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Freaks of Nature

von

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Sandra

Es war nicht unbedingt Franks Job an sich, den sie nicht ausstehen konnte. Oder seine Geschäftspartner, die größtenteils anständige Gentlemänner waren.

Nein, es waren genau diese jungen Leute, die Neuankömmlinge, die sich einbildeten, sie befänden sich in einem dieser Actionfilme, die unverschämt und rücksichtslos den Ruf der ganzen Organisation beschädigten und keinerlei Respekt vor dem Alter hatten.

Dass sie die nächste Generation waren, dieser Haufen gewöhnlicher Ganoven, konnte einem Angst machen.
 

Aber wer weiß, wie die Zukunft aussah, mit diesem Jinx und diesem Kira.

Ob es überhaupt eine Zukunft gab.
 

Die Zwei, die gerade angekommen waren, waren genau dieses Kaliber von jugendlichen Rabauken.

Nichts als Ärger.

Wie die Beiden schon aussahen...

Wie Punks von der Straße. Eine Schande.
 

Ihr Gang kam komplett ins Stocken als sich die hintere Wagentür öffnete und die dritte Person herauskam.

Mein Gott, das war ja ein Kind!

Wurden sie jetzt auch noch immer jünger?
 

Was Sandra sofort ins Auge fiel, gleich nach dem rosafarbenen Schirm und der Sonnenbrille, war der riesige blaue Fleck an seinem Hals.

Sie wusste, woher diese Art von Flecken kamen.
 

„Hey Süße! Perfekt, je schneller wir hier wegkommen, desto besser.“

Der Kerl mit der Fliegerbrille salutierte lässig mit zwei Fingern.
 

„Hey, wo hast du das Zeug...? Ach, auch egal.“

Der Blonde hatte für einen Moment entsetzt auf den Jungen mit dem Schirm gestarrt, der langsam in seine Richtung trottete und winkte dann seufzend ab.

„Willste laufen?“
 

Der Junge schüttelte den Kopf.

Zu Sandras Erstaunen hob der Blonde den Jungen hoch und setzte ihn seitlich auf seine Hüfte um ihn den Rest des Weges ihn Haus zu Tragen, während der Junge sich mit einer blassen Hand an ihm festkrallte, und in der Anderen sich immer noch den Regenschirm über den Kopf hielt.
 

Fliegerbrille zündete sich eine Zigarette an, als er ins Haus kam, die ihm Sandra prompt wieder aus den Fingern nahm und nach draußen warf.
 

„Hier drinnen wird nicht geraucht. Frank! Deine Kunden sind da!“
 

Der hagere, grauhaarige Mann im Flanellhemd kam aus dem Wohnzimmer und nickte ihnen fröhlich zu.

„Guten Tag, die Herren. Ich hoffe, meine Frau war nicht zu ruppig, im Grunde ihres Herzens ist sie ein Engel. Wer von Ihnen ist Matt?“
 

Fliegerbrille hob die Hand.

„Und das da is Mello. Und der da ist Near. Wär gut, wenns schnell losgehen könnte, wir haben auf dem Weg hierher ein bisschen Ärger gehabt.“
 

Sandra stellte auf Durchzug, solche Dinge wollte sie sich gar nicht anhören.

Ihr Blick fiel wieder auf den Jungen, den dieser Mello wieder abgesetzt hatte.

Near.
 

Er hatte sich die Sonnenbrille abgenommen und angefangen, sich interessiert umzusehen, besonders die Puppen, die Sandra auf ihrer Essecke aufgestellt hatte, schienen es ihm angetan zu haben.
 

„Ich habe noch mehr, wenn du mal sehen möchtest.“
 

Seine Haare waren so gut wie weiß.

„Ja.“
 

Langsam kam er hinter ihr her, als sie ihn in die Kaminstube führte.

Dort war das Herzstück ihrer Sammlung.

Die hellgrauen Augen wurden riesig.

Puppen aus Holz, Porzellan, Plastik, Stoff, Stroh.

Große und Kleine, Alte und Neue, aus Indien, Afrika, China, Europa.

Schöne und Hässliche, Teure und Minderwertige, reihten sich auf Regalen, Sofas, Fensterbänken.

Insgesamt hatte sie über dreihundert und jede Einzelne von ihnen wurde von Sandra geliebt.
 

„Gefallen sie dir?“
 

„Ja.“

Er kletterte auf Eines der Sofas und drückte eine hübsche Porzellanpuppe mit blonden Locken an sich.

„Sie sind sehr schön.“
 

Er erinnerte sie auf einmal an ihre autistische Tante Elisabeth.

Zusammengesunken auf dem Sofa, eine von Sandras Puppen im Arm, die sie dann oft verweigerte, aus der Hand zu Geben, meistens nahm sie sie am Ende mit.

Als sie gestorben war, hatte Sandra rund fünfzig ihrer Puppen aus Elisabeths Wohnung wiederholen müssen.
 

Sie hatte ihre Tante sehr gemocht.

Dieser Junge war ganz eindeutig auch auf eine Art beeinträchtigt, wie Elisabeth es gewesen war.

Und diese beiden Typen bei ihrem Mann hatten ihm weh getan...
 

„Wer war das?“

Sie zeigte auf den Hals des Jungen.
 

Near blieb stumm und blickte ins Leere.

Sandra seufzte.
 

„Wie alt bist du?“
 

„Ich bin sechzehn.“

Er drückte die Puppe fester an sich.
 

Sie hob skeptisch die Augenbrauen.

'Ach, tatsächlich...'
 

„Junge, hör mal, du hast mit den Beiden doch eigentlich gar nichts zu Schaffen, oder?

Du brauchst keine Angst zu Haben, wir können dich beschützen, ich...“
 

„Sie mögen den Umgang Ihres Mannes nicht besonders, nicht wahr?“
 

Sandra blinzelte verwirrt.

„Nun ja...“
 

„Und Ihr Mann, wie ist seine Meinung zu Ihrer Sammelleidenschaft von Puppen?“
 

„Ähm, ich denke, mittlerweile stört es ihn nicht weiter...“

Irgendwie war das Gespräch in eine falsche Richtung geraten.
 

„Aufgrund Ihrer Erscheinungen und der Einrichtung Ihres Hauses schließe ich, dass Sie schon ungefähr zwanzig Jahre verheiratet sind, wenn nicht sogar dreißig, trotz dieser und gewiss auch weiterer Differenzen.

Wie haben Sie das geschafft?“
 

War das ein Versuch, vom Thema abzulenken?

Oder interessierte ihn das etwa wirklich?

„Nun es gibt immer... Differenzen. Man hat nun mal oft unterschiedliche Vorstellungen. Aber wenn man aufeinander eingeht, und bereit ist, Kompromisse zu Schließen... Nun ja, bei uns hat das bisher immer gut funktioniert...“
 

Near nickte leicht.

„Ich verstehe.

Wie sieht es im Schlafzimmer aus?“
 

„Im Schlafzimmer?“

Was in aller Welt...?

Wollte er das Schlafzimmer sehen?
 

„Ich rede von ihrem gemeinsamen Sexualleben. Trifft das, was sie eben gesagt haben, auch darauf zu?“
 

Hitze schoss ihr in den Kopf.

„D... Das sollten... wir wirklich nicht... nicht besprechen...“

Du liebe Güte!
 

„Aber Sie besprechen es mit ihrem Mann. Was Sie tun möchten. Was er tun möchte. Damit Sie dann einen gemeinsamen Kompromiss schließen können. So funktioniert es, nicht wahr?“
 

„Nun, ich schätze schon...“
 

„NEAR! WO STECKST DU, VERFLUCHTE SCHEIßE?! WIR MÜSSEN LOS!“
 

„Ich muss jetzt gehen. Sie haben mir sehr geholfen.“

Der Junge drehte sich an der Tür um.

„Dürfte ich diese Puppe behalten?“
 

„Willst du bei Mello und Matt bleiben?“

Sandra verschränkte die Arme vor der Brust.
 

„Natürlich.“

Er sah sie ausdruckslos an.

„Warum stellen Sie mir eine so seltsame Frage?“
 

Sandra ließ die Arme sinken und seufzte.

„Nimm sie mit. Ich leihe sie dir, solange du möchtest. Und wenn du irgendwann die Möglichkeit hast, dann kommst du mich besuchen und bringst sie wieder mit. Einverstanden?“
 

Er nickte wieder, kaum merklich.
 

„Und pass auf dich auf, hörst du?“
 

Aber er war schon durch die Tür verschwunden.



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