules.", stellte sich der Detektiv vor und deutete eine Verbeugung an. Ein Mann, der kein Alter zu haben schien. Eisblaue Augen blickten ihm lächelnd aus einem feingeschnittenen Gesicht entgegen.

"Ich würde ja sagen: Willkommen in meinem bescheidenen Heim...", brummte Yamato.

"Es ist zweifellos ein entzückendes Heim." Morels... ach nein – Jules' Stimme strahlte Ruhe und Gewissenhaftigkeit aus. Ein charismatisches Lächeln rundete das Gesamtbild ab. Wo grub Brent nur immer solche Leute aus?

Das Engagieren eines Privatdetektivs empfand Matt als genauso überflüssig wie diese Luxus-Bude, aber Widerstand hatte wie üblich keinen Zweck gehabt. Zugegeben... er fühlte sich unwohl bei dem Gedanken daran, dass da draußen irgendwo eine Person herumlief, die es scheinbar so sehr auf ihn abgesehen hatte, dass sie nachts in seine Wohnung einstieg und "Liebesbotschaften" an seine Wände schmierte... Naja, es war vielleicht gar nicht so falsch, die Ermittlungen eigenständig zu beschleunigen. Die Erinnerung an gestern Nacht jagte ihm noch immer eine Gänsehaut über die Schultern.
 

Dieser Morel sollte einer der besten seines Gebiets sein, ein richtiges Detektiv-Genie sozusagen. Brent hatte ihn noch in der Nacht des Vorfalls von Matts Wohnung aus angerufen. Na da konnte ja nichts mehr schiefgehen...

Sie nahmen auf der blauen Sofa-Insel Platz, wo Brent und Jules das weitere Vorgehen besprachen während Matt wenig begeistert kalte Nudelsuppe schlürfte, Reste aus Brents höchst eigenem Kühlschrank! – Es war in der Hektik einfach keine Zeit gewesen, zu kochen oder gar einzukaufen.

Jules erläuterte, dass einige seiner Angestellten bereits übers Internet versuchten, den "Edelstein"-Fan ausfindig zu machen. Alle waren einer Meinung darin, dass der Einbrecher gleichzeitig Verfasser einiger dubioser Nachrichten auf Matts Facebook-Seite sein könnte. Zusätzlich sollte Matt ein neues Telefon bekommen, sicher war sicher. Laut Jules standen generell sämtliche Personen unter Verdacht, die seit seiner Rückkehr nach Japan mit ihm zu tun gehabt hatten... es würde wohl ewig dauern, aus dieser Masse den "Richtigen" herauszufiltern.

"Ich brauche natürlich nicht extra erwähnen, dass Sie zu Ihrer eigenen Sicherheit das Haus vorerst nicht verlassen sollten, Matt. Der Einbruch war nur der erste Schritt. Ich kenne solche Fälle, ein Einbruch, dann eine Entführung... Aber ich will Ihnen keine Angst machen." Warum tat er es dann?

Matt seufzte tief. Da kamen ja rosige Zeiten auf ihn zu. Ob Brent genau deswegen so einen diamantenbesetzten Käfig für ihn ausgesucht hatte? Damit er sich mit einem Kino-Fernseher und eigenem Schwimmbad vom Trauern um seine Freiheit ablenken konnte?

"Und hinein dürfen nur die verifizierten Personen, wie besprochen. Es ist wichtig, dass Sie sich genau daran halten." Matt rollte mit den Augen. War das hier die Quarantäne-Station eines Krankenhauses?

"Nur so lange, bis der Einbrecher gefasst ist, Matt. Okay?", schob Brent schnell nach.

Als ob er eine Wahl gehabt hätte...
 

*
 

Eine Stunde später war Tai noch immer so schlau wie zuvor. Seinen Eltern ging es gut, Kari auch. Das war eine Erleichterung. Er hatte sogar seinen Chef angerufen und sich erkundigt, ob im Geschäft alles okay war. Nichts war passiert, alles war beim alten. Das machte die Sache nur noch mysteriöser. Ob die Polizisten ihn verwechselt hatten?

Er zuckte mit den Schultern und versuchte, die Sache abzuschütteln. Vielleicht war es nur ein blöder Streich seiner Teamkollegen gewesen. Und wenn nicht? Nun... wenn es wirklich etwas Ernstes gewesen wäre, hätten sie ihn doch direkt festgenommen, oder? Tai seufzte. Er würde so nicht dahinter kommen. Nein, er sollte jetzt aufhören, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Stattdessen würde er sich voll auf seinen Freund konzentrieren!

Entschlossen hob Tai die Hand und drückte auf die Klingel.

Beim dritten Schrillen öffnete sich die Tür. Ein aufgeregter Masao blickte ihn an.

"Tai! Die Polizei war grade hier!"

Tai begrüßte seinen Freund und betrat die Wohnung. "Lass mich raten, sie haben dich gefragt, ob du letzte Nacht bei mir warst."

Masaos Blick folgte ihm. "Was ist da los, Tai? Erklär's mir bitte." Der unsichere Unterton in seiner Stimme versetzte Tai einen Stich.

"Ich weiß es nicht. Ich habe keinen blassen Schimmer, was das zu bedeuten hat."

Masao runzelte die Stirn, lehnte noch immer neben der Tür und starrte ihn zweifelnd an. Na toll... er glaubte ihm nicht.

"Kann ich mir irgendwie nicht vorstellen, Tai. Die haben auch nicht den Eindruck gemacht, als ginge es um eine Lapalie." Er verschränkte die Arme.

Ein wenig hilflos wiegte Tai den Kopf zur Seite. Wie sollte er Masao von seiner "Unschuld" überzeugen, wenn er nichtmal wusste, wessen er verdächtigt wurde?

"Ich bin sicher, dass sich dieses Rätsel schnell aufklärt. Ich tue keiner Fliege was zu Leide - gehe nichtmal bei Rot über die Ampel! Du kennst mich doch!" Er warb mit seinem Lächeln um das Vertrauen seines Gegenübers aber irgendwie wollte die plötzliche Distanz zwischen ihnen nicht schrumpfen. Als wäre da eine Wand zwischen ihnen.

Masao wandte den Blick ab. Langsam beschlich Tai das Gefühl, im falschen Film zu sein. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass du dich seltsam verhältst. Masao sagte nichts, aber das Ungesagte klang laut genug in Tais Ohren.

"Eigentlich wollte ich einen schönen Nachmittag mit dir verbringen... aber das können wir dann wohl vergessen,was?", durchbrach Tai nach einer Minute des Schweigens die bedrückende Stille. Wenn er ehrlich war, hatte er auch gar keine Lust mehr, etwas zu unternehmen. Dieser Mann dort konnte nicht derselbe sein, neben dem er gestern Nacht eingeschlafen war.

Tai war sauer auf die Cops, die weder ihm noch Masao den Grund ihrer Ermittlungen mitgeteilt hatten... aber der Schock über Masaos Misstrauen wog deutlich schwerer. Hatte er nicht vor ein paar Tagen noch vom Zusammenziehen gesprochen? Ja, er hatte sich mehrmals blöd verhalten, ihn versetzt – aber er war doch kein Verbrecher! Dass der Mann, der ihm gegenüber von "Liebe" sprach, ihm so etwas zutraute, tat weh.

Mit gesenktem Kopf stapfte Tai wieder an Masao vorbei aus der Wohnung.
 

Er würde jetzt direkt zur Polizei gehen und nicht eher verschwinden, als bis man ihm Antworten auf seine Fragen gegeben hatte!
 

*
 

"Bitte Madame Gold, nur drei Fragen, dann sind Sie mich wieder los!"

Dass man vor diesen Journalisten auch niemals sicher war! Samantha seufzte theatralisch, klappte ihr Schminspiegelchen ein, strich sich die Haare zurück und deutete auf den Platz ihr gegenüber.

"Aber fassen Sie sich kurz, ich erwarte noch jemanden."

Der hartnäckige Reporter lächelte ein blendendweißes Lächeln als er Platz nahm. Seine hellblauen Augen leuchteten ihr entgegen. Fast so schön, wie die von Matt...

"Was treibt Sie nach Japan Madame Gold? Soweit ich weiß, stecken Sie mitten in den Dreharbeiten Ihres neuen Films. Gab es Streitigkeiten mit dem Team, was steckt dahinter?"

Gleich mehrere Fragen auf einmal... unmöglich diese Leute.

Samantha begann, sich eine Haarsträhme um den Zeigefinger zu wickeln während sie antwortete.

"Ich habe meine Gründe. Aber seien Sie versichert, dass es nichts mit meinem momentanen Projekt zu tun hat. Es läuft alles wunderbar. Ich habe mir lediglich... ein paar Tage für private Dinge frei genommen." Sollten Sie vielleicht auch tun...

Der Mann lächelte und nickte. "Ich verstehe. Es wird Ihre Fans freuen, das zu lesen. Es ist gut, sich zwischendurch etwas Ruhe zu gönnen."

"Sind wir jetzt fertig?"

"Gleich Madame, ich habe noch eine Frage frei." Er zwinkerte ihr zu.

"Es gibt Gerüchte über eine mögliche Versöhnung mir ihrem Ex-Verlobten Ishida Yamato. Dass Sie gerade jetzt wieder in Japan sind, nährt diese Hoffnungen natürlich... Ganz unter uns: Ist da noch etwas zwischen Ihnen?"
 

*
 

Frustriert versetzte Tai der nächstbesten Laterne einen Tritt. Doch die warf völlig unbeeindruckt weiterhin ihr Licht vor den Seiteneingang des Polizeigebäudes.

Zwei Stunden in diesem Präsidium – verschwendete Zeit! Ermittlungsstrategische Geheimhaltung. Pft! Tai war strikter Nichtraucher, aber wenn er es nicht gewesen wäre, wäre das definitiv der richtige Zeitpunkt für eine Kippe gewesen.

Es blieb gar nichts anderes übrig, als wieder nach Hause zu gehen. Die Aussicht, wegen "Behinderung der Ermittlungen" eine Geldstrafe oder gar eine Nacht im Arrest zu verbringen war nicht sehr attraktiv.

Die kühlfeuchte Nacht hauchte ihm erst richtig ins Gesicht, als er aus der Gasse stapfte. Was für ein bescheidener Tag... Es konnte eigentlich nur besser werden, oder?

Der Nieselregel kühlte sein erhitztes Gemüt nach und nach ab. Zurück blieb ein seltsames Gefühl der Machtlosigkeit und die Enttäuschung. Hatte er in der Beziehung zu Masao etwas anderes gesehen, als da war? Oder war es nicht eigentlich seine eigene Schuld? Hätte er sich die Wochen zuvor besser ihm gegenüber verhalten... Vielleicht wäre das Vertrauen, das er nun vermisste, dann vorhanden gewesen?

Die nasse Kälte kroch in den Kragen seiner Jacke und in die Ärmel. Er ließ die Hände in den Jackentaschen versinken und legte einen Schritt zu. Wie angenehm wäre es, jetzt in ein warmes Bett zu kriechen... und am besten am nächsten Morgen dann mit der Erkenntnis aufzuwachen, dass der heutige Tag nur ein dummer Traum gewesen war.

Stirnrunzelnd warf Tai einen Blick über die Schulter. Litt er jetzt unter Verfolgungswahn, oder war da nicht eben eine Bewegung gewesen? ... Vielleicht nur eine Reflexion. Tai schüttelte den Kopf.
 

*
 

Sobald er die Augen schloss, stand er wieder in seiner Wohnung, in hunderten Rosenblüten und starrte seine beschmierte Tapete an. Und das obwohl er sich hier doch sicher fühlen sollte und konnte, oder? Alarmanlage hin oder her – alleine die Nacht in einem so riesigen, fremden Haus zu verbringen, hatte etwas Unheimliches. Matt hatte das Gefühl, von dieser Weite und Stille verschluckt zu werden.

Trotzdem fehlte ihm seine Wohnung irgendwie. Er vermisste sogar den Verkehrslärm, das Hupen und Reifenquietschen und das Knarzen seiner Schlafzimmerdielen. Hier war alles so... perfekt. Aber auch so abgeschottet. So musste sich ein Astronaut im Weltraum fühlen. Als wäre die Welt da draußen kilometerweit entfernt.

Das Bett war bequem – keine Frage, aber es war trotzdem ungemütlich. Mehr denn je wünschte der Sänger sich Gesellschaft. Ob er sich einen Hund zulegen sollte?

Er rollte sich auf die andere Seite und blinzelte in die Dunkelheit. Hoffentlich gingen die verdammten Ermittlungen schnell voran. Er würde hier umgehend ausziehen, sobald alles geregelt war. Die ganze Band hätte hier ohne Probleme hausen können – es war bescheuert, den Platz für eine einzige Person zu verschwenden.

Von seinem Wecker leuchtete ihm die Uhrzeit entgegen. Halb vier. Ob er zur Strafe Brent anrufen sollte? Der hatte ihm das immerhin eingebrockt. Aber wahrscheinlich taugte das nicht als Rache... Brent machte oft die Nächte durch. Außerdem hatte er ja auch kein Handy mehr. Das wurde auf "Fremdzugriff" geprüft, wie Jules sich ausgedrückt hatte.

Seufzend richtete sich der Sänger auf und schob sich aus dem Bett. Es war sinnlos, schlafen zu wollen.
 

*
 

"Good Morning Matt. Du siehst-"

"-Scheiße aus, ich weiß.", knurrte der Sänger und ließ sich auf das Sofa fallen. Und "scheiße" war noch geschmeichelt, das wusste er. Augenringe, die Haut noch blasser als sonst, stumpfes Haar... kein Wunder.

"Was-"

"-los ist? Ich kann in diesem verdammten Haus nicht schlafen, Brent! Wie würdest du wohl aussehen, wenn du drei Tage nicht geschlafen hättest?!"

Matt griff nach dem halbvollen Glas und kippte den letzten Schluck herunter.

Brent legte die Stirn in Falten, seufzte tief und schritt dann langsam hinter das Sofa.

"Du bist etwas mitgenommen von den jüngsten Vorfällen.", sprach er voller Verständnis und begann, Matts Schultern zu massieren. "Und was das Haus betrifft... du musst dich eben erst mal einleben."

Und wenn er sich gar nicht einleben wollte?! Der Sänger atmete tief ein und aus. Warum passierte eigentlich ausgerechnet ihm sowas? Es gab tausende andere Sänger, tausende angesagte Stars, die meisten sagen sogar besser aus als er – warum bekam ausgerechnet ER einen durchgedrehten Spinner zum Fan?

"Ich habe alles in Bewegung gesetzt, was geht, Matt. Trust me. Es wird alles gut."

"Brent. Rede nicht mit mir, als wäre ich ein Kind, das Angst vor den Monstern unter seinem Bett hat. Das fehlt mir gerade noch."

"Sorry."

"Ich... werde hier einfach verrückt."

Es war ja nicht so, als ob er es nicht versucht hätte. Er hatte sich stundenlang DVDs auf seinem Kinobildschirm angesehen, hatte im ganzen Haus Gitarre gespielt, hatte sogar die verdammte Trainingsbank getestet. Er war rastlos durch diese Bude getigert, hatte versucht, sich mit Lesen abzulenken, oder mit Schwimmen in seinem ach so tollen Pool. Er hatte kein Telefon, jeglicher Kontakt zur Außenwelt war "verboten"... TK war bei seiner Mutter, ahnte nichts von alldem hier – was wahrscheinlich auch besser war - und ansonsten musste er sich ja an die "verifizierten" Personen halten. Mehr als einmal hatte er darüber nachgedacht, einfach abzuhauen und in einem Hotel zu übernachten. Aber jedes Mal hatte ihn Ang- ääh Vernunft davon abgehalten... Es war zum Kotzen.

"Ich habe dir ein neues Mobile mitgebracht." Schwacher Beschwichtigungsversuch.

Brent reichte ihm das kleine Gerät nach vorn und massierte dann weiter. Seine Muskeln entspannten sich langsam, aber das änderte nichts an seiner psychischen Verfassung.

"Und wen soll ich deiner Meinung nach anrufen? Die Telefonseelsorge?"

"Wie wär's mit der Band?"

Matt runzelte die Stirn.

"Sind die inzwischen 'verifiziert'?"

Brent gab ein Brummen von sich. Hieß wohl nein. Hätte ihn auch gewundert.

Es war absurd, anzunehmen, dass Hayato oder einer der anderen etwas mit der Sache zu tun hatte. Jules hatte jedoch fest darauf beharrt, dass sie zum Kreis der Verdächtigen gehörten. Neid und Missgunst aus der hinteren Reihe hatte er denen unterstellt. Auf den Ruhm des Bandleaders, des Frontmanns... Ehrlich, er hielt das für Schwachsinn und das hatte er auch gesagt. Gebracht hatte es nichts.

Wenn dieser Kerkermeister von einem Detektiv das nächste Mal hier auftauchte, konnte er sich auf was gefasst machen. Zumindest, falls Matt dann noch die Kraft hatte, seine Faust zu heben.

"Du hast nicht zufällig auch ein gutes Schlafmittel mitgebracht?"

Brent hörte mit der Massage auf und ließ sich dann neben Matt auf dem Sofa nieder.

"Tabletten sind nicht die Lösung, Matt."

Oh doch! Im Moment schien ihm das sogar sein bester Einfall seit langem zu sein! Aber Brent musste sich ja wieder als Mutter Oberin aufspielen und...

"Ich könnte dich aber K.O. schlagen, wenn du möchtest.", scherzte er und stieß Matt kumpelhaft von der Seite an.

"Ich mein's ernst Brent. Ich bin total fertig, ich will schlafen. Ich hab alles versucht. Aber dieses verdammte Haus hält mich wach! Diese ... Leere." Er musste klingen wie ein Psychiatrie-Insasse – aber so kam er sich auch langsam vor.

"Wie wär's damit: Ich bleibe so lange hier, bis ich es geschafft habe, dass du einschläfst! Deal?"



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Naenia
2013-10-19T22:01:12+00:00 20.10.2013 00:01
Nein, Brent, dich brauchen wir da gerade gar nicht.
Ich hab da schon so ein Gefühl, wessen Gesellschaft dem lieben Matt sicher besser gefallen würde :D

Aber mal ganz abgesehen davon, ich bin so neugierig, wer sich letzten Endes als Stalker herausstellen wird. Du erzählt diese Geschichte wirklich gut und es macht Spaß, mitzufiebern. Jetzt taucht auch noch die verschmähte Verlobte wieder auf und ich hab so das Gefühl, dass das durchaus Konfliktpotential bereit hält. Und tai hat ja auch immer noch seinen Freund, den ich ja überhaupt nicht leiden kann...

So, jetzt lese ich gleich noch das näcste Kapitel <3


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