Zum Inhalt der Seite

Black, White, Gray

“You can't create a monster, then whine when it stomps on a few buildings.”
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Out Of Reach

Die folgenden zwei Tage vergingen nur langsam und schleppend. Yusei war angespannter denn je. Jeden Moment erwartete er, einen Schrei zu hören, eine Explosion oder sonst etwas. Jedes Geräusch, jedes Türknallen, jeder herunterfallende Schraubenschlüssel, ließ ihn heftig zusammenfahren. Wenn er für ein paar Stunden außer Haus musste und widerwillig Jack die Aufgabe erteilte, Divine nicht aus den Augen zu lassen, erwartete er jedes Mal aufs Neue das Haus bei seiner Rückkehr verwüstet wiederzufinden.
 

Doch nichts dergleichen geschah. Divine war nur hin und wieder bei Bewusstsein, und selbst dann sah er nicht klar und war nicht ansprechbar. Es reichte gerade so aus, dass man ihm etwas zu Trinken einflößen konnte. Diese Aufgabe übernahm normalerweise Aki, die zu Jacks größtem Missfallen in letzter Zeit täglich mehrere Stunden zu Besuch kam, und wenn sie nicht konnte, tat es Crow.
 

Wenn es nach ihr ginge, säße sie Tag und Nacht an Divines Seite, sie hatte sogar vorgeschlagen, die Schule zu schwänzen, um auf ihn aufpassen zu können, was Yusei jedoch vehement abgelehnt hatte. „Bist du denn nicht froh, wieder auf die Schule gehen zu können? Wirf diese Möglichkeit doch nicht einfach weg!“, hatte er sie zurechtgewiesen und sie ihn daraufhin zwei Stunden lang keines Blickes gewürdigt, bis Crow es endlich geschafft hatte, sie zur Tür zu komplimentierten und dazu zu bewegen, endlich nach Hause zu gehen und in einem vernünftigen Bett Schlaf zu finden.
 

Bei anderen war an Schlaf nicht zu denken. Jack war reizbar und mürrisch, was jedoch nichts Neues war, aber vor allem Yusei schien in letzter Zeit missmutiger und aufgebrachter. Unruhig streifte er durchs Haus, die müden Augen immer starr auf das Sofa gerichtet, auf dem Divine regungslos schlief, wie ein Kaninchen das einen Fuchs zu Besuch in seinem Bau hatte.
 

Mehrmals musste Crow ihn anweisen, sich doch wenigstens hinzusetzen während er aß und nicht immer in Hab-Acht-Stellung mitten im Raum zu stehen, als müsste er jederzeit damit rechnen, jemandem das Leben retten zu müssen. Sogar Jack knurrte ihn hin und wieder an, wenn er seinen Hintern nicht schleunigst ins Bett beförderte, würde er es tun.
 

Auch wenn Luka und Lua zu Besuch kamen wurde es nicht besser. Eher im Gegenteil, er schien zusätzlich sprunghaft und gestresst. „Die Kleinen können sich nicht wehren, wenn es darauf ankommt!“, murmelte er nervös, seine Augen immer wieder zurück zum Sofa flatternd.
 

„So ein Quatsch, die könnten auf seinem Bauch Hula tanzen und das wär ihm völlig Schnurz! Jetzt krieg dich ein und iss dein Frühstück!“, versuchte Crow ihn zu beruhigen. Immerhin hatte er es geschafft, alles was er an Wunden an Divine gefunden hatte halbwegs zu reinigen und desinfizieren, ohne, dass er wieder zu Bewusstsein gekommen war.
 

„Was ist, wenn er aufwacht, wenn ich nicht dabei bin?“, murmelte Yusei geistesabwesend.
 

„Dann wird er sich umgucken, sich fragen wo er ist, feststellen dass ihm sein Arm verdammt noch mal weh tut und er nicht aufstehen kann, weil er sich was am Bein getan hat. Daraus wird er schlussfolgern, dass er auf dem Sofa liegen bleiben muss, bis sich was tut. Klingt logisch, oder?“
 

Doch Yusei antwortete nicht. Angespannt starrte er Löcher in die Luft und scharrte mit der Gabel in seinem Rührei herum ohne hinzusehen.
 

„Yusei“, brummte Jack schließlich genervt.
 

Yusei hielt inne.
 

„Hör auf, dich verrückt zu machen.“
 

Yusei nickte.
 

Jack nickte ebenfalls.
 

Doch es schien nicht viel gebracht zu haben, denn zwei Minuten später war wieder das unangenehme Quietschen von Gabel auf Porzellan zu vernehmen während Yusei verkrampft das Besteck auf dem Teller hin und her schob.
 

Das ging ungefähr eine Minute so weiter, bis Jack so schnell aufsprang, dass sein Stuhl nach hinten umflog, und mit der flachen Hand auf die Tischplatte knallte. „Jetzt hör aber auf!“
 

Erschrocken zuckte Yusei zusammen und sah ihn das erste Mal seit Stunden direkt an, anstatt nur leer in die Luft zu starren.
 

Jack starrte wütend zurück, diesmal war es Yusei, der nachgab und zu Boden sah. „Tut mir leid“, murmelte er. „Ich sollte mich vermutlich noch ein bisschen hinlegen, ich fühl mich müde.“
 

„Gute Idee“, meinte Crow und Jack nickte zustimmend. Sie beide waren beruhigt, dass Yusei es von selbst vorschlug. Sie hatten ihn die letzten beiden Nächte unter Todesstrafe dazu zwingen müssen, sich ins Bett zu legen. Dass er es von selbst tun wollte, fassten die Freunde als gutes Zeichen auf. Und so war seit einer Weile das erste Lächeln auf ihrem Gesicht zu sehen, als sie den schwarzhaarigen Jungen dabei beobachteten, wie er sein Geschirr in die Spüle räumte und die Küche verließ.
 

„Siehst du, langsam wird es wieder“, meinte Crow zuversichtlich.
 

Jack hatte kaum Zeit, seinen Stuhl wieder richtig hinzustellen, da hörten sie schon wie Yusei sie von der Werkstatt aus rief. Eilig standen sie auf und hasteten ihm hinterher, der eine beinahe über den anderen stolpernd. Sie betraten die große Garage und erblickten Yusei, der dem Sofa gegenüberstand, auf dem ein halb aufgerichteter, grimmig aussehender und ganz offensichtlich höchst wacher Divine lag. Das Gesicht ihres Freundes konnten sie nicht erkennen, da er ihnen den Rücken zu gewandt hatte.
 

Dann hörten sie wieder diese Stimme, rau und heiser, als leide ihr Besitzer allein schon beim Sprechen Qualen. „Wo bin ich?“, knurrte er leise, doch bestens verständlich.
 

Jack und Crow eilten Yusei zur Seite. Seine Miene wirkte wie eingefroren, eisig und kalt. „Ich an deiner Stelle wäre sehr vorsichtig, was ich sage.“ Auch Yuseis Stimme war gefährlich leise. Crow hatte ihn noch nie so reden gehört.
 

Divine schnaubte, und krümmte sich zusammen. „Du bist Yusei Fudo, nicht wahr? Wir haben uns schon einmal gesehen, beim Fortune Cup.“
 

Yusei schaute ihn überrascht an, begriff dann jedoch. Natürlich, Divine musste nachdem Mistys Jibakushin besiegt worden war wie alle anderen, die der Earthbound Immortal auf dem Gewissen hatte, wieder zurückgekehrt sein. Daher erinnerte sich Divine nicht mehr an ihre Begegnung in dem verfallen Vergnügungspark, und dementsprechend auch nicht daran, dass er, Yusei, für seinen vermeintlichen Tod verantwortlich war. Jeder, der von einem Jibakushin getötet worden und durch dessen Vernichtung wieder zurückgebracht worden war, hatte sein Gedächtnis an alles, was mit den Dark Signers zusammenhing, verloren. Das kam Yusei nur zupass, denn es wäre sicher nicht vorteilhaft gewesen, wäre sich Divine all dessen bewusst gewesen.
 

„Ja“, antwortete er also schlicht.
 

Divine schaute ihn an. Seine grünen Augen waren so kalt und hasserfüllt wie eh und je. „Ich wüsste nicht, was ich bei dir zu suchen habe“, knurrte er mit etwas, das sein Gesicht unnatürlich verzerrte und mit viel Fantasie als Grinsen beschrieben werden konnte.
 

„Du solltest dankbar sein!“, mischte sich nun auch Crow ein. „Mit diesen Verletzungen wärst du da draußen krepiert! Wenn Aki dich nicht hierher gebracht und darauf bestanden hätte, das-“
 

„Aki. Wo ist sie?!“, unterbrach Divine ihn leise und scharf.
 

Yusei warf Crow einen kurzen, missbilligenden Blick zu. Zerknirscht trat der Kleinere einen Schritt zurück. „Nicht hier. Das ist alles, was dich im Moment interessieren sollte“, erwiderte Yusei kühl.
 

Divine lachte düster. „Ich habe keine Ahnung was hier vor sich geht, aber da ich momentan nicht in der Lage bin, mich zu bewegen, bin ich dir wohl hilflos ausgeliefert, Yusei Fudo.“
 

Yusei war überrascht über diese erstaunlich nüchterne Zusammenfassung seiner Lage. Divine schien keine Angst zu haben. Er schien es auch nicht leugnen zu wollen, dass er im Falle einer Auseinandersetzung völlig wehrlos war. Er sah nur ruhig zu ihm auf, sein Grinsen war zu einem geringschätzigen Lächeln geworden. Selbst jetzt, wie er dort lag, sein Haar noch immer verschmutzt und struppig, sein Gesicht hager, er selbst verwundet und beinahe völlig bewegungsunfähig, selbst jetzt strahlte er noch dieses beunruhigende Selbstbewusstsein aus. Er sah Yusei an, mit diesen Augen die ihm bereits mehrmals den Tod versprochen hatten, und es war als würden sie etwas in dem Schwarzhaarigen berühren, als würden sie in ihn hineinsehen, und durch ihn hindurch.
 

Yusei schloss kurz die Augen und schüttelte den Kopf um das unangenehme Gefühl loszuwerden. Er musste sich jetzt konzentrieren und durfte keinen Millimeter nachgeben. „So ist es“, nickte er und verschränkte die Arme.
 

„Und wieso habt ihr mich hier her gebracht? Doch wohl nicht nur weil Aki euch darum gebeten hat. Ihr kennt sie doch kaum.“
 

Anscheinend erinnerte sich Divine ab dem Punkt seines ersten Todes beim Fall des Arcadia Movements an nichts mehr. Yusei hielt es für das Beste, den Großteil der Informationen, die ihm so verloren gegangen waren für sich zu behalten, aber dass Divine nicht wusste wie lange Aki nun schon an Yuseis Seite kämpfte war problematisch.
 

„Doch, das tun wir. Du bist eine Weile fort gewesen, in dieser Zeit hat sich einiges verändert“, erklärte er knapp.
 

Divine verengte die Augen. Er schien zu begreifen, was Yusei sagte. Es musste auch ihm aufgefallen sein, dass in seinem Gedächtnis ein nicht unwesentlicher Teil fehlte. Einen Moment schien er nachzudenken, dann nickte er. „Ich habe noch einige Fragen an dich, aber gehe davon aus, dass du mir so oder so nicht zu verraten gedenkst, was ich wissen möchte.“
 

Yusei nickte. „Gib mir deine Karten.“
 

Divine lächelte so zuvorkommend wie es ihm in seiner momentanen Lage möglich war. „Ich verstehe, ihr habt Angst, dass ich euch trotz meiner Verletzungen schaden könnte.“ Sein Blick wurde verbissen als er Yusei wieder ansah. „Ich möchte nur, dass du dir einer Sache bewusst bist. Wenn es mir nicht gerade völlig unmöglich wäre, mich zur Wehr zu setzen, würdest du meine Karten nicht mal mit dem kleinen Finger berühren dürfen.“
 

„Schon klar, jetzt hör auf große Reden zu schwingen und rück dein Deck raus!“, raunzte Jack ihn an.
 

Widerwillig griff Divine mit seiner gesunden Hand tief in eine seiner Manteltaschen, zog sein Deck heraus und überreichte es Yusei. Dieser nahm es entgegen und ließ es schnellstmöglich in einer seiner Deckboxen am Gürtel verschwinden. „Das waren alle?“, fragte er misstrauisch.
 

„Würde ich dich hintergehen...?“, erwiderte Divine süffisant.
 

Yuseis Antwort war ein Schnauben, er wandte sich kurz ab um das Deck noch einmal hervorzuholen und auf Vollständigkeit durchzuzählen. Er schien zufrieden und nickte den beiden Freunden zu.
 

Crow beobachtete die ganze Szenerie erstaunt. Dieser Mann, dieser Divine... Noch nie hatte Crow so jemanden gesehen. Einen Menschen, der selbst in einer solchen Lage, der Lage seinen Feinden absolut wehrlos ausgeliefert zu sein, so einen kühlen Kopf bewahrte und trotz all seiner Verletzungen so unbeugsam und gelassen wirkte...
 

„Mach den Mund zu“, murmelte Jack ihm verärgert zu.
 

Crow gehorchte und schluckte. Er ahnte jetzt, was Yusei gemeint hatte als er sagte, Divine habe eine große Macht über Aki. Der Junge mit dem orangefarbenen Haar konnte sich gut vorstellen, dass dieser Mann, erst recht wenn er gesund und im Vollbesitz seiner Kräfte war, sehr charismatisch und einnehmend wirkte.
 

Einige Augenblicke herrschte völlige Stille im Raum, nicht einmal der Regen, der in den letzten Tagen nicht aufgehört hatte, in Strömen vom Himmel zu gießen, war mehr zu hören. Divine und Yusei starrten sich an. Ihre Lage war festgefahren. Divine würde keine Informationen mehr aus Yusei herausbekommen, Yusei würde Divine nicht dazu kriegen, klein bei zu geben.
 

Und als der Mann sich ein wenig regte, spürte Crow wie sich jeder Muskel in ihm anspannte, um sich notfalls verteidigen zu können, als rechnete er doch noch tief in seinem Inneren damit, dass Divine seine Verletzungen nur vorgegeben hatte um sie in Sicherheit zu wiegen.
 

Doch er versuchte nicht, ihn anzugreifen. Viel mehr schlang er seinen gesunden Arm um seine Seite, verzog das Gesicht vor Schmerz und fiel zurück aufs Sofa. Er stöhnte leise.
 

Die Anspannung fiel von Crow ab. Dieser Mann würde ihnen nichts tun können. Er hatte die Wahrheit gesagt. Offensichtlich log er doch nicht wo er ging und stand, wie Yusei behauptet hatte.
 

Crow legte den Kopf schief und fragte kleinlaut: „Hast du Hunger?“
 

Divine öffnete die Augen ein wenig und sah zu Crow herüber. Er schien misstrauisch. Doch ihm fiel wohl auf, hätten die Freunde ihm etwas antun wollen, hätten sie schon längst die Möglichkeit dazu gehabt. Er nickte leicht. „Ja. Sehr.“
 

Crow warf Yusei einen kurzen Blick zu. „Ich... geh ihm kurz was holen, ja?“
 

Keine Reaktion. Weder von Yusei noch von Jack. Beide blieben stocksteif stehen und starrten Divine an als könne er sich jeden Moment in ein menschenfressendes Monster verwandeln.
 

Vor allem Yuseis Blick schien ungewohnt. Er wirkte so verachtungsvoll...
 

Schaudernd wandte Crow sich ab und lief Richtung Küche, um ihrem „Gast“ etwas zu Essen zu besorgen.
 

Er kam jedoch nicht dazu, denn schon öffnete sich die Tür und herein kam Aki. Sie blieb beim Anblick des wachen Divine einen Augenblick lang wie angewurzelt stehen, dann jedoch lief sie die Treppe hinunter, zum Sofa, und fiel davor auf die Knie. „Divine!“, sagte sie leise, ein Schluchzen unterdrückend. „Divine, ich bin so froh, dass es dir besser geht!“
 

Aki benahm sich wirklich merkwürdig um diesen Mann.
 

Aber noch merkwürdiger war das Lächeln, dass jetzt auf seinem Gesicht zu sehen war. Es war nicht mehr im Geringsten herablassend oder spöttisch. Es wirkte... sanft.
 

Er hatte eine Hand auf ihre Schulter gelegt und drückte sie leicht. Er öffnete den Mund um etwas zu erwidern, doch schon war Yusei zur Stelle, schnappte sich Aki, zog sie auf die Beine und weg von Divine. „Wage es ja nicht!“, knurrte er den Älteren an.
 

„Yusei, was soll das?!“, fragte Aki gereizt.
 

Divines Augen waren verengt, er hätte gefährlich gewirkt, wäre er in der Lage gewesen, etwas zu unternehmen. Doch auch so war es genug um Yusei einen kalten Schauer den Rücken hinab zu jagen. Seine Kehle schnürte sich zu. Aki wehrte sich noch immer gegen seinen Griff, doch er ließ sie nicht los.
 

„Wage es nicht ihr wieder deine Lügengeschichten einzuflößen!“ Yusei funkelte Divine wütend an. „Du willst sie nur wieder für deine Zwecke missbrauchen.“
 

Dieser zog die Augenbrauen zusammen. Seit er hier war hatte er noch nie so verächtlich ausgesehen. „Was weißt du schon von mir und meinen Zwecken? Was weiß jemand wie du schon davon, was Aki und mich verbindet.“
 

„Belogen hast du sie!“, erwiderte der Kleinere aufgebracht.
 

„Yusei!“, rief Aki zornig.
 

Doch Divines Blick war ruhig und kalt als er antwortete: „Nein.“
 

Dieses eine Wort war so simpel und klar, dass Yusei für einen Augenblick die Worte fehlten. Wäre er nicht der festen Überzeugung gewesen, dass Divine nicht die Wahrheit sagte, er hätte es ihm geglaubt. Ihm fiel daraufhin keine Entgegnung ein, die nicht wieder ein simpler Vorwurf gewesen wäre, und davon wollte er sich eigentlich distanzieren.
 

„Und wenn du mich jetzt bitte entschuldigst, ich würde gerne Aki begrüßen“, fuhr Divine ungerührt fort.
 

Das Mädchen entglitt Yuseis Griff und war sofort wieder an der Seite des Älteren. „Ich dachte du wärst...“, flüsterte sie leise.
 

„Keine Angst“, murmelte er beruhigend. „Ich kann mich zwar nicht rühren, aber ich lebe. Vorerst.“ Bei dem letzten Wort warf er Yusei einen Blick zu.
 

Dieser biss fest die Zähne aufeinander und ballte die Hände zu Fäusten.
 

„Hast du schon was gegessen?“, fragte Aki besorgt.
 

Da fiel Crow wieder ein, was er eigentlich vorgehabt hatte. „Ich hol ihm grad was!“, verkündete er, verschwand endlich in der Küche, kehrte wieder mit einer Tasse Cup Ramen und einer Kanne heißen Wassers, die er auf die Ramen gab. „Hier, in drei Minuten sind sie fertig.“
 

„Sind das MEINE Ramen...?“, fragte Jack düster.
 

Aki warf ihm einen kurzen vernichtenden Blick zu, der ihn verstummen ließ.
 

Divine bedankte sich bei Crow und nahm die warme Tasse in die Hand. „Ist es möglich, dass ich für einen Moment mit Aki unter vier Augen spreche? Wir haben uns viel zu erzählen“, fragte er betont arglos.
 

„Nein, ganz sicher nicht. Wenn es nach mir ginge würde ich sie keine zwei Meter an dich heranlassen.“
 

„Das lass ich nicht zu!“, protestierte Aki.
 

„Dann werde ich wohl dafür sorgen müssen, dass immer jemand auf euch beide aufpasst, wenn ihr unbedingt reden müsst“, entgegnete Yusei ärgerlich.
 

Aki schaute schmollend zu Divine hinüber, der versuchte etwas, das wie ein Schulterzucken aussah. „Wenn es nicht anders geht.“ Er lächelte Aki beruhigend an, und sofort schien sie sich zu entspannen.
 

Einen Moment standen sie alle da, gefangen in dieser skurrilen Szenerie, bis Divine nüchtern bemerkte: „Die Ramen sind wohl durch“ und begann zu essen. Sehr schnell. Er musste wirklich großen Hunger haben.
 

Yusei ergriff die Gunst der Stunde und nahm Aki beim Arm. „Komm mit, wir müssen reden.“
 

Sie sah Divine an, da dieser gerade kaute, nickte er nur leicht. Nur äußerst widerwillig entfernte sie sich von ihm, immer wieder Blicke zu ihm werfend. Yusei zog sie mit sich in die Küche, rief Jack und Crow zu sie sollten ja auf ihren Gast achtgeben, und schloss die Tür. Aki stand hinter ihm, gegen den Küchentisch gelehnt, Yusei hatte ihr den Rücken zugewandt.
 

„Ist dir klar, was du da tust?“, fragte er, auf einmal wieder erstaunlich ruhig.
 

Er sah Aki nicht, daher konnte er nur davon ausgehen, dass sie auf seinen Rücken starrte. Doch sie schwieg. „Hast du auch nur die leiseste Ahnung, wie gefährlich dieser Mann ist?“, fragte er.
 

„Für dich vielleicht!“, erwiderte sie schnippisch.
 

Yusei seufzte.
 

„...Entschuldige“, murmelte Aki nach einem Augenblick. „Aber... aber versteh doch, er bedeutet mir nun mal sehr viel!“
 

„Das mag ja alles sein, aber er könnte jeden von uns jederzeit angreifen! Und was er mit dir anstellen könnte, davon will ich gar nicht erst anfangen.“
 

„Was soll er denn anstellen? Ich verstehe nicht was du meinst! Er hat mir nie auch nur ein Haar gekrümmt!“ Aki wurde aufgebracht. „Er hat mir nie weh getan, er war immer nett zu mir. Verstehst du, was das bedeutet? Er war der einzige Mensch, der mich damals akzeptiert hat wie ich war!“
 

„Aber... aber er hat...“
 

„Was? Mich benutzt? Das kümmert mich nicht. Wieso sollte es auch? Die Gründe, warum er mich akzeptiert und mir ein Zuhause gegeben hat sind mir egal. Dass er es getan hat, das ist mir wichtig. Und wie er es getan hat. Er war absolut immer für mich da, er hatte immer ein offenes Ohr für mich, hat mich getröstet und... und er hat mich geliebt. Und solang er mich geliebt hat... war mir alles andere egal.“
 

Yusei hörte, dass Akis Stimme wieder belegt klang. Zweifelsohne durchlebte sie gerade wieder alte Erinnerungen, die sie am liebsten vergessen würde.
 

„Er hat dir sehr wohl etwas angetan“, meinte Yusei schließlich.
 

„Ach ja, und das wäre?“ Akis Stimme überschlug sich nun fast.
 

„Erinnerst du dich an den Tag, an dem du dich gegen Misty duelliert hast?“, fragte Yusei. Er war noch immer der Tür zugewandt und senkte nun den Kopf.
 

„Ja“, antwortete Aki, zögerte dann jedoch. „Das heißt... nicht so richtig. Irgendwie... fehlt da etwas.“
 

„Genau. Du erinnerst dich sicher, dass Divine zurückgekehrt ist.“
 

„Ja, ich wäre fast gestürzt und von einer riesigen Spiegelscherbe durchbohrt worden, doch Divine hat mich gerettet. Danach kann ich mich jedoch nur noch an wenig erinnern.“
 

„Er hat dir eine Gehirnwäsche verpasst, Aki. Er hat die Black Rose Witch in dir wieder zum Vorschein gebracht, damit du gegen Misty kämpfst.“ Damit drehte er sich um und sah Aki ins Gesicht. Sie starrte regungslos zurück, brauchte einen Moment, um sich wieder zu fassen. „Deshalb erinnere ich mich an kaum etwas...“, murmelte sie.
 

„Reicht dir das immer noch nicht, um zu begreifen, dass er nichts Gutes im Schilde führt?“, fragte Yusei ernst.
 

Doch Aki hob nur eine Augenbraue. „Genau genommen hat er mir damit geholfen, denn ich habe mich nicht getraut, gegen Misty zu kämpfen. Außerdem meintest du doch, du willst mich nicht verurteilen.“
 

Yusei biss sich kurz und wütend auf die Unterlippe. „Das ist richtig. Ich habe damals gesagt, dass ich nicht das Recht habe, dich für irgendetwas zu verurteilen. Aber damals wusste ich auch noch nicht, zu was Divine fähig ist!“
 

„Du kennst ihn doch gar nicht!“, entgegnete Aki. „Und trotzdem hattest du schon immer etwas gegen ihn.“
 

„Verständlicherweise, das einzige Mal, dass wir uns lang genug gesehen haben um Namen auszutauschen, habe ich mich in der nächsten Sekunde in einem Käfig voller Wasser wiedergefunden!“ Yusei versuchte, sich zurückzuhalten, doch die Erinnerung kam wieder in ihm hoch und schnürte ihm die Luft ab. „Verurteilen hin oder her, dieser Mann ist ein Monster!“
 

Doch das war etwas, das Yusei nicht hätte sagen dürfen, und es wurde ihm selbst einen Augenblick später klar.
 

Aki bebte am ganzen Körper vor Zorn. „Wie kannst du es wagen so etwas zu ihm zu sagen?!“, zischte sie. „Wie kannst du es wagen einen Menschen Monster zu nennen!“
 

„Sei doch vernünftig!“, versuchte Yusei sie zu beruhigen.
 

„Was ist damals eigentlich mit Divine passiert, wo wir gerade davon sprechen? Er hat mir eine Gehirnwäsche verpasst, schön und gut. Aber als meine Erinnerung wieder einsetzt, war er bereits weg und du da.“ Das Mädchen verbreitete eine unheimliche Atmosphäre. Ihre Haarsträhnen wehten im Luftzug einer nicht vorhandenen Brise.
 

Yusei schluckte. Dieser Blick war ihm nur zu bekannt, auch wenn er ihn seit langer Zeit nicht mehr gesehen hatte. Und er behagte ihm ganz und gar nicht. „Lass uns ein andermal darüber reden, Aki.“
 

„Oh nein, Yusei. Wir reden JETZT darüber. WAS ist damals passiert...? Komm schon, sag es mir! Hast du Divine umgebracht?“
 

Yusei wollte einen Schritt zurückweichen, denn Aki wirkte auf einmal viel größer als sonst, und ihre Augen glühten in einem Licht, das ihm nicht geheuer war. „Du hast keine Ahnung, was er für schreckliche Dinge gesagt hat!“, antwortete er schnell. „Er hat behauptet, du seist sein Eigentum! Er hat gesagt, du gehörst ihm!“
 

Doch Aki ließ nicht mir sich reden. „Hat er das also, Yusei. Und das ist genug, um ihn umzubringen?“
 

„Ich hab ihn nicht umgebracht, es war Mistys Jibakushin! Ich habe nur dafür gesorgt, dass Misty hört, wie er zugibt, dass er ihren kleinen Bruder Toby getötet hat! Er hat Toby getötet Aki, nicht du! Deshalb war Misty überhaupt hinter dir her!“
 

„Du hast ihn verraten!“, grollte Aki, der es inzwischen völlig egal zu sein schien, was Yusei eigentlich sagte.
 

„Ich hatte Angst! Angst um mein Leben, und vor allem Angst um dich! Wenn du dich gesehen hättest, was er mit dir angestellt hat!“
 

Das Mädchen war so außer sich vor Wut, dass sie über Yuseis Worte nicht mehr nachdachte.
 

„Aber er ist doch wieder da! Er ist wieder da, Aki!“
 

„Ja, und das willst du mir nun auch noch nehmen!“, zürnte sie.
 

„Aki, hör doch mir zu! Er wollte mich umbringen!“
 

„Dazu hätte ich momentan auch nicht schlecht Lust!“
 

Yusei presste seinen Rücken gegen die Tür. Es war genau das, was er befürchtet hatte. Aki verfiel wieder in ihre alten Muster zurück, sobald Divine da war. Und es reichte nur ein einziger Satz von ihm und sie würde wieder zu der gnadenlosen Tötungsmaschine werden, der Yusei bereits einmal die Ehre hatte, gegenüberzutreten.
 

„Divine hat versucht dich umzubringen, du hingegen bist für seinen Tod verantwortlich. Im Grunde seid ihr quitt, du und Divine. Nein, eigentlich schuldest du ihm sogar etwas!“, knurrte Aki mit einem breiten, verzerrten Grinsen auf den Lippen.
 

„Aki, beruhig dich doch“, versuchte es Yusei noch einmal, doch Aki dachte nicht daran, seiner Bitte Folge zu leisten.
 

In diesem Moment öffnete sich zu seiner großen Erleichterung die Tür hinter ihm und er wäre beinahe rückwärts aus dem Raum gestolpert, wenn dort nicht Jack gestanden und ihn aufgefangen hätte. „Was geht hier vor?“, fragte er laut.
 

Aki verengte die Augen und starrte Yusei weiter mit diesem unheimlichen Blick an. Sie sagte kein Wort, sondern rauschte nur an ihm vorbei, zurück zu Divine, um von dort aus damit fortzufahren, ihn mit finsteren Blicken zu taxieren.
 

„Was ist denn mit Izayoi los?“, fragte Jack verwirrt.
 

Yusei schaute zu Aki hinüber.
 

„Ich bleibe heute Nacht hier“, verkündete diese, und wandte den anderen den Rücken zu.
 

„Hat sie dir was getan?“, murmelte Jack, der sehr wohl wusste, wozu Aki fähig war.
 

„Nein, aber sie war kurz davor...“, erwiderte Yusei leise. „Je schneller wir diese Divine-Geschichte abgehakt haben desto besser...“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Sean
2010-11-25T02:28:25+00:00 25.11.2010 03:28
Aki: "I still wuv him!"
Yusei: "He wanted to kill me!"
Aki: "Ja, aber er hat's nicht geschafft, also sei nich so nachtragend."

Aki macht es Yusei aber auch wirklich nicht leichter.
Divine wird wohl schon noch was tun müssen, damit Yusei ihn noch mal anders anschaut als derzeit.

So, unnu... weitaaaah! =D
<3
Von:  Umi
2010-11-24T21:47:00+00:00 24.11.2010 22:47
>>Sogar Jack knurrte ihn hin und wieder an, wenn er seinen Hintern nicht schleunigst ins Bett beförderte, würde er es tun.<<
~~> Miese Anmache

>>„Nein, aber sie war kurz davor...“, erwiderte Yusei leise. „Je schneller wir diese Divine-Geschichte abgehakt haben desto besser...“<<
~~> Ich bezweifle, dass das schnell gehen wird *lol*

Joah... ich weiß nicht, was ich groß sagen soll; es war wie schon die letzten Kapitel gut geschrieben, spiegelt so ziemlich genau das wieder, was du mir bisher über die Charaktere erzählt hast... Wenn ich Fan der Serie wär, wär ich vermutlich schwer begeistert :)


Zurück