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Color of Twilight

Time of Death and Rebirth
von

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Ilan Oren

Während er durch den Tunnel gelaufen war, hatte sich unbemerkt eine gewisse Erwartungshaltung an diese Stadt in ihm aufgebaut. Die Nachrichten hatten die Erwartungen zwar ein wenig gedämpft, dennoch waren sie noch sehr hoch gewesen – weswegen die Enttäuschung umso größer war, als er die eigentliche Stadt betrat.

Das Blau des Himmels war deutlich künstlich, hin und wieder flackerte es und zeigte damit, dass auch dies nur aus einem Bildschirm bestand.

Sein Blick schweifte über Ruinen, bei denen die Aufräumarbeiten bereits begonnen hatten und solche um die sich noch nicht gekümmert worden war. Überall standen oder saßen Leute, die sich unterhielten oder einfach nur vor sich hinstarrten.

Auch hier war die Luft abgestanden, aber immerhin war das Atmen noch möglich. Die trostlose Atmosphäre bedrückte selbst Zetsu, während er weiterlief.

Die Blicke der anderen wandten sich ihm zu, einige fragend, andere hoffnungsvoll, aber keiner sagte etwas zu ihm. Zetsu fühlte sich fast schäbig für seine Gedanken von vorhin – aber nur fast.

Über den Köpfen der Bewohner drehten seltsame Geräte ohne Flügel ihre Runden, dabei gaben sie klickende Laute von sich, die Zetsu schwer einzuordnen fielen.

„Ich habe das Gefühl, sie beobachten uns“, wisperte Nanashi. „Denkt Ihr, dass das sein kann?“

Er hob die Schultern. „Wer weiß?“

Seine Schritte lenkten ihn durch die Ruinen des Vergnügungssektors. Nirgends sah er derzeit aktive Aufräumarbeiten. Ob gerade Mittagspause war?

Von der Zeit her könnte es sicherlich hinkommen, aber irgend etwas in seinem Inneren sagte ihm, dass etwas anderes dahinter steckte.

Er verdrängte den Gedanken, als er endlich an weniger beschädigten Gebäuden vorbeikam. Er sah in eines davon hinein. Im Inneren war es dunkel, wenn man von den seltsamen Geräten absah, vor denen sich Jugendliche versammelt hatten und die neben seltsamen Geräuschen auch blinkende Lichter von sich gaben.

In anderen Welten hatte man diese Einrichtungen Spielhallen genannt, wenn Zetsu sich richtig zurückerinnerte. Hatte der ganze Vergnügungssektor etwa daraus bestanden?

Schließlich verließ er den Sektor und betrat einen anderen, der aus Restaurants und Cafés für jeden Geschmack zu bestehen schien. Hunger verspürte er keinen, weswegen er nicht lange dort verweilte und den nächsten Sektor betrat, der den Titel 1-C trug. In diesem gab es allerlei verschiedene Geschäfte, sogar Waffenläden, wie Zetsu feststellten. Ob so etwas wirklich notwendig war?

Während er an den Menschen vorbeiging, die vor den Geschäften standen und deren Auslagen bestaunten, bekam er ein Gespräch mit, das sich offensichtlich um diesen Bahadur drehte.

Er verstand den genauen Wortlaut nicht, doch das brauchte er auch nicht. Es genügte, zu hören, dass sich der Lichtbringer in Sektor 2-A befinden würde.

Dank der zahlreichen Schilder, fand er schnell den Weg dahin. Sektor 2-A trug den Untertitel Verwaltungssektor, dementsprechend befanden sich außerordentlich viele schlicht gebaute Gebäude in diesem Bereich. In den anderen Sektoren liefen allerlei verschiedene Menschen herum, doch die Leute hier waren alle fein gekleidet und schienen es eilig zu haben. Mit Aktentaschen unter den Armen huschten sie von einem Haus zum Nächsten, ohne jede Intention, anzuhalten.

Sie waren sogar zu beschäftigt, um Zetsu misstrauische Blicke zuzuwerfen, was dieser gut fand.

Allerdings wusste er so auch nicht, wo er Bahadur finden sollte, also musste er wohl oder übel einen dieser geschäftig aussehenden Männern aufhalten.

Mehrere Minuten stand er einfach nur da und beobachtete die Vorbeikommenden, bis er einen sehen würde, bei dem er das Gefühl hatte, ihn ansprechen zu können.

Tatsächlich fand er so einen.

Der schlaksige Mann trug einen klassisch aussehenden meeresblauen Anzug, dessen Gehrock ihm bis zu den Knien reichte. Auf seinem Kopf thronte ein Zylinder, mit dem er sein ergrautes Haar zu verstecken versuchte. Sein von Falten gezeichnetes Gesicht beherbergte eine krumme Nase, auf der eine drahtige Brille balancierte, die hellblauen Augen dahinter glitzerten. Seine knochigen Finger trugen eine abgewetzte Ledertasche, die auch schon bessere Zeiten gesehen hatte. Mit seinen langen Beine machten er große Schritte, ansonsten schien er es nicht eilig zu haben.

Ja, diesen Mann könnte er sicherlich kurz aufhalten und nach Bahadur fragen.

Zetsu trat vor ihn und verbeugte sich höflich. „Verzeihen Sie meine Unhöflichkeit. Ich würde Sie gerne etwas fragen.“

Der Mann blieb stehen. Er schob seine Brille zurecht und musterte Zetsu. Diesem war das im Gegensatz zu sonst absolut nicht unangenehm. Wer immer dieser Mann war, von ihm ging keinerlei Gefahr aus.

„Worum geht es?“, fragte er mit näselnder Stimme.

„Ich suche nach einem Mann namens Bahadur, der zu den Bringern des Lichts gehört“, erklärte Zetsu.

Für einen Moment glaubte er, er müsste erklären, weswegen er den Lichtbringer suchen würde, doch der Mann antwortete ohne eine derartige Gegenfrage zu stellen: „Sir Bahadur wird sich im Rathaus befinden. Dort sitzt er oft mit dem Bürgermeister zusammen, um Pläne zu schmieden. Ich kann Sie hinbringen, wenn Sie wollen.“

Zetsu verneigte sich noch einmal. „Vielen Dank.“

„Es gibt nichts zu danken, junger Mann.“

Nebeneinander schlugen sie den Weg zum Rathaus ein – zumindest hoffte Zetsu es, da er sich in diesem Sektor absolut nicht zurechtfinden konnte. Jedes Gebäude schien dem anderen bis auf den letzten Stein zu gleichen. Es hätte ihn nicht gewundert, wenn auch das Innere bis zum letzten Nagel in der Wand in jedem Gebäude absolut exakt gleich war.

Wie sich diese geschäftigen Menschen zurechtfinden konnten, war ihm ein Rätsel. Doch vielleicht taten sie das auch gar nicht und huschten deswegen so geschäftig umher.

Zetsus Blick fiel auf die Aktentasche des Mannes, er neigte den Kopf. „Müssen Sie nirgendwohin?“

Ohne ihn anzusehen wurde die Frage mit einem Kopfschütteln beantwortet. „Ich habe kein festes Ziel, dementsprechend muss ich nirgendwohin.“

Das macht Sinn.

„Aber warum laufen Sie dann hier herum?“, fragte Zetsu, dem das Verhalten komisch vorkam.

„Da ich kein festes Ziel habe, ist es egal, wo ich laufe, nicht wahr?“

Das auch. Vielleicht ist der Arme ja schon vom Alterswahnsinn befallen.

Der Silberhaarige deutete auf den Aktenkoffer. „Und was ist dort drin?“

Die Mundwinkel des Mannes hoben sich leicht. „Sie sind ein neugieriger Junge, nicht? Nun, das ist gut, immerhin ist Neugier ein Zeichen gesunder Jugend. Oder nicht?“

„Ich weiß es nicht“, erwiderte Zetsu.

Ein Schmunzeln erschien auf dem Gesicht seines Begleiters, verblasste aber sofort wieder. Die Frage nach dem Inhalt des Aktenkoffers blieb unbeantwortet. Aber Zetsu musste zugeben, dass es eine sehr persönliche Frage gewesen war.

„Wie finden Sie sich hier zurecht?“, wollte der Silberhaarige stattdessen wissen.

Noch einmal konnte er ein Schmunzeln sehen. „Das tue ich nicht. Aber solange ich zuversichtlich bin, mein Ziel zu erreichen, geschieht es auch irgendwann.“

Sagte er vorher nicht, dass er kein Ziel hätte?

Seine Gedanken waren anscheinend ein offenes Buch für den Mann oder die Verwirrung war ihm derart deutlich ins Gesicht geschrieben, dass sein Begleiter tatsächlich reagierte: „Oh, nur weil ich kein großes Ziel habe, heißt das nicht, dass es nicht viele kleine Ziele am Wegesrand geben kann. Im Moment ist mein Ziel, dich zum Rathaus zu bringen.“

So hatte Zetsu es noch nie gesehen. Seit vielen Jahren schon folgte er nur einem großen Ziel. Dass er dabei viele Kleine bereits erreicht hatte, war ihm vor lauter Frustration über das weit entfernte Große nie aufgefallen.

Möglicherweise war es Schicksal, dass er diesen Mann getroffen hatte, um das zu lernen.

Schmunzelnd verwarf er den Gedanken sofort wieder. An das Schicksal glaubte er seit seiner Begegnung mit Isbel nicht mehr und er würde auch nicht mehr damit anfangen.

Auch diesmal schien sein Begleiter genau zu wissen, was ihn gerade beschäftigte: „Es ist nicht verkehrt, an das Schicksal zu glauben, junger Freund.“

„Und wie soll das aussehen?“, fragte Zetsu. „Irgendjemand muss doch aufpassen, dass nicht alles durcheinander gerät, oder?“

Er erwartete keine Antwort, aber dennoch kam eine: „Da hat wohl jeder Mensch seine eigene Vorstellung. Ich für meinen Teil stelle mir gern eine Frau in einer riesigen Bibliothek vor – und jedes Buch darin handelt vom Leben eines anderen Menschen.“

„Lächerlich“, urteilte Zetsu abfällig. „Wie soll eine einzelne Frau denn all diese Schicksale verwalten?“

Sein Begleiter warf ihm einen Seitenblick zu. Zetsu verspürte den Impuls, sich für seine Tonart entschuldigen zu müssen, doch er tat es nicht. Stattdessen sah er stur weiter nach vorne.

Der Mann seufzte. „Der Glaube an Magie kann vieles bewirken. Auch einer einzelnen Frau helfen, all diese Arbeit zu erledigen.“

Zetsu zuckte schroff mit den Schultern. „Kann sein. Was solls? Ich glaube ohnehin nicht daran.“

Seufzend schüttelte der Mann seinen Kopf. „Versteh einer diese Jugend. An nichts glaubt sie mehr und hinterfragt auch nicht mehr fühlt sich aber immer früher reif und erwachsen.“

Langsam bereute Zetsu es, diesem Mann begegnet zu sein. Hoffentlich sind wir bald beim Rathaus. Ich halte das nicht mehr lange aus.

„Verzeih“, sagte der Mann schließlich. „Ich bin überzeugt, dass du deine Gründe für deinen Glauben hast. Diese sollte ich nicht hinterfragen.“

„Es tut mir Leid, dass ich so über Euren Glauben geurteilt habe“, entschuldigte Zetsu sich schließlich doch noch.

Der Mann lächelte wieder. Unvermittelt blieb er stehen, was Zetsu ihm direkt nachtat. Das Gebäude, vor dem sie sich befanden, besaß nur einen, nicht wirklich signifikanten Unterschied zu den anderen in diesem Sektor: Neben der Tür war eine unscheinbare, kleine Glocke angebracht, an der man mittels einer Schnur klingeln konnte.

Sie wäre Zetsu nie aufgefallen, wenn sein Begleiter ihn nicht direkt vor das Haus geführt hätte.

Er verneigte sich wieder vor dem Mann. „Vielen Dank, dass Sie mich hergeführt haben. Sie haben mir einen großen Dienst erwiesen.“

„Keine Ursache. Das Gespräch mit dir war sehr unterhaltsam, ich habe zu danken.“

Der Herr verneigte sich ebenfalls kurz. „Oh, falls Sie auf Ihrer Reise einem kleinen Jungen mit einer Vorliebe für Magie begegnen, richten Sie ihm bitte Grüße von seinem Großvater aus.“

„Natürlich.“

Wenngleich Zetsu ohnehin nicht glaubte, einem solchen Jungen jemals zu begegnen.

Noch einmal verneigte der Herr sich, tippte sich an die Hutkrempe, dann schlenderte er wieder davon.

„Ein sehr seltsamer Mann“, meinte Nanashi, die plötzlich wieder auftauchte. „Woher wusste er, dass Ihr auf einer Reise seid, Meister?“

Zetsu nickte zustimmend. Die Frage hatte er sich ebenfalls gestellt, aber vermutlich lag der Grund irgendwo weit jenseits seiner Vorstellung und seinem Wissen. „Immerhin hat er mir geholfen.“

Er trat an die Tür und versuchte diese zu öffnen – doch sie gab keinen Millimeter nach. Seufzend betätigte er die Glocke. Ihr kümmerliches Klingeln gab ihm nicht sonderlich viel Hoffnung, dass jemand ihn hören würde, aber tatsächlich öffnete sich eine Klappe in der Tür. Ein finster aussehender Mann sah heraus. „Was gibt’s?“

„Ich möchte gerne mit Sir Bahadur sprechen.“

Im ersten Moment konnte Zetsu sich das Grinsen des Mannes nicht erklären, doch als ihm wieder einfiel, dass er wie der totgeglaubte Jacob West aussah, war es bereits zu spät. Die Klappe wurde wieder geschlossen, die Tür selbst dafür entriegelt und schließlich einladend geöffnet.

Ohne weitere Einladung trat Zetsu ein. Das Innere strafte dem äußeren Anschein Lügen: Er fand sich in einem finsteren, fensterlosen, quadratischen Zimmer wieder.

Die einzige Lichtquelle stellte eine Lampe auf dem Schreibtisch. Doch Zetsu empfand die Dunkelheit außerhalb des dämmrigen Lichtkreises als umso finsterer und bedrohlicher. Eigentlich schon fast ein Witz, wenn man bedachte, dass sein schwarzes Mana ihm die Kraft der Finsternis verlieh.

Der Mann hinter dem Tisch wirkte viel zu ungelenk und unscheinbar, um ein Shinkenträger zu sein, also war er schon mal kein Lichtbringer.

„Oh, Mr West“, quietschte der Mann erschrocken. „Wir haben uns lange nicht gesehen. Ich bin froh, zu sehen, dass es Ihnen gut geht.“

„Sicher doch...“, meinte Zetsu unbeeindruckt. „Ich suche nach Bahadur und habe gehört, dass er hier ist. Also, wo ist er?“

Die Blicke des Mannes gingen in die Dunkelheit, aber Zetsu konnte nichts erkennen, nicht einmal, wenn er konzentriert ins Schwarze starrte. Schulterzuckend wandte er sich wieder an den Mann, der ebenfalls die Schultern hob. „Ich wüsste nicht, warum ich es Ihnen sagen sollte, Mr West. Sie sollten doch wissen, dass meine Loyalität gegenüber den Bringern des Lichts ungebrochen ist.“

„Wie dumm“, erwiderte Zetsu. „Soll ich mir diese Information etwa mit Gewalt holen?“

„Das musst du nicht“, hörte er eine Stimme hinter sich.

Der Silberhaarige fuhr herum, aber offensichtlich nicht schnell genug. Er spürte einen schweren Schlag gegen seinen Hals, dann wurde auch das wenige Licht im Zimmer zu Dunkelheit, als er sein Bewusstsein verlor und zu Boden stürzte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  LeanaCole
2009-12-19T15:03:24+00:00 19.12.2009 16:03
Zuerst, muss ich zugeben, fand ich das Kapitel ziemlich langweilig. Aber dann, als Fuus Großvater aufgetaucht ist, fand ich es richtig cool :D
Das Gespräch zwischen ihm und Zetsu fand ich einfach nur interessant und auch gut gemacht. Ehrlich :3
Und natürlich fand ich Anspielung auf Charna und ihre Bibliothek einfach klasse :D

Am Ende musste ich ja mit dem Kopf schütteln. Zetsu ist ja so unvorsichtig. Kein Wunder, dass er erwischt wurde. Tss, tss XD


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