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Sorrow and Pain

von

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First fight

Uruhas Nacht war unruhig. Immer wieder träumte er wirres Zeug, was er nicht zu deuten wusste. Bunte Schlieren tanzten vor seinen Augen und lachende Gesichter tauchten auf. Uruha wimmerte leise. Dann jedoch drückte Kai seine Hand während des Schlafens fester und er beruhigte sich ein wenig. Die Träume lösten sich auf und ließen ihn ruhig weiterschlafen, ohne jegliche Alpträume.

Am nächsten Morgen kam eine der Schwestern ins Zimmer herein und fand die beiden immer noch Händchen haltend vor. Sie schmunzelte leicht, dennoch musste sie Kai wecken. Sie brauchten das Bett für einen anderen Patienten. Sie ging auf ihn zu, löste die beiden Hände vorsichtig voneinander und stupste Kai sachte an.

"Uke-San? Wachen Sie bitte auf."
 

Verstört blinzelte er und rieb sich die Augen. "Ano... Ohayou...", murmelte er. So ganz verstand er nicht, was los war, doch schon wurde er etwas unsanft vom Bett gezogen und auf einen Stuhl verfrachtet. Verschlafen schaute er dabei zu, wie sein Bett gerade den Raum verließ. Jetzt war er verwirrt. Gut, dann würde er sich eben etwas anderes zum Schlafen suchen. Es war doch noch viel zu früh, um aufzustehen. Und so zog er den Stuhl zu Uruhas Bett hinüber, griff nach seiner Hand und legte den Kopf einfach auf das Bett ab. Das war zwar nicht sehr bequem, aber immerhin konnte er so noch ein wenig weiterschlafen. Er war doch noch so verdammt müde.

Und jetzt war es ihm auch egal, dass sie ihm das Bett förmlich unter dem Hintern geklaut hatten. Selig schlummerte er wieder ein.
 

Uruha spürte schwach, wie jemand seine Hand nahm und sie sanft streichelte. Dann spürte er ein leichtes Gewicht neben sich und seine Augenbrauen zogen sich zusammen. Er wollte die Augen jetzt nicht aufmachen. Irgendwie hatte er Angst, dass er Kai dann nicht vorfinden würde, sondern irgendeine andere Person. Was, wenn Kai doch gegangen war? Er erzitterte leicht, dann machte er jedoch trotzdem die Augen auf. Die Neugierde hatte gesiegt.

Seine Augen öffneten sich einen kleinen Spalt und blickten neben sich. Er erkannte verschwommen Kais Kopf, welcher auf seinem Bett lag und bemerkte, dass er es war, der seine Hand hielt. Müde schloss er die Augen wieder und bewegte seine Finger ein wenig, um Kai aufzuwecken.

"Kai...? Hey...", nuschelte er, da er noch nicht lauter sprechen konnte.
 

Doch Kai hörte ihn gar nicht. Er war einfach zu müde und dass er Uruhas Hand halten konnte, beruhigte ihn noch mehr. Und so schlief er selig weiter und nur sein leiser Atem verriet, dass er noch da war. Sonst herrschte Stille im Raum, die lediglich durch Uruhas leise Versuche durchbrochen wurde.

Immer wieder drückte er fest die Hand, wenn sie sich in seiner bewegte. Es war schön zu wissen, dass er hier war und scheinbar wirklich lebte. Hatte er also doch nicht nur geträumt. Es war wirklich so.

Kleine Tränen schlichen sich aus seinen Augenwinkeln. Doch es waren keine Tränen der Trauer sondern der Freude. Die Freude darüber, dass sein Freund da war und ihn nicht einfach alleine zurückließ.

"Ruha...", nuschelte er nur.
 

Uruha wimmerte leise und versuchte, Kais Hand fester zu drücken. Das konnte doch nicht wahr sein. War Kai etwa so müde, dass er nicht aufwachen wollte? Aber er war doch wach und wollte Kai so gerne danken, dass er ihn gerettet hatte. Ohne Kai wäre er jetzt vielleicht tot. Uruha erinnerte sich wieder daran, was gestern Nacht geschehen war. Er erschauderte und schluchzte leise auf. Der Kerl hatte versucht, ihn umzubringen. Wirklich umzubringen. Wenn Kai nicht gewesen wäre, wäre er jetzt tot.

"Kai... Wach bit... bitte auf...", schluchzte er leise und drückte so fest zu, wie er im Moment konnte.
 

Kais Lider flatterten. Doch so richtig wach werden wollte er noch nicht. Deshalb hielt er die Augen auch weiter geschlossen und grummelte nur leise vor sich hin. "Noch fünf Minuten, Okaa-san.", stammelte er und schmatzte dann leise vor sich hin. Sein Kopf drehte sich dabei zur Seite und das Gesicht wandte er so Uruha zu. Dennoch blieben die Augen geschlossen. Es war viel zu schön, um jetzt einfach so aufzuwachen. So sollte es immer bleiben. Uruha in seiner Nähe. Das war so schön.
 

Uruha hickste leise und verfluchte sich selbst für seine Schwäche. Wieso musste er auch immer gleich heulen? Er sollte sich mal wie ein erwachsener Mann benehmen. Das war ja schon peinlich. Aber Kai wachte auch einfach nicht auf. Er wollte sich doch so gerne bei ihm bedanken. Das war das Einzige, was er jetzt wollte. Aber das konnte er nicht tun, wenn Kai weiterhin schlief.

Uruha wimmerte leise auf und kniff die Augen zusammen. Ihm tat der Kopf weh und der restliche Körper ebenso. Er versuchte, sich ein wenig anders hinzulegen, doch das klappte auch nicht. Verdammt. Er konnte aber auch gar nichts richtig machen. Das war wirklich zum Heulen. Einfach nur schrecklich.
 

Durch die ruckelnden Bewegungen des Bettes kam er so langsam zu sich. Doch er murrte noch mehrmals, bevor er dann doch die Augen langsam öffnete. Schnell schloss er sie wieder, denn das grelle Licht im Zimmer blendete ihn. "Mann...", maulte er und hielt sich eine Hand vor die Augen, um sie dann doch wieder zu öffnen.

Nur langsam gewöhnten sie sich an die Helligkeit und er gähnte ausgiebig, bevor er die Hand des anderen losließ und sich streckte. Erst dann schaute er dem anderen direkt ins Gesicht.

"Ohayou, Ru-chan.", begrüßte er ihn und gähnte abermals hinter vorgehaltener Hand. Irgendwie hatte er noch immer nicht bemerkt, dass man seine Wunde noch immer nicht behandelt hatte. Noch immer klebte das Blut auf seiner Haut und zierte den Kragen seines Shirts.
 

Kami-Sama! Endlich hatte sich Kai mal erbarmt und war aufgewacht. Hatte ja auch lang genug gedauert. Ein zaghaftes Lächeln umspielte Uruhas Lippen, als er vorsichtig nach Kais Hand griff und sie wieder schwach drückte.

"'Hayou... Kai...", murmelte er leise. "Gut geschlafen...?"

Er wurde leicht rot, als er realisierte, dass Kai ihn soeben mit -Chan betitelt hatte. Das war ja irgendwie richtig süß von ihm. Durfte er das dann vielleicht auch...?

"Kai-Chan..."
 

„Hai?", machte er nur und streckte sich ein weiteres Mal. Dabei knackten seine Knochen ein wenig. Diese Schlafhaltung war alles andere als bequem gewesen. Aber er war auch schon schlimmeres gewohnt. Also war das hier ja noch ein Zuckerschlecken gewesen.

"Wie geht´s denn unserem Sorgenkind heute? Siehst auf jeden Fall schon mal etwas lebendiger aus.", grinste er und streichelte mit seinem Daumen über Uruhas Hand. Dann seufzte er.

"Mit unserem Ausflug wird es ja nun leider nichts, aber das holen wir einfach nach. Was meinst du? Hauptsache du wirst wieder fit."
 

"Geht so... Mir tut alles weh... aber... sonst is alles... ganz gut...", nuschelte er leise und schloss seine Augen wieder.

Es tat ihm so furchtbar leid, dass Kai jetzt nicht zu seiner Mutter konnte und die freien Tage alleine verbringen musste. Das hatte er nicht verdient und Uruha hatte ja auch nicht gewollt, dass das passierte. Trotzdem tat es ihm furchtbar leid.

"Gomen nasai... wegen mir... kannst du jetzt nicht... zu deiner Mutter.... Gomen... und... ich wollte dir... danken..."
 

Kai legte die Stirn in Falten und schaute ihn etwas entgeistert an. "Sag mal... Aber sonst geht es dir gut, hai?" Er strich ihm ein paar Strähnen aus dem Gesicht. "Meinst du, das is wichtig? Mann, meine Mutter seh ich nicht nur einmal im Jahr. Die kann gut und gerne auf mich verzichten. Und danken brauchst du mir nicht. Hätte ich besser aufgepasst, würdest du jetzt hier nicht liegen müssen und hättest garantiert auch weniger Schmerzen.", grummelte er. Uruha hatte also keinen Grund, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. "Du werd gesund. Den Rest überlebe ich schon. Und so wichtig is es nicht mit den freien Tagen. Die verschieb ich einfach und geh dann wieder arbeiten. Dann nehmen wir eben eine andere Woche. Läuft ja nicht weg. Aufgeschoben is ja nicht aufgehoben, ne?", grinste er und zeigte zum ersten Mal sein freches Grübchen.
 

"Ano... Hai... Ich hab gedacht, dass es dir... wichtig ist... gomen nasai... ", er hickste kurz traurig auf und rieb sich müde über seine Augen. Er war noch nicht auf der Höhe. Von einem Moment auf den anderen fühlte er sich wieder schlapp und ausgelaugt. "Gomen... Ich wollt doch so gerne mal... mit dir mitkommen und..."

Dann versagte seine Stimme und er sah weg. Er benahm sich wirklich gerade wie ein Kleinkind. Er wollte nicht wissen, was Kai jetzt von ihm hielt.
 

Kai stützt sich mit den Armen neben Uruhas Körper auf der Matratze ab und kam seinem Gesicht ein Stück näher. Ziemlich nah. Ein breites Lächeln lag auf seinen Lippen und er schaute ihm tief in die Augen. Dann rieb er seine Nase an der seines Gegenübers. Er wollte ihn ein wenig necken.

"Ach was, das ist nicht so wichtig wie deine Gesundheit. Und es läuft ja auch nicht weg oder? Wir sind doch Freunde und da werd ich dich doch trotzdem mitnehmen dürfen. Davon wird mich keiner abhalten. Dann kannst du auch mal im Meer baden, wenn du das noch nie gemacht hast.", kicherte er und wich dann wieder ein Stück zurück.

"Ich werd mal mein Shirt auswaschen gehen. Sehe ja aus, als wär mir sonst was passiert." Spontan zog er sich das Shirt über den Kopf und stand nun nur noch in seiner engen Boxershorts im Raum. Uruha hatte er den Rücken kurz zugewandt.
 

Auf Uruhas blassen Wangen erschien eine fast schon unangenehme Hitze und er wusste, dass er gerade feuerrot wurde. Eben noch stupste Kai seine Nase mit seiner eigenen an und nun zeigte er ihm auch noch seine nicht gerade unansehnliche Rückenansicht. Uruha schluckte. Kais Po sah wirklich ziemlich... knackig aus.

Okay, jetzt wusste er auf alle Fälle, dass er schwul war. Das war für einen Hetero nicht normal.

Sofort schloss er die Augen und sah weg. Das hielt er nicht aus.
 

Auf nackten Füßen tapste er durch den offenen Raum auf der Suche nach einer Toilette, wo er sein Shirt waschen konnte. Dabei schien er mächtig Aufsehen zu erregen, denn sämtliche Blicke folgten ihm. Aber was wollte er denn machen? In dem Zimmer gab es nun mal keine Möglichkeit, sein Shirt zu waschen und das brauchte dringend mal ein Bad, damit man sich das auch wieder mal überziehen konnte. So ging das ja mal gar nicht. Das sah aus, als wäre er abgeschlachtet worden.

Dann sprach er einfach mal jemanden an, denn er fand einfach nichts, wo er sein Shirt mal auswaschen konnte.

"Ano... Entschuldigen Sie, gibt es hier irgendwo eine Möglichkeit, dass ich mal mein Shirt auswaschen kann." Er hielt es der Schwester demonstrativ unter die Nase. Etwas entsetzt sah sie erst auf das Shirt und dann zu ihm auf. Sie war ein kleines Stück kleiner als er. Dann schien sie etwas entdeckt zu haben, denn sie hob die Hand und legte sie ihm an den Hals. "Sind Sie okay?", fragte sie ihn. Kai nickte. "Hai. Ist noch von gestern, aber ich denke mal, ich werd´s überleben...", grinste er. Doch plötzlich wurde er an der Hand gepackt und mitgezogen.

"Ano... Was..." Und schon saß er auf einem Stuhl in einem der Schwesternzimmern und wurde untersucht. So hatte er sich das aber nicht vorgestellt.
 

Kaum, dass sich Uruha versehen hatte, war er auch schon wieder alleine im Raum. Na toll. Was sollte das denn werden? Hatte Kai etwa kein Schamgefühl? War er da eben etwa wirklich halbnackt aus dem Zimmer gelaufen auf der Suche nach einer Waschmaschine. Uruha schloss resigniert die Augen. Das durfte ja wohl nicht wahr sein. Der erschreckte doch die armen Krankenschwestern. Wirklich. Da würde er nachher noch mit Kai ein ernstes Wörtchen reden müssen. So ging das ja nun wirklich nicht.
 

Kai wurde erst einmal ordentlich von den Blutresten befreit, bekam noch eine Spritze, um einer Entzündung vorzubeugen und man nahm ihm auch gleich das dreckige Shirt ab. Und schon bekam er von der Schwester ein Shirt in die Hand gedrückt, mit der Bitte, nicht halbnackt durch die Station zu laufen.

Ups... Daran hatte er nun wirklich nicht gedacht. "Gomen nasai...", entschuldigte er sich und schlüpfte schnell in das Shirt. Es war ziemlich groß und verdeckte so auch sein Hintern sehr gut. Musste wohl eines von dem hiesigen Pfleger sein, der da hinten langlief. Der war bestimmt zwei Meter groß.

Komplett verarztet und mit einem dicken Pflaster am Hals marschierte er wieder grinsend zu Uruha zurück ins Zimmer.

Lächelnd hob er die Hand zum Gruß. "Da wär ich wieder."
 

Uruha schob seine Lippe vor und sah Kai vorwurfsvoll an. Er sah zwar sehr niedlich aus, wie er da in diesem übergroßen Hemd stand, aber trotzdem war er sauer auf ihn. Der konnte doch nicht einfach so mir nichts, dir nichts aus dem Zimmer verschwinden und halbnackt durch die Intensivstation rennen. Das ging doch nicht!

"Kai... Du bist doch doof...", nuschelte er leise und sah ihn schmollend an. Seine rehbraunen Augen schauten zu Kai hinauf. "Läufst einfach so... halbnackt durch die Gegend..."
 

Verlegen schaute er zu Boden und spielte am Saum seines Shirts. Uruha hatte ja Recht, aber daran hatte er eben einfach nicht gedacht. Vorsichtig schaute er mit treudoofen Augen hoch und lächelte ihn an. "Gomen..." Noch immer spielten seine Finger am Shirt. "Hab das nicht mit Absicht gemacht.", beteuerte er. Er war nun mal ein kleiner Schussel und vergaß ab und an einfach mal ein paar Sachen. Außerdem war es ja nicht so, dass die Schwestern hier nicht schon öfter Männer mit freiem Oberkörper gesehen hätten. Die meisten hatten bestimmt schon viel mehr gesehen, wenn sie die Patienten wuschen, weil diese es selbst nicht mehr konnten. Also war es doch nicht schlimm. Solange er nicht nackt war?

Dann grinste er. "Na ja, wenigstens bin ich nur halbnackt rumgelaufen und nicht ganz nackt."
 

Er seufzte leise und blickte Kai immer noch aus vorwurfsvollen Augen an. Gottchen. Das war doch jetzt nicht Kais Ernst oder? Er hatte das nicht mit Absicht gemacht? Was war das denn gewesen? Wie konnte man sich denn nicht mit Absicht selbst ausziehen und dann nicht mit Absicht durch die Gänge laufen? Da wollte Kai ihn aber gewaltig verkackeiern. Aber nicht mit ihm. Auch, wenn er jetzt nicht so ganz auf der Höhe war, so wach war er.

"Red keinen Quatsch...", nuschelte er. "Komm lieber wieder zu mir und hilf... mir mal... Ich will mich... hinsetzen..."
 

Kai zog eine Schnute. Uruha schien ihm nicht zu glauben. Beleidigt verschränkte er die Arme vor der Brust. Wie ein kleines bockiges Kind stand er jetzt vor ihm und schmollte. Wenn er ihm nicht glaubte, hatte er eben Pech, aber es war wirklich so. Kai war und blieb ein Schussel. Durch und durch.

Er war auch nicht immer der, der an alles dachte.

"Ich bin nicht der erste Mann, den die zu Gesicht bekommen haben. Wer weiß, was die von dir schon alles gesehen haben.", holte er zum Gegenschlag aus.
 

Uruhas Mund klappte auf. Verdattert blickte er Kai an, ehe er realisierte, was der andere ihm da eben an den Kopf geworfen hatte. Was?! Was sollte das denn nun schon wieder heißen? Was sie von ihm schon gesehen hatten? Gar nichts! Sicherlich nicht... Oder?

Schluckend hob er leicht die Decke an und erschrak. Er lag hier nur mit einem kurzen Krankenhaushemdchen bekleidet da. Die hatten ihm doch aber die Unterhose angelassen oder? Er bewegte sich ein wenig, sodass das Hemd ein wenig hochrutschte und ihm stockte der Atem. Nein. Keine Unterhose.

"Ich bin nackt...", murmelte er erschrocken und wurde bleich.
 

Lachend hielt sich Kai den Bauch. "Hahahaha.", lachte er und zeigte mit dem Finger auf Uruha. "Siehste! Da hab ich doch echt Schwein gehabt, dass ich wenigstens ne Unterhose anhatte." Das geschah ihm jetzt recht. Da hatte er sich eben ordentlich ein Eigentor geschossen.

"Hab´s dir ja gesagt. Und ich hab mich doch noch benommen. Schlimmer wäre es gewesen, wenn ich nackt durch die Station marschiert wäre. Aber das hab ich nich gemacht, weil ich ja noch Leben wollte. Das wär ja sowas von peinlich gewesen."

Grinsend ging er auf seinen Stuhl zu und schnappte sich seine Hose. Schnell schlüpfte er hinein. Dann kam er wirklich auf Uruha zu, wie dieser es von ihm verlangt hatte. Doch noch immer musste er kichern.
 

Als Kai sich neben ihn setzte, zog er sich die Decke sofort bis zum Kinn hoch und schaute betreten auf seine Hände. Knallrot im Gesicht schluckte er. Das durfte doch jetzt wohl nicht wahr sein! Er hielt Kai hier Vorträge, von wegen er solle sich vor den Krankenschwestern nicht entblößen und selbst war er von ihnen schon splitterfasernackt gesehen worden. Das war... sowas von... megapeinlich!

"Hör auf, zu lachen... Das ist nicht lustig... Peinlich...", nuschelte er leise und konnte nicht verhindern, dass ihm Tränen die Wangen hinab liefen. So gut er sich erinnern konnte, hatte ihn noch nie jemand nackt gesehen. "Mann..."
 

Verwirrt schaute er ihn an. Wieso weinte er denn jetzt?

"Hey..." Er beugte sich vor und zog ihm die Decke ein Stück weg. Dann legte er ihm eine Hand an die Wange. "Nicht weinen. Warum auch? Du hast doch einen schönen Körper. Die werden dich höchsten ordentlich angegafft haben.", grinste er und hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn. "Du musst dich dafür nicht schämen. Echt nicht." Ein wenig wollte er ihn doch wieder aufbauen. Es gab schließlich keinen Grund, warum er weinen sollte. Außerdem gehörte das doch zu dem Job der Schwestern. Vielleicht hatte es ja auch einer der Pfleger gemacht. "Wenn es dich tröstet, ich wurde eben auch von einer Schwester verarztet. Und die war nicht so hübsch wie die, die sich um dich kümmern. Und ich beschwer mich auch nicht."
 

"Aber... Aber du wurdest nicht ganz nackt gesehen... Das ist so peinlich... Und woher... woher willst du wissen, dass ich einen... hübschen Körper habe? Hab ich nicht... Sagen doch alle... bin viel zu dünn und knochig... sagst du auch... also hör auf, sowas zu sagen..."

Er hickste leise auf und wischte sich vorsichtig die Tränen aus dem Gesicht. Heulen war ja jetzt eigentlich wirklich überflüssig. Er war um die 20 Jahre alt. Da musste er ja nicht mehr weinen. Auch, wenn es wirklich sehr peinlich war, wenn ihn jemand nackt sah.
 

Erneut zog er eine Schnute. Wenn Uruha es nicht anders wollte, dann musste er eben zu drastischeren Mitteln greifen.

Ruckartig zog er ihm die Decke weg. "So, jetzt hab ich dich auch gesehen. Und was is daran so schlimm? Guckt dir doch keiner was weg. Außerdem bist du hübsch, egal ob nun nackt, halbnackt oder angezogen. Nun sei nicht so. Ich find dich wirklich hübsch." Und mit dieser Predigt legte er wieder vorsichtig die Decke über den anderen und streichelte ihm erneut über die Wange. "Es ist völlig egal, was andere von dir denken. Solange du dich so magst, wie du bist, ist alles in Ordnung."
 

Erschrocken fiepte Uruha auf, als Kai ihm plötzlich einfach so die Decke wegzog. Immer noch war das Hemd leicht hochgerutscht und bot einen kleinen Einblick auf seinen Intimbereich. Er hörte gar nicht wirklich, was Kai ihm da sagte, sondern starrte ihn einfach nur entsetzt an. Das durfte doch jetzt nicht wahr sein. Das hatte er nicht wirklich gemacht... Nein...

"Du...", fauchte er leise und zeigte auf die Tür. "Raus... Hau einfach ab, okay...? Das hast du nicht umsonst gemacht... Geh..."

Jetzt war er wirklich wütend auf Kai. Er konnte ihm doch nicht einfach so die Decke wegziehen. Das war seine Privatsphäre.
 

Kai schluckte. Ups... War er womöglich doch zu weit gegangen? Scheinbar, denn Uruha sah ziemlich sauer aus und auch seine Stimme klang alles andere als begeistert. Was hatte er denn gemacht? War das so schlimm? Sie waren doch beide Männer. War es da so schlimm, wenn man den anderen einfach mal halbnackt sah? Eigentlich doch nicht oder? Und irgendwie begriff er das auch nicht so wirklich.

Er seufzte nur und senkte dann den Kopf. Mit hängenden Schultern drehte er sich um und ging. Uruha hatte ihn weggeschickt. Gut, dann würde er auch gehen. Konnte er ja auch nicht ändern. "Okay, bis später.", meinte er nur und verließ den Raum.

Am liebsten hätte er sich jetzt geohrfeigt. Warum begriff er nicht, was mit dem anderen los war?

Vielleicht sollte er ihm doch ein bisschen Zeit geben und nach Hause gehen. Dann würde er ihm wenigstens nicht auf den Senkel gehen.

Und so sagte er einer der Schwestern Bescheid, dass er nach Hause würde und wenn irgendwas war, dann sollten sie ihn einfach anrufen. Hier würde er ja eh nur stören, meinte er und verschwand.
 

Er hätte eigentlich erwartet, dass Kai ihn fragen würde, ob er nicht doch bleiben dürfte, aber anscheinend hatte Kai verstanden, dass er gerade wirklich ziemlich sauer auf ihn war. Wie konnte Kai es wagen, ihn einfach so zu entblößen? Das war seine Intimsphäre und da hatte Kai nichts zu suchen. Auch, wenn er Kai wirklich anziehend fand und ihm vielleicht gerne näher kommen würde, das ging zu weit. Das war wirklich ein Schlag unter die Gürtellinie.

So blieb er jetzt ganz alleine zurück und starrte mit leerem Blick an die Wand. Kai würde sicherlich nicht zurückkommen. Anscheinend hatte er ihn jetzt vergrault. Uruha seufzte. Er war so ein Idiot...
 

Mit gesenktem Haupt und hängenden Schultern ging er die Straßen entlang. Toll, Kai. Irgendwas haste falsch gemacht und zwar mächtig. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass Uruha mächtig sauer war und zwar auf ihn. Er seufzte und steckte die Hände in seine Taschen.

Es wäre wohl besser, wenn er vorerst nicht mehr zu ihm ging. Erstens brauchte er Ruhe und zweitens schien er sie bei ihm ja nicht zu bekommen. Und bevor er in die Versuchung kam, doch wieder zu ihm zu gehen und ihn wieder aus der Fassung zu bringen, beschloss er kurzerhand, doch zu seiner Mutter zu fahren. Noch war es ja nicht zu spät. Er musste lediglich Sachen packen und dann wäre er wenigstens für ein paar Tage weg und Uruha hätte seine Ruhe vor ihm.
 

Einige Tage später saß Uruha bereits aufrecht im Bett und starrte an die Wand. Er war blass und immer noch so schrecklich dünn, vielleicht sogar noch dünner. Die Ärzte bekamen ihn einfach nicht zum essen. Das lag aber keinesfalls am Krankenhausessen, das war eigentlich wirklich lecker. Nein. Es hatte einen anderen Grund. Einen viel Schlimmeren.

Kai war seit ihrem kleinen Streit nicht mehr bei ihm aufgetaucht. Nicht einmal auf der Station hatte er angerufen und sich nach Uruha erkundigt. Niemand außer den Krankenschwestern besuchte ihn ab und an. Niemand wusste ja auch außer Kai, dass er hier lag. Seine Familie, wenn er denn eine hatte, wusste ja nicht mal, dass er überhaupt noch lebte.

"Mein Leben ist absoluter Mist... Ich will hier weg... Irgendwohin...", schluchzte er leise und vergrub sein Gesicht in den Händen.
 

Jetzt war er schon fast eine Woche weg und sollte sich ja eigentlich erholen und etwas Abstand gewinnen. Aber so richtig konnte er das nicht. War es wirklich richtig, dass er einfach so abgehauen war? Er hatte weder Uruha noch irgendwem anderes Bescheid gegeben, wo er war und dass er überhaupt weg war. Wobei... Uruha würde ihn ja eh nicht vermissen. Der war bestimmt noch stinksauer auf ihn wegen der Aktion vor ein paar Tagen.

Seufzend saß er im Garten seiner Mutter und starrte an den wolkenlosen Himmel. Hier hätte er mit Uruha liegen können und die warmen Sonnenstrahlen genießen sollen. Stattdessen war er einfach weg und hatte ihn alleine gelassen. Hatte er ihm nicht versprochen, dass er ihn nicht alleine lassen würde?

Aber zurück konnte er jetzt auch nicht mehr. Da blieb nur eins. Schnell zückte er sein Telefon und rief Miyavi an. Freundlich bat er ihn darum, den anderen solange bei sich aufzunehmen, wenn er noch nicht wieder da sein sollte und Uruha das Krankenhaus wieder verlassen durfte. Er wusste ja nicht, wie es um den anderen stand. Aber Miyavi wusste von Uruha und würde ihm sicher mehr helfen als er.

Und zu seiner Zufriedenheit stimmte dieser ihm zu. Allerdings wollte er schon gerne wissen, wo Kai sich befand. Nur widerwillig gab er seinen Aufenthaltsort bekannt und sagte ihm auch, dass er wohl doch etwas länger hier bleiben würde.
 

Etwa eine Woche später war es endlich soweit. Uruha konnte entlassen werden. Zwar war er immer noch ziemlich schlapp und zittrig und hatte ab und an Kopfschmerzen durch seine Gehirnerschütterung, aber ansonsten ging es ihm wieder ganz gut. Er hatte sich richtig angezogen und musste sich bei einer der Krankenschwestern einhaken, die ihn langsam nach draußen führte. Sie erzählte ihm, dass jemand angerufen hatte und gemeint hatte, dass er Uruha abholen würde. Uruha runzelte die Stirn. War Kai etwa doch da? Wenn ja, wieso hatte er ihn dann nicht ein einziges Mal besucht? Er verstand es nicht. Aber er wollte eigentlich auch nicht verstehen. Kai konnte bleiben, wo der Pfeffer wächst. Er hatte ihm versprochen, ihn nicht alleine zu lassen und er hatte es dennoch getan. Obwohl er wusste, wie viel Angst Uruha hatte.

Vor lauter Kummer und Angst hatte Uruha nur sehr wenig gegessen und nun schlackerten seine Sachen noch mehr als vorher schon. Er musste sich auf eine Bank setzen und die Krankenschwester verabschiedete sich von ihm. Uruha war gespannt. Wer würde ihn denn nun abholen?
 

"Hey." Mit gehobener Hand grüßte er den anderen schon von weitem. Mit einem strahlenden Lächeln kam er auf den anderen zu. "Na du? Alles klar?", grinste er und begrüßte ihn mit einer stürmischen Umarmung. Dann runzelte er die Stirn. "Was ist denn los?" Er sah, dass Uruha wirklich nicht sehr gut aussah. Irgendwie dünner und ziemlich mitgenommen. Aber warum? Er war doch sicher gut behandelt worden hier im Krankenhaus.

Erst einmal setzte er sich zu ihm. "Was ist los, Uruha?", fragte er ihn. "Du siehst aus, als hättest du nichts zu essen bekommen und nicht geschlafen."
 

Uruhas Knochen krachten, als Miyavi ihn da so unerwartet durchknuddelte und er keuchte leise auf. Was sollte das denn jetzt? Was machte Miyavi hier? Er hatte eher mit Kai gerechnet. Aber doch nicht mit Miyavi. Woher wusste der denn bitteschön, dass er hier im Krankenhaus gewesen war? Hatte Kai ihm das etwa erzählt?

"Miyavi... Was... Was machst du hier?", er schluckte. "Wieso sehe ich aus, als hätte ich nicht geschlafen und nichts gegessen?"

Er verstand Miyavi nicht.
 

Miyavi tippte mit seinem Finger gegen Uruhas Stirn. "Erstens, ich hole dich ab und nehm dich mit nach Hause. Zweitens, siehst du leichenblass aus und noch dünner als vorher. Und deine Augenringe sind nicht mehr normal. Was hast du gemacht? Du solltest dich erholen und nicht noch bescheidener zurück kommen, als wie du hergekommen bist. Wenn Kai das erfährt, killt der die hier.", seufzte er und lehnte sich nach hinten zurück.

"Ich bin hier, weil Kai nicht da ist. Mehr weiß ich aber auch nicht. Und solange er nicht da ist, wirst du mit mir Vorlieb nehmen müssen. Schlimm?"
 

Er schüttelte leicht den Kopf. Natürlich war das nicht schlimm. Im Moment wollte er Kai sowieso noch nicht sehen. Er hatte ihn so lange alleine gelassen, ohne eine Nachricht, ohne alles. Das war unfair. Kai hatte sein Versprechen gebrochen und so musste Uruha erst mal neues Vertrauen in den anderen schöpfen. Und das dauerte nun mal seine Zeit. Damit würde Kai leben müssen. Uruhas Vertrauen jedenfalls hatte er gründlich missbraucht.

"Wenn es dir nichts ausmacht, komme ich gerne mit dir mit... Und zu deiner Frage... Ich hab nicht viel gegessen und geschlafen. Ich konnte nicht. Ohne Kai hatte ich so furchtbare Angst, dass ich nicht schlafen konnte und keinen Bissen hinunter bekommen habe. Das ist Kais Schuld und nicht die des Krankenhauses. Kai hat mich ja einfach die ganze Zeit über alleine gelassen..."
 

Der Größere legte einen Arm um die Schulter des anderen. "Hey. Kai hat daran auch nicht alleine schuld." Miyavi seufzte. Kai war daran wirklich nicht alleine schuld. Er wusste zwar nicht genau, warum das hier jetzt so lief, aber Kai klang am Telefon alles andere als glücklich.

"Weißt du, was wir machen?", fragte er ihn und stand auf. Vorsichtig zog er ihn auf die Beine. "Wir päppeln dich jetzt erst mal wieder richtig auf und dann machen wir beide einen Ausflug. Einfach mal Urlaub. Du darfst dir auch aussuchen wohin. Ich lad dich ein. Und du siehst wirklich danach aus, dass du den gut gebrauchen kannst."

Langsam zog er ihn mit sich.
 

"Natürlich ist Kai schuld... Wer denn auch sonst? Ich etwa? Kai ist derjenige, der mir die Decke weggezogen und mich einfach mal so halbnackt angeglotzt hat und der sich dann nicht mehr gemeldet hat."

Als er vorsichtig auf die Beine gezogen wurde, stolperte er kurz und fiel Miyavi beinahe in die Arme. Er fing sich jedoch wieder und taumelte ihm hinterher. Miyavi schien es wirklich eilig zu haben. Aber dass Miyavi ihn jetzt auch noch einladen wollte, konnte er einfach nicht annehmen. Nie und nimmer.

"Nichts da. Ich nehme nicht noch mehr von anderen Leuten an. Ihr wisst doch gar nicht, wie ich mich dabei fühle... Ich will das nicht, verstanden? Nein... Ich nehme nichts mehr von euch an und will auch nicht eingeladen werden. Ich suche mir einen Job und wenn ich genug Geld habe, dann such ich mir eine Wohnung..."
 

Miyavi lachte. "Du bist genau so ein Sturkopf wie Kai.", gab er zu seinem Besten. "Irgendwie seid ihr euch verdammt ähnlich. Aber das mit der Decke hat er mir schon erzählt. Allerdings schien er nicht ganz verstanden zu haben, was er damit verursacht hatte. Er meinte nur, dass er dir lieber nicht zu nahe kommen werde, weil du sonst nur wieder sauer bist und das will er nicht. Deshalb hat er sich auch nicht bei dir gemeldet. Er hatte wohl eher Angst, dass er wieder was falsch macht und du ihn dann noch mehr hassen würdest. Da hat er sich lieber verkrümelt.", meinte er nur und ging mit Uruha zu seinem Auto. "Soweit ich weiß, wird er auch vorerst nicht wieder kommen. Er schämt sich zu sehr, dir unter die Augen zu treten. Weiß der Geier warum." Er half seinem neuen Mitbewohner ins Auto und stieg dann auch ein.

"Manchmal ist er einfach noch zu unerfahren. Und... ich glaube, er mag dich einfach zu sehr, als dass er dir weh tun will. Da weiß er sich nicht zu helfen und schottet sich ab." Miyavi startete den Motor und fuhr los. Den Rest der Strecke schwieg er.
 

"Das gibt ihm aber noch lange nicht das Recht, sein Versprechen mir gegenüber so zu brechen. Er hat mir hoch und heilig versprochen, mich nicht mehr alleine zu lassen. Er weiß, wie viel Angst ich bei anderen Menschen habe und dass ich nicht alleine sein will und kann. Er hatte mir versprochen, immer bei mir zu bleiben und dann haut er einfach ab. Ich wäre ihm nicht mehr böse gewesen. Spätestens am nächsten Tag hätte ich ihm verziehen, aber... Aber dass er mich fast zwei Wochen alleine lässt, das verzeihe ich ihm nicht."

Sie kamen bei Miyavi zuhause an und gingen in dessen Wohnung. Uruha sah sich um.

"Hübsch hast du´s hier..."
 

Der Größere seufzte nur. "Doch ein Sturkopf.", nuschelte er sich in seinen nicht vorhandenen Bart. Da kann Kai einem aber auch leidtun, dachte er sich so. Irgendwie schienen sich die beiden zwar zu mögen, aber sich immer wieder mit Missverständnissen auseinander zu treiben. Das war echt kompliziert. Kopfschüttelnd ließ er sich auf sein Sofa fallen und streckte alle Viere von sich. So, wie er es immer tat, wenn er nach Hause kam.

"Arigatou...", bedankte er sich für das Kompliment. Aber gedanklich war er schon wieder mit etwas anderem beschäftigt.

"Ruh dich erst mal etwas aus. Ich besorg uns was zu essen und dann können wir ja mal ne Runde reden, wenn du willst. So kann das ja nicht weitergehen." Und schon schnappte er sich das Telefon und bestellte Pizza. Zwar wusste er nicht, was der andere gerne mochte, aber er wählte einfach mal frei aus. Er war ja selbst nicht sehr wählerisch.
 

Seufzend ließ er sich auf einem gemütlichen Sessel nieder, da Miyavi das ganze Sofa durch seine beachtliche Größe für sich beanspruchte und starrte auf seine Füße. Er trug seine alten Schuhe und auch seine Klamotten waren immer noch seine etwas älteren. Die neuen konnte er nicht holen. Er hatte gar nichts bei Miyavi. All seine Sachen waren bei Kai und er wusste nicht, wann dieser wiederkommen würde.

"Hm... Ich brauche unbedingt Sachen, Miyavi. Ich hab hier keine. All meine Sachen sind bei Kai..."
 

Schelmisch grinste er. Dass sie der andere da mal nicht irrte. Kichernd erhob er sich und stapfte in den Flur. Dort stand ein Koffer, den er sich schnappte und ins Wohnzimmer trug. Direkt vor Uruhas Nase stellte er ihn ab. "Das soll ich dir geben. Ist ein kleines Geschenk von Kai und mir." Dann grinste er noch breiter und ließ sich wieder aufs Sofa fallen.

Neugierig starrte er den anderen an. Als der sich nicht regte, kicherte er. "Los, mach schon auf. Mal sehen, was du dazu sagst. Und ob wir auch das Richtige für dich getroffen haben."
 

Skeptisch blickte er auf den Koffer, der nun auf seinem Schoß lag und sah dann Miyavi an. Oh-Oh. Wenn der so grinste, dann war da doch irgendwas faul. Was war da bloß drin? Er hoffte, dass da nicht irgendwas zu Peinliches drin war. Dann wäre er Kai noch mehr böse. Also öffnete er vorsichtig den Koffer und starrte hinein. Viele Sachen lagen darin. Viele lilafarbene Shirts, kurze Hosen, aber auch lange, Pullover, Schuhe und... Ein Haufen buntes Zeugs. Uruha hob ein neonpinkes Shirt hoch und verzog das Gesicht.

"Was ist das?"
 

"Das hab ich ausgesucht!", fiepte der Größere und hibbelte fröhlich auf seinem Sofa hin und her. "Das is doch klasse. Steht dir bestimmt ausgezeichnet." Dann wurde seine Miene ernster und er zog einen Schmollmund. "Mehr durfte ich nicht aussuchen. Kai hat sich geweigert.", schmollte er. "Aber wenigstens durfte ich dir ein Shirt aussuchen." Jetzt grinste er wieder. "Zieh mal an. Ich will mal sehen, ob dir die Sachen auch passen. War gar nicht so leicht, was Passendes für dich zu finden. Kai meinte nur, dass dir die Farbe Violett am besten steht und du sie scheinbar auch gerne anziehst. Deshalb is das meiste da drin auch lila."
 

Uruha seufzte. Das war wirklich sehr lieb gemeint von den beiden, aber... Er hatte es lieber, wenn er sich etwas aussuchen konnte, anstatt dass es irgendjemand anders für ihn tat. Da wurde sein Geschmack einfach nicht so sehr getroffen. Beispielsweise hatte er hier ein violettes Shirt mit V-Ausschnitt. Das mochte er gar nicht. Das einzige, was ihm gefiel, war, dass es viele lila Sachen waren und auch ganz viele Röhrenjeans dabei waren. Er liebte diese Hosen.

"Muss das sein? Ich... Ich lass mir nicht so gern was schenken. Ehrlich nicht..."
 

Beleidigt stemmte er die Arme in die Seite. "Nichts da! Du suchst dir da raus, was du möchtest und dir gefällt und den Rest behalte ich. Ich mag lila auch gern. Zwar nicht so sehr wie Pink aber egal." Und schon war für ihn diese Diskussion beendet. Widerworte würde er jetzt eh nicht hören wollen und ihnen auch keine Aufmerksamkeit schenken.

"Da ist das Bad." Er zeigte mit dem Finger auf eine Tür am Ende des Flures. "Oder wenn dir das lieber ist, da ist das Schlafzimmer." Sein Blick deutete auf die Tür hinter Uruha. "Da ist auch ein großer Spiegel. Was dir lieber is. Aber glaub ja nicht, dass du dir erlauben darfst, nichts davon zu nehmen. Kapiert?"
 

Na toll. Jetzt wurde er auch noch gezwungen, sich etwas auszusuchen. War ja mal wieder ganz klasse. Aber Miyavi schien auch keine Widerrede zu dulden, so ernst wie er gerade aussah. Na gut... Musste er da eben wohl durch. Also tapste er auf leisen Sohlen ins Schlafzimmer, um sich dort anzuziehen. Immer wieder wechselte er dort die Klamotten, bis er schließlich etwa fünf Shirts und drei weitere Hosen hatte, die er behalten wollte. Dazu kamen noch drei Pullover und zwei Paar Schuhe.

"Miyavi? Bin fertig mit aussortieren..."
 

Strahlend kam er ins Schlafzimmer gerannt und umarmte den anderen spontan. "Gut." Hastig räumte er den Rest aus dem Koffer aus und schmiss es aufs Bett. Dann beförderte er etwas unsanft die ausgewählten Kleidungsstücke des Kleineren in den Koffer und klappte ihn zu.

Er war jetzt einfach mal wieder der spontane Typ und schnappte sich sowohl den Koffer als auch Uruhas Hand und zog ihn mit sich. Mit großen Schritten marschierte er in den Flur und forderte Uruha auf, seine Schuhe wieder anzuziehen und hielt ihm eine Jacke hin. "Anziehen!", forderte er und schlüpfte selbst in seine Sachen.
 

Vollkommen verdattert wurde er von Miyavi mitgezogen und blinzelte ihn ein paarmal verwirrt an. Wie jetzt? Schuhe anziehen? Was wollte er denn jetzt mit dem Koffer? Er verstand gerade wirklich nur noch Bahnhof. Aber Miyavi schien wiedermal keine Widerworte zu dulden und so zog er sich seine Schuhe an, ebenso wie die ihm angebotene Jacke Miyavis, die ihm ein paar Nummern zu groß waren, weil er einfach zu dünn war. Dann wurde er sofort von Miyavi an der Hand gepackt und mitgezogen.

"Nicht so schnell!", er war ja immer noch nicht ganz fit.

Und schon saß er im Auto, Miyavi verstaute die Koffer im Kofferraum und brauste los.

"Wo fahren wir hin?"
 

Miyavi schwieg. Er redete zwar allerhand, aber er sagte kein Wort zu ihrem Ziel. Das würde er schon noch früh genug erfahren. Mann gut, dass es gerade mal Mittagszeit war. Plötzlich stockte er. Ups, da war ja noch was gewesen.

Mit der flachen Hand klatschte er sich gegen die Stirn. "Mist! Das hab ich jetzt glatt vergessen!", brummte er, doch dann brach er in schallendes Gelächter aus. Irgendwie tat ihm der Pizzabote schon leid. Jetzt hatte er ihn extra zu sich bestellt und nun war er nicht mal da. Na ja, jetzt konnte er es auch nicht mehr ändern. Außerdem war er schon zu weit von Kanagawa entfernt, als dass er jetzt einfach noch mal umdrehen würde für ein paar Pizzen.

Dann wandte er sich an Uruha. "Am besten du machst ein bisschen die Augen zu. Wir fahren noch ein bisschen."
 

Als Miyavi auf einmal so laut ausrief, dass er etwas vergessen hätte, zuckte er erschrocken zusammen. Mann. Konnte der ihn denn nicht mal vorwarnen, wenn er anfangen wollte, so laut zu schreien? Oder war das hier ein ganz perfider Plan, um ihn um die Ecke zu bringen? Das wäre ja richtig fies.

"Wie weit fahren wir denn?", murmelte er leise und lehnte sich gemütlich nach hinten.

Er erwartete keine Antwort. Miyavi hatte ja recht. Er sollte vielleicht doch mal etwas schlafen, da er wirklich todmüde war.

Und so verschlief Uruha wirklich die gesamte Fahrt.
 

Vorsichtig ruckelte er an der Schulter des Schlafenden. Er hatte gerade das Auto in einer Auffahrt geparkt und schaltete den Motor aus. "Hey, Schlafmütze. Wir sind da. Du kannst ruhig wieder aufwachen. Kannst gleich noch genug schlafen." Ja, das würde er können, denn es war bereits dunkel. Und endlich hatten sie ihr Ziel erreicht. "Komm schon. Ich hab keine Lust, mich wegen dir anschnauzen zu lassen, dass ich um diese Uhrzeit doch nicht mehr stören sollte.", murmelte er, als der andere noch immer nicht reagierte. Außerdem war sein Auto ja kein Schlafplatz sondern ein Auto.
 

Uruha jedoch hatte kein Interesse daran, zu erwachen. Er war einfach viel zu erschöpft und außerdem stand er auch noch unter Medikamenteneinfluss, die ihn schläfrig machten. Es war gerade viel zu gemütlich, als dass er sich von Miyavi hätte aufwecken lassen. Nein, da müsste schon eine Bombe neben ihm hochgehen, wenn er aufwachen sollte.

Leise schmatzend kratzte er sich im Schlaf an der Nasenspitze und schlief einfach munter weiter.
 

"Boah!", motzte er. "Alte Schnarchnase!" Grummelig stieg er aus und klingelte einfach mal an der Haustür. Irgendwer musste ihm jetzt einfach mal helfen und entweder die Koffer oder den alten Schnarchsack auf seinem Beifahrersitz ins Haus tragen. Alleine schaffte er das bestimmt nicht. Auch wenn er größer war als der andere, hieß das noch lange nicht, dass er ihn auch einfach so hochheben und ins Haus tragen konnte.

Grinsend begrüßte er sein Gegenüber, der ihn verdattert anstarrte. "Was...was machst du denn hier?", wurde er auch gleich gefragt. "Frag nicht, hilf mir lieber!", murrte er und zog den anderen einfach zu seinem Auto. "Du nimmst das Gepäck auf dem Beifahrersitz und ich das aus dem Kofferraum.", befahl er und verschwand hinter dem Auto. Der andere blieb neben dem Wagen stehen und starrte durch das Fenster ins Innere. Eine feingeschwungene Braue erhob sich und er schaute zu Miyavi. "Was soll das denn werden, wenn´s fertig is?"
 

Miyavi grummelte leise. Musste Kai sich jetzt so anstellen? Sonst war er doch auch immer der hilfsbereite Mensch, wieso denn jetzt nicht? Er wollte doch nur, dass Kai mal Uruha ins Haus trug. War ja nicht zu viel verlangt oder? Also wirklich. Der stellte sich vielleicht an.

"Nun beeil dich. Sonst wecken wir vielleicht noch deine Mama auf und das will ich nicht. Ich nehm die Koffer und du nimmst Uruha. Alles klar soweit? Na, dann komm."

Und ohne auf Kais perplexen Gesichtsausdruck zu achten, nahm er die Koffer an sich und schritt einfach ins Haus. Den schlafenden Uruha und Kai ließ er einfach stehen.
 

Kai seufzte. Na toll. Jetzt hatte er ihn auch noch einfach so hierher geschleppt. Ob Uruha überhaupt wusste, worauf er sich da eingelassen hatte? Scheinbar nicht, sonst würde er hier wohl nicht im Auto sitzen und so friedlich vor sich hin schlummern.

Seufzend beugte er sich ins Auto, schnallte den anderen ab und hob ihn vorsichtig aus dem Auto. Er stockte. Kami-sama. Uruha war noch dünner geworden. Nein, warum? War das Essen im Krankenhaus so schlimm gewesen? Irgendwie dankte er Miyavi jetzt doch dafür, dass er ihn mitgebracht hatte. Seine Mutter würde ihn schon ordentlich durchfüttern. Das kannte er ja schon zu genüge.

Vorsichtig zog er ihn aus dem Auto und knallte mit dem Fuß die Tür zu. Dann marschierte er schnurstracks ins Haus.

"Hast du vielleicht mal daran gedacht, dass es hier nur ein Gästebett gibt?", schimpfte er. Wo sollte er Uruha denn jetzt schlafen legen? Oder wollte Miyavi auf dem Sofa schlafen? Wobei... Dann würde seine Mutter morgen Früh doch wieder aus allen Wolken fallen, wenn sie ins Wohnzimmer kam.
 

Miyavi war gerade dabei, den Koffer ins Gästezimmer zu legen und drehte sich zu dem leise keifenden Kai mit Uruha im Arm um und grinste. Abwehrend hob er die Hände. Kai sollte mal nicht so einen Wind machen. Wenn er weiter so rumschimpfte, würde er Uruha noch aufwecken und das wollte er dem Kleinen nicht antun. Der brauchte doch seinen Schlaf. Also legte er den Zeigefinger an seine Lippen und grinste leicht.

"Nicht so laut. Du weckst ihn sonst noch auf. Mach dir keine Sorgen. Ich hau ja schon wieder ab. Also, bis demnächst, Kumpel. Man sieht sich. Und kümmer dich mal drum, dass er was isst. Ruha hat mir gebeichtet, dass er vor lauter Angst nichts essen konnte. Oder jedenfalls kaum was. Bis dann."

Und schon war er verschwunden und ließ die beiden alleine.
 

Etwas verdattert starrte er dem anderen hinterher. Wieso haute der denn jetzt schon wieder ab? Vorsichtig legte er Uruha auf das Bett und deckte ihn zu. Dann rannte er Miyavi hinterher, der schon im Auto saß und den Motor startete.

Mit vor der Brust verschränkten Armen stellte er sich neben das Auto und warf ihm einen grimmigen Blick zu.

Miyavi zuckte zusammen, als er das sah und schluckte. Oh, oh. Das würde jetzt mächtig Ärger geben, wenn er sich nicht schleunigst vom Acker machte. Immer wieder startete er den Motor, doch dieser verweigerte ihm den Dienst. Das Auto sprang einfach nicht an. "Onegai...", wimmerte er und betete, dass sein Auto ihm doch noch den Gefallen tat. Doch nichts passierte. Auch nach dem zwanzigsten Versuch wollte der Motor einfach nicht anspringen.

Miyavi schluckte und drehte ängstlich den Kopf zur Seite. Neben ihm stand ein ziemlich finster dreinblickender Kai.

"Mi~ya~vi~", knurrte er.
 

Miyavis Herz schlug gerade richtige Purzelbäume. Hilfe. Wenn Kai so grimmig schaute, dann hatte er wirklich Mist gebaut. Er saß mächtig in der... Ja, er saß wirklich mächtig in der Scheiße. Anders ausgedrückt wäre das noch zu mild gewesen. Ängstlich blickte er zu Kai und stieg langsam aus dem Auto. Er schluckte. Oh-Oh. Hoffentlich würde er jetzt noch den nächsten Tag erleben. Aber er hatte doch den beiden nur einen Gefallen tun wollen. Mehr nicht. Hoffentlich reagierte Uruha nicht auch so, wenn er feststellte, dass er bei Kai gelandet war. Dann wäre er wirklich tot. Das wäre sein Todesurteil.

"Ano... Kai, ich kann das erklären..."

Aber Kai hörte ihm schon gar nicht mehr zu, sondern packte ihn am Ohr und zog ihn hinter sich her in das große Haus. Dort wurde er ins Gästezimmer geschubst und Kai warnte ihn, dass er, wenn er das Zimmer verlassen würde, einen Kopf kürzer gemacht werden würde. Also ließ er das lieber und blieb artig, wo er war.

Uruha lag derweil immer noch mit Schuhen und Alltagskleidung bekleidet auf dem Bett und schlummerte friedlich vor sich hin.
 

Schon wieder hatte er die Arme vor der Brust verschränkt und schaute erst auf Uruha, der selig schlummerte und scheinbar auch nicht so schnell aufwachen würde, und dann zu Miyavi. Er knurrte wie ein angriffslustiges Tier auf der Jagd.

"Was hast du dir dabei gedacht?", fragte er ihn. Allerdings war er doch recht ruhig dafür, dass er stocksauer auf ihn war. Er wusste ja, dass sein Freund schon mal Mist baute, aber das hier brachte das Fass zum Überlaufen.

"Hast du dir mal überlegt, wie es Uruha geht, wenn er aufwacht und feststellt, wo er sich befindet? Hast du?", stellte er ihm die erste Frage. "Hast du dir mal ausgemalt, wie wir das meinen Eltern erklären? Hast du?" Zweite Frage.

"Und hast du dir mal überlegt, was das für Konsequenzen mit sich bringt?" Eigentlich fielen ihm noch mehr solcher Fragen ein, aber er dachte, dass das fürs Erste reichen würde.
 

"Ano... Ich hab gedacht, du freust dich. Ich hab wirklich geglaubt, dass ich euch beiden eine Freude mache. Uruha hat nichts gegessen und hatte Angst, weil du nicht bei ihm gewesen bist. Das hat er mir jedenfalls so gesagt. Und ich wollte ihn nicht so leiden lassen, verstehst du? Bei dir geht es ihm einfach besser. Du siehst doch, wie dünn er ist. Das ist alles nur passiert, weil er nicht bei dir sein konnte. Weißt du... Jetzt mal ganz unter uns... Uruha hat dich wirklich total gerne. Sehr gerne sogar, wenn du verstehst, was ich meine. Ich bin nicht blind, Kai. Ich weiß doch, wie er dich immer ansieht. Du bedeutest ihm sehr viel, also... Schimpf nicht wieder mit ihm, wenn er aufwacht oder mach ihm keine Vorwürfe. Vielleicht wird er dir welche machen, aber nur, weil du ihn alleine gelassen hast. Er hatte wirklich richtig Angst ohne dich..."

Er seufzte und deutete dann auf den Schlafenden.

"Kümmer dich um ihn, ja?"
 

Nein, er verstand wirklich nicht, wie er das meinte. Es war seiner Meinung unverantwortlich einen Kranken so eine weite Strecke fahren zu lassen und ihn dann auch noch im Ungewissen, wo es hinging. So einen Blödsinn konnte auch nur Miyavi verzapfen. Eigentlich hätte er es ja auch wissen müssen.

"Du bist echt verantwortungslos, Miyavi.", warf er ihm an den Kopf. "Außerdem..." Er setzte sich nun auf den Bettrand und strich Uruha eine Strähne aus dem Gesicht. Er sah wirklich ziemlich mitgenommen aus, stellte er fest. Aber das war ganz sicher nicht wegen ihm. Warum auch? Ohne ihn war er doch wesentlich besser dran. Dann regte er sich wenigstens nicht auf. "Hat er es doch ohne mich viel leichter. Dann gibt es niemanden, der ihn so in Rage bringt wie ich. Aufregung tut ihm nicht gut.", seufzte er und stand wieder auf.

"Du kannst auf dem Boden schlafen. Zur Strafe.", grummelte und öffnete die Tür. "Bis morgen Früh."
 

Sofort wurde er aufgehalten und herumgedreht. Miyavi packte ihn an den Schultern und hielt ihn fest. Ernst sah er ihm in die Augen und knurrte leise.

"Nun hör mir mal zu, du gottverdammter Sturkopf. Du hast mir eben nicht zugehört. Es kann sein, dass er manchmal in Rage ist, wenn er bei dir ist. Aber wenn er nicht bei dir ist, verfällt er in vollkommene Lethargie und lässt niemanden mehr an sich ran. Kai... Ich hab das Gefühl, dass er ohne dich Stück für Stück stirbt. Das klingt jetzt hart, aber es ist so. Uruha hat wirklich fast nichts gegessen, weil er sich ohne dich einsam gefühlt hatte und Angst hatte, dass du nie mehr wiederkommst. Da hatte er anscheinend gar keine Lust mehr auf sein Leben. Bitte... Kümmer dich um ihn und lass ihn jetzt nicht wieder alleine. Bitte."

Er ließ Kai los und ging zum Bett. Vorsichtig hob er den immer noch schlafenden Uruha hoch und legte ihn Kai in die Arme. Dann schaute er Kai tief in die Augen und lächelte leicht.

"Lass ihn nicht wieder alleine."
 

Mit geweiteten Augen schaute er Miyavi an und schluckte. Das hatte er jetzt nicht wirklich gehört oder? Seit wann hatte Miyavi eine solche Seite an sich? Oder war ihm diese noch nie aufgefallen?

Gut, er war ein liebenswerter und herzlicher Mensch, aber das hier war neu und ziemlich gewöhnungsbedürftig.

Dann wanderte sein Blick auf den schlafenden, jungen Mann in seinen Armen. Er seufzte. War wirklich er daran schuld, dass Uruha so schlecht aussah? War er der Grund dafür? Oder täuschte sich Miyavi da nicht einfach. Vielleicht hatte er das doch nur falsch interpretiert.

Wieder schaute er Miyavi an und schüttelte den Kopf, bevor er ihn wieder an den Größeren gab. "Es tut mir leid, aber ich kann nicht. Gomen nasai." Und schon wandte er sich wieder ab.
 

Wenn Miyavi Uruha jetzt nicht im Arm gehabt hätte, dann hätte er sich jetzt die Haare gerauft. Wie blöd konnte ein einzelner Mensch denn sein? Anscheinend hatte Kai sein Hirn irgendwo verloren. So dumm war der doch sonst auch nicht. Aber Anscheinend hatte er wirklich irgendwie gerade einen Dachschaden. Also nochmal von vorne. Er übergab Uruha wieder an den anderen und wunderte sich langsam, dass der nicht aufwachte. Lag anscheinend an den hohen Medikamenten. Dann sah er Kai böse an.

"Nun hör mir nochmal ganz genau zu! Uruha hat dich verdammt lieb und kann ohne dich nicht mehr! Du bist der Einzige, den er hat, verdammt nochmal! Du bist die einzige Person, zu der er einen Draht hat, einen ganz besonderen sogar! Er will dich nicht verlieren! Also hör endlich auf und lass ihn nicht immer alleine! Du bist ziemlich feige, Uke Yutaka!"

So sauer war Miyavi noch nie gewesen. Normalerweise lächelte er wie Kai immer, aber jetzt sprühten seine Augen Funken. Er war stocksauer.
 

Und wieder hatte er den anderen im Arm. Verdammt nochmal. Begriff Miyavi denn gar nichts? Er wollte ihn einfach nicht noch einmal so sauer erleben. Uruha war doch der gewesen, der ihn weggeschickt hatte. Er wollte ihn doch nicht mehr wiedersehen. Das waren die Worte, die sich so sehr in sein Gedächtnis gebrannt hatten, dass er es war, der wirklich wegging. Er wollte diese schmerzhaften Worte nicht noch einmal hören. Nie mehr.

Auch Miyavis zornige Mimik und seine funkelnden Augen konnten daran nichts ändern. Uruha hatte ihn weggeschickt und nicht er ihn.

Und schon legte er ihn wieder in Miyavis Arme und nun rannen Tränen über seine Wangen. Heftig schüttelte er den Kopf. "Das ist überhaupt nicht wahr. Er hat mich doch weggeschickt und hat gesagt, dass er mich nicht mehr sehen will!" Seine Stimme bebte und seine Hände ballten sich zu Fäusten. Doch er wollte hier nicht länger bleiben und so rannte er raus und verschwand Tür knallend in seinem Zimmer. Von innen lehnte er sich gegen die Tür und drehte den Schlüssel im Schloss. Langsam rutschte er an dem Holz nach unten. Noch immer liefen ihm die Tränen.

"Miyavi du Arsch...", fluchte er.
 

Miyavis Augenbraue zuckte. Ein deutliches Zeichen dafür, wie unglaublich sauer er gerade auf Kai war. Das gab´s doch wohl nicht! Wie verstockt und verbohrt war der Kerl eigentlich? So kannte er ihn gar nicht. Normalerweise war Kai eher der offene Typ. Nicht derjenige, der andere ausschloss. Das war nicht Kais Art. Seufzend blickte er auf die schlafende, zierliche Gestalt in seinen Armen und biss sich auf die Unterlippe.

"Du tust mir so leid... Aber... Ich kann nicht anders, Uruha. Da musst du jetzt durch und ich gebe nicht auf, bis Kai endlich seinen Fehler einsieht."

Und so tapste er auf leisen Sohlen zu Kais Zimmertür und legte Uruha davor. Dann klopfte er bei Kai an und sagte deutlich zu ihm:

"Sie haben ein Paket erhalten und das wird so lange da liegenbleiben, bis Sie es abholen. Rückgabe ausgeschlossen."

Und schon verschwand er im Gästezimmer und schloss sich ein, damit Kai auch nicht auf die Idee kam, Uruha zurückzubringen.
 

Erschrocken fuhr er zusammen, als er Miyavis Stimme hinter der Tür vernahm und aufhorchte, was er da sagte. Er zog die Stirn kraus und wischte sich mit dem Saum seines Shirts die Tränen aus dem Gesicht. Was hatte Miyavi gesagt? Ein Paket? War der noch ganz dicht? Wo sollte denn jetzt bitte schön ein Paket herkommen? Der Kerl wollte ihn doch sicher nur verarschen.

Mit finsterer Miene erhob er sich und rückte seine Kleidung zurecht, dann schloss er die Tür wieder auf und öffnete sie mit einem Ruck. Er wollte gerade auf den Größeren losgehen und ihn zusammenstauchen, als er plötzlich stutzte und vor sich auf dem Boden Uruha liegen sah.

Kami-sama! War Miyavi jetzt völlig bekloppt? Was sollte das denn werden? War er schon so kaltblütig und ließ einen kranken, schlafenden Menschen auf dem Boden liegen, nur damit er in einem warmen, weichen Bett schlafen konnte?

Na warte. Das würde er gleich noch zu spüren bekommen. Aber vorher musste er sich um den Schlafenden kümmern. Vorsichtig schob er die Arme unter den schmalen Körper und hob ihn an. Langsam tapste er zu seinem eigenen Bett und legte Uruha dort hinein. Schnell noch deckte er ihn zu und wollte sich gerade auf den Weg machen, als ihn etwas am Shirt einfach festhielt.
 

Uruha hatte die ganze Zeit über nichts davon mitbekommen, wie er hin und her gereicht wurde und sich die beiden Menschen, die ihm schon sehr wichtig geworden waren, anschnauzten. Auch, dass es dabei um ihn ging, hatte er nicht mitbekommen. Er schlief einfach nur seelenruhig und sah dabei so friedlich aus wie schon lange nicht mehr.

Als er jedoch von Miyavi auf dem kalten, harten Boden abgelegt wurde, wurde er so langsam wach. Was war das denn? Bis eben noch war alles kuschelig warm gewesen und nun? Nun war überall nur noch eisige Kälte. Dann jedoch wurde er wieder angehoben und auf etwas Weichem abgelegt. Das war doch gleich viel besser. Aber so langsam wollte er auch mal wissen, was hier eigentlich los war und so öffnete er seine Augen einen Spalt breit und sah direkt zu Kai, welcher sich gerade umdrehte. So schnell er konnte, packte er den Saum seines Shirts fest und hielt Kai davon ab, aus dem Zimmer zu gehen. Mit großen, bittenden Kulleraugen sah er ihn an.

"Onegai... Bleib hier...", er war immer noch so furchtbar müde.
 

Verdutzt drehte er sich um und sah direkt in Uruhas bernsteinfarbene Augen, die ihn so merkwürdig ansahen. Was war denn nun los? Bis eben hatte er doch noch geschlafen und noch nicht einmal mitbekommen, wie sie sich gegenseitig angeschnauzt hatten und ihn sogar rumreichten, als wäre er ein Stück Vieh. Und jetzt legte er ihn in sein Bett und er wurde wach? Was bitte schön war das denn für ein Mensch?

Kopfschüttelnd wandte er sich wieder ab. "Lass mich bitte los.", bat er. Allerdings klang seine Stimme noch ziemlich harsch, so dass sie doch etwas härter im Ton war, als er wollte. Uruha konnte ja eigentlich nichts dafür, dass er jetzt so sauer war. "Bitte, Uruha...", forderte er abermals, als der andere ihn noch immer nicht losließ.

Er wollte jetzt Miyavi mal ordentlich den Kopf waschen. Das hatte er mehr als verdient.
 

Durch Kais harschen, bitteren Ton zuckte er zusammen und ließ Kai dann doch schließlich los. Dass er noch wütende auf ihn wurde, wollte er natürlich nicht. Aber... Er verstand nicht. Was hatte er denn jetzt schon wieder gemacht? Was machte er überhaupt hier? Hatte Miyavi ihn etwa direkt zu Kai gebracht?

"Gomen nasai... Ich... Gomen...", wisperte er verstört und verbarg das Gesicht hinter den Händen.

Er krümmte sich leicht zusammen und schluchzte. Wieso war Kai denn jetzt so zu ihm? Er hatte eigentlich allen Grund, auf Kai sauer zu sein, nicht anders herum.

"Gomen..."
 

Doch das bekam er schon gar nicht mehr mit, denn er stand schon vor der Tür des Gästezimmers und hämmerte wie wild gegen das Holz. "Miyavi, du Baka! Mach dir Tür auf, damit ich dich mal zusammenstauchen kann! Was fällt dir ein, Uruha einfach auf den kalten Boden zu legen?!", fauchte er. "Du bist so ein verdammtes Arschloch! Bist du schon so egoistisch geworden und nutzt es aus, dass ein Kranker sich nicht wehren kann, nur damit du ein warmes Bett unterm Hintern hast?!"

Und wieder hämmerte er wie wild dagegen. Doch Miyavi saß grinsend auf dem Bett und schaute gemütlich fern. Es interessierte ihn nicht, dass Kai ihn gerade mit sämtlichen Schimpfwörtern bombardierte und ihm sogar halbe Morddrohungen an den Kopf warf. Sollte er doch machen, was er wollte. Er würde ihn eh nicht rein lassen.

Kai konnte von Glück reden, dass seine Mutter und sein Vater einen ziemlich festen Schlaf hatten, wenn sie denn schon wieder von der Geburtstagsfeier eines Bekannten zurück waren. Er war ziemlich laut und irgendwie schien auch die Tür bald nicht mehr mitzumachen. Doch irgendwann ging auch ihm die Puste aus und er ging vor der Tür auf die Knie und keuchte doch ein wenig. Seine Arme schmerzten fürchterlich.
 

Miyavi grinste. Mein Gott, er hatte gar nicht gewusst, dass Kai so ein lautes Organ haben konnte. War ja mal eine ganz neue Seite an ihm, die er noch gar nicht kannte. Oder vielleicht auch nicht kennen wollte. Kai konnte richtig bissig werden, wenn er mal sauer war. Das merkte er jetzt wirklich überdeutlich und hoffte, dass Kai es nicht schaffte, die Tür einzuschlagen. Aber das traute er ihm nun doch nicht zu.

Als es endlich aufhörte, an der Tür zu donnern, holte er tief Luft und rief zu ihm hinaus:

"Halt die Klappe, Kai! Geh du mal lieber zu ihm und kümmer dich um ihn! Das hattest du ihm versprochen, also halt dich auch dran, anstatt mich jetzt anzupflaumen! Geh zu ihm!"

Uruha lag derweil schluchzend in Kais Bett und drückte sich die Hand auf den Mund, während laute Schluchzer seine Lippen verließen. Sein gesamter Körper bebte und er hatte Mühe, normal Luft zu bekommen. Ihm ging es gerade gar nicht gut. Kai hasste ihn anscheinend. Ansonsten hätte er ihn nicht so angepflaumt. Also stand er zitternd auf und tapste aus dem Zimmer hinaus. Er wollte weg. Einfach nur weg. Er wankte an Kai vorbei, ohne ihn richtig zu bemerken und trat aus dem Haus. Ein eisig kalter Wind blies ihm um die Nase und er zitterte stark. Dann ging er die Auffahrt hinunter. Es war dunkel draußen. Aber er wollte einfach nur weg.
 

Erst bemerkte er nicht, dass jemand an ihm vorbeiging, doch als er hörte, wie die Tür aufging, wurde ihm bewusst, dass das nur Uruha sein konnte. Sofort sprang er auf und rannte ihm hinterher. Noch bevor Uruha gänzlich in der Dunkelheit verschwand, packte er ihn von hinten und schlang seine Arme um ihn. Er drückte ihn einfach an sich und hielt ihn fest. "Geh nicht weg...", flüsterte er in die Finsternis hinein.

Sein Herz klopfte und er hatte Angst, Uruha könnte es hören. Das wollte er nicht. Zum ersten Mal spürte er, wie hilflos er geworden war. Irgendwie war er einfach machtlos. Uruha hatte ihn irgendwie in einen Bann gezogen, aus dem er nicht mehr herauskam. Aber was war das?
 

Plötzlich wurde er einfach herumgedreht und an eine starke Brust gepresst. Verwirrt hörte er die wispernde Stimme, welche so verzweifelt klang und er hickste auf. Gott. Was sollte das denn nun heißen? Wollte Kai ihn etwa doch nicht wegschicken? Hasste er ihn etwa doch nicht? Wenn ja, dann ging gerade wirklich ein Traum für ihn in Erfüllung.

Schluchzend krallte er sich an Kai fest und spürte, wie seine Beine und sein gesamter Körper heftig zitterten.

"Kai... Lass mich nicht wieder alleine... Ich hab Angst ohne dich..."
 

Hastig schüttelte er den Kopf. "Iie... Ich lass dich nicht mehr alleine, aber..." Er schluckte. "Schick mich nicht wieder weg oder sag, dass du mich nie wiedersehen willst. Bitte." Er presste ihn so sehr an sich, dass er beinahe den Verstand verlor. Hatte es sich schon immer so angefühlt, wenn man einen Freund umarmte? Klopfte das Herz immer so stark, wenn man einem anderen Menschen, den man Freund nannte, so nah war? Wenn ja, dann hatte er noch nie Freunde gehabt, denn es war das erste Mal, dass es sich so anfühlte. Und es war nicht unbedingt unangenehm. "Ich möchte dein Freund sein und werde immer für dich da sein. Immer...", hauchte er ihm ins Ohr.
 

In seinem Bauch kribbelte es wie von Millionen von Ameisen und als Kai ihm so süß ins Ohr hauchte, dass er sein Freund sein und immer für ihn da sein wollte. Das war so... so wunderschön, dass es ihm noch mehr Tränen in die Augen trieb und ihn laut aufschluchzen ließ.

Er spürte Kais starke Arme um sich und fühlte sich so geborgen wie schon lange nicht mehr. Kai gab ihm den Halt, den er so sehnsüchtig brauchte und wenn er bei ihm war, fühlte er sich einfach gut. Fast schon zu gut. Vorsichtig nahm er Kais Gesicht in seine Hände und hauchte ihm einen zarten Kuss auf die Wange, ganz in der Nähe des Mundwinkels.

"Ich hab dich lieb..."
 

Kai war ziemlich verwirrt und seine Wangen färbten sich wie von selbst leicht rot. Nur gut, dass es dunkel war und Uruha das nicht sehen konnte. Das wäre doch viel zu peinlich gewesen. Nicht, dass er noch denken würde, er wäre in ihn verliebt. Sie waren doch einfach nur Freunde. Richtige Freunde.

Dann lächelte er ihn wieder an. "Hai, ich dich doch auch.", meinte er und wuschelte ihm durchs Haar. Liebevoll nahm er seine Hand und zog ihn wieder mit sich. "Komm, es ist kalt und wir sollten lieber wieder reingehen. Eine Erkältung kannst du jetzt wirklich nicht gebrauchen." Und schon standen sie im Flur des Hauses und Kai schloss hinter ihnen die Tür. Seufzend lehnte er sich von innen dagegen und schaute nach oben zu der Tür, hinter der jetzt Miyavi war. Wieder kochte Wut in ihm hoch. Das würde er schon noch bereuen. Und zwar nicht zu knapp. Kais Rache war dem anderen sicher.
 

Er schenkte ihm ein zartes Lächeln und ging bereitwillig hinter ihm her. Jetzt fühlte er sich schon nicht mehr so alleine und verlassen. Kai war ja da und der hatte ihm versprochen, dass er ihn jetzt wirklich nie mehr alleine lassen würde. Sie beide waren Freunde und Uruha hoffte, dass daraus vielleicht noch ein wenig mehr werden würde. Auch, wenn das vielleicht nur reines Wunschdenken war und Träume Schäume waren. Er wünschte es sich einfach.

Sie kamen in Kais Schlafzimmer an und Uruha klappte seinen Koffer auf und holte daraus einen kurzen, schönen, violetten Pyjama heraus und lächelte Kai an.

"Danke nochmal für die schönen Sachen."
 

Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf und lächelte. "Ano... ich dachte mir nur, dass du ja eh neue Sachen brauchst, wenn wir verreisen wollen und eben auch so. Und da bot sich das einfach an. Ich... ich hoffe, du magst das Lila. Mir is nix anderes eingefallen und die Farbe steht dir einfach." Das war wirklich der Grund dafür. Okay, nicht der Einzige. Der Hauptgrund war eigentlich, dass er Uruhas Augen noch einmal so strahlen sehen wollte wie beim ersten Mal, als sie zusammen unterwegs gewesen waren.
 

"Du bist echt so lieb. Danke. Die Sachen sind wirklich toll. Aber das nächste Mal sucht bitte nicht Sachen ohne mich aus, okay? Miyavi wollte mir echt pinke Sachen andrehen. Ne, danke."

Er grinste leicht und kratzte sich am Hinterkopf. Dann jedoch war er diesmal derjenige, der sich vor Kai entblößte und sich bis auf die Unterwäsche auszog. Nur noch in Boxern bekleidet stand er nun vor Kai und hielt sich zwei verschiedene Pyjamas an den Körper.

"Welchen findest du besser?"
 

Ein bisschen verlegen wurde er schon, wie der andere sich mit einem Mal bis auf die Unterhose vor ihm auszog und ihn dann noch fragte, welchen er besser fand. "Ano... eigentlich völlig egal. Im Bett sieht das ja eh keiner.", grinste er. "Such dir ruhig was aus, aber..." Und nun trat er ganz nah an ihn ran. "Du darfst nur hier bleiben, wenn du ab jetzt auch vernünftig isst. Ich will nicht, dass du hier noch vom Fleisch fällst. Das möchte ich wirklich nicht." Leicht zwickte er ihm in die Seite. "Versprochen?", forderte er. Wenn er schon ein Versprechen gab, dann Uruha bitte auch. Und er würde sicher ganz genau auf die Einhaltung dessen aufpassen. Ganz sicher.
 

Uruha wurde leicht rot, als Kai ihm plötzlich so nahe war und hielt den Atem an, als er ihn direkt ansah. Jetzt konnte er Kais Schokoaugen mal von ganz nahem sehen. Dieser Kerl brauchte einen Waffenschein dafür. Das war ja nicht mehr normal. Diese Augen waren so wunderschön. Er fiepte leise auf, als Kai ihn in die Seite zwickte und sah ihn schmollend an.

"Hai, Mami. Mach ich. Keine Sorgen."

Er grinste zuckersüß und machte sich nun daran, den violetten Schlafanzug anzuziehen. Als er ihn anhatte, krabbelte er sofort unter Kais Bettdecke und schaute ihn an.

"Ich verspreche dir hoch und heilig, dass ich mehr esse! Versprochen!"
 

Zum ersten Mal in den letzten Tagen lächelte er wieder von ganzem Herzen. Es hatte ihm die ganze Zeit etwas gefehlt. Seit er hier war, fühlte er sich nicht wohl und mit einem Schlag war es anders. Lag das an Uruha? Lag es wirklich nur daran, dass er nicht dagewesen war? Oder was war es?

Na auch egal. Jetzt würden sie erst einmal schlafen gehen. Und so zog er sich das Shirt und die Hose aus und griff nach seinem Shirt, das er immer zum Schlafen anzog. Er roch kurz daran und rümpfte die Nase. Okay, er sollte wohl doch lieber ein anderes raussuchen. Und so tapste er mit freiem Oberkörper zu seinem Schrank und wühlte erst einmal nach dem passenden Teil zum Schlafen.
 

Er beobachtete Kai, wie er an seinem Shirt roch und das Gesicht verzog. Ein Grinsen stahl sich auf seine Lippen. Da musste wohl mal was gewaschen werden. Er sah, wie Kai sich richtig anzog und sich dann neben ihn ins Bett kuschelte. Uruha überlegte, was er nun machen sollte. Durfte er sich vielleicht an Kai kuscheln? Oder war das vielleicht sogar schon zu viel verlangt?

Ach, egal. Schüchtern kuschelte er sich in Kais Arme und legte den Kopf auf dessen Arm ab. Dann sah er ihm in die Augen und lächelte.

"Kuscheln?", fragte er leise und versuchte, ihm sein schönstes Uruha-Lächeln zu schenken. "Ich hab dich so vermisst..."
 

Zufrieden sank er in die weichen Kissen und spürte schon, wie Uruha seinen Kopf auf seinem Arm bettete. Es war so, als wäre es das Normalste auf der Welt mit einem Freund so im Bett zu liegen und einzuschlafen. Aber zu seinem Erstaunen störte ihn das nicht im Geringsten. Es fühlte sich gut an und er erwiderte das süße Lächeln Uruhas mit einem ebenso süßen.

"Hai, ich auch." Und schon hauchte er ihm einen Kuss auf die Stirn und schloss die Augen. "Oyasumi nasai, Ruha-chan.", säuselte er und drückte ihn noch etwas mehr an sich. Diese Nähe war irgendwie schön und so verdammt beruhigend, dass er binnen Sekunden schon ins Reich der Träume abdriftete und nur sein ruhiger, leiser Atem noch zu hören war.
 

Uruha wurde leicht rot, als er den süßen Kuss auf die Stirn bekam und fing sogar leise an zu schnurren. In Kais Armen fühlte er sich so geborgen wie schon lange nicht mehr und er nahm sich fest vor, Kai nicht mehr wieder einfach so gehen zu lassen. Er wusste, dass er überreagiert hatte und das würde ihm jetzt nicht nochmal passieren. Ganz sicher nicht. Kai war im Moment der wichtigste Mensch in seinem Leben und den wollte er nicht vermissen müssen. Nie mehr.

Schon nach kurzer Zeit schlief der vollkommen übermüdete Uruha schon wie ein Stein und wachte bis zum nächsten Morgen auch nicht mehr auf.
 

Der Einzige, der auch noch Stunden später wach war, war Miyavi. Er hatte sich einfach mal vor den Fernseher gesetzt und zappte noch immer fröhlich und putzmunter durch die Kanäle. Es musste so gegen drei Uhr gewesen sein, wo er sich dann doch mal erhob und zur Tür ging. Leise schloss er sie auf und schaute über den dunklen Flur. Alles war still. Ob die beiden denn auch schon schliefen?

Das wollte er testen und auch sicher gehen, dass die Streithähne sich wieder vertragen hatten.

Ganz leise schlich er durch den Flur und blieb vor Kais Zimmertür stehen. Vorsichtig drückte er die Klinke hinunter und betrat den Raum. Auch hier herrschte absolute Stille. Nur der leise Atem der beiden war zu hören. Langsam kam er näher und musste grinsen. Das fahle Licht von draußen ermöglichte es ihm, dass er die beiden auch in dieser Finsternis erkennen konnte.

Beide lagen eng aneinander gekuschelt in Kais Bett und schliefen selig. Das war ein wirklich schönes Bild, musste er feststellen. Und damit er das nicht durch einen blöden Zufall zerstörte, machte er sich ganz schnell auf den Weg zurück in das Zimmer, aus dem er gekommen war und schlüpfte unter die Decke. Mit einem breiten und ziemlich zufriedenen Grinsen schlief er dann auch irgendwann ein.
 

Von Miyavis nächtlichen Ausflügen durch das Haus und in ihr Zimmer bekamen die beiden Schmusekätzchen gar nichts mit. Uruhas Kopf lag mittlerweile auf Kais Brust, während er seine Arme um ihn geschlungen hatte und Kais Hand lag auf Uruhas Hüfte. Die Decke lag halb auf Uruha, halb auf dem Boden, doch trotzdem wachten beide nicht auf.

Früh am Morgen war Kais Mutter schon auf den Beinen. Ihr Mann schlief noch schnarchend im Bett, aber sie wollte ihrem Sohn etwas Gutes tun und ihm Frühstück ans Bett bringen und ihn so etwas aufmuntern. Der Junge war die ganze Zeit über so traurig gewesen. Also ging sie in die Küche, machte einige Leckereien zurecht, stellte diese auf ein Tablett und balancierte es zu Kais Zimmer. Umständlich drückte sie die Klinke herunter und öffnete die Tür. Dann stellte sie das Licht im Zimmer an und drehte sich herum. Da sah sie, dass ihr Sohn mit irgendeinem fremden Jungen im Bett lag und friedlich schlief. Sie stieß vor Schreck einen spitzen Schrei aus und ließ das Tablett fallen, von welchem der Inhalt auf den Boden purzelte.

"Yutaka! Was macht dieser Mann in deinem Bett?!"
 

Erschrocken zuckte er zusammen, als es erst polterte und dann auch noch ein spitzer Schrei durch sein Zimmer hallte. Müde rieb er sich die Augen und setzte sich auf. Erst rieb er sich den Schlaf aus den Augen und dann fuhr er sich mit beiden Händen durch das schwarze ziemlich zerwuschelte Haar. Mit halbgeschlossenen Augen schaute er seine Mutter an.

"Ohayou, Okaa-san.", begrüßte er sie und grinste dann breit. Plötzlich musste er gähnen und rieb sich erneut die Augen.

"Darf ich vorstellen, Okaa-san. Das ist Uruha. Er ist der neue Gitarrist in der Band von Ruki, Reita und mir. Du weißt schon." Mehr sagte er nicht dazu. Mehr brauchte sie auch vorerst nicht zu wissen. "Und weil Miyavi das Gästezimmer blockiert, hat er eben in meinem Bett mit geschlafen. Das Sofa is viel zu unbequem."
 

"Aber... Aber...", stammelte sie. "Was macht er denn hier? Kai... Der war doch gestern Abend noch nicht da. Wie ist er denn hierhergekommen, bitteschön? Und was hat Miyavi hier zu suchen, huh? Ich verlange eine Erklärung!"

Sie stemmte die Hände in die Hüften und schaute ihren Sohn grimmig an. Uruha richtete sich nun auch total verschlafen auf und rieb sich die Augen. Als er Kais Mutter sah, erschrak er kurz, dann stand er jedoch auf und verbeugte sich artig vor ihr.

"Ohayou, Uke-San. Ich bin Uruha. Ich... Bin ein Freund von Yutaka..."

Die Frau sah ihn überrascht an, musterte ihn und Uruha fiepte erschrocken auf, als sie ihn plötzlich an der Hüfte fasste und abtastete. Verdattert blickte er sie an. Die Frau sah entsetzt aus und fragte ihn:

"Wie lange hast du denn schon nichts mehr gegessen? Na komm, ich mach dir schnell was!"

Und schon wurde Uruha aus dem Zimmer gezerrt und in die Küche manövriert. Kai ließen sie einfach stehen.
 

Verdattert schaute er ihnen hinterher. Hatten sie ihn eben eiskalt hier stehen lassen? Ihn vollkommen vergessen?

Hallo?! War das nicht seine Mutter? Oder hatte er jetzt irgendwas verpasst?

Scheinbar, denn seine Mutter machte keine Anstalten, auch ihn mit sich zu zerren. Na ja, dann konnte er es sich ja nochmal gemütlich machen und schlüpfte wieder unter die warme Decke. Er wusste ja, dass dem anderen nichts passieren würde, wenn sie ihn nur durchfüttern wollte. Und den Anschein erweckte sie gerade.

Dass auf dem Boden noch die ganzen Scherben lagen, störte ihn nicht. Das konnte er ja nachher immer noch wegräumen.

"Oyasumi...", murmelt er zu sich selbst und kuschelte sich wieder tief in die Decke, um dann friedlich in einen erneuten Schlaf zu versinken.
 

Uruha jedoch wurde weiter mit gezerrt, bis er schließlich mit Kais Mutter in der Küche angelangt war. Dort wurde er auf einen Stuhl gedrückt und ihm wurde befohlen, sich nicht mehr zu rühren, bis er aufgegessen hatte. Kais Mutter zauberte ein wundervolles, ausgewogenes Frühstück auf den Tisch und setzte sich dann neben ihn, um ihn genau zu beobachten und aufzupassen, dass er nicht weglief. Das hatte Uruha aber auch gar nicht vor. Viel zu erschrocken war er darüber, dass ihn eine wildfremde Frau einfach so angefasst hatte. War das normal in dieser Familie? Hatten die alle kein Schamgefühl?

"Du bist also Uruha, ja? Du bist der Gitarrist von meinem Sohn?"

Uruha nickte leicht.
 

"Dann erzähl mal, was dich dazu gebracht hat, bei dieser Chaotentruppe mitzumachen? Is doch bestimmt nicht leicht mit den Jungs.", lächelte sie und schaute dabei zu, wie Uruha sich langsam an das Essen heranwagte. "Keine Angst. Das kannst du alles essen. Dir nimmt keiner was weg. Yu-chan kann sich nachher selbst was machen. Der weiß ja, wie das geht."

Sie wandte nicht ein einziges Mal den Blick von dem jungen Mann, der vor ihr saß und wartete gespannt auf eine Antwort. Sie wollte schon gerne wissen, woher sich die beiden denn kannten. Kai war zwar ein kontaktfreudiger Mensch und ziemlich umgänglich, aber so einen hübschen jungen Mann hatte er bisher noch nie mitgebracht.
 

Uruha geriet langsam ins Schwitzen. Was sollte er denn jetzt sagen? Dass Kai ihn von der Straße aufgegabelt hatte und dass das eigentlich eine komplette Lüge war? Also, dass er eigentlich gar nicht der Gitarrist der Band war, musste sie ja nicht wissen. Da konnte er mogeln. Aber dass er von der Straße kam... Uruha kam ein Gedanke. Gar keine schlechte Idee...

"Ano... Eigentlich hab ich immer draußen auf der Straße mit meinem Vater Gitarre gespielt, um die Leute ein bisschen zu unterhalten. Und dann kam Kai eines Tages vorbei und hat gemeint, dass er mich so gut findet, dass er mich in seine Band aufnehmen will. Joar und da hab ich natürlich nicht nein gesagt.", er grinste leicht.

Hoffentlich war das jetzt nicht zu weit hergeholt.
 

Etwas irritiert schaute sie ihn an und legte den Kopf schief. Irgendwie war das schon ungewöhnlich. So etwas machte ihr Sohn doch sonst nicht? Ein bisschen skeptisch war sie schon, was das anbelangte. Aber was sollte sie denn sonst hören wollen? Irgendwann würden sie schon mit der Sprache rausrücken und Uruha schien doch ein ganz netter Kerl zu sein. Jedenfalls machte er den Eindruck.

"Aha... Bist du deshalb so dünn? Das ist nicht gesund, mein Junge. Da müssen wir aber mal was unternehmen." Nun richtete sie sich auf und stemmte sich mit den Händen von der Tischplatte ab. "Du bleibst jetzt solange hier, bis Yu-chan wieder fährt. Dann kann ich wenigstens sicher sein, dass du vernünftig isst. So lass ich Freunde von meinem Sohn nicht wieder aus dem Haus.", verkündete sie ihm.

Da kam auch schon ein völlig verpennter Kai auf nackten Füßen in die Küche und rieb sich die Augen. "Warum machst du hier so einen Lärm, Okaa-san? Du weckst noch die gesamte Nachbarschaft."
 

Uruha seufzte erleichtert. Sie hatte es geschluckt. Gott sei Dank. Was, wenn sie es ihm nicht geglaubt hätte? Nicht auszudenken... Er wollte nicht, dass sie ihn auch noch für einen Obdachlosen hielt, wie Ruki es schon anfangs getan hatte. Er wollte ganz normal behandelt werden.

"Ano... Meine ganze Familie ist so dünn, ich glaube nicht, dass sich da so viel machen lässt.", schwindelte er und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. "Aber das ist trotzdem sehr liebenswürdig von Ihnen. Arigatou."

Da kam auch schon ein total müder Kai in die Küche und sah beide fragend an. Uruha seufzte. Hoffentlich würden sie sich jetzt nicht verplappern.
 

"Yu-chan!", begrüßte sie ihn nun etwas freundlicher und umarmte ihn auch so gleich. "Ich wusste gar nicht, dass du auch schon Musiker auf der Straße ansprichst. Du willst wohl wirklich endlich eine richtige Band zusammenstellen, was?"

Verwirrt sah er seine Mutter an und dann an ihr vorbei zu Uruha. Dieser hatte den Kopf gesenkt und stocherte in seinem Frühstück herum, das vor ihm stand.

"Ano..." Hoffentlich bekam er jetzt die Kurve. "Na ja, Uruha kann halt einfach verdammt toll Gitarre spielen. Glaubst du echt, den würde ich mir durch die Lappen gehen lassen?", grinste er und hoffte, dass er jetzt nichts Falsches gesagt hatte. Vielleicht hätten sie sich vorher doch lieber absprechen sollen. Dann wäre eine solche Situation vermutlich gar nicht erst entstanden.
 

Uruha hielt den Kopf gesenkt und stocherte nervös in seinem Essen herum. Wenn das jetzt schiefgehen würde, dann würde er jetzt wohl wirklich seine Koffer packen und abreisen müssen. Er wollte nicht, dass ihn irgendjemand für einen obdachlosen Penner hielt. Nein. Da würde er lieber freiwillig gehen. Das wäre wirklich zu peinlich. Aber Kai schien ja die Kurve gekriegt zu haben, denn er klang sehr überzeugend und grinste dabei noch sein typisches Lächeln. Super. Klappte doch fantastisch.

Zusammen mit Kai aß er das viele Essen auf, dann räumte Kais Mutter ab und Uruha und Kai standen auf. Uruha sah seinen neuen Freund fragend an.

"Ano... Was machen wir jetzt? Eine Idee?"
 

In einem Moment, in dem seine Mutter sie nicht beobachtete, beugte er sich zu ihm rüber und flüsterte ihm leise ein paar Worte ins Ohr. "Da haben wir echt Schwein gehabt, Ru-chan." Dann grinste er und half seiner Mutter dabei, den Geschirrspüler einzuräumen. Als das getan war, lehnte er lasziv mit dem Rücken gegen die Arbeitsfläche und stemmte sich mit seinen kräftigen Armen daran ab. Ein sanftes Lächeln umspielte seine Lippen.

Doch sogleich verschwand es wieder, als eine Person den Raum betrat, die noch gehörig den Marsch geblasen bekommen würde. Miyavi stand mit freiem Oberkörper in seiner Küche und gähnte ausgelassen mit einem verdammt breiten Grinsen im Gesicht. Sofort verfinsterte sich Kais Miene.

"Du~!“, knurrte er auch sogleich.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2009-09-28T17:10:05+00:00 28.09.2009 19:10
"Yutaka! Was macht dieser Mann in deinem Bett?!"
Wie geil xD

Wie immer toll geschrieben freu mich schon aufs nächste Kapi ^~^


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