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I wish you'd stay

Ein Taito-Krimi
von

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Paranoia

Eigentlich hätte sein Chef doch fest damit rechnen müssen, dass nach dem Besuch eines Promis hier die Hölle los sein würde, oder? ...

Warum zum Teufel hatte er es dann für sinnvoll befunden, alle anderen Mitarbeiter zu Hause faulenzen zu lassen?! Womöglich war das die Rache für sein häufiges Zuspätkommen.
 

"Oh Gott, vielleicht hat er eine von denen hier angefasst!!!" "Nein, er stand hier drüben!" Sie kreischten und qietschten und rauschten durch den ganzen Laden wie eine Horde rolliger Kanarienvögel. An der Kabine, in der Yamato sich zuvor umgezogen hatte, hätte man nun Eintritt nehmen können. Es waren nicht nur junge Frauen sondern vielmehr eine bunte Mischung von Menschen, als hätte man die Bewohner eines ganzen Häuserblocks in das Geschäft gekippt. Die meisten Männer rollten entnervt mit den Augen, während ihre Freundinnen, Schwestern und Mütter den von ihrem Messias berührten Ort besichtigten. Aber Tai kam kaum dazu, sich darüber zu wundern, zu amüsieren oder aufzuregen, denn ein Gutes hatte die Sache immerhin: Die Kasse klingelte. Ob er dafür einen Bonus bekommen würde?
 

Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn die Meute das Handy gefunden hätte! Er stellte sich vor, wie es auf einem roten Samtkissen aufgebahrt auf einer Art Yamato-Ishida-Schrein thronte und von davor knienden Fans angebetet wurde.
 

Vielleicht hätte es aber auch einfach nur jemand bei Ebay eingestellt um Milliardär zu werden?
 

Pünktlich Feierabend machen lag heute außerhalb seiner Vorstellungskraft. Selbst eine Stunde nach offiziellem Ladenschluss tummelte sich noch eine Gruppe Frauen nahe der Kabine. Es kostete Tai eine gute Menge Nerven, die Clique zum Gehen zu animieren ohne dabei unfreundlich zu werden. Langsam lagen die Nerven einfach blank. Wenn er noch eine einzige Frage zu Matts Aufenthalt in diesem Shop beantworten musste, würde er hysterisch kreischend und wild mit Kleiderbügeln um sich schlagend auf die Straße rennen. Als er endlich die Vordertür verschließen konnte, seufzte er erleichtert auf und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

Was für ein Tag! Der Laden sah aus wie ein Schlachtfeld. Viele hatten es nicht für wichtig erachtet, die Sachen wieder zusammenzulegen. Irgendwelche Zettel lagen auf dem Fußboden und mehrere Leute hatten sich doch tatsächlich in der Umkleidekabine schriftlich verewigt!
 

"Matt, ich will ein Kind von dir!", las er sich selber vor. Wie unheimlich kreativ. Kopfschüttelnd sprühte er das Reinigungsmittel auf und wischte die Wand dann mit einem Tuch ab. Langsam fragte er sich, ob Matt sich überhaupt noch irgendwo frei in der Öffentlichkeit bewegen konnte, ohne angesprungen zu werden.
 

Es war schon lange dunkel als Tai sich auf den Heimweg machte. Das fremde Telefon hatte er in seiner Jackentasche verstaut. Die Nacht war kühl, aber es war ja nicht weit. Mit all den Lichtern, Autos und Geschäften war es hier nachts fast genauso hell wie tagsüber und genauso belebt. Die frische Luft klärte das Chaos in seinem Kopf etwas auf. Er hatte das Handy. Er würde Matt definitiv wiedersehen. Sie würden dieses Gespräch führen, egal wie unangenehm es vielleicht sein würde. Und dann konnte er sein Leben weiterleben. Mit Masao. Er lächelte schief. Der Gedanke schmeckte bittersüß.

Plötzlich rempelte ihn jemand unsanft aus seinen Gedanken. Er verlor den Halt und prallte hart auf den Asphalt. Schmerz durchzuckte seinen Rücken. Die andere Person fiel auf ihn. "Hey! Was-?"
 

Ein junger Mann mit halblangem schwarzen Haar und akkuratem Kinnbart blickte ihn überracht an, sein Gesicht nur eine Hand breit von Taichis entfernt - dann verhärtete sich die Miene des Fremden. "Pass doch besser auf!" Der Typ stand unwirsch auf und wischte mit den Händen über seine Kleidung als hätte er auf etwas Schmutzigem gelegen.

Perplex blinzelte Tai ihn an. "Entschuldigung... ich war in Gedanken." Er hatte wirklich keine Lust auf eine Auseinandersetzung. Sein Hintern tat weh. Der Fremde stand da und starrte ihn mit einer Art stillem Hass an. Er schien gar nicht daran zu denken, Tai aufzuhelfen.

Tai rieb sich den Hinterkopf und starrte zurück. "Alles okay?" Er rappelte sich auf.

Der Fremde erwachte nun zwar aus seiner Starre, hielt eine Antwort aber scheinbar für überflüssig und rauschte an ihm vorbei. Was für ein seltsamer, unhöflicher Typ. Kopfschüttelnd setzte Tai seinen Weg fort.
 

*
 

Yamato saß vor seinem Labtop, blickte ins Leere und versuchte, seinen Kopf frei zu kriegen. Irgendwie stand ihm heute nicht der Sinn nach Ausgehen. Seine Gedanken kreisten unaufhörlich um Taichi. Ein schlechtes Gewissen verjährte wohl nicht. Die Erinnerung an den verhängnisvollen Tag war glasklar obwohl sie etwa 7 Jahre alt war und er sie jedes Mal unterdrückte, wenn sie sich ihm aufdrängen wollte. Was war damals nur in sie gefahren? Er brummte unwillig und rieb sich über die Stirn.
 

Auf der Suche nach Ablenkung klickte der Sänger auf seine Facebookseite und stutzte. Zwischen all den üblichen Beweihräucherungen und einigen Hatern stand mal wieder eine eher merkwürdige Nachricht:
 

"Gleich sehen wir uns! Ich freue mich schon auf dich, mein Saphir."
 

Er runzelte die Stirn. Die Nachricht war von vor einer halben Stunde. Musste er jetzt etwa davon ausgehen, dass unten vor dem Haus ein Stalker stand und versuchte, in seine Fenster zu glotzen? Oder gar auf einem der benachbarten Dächer? So richtig mit Fernglas und allem? Zweifelnd warf Yamato einen Blick über die Schulter. Die Vorhänge waren zugezogen.

Ach Blödsinn! Dass er sich überhaupt Gedanken darüber machte, war ja schon bescheuert! Leute schrieben eine ganze Menge Stuss im Internet.
 

"Ich werde noch paranoid." Er seufzte.
 

*
 

Trautes Heim, Chaos allein. Tai schaltete das Licht ein, holte Matts Smartphone aus der Jacke und schleuderte seine Schuhe in die Ecke. Erschöpft ließ er sich auf sein Bett fallen und betrachtete das Telefon in seiner Hand. Kurz dachte er darüber nach, seiner Neugier nachzugeben und ein bisschen darin herumzustöbern aber es erschien ihm falsch. Er wollte schließlich auch nicht, dass jemand in seinem Handy SMS las oder sowas. Aber er musste zumindest irgendwie Bescheid sagen, dass er das Telefon hatte, sonst würde man noch denken, dass er es geklaut hatte. Stirnrunzelnd erinnerte er sich an das misstrauische Gesicht von Mr. Cooper.
 

Vorsichtig tippte er auf dem Display herum auf dem daraufhin wieder "Ein unbeantworteter Anruf von Sam" aufleuchtete. "Sam" brauchte scheinbar keinen Nachnamen. War wohl jemand wichtiges. Leider gelang es ihm nicht, das Menü zu öffnen, denn eine dieser neuartigen Tastensperren blockierte den Zugriff. Er wurde aufgefordert irgendein Muster mit den Fingern auf das Display zu zeichnen. Oh man, das konnte ja alles mögliche sein. Es war sinnlos, es auch nur zu versuchen. Tai stöhnte theatralisch auf. Das hatte er sich wohl zu einfach vorgestellt. Er ließ das Telefon auf seinem Bett liegen und beschloss, erstmal schnell zu duschen. Vielleicht würde ihm dann ja etwas einfallen.
 

Das "Problem" löste sich von selber, als Tai gerade aus dem dampfenden Bad tappste. Das Handy klingelte mal wieder und diesmal stand "Brent" auf dem Display. Das war doch der Name dieses Managers, wenn er sich richtig erinnerte... Perfekt! So konnte er mit jemandem Kontakt aufnehmen und die Übergabe des Fundstücks auf die Reihe bringen ohne irgendwelche Passwörter herausfinden zu müssen! Er nahm den Anruf an und hielt das Smartphone ans Ohr.
 

"Matt, endlich gehst du ran – ich dachte schon-!"

"Eeeeentschuldigung!", unterbrach Tai hastig den Redeschwall des anderen. "Hier ist Yagami Taichi, aus dem Pulse-Shop – erinnern Sie sich?"

"Pardon? Was machen Sie mit Matts Mobile?"

"Ähm, er hat es im Laden verloren und ich habe es gefunden."

"Gefunden, aha."

Tai hob beide Augenbrauen. Wieso nur klang Mr. Cooper so ungläubig?

"Ja, gefunden." Moment... dachte er etwa-? "Also, ich will es natürlich so schnell wie möglich zurückbringen! Könnten Sie mir Matts Adresse geben, dann gehe ich sofort zu ihm."

Kurz herrschte Schweigen. Hatte das jetzt etwa auch verdächtig geklungen? ... Für einen Manager, der einen heißgeliebten Musikstar unter seinen Fittichen hatte – wahrscheinlich schon. Klar, er hatte Matts Handy gestohlen um jetzt seine Adresse zu erpressen! Tai schüttelte den Kopf.

"O-oder ich bringe es Ihnen! Wo soll ich hinkommen?"
 

*
 

Zehn Minuten später war Tai schon wieder unterwegs. Die Adresse war fast eine Stunde U-Bahn fahren von seiner Wohnung entfernt. Was tat man nicht alles um einer Anzeige zu entgehen? Eigentlich konnte er ja noch froh sein, dass er nicht ans andere Ende der Stadt musste. Er war müde, aber er wollte auch nicht, dass man ihn für einen Dieb hielt. Aber es ärgerte ihn, dass er nun doch nicht so einfach mit Yamato sprechen konnte. Hoffentlich würde sich durch diese Werbeaktion nochmal eine Chance ergeben.
 

Er ließ den Blick durch den Waggon schweifen. Partyvolk, dazwischen einige Anzugträger... aber irgendwie wurde er das Gefühl nicht los, beobachtet zu werden. Er schüttelte den Kopf und sah wieder zum Fenster. Der Tag war einfach zu stressig gewesen, da konnte man sich schonmal Dinge einbilden.
 

Ein frischer Wind wehte durch die Straße. Tai fand die gesuchte Adresse glücklicherweise schnell. Ein unauffälliges Café, schick aber leergefegt. Die Wärme des Raums begrüßte ihn zusammen mit dem Duft von Espresso. In einer Ecke entdeckte er Mr. Cooper, der trotz Anzug unheimlich lässig dasaß. Tai grüßte die Bedienung und näherte sich dann langsam dem Manager, während er sich fragte, ob er ihn wohl wirklich für einen Dieb hielt.

"Guten Abend Mr. Cooper.", begrüßte er den Mann höflich und lächelte zögerlich als sich ihre Blicke trafen. Als sein Lächeln erwidert wurde, entspannte er sich etwas. "Hallo Mr. Yagami. Schön, dass Sie so schnell kommen konnten." Tai atmete erleichtert aus.

"Hier ist das Handy." Tai streckte ihm das Mobiltelefon entgegen und Mr. Cooper nahm es nickend entgegen. Froh, die Sache erledigt und sein Ansehen gegenüber Matts Manager rehabilitiert zu haben, wandte sich Tai zum Gehen aber sein Gegenüber wedelte mit den Händen, auf dass er ihm gegenüber Platz nehmen sollte. Etwas verwundert setzte er sich auf den Stuhl und fuhr sich durchs Haar. Damit hatte er nicht gerechnet. Kam jetzt doch noch ein Verhör?
 

"Ähm, was kann ich denn sonst noch für Sie tun?" Diese Situation fühlte sich merkwürdig an. Was wollte dieser Mann jetzt noch von ihm kleinen Verkäufer? Mr. Cooper grinste.

"Wenn du schon einmal hier bist, kannst du auch einen Kaffee mit mir trinken, oder? Ich bin übrigens Brent. You know... ich hatte Zweifel daran, ob du wirklich ein Freund von Matt bist, oder ob du irgendwas komisches im Schilde führst – aber jetzt bin ich mir sicher, dass du ein vernünftiger Typ bist." Da war die Quasselstrippe wieder. Oh mann. Na auf jeden Fall besser als das kühle Misstrauen.

"Ähm, ja gerne. Danke."

"Ich darf doch Tai sagen, ja?" Der Sportler nickte und Brent bestellte zwei Kaffee. Gut, dann würde er ja auf dem Heimweg doch nicht einschlafen.

"Du musst Matt ja schon ewig kennen, wenn ihr Schulfreunde seid."

Tai kratzte sich am Kopf. "Ja, ungefähr seit wir zwölf waren."

"Das ist eine lange Zeit..."

Er gab ein zustimmendes Brummen von sich. Ob dieser Brent wusste, dass sie seit knapp sieben Jahren kein Wort mehr miteinander geredet hatten? Matt schien ihn ja nie erwähnt zu haben. Naja, warum hätte er das auch tun sollen. Die Angabe des ehemals besten Freundes gehörte normalerweise nicht in einen Lebenslauf.

Die Kellnerin kam mit zwei großen Tassen Kaffee zurück.

"Matt hat mal von einem besten Freund aus der Schulzeit erzählt, der immer bei ihm abgeschrieben hat. Er war ein echt hilfsbereiter und lustiger Typ, aber etwas chaotisch. Bist du das wohl?"

Tai spuckte fast seinen Kaffee wieder aus. Mühevoll würgte er den Schluck herunter und hustete.

"...Ja. Nett, dass er das mit dem Abschreiben erwähnt hat."

Brent lachte. "Aber du musst wirklich ein guter Kumpel gewesen sein, er hat sonst niemals etwas von Freunden erwähnt. Er redet überhaupt nur wenig über sein früheres Leben oder über sich selbst." Brent griff nach der Tasse.

"Er war noch nie die Art Mensch, die alles nach Außen trägt.", sinnierte Tai.

Sie redeten noch eine Weile über Matt und allgemein über Schulzeit und Freundschaft. Brent war eigentlich ein sehr sympatischer, humorvoller Typ. Manchmal lachte er so heftig, dass er mit der Handfläche auf den Tisch schlug, was Tai beim ersten Mal etwas erschreckt hatte. Je mehr man ihn am Stück reden ließ, umso mehr englische Vokabeln und Satzteile verwendete er, sodass Tai manchmal kaum noch den Sinn verstand – aber er lachte trotzdem mit.

Nachdem sie ihre Tassen geleert hatten, wurde Brents Miene plötzlich nachdenklich.

"Du bist voll in Ordnung, Tai. Ich wünschte, Matt wäre ein bisschen mehr wie du."

Wie meinte er das? Was war verkehrt an Matt? Es konnte eben nicht jeder ein so extrovertierter Chaot wie er sein. Die Welt stände am Abgrund...

"Seit er sich von Sam getrennt hat, scheint er kaum noch gute Laune zu haben." Ah, da war also wieder dieser Sam. Ein Ex-Freund??? Das ließ Tai aufhorchen.

"Eine Trennung ist eben nie leicht. Das wird schon wieder."

Brent bezahlte die Rechnung und Tai bedankte sich für den Kaffee.

"Warte, ich fahre dich nach Hause. Du hast es doch ganz schön weit, right?"

"Ähm.. also.. das ist nicht notwendig.. wirklich!" Langsam kam er sich vor, wie ein Schmarotzer. Erst einladen lassen, dann noch chauffiert werden. War das vielleicht am Ende noch ein Test von Brent, ob er den Reichtum anderer ausnutzen wollte?

"Doch, doch. Ich bestehe darauf!" Brent lächelte. "Wie sollte ich mich vor Matt verteidigen, wenn du auf dem Heimweg überfallen wirst oder so?" Tais Grinsen wurde bitter. Tja, es gab mal eine Zeit, in der er wahrscheinlich wirklich SO wichtig für Matt gewesen war. Aber die war vorbei.

"Keine Widerrede mehr." Brent schob Tai nach draußen zu seinem Wagen und ließ ihn auf der Beifahrerseite einsteigen. Ein teurer weißer Sportwagen mit weißen Ledersitzen und blauer Armaturenbeleuchtung. Tai hatte fast Angst, sich zu bewegen und etwas zu beschmutzen oder kaputt zu machen. Das war einfach nicht seine Welt. Er schnallte sich vorsichtig an und dirigierte Brent durch die Straßen. Große Regentropfen prasselten auf die Scheibe und Tai war nun doch ziemlich dankbar für Brents Angebot.
 

*
 

Brummend drehte er sich auf die andere Seite. Die dünne Bettdecke klebte an seinem Rücken. Selten hatte er solche Probleme mit dem Einschlafen gehabt. Es war der reinste Kampf. Kaum hatte er sich von den aufdringlichen Gedanken rund um das heute Erlebte befreit, kam von irgendwo ein lautes Geräusch, das ihn wieder aus der Ruhe brachte. War es still genug, fuhren seine Gedanken Karussell. Eine Diele im Hausflur knarrte. Genug damit!

Matt öffnete die Augen und warf einen Blick auf den Wecker. 3 Uhr. Wer kroch denn um diese verdammte Zeit auf dem beschissenen Flur rum?! Er wollte doch nur schlafen! Unmöglich manche Leute! Er schob die Decke von sich und tappte wütend zur Tür seines Apartments, öffnete sie und spähte durch den Spalt – bereit, jeden den er dort antraf brüllend zurechtzuweisen.

Aber da war keiner. Nur... Dunkelheit und... der Geruch von Lavendel? Matt zog die Tür wieder zu und lehnte sich von Innen dagegen. Samantha hatte früher immer danach gerochen. Aber was sollte sie hier um diese gottlose Zeit suchen? Außerdem hatte sie doch versprochen, ihm den Abstand zu gönnen... hatte er sich den Geruch nur eingebildet? Aber das Geräusch war doch da gewesen? Langsam wurde es wohl Zeit, einen Psychotherapeuten aufzusuchen. Diese Paranoia tat auf Dauer nicht gut. Zerknittert zuckte er mit den Schultern und schleppte sich wieder ins Bett.
 

*
 

Es schüttete Wasserfälle als Tai ausstieg. Er dankte Brent und joggte zum Eingang des Hochhauses in dem sich seine Wohnung befand. Das kleine Vordach bot keinen Schutz. Es war wohl eher als Dekoration gedacht. Der Wind tat sein Übriges. Es waren nur ein paar Sekunden aber Tai triefte bereits als wäre er gerade aus einem See gestiegen. Seine Haare klebten ihm in der Stirn. Er fummelte den Schlüssel aus der Tasche, schloss auf und trat in den finsteren aber immerhin trockenen Flur. Die große Tür klappte hinter ihm wieder zu. Wie spät mochte es sein? Weit nach Mitternacht auf jeden Fall. Er seufzte. Nichts wie ins Bett.

Als er sich wieder in Bewegung setzte, ging das Licht automatisch an. Tai zuckte zusammen, als er die Person, die kaum einen Meter entfernt neben ihm an der Wand lehnte und ihn ansah, entdeckte. Sein Herz schlug mit einer schmerzhaften Intensität gegen seine Brust. "M-Masao! Was-was machst du so spät hier? Du hast mich zu Tode erschreckt!" Der junge Mann blickte ihn an, ohne eine Miene zu verziehen. "Wo warst du?" "Ich war in einem Café." "Mit einem gutaussehenden Mann in einer Luxuskarre...", führte sein Freund den Satz in vorwurfsvollem Tonfall fort.

Tai runzelte die Stirn. Auch das noch. Dieser Tag stellte wirklich alles auf den Kopf. War ja klar, dass Masao nun sauer war. Für ihn musste es aussehen, als würde er ihn betrügen. Er fuhr sich durchs Haar und sah Masao schuldbewusst an. Was sollte er sagen?

"Es ist nicht so, wie du denkst." Oh ja! Das war wohl der glaubhafteste Satz der dir eingefallen ist?

Er machte einen Schritt auf Masao zu aber der wich vor ihm zurück und stierte ihn aus wütenden Augen an. "Ich muss ein paar Dinge für mich selbst klären.", äffte er Tai nach.

"Es ist so, wie ich es dir gesagt habe. Wir haben nur geredet und einen Kaffee getrunken."

"Das ist schon mehr, als wir die letzten Tage zusammen unternommen haben!"

Tai senkte den Kopf. "Du hast Recht. Es tut mir leid."

Die Müdigkeit trieb ihn zum Treppenaufgang. "Das ist die falsche Zeit und der falsche Ort für so ein Gespräch... ich... rufe dich morgen an, okay? Ich bin unglaublich müde." Tai hatte erwartet, dass Masao ihn nun endgültig abschreiben würde, so etwas wie "Spar dir den Anruf." sagen würde... aber Masao sagte nichts dazu. Er legte Tai, der im Begriff war, die Stufen zu erklimmen, eine Hand auf die Schulter, sodass er stehen blieb und sich langsam umdrehte. Noch unerwarteter kam die Umarmung und dann der Kuss. Ein Hauch von Erleichterung streifte Tais Gefühlswelt, aber auch eine Art von Traurigkeit. Masao war so nett zu ihm, obwohl er ihn so vernachlässigt hatte. Er hatte das nicht verdient. Ich werde es in Zukunft besser machen, schwor sich Tai und erwiderte die Liebkosung. Nach einigen Augenblicken trennten sie sich und mit einem "Schlaf gut." verschwand Masao.



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