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Tabu

One Shots für Harry Potter RPGs
von

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Hye-jin I - Aurora

Er rannte. Er rannte durch leere Straßen, die nur vom schummrigen Licht der Straßenlaternen erhellt wurden. Er rannte durch den trommelnden Regen, der seine Kleidung schon komplett durchnässt hatte. Er rannte und rannte, bis seine Lungen brannten und sein Körper ihm signalisieren wollte, dass er aufhören musste – dass er anhalten musste – dass hier das Ende erreicht war. Doch er rannte weiter, mit bebenden Schultern, schwindendem Atem und der verzweifelten Gewissheit: wenn ich jetzt stehenbleibe, breche ich zusammen und stehe nicht wieder auf. Also rannte er. Taumelnd. Strauchelnd. Mit schweren Knochen und Muskeln – plötzlich im nächsten Moment wie von der Tarantel gestochen in einem Affenzahn durch das nächste Viertel, hupenden Autos, fluoreszierender Nachtluft zum Trotz. Kein Atem mehr da – er griff tiefer danach. Ihm wurde kalt, immer kälter, obwohl er so sehr rannte. Sein Atem stach milchig weiß in der Nacht hervor und verzweifelt schleppte er sich weiter, plötzlich jeder Kraft beraubt – nur noch ein paar Straßen weiter … noch nicht aufgeben …
 

„Hye-jin?“
 

Erschrockene Augen schauten auf und er bemerkte, wie sein Sichtfeld wieder verschwamm. War es der Regen, der sich in seinen Wimpern gesammelt hatte, oder die Tränen, die er seit Stunden vergoss? Oder die verfluchte Erschöpfung, die einer Welle gleich über ihm einschlug?

Er sah nur, wie die Gestalt, die seinen Namen gesagt hatte, auf ihn zu schnellte, die Arme nach ihm ausstreckte und willenlos ließ er sich fallen. Er schluchzte erleichtert auf, ging mit dem jungen Mann zu Boden und spürte, wie die eh schon durchnässte Kleidung an den Knien noch kälter wurde.

„Y—yu—yu…“

Doch mehr als Gestammel kam nicht über die zitternden blauen Lippen und woher auch immer er die Kraft nahm; er klammerte sich an den besten Freund, als würde sein Leben davon abhängen und Verzweiflung übermannte ihn derart heftig, dass die Schluchzer ihn bis ins Mark erschütterten, als er die Stirn an der warmen Schulter vergrub, die Hände ins Oberteil des Freundes krallte und sich an ihn presste, versuchte die Wärme des anderen aufzusaugen und die Kleidung Yunos mit bitteren Tränen benetzte.

Er bemerkte die Überforderung des besten Freundes nicht, der nicht wusste, wo er ihn am ehesten anfassen sollte – über den Rücken streichen? Ihn einfach nur weiter festhalten? Den Regenschirm über sie halten, den er zuvor fallengelassen hatte? Durch die nassen Haare fahren? Ihn dazu zwingen, aufzustehen? Unter die Arme greifen und ihm beim Aufstehen helfen? Sollte er etwas sagen, ihn fragen, was los war?

Yuno entschied sich dazu, Hye-jin festzuhalten; sanft platzierte er eine Hand zwischen den bebenden Schulterblättern, wisperte leise „alles wird gut“ in das Ohr des Anderen und begann, durch das nasse wirre Haar zu streicheln. Er wusste nicht, was los war, doch die Intensität mit welcher Hye-jin sich an ihn klammerte, ließ ihn wissen, dass etwas passiert war und dass er ihn jetzt weder loslassen, noch allein lassen konnte.
 

„Komm. Du musst aus dem Regen raus.“
 

„Ich … ich … kann nicht … ich kann nicht mehr …“
 

„Hye-jin. Komm. Du erkältest dich.“
 

„Er ist .. er ist weg. U—und .. und ich b-b-bin … Ma..mama ist …“
 

„Erzähls mir drin. Es ist nicht weit. Jetzt komm schon, Hye-jin, du machst mir Angst.“
 

Ruckartig schaute Hye-jin auf und in die strengen dunklen Augen. Er wollte ihm keine Angst machen, wo er doch selbst kaum vor Angst atmen konnte.
 

„Kann..kann..kann ich bei dir bleiben?“
 

Yuno lächelte zart mit Lippen, die nicht oft Zuneigung zeigten, und fing das Gesicht des Freundes mit großen warmen Händen ein.
 

„Nur, wenn du den Abwasch machst. Und jetzt komm endlich, verfluchter Mistkerl.“
 

¬¬¬

Besorgt beobachtete Yuno seinen schlafenden Freund.

Er hatte ihm Kleidung von sich gegeben, in denen er beinahe versank. Hye-jin war wesentlich schmaler und kleiner als er selbst, musste er auf den letzten Wachstumsschub doch noch warten … oder er würde eben klein bleiben, Yuno war es egal.

Nachdem sie bei ihm zu Hause angekommen waren, hatte er Ramen gemacht und Hye-jin ein Bad eingelassen, damit er sich aufwärmen konnte. Eingepackt in einen flauschigen Bademantel und mit einem selbstvergessenen Lächeln auf den Lippen, hatte er beinahe wie immer gewirkt, als sie am Esstisch gesessen und er gescherzt hatte, als hätte Yuno ihn nicht gerade heulend auf der Straße aufgesammelt. Nun, fairerweise musste man sagen, dass es nicht das erste Mal war, dass er Hye-jin hatte heulen sehen wie ein Kleinkind. Sein Freund war eben recht sensibel und neigte dazu, schnell in Tränen auszubrechen, wenn er glaubte, er sei ungerecht behandelt worden.

Aber heute fühlte es sich anders an. Ich kann nicht mehr. Yuno runzelte die Stirn und ertappte sich selbst dabei, wie er Angst hatte. Er hatte nicht nur einfach so gesagt, dass Hye-jin ihm angst machte … es war tatsächlich so gewesen, wie er nun feststellte und mit hartem Schlucken versuchte er, die lästigen und unbekannten Emotionen so gut es ging in Schach zu halten. Vorsichtig streckte er die Hand nach der Stirn des Freundes aus, doch sie war normal temperiert und erleichtert atmete er durch, auch wenn er wusste, dass seine Angst nicht daher rührte, dass Hye-jin sich erkälten könnte.

Es war die Art und Weise, wie er ihn gefunden hatte … die wenigen Worte … Er ist weg. Und die Erwähnung der Mutter … all das machte ihm sorgen; so große Sorgen, dass er nicht verhindern konnte, dass sein Herz polterte.

„Was ist nur schon wieder bei dir los, hm?“, brummte er missmutig und strich die dunklen Haare aus der Stirn seines Freundes, der sich im Schlaf instinktiv der Geste entgegen lehnte. Yuno schnalzte mit der Zunge, doch noch ehe er hätte aufstehen und weggehen können, schlang Hye-jin die Arme um seine Taille und versteckte sein Gesicht an seinem Bauch.

„Hör auf, du verfluchter Klammeraffe. Lass los.“

Yuno war diese Körperlichkeit unangenehm – sie waren beide sechzehn und während Hye-jin scheinbar noch nicht so viel mit der Pubertät zu kämpfen hatte, war sie bei Yuno in voller Blühte und Körperkontakt war mehr als ungewünscht. Er fühlte sich meistens beschissen im eigenen Körper, unwohl bei Komplimenten und unangenehm, wenn man ihn berührte.

„Ich kann nicht. Umarm mich.“

„Du verfluchter…“

„Yuyu-ah, bitte … Nur heute. Versprochen.“

Yuno seufzte und begann, die Schulter seines Freundes zu tätscheln. Mühsam kämpfe Hye-jin sich vom Sofa hoch, zog am Oberteil Yunos – „hei!“ – sodass dieser sich zurücklehnen musste um nicht vornüberzukippen und irgendwie schaffte Hye-jin es, sich umständlich in Yunos Arme zu schleichen. Mit einer Mischung aus mürrischem Unbehagen und hilfloser Zuneigung verschränkte Yuno die Hände im Rücken seines Freundes und knurrte ein ungehaltenes „nur heute!“ in das Ohr Hye-jins, der mit einem erstickten Giggeln das Gesicht noch ein wenig tiefer in der fremden Halsbeuge versteckte. „Jah. Nur heute“, versprach ihm Hye-jin leise und griff unbeholfen in den Nacken des besten Freundes, um diesen noch näher an sich zu ziehen. Es war Yuno ein Rätsel warm er Hye-jin immer seinen Willen ließ … aber vielleicht war es das Wissen, dass er es nicht leicht hatte und diese Art der Zuneigung … diese Nähe … von seiner Familie nie bekommen hatte, sie aber doch so sehr zu brauchen schien. Was interessiert es mich?!, fluchte Yuno innerlich, aber entgegengesetzt dazu, fiel er zurück und zog die Decke über sie beide. Hye-jin bettete seinen Kopf auf der Brust des besten Freundes, schlang einen Arm um dessen Hüfte und legte ein Bein über Yunos – „Hye-jin, das reicht, das ist zu nah“ – „ne, noch lange nicht nahe genug!“ – schob das Bein weiter und Yuno spürte, wie ihm die Nähe des Freundes zusetzte. Spürte, dass die Wärme eines Körpers neben ihm gewisse Auswirkungen hatte. Spürte, dass seine Hormone verrücktspielten – aber das Wissen, dass es Hye-jin war, ersparte ihm zum Glück eine Peinlichkeit. Mit einem genervten Seufzer breitete er einen Arm aus und ließ zu, dass Hye-jin seinen Kopf darauf platzierte, statt auf seiner Brust, war aber nicht darauf vorbereitet, dass dieser verfluchte flirty Bastard seine Hand direkt auf sein Herz legen würde.

In anderen Momenten hätte Hye-jin sicherlich gescherzt – mit dieser ekligen Attitüde, die man ihm nicht mal wirklich übelnehmen konnte – doch heute war er ungewöhnlich still, als er den Herzschlag des besten Freundes unruhig gegen die eigene Handfläche pochen fühlte.

„…Danke…“, murmelte Hye-jin leise und frustriert brummte Yuno. Am liebsten hätte er ihn vom Sofa und aus der Wohnung getreten, aber stattdessen legte er eine Hand auf den Hinterkopf Hye-jins.

„Halt jetzt die Klappe und schlaf. Wir reden morgen.“

Hye-jin summte etwas, das Yuno nicht verstand, das aber verdächtig nach „ich liebe dich“ klang und D A S konnte er sich nun wirklich sparen.
 

Mitten in der Nacht wachte Yuno von leisem Wimmern auf.

Verschlafen tastete er neben sich – „Hye-jin?“ – und stellte fest, dass sein Freund nicht mehr neben ihm lag. Was Erleichterung im ersten Moment auslöste, Verwirrung im Folgenden und schließlich – nach einem weiteren Wimmern – schreckte Yuno auf.

„Hye-jin?!“

Er schaute sich um und erkannte die zusammengesunkene Gestalt des besten Freundes in der Nähe des Fensters. Die Vorhänge ließen nur wenig Mondlicht hinein und Yuno seufzte genervt – „was ist denn jetzt schon wieder mit dir?“ – ehe er sich unter der Decke hervorkämpfte und zu Hye-jin rüber schlurfte.

„Geh wieder schlafen, Idiot.“

„Ich kann nicht schlafen.“

Die Brüchigkeit von Hye-jins Stimme alarmierte Yuno und sofort ging er vor ihm in die Hocke. „Was ist los?“

„Ich … ich … ich habe Angst. A—angst im .. Dun..Dunkeln. Und .. und .. es ist einfach alles zu viel, Yuno. Tut..tut mir leid. Ich will gar nicht … ich will nicht ...“

Die von gestern bekannte Angst griff kalt nach Yuno und langsam streckte er die Hand nach dem so zerbrechlich wirkenden Freund aus. Vorsichtig berührte er Hye-jins Schulter und schrak zurück, als dieser sich ohne Rücksicht auf Verluste gegen seine Brust warf. Yuno war überfordert mit der Situation – überfordert mit den Emotionen des Freundes – und gnadenlos verwirrt davon, was genau eigentlich los war. „Jinnie… Was ist los? Red mit mir.“ Sanft schloss er die Arme um ihn und wog ihn in seiner Umarmung, versuchte im zu verstehen zu geben, dass er nicht allein war, wusste aber nicht, ob das reichte.

„Mama … Mama hat So-hwa gesagt, er soll verschwinden.“

Kälte griff nach Yuno und er hielt im über den Rücken streicheln inne, ein leises „was?“ ausrufend. Er wollte Hye-jin anschauen, doch der hielt stur die Stirn gegen seine Brust gedrückt und so starrte er auf das bisschen Nachthimmel, das zwischen den Vorhängen zu erkennen war.

„Er—er geht eh in die USA. Wird ne große Nummer dort, keine Frage. Aber .. aber Mama .. sie .. sie hat ihn vor die Tür gesetzt. Sie hat gesagt, er muss gar nicht glauben, dass er wiederkommen kann, wenn er versagt. Sie geht so, SO fest davon aus, dass er es nicht schafft.“ Hye-jins Stimme zitterte.

„Ich hasse sie.“

„Hye-jin…“

„Nein. Wirklich. Ich hasse sie. Hwa wird alles schaffen, was er sich in den Kopf setzt. Hast du ihn schon mal fliegen sehen?!“

Urplötzlich zuckte Hye-jins Kopf hoch und die großen Augen funkelten in der Dunkelheit. „Er ist großartig. Keine Chance, dass er versagt. Niemals. Es gibt niemanden, der besser ist als er. Niemanden. Und sie … statt dass sie ihn unterstützt … wo soll er das Geld zum Leben hernehmen? Sie ist seine Mutter, verdammt!“

Yuno wusste nicht, was er dazu sagen sollte, auch wenn er genauso gerechtfertigte Wut wie sein Freund verspürte. Es war nicht so, dass er ein enges Verhältnis zu dessen Zwillingsbruder hatte, doch wenn man sich mit Hye-jin abgab, gab man sich auch mit So-hwa ab; und andersherum. Und daher war es Ehrensache, dass er empört, nein, WÜTEND darüber war, wie die Mutter der Zwillinge mit dem Traum des Sportlers umging.

Aber darum ging es Yuno gar nicht wirklich.

„Er geht also tatsächlich?“, horchte er leise nach und Hye-jin drehte sich in seinen Armen, lehnte den Hinterkopf gegen seine Schulter und schmuggelte sich ohne auch nur darüber nachzudenken, was er da tat, zwischen Yunos Beine. Er zupfte an seinen Handgelenken und verschränkte Yunos Hände über seinem Bauch, den Blick nun auch aus dem Fenster gerichtet.

„Jah.“

Stille fing sie beide ein und blieb wie eine langjährige Freundin, wohltuend umhüllte sie sie und nur das langsame Hellwerden des Himmels bedeutete ihnen, dass die Zeit verstrich.

„Ich werde die Schule abbrechen, Yuno.“

„Häh?“

„Mhm. UI Entertainment hat mir einen Vertrag angeboten und … wenn Hwa seinem Traum nachjagt … ich kann so nicht weitermachen. Ich kann nicht mehr tun, was sie will. Ich bin das nicht.“

Yuno schwieg, doch als er spürte, wie Hye-jin sich unter ihm verkrampfte – wahrscheinlich glaubte er, er wäre nicht auf seiner Seite oder verurteilte ihn – zog er den Kleineren enger an sich und legte mit einem Schnaufen das Kinn auf seinem Kopf ab.

„Brauchst du n Platz zum Schlafen, bis du bei der Agentur einziehen kannst?“

Er hörte ein ersticktes Schluchzen und spürte, wie Hye-jin nickte – spürte das Vibrieren seines Brustkorbs, als er das Weinen unterdrückte – und schließlich hörte er das breite Lächeln aus seiner Antwort heraus.

„Kann ich bei dir bleiben?“

„Trottel, sonst hätte ich nicht gefragt.“

Wieder schwiegen sie, als der Himmel sich von graublau in milchiges Gelb verwandelte und die Sonne erste einzelne Strahlen durch die Wolkendecke schickte.

„Aber wehe, du kommst nachts kuscheln. Dann landest du auf der Straße.“

„Yuno-aaaaah.“

„Nope. Keine Diskussion. Heute ist eine Ausnahme, wie du es versprochen hast.“

„… Ok.“

„… Hast du denn keinen Schiss im Dunkeln? Hast du doch vorhin gesagt?“

„Na. Jetzt nicht mehr. Jetzt weiß ich, dass du im Dunkeln bist.“ Hye-jin drehte sich in den Armen seines Freundes um und grinste ihn breit an und Yuno ertappte sein verfluchtes Herz dabei, wie es kurz stolperte. „Ich hatte immer Angst vor dem Sonnenaufgang und vor der Dunkelheit, aber jetzt muss ich das nicht mehr haben. Ich nenne dich ab jetzt Aurora!“

„Shut up, was soll das?!”

„Wie die Prinzessin!”, lachte Hye-jin und quietschte erschrocken, als er den sachten Schlägen des Freundes ausweichen und aus dessen Umarmung flüchten musste.

„Meine Prinzessin!“, lachte er weiter und umständlich warf er sich auf Yuno, presste ihm die Lippen auf die Wange und grinste breit, als er die Verlegenheit des Freundes spürte. Sofort nutzte er die Gelegenheit und schlang die Arme um den am Boden Liegenden, schmiegte seine Wange gegen seinen Brustkorb und genoss das polternde Herz in dessen Brust.

„Danke, Yuyu. Wirklich. Das vergesse ich dir nie.“

Yuno grummelte etwas Unverständliches, gab aber auf und umarmte Hye-jin.

„Schon gut.“

„… Aurora, die Prinzessin.“

„… Wenn du nicht aufpasst, mache ich gleich ne Prinzessin aus dir.“



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