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I wish you'd stay

Ein Taito-Krimi
von

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Ausbruch

Kapitel 8 – Ausbruch
 

Ein unangenehmer Geruch hing in seinem Flur, als Tai zur Arbeit aufbrechen wollte. Hatte er etwa irgendwo Essen stehen gelassen, das nun vor sich hin vergammelte? Nein, diese Zeit hatte er eigentlich hinter sich gelassen. Es roch auch eher süßlich, wie ein seichtes Parfüm. Vielleicht hatte er den Geruch letzte Nacht selber mit herein gebracht. Er zuckte mit den Schultern, warf sich die Jacke über und verließ die Wohnung.
 

Es war ein merkwürdiges Gefühl. Irgendwie fühlte er sich schon fast wie ein Verbrecher. Masao hatte sich nicht mehr gemeldet. Die Polizei auch nicht. Immer wieder ging er im Kopf die letzten Tage durch, auf der Suche nach einem Detail, einer Handlung oder einer Situation, die auf irgendeine Art und Weise kriminell relevant gewesen sein könnte – ergebnislos. Alles war wie sonst gewesen. Wie Monate zuvor, teilweise wie Jahre zuvor. Die einzige besondere Veränderung in der letzten Zeit war das Zusammentreffen mit Matt gewesen, und das war ja wohl auch kein Verbrechen.
 

Hinzu kam das sporadische Kribbeln in seinem Nacken. Als würde ein Blick auf ihm lasten, ein verstohlener, beobachtender Blick. Verfolgungswahn ließ grüßen. Und alles nur wegen dem Polizei-"Interview", kein Wunder, dass er langsam durchdrehte. Diese Ungewissheit war nervig. Masao dachte aufgrund dessen schlecht von ihm und Tai konnte nur dafür beten, dass Kari, seine Eltern und seine Freunde es ihm nicht irgendwann gleich taten. Zum Glück war die "Nachricht" aber wohl noch nicht so weit vorgedrungen.
 

*
 

Es war wie die Wiederkehr von einer langen Reise. Sein Bewusstsein hatte einen Schalter umgelegt und – Klick – da war das Ticken der Uhr wieder, das kaum merkbare Gewicht der Bettdecke, das zerknautschte Kopfkissen unter seinem Schädel und ... der Atem seines Bettnachbarn? Matt blinzelte ins Halbdunkel seines Schlafzimmers.

Ach verdammt. Er war ja immernoch hier. Irgendwie hatte er doch zu hoffen gewagt, dass alles nur ein schlechter Traum gewesen war. Ein Hirngespinst, genau wie die rote Wandmalerei und Taichis Flucht vor ihm. Nein, war wohl alles wirklich passiert. Matt wischte sich ein paar Haarsträhnen aus dem Gesich und rieb sich den Schlafsand aus den Augenwinkeln. Langsam wurde sein Blick klarer. Stirnrunzeln war die Folge.

Direkt vor seinem Gesicht lag ein anderes, schlafend, die Nasenflügel zitterten leicht unter den friedlich-tiefen Atemzügen. Langes blondes Haar umrahmte das markante Gesicht seines Managers und verfing sich in den winzigen Bartstopeln an dessen Kinn. Eine Hand unter den Kopf geschoben lag er da, in seine Träume vertieft, als könne er kein Wässerchen trüben. Ein paar Sekunden der überraschten Betrachtung gönnte sich Matt, bevor er sich langsam aufsetzte. Die Decke glitt von seinen Schultern herab, als er die Arme über den Kopf streckte. Ein lautes Knacken verkündete, dass die Gelenke nun einsatzbereit waren. Brent schlummerte immernoch seelig. Hatte wohl auch schon eine Weile nicht mehr geschlafen. Matt grinste leicht. Er gönnte Brent die Ruhe. Er tat so viel für ihn, sogar das hier...

Die Bilder des vergangenen Tages drängten in sein Bewusstsein. Einige Teile waren eher schwammig, vor allem die, die nach dem Alkohol kamen. Der Sänger schüttelte kaum merklich den Kopf – Tabletten hatte Brent strikt abgelehnt, Drinks waren aber eine ganz andere Sache. Nunja, drastische Fälle und drastische Maßnahmen. Aber das war nicht Brents einziges Mittel gewesen. Er hatte Matt vorher dazu genötigt, mehrere Runden um den Pool zu joggen. Ja, zu joggen! Danach hatten sie gemeinsam jedes einzelne Gerät in seinem verdammten Fitnessraum durchprobiert. Später hatten sie Titanic auf seinem Kino-Bildschirm angeschaut. Das hatte aber eher Übelkeit statt Müdigkeit bei ihm hervorgerufen... könnte aber auch am Alkohol gelegen haben. Die letzten Bilder in seinem Kopf vermischten sich mit schiefen Gitarrenklängen und beinahe passablem Gesang. Er blickte zur Bettkante. Brent wäre sicherlich ein großartiger Vater gewesen, wenn er denn überhaupt Zeit gehabt hätte, um eine Familie zu gründen. Matt war sich nicht sicher, ob es an der schiefen Gute-Nacht-Musik gelegen hatte, an den Drinks, am Sport oder an Kates und Jacks Geschmachte – vielleicht war es auch einfach nur Brents Anwesenheit gewesen – auf jeden Fall war er am Ende offensichtlich wirklich eingeschlafen. Wenn Brent einen Deal machte, dann löste er den auch ein. Ein Punkt mehr für dich.

Nur war Matt davon ausgegangen, dass Brent vorgehabt hatte, nach getaner "Arbeit" zu entschwinden. Stattdessen... nun, er sah das Ergebnis live und in Farbe vor sich. Inzwischen scharchte "es" sogar leise.
 

Matt schob sich vorsichtig aus dem Bett. Die Uhr verkündete elf Uhr – Zeit für Frühstück. Barfuß und mit völlig zerzaustem Haar schlich Matt in die Küche. Er mochte zerknittert aussehen, aber er fühlte sich wie neugeboren. Wie erholsam war der Schlaf nach einem Wach-Marathon von über drei Tagen gewesen. Naja, wahrscheinlich war er zwischendurch schon mal für ein paar Minuten weggenickt, aber jedes Mal wieder aufgeschreckt und noch kaputter als vorher gewesen. Jetzt aber war die Welt wieder in Ordnung. Also schlaftechnisch zumindest.
 

Er wühlte sich durch die Schränke um ein brauchbares Frühstück... oder um diese Uhrzeit eher einen Brunch – wie Brent es nennen würde – zusammenzustellen. Ja, er hatte sich während der langen Zeit im Ausland völlig durchmischte Essgewohnheiten angeeignet. Das betraf nicht nur die Auswahl und Zubereitung der Nahrungsmittel sondern zweifelsohne vor allem die Essenszeiten... Mitternächtliches Eisessen war nichts Ungewöhnliches gewesen, genauso wie Pizza zum Frühstück. Eigentlich ziemlich kontraproduktiv für seine Gesundheit, aber zwischen zwei Konzerten, einer Talkshow und einer Autogrammstunde blieb oft gar keine Möglichkeit, es anders zu regeln. Aber durch den Stress hatte der viele Zucker sich auch nicht auf seinen Hüften bemerkbar gemacht. Eigentlich war er sogar zufrieden mit seiner Figur. Brent sah das wohl anders... oder sollte er den Fitnessraum im Keller und den Pool hinter der Küche nicht als Wink mit dem Zaunpfahl interpretieren?
 

Schließlich ertönte ein langgezogenes, lautes Gähnen aus dem Nachbarzimmer, gefolgt von einem Rascheln, einer kurzen Stille und dann einem schlurfenden, sich näherndem Geräusch.
 

"Na Dornröschen, gut geschlafen? Du hast deinen Deal eingelöst, meine Hochachtung."

"Und du behauptest, dass du drei Tage nicht geschlafen hattest? Ehrlich gesagt hatte ich damit gerechnet, dass du mindestens zwei Tage durchschlafen würdest..." Brent lachte und wuschelte sich durch die blonde Haarpracht. Matt fragte sich unwillkürlich, ob er seinen Manager jemals zuvor mit offenem Haar gesehen hatte.

"Es war ja auch so.", murrte er schließlich und wandte sich wieder der Essenszubereitung zu.

"Ich hoffe, du hast dann wenigstens gut geschlafen. Ich jedenfalls schon." Er grinste.

"Ja... ich fühle mich schon viel besser.", entgegnete der Musiker und präsentierte einen Augenblick später das Mahl. "Und das hier ist mein Dankeschön." Er stellte den Teller auf den Küchenthresen vor einen der Barhocker und sah Brent auffordernd an. "Jetzt setz dich hin."

Brent schnaubte belustigt und trottete zu dem Platz. "So kenne ich dich ja gar nicht."

"Was willst du damit sagen?"

"Ach nichts, gar nichts - nevermind."
 

So verbrachten sie einen lockeren Vormittag miteinander, brunchten, scherzten... sodass Matt für eine Weile sogar den ganzen Mist der letzten Tage vergaß und sich gleichzeitig auch in seiner neuen Residenz ein bisschen heimisch fühlte. Leider hielt diese Leichtigkeit des Seins nur bis gegen zwei Uhr Nachmittags an.

Brent öffnete auf das Klingeln hin die Tür und dann stand dieser Detektiv wieder in seinem Wohnzimmer. Matt konnte nur für ihn hoffen, dass er gute Nachrichten mitgebracht hatte – zum Beispiel, dass seine Gefangenschaft aufgehoben werden konnte.

"Wie ich sehe, lebt man sich bereits gut ein. Wunderbar."

Matt runzelte die Stirn. Unter "gut einleben" verstand er persönlich etwas anderes. Sein Blick folgte Jules, während dieser durch den Raum schlenderte, die Wände mit den Augen vermessen zu schien und sich ewig Zeit ließ, bis er sich endlich mit an den Tisch setzte. Brent hatte sich ebenfalls wieder auf das Sofa fallen lassen.

"Was haben Sie zu berichten, Jules?"

Der Detektiv zuckte vielversprechend mit den feinen Augenbrauen und kramte in der Innentasche seiner Anzugjacke nach etwas. Schließlich förderte er mehrere Fotos zutage, die er auf dem Glastisch verteilte.

"Ich habe Madame Gold getroffen. Sie hat kein Alibi für die Tatzeit und es gibt einige sehr interessante Details auf diesen Fotos, die sie mit dem Einbrecher in Verbindung bringen könnten." Er deutete auf eines der Bilder. Es zeigte Sam, wie sie mit gelangweilter Miene an einem Tisch saß, den Kopf auf die linke Hand gestützt. Nichts Spektakuläres. Und dafür bezahlte Brent Geld?

Brent schien ebenfalls nichts auffälliges entdecken zu können, denn er warf einen fragenden Blick zu Jules hinüber.

Daraufhin ließ dieser sich zu einer Erklärung herab. "Madame Gold trägt eine Halskette mit einem tropfenförmigen Saphir."

Matts linke Augenbraue zuckte nach oben. Aha. Saphir. Na gut, aber diese Verbindung zu den beunruhigenden Einträgen auf seiner Facebookseite wirkte auf ihn als Laien etwas dünn. Es gab sicher tausende Frauen, die Saphirschmuck trugen – und gerade Samantha hatte ein ziemlich umfangreiches Schmuckkästchen, wenn er sich recht erinnerte.

"Außerdem ist Madame Gold in Tokyo, obwohl sie es nicht sein sollte. Das allein ist schon verdächtig. Als Begründung gab sie "private Angelegenheiten" an. Glauben Sie mir, ich weiß, wie man zwischen den Zeilen seiner Verdächtigen zu lesen hat. Diese Frau verbirgt etwas."

Noch immer zweifelnd betrachtete Matt die anderen Fotos. Auf einem schminkte sich Sam die Lippen rot nach, auf einem anderen unterhielt sie sich mit einem ihm unbekannten Mann. Die weiteren Fotos zeigten seine Bandkollegen sowie einige Leute, die Matt noch flüchtig vom Filmset in Erinnerung waren. Außerdem erspähte Matt zu seiner Verwunderung zwei Fotos von Tai.

"Warum verdächtigen Sie ihn?", fragte er und tippte auf eins davon.

Jules lehnte sich weiter zu ihm vor, als benötige seine Antwort mehr Nähe. Der Geruch von frischen Orangen kitzelte für ein paar Augenblicke Matts Nase.

"Sie beide hatten früher eine enge Beziehung zueinander. Neid und Eifersucht sind starke Motive für Verbrechen." Matt begegnete dem ernsten Blick seines Gegenübers.

"Ich glaube nicht, dass...", setzte der Sänger an, aber Jules unterbrach ihn mit einem sanften Lächeln. "... dass Ihr alter Schulfreund zu so etwas fähig wäre? Ihr guter Glaube in allen Ehren, Matt, aber die gutgläubigen Menschen, sind meistens die, die in der größten Gefahr schweben. Ich spreche aus Erfahrung."
 

*
 

Sie verbrachten den ganzen Nachmittag mit der Analyse von Jules' bisherigen Ermittlungsergebnissen. Seine Hacker hatten noch keine Spur wirklich zurückverfolgen können, der Detektiv machte ihm auf diesem Gebiet auch nicht viel Hoffnung. Höchstwahrscheinlich waren die Nachrichten von einem Internet-Cafe aus versendet worden. Viel wichtiger seien die Spuren in seiner alten Wohnung, die Tatwaffe – der Rotstift – und die Rosenblätter.

Beim Thema "Lockerung der Gefängnisregeln" gab es ebenfalls kein großes Vorankommen. Er dürfe Besuch empfangen, jedoch nur unter Aufsicht. Als wäre er ein Kleinkind, das einen Babysitter brauchte. Als ob Koji oder Hayato auf sowas Bock hätten... und er selber erst recht nicht. War es denn so viel verlangt, wenigstens ein bisschen Spaß haben zu wollen? Rausgehen dürfe er, aber nur mit zwei Bodyguards dicht an seiner Seite. Na großartig, damit würde er in den Clubs bestimmt kein bisschen auffallen. Aber auf der Tanzfläche würde ihn so ganz sicher niemand anrempeln, haha...

Jules war inzwischen wieder fort und auch Brent wandte sich zum Gehen.

"Jetzt guck doch nicht schon wieder so missmutig."

"Wie soll ich denn bitte gucken bei diesen Aussichten?"

Brent war dabei, seine Jacke überzustreifen.

"Du hast einen vollen Kühlschrank und meine ganze DVD-Sammlung."

"Ich hätte lieber meine Freiheit. Oder wenigstens ein "Besuchsrecht". Bitte bring mir nächstes Mal einen Hund mit. Oder einen Papagei..."

"Ach Matt. Ich würde hier bleiben, wenn ich könnte, aber die Geschäfte erledigen sich nicht von alleine."

"Ich weiß."

"Du kannst ja ein bisschen spazieren gehen. Die Nummer für den Bodyguard-Service ist in deinem Mobile gespeichert."

Der Sänger winkte ab.
 

*
 

"WAS?" Vor Schreck rutschte ihm das Handy aus der Hand. Dank übermenschlichen Reflexen gelang es Tai jedoch, das Telefon vor dem Aufprall auf dem Betonboden abzufangen. Angespannt hielt er das Telefon wieder ans Ohr. Plötzlich wurde ihm so einiges klar. Das Auftauchen der Polizisten bei ihm konnte nur damit in Verbindung stehen! Eine ganze Lichterkette leuchtete in seinem Kopf auf.

"Das ist... unfassbar, ich .. wie geht es ihm denn?", stammelte er schließlich zusammen und wischte sich über die Stirn.

"Er ist okay... Naja er ist ziemlich zickig. Aber das liegt am Stress."

"Ich habe nichts mit der Sache zu tun Mr. Cooper, ich würde niemals-"

"Immernoch 'Brent'. Tai, ich rufe nicht an, weil ich dich für den Täter halte."

Tai hielt einen kurzen Moment Inne. Es war komisch nach seinem fluchtartigen Abgang aus dem Club vor über zwei Wochen und den SMS, die er unbeantwortet gelassen hatte, nun wieder auf einer so freundschaftlichen Ebene miteinander zu reden. Vor allem, da Brent ja gar nichts für die ganze Sache zwischen ihm und Matt konnte... Tjaja, das schlechte Gewissen.

"Eigentlich rufe ich sogar genau deswegen an, weil ich mir vollkommen sicher bin, dass du mit der Sache nichts zu tun hast."

Hä? Verwirrt kratzte sich Tai am Kopf.

"Danke, ähm. Und was kann ich jetzt für dich tun?"

"Ich gebe dir Matts neue Adresse. Es würde ihm gut tun, dich zu sehen. Er hat noch nie so dringend einen Freund gebraucht, glaub mir. Bitte denk drüber nach."
 

*
 

So! Schluss jetzt! Es reichte. Ein für alle Mal. Das Ende der Gefangenschaft war hiermit eingeläutet! Entweder er starb hier in seiner Luxusbude an Langeweile, Einsamkeit und Frustration oder er ging raus und wurde im schlimmsten Fall von seinem Stalker entführt, was möglicherweise ebenfalls das Ende seines Lebens zur Folge hatte – aber wenigstens starb er dann nicht ALLEINE. Pah!

Er warf einen Blick auf sein neues Handy. Von wegen. Er würde den für ihn abgestellten Personenschutz nicht anrufen. Er wollte wenigstens für ein paar Stunden so tun, als wäre alles normal, wollte rausgehen, in einer Bar was trinken, oder ein bisschen tanzen, feiern, was auch immer. Alles war besser, als das hier!

Er kämmte sich die Haare zurecht, schlüpfte in seine Lieblingslederjacke und griff nach dem Türknauf. Er zögerte. Angst? Ja, vielleicht. Aber das würde ihn dieses Mal nicht mehr abhalten. Das Maß war voll. Sollte ihn doch der Stalker holen. Er würde ihm einen ordentlichen Kinnhaken verpassen und ihn dann persönlich zur Polizei schleifen. Dafür brauchte er weder Jules noch irgendwelche Bodyguards.

Entschlossen öffnete er die Tür und trat nach draußen. Freiheit! Die Nacht nahm ihn in Empfang. Dankbar atmete er die frische Luft und fühlte sich dabei unendlich gut. Er hatte seine Ketten gesprengt, jawohl! Und er hatte viel zu lange damit gewartet...

Endlich roch es wieder nach Autoabgasen. Die Straßenlaternen warfen bereits ihr fahles Licht auf die Fußwege. Matt kannte sich in dieser Gegend kaum aus. Hier schien es weniger lebhaft zu sein, als in seinem alten Viertel. Naja, hier lebten ja scheinbar auch noch andere "gut-betuchte" Leute. Matt schüttelte den Kopf über diesen absurden Gedanken. Er war Musiker, Künstler, aber kein reicher Proll. Er hätte bis an sein Lebensende in seiner kleinen, gemütlichen, muffeligen Wohnung hausen wollen. Ohne Pool und ohne amerikanische Küche.

Er steckte die Hände in die Jackentaschen und schlenderte den Fußweg hinunter. Einfach der Nase nach. Dahin, wo es nach mehr Leben aussah.

Er lief vorbei an Schaufenstern, Bushaltestellen und Bettlern, an Cafés, alkoholisierten Jugendlichen und leuchtenden Reklametafeln. Und nirgends war die Spur eines Stalkers. Keiner wollte ihm hier irgendwas tun, ja er schien nicht einmal bemerkt zu werden, obwohl er normalerweise allein wegen seiner Haarfarbe schnell auffiel. Nichtmal nach einer Zigarette wurde er gefragt, nicht nach der Uhrzeit und auch nicht, ob er etwas Geld übrig hatte. Er war einfach nur eine unbedeutende Ameise in dem Ameisenhaufen. Und das tat verdammt gut. Er hatte schon ganz vergessen, wie sich das anfühlte.

Nur kurz streifte ihn der Hauch eines schlechten Gefühls, als er an Brent dachte, der nun wirklich alles dafür getan hatte, dass es ihm einigermaßen gut ging. Letztendlich war auch er nur um die Sicherheit seines Schützlings besorgt... verständlich. Aber er musste das hier einfach tun, er musste sich ein Stück seiner Freiheit zurückholen. Er würde schon heil wieder zurückkehren, die anderen mussten ja nichtmal was davon erfahren.
 

*
 

Der Tequila schmeckte nach Freiheit. Klar, er hätte auch "zu Hause" einen trinken können, aber das wäre etwas anderes gewesen.

Er saß an der Bar und beobachtete die Angestellten und die anderen Gäste. Es war das Normalste der Welt und in diesem Moment trotzdem etwas Besonderes. Was ein paar Tage in Abschottung mit einem anstellen konnten... Aber damit war ja nun endgültig Schluss. Er konnte so einen Ausflug jeden Tag machen. Solange er nicht gerade zu Brent fuhr oder Jules über den Weg lief. Aber wie hoch war schon die Wahrscheinlichkeit? Schließlich waren beide sehr beschäftigte Leute. Matt verleibte sich den letzten Rest seines Drinks ein und sah auf die Uhr. Die Nacht war jung, er wollte noch ein bisschen durch die Gegend streifen.

Mit einem Lächeln auf dem Gesicht verließ er die Bar und bog in die nächste Straße ein. Wäre es zu viel des Guten, heute in einem Hotel zu übernachten? Ja, wahrscheinlich. Vielleicht würden morgen früh neue Ermittlungsergebnisse vorliegen... oder Brent würde auftauchen, um ihn zum Frühsport zu zwingen. Brent würde den Schock seines Lebens bekommen. Und das Resultat wäre wahrscheinlich ein unter der Haut angebrachter Peilsender oder gar eine elektrische Barriere vor seiner Tür, damit er nicht mehr abhauen konnte. Er traute Jules so einiges zu. Klar, es ging ja nur um seine Sicherheit... aber man konnte es auch übertreiben.

Ja, jemand war in seine Wohnung eingebrochen und hatte eine ziemlich psychomäßig klingende Nachricht an der Wand hinterlassen. Blutrot. Und den Boden in Rosenblätter getränkt. Aber hieß das denn auch, dass derjenige vorhatte, ihn zu ermorden? Das war doch eher unwahrscheinlich, oder? Wenn der Verrückte fähig gewesen war, in seine Wohnung einzubrechen, hätte er das ja auch tun können, wenn er gerade unter der Dusche stand und ihn dann wie in diversen Hollywoodstreifen dort ganz einfach erledigen können.
 

Er hätte sich das alles vielleicht nicht ganz so bildlich vorstellen sollen. Augenblicklich überzog eine dünne Gänsehaut seine Arme und er glaubte, beobachtet zu werden.

Reg dich ab. Es ist alles in Ordnung.

Er widerstand dem Drang, einen Blick über die Schulter nach hinten zu werfen.

Benimm dich nicht, wie ein kleines Kind.

Doch er konnte seine Beine nicht davon abhalten, einen Gang zuzulegen. Nein er lief nicht weg, er hatte es nur eilig! Und er fühlte sich auch nicht verfolgt. Verdammt hier waren doch so viele Menschen, es war lächerlich! Natürlich hörte er überall Schritte, auch hinter sich, war doch völlig normal. Das war nur wieder seine Paranoia.

Er überquerte die Straße.

Aber das Gefühl wollte nicht von ihm weichen. Schließlich blieb er vor einem Schaufenster stehen und versuchte, sich auf die ausgestellten Designerjacken zu konzentrieren. Ablenkung würde bestimmt helfen. Langsam beruhigte sich sein Herzschlag wieder. Na also. Kein Grund zur Panik. Er atmete ein paar Mal ruhig ein und aus. Alles wieder in Ordnung.

Als er sich umwandte, um weiterzuziehen, blickte er direkt in ein bekanntes Gesicht.

"Was machst du denn hier?"



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Naenia
2013-10-23T08:22:11+00:00 23.10.2013 10:22
... und schon wieder einer dieser Cliffhanger, die den Leser begierig auf das neue Kapitel warten lassen ;D
Wer steht denn wohl da? Tai? Sam? Brent?
Ich bin so gespannt! Und Matt sollte sich eigentlich wirklich nicht so anstellen, es gibt schlimmeres als mal ein paar Tage in einem goldenen Käfig zu hocken. Er hat doch bestimmt Internet und DVDs. Ich könnte damit ja dann wunderbar einige Zeit ausharren. :D

Das Kapitel war wirklich wieder sehr kurzweilig zu lesen. Das ist dir wirklich gut gelungen, die Spannung weiterhin aufrecht zu erhalten. Wenn Matt durch die Stadt läuft und sich immer wunohler fühlt... und was war das für ein Parfum in Tais Wohnung?
Es spricht übrigens mal wieder gegen Masao, wenn Brent Tai vertraut, während dessen eigener Freund es nicht tut... Ja, Masao. Der kriegt von mir auch immer nur Negatives ab, aber das spricht eigentlich nur dafür, dass du einen tollen OC gestaltet hast, der mir in Erinnerung bleibt :)

Ich freu mich auf das nächste Kapitel <3

(Bitte lösch mal den anderen Kommentar, ich weiß auch nicht, was ich da gemacht hab. :D)


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