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Sorrow and Pain

von

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Er war mal wieder über eine Stunde zu spät dran. Seinen Chef verfluchte er gerade wieder mal wie wild. Zumindest in seinen Gedanken. Jetzt war es drei Uhr nachts und hoffentlich war Miyavi noch da. Er wollte Uruha nur ungern alleine lassen.

Als er die Tür aufschloss, war alles dunkel. Nirgends brannte mehr Licht und alles war still. Ob Miyavi doch schon gegangen war, schoss es ihm durch den Kopf. Er schlüpfte aus seinen Schuhen und tapste auf leisen Sohlen durch den Flur ins Wohnzimmer. Doch nichts. Kein Licht, kein Geräusch, kein Miyavi. Und so tapste er weiter und blieb im Türrahmen zu seinem Schlafzimmer stehen. Schmunzelnd beobachtete er das Szenario, das durch die kleine Nachttischlampe gut sichtbar war. Da lagen Miyavi und Uruha in seinem Bett. Beide schienen die gleichen Schlafgewohnheiten zu haben, denn sie lagen beide quer und streckten alle Viere von sich. Wenn das mal kein lustiges Bild war.

Vorsichtig ging er zu seinem Nachtschrank und schaltete das Licht aus. Er würde die beiden lieber in Ruhe schlafen lassen. Wecken wäre jetzt wirklich gemein gewesen. Und so zog er sich zurück und verschob einfach mal den Verbandswechsel von jetzt auf einen späteren Zeitpunkt. Das würde ja nicht wegrennen.

Er zog sich das Shirt über den Kopf und schlüpfte aus seiner Hose, um sich dann mit der Wolldecke, die auf dem Sofa lag, zuzudecken und es sich auf dem Sofa gemütlich zu machen.

"Oyasumi nasai...", hauchte er in die Stille und schloss dann die Augen.
 

Uruha und Miyavi bekamen von alledem nichts mit. Sie lagen alle Viere von sich gestreckt auf dem Bett, Miyavi dazu noch leise vor sich hin schnarchend und Uruha leise schnurrend. So schliefen sie beide friedlich bis zum nächsten Morgen.

Der begann schon ziemlich früh für Uruha, denn Miyavi ließ einen extrem lauten Schnarcher hören und schmatzte leise vor sich hin. Dadurch wurde Uruha wach und blinzelte leicht verstört in das helle Sonnenlicht. Wo war er? Was war hier los?

Dann blickte er neben sich und lächelte Miyavi an. Der Größere sah irgendwie richtig niedlich aus, wie er da so schlief. Vorsichtig stand Uruha auf und tapste leise ins Wohnzimmer.

"Kai-Chan? Bist du wach?", fragte er in die Stille hinein.
 

Doch Kai schlief noch tief und fest. Die Schicht hatte ihn eine Menge abverlangt und er war einfach nur froh gewesen, dass er endlich schlafen konnte. Sein Atem ging leise und er hatte sich dick in die Decke eingemummelt. Friedlich schlummerte er vor sich hin. Er war noch gänzlich in seiner Traumwelt gefangen und lächelte kurz im Schlaf.

Doch dann drehte er sich und wickelte sich aus der Decke aus, die zu Boden fiel. Nun lag er nur noch in seiner Boxershorts auf dem Sofa und schlief einfach weiter. Er war einfach noch viel zu erschöpft.
 

Uruha tapste auf leisen Sohlen zu Kai hinüber und bückte sich, um ihm die Decke wieder über den schlanken Körper zu legen. Dabei berührte er die weiche Haut an seinen Oberarmen und erschauderte. Nur einmal... Einmal drüber streicheln... Uruha konnte nicht wiederstehen und streichelte ihm überaus vorsichtig über den Arm. Kai hatte wirklich sehr weiche Haut. Es fühlte sich schön an, sie zu berühren. Dann deckte er den Körper richtig zu und tapste in die Küche.

Dort sah er sich um und biss sich auf die Unterlippe. Hm... Er wollte Miyavi und Kai mal eine Freude machen und ihnen Frühstück machen. Nur leider hatte er keine Ahnung, wie er das anstellen sollte. Er seufzte, griff sich einfach kurzerhand eines von Kais Kochbüchern und schlug die Seite mit den Reisbällchen auf. Sah ja gar nicht so schwer aus... Also machte er sich an die Arbeit. Leider war er dabei ziemlich laut.
 

Kai bekam gar nichts mit. Es war das erste Mal, dass er einen so tiefen und festen Schlaf hatte. Doch einer wurde wach. Miyavi. Dieser wuschelte sich durch das zerzauste Haar und kam gähnend aus dem Schlafzimmer marschiert. Im Wohnzimmer sah er seinen Freund auf dem Sofa friedlich schlummern und zog die Stirn kraus. Wer um alles in der Welt machte denn so einen Krach am frühen Morgen? Und wer traute sich in Kais Küche? Der musste aber verdammt mutig sein, stellte er fest.

Verschlafen wanderte er weiter und grinste breit, als er Uruha da stehen sah, wie er sich mit dem Reiskocher abquälte. "Ohayou...", begrüßte er ihn und hätte dabei fast den Reiskocher an den Kopf bekommen, weil er Uruha erschreckt hatte und der ziemlich wild um sich schlug.
 

Uruha mühte sich gerade mit dem Reiskocher ab, da er einfach nicht wusste, wie er den bedienen sollte und fluchte dabei ziemlich unfein vor sich hin. Himmel, er war ja ein richtiger Dreckspatz. Da musste er sich demnächst wohl mal gründlich den Mund auswaschen. So ging das ja nun wirklich nicht. Nein...

Plötzlich jedoch wurde er von hinten angesprochen, quiekte laut auf und drehte sich so schnell um die eigene Achse, dass er seinem Gegenüber beinahe den Reiskocher gegen den Kopf geschlagen hätte. Sein Herz pochte wild und er musste sich am Tresen festhalten, um nicht zusammenzusacken.

"Miyavi... Spinnst du?", keuchte er und fasste sich ans Herz.
 

Jetzt war auch Kai wach geworden. Müde rieb er sich die Augen und starrte zu der Tür, aus dessen Richtung wohl gerade dieser Urschrei kam. So richtig konnte er diesen nicht zuordnen. Dennoch stand er auf und marschierte auf nackten Füßen und nur mit seiner Boxer bekleidet in Richtung Küche.

Er gähnte hinter vorgehaltener Hand und schaute von Miyavi zu Uruha und dann zum Reiskocher. Irgendwie kam er immer noch nicht ganz klar. Aber wie es schien, wollte hier jemand Reis kochen. Etwas verwirrt schaute er Miyavi an und dann Uruha. "Was tut ihr zwei hier?", fragte er und kratzte sich kurz über Bauch und die Seiten. Er war irgendwie noch nicht ganz wach.
 

Mussten ihn heute denn alle erschrecken? Erst Miyavi und jetzt auch noch Kai. Gott, sah der müde aus. War wohl eine lange Nacht geworden. Der arme Kerl. Er seufzte leise und versuchte sich an einem Lächeln. Sein Herz schlug immer noch so wahnsinnig schnell. Viel zu schnell für seinen Geschmack.

"Ano... Ich wollte Frühstück machen und da kam auch schon Miyavi an und... Jetzt bist du auch da und meine Überraschung ist futsch. Ich kann nur nicht kochen... Der Reiskocher ist ziemlich kompliziert.", nuschelte er leise.
 

Kai kicherte. Irgendwie konnte wohl keiner seiner Freunde wirklich kochen. Na ja, dann musste er ihnen doch irgendwann mal einen Kochkurs schenken oder gar selbst einen durchführen. Vielleicht würde das ja etwas bringen.

Lächelnd kam er auf ihn zu und griff von hinten um ihn herum. Wenn Uruha schon kochen wollte, würde er ihm das eben zeigen.

"Das ist wirklich lieb von dir. Arigatou...", hauchte er ihm gegen den Hals und legte seine Hände auf die des Größeren. Seine Brust drängte sich gegen Uruhas Rücken. "Komm, ich zeig dir, wie das geht und dann schaffst du das schon.", meinte er und widmete sich dem Reiskocher. Mit seinen Händen lenkte er Uruhas. "So, das machst du so und zack, schon ist alles fertig. Jetzt musst du nur noch warten, bis es fertig ist."

Miyavi stand dezent im Hintergrund und beobachtete die beiden mit einem breiten Lächeln im Gesicht.
 

Uruha spürte Kais Körper an seinem gerade überdeutlich und schluckte hart. Kai war ihm so nahe, so unglaublich nahe, dass ihm beinahe schwindlig wurde. Wie kam es, dass ein ihm eigentlich vollkommen fremder junger Mann sich so nahe an ihn heranwagte? Das war irgendwie nicht mehr normal. Jedenfalls fühlte es sich nicht normal an, aber es störte Uruha auch nicht. Nicht im Geringsten. Sein Herz schlug hart und schnell in seiner Brust und er hoffte, dass es nicht so laut war, dass Kai es würde hören können. Miyavi hatte er längst vergessen. Für ihn zählte gerade nur Kais Nähe.

"Arigatou...", stammelte er leise und spürte, wie seine Wangen wieder heiß wurden und sich feuerrot färbten. Himmel... "Lass mich jetzt nicht los...", wisperte er leise und wurde sich nicht ganz bewusst, dass er das soeben gerade so laut gesagt hatte, dass es Kai hören konnte.

Seine Knie waren weich geworden und drohten beinahe, unter ihm nachzugeben.
 

Der Schwarzhaarige schluckte. Wieso sollte er ihn jetzt nicht loslassen? Ging es ihm nicht gut? Aber... eben sah er doch noch kerngesund aus. "Ano... geht es dir nicht gut?", fragte er besorgt und legte die Arme einfach um seinen Bauch. Er wollte nicht riskieren, dass er jetzt hier einfach zusammensackte. Das wäre nicht gut. Außerdem waren die Fliesen bestimmt nicht gerade angenehm, wenn man dort aufschlug. Er hielt ihn einfach fest. "Möchtest du dich lieber setzen?" So richtig wusste er nicht, was er machen sollte. Und ganz wach war er auch noch nicht. "Sag mir, was los is?", bat er mit Besorgnis in der Stimme.
 

Zu behaupten, ihm würde es nicht gut gehen, wäre maßlos übertrieben gewesen? Es ging ihm gerade eigentlich mehr als gut. Sein Bauch kribbelte als wenn tausend Schmetterlinge in ihm herumflattern würden, jedoch waren seine Knie butterweich und drohten wirklich jeden Moment, nachzugeben. So krallte er sich leicht an Kais Unterarmen fest und lehnte sich von hinten an ihn. Am liebsten würde er ewig so stehenbleiben...

"Iie... Halt mich bitte einfach fest, ja?", fragte er leise.
 

Okay, wenn er das so wollte, dann würde er das tun. Etwas hilflos sah er zu Miyavi, der noch immer grinsend in der Tür stand und nur mit den Schultern zuckte. Und im nächsten Moment verschwand er und rief aus dem Flur noch etwas zu ihnen. So ganz verstehen konnte er es nicht. Dennoch kamen die Worte "Bis heute Abend, Uruha!" noch bei ihm an. Dann hörte er nur die Tür ins Schloss fallen und weg war sein Freund. Irgendwie bekam er wohl heute gar nichts wirklich mit. Erst wurde für ihn gekocht, dann wurde er darum gebeten, dass er den anderen festhielt und mit einem Mal verschwand sein Freund ohne ein weiteres Wort. Das war ein wirklich seltsamer Tag heute. Ob da noch mehr von solchen Überraschungen kam?
 

"Hai...", nuschelte er leise auf Miyavis Ausruf. "Bis heute Abend dann..."

Jedoch kuschelte er sich noch etwas mehr an Kai heran und seufzte leise und zufrieden. Kai war so schön warm und weich, dass er am liebsten auf ewig so mit ihm da gestanden hätte. Aber das war wohl nicht möglich. Schade eigentlich. Sehr schade sogar.

"Kai... Wechselst du mir gleich mal den Verband, bitte...?", fragte er leise in die Stille hinein.
 

Der Kleinere nickte. "Klar, wenn du möchtest? Der Reis braucht ja noch ein bisschen." Und so löste er sich wieder von dem anderen. Er streckte sich ausgiebig, wobei seine Knochen leicht knackten. Noch einmal gähnte er ausgiebig und ging dann zum großen Fenster im Wohnzimmer. "Das machen wir am besten gleich, dann haben wir das hinter uns. Ich dachte zwar, dass Miya uns helfen würde, aber na ja. Wir schaffen das auch schon alleine, oder?" Er öffnete das Fenster und lehnte sich erst mal der frischen Luft entgegen. "Hach, das wird heute herrliches Wetter.", meinte er so und lehnte sich nun mit dem Rücken zum Fenster. Mit den Händen stützte er sich am Fensterbrett ab und lächelte Uruha an. "Wie geht´s dir heute eigentlich? Ihr habt ja beide schon tief und fest geschlafen, als ich kam."
 

Uruha ließ sich auf dem Sofa nieder und verflocht seine Finger miteinander. Dann blickte er zu Boden. Eigentlich hätte er auch erwartet, dass Miyavi ihnen helfen würde. Oder hatte er sich extra verkrümelt, damit sie alleine waren? Konnte gut möglich sein... Schließlich hatte er ihn auch gefragt, ob er Kai gerne mögen würde und da hatte er ja gesagt. Irgendwie fand er Kai wirklich sehr attraktiv. Anscheinend stand er auf Männer...

"Mir geht´s ganz gut. Außer, dass der Verband tierisch juckt..."
 

"Na dann komm. Wollen wir dich daraus mal befreien." Und schon kam er auf ihn zu und zog ihn wieder auf die Beine. "So, dann wollen wir mal schauen, dass wir den hier mal abmachen." Langsam und mit äußerster Vorsicht wickelte er den Verband ab. Darunter kam immer mehr Haut zum Vorschein. Sie war leicht gerötet. Stück für Stück fielen die einzelnen Verbände und ließen dann nur noch einen nackten Oberkörper sehen. Allerdings konnte er mehrere blaue Flecken und auch Blutergüsse auswindig machen. Das gefiel im ganz und gar nicht.

"Möchtest du vorher lieber duschen? Dann ist es danach vielleicht angenehmer mit dem Verband.", fragte er und sammelte die einzelnen langen Stofffetzen auf, um sie dann im Mülleimer zu entsorgen. Verbandszeug hatte er genug da. Nicht nur von seiner Ärztin hatte er welches bekommen. Und so konnte er sicher sein, dass er immer frische Verbände hatte.
 

Nachdem Uruha endlich von seinem Druckverband befreit worden war, atmete erleichtert aus. Das war wirklich eine Qual gewesen. Endlich konnte er mal etwas freier atmen und blickte dann auf Kais Frage hin zu ihm und nickte leicht. Er würde sogar ziemlich gerne duschen.

"Hai, wenn ich darf."

Sofort machte er sich daran, sich seiner Sachen zu entledigen. Jedoch kam er nicht weit. Er wollte sich seine Hose ausziehen, doch als er sich auch nur ein wenig bückte, schmerzte sein Brustkorb höllisch und er wimmerte leise auf. Verdammt, tat das weh.

"Itai...", jammerte er leise und setzte sich auf den Klodeckel, um wieder besser atmen zu können.
 

"Alles okay?", fragte er ihn. Er hatte nur einen Schmerzlaut vernommen. Aber er wusste nicht, wo er wieder Schmerzen hatte. "Wenn du Hilfe brauchst, sag einfach Bescheid, hai? Ich helf dir dann." Und so entfernte er sich wieder von dem anderen und schaute mal eben nach dem Reis. Auf der Arbeitsfläche neben dem Reiskocher lag ein Buch aufgeschlagen. Aha, Uruha wollte also Reisbällchen machen. Nicht sehr anspruchsvoll, aber eine sehr süße Idee. Warum auch nicht?

Schnell griff er zum Kühlschrank und suchte noch ein paar andere Sachen heraus. Konnte er ihm ja noch eine Omelette dazu machen. Mal sehen, ob ihm das auch schmecken würde.

Und so trällerte er fröhlich vor sich hin, während er weiter das Frühstück zubereitete.
 

Das war ja auch irgendwie gemein von Kai. Er hatte doch genau gehört, dass er Schmerzen gehabt hatte. Wieso kam er denn dann nicht und versuchte ihm zu helfen? Das hatte er doch sonst auch immer getan. Aber er wollte ja auch nicht, dass Kai ihn wieder für einen Schwächling hielt, also sagte er erst mal gar nichts und zog sich unter Schmerzen aus. Mit schwerem Atem ging er unter die Dusche und duschte sich vorsichtig ab. Nachdem er das so gut gemacht hatte, wie er konnte, stieg er wieder aus der Dusche hinaus, trocknete sich unter Schmerzen ab und langte dann einfach nach Kais Bademantel. Auf noch mehr Schmerzen beim Anziehen hatte er keine Lust.

Sich die Hand auf den schmerzenden Brustkorb pressend, tapste er zurück zu Kai in die Küche, wo es bereits lecker duftete.
 

"Hey, fertig mit duschen?", fragte er und lächelte ihn an. "Essen ist gleich soweit. Wollen wir schnell den Verband anlegen? Dann kannst du vielleicht besser sitzen und so." Er wartete aber gar nicht erst auf eine Antwort. Sofort wusch er sich die Hände und packte Uruha dann gleich wieder am Handgelenk. Langsam zog er ihn zum Sofa, wo er schon sämtliche Sachen bereitgelegt hatte. U.a. lagen hier unzählige Verbände und Salben und auch Pflaster, um dem Verband Halt zu geben.

"So, Herr Patient. Dann machen Sie mal bitte den Oberkörper frei.", scherzte er.
 

Und schon lag er auf dem Rücken auf dem Sofa und musste sich wohl oder übel Kais 'ärztlichen Untersuchungen' über sich ergehen lassen. Hoffentlich wurde das auch was. Er hatte irgendwie Angst, dass Kai ihm noch mehr Schmerzen bereiten würde. Diese ganzen Salben und Pflaster sahen auch nicht gerade freundlich aus.

Aber er folgte Kais Anweisungen und ließ sich den Bademantel über die Schultern gleiten, sodass er mit freiem Oberkörper vor Kai lag und ihn erwartungsvoll ansah.
 

Kai schluckte. Eigentlich war Uruha wirklich ein hübscher Kerl und er fragte sich immer noch, wie man ihm so etwas hatte antun können. Wer besaß so viel Dreistigkeit und konnte einem Menschen so viele Wunden zufügen? Das durfte doch nicht wahr sein. Wenn er den in die Finger kriegen würde, dann Gnade dem Gott. Der würde die nächsten Wochen weder stehen, noch laufen, noch irgendetwas zu sich nehmen können.

Bei dem Gedanken, dass man seinem Freund so etwas angetan hatte, stieg Wut in ihm auf und er ballte die Hände zu Fäusten. Dann hockte er sich hin und senkte den Kopf. "Gomen, Uruha... Es tut mir leid, dass man dir so etwas angetan hat. So etwas werd ich nicht mehr zulassen. Das versprech ich dir." Nun griff er nach der Salbe und tat sich etwas davon auf die Hand. Behutsam legte er sie auf die Brust des anderen und begann, ihn vorsichtig einzureiben. Er achtete besonders darauf, dass er ihm nicht weh tat. Als er das erledigt hatte, nahm er den ersten Verband und legte ihm diesen um. Dies tat er, bis auch der letzte Verband dort saß, wo er hin sollte.
 

Uruha schluckte leise, als er Kais kleine Rede hörte und versuchte sich an einem schwachen Lächeln. Das war wirklich süß von Kai, dass er ihm helfen wollte und so. Aber er wusste ja nicht, wer ihm das angetan hatte, also konnte Kai ihm auch nicht helfen. Da musste er wohl oder übel alleine durch. Ging ja auch nicht anders. Leider...

Kai massierte vorsichtig seine Brust ein, strich dabei immer wieder über seine Brustwarzen und Uruha musste stark an sich halten, nicht leise aufzustöhnen. Das Resultat jedoch war schließlich, dass seine Nippel erhärtet waren und sich Kai entgegenstreckten. Das war so peinlich, dass Uruha sich am liebsten irgendwo verkrochen hätte.

Schließlich saß auch der letzte Verband und Uruha schloss die Augen. Endlich vorbei.
 

"Und? Sitzt alles? Sonst müssen wir das noch mal neu machen. Ich hab so etwas noch nie gemacht." Irgendwie war er sich wirklich nicht sicher, ob er das jetzt wirklich richtig gemacht hatte. Das war wirklich etwas Neues für ihn und wenn, dann wollte er es auch vernünftig machen.

Erst jetzt viel ihm richtig auf, dass Uruha ja seinen Bademantel anhatte. Ein kleines Lächeln schlich sich auf seine Lippen. "Das ist zwar nicht unbedingt deine Farbe, aber steht dir auch.", lachte er und zupfte am Gürtel des Bademantels. "Violett steht dir besser."
 

"Ich weiß nicht genau... Zwickt und zwackt hier und da noch ein bisschen. Meinst du, wir sollten das nochmal machen? Es soll ja auch richtig halten und ich will nicht unbedingt wieder Schmerzen haben.", meinte er und sah Kai groß an. "Ich glaub, nochmal machen ist schon besser..."

Dann seufzte er leise.

"Du hast irgendwie einen Narren an mir gefressen, wenn ich lila an habe oder?", er grinste süß und befreite sich wieder von dem Bademantel, damit Kai den Verband nochmal richten konnte.
 

"Na, wenn du meinst.", lachte er und half seinem Versuchskaninchen dabei, sich den Bademantel wieder von den Schultern zu streifen. "Auf in die nächste Runde. Aber nicht meckern, wenn es auch noch ein drittes Mal sein muss. Heißt doch schließlich, dass alle guten Ginge drei wären. Mach dich also auf das Schlimmste gefasst." Und schon befreite er ihn wieder von dem ersten Versuch seinerseits, einen Druckverband anzulegen.

Kaum war er fertig, legte er auch schon wieder los. Und dieses Mal ging es doch um einiges leichter und besser. Vielleicht hatte er einfach nur ein bisschen Übung gebraucht. So zum warm werden.

"So, ist es jetzt besser?", fragte er ihn und zog ihm wieder den Bademantel über die Schultern.
 

Zufrieden nickte Uruha und richtete den Bademantel wieder. Das hatte Kai wirklich richtig gut hinbekommen und das schon beim zweiten Versuch überhaupt. Wirklich gut. Er grinste ihn zuckersüß an, dann beugte er sich vor und gab ihm einen kleinen Kuss auf die Wange. Leicht rot werdend sah er ihn an.

"Wirklich toll gemacht, Kai. Super. Hätte nicht gedacht, dass das so schnell und so gut klappt. Du könntest auch Arzt werden anstatt Koch.", er lachte leise und richtete sich dann auf. "Und was machen wir heute? Einfach nur zuhause rumgammeln, bis du heute Abend wieder weg musst?"
 

"Hmmm... Gute Frage." Mit vor der Brust verschränkten Armen ließ er sich im Schneidersitz auf dem Boden nieder. "Weiß nicht so genau. Eigentlich hast du ja Bettruhe verordnet bekommen und wenn ich dich wieder einfach nach draußen schleife, geht´s dir nachher vielleicht wieder so bescheiden. Das will ich eigentlich nicht unbedingt. Es soll dir doch bald mal wieder besser gehen. Dann könnten wir auch mal ein bisschen was zusammen unternehmen. Außerdem..." Jetzt lächelte er ihn süß an. "Hab ich ja ab morgen sogar frei für ein paar Tage." Dann senkte er plötzlich den Kopf. Stimmt ja, da war ja was. Er hatte sich wirklich ein paar Tage frei genommen. Das hatte er aber getan, weil er seine Familie besuchen wollte.
 

Uruhas Herz machte einen kleinen Sprung und er sah Kai nun vollends begeistert an. Er hatte einige Tage frei? Würde also die ganze Zeit über bei ihm sein können? Mit ihm reden, vielleicht ein wenig kuscheln, wenn ihm danach war und einfach nur bei ihm sein? Das war so fantastisch. Uruha grinste, doch dann bemerkte er, wie Kais Blick traurig wurde und er den Blick senkte. Huh? Was war denn nun los? Hoffentlich war alles okay. Er wollte nicht, dass Kai so traurig war.

"He? Alles okay? Ist was nicht in Ordnung, Kai?", fragte er besorgt.
 

Nichts war in Ordnung. Er hatte seiner Mutter versprochen, dass er sie besuchen und auch über Nacht bleiben würde. Allerdings wollte er Uruha auch nicht alleine lassen. Aber mitnehmen konnte er ihn ja auch nicht. Wie sollte er seiner Mutter denn erklären, dass er Uruha von der Straße geholt hatte und ihn nun gesund pflegte, obwohl er ihn eigentlich gar nicht kannte. Irgendwie war das jetzt wirklich nicht der passende Moment. Sie würde ihm dann wieder eine Moralpredigt der besonderen Art halten. Das hatte sie beim letzten Mal schon getan, als sie erfahren hatte, dass er wegen dem Mädel sein Drumset verkauft hatte und sie dann einfach verschwunden war. Und jetzt machte ihr Sohn vermutlich wieder den gleichen Fehler. Kami-sama. Das konnte er ihr doch schlecht brüh warm servieren. Sie würde ihm ordentlich den Kopf waschen.

Er schüttelte den Kopf und sah traurig auf. Seine Augen waren mit Trauer gefüllt und auch mit Demut. Er wollte ihn doch nicht alleine lassen. Er wusste doch, dass er Angst hatte.

"Ich... ich kann nicht hierbleiben. Ich habe meiner Mutter versprochen, sie zu besuchen. Das war der eigentliche Grund, warum ich frei genommen hab."
 

Uruhas Blick wurde leicht glasig. Nichts mehr war von der übermäßigen Freude noch übrig, welche noch vor kurzem in seinen Augen geleuchtet hatte. Sein Blick wirkte nun leicht stumpf und er sah zu Boden. Also war doch nicht alles okay. Kai hatte nur freibekommen, da er zu seiner Mutter fahren wollte. Also würde er viele Tage allein sein müssen. Ohne Kai... Das würde er nicht aushalten. Er würde durchdrehen vor Angst. Nur mit Miyavi als Begleitung war er einfach nicht glücklich genug und Kai hatte ihm schon so oft geholfen, wenn er Angst gehabt hatte. Er wollte nicht alleine sein.

"Aber...", er schluckte hart und presste die Lippen aufeinander. "Schon gut... Ich hätte nicht fragen dürfen..."
 

Er wollte ihn doch selbst nicht alleine lassen. Uruhas Blick und seine leise, heisere Stimme verrieten ihm, dass dieser auch nicht sehr glücklich darüber war, dass er in den nächsten Tagen nicht hier war und ihn alleine lassen würde.

"Ano..." Irgendwie wusste er nicht, was er machen sollte. Was konnte er denn schon machen, dass Uruha wieder aufbauen würde.

Vielleicht würde er ihn ja doch mitnehmen können.

"Ich werd mal kurz telefonieren." Und so zog er sich einfach ins Schlafzimmer zurück, um zu telefonieren. Es war eine kleine, eine klitzekleine Chance, die er sah. Dann würde er sich auch nicht vor seiner Familie rechtfertigen müssen.
 

Nun stand er alleine im Wohnzimmer und blickte Kai hinterher, welcher sich ins Schlafzimmer verzogen hatte, um in Ruhe telefonieren zu können. Er war gespannt. Sehr gespannt sogar, was Kai da jetzt wieder ausgeheckt hatte. Er ließ sich seufzend auf dem Sofa nieder und zog die Beine an den Körper, umschlang sie mit seinen Armen und bettete seinen Kopf darauf. Sein Körper zitterte immer noch leicht und er starrte ausdruckslos an die Wand. Was, wenn Kai wirklich für mehrere Tage zu seiner Familie reiste und ihn alleine ließ? Das würde er sicherlich nicht aushalten. Da ging er schon lieber zurück auf die Straße und versuchte sein Glück irgendwo anders. Aber ohne Kai in seinem Haus sein, das wollte er nicht. Auf gar keinen Fall.
 

Es kostete ihn einige Mühe, seinen Gesprächspartner von etwas zu überzeugen, das er gerade eben ausgeheckt hatte.

Seufzend kam er in sein Wohnzimmer zurück und sah, wie Uruha starr auf die Wand schaute. Stirnrunzelnd kam er auf ihn zu und setzte sich neben ihn.

"So, das hätten wir dann schon einmal geklärt. Dann stell dich mal auf ein langes Wochenende ein, mein Guter.", grinste er und legte ihm einen Arm um die Schulter. "Und mach dir schon mal Gedanken, wie du meine Mutter überleben willst. Könnte nämlich sein, dass sie dir mächtig auf den Zeiger gehen wird und dich mit Fragen durchlöchert. Wär das okay für dich?"
 

Leicht zusammenzuckend bemerkte er, wie Kai ihm den Arm um die Schultern legte und hörte, was er ihm zu sagen hatte. Erst drang die Nachricht gar nicht bis in sein Gehirn vor, dann jedoch machte es 'Klick' und der Schalter in seinem Hirn legte sich um. Er bekam große Augen und drehte seinen Kopf so, dass er Kai ansehen konnte. Ein Leuchten ging wieder durch seine Augen und er grinste leicht. Freudestrahlend kuschelte er sich an Kais Seite.

"Ehrlich? Danke, Kai! Ich werd mich auch gut benehmen, versprochen!"
 

"Das weiß ich doch." Er wuschelte ihm liebevoll durch das Haar. Dabei passte er allerdings auf, dass er seine Wunde nicht berührte. "Da hab ich keine Bedenken, aber..." Nun musste er ihm aber verklickern, unter welchen Umständen er ihn mitnehmen konnte. "Du musst dich ein bisschen darauf vorbereiten. Meine Mutter soll nicht wissen, dass du eigentlich ein Fremder bist und ich dich auf der Straße gefunden habe. Das würde wirklich nicht gut kommen." Er seufzte. Aber er konnte ihm nicht den Grund dafür nennen, warum seine Mutter so skeptisch bei so etwas reagierte. Das konnte er nicht. Dafür kannten sie sich einfach noch nicht gut genug. Dennoch wollte er ihn nicht alleine lassen und so würde er damit leben müssen.

"Du kommst als eines unserer Bandmitglieder mit."
 

Eine seiner feingeschwungenen Augenbrauen hob sich in die Höhe und er blinzelte Kai ein paarmal verwirrt an. Hatte er das gerade richtig gehört? Er kam mit als... Als ein Bandmitglied? Kai hatte eine Band? Da musste er doch gleich nochmal nachfragen, da war er jetzt mal neugierig.

"Ano... Du hast eine Band? Ehrlich? Wie heißt sie denn, wenn ich fragen darf? Wer spielt denn alles bei euch mit? Miyavi auch?"

All diese Fragen sprudelten geradezu aus Uruha heraus und er sah Kai mit großen Augen an.
 

Kai legte den Kopf schief und musterte Uruha. "Ano... Miyavi nicht. Der is nicht bei uns dabei. Aber... Ruki ist unser Sänger und dann is da noch Reita. Er ist unser Bassist, aber eher ein ungeselliger Typ.", erklärte er. Mehr konnte er ihm noch nicht sagen. Was er so alles wissen wollte, machte ihn doch etwas stutzig. "Ano... das kann ich dir alles noch erzählen, wenn wir morgen dahinfahren. Reicht ja, wenn wir dich als unseren Gitarristen vorstellen können. Damit wird sie sich schon zufrieden geben." Es war ihm schon unangenehm, seiner Mutter letztendlich eine solche Lüge auftischen zu müssen, damit sie ihn akzeptieren würde.
 

"Ano... Also Miyavi nicht? Aber er ist doch so ein genialer Gitarrist, wie du gesagt hattest. Wieso ist er denn dann nicht in eurer Band? Das wäre doch ein guter Fang. Und Ruki ist also euer Sänger, ja? Hätte ich ihm gar nicht so zugetraut. Seine Stimme klang für mich nicht gerade so angenehm... Werde ich denn Reita auch mal kennenlernen? Also... Wenn das geht..."

Irgendwie redete er schon wieder zu viel. Er war doch sonst nicht so. Bisher hatte er nur mit Kai ein paar Sätze gewechselt und das nicht gerade sehr viel. Er seufzte leise.

"Also fahren wir morgen dann los... Okay..."
 

"Ja, morgen fahren wir los. Aber nur wir beide. Ruki und Reita bleiben hier. Meine Mutter kommt mit Reitas grummeliger Art nicht zurecht.", lachte er. "Aber das wirst du schon noch mitbekommen. Solange werden wir dir den alten Brummbär nicht vorenthalten. Sollst ja schließlich auch deine anderen Bandmitglieder noch kennenlernen, wobei du Ruki ja schon kennst und ich bin ja eh nur nebensächlich.", grinste er.

"Aber für deinen Ausflug müssen wir noch ein paar Sachen besorgen. Sonst kann ich dich ja schlecht mitnehmen." Und irgendwie wollte er ihn jetzt unbedingt mitnehmen und seiner Familie vorstellen. Er war gespannt, wie diese auf den hübschen jungen Mann reagierten.
 

Stirnrunzelnd sah er Kai an und knabberte leicht nervös an seiner Unterlippe. Er würde also Kais Familie kennenlernen. Irgendwie war er ziemlich aufgeregt im Moment. Das war ja fast wie bei einem Besuch der Schwiegereltern. Nur dass Kais Eltern nicht seine Schwiegereltern und Kai und er nicht verheiratet waren. Schade eigentlich...

Aus, Uruha! Ganz böse!, schimpfte er mit sich selbst und wurde rot. Wie konnte er bloß so etwas denken? Das war peinlich und er war froh, dass Kai keine Gedanken lesen konnte.

"Und was willst du noch besorgen?", fragte er und blickte Kai direkt in die Augen.
 

Kai grinste und zählte mit Hilfe seiner Finger unzählige Sachen auf, die sie noch benötigen würden, damit ihrem Ausflug nichts im Wege stand. Dazu gehörten unter anderem ein paar Waschsachen, mindestens eine Badehose und halt noch ein paar Kleidungsstücke. Irgendwann hörte er auf, alles aufzuzählen und seufzte. "Die Liste ist also noch ziemlich lang. Und ich glaube, es ist besser, wenn wir da heute wenigstens schon mal die Hälfte von besorgen. Sonst wird das morgen zu viel, bevor wir losfahren. Und wir wollen ja die Woche dort genießen können, oder? Und so kommt meine Mutter auch nicht auf die Idee, dich mit irgendwelchen anderen doofen Fragen zu löchern. Du musst dich ja eh noch ausruhen. Da wäre das nicht unbedingt angebracht."
 

Uruhas Augen wurden groß, als Kai diese endlos lange Liste mithilfe der Finger wie im Mathematikunterricht aufzählte und scheinbar gar nicht mehr damit aufhören wollte. Schließlich hörte er jedoch trotzdem schon auf und erklärte Uruha, dass sie das alles heute wohl noch, so gut es eben möglich war, besorgen mussten. Na toll. Wieder so viel Geldausgeberei für Kai. Das hatte er ja eigentlich nochmal vermeiden wollen. Kai sollte nicht immer alles für ihn bezahlen. Das wollte er tun.

"Ano... Na gut. Wollen wir dann gleich los?", fragte er und stand auf. "Erst zieh ich mir aber noch was von meinen neuen Sachen an."
 

Der Schwarzhaarige seufzte. "Alles werden wir heute nicht mehr schaffen, aber das Nötigste werden wir dir schon besorgen. Das ist ein Muss. Dann können wir morgen auch noch ein bisschen in der Stadt schauen. Und nächste Woche können wir dann bei meinen Eltern noch shoppen gehen. Da gibt es eine Menge toller Läden. Und dann müssen wir unbedingt mal in den einen rein. Da muss ich unbedingt rein." Dass es sich dabei um ein Musikgeschäft handelte und er nach einem ganz bestimmten Gegenstand Ausschau halten würde, verriet er ihm nicht. Uruha sollte nicht denken, dass er schwach war und etwas hinterher trauerte, das er eh nie wieder besitzen würde.

"Dann lass uns mal los." Dass sich sein Blick von eben neu freudestrahlend zu ziemlich traurig gewandelt hatte, bemerkte er gar nicht.
 

"Hai. Dann mach ich mich schnell fertig. Bin gleich soweit."

Und schon war er im Schlafzimmer verschwunden. Dort lag die Tüte mit seinen neuen Klamotten und sofort zog er sich vorsichtig das lilafarbene Shirt mit der kürzeren Hose an und tapste so zurück zu Kai. Als er dort angekommen war, starrte er auf seine Schuhe. Die sahen auch schon ziemlich abgenutzt aus und er biss sich leicht auf die Lippen. Also auch neue Schuhe kaufen. Na toll... Noch mehr Geldausgeberei für Kai. Toll, Uruha. Ganz klasse...

"Hai, dann gehen wir mal los.", und schon hakte er sich bei Kai unter und zusammen gingen sie hinaus.

Es war herrlich warm und Uruha war froh, dass er sich diese kurzen Sachen angezogen hatte. In anderen würde er eingehen.
 

Während Uruha im Schlafzimmer war, hatte auch er sich angezogen und wartete darauf, dass sein neuer Freund endlich zu ihm kam. Er hatte heute nicht so viel Zeit. Und es würde sicher auch nicht so gemütlich sein, wie es das letzte Mal war, denn sie würden es schnell machen müssen.

"Bist du dir sicher, dass du das schaffst? Es ist nicht unbedingt sehr angenehm hier draußen. Ich hoffe, dass dein Kreislauf das mitmacht. Du bist noch nicht topfit.", meinte er, als sie die Straße entlang gingen und sich direkt auf den Weg ins Stadtzentrum machten. Es war ungewohnt, dass er jetzt mit jemandem zusammen in die Stadt ging. Sonst war er meist alleine unterwegs.
 

Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf und zuckte mit den Schultern. Ob er das aushalten würde, wusste er ja jetzt noch nicht. Alles, was er wusste, war, dass es wirklich sehr heiß hier war und er schon jetzt leicht schwitzte. Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn, als sie in eine Einkaufsstraße einbogen und sah sich um. Dann zeigte er auf ein Geschäft. Bademoden für die Herren. Das war doch was. Und vielleicht war es darin ja auch mal angenehmer. Hier ging er wirklich langsam ein.

Und so zog er Kai in das Geschäft hinein und sah sich um.
 

Unweigerlich wurde er schon in das erste Geschäft gezogen und stand perplex neben dem Größeren, der sich sofort auf die Suche nach einer Badehose begab. Verdattert blieb er am Eingang stehen und überließ Uruha das Kommando. Schließlich musste er das Ding nachher anziehen und nicht er. Dabei fragte er sich, ob das mit der Badehose wirklich einen Sinn machte, denn... Uruha musste ja noch immer den Verband tragen, damit sein Brustkorb stabilisiert war. Aber er konnte ihn ja auch schlecht mit ans Meer nehmen und dann einfach am Strand sitzen lassen. Nee, das war absolut nicht sein Ding. Also beobachtete er ihn einfach weiter.

Schnell hatte die Suche ein Ende und auch die restlichen Sachen fanden sie schneller, als er erwartet hatte. Lag vielleicht auch daran, dass Uruha ihn nicht ständig fragte, ob er das denn nehmen durfte oder nicht. Er hatte ihm beim ersten Mal klipp und klar gesagt, dass er sich etwas aussuchen sollte und dann wurde es mitgenommen.

Und scheinbar hatte das auch funktioniert.

Zwischendurch waren sie noch etwas essen gewesen und waren nun wieder auf dem Heimweg. Dabei schien ihnen eine merkwürdige Person zu folgen und Kai stutzte. Was wollte dieser Kerl von ihnen?
 

Uruha ging fröhlich mit seinen Sachen in der Hand, die er in einer Tüte verstaut hatte, neben Kai her und sah sich immer wieder um. Es kam ihm alles so fremd vor, doch irgendwie wusste er auch, dass er schon mal hier gewesen war. Von der merkwürdigen Person, die sie verfolgte, bemerkte er nichts. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, sich zu freuen. Endlich hatte er mal wieder richtig schöne Sachen zum Anziehen und neue Schuhe hatte er auch bekommen. Weiße Turnschuhe mit Klettverschluss. Sahen richtig stylisch aus, wie er fand und bewunderte sie. Er war Kai so dankbar und nahm sich vor, ihm heute so gut er konnte zu helfen.

Plötzlich jedoch sprang eine Person aus einer Seitengasse auf ihn zu. Uruha sah bloß noch, wie ein Baseballschläger auf ihn zuraste, hörte einen dumpfen Knall und dann wurde alles schwarz um ihn herum. Dass er aufgefangen und in die Seitengasse gezerrt wurde, bemerkte er gar nicht mehr.
 

"Wo bleibst du denn, Uruha.", grummelte er. So langsam mussten sie sich wirklich beeilen, damit er sich für die Arbeit fertig machen konnte. Doch dann hörte er hinter sich einen dumpfen Schlag und drehte sich abrupt um. Er sah noch, wie irgendjemand den reglosen Körper seines Freundes in die Seitengasse zog.

Hastig rannte er zurück und folgte ihnen in die dunkle Gasse. Seine Augen mussten sich erst an die unangenehme Dunkelheit gewöhnen, doch es war ihm ziemlich egal. Uruha war scheinbar bewusstlos und wurde einfach geschleppt.

"Stopp!", brüllte er in die Dunkelheit. Seine Augen gewöhnten sich langsam an das fahle Licht und er erkannte erst schwach ein paar Umrisse. Dann wurde seine Sicht klarer. Und er hatte Recht. Uruha lag bewusstlos auf dem Boden und der Kerl über ihm schien, gerade wieder auf ihn einschlagen zu wollen.

Sofort rannte er auf ihn zu, um ihn vom Schlag abzuhalten. Das durfte doch wohl nicht wahr sein. Er packte ihn am Arm und hielt ihn fest. "Was soll der Scheiß?!", keifte er und stellte sich schützend vor dem am Boden Liegenden. Er dachte gar nicht daran, vor dem bulligen Kerl vor sich Angst zu haben. Hier wurde ein Mensch verletzt und das passte ihm gar nicht.
 

Von alledem bekam Uruha nichts mehr mit. Er lag auf dem kalten Asphaltboden der Seitengasse, leicht verdreht und stark blutend. Seine Wunde am Hinterkopf war wieder aufgeplatzt und sein Gesicht war leichenblass. Seine Atmung ging leicht stockend und setzte immer wieder aus. Es sah gerade ganz und gar nicht gut für ihn aus.

Der bullige Mann, der sich bis eben noch über ihn gebeugt hatte und den blutverschmierten Baseballschläger in der Hand hielt, richtete sich auf, als eine kleine Hand sich um sein breites Handgelenk schloss und ihn vorm erneuten Zuschlagen abhalten wollte. Er knurrte auf und zeigte Kai nun sein Gesicht. Er trug eine Glatze, dazu war er wirklich ziemlich dick und muskelbepackt und an seiner Unterlippe prangte ein Lippenpiercing, während seine Arme über und über mit Tattoos bestochen waren. Er grinste hämisch und lachte dümmlich auf.

"Na? Wer bist du denn, du halbes Hähnchen? Lass mich hier meine Arbeit machen, kapiert? Und was der Scheiß soll, geht dich einen feuchten Dreck an. Wenn ich dir den Grund erzählen würde, müsste ich dich auch umbringen und das wäre doch schade.", er lachte rau auf. "Ihm hier kannst du sowieso nicht mehr helfen. Schau. Nach dem zweiten Schlag auf den Kopf sieht er ziemlich weggetreten aus und atmen tut er eh kaum noch. Macht nicht mehr lange, das Bürschchen. Lass mich jetzt meine Arbeit machen oder du kriegst es mit meinem Baseballschläger zu tun."
 

Kai schluckte, als er sich kurz zu Uruha umdrehte. Der Kerl hatte Recht. Es sah wirklich nicht gut aus für seinen Freund. Doch er konnte ihm nur helfen, wenn er den Kerl davon abhalten konnte, ihn noch weiter zu verletzten.

"Lass deine dreckigen Pfoten von ihm!", zischte er und sein Blick verriet, dass er verdammt sauer war. Der Kerl würde es wirklich bereuen, wenn er sich ihm in den Weg stellte. Sollte er doch denken, was er wollte. Für Uruha würde er auch ein paar Schläge einstecken, aber er würde ihn nicht einfach so kampflos aufgeben. Uruha war sein Freund und er hatte es genauso verdient, zu leben wie alle anderen auch. Also warum wollte er ihn umbringen?

"Was hat er dir getan, dass du ihn einfach grundlos zusammenschlägst?", fauchte er und packte etwas fester zu.

"Solltest du es wagen, auch nur ein einziges Mal Hand an ihn zu legen, dann vergess ich mich!", drohte er. Doch sein Gegenüber schien davon wenig beeindruckt, denn er holte mit dem Schläger aus und erwischte Kai überraschend an der Seite. Keuchend kniff er die Augen zusammen. Das tat schon weh, aber er würde es überleben.

Jetzt allerdings hatte er es sich mit ihm verscherzt und er holte ebenfalls aus. Mit einem kräftigen Schlag in die Magengegend brachte er den Größeren dazu, den Schläger fallen zu lassen und doch erschrocken in die Knie zu gehen.

"Was ist? War das alles, was du drauf hast? Lächerlich!" Dass er den Kerl damit weiter provozierte, war ihm nicht bewusst, aber eins war ihm klar. Das würde für den Kerl ein Nachspiel haben. Kai war sauer. Stocksauer.

Von der Straße aus beobachteten einige Passanten das Spektakel in der Gasse. Dass einer davon sein Handy zückte und die Polizei rief, bemerkte keiner von beiden.
 

Keuchend ging der Mann in die Knie und hielt sich den Bauch. Kai hatte wirklich ziemlich fest zugeschlagen, das traute man ihm vom ersten Anblick an gar nicht zu, so dünn wie er war und der Allergrößte war er ja auch nicht. Der Mann, der nun leicht auf den Knien saß, war fast zwei Meter groß und mindestens dreimal so breit wie Uruha oder Kai. Er stand wieder auf und knackste mit den Knöcheln. Grinsend trat er einen Schritt auf Kai zu.

"Das hast du nicht umsonst gemacht, Kleiner. Willst du sterben oder was, huh? Na warte, ich werd dir...", er stockte, als plötzlich lautes Sirenengeheul ertönte. "Scheiße! Wer hat hier die Bullen gerufen?! Verdammte Scheiße!"

Er sah sich nach einem Fluchtweg um, doch da er in einer Sackgasse war, kam er auch nicht heraus. Vorne parkten schon die ersten Polizeiautos. Er saß in der Falle. Dann fiel sein Blick auf den bewusstlosen Uruha auf dem Boden. Mit einem Satz war er bei ihm, zog ihn mit Leichtigkeit hoch und drückte ihn fest an sich. Dann zückte er ein Messer und hielt es dem Wehrlosen an die Kehle.

"Keinen Schritt weiter!"
 

Das war aber mächtig unter der Gürtellinie, dachte er sich so. Aber er wusste auch nicht wirklich, was er machen sollte. Er konnte Uruha nicht einfach von ihm losreißen. Er würde ihm sicher dabei weh tun und das wollte er eigentlich vermeiden.

Doch nur kurz hielt er inne und hob dann beschwichtigend die Hände. "Lass ihn los. Er kann nichts dafür. Außerdem wirst du mit einer bewusstlosen Geisel nicht weit kommen.", meinte er. "Lass ihn los und ich geh mit.", unterbreitete er ihm den Vorschlag. So konnten die Polizisten wenigstens seinem Freund helfen, der noch immer bewusstlos war und ziemlich stark blutete. Erneut keimte in ihm die Angst auf, dass Uruha sterben könnte, wenn er ihm nicht half.

Der Kerl grinste nur und warf den bewusstlosen Mann einfach zur Seite und schnappte sich ihn. Am liebsten hätte er ihn sich gerade zur Brust genommen, aber so würde die Hilfe für seinen Freund wohl zu spät kommen. Also hielt er still.

Nun lag das Messer an seiner Kehle und sein Arm war schmerzhaft auf den Rücken gebunden. Er sog geräuschvoll die Luft durch seine Zähne. Es schmerzte ziemlich, aber es war sicher nichts im Vergleich zu dem, was Uruha gerade an Schmerzen ertragen musste.

Und so wurde er kurzerhand von dem Kerl aus der Seitengasse geschoben und der Polizei als Geisel präsentiert. Sie waren gerade draußen, da rief er den Polizisten zu, dass sie sich um den Schwerverletzten kümmern sollten. Mehr konnte er nicht mehr sagen, da wurde ihm auch schon der Mund verboten. "Halt die Klappe!"
 

Sofort, nachdem Kai ihnen gesagt hatte, dass es einen Schwerverletzten gab, eilten zwei Notärzte in die stockdunkle Gasse hinein und kamen wenige Minuten später mit einer Trage wieder. Auf eben jener lag Uruha. Leichenblass, mit einem Verband um den Kopf, einer Atemmaske über den Mund gestülpt und mit einer schweren Decke zugedeckt. Sie eilten mit der Trage an ihm vorbei zu einem Krankenwagen, wo sie Uruha hineinschoben und wenige Minuten später schon mit lautem Tatütata wegfuhren, Richtung Krankenhaus.

Der Mann derweil hatte Kai fest an sich gepresst und hielt ihm immer noch das Messer an den Hals. Er hatte noch nie eine Geisel genommen und wusste nicht so recht, was er tun sollte. Die Menschen um ihn herum machten ihn nervös, ebenso wie die Waffen der Polizisten, die auf ihn gerichtet waren.
 

Mit einem entsetzten Blick folgte er der Trage und wie sie im Krankenwagen verschwand. Er musste schlucken. Uruha sah noch schlimmer aus, als er gedacht hatte. Hoffentlich würden sie ihm helfen können. Aber jetzt wurde wenigstens seinem Freund geholfen und so interessierte es ihn auch nicht mehr, was mit ihm geschah. Er hatte eine Stockwut auf diesen Mistkerl, der seinen Freund so zugerichtet hatte. Und jetzt wollte er ihm das geben, was er dafür verdient hatte.

"Das bereust du.", zischte er und hatte sich so schnell aus dem Griff des Größeren befreit, dass dieser es erst gar nicht mitbekam. Tja, groß und kräftig sein, hieß nicht, dass ein kleinerer, schwächerer Mann ihn nicht besiegen konnte. Und Kai hatte so viel Wut in sich aufgestaut, dass er noch nicht einmal merkte, dass er eine Schnittverletzung am Hals davongetragen hatte. Ihm war es jetzt viel wichtiger, diesem Kerl eine Lektion zu erteilen.

Und da bekam er sie auch schon. Kai verpasste ihm so einen Kinnhaken, dass der Kerl nach hinten kippte und nur noch vor Schmerz wimmern konnte. Egal, ob er ihm jetzt den Kiefer gebrochen hatte oder nicht. Seiner Meinung nach hatte er das verdient und eigentlich noch viel mehr.

Nur leider wurde er auch schon von zwei Beamten an den Armen festgehalten und von dem anderen weggezogen.

"Lasst mich los!", fluchte er. "Der hat es doch nicht anders verdient!"
 

Nachdem der Mann zu Boden gegangen war und nur noch leise vor sich hin wimmernd dalag, wollten die Polizisten eigentlich auf ihn zustürmen und ihn verhaften, doch Kai kam ihnen zuvor. Er baute sich vor dem Hünen auf und wollte gerade erneut zuschlugen, als er auch schon von zwei der Beamten festgehalten und davon abgehalten wurde, den anderen wirklich ernsthaft zu verletzen. Sie zogen den zeternden Kai mit sich und sahen ihn strafend an.

"Ausnahmsweise bekommen Sie mal keine Anzeige von uns, junger Mann. Das war reine Notwehr und das verstehen wir. Aber wenn Sie sich jetzt unbedingt weiterprügeln wollen, dann können wir Ihnen das nicht mehr einfach so durchgehen lassen. Der Mann liegt schon am Boden und wird für das, was er getan hat, zur Rechenschaft gezogen. Seien Sie da mal unbesorgt, er bekommt seine gerechte Strafe schon noch. Und jetzt erklären Sie mir mal bitte, was hier verdammt nochmal los war. Das werden wir zu Protokoll nehmen und Sie bei einer Verurteilung auch noch als Zeuge brauchen. Ich brauche dann noch Ihren vollständigen Namen und Ihre Adresse. Und dann gehen Sie bitte mit meinen Kollegen mit. Die bringen Sie ins Krankenhaus. Sie sind verletzt und haben sicherlich einen Schock."
 

Verletzt? Wo bitte schön war er denn verletzt? Er sah nichts und er spürte nichts. Und eigentlich wollte er auch nur diesen Kerl so zurichten, wie es angemessen für ihn war. Das hatte er nicht verdient, so ohne weiteres davonzukommen. Uruha war schwer verletzt. Man wusste wahrscheinlich noch nicht einmal, ob er durchkommen würde. So sah er jedenfalls aus, als man ihn an ihnen vorbei in den Krankenwagen geschoben hatte. Und es kotzte ihn an, dass der Kerl nun so einfach mit einem blauen Auge davonkommen würde.

Noch immer zappelte er in den Armen der Polizeibeamten. Er wollte den Kerl so windelweich prügeln, dass er nicht mehr wusste, wer er war oder wo er war.

"Lassen Sei mich verdammt nochmal los!", keifte er. "Ich werd ihn schon am Leben lassen. Aber so einfach wird der nicht davonkommen!" Er war einfach in Rage.

"Hey, was is denn hier los?", hörte er eine vertraute Stimme. Es war Miyavi.
 

"War das gerade eine Drohung? Wenn Sie nicht sofort aufhören, sich zu wehren, dann werden wir Sie in Gewahrsam nehmen müssen, bis Sie sich beruhigt haben. Es ist keine Lösung, wenn Sie den Mann jetzt halb totprügeln. Ihr Freund wird bereits im Krankenhaus versorgt und die Ärzte dort tun ihr Bestes, um ihn durchzubringen. Also...", er wurde jedoch von Miyavi unterbrochen, welcher nun zu ihnen herüber gerannt kam, Kai aus den Armen der Polizisten befreite und ihn sanft an sich drückte.

Vorsichtig streichelte er seinem Freund über den bebenden Rücken und hielt ihn fest. Er wunderte sich. Wo war Uruha?

"Hey, Kleiner... Alles okay? Was hast du? Was ist hier passiert und wo ist Ruha? Ist ihm was passiert?"
 

Erst jetzt kam er langsam wieder runter. Dennoch stieß er Miyavi von sich weg und schaute finster zu dem am Boden liegenden Kerl, der gerade von den Polizisten auf die Beine gezogen wurde. "Dieses Arsch!", zischte er und wandte sich wieder ab. Den würde er schon noch kriegen. Und dann würde ihn keiner mehr vor ihm beschützen. Darauf konnte er Gift nehmen.

"Ich muss zu Uruha.", sagte er kurz und knapp und marschierte dann an den verdutzten Polizeibeamten und Passanten vorbei. Auch Miyavi ließ er einfach so stehen. Er schnappte sich Uruhas Tüten und ging einfach. Die würden ihn jetzt nicht davon abhalten, zu Uruha ins Krankenhaus zu gehen.
 

Uruha wurde derweil im Krankenhaus einer Notoperation unterzogen. Er hatte sehr viel Blut verloren, weswegen er noch eine Bluttransfusion bekam. Als dies endlich auch geschehen war, wurde er in die Intensivstation gebracht und dort in einem Einzelzimmer untergebracht. Noch durfte er keine Besucher empfangen und war noch bewusstlos. Sein Mund wurde mit einer Atemmaske bedeckt, während sein ganzer Körper über und über mit Schläuchen, Pflastern und Kabeln versehen war und er am Tropf hing. Die umstehenden Geräte piepsten laut und Nerv tötend, doch davon bekam er nichts mit.
 

Miyavi packte ihn am Arm und wollte endlich wissen, was passiert war. So aufgebracht hatte er seinen Freund noch nie erlebt. Und es war ihm ziemlich unheimlich. Doch Kai hatte einfach keine Lust, jetzt darüber zu reden. Er wollte wissen, wie es Uruha ging und ob es ihm gut ging. Alles andere zählte gerade nicht.

Jedoch wurde er gleich von einem Polizisten angesprochen, der alles zu Protokoll nehmen wollte. Und dem konnte er sich wirklich nicht entziehen. Er wollte keinen Ärger mit der Polizei bekommen. Das fehlte ihnen gerade noch.

Bis ins kleinste Detail erzählte er alles, was er wusste und äußerte auch seinen Verdacht, dass der Kerl es war, der Uruha schon vor ein paar Tagen so zugerichtet hatte. Er wurde gefragt, wie er darauf kam und er erzählte, was der Kerl ihnen so an den Kopf geworfen hatte und dass ihn das schon etwas stutzig gemacht hatte.

Nach knapp vier Stunden durfte er dann auch endlich gehen. Jetzt hatte er alles gesagt und alle Dokumente unterschrieben. Das Protokoll war geschrieben und die Anzeige erhoben. Nun konnte er endlich zu Uruha. Schnell rief er noch seinen Chef an, dass er heute definitiv nicht kommen kann, weil er eine Zeugenaussage machen musste. Nur gut, dass dieser heute milde gestimmt war und nur meinte, dass er sich erholen sollte und die freien Tage mal auch dafür nutzen würde. Kai bedankte sich dafür und seufzte, als er den Hörer aufgelegt hatte.

"Uruha...", wisperte er nur und er machte sich wirklich Sorgen. Hoffentlich ging es ihm gut.

"Würden Sie mich bitte ins Krankenhaus bringen?", fragte er einen der Beamten. Dieser nickte zustimmend. Miyavi schickte er nach Hause und meinte nur, er würde sich schon bei ihm melden. Und so stieg er in den Polizeiwagen und fuhr davon.
 

Seufzend stimmte der Polizist zu, nachdem er Kais Zeugenaussage zu Protokoll genommen hatte und schnappte sich seine Jacke. Mit einem leisen 'Dann kommen Sie mal mit' ging er Kai voraus aus dem Kommissariat und führte ihn zu einem der zahlreichen Polizeiautos, die da wohlgeordnet beieinander standen und nur darauf warteten, auf Einsätze gefahren zu werden. Der Polizist stieg vorne ein und bat Kai, auf dem Beifahrersitz Platz zu nehmen. Und schon startete er den Wagen und fuhr los.

Während der Fahrt redete er kein Wort mit Kai. Nur ab und an, wenn sie an einer Ampel stehenbleiben mussten, huschte sein Blick zu Kai hinüber und da sah er, wie dieser mit den Tränen zu kämpfen schien. Er seufzte leise und bog dann schließlich in die Krankenhausauffahrt ein und hielt den Wagen an.

"Sagen Sie... Soll ich eventuell mitkommen? Ihr Freund liegt auf der Intensivstation und da wird es schwierig werden, dass Sie ihn besuchen können. Aber vielleicht kann ich als Polizist da ja was deichseln..."

Ihm tat Kai furchtbar leid.
 

Die ganze Fahrt über starrte er unentwegt auf seine ineinander verhakten Finger. Er schwieg und er spürte, wie Tränen versuchten, sich aus seinen Augen zu stehlen. Doch er schaffte es, sie gerade so zu unterdrücken. Erst als sie vor dem Krankenhaus ankamen und der Polizist ihn ansprach, schaute er auf und realisierte, dass er schon dort angekommen war, wo er hin wollte.

So wirklich registrierte er aber nicht, was der Polizist genau sagte. Er nickte nur und öffnete die Tür. Dann stieg er aus und fuhr sich mit den Händen über das Gesicht. Erst jetzt sah er, dass er Blut an den Händen hatte. Wo kam das her? War das Uruhas Blut?

Irritiert starrte er auf seine Handflächen. So ganz war er noch nicht wieder bei klarem Verstand. Noch immer war das Bild des am Boden liegenden Uruhas in seinem Kopf präsent und es schien auch noch nicht weichen zu wollen.

Doch er riss sich zusammen und ging zielstrebig auf den Eingang zu. Dass seine Wunde am Hals noch immer leicht blutete, merkte er nicht. Das Meiste davon war eh angetrocknet oder bereits in seinem Kragen versiegt.

An der Anmeldung erregte er so ziemlich das Interesse der übrigen Besucher und Patienten. Das konnte allerdings auch daran liegen, dass er verletzt war und in Begleitung eines Polizeibeamten hier auftauchte.

"Ich möchte zu dem jungen Mann, der hier vorhin eingeliefert wurde. Er heißt Uruha." Er konnte ja nicht wissen, dass das Krankenhauspersonal den Namen des Opfers noch gar nicht kannte.
 

"Moment bitte.", gab die dickliche Frau hinter dem Empfangstresen mit gelangweilter und monotoner Stimme zurück und tippte eine Weile auf ihrem PC herum. Dann sah sie zurück zu Kai und schüttelte den Kopf. "Tut mir leid, wir haben hier keinen Uruha. Hat er denn auch einen Nachnamen?"

Sofort schaltete sich der Polizist ein. Er lehnte sich ein wenig über die Theke, damit nicht jeder der anderen Besucher und Patienten mithören konnte.

"Wir wissen den Namen des Mannes noch nicht, aber wir wissen, dass er vor etwa vier Stunden hier eingeliefert wurde und auch notoperiert werden musste. Ihm wurde mit einem Baseballschläger auf den Hinterkopf geschlagen. Können Sie mit diesen Informationen etwas anfangen?"

"Moment, da muss ich mal in den Akten sehen.", antwortete sie wieder ziemlich monoton und trippelte zu einem Schrank. Dort zog sie einige Akten heraus und kam dann einige Minuten später zurück. "Ich glaube, ich weiß, wen Sie meinen. Vor vier Stunden ist bei uns nur ein Patient eingetroffen, der notoperiert werden musste. Zimmer 234."
 

Kai achtete gar nicht weiter auf den Polizisten oder die Frau am Empfang. Sobald er eine Zimmernummer hatte, rannte er los. Es war ihm egal, was die Leute von ihm hielten. Sein Freund brauchte ihn und er wollte wirklich wissen, wie es ihm ging. Mehr zählte wirklich nicht.

Doch schon zwei Etagen höher wurde er gebremst. Vor ihm bäumte sich eine gläserne Tür auf, durch die er nicht kam. Sie war verschlossen und vor seinen Augen prangte in roten Lettern 'Intensivstation'. Sofort viel er auf die Knie und starrte mit geweiteten Augen auf die Tür. Hier kam er nicht rein. Hier würde ihn niemand zu ihm lassen. Und das wusste er. Auf die Intensivstation durften nur Familienangehörige. Und das war er nicht. Also würde er auch nicht in Erfahrung bringen können, wie es seinem Freund ging.

Warum war die Welt nur so verdammt ungerecht? "Uruha...", wisperte und nun liefen ihm wirklich eine Träne nach der anderen die blassen Wangen hinab und versiegten genau wie das getrocknete Blut in seinem Kragen.
 

Der Polizist staunte nicht schlecht, als Kai auf einmal wie von der Tarantel gestochen lospreschte. Verdattert blieb er einige Minuten stehen, dann jedoch nahm er selbst die Beine in die Hand und rannte dem jungen Mann hinterher. Nach zwei Etagen jedoch blieb er schwer atmend stehen und stockte. Kai lehnte an der Tür zur Intensivstation und schien zu weinen. Sofort war er bei ihm und half dem jungen Mann auf die Beine.

"Geht es Ihnen gut? Setzen Sie sich bitte erst mal, ja?", und schon beförderte er Kai auf einen der Wartestühle. "Ich kümmere mich darum."

Er drückte auf eine Klingel, die an der Seite der Tür befestigt worden war und wartete. Er würde die Krankenschwester schon davon überzeugen, Kai hereinzulassen.
 

Verwundert sah er auf und schaute direkt ins Gesicht des Polizisten. Dennoch konnte er ihn nicht genau erkennen, denn seine Sicht war verschwommen von den Tränen, die unaufhörlich weiterliefen.

Dann hörte er die Klingel und wie jemand ihnen zurief über den Lautsprecher, dass gleich jemand kommen würde.

Ungeduldig starrte er auf die Tür. Ob er wirklich hier hinein durfte? Würden sie ihn wirklich zu ihm lassen? Uruha hatte doch außer ihm niemanden. Das hatte er ihm selbst gesagt und er würde sich sicher fürchten, wenn er wieder so ganz alleine wäre. Das wollte er nicht.

Nach etwa zehn Minuten erbarmte sich dann doch mal jemand und trat zu ihnen vor die Tür. Allerdings zog der junge Krankenpfleger die Tür hinter sich wieder zu.

"Was kann ich für Sie tun?", fragte er und Kai sprang sofort auf. Fast wäre er dem jungen Mann um den Hals gefallen und hätte ihn auf Knien angefleht, ihn zu Uruha zu lassen, doch der Polizist hielt ihn sofort fest.

"Wir sind hier, um den Patienten, der vor ungefähr vier Stunden hier eingeliefert wurde, zu besuchen.", eröffnete der Beamte das Gespräch. "Sie meinen den jungen Mann mit der schweren Kopfverletzung?" Kai nickte sofort und auch der Polizist stimmte mit ein. "Hai, genau zu ihm wollen wir."

Kai hoffte inständig, dass er zu ihm durfte. Doch seine Hoffnung wurde durch ein Kopfschütteln sofort zunichte gemacht. Der Pfleger begründete diese damit, dass der Patient sich noch nicht ausweisen konnte und somit auch kein Besuchsrecht bestand. Da könnte ja jeder kommen und behaupten, er wäre ein Familienangehöriger.

Und schon sackte Kai wieder in sich zusammen. Wieder hatte sich eine seiner Hoffnungen in Luft aufgelöst. "Uruha...", wimmerte er.

Der Polizist schaute kurz zu ihm hinunter und zog ihn wieder auf die Beine. "Gut, dann werden wir jetzt eine Identifizierung des jungen Mannes vornehmen, denn Herr Uke kennt ihn und auch seinen Namen." Verwirrt blinzelte Kai und nickte dann einfach. Mehr als ‚nein‘ sagen konnte der Kerl ja nicht. Und um seine Aussage noch zu bekräftigen hielt der Beamte seine Marke hoch.

Sofort wurden sie hereingelassen und Kai sackte das Herz in die Hose. Er war drin. Er war wirklich hier und nicht viel trennte ihn davon, zu sehen, wie es Uruha ging.
 

Grinsend steckte der Polizist seine Marke wieder zurück in seine Hosentasche und schritt hinter dem Krankenpfleger her, Kai direkt hinter ihm. Er war froh, dass er dem jungen Mann helfen konnte, zu seinem Freund zu kommen. Er rätselte, was die beiden für eine Verbindung zueinander hatten. Vielleicht waren sie Brüder? Vielleicht auch nur Freunde? Konnte ja alles möglich sein und er war neugierig. Dann jedoch richtete er sein Wort an den Krankenpfleger.

"Ist der Patient schon einmal wach gewesen?"

"Bis jetzt nur ein einziges Mal und das war vor etwa eineinhalb Stunden. Er hatte seine Augen nur minimal geöffnet und war nicht ansprechbar, aber wir haben die Hoffnung, dass es so langsam mit ihm wieder bergauf geht. Der Schlag war ziemlich heftig gewesen und hätte beinahe seine ganze Schädeldecke zertrümmert. Wenn das passiert wäre, hätte er Hirnblutungen gehabt und das hätte er nicht überlebt. So jedoch ist nicht so viel passiert, außer dass er sehr viel Blut verloren hat und eine starke Gehirnerschütterung erlitten hat."

Der Polizist nickte und nun kamen sie vor Zimmer 234 an. Der Krankenpfleger öffnete die Tür, jedoch wandte er sich noch einmal an Kai.

"Ich muss Sie jedoch bitten, die Station in mindestens einer halben Stunde wieder zu verlassen. Der Patient braucht Ruhe und ich kann Ihnen auch nicht versprechen, dass er überhaupt erwachen wird. Immerhin schwebt er auch noch in Lebensgefahr."

Dann ließ er sie ein und verschwand. Der Polizist und Kai traten ein und der Polizist schloss die Augen, als er die leichenblasse Gestalt in dem Bett sehen konnte. Über und über mit Schläuchen und Verbänden behangen lag der junge Mann ohne Namen da und schien zu schlafen.
 

Lebensgefahr? Kai schluckte, doch er nickte. Er verstand es, dass er Ruhe brauchte. Und da würde er ihn sicher nicht unnötig belästigen wollen. Aber er wollte schon sehen, wie es um seinen Freund stand.

Mit zittriger Stimme wandte er sich an den Polizisten. "Kann... kann ich kurz mit ihm alleine sein? Er ist ein Freund und ist anderen Menschen gegenüber ziemlich ängstlich. Bitte." Seine Stimme zitterte nicht nur, sie klang auch ziemlich weinerlich. Und genau so war ihm auch grade zumute. Er hätte heulen können und zwar so richtig. Aber diese Blöße würde er sich nicht vor dem anderen geben und auch nicht vor irgendwem. Nur Uruha durfte es sehen, denn er weinte um ihn.

Der Polizist war ihm scheinbar auch dankbar dafür, denn ohne zu zögern verließ er das Zimmer und wartete in der kleinen Vorhalle darauf, dass Kai wieder herauskommen würde.

Langsam schritt er auf das Bett zu, in dem sein Freund lag und es sah so aus, als würde er einfach nur schlafen. Nichts erinnerte daran, dass er gerade um sein Leben kämpfte. Er hoffte zumindest, dass er das tat. Er wollte ihn noch einmal so unbeschwert lächeln sehen, wie an dem Tag bei McDonalds. Dieses Lächeln wollte er nochmal sehen.

Vorsichtig zog er sich einen Stuhl ran und ließ sich direkt neben Uruhas Bett nieder. Zögerlich griff er nach der Hand seines Freundes. "Hey, Ruha..." Es war das erste Mal, dass er ihn so nannte.
 

Uruhas Welt war ihn endlose Schwärze getaucht. Er konnte nicht erkennen, wo er sich befand und wusste auch nicht, wieso. Alles, was er wahrnahm, war diese bedrückende Schwärze, welche ihn umgab und nicht mehr freilassen wollte. Alles tat ihm weh. Jede noch so kleine Pore schien nur aus Schmerz zu bestehen. So, als ob sein ganzer Körper brennen würde. Was war bloß passiert? Er konnte es sich nicht erklären und tapste weiter durch diese endlose Finsternis.

Kein Laut drang zu ihm hindurch, nichts. Ihm war eisig kalt und er bebte leicht. Wo war Kai? Wieso war er nicht hier? Hier bei ihm? Wieso nahm er ihn nicht in den Arm, wie er es schon so oft getan hatte? Hatte er ihn vergessen, einfach alleine gelassen? Nein... Das konnte er sich bei Kai nicht vorstellen. Aber was war dann passiert?

Plötzlich spürte er eine angenehme Wärme, die sich in ihm ausbreitete und stutzte. Was war nun los? Dieses angenehme Kribbeln hatte er immer nur dann verspürt, wenn Kai bei ihm gewesen war. Sein Herz machte einen kleinen Freudensprung. War Kai hier, um ihn aus der Dunkelheit zu befreien?

Der echte Uruha regte sich kein Stück. Nur seine Finger zuckten leicht in Kais Hand und kündigten ein baldiges Erwachen an.
 

Die ganze Zeit starrte er auf das fahle Gesicht seines Freundes. Nichts regte sich oder deutete darauf hin, dass sein Freund noch lebte. Lediglich das nervige Piepsen um ihn herum zeigte ihm, dass der andere noch lebte und vermutlich noch darum kämpfte, weiterhin auf dieser Welt zu sein.

Kai beugte sich nach vorne und seinen Kopf auf Uruhas Hand, die er immer noch in seiner hielt. Es war ein beklemmendes Gefühl, nicht zu wissen, was mit ihm werden würde. Dabei wollten sie doch morgen beide verreisen. Darauf hatte er sich so sehr gefreut und auch Uruha schien davon begeistert zu sein. Doch was war nun? Nun lag sein Freund auf der Intensivstation eines Krankenhauses und kämpfte um sein Leben.

Erneut stieg Wut in ihm auf. "Dieser Bastard.", fluchte er leise vor sich hin. "Das wird er mir büßen.", drohte er. Dabei bekam er nicht richtig mit, dass die Hand in seiner leicht zuckte.

"Uruha...", seufzte er. "Bitte komm zurück. Wir wollen doch noch so einiges erleben. Du sollst in unserer Band spielen. Du wolltest Reita kennenlernen und du wolltest hören, wie Rukis Stimme klingt, wenn er singt. Wir wollten zu meinen Eltern fahren und im Meer schwimmen gehen. Hast du das alles vergessen?"
 

In Uruhas Herz drang diese angenehme Wärme weiter vor und es erschien ihm merkwürdig. War Kai wirklich hier? War Kai hier, hier bei ihm und passte auf ihn auf? Das war zu schön, um wahr zu sein. Er lächelte leicht und versuchte, endlich aus dieser Finsternis auszubrechen. Nur für Kai. Nur für ihn gab er sich alle erdenkliche Mühe, um wieder zu erwachen und aus der Dunkelheit aufzutauchen.

Ein leises Wimmern verließ die blassen Lippen des echten Uruhas und seine Hand zuckte noch ein wenig mehr in Kais. Uruha schaffte es langsam, sich aus der Schwärze zu lösen und zu erwachen. Noch einmal ertönte ein leises Wimmern, dann war wieder alles still. Nur Uruhas Augenlider flatterten und einige Minuten später öffneten sie sich einige Millimeter. Uruha selbst jedoch zeigte keinerlei Reaktionen. Nur seine Augen sahen unendlich müde an die Decke über sich und er schien nicht zu wissen, wo er sich befand.
 

Jetzt spürte er, dass die Hand in seiner zuckte und er schreckte auf. Verwirrt schaute er dem anderen ins Gesicht. "Ruha...", wisperte er und stand auf, damit er ihn besser in die Augen schauen konnte. „Uruha..." Er sah, wie er die Augen leicht geöffnet hatte und an die Decke schaute. Nun konnte er ein wenig lächeln. Uruha war wach. Auch wenn er nicht viele Regungen zeigte, aber er war da.

Nun liefen ihm Tränen über die Wangen. "Ich bin froh, dass du da bist. Bitte geh nicht wieder weg, hai?" Er bettelte förmlich und gab ihm einen Kuss auf die Stirn.
 

Immer noch starrte er ausdruckslos an die Decke und regte sich nicht. Ihm war komisch. Die Welt schien wie in Watte gepackt zu sein. Die Geräusche drangen nur dumpf zu ihm und seine Welt war verschwommen, klare Konturen konnte er nicht erkennen. Ein erneutes Wimmern verließ seine Lippen und die Hand, die in Kais lag, zuckte erneut und seine Fingernägel versuchten, sich schwach in Kais Handfläche zu bohren, um wenigstens ein bisschen zu zeigen, dass er ihn hören konnte.

Kai drückte ihm einen Kuss auf die Stirn und strich ihm über die Wange und Uruhas Augen blickten ihn nun direkt an, jedoch sagte er immer noch kein Wort. Die Lider waren auf Halbmast.
 

Mit einem erleichterten Lächeln musterte er ihn und strich ihm immer wieder über die blassen Wangen. "Es ist schön, dass du wieder bei uns bist. Bitte bleib.", flüsterte er und hauchte ihm abermals einen Kuss auf die Stirn. Er spürte, wie der andere versuchte, seine Hand zu halten und er erwiderte seine Versuche, in dem er sie sanft drückte.

Er freute sich, dass Uruha ihn wenigstens ansah. Auch wenn er sich das vielleicht nur einbildete. Es war egal. Uruha lebte.

Kai drehte sich um und schaute aus dem Fenster, das zu den Schwestern der Station ging und winkte sie her. Sie mussten schließlich auch wissen, dass er wach war.

"Ruh dich aus, ich bin bei dir."
 

Kaum, dass Kai die Schwestern herbei gewunken hatte, ging die Tür auch schon auf und zwei von ihnen trippelten zu Uruha ans Bett. Die eine bugsierte Kai ziemlich unfreundlich vom Stuhl, damit sie genug Platz hatte und leuchtete Uruha mit einer kleinen Lampe in die Augen, um die Reaktion zu testen und sich den Augenhintergrund anzusehen und die andere überprüfte die Geräte, an welche Uruha angeschlossen war und füllte den Tropf erneut auf. Die andere Schwester, welche sich gerade um Uruha selbst kümmerte, strich ihm sanft über die Wange und sprach leise, aber dennoch deutlich mit ihm.

"Können Sie mich hören?", ein leises Wimmern Uruhas ertönte. "Können Sie mich auch sehen?" Ein erneutes Wimmern und die Krankenschwester seufzte zufrieden. "Das ist gut. Ruhen Sie sich bitte aus, wir sind hier und kümmern uns um Sie. Brauchen Sie etwas?"

Erst herrschte Stille. Dann jedoch öffnete Uruha langsam seine Lippen und versuchte etwas zu sagen, jedoch kam nur ein Krächzen heraus. Nach einem weiteren Versuch jedoch klappte es und man konnte ein einzelnes Wort verstehen.

"K... Ai..."
 

Kai beobachtete nur, wie sie ihn umsorgten und versuchten, ihn anzusprechen. Was er sagte, verstand er nicht. Viel zu sehr war er auf ihn fixiert. Seine Worte interessierten ihn nicht, denn er lebte und das war wichtig für ihn.

Uruha war sein Freund und er wollte ihn nicht mehr verlieren. Und schon gar nicht auf eine solche Art und Weise.

Mit zitternden Händen stand er an die Wand gelehnt, direkt gegenüber von Uruha und er konnte ihn genau beobachten. Und das tat er. Nicht eine Sekunde wandte er den Blick ab und irgendwie konnte er die ganze Zeit nur Lächeln. Uruha war wirklich da.

Dann stockte er. Hatte er das richtig gehört? Hatte er seinen Namen genannt? Oder bildete er sich das nur ein.

Nein, das war sicher nur Einbildung.
 

Die Krankenschwester runzelte die Stirn. Dann jedoch beugte sie sich ein wenig herunter zu Uruha und fragte noch einmal.

"Könnten Sie das bitte nochmal wiederholen? Ich habe Sie nicht ganz verstanden."

Erneut erklang bloß ein Krächzen und Uruha brauchte zwei weitere Anläufe, um sein Anliegen erneut vorzubringen. Seine Augen wanderten langsam zu Kai und sahen ihn direkt an. Dann öffneten sich seine Lippen und er murmelte schon etwas deutlicher:

"Ka... I..."

Die Krankenschwester erhob sich und blickte zu Kai hinüber.

"Entschuldigen Sie bitte. Sind Sie... Kai? Wenn ja, dann möchte er, glaub ich, dass Sie zu ihm kommen."
 

Verdutzt schaute er die Schwester an. "Mich?", fragte er und deutete mit dem Finger auf sich selbst. Er konnte nicht so ganz glauben, dass er nach ihm verlangte. Doch als die Schwester nickte, wusste er, dass es wirklich so war. Uruha wollte, dass er zu ihm kam? War das wirklich so?

Nur zögerlich kam er von seinem Platz rüber zum Bett. Verlegen lächelte er ihn an. "Hey.", machte er nur und wartete einfach schweigend. So richtig wusste er nicht, was er machen sollte. Uruha schien kaum sprechen zu können und seine Zeit wäre sicher auch gleich rum. Man hatte ihm nur eine halbe Stunde Zeit gegeben. Zwanzig Minuten waren sicher schon rum. Und er war sich sicher, dass sie ihn gleich bitten würden, wieder zu gehen.
 

Uruha bemerkte mit Freude, wie Kai sich zu ihm setzte und mit ihm sprach. Jedoch nahm er diesmal nicht seine Hand oder gab ihm einen Kuss auf die Stirn und das machte ihn auch irgendwie traurig. Kai sollte bei ihm sein. Richtig nahe bei ihm. Ansonsten... Ansonsten hatte er irgendwie Angst. Ohne Kai war einfach nichts gut. Gar nichts.

"K-Kai... K...", er musste wieder stocken, da ihm die Worte im Hals steckenblieben und sah ihn so einfach nur weiter an.

Was anderes konnte er gerade eh nicht tun. Die Krankenschwester seufzte leise, tauschte einige Blicke mit ihrer Kollegin und sah Kai dann an.

"Sagen Sie... Wenn Sie möchten, können Sie bleiben. Ich glaube, es ist keine so gute Idee, ihn jetzt hier alleine zu lassen. Anscheinend hat er einen sehr guten Draht zu Ihnen und ihn jetzt alleine zu lassen, könnte einen Schock in ihm auslösen und das ist das, was wir eben gerade nicht wollen. Bleiben Sie bei ihm? Dann stellen wir Ihnen hier noch ein Bett hinein."
 

Völlig überfordert mit der ganzen Situation schaute er zu der Schwester, die ihn gerade ansprach. "Nani?" Irgendwie verstand er das jetzt nicht. Er durfte bleiben? Sie würden ihm sogar ein Bett hier hinstellen? Hatte er das jetzt richtig verstanden? Oder war das nur wieder irgendeine Einbildung?

Dann sah er zu Uruha, der leicht nickte und ihm scheinbar so mitteilen wollte, dass er das auch wollte. Und wie von selbst nickte auch er. "Ha...hai, dann werd ich bleiben, wenn das in Ordnung ist.", stammelte er und griff nun nach Uruhas Hand. Das ging hier irgendwie gerade merkwürdig zu, aber warum sollte er ablehnen, wenn er dafür bei Uruha sein konnte.

Als die Schwestern dann das Zimmer verließen, hörte er nur, wie sie mit dem Polizisten sprachen und ihm mitteilten, dass sie ihn hierbehalten würden, damit Uruha nicht noch irgendwie einen Schock erleiden würde.

"Was machst du nur für Sachen?", scherzte er. "Das nächste Mal gehst du vor mir oder ich halt dich an der Hand. Lässt dich einfach von so einem Idioten eins überziehen. Manchmal bist du echt unmöglich, mein Lieber.", kicherte er und gab ihm nun zum dritten Mal in dieser kurzen Zeit einen Kuss auf die Stirn. "Ich hab mir Sorgen um dich gemacht."
 

Als Kai ihm erneut einen süßen Kuss auf die Stirn hauchte, schlossen sich seine Augen wie von selbst und ein Hauch eines Lächelns schlich sich auf seine Lippen. Kai war da. Er hatte sich das also doch nicht alles nur eingebildet. Kai war da und wollte bei ihm bleiben und auf ihn aufpassen. Gab es etwas Schöneres als das? Für ihn momentan nicht. Für ihn zählte gerade nur, dass Kai da war. Bei ihm. Seine Hand hielt. Mit ihm sprach. Einfach, dass er für ihn da war.

"K-Kai...", nuschelte er. Eine kurze Pause. Dann sprach er weiter. "Go... men... Gomen... Es...", er brach ab.

Es war einfach noch zu schwer für ihn, Worte zu formen. Am nächsten Tag würde das sicherlich alles besser werden. Das hoffte er zumindest.

"Blei... Bleibst du... h-hier...?"
 

Sofort nickte er. "Hai, ich bleibe hier. So lange wie du willst. Versprochen." Jetzt lächelte er. Dann legte er eine Hand auf seine Stirn und strich ihm ein paar der verschwitzten Strähnen aus dem Gesicht. "Und nun ruh dich aus. Schlaf ein bisschen. Du brauchst unbedingt Ruhe. Und keine Sorge, ich bin bei dir. Ich lass dich nicht alleine. Wirklich nicht. Vertrau mir." Mehr sagte er nicht. Er hob nur Uruhas Hand und küsste sie. Es wirkte wie ein Versprechen. Wobei es ja wirklich eines war. Und Kai hielt sich ganz bestimmt daran. Sonst wäre er nicht Kai.
 

Seine Augen drifteten wie von alleine zu und ein leises, heiseres Schnurren entrang sich seiner Kehle. Er war so schrecklich müde, aber er wollte eigentlich nicht schlafen. Er wollte bei Kai sein und ein wenig mit ihm reden. Er wollte auch wissen, wieso er überhaupt hier war. In einem Krankenhaus. Was hatte er hier zu suchen? Das war es, was er nicht verstand. Was machte er hier?

"Kai...", er schüttelte leicht den Kopf. "Ich... will ni... nicht... sch-schlafen... Bitte..."

Genau in diesem Moment schob einer der Pfleger Kais Bett hinein, wünschte Ihnen beiden eine gute Nacht und verschwand dann wieder. In Uruhas Augen bildeten sich Tränen. Kai sollte jetzt auch nicht schlafen.
 

"Ruha..." Sanft strich er ihm über die Wange. "Du brauchst Ruhe. Du willst doch wieder gesund werden, hai? Und mach dir keine Sorgen. Ich pass auf dich auf. Niemand wird dir mehr weh tun. Niemand. Das versprech ich dir." Wie viele Versprechen wollte er dem armen Kerl denn noch geben? Irgendwie verlor er gerade selbst den Überblick. Und seit wann warf er mit Versprechen so wild um sich? Das war doch sonst nie so gewesen. Aber Uruha brachte ihn andauernd dazu. Egal wie. Für ihn würde er noch tausende Versprechen geben.

Aber war das denn noch normal? Und warum hatte er um ihn geweint? Das hatte er noch nie gemacht. Auch nicht, als sein allerliebster Hamster gestorben war, als er selbst noch ein Kind war. Gott. Was machte er mit ihm? Was geschah hier nur mit ihm?
 

Uruha konnte nicht antworten. Immer wieder rannen Tränen über seine Wangen. Er wusste momentan einfach nicht, wohin mit seinen Gefühlen. Sie überwältigten ihn fast und rissen ihn mit sich. Er hatte Angst, alleine zu sein. Wenn Kai jetzt schlafen würde, könnte er nicht mit ihm reden und ihm wichtige Fragen beantworten. Auch, wenn es kindisch klang... Uruha fühlte sich ohne Kai einfach alleine. Mutterseelenalleine. So alleine, wie noch nie zuvor.

"Bitte... lass mich... nicht... alleine..."
 

Energisch schüttelte er den Kopf und drückte wieder fest seine Hand. "Ich hab dir doch versprochen, dass ich dich nicht alleine lasse. Wirklich. Und wenn ich dir das verspreche, dann halt ich das auch." Nur kurz ließ er die Hand Uruhas los und erntete dafür ein mürrisches Grummeln. Doch nur so konnte er das andere Bett noch etwas weiter rüberschieben. Gerade so, dass er ihn von dort aus noch mit der Hand erreichen konnte.

Doch er legte sich nicht hin. Noch nicht. Er setzte sich wieder zu ihm ans Bett und griff vorsichtig nach seiner Hand. "Ich bin bei dir. Wir sind doch Freunde und Freunde passen aufeinander auf, hai?"
 

"Freunde... hai... du bist mein... Freund...", lächelte er leicht und versuchte, sich ein wenig zu beruhigen.

Kais Worte klangen so ehrlich, so lieb gemeint, dass er gar nicht anders konnte, als ihm zu glauben. Er glaubte ihm, dass er ihn nicht alleine lassen würde. Kai würde sein Versprechen einhalten und bei ihm bleiben. Die ganze Nacht, wenn es sein müsste. Aber das wollte er ihm auch nicht antun. Dazu war er zu müde.

"Oyasumi nasai...", hauchte er leise und schloss die Augen.

Wenige Augenblicke später war er wieder eingeschlafen und die Hand in Kais Hand erschlaffte und regte sich dann nicht mehr.
 

"Oyasumi nasai, Ruha...", erwiderte er und drückte die Hand in seiner nochmals liebevoll. Erst als Uruha eingeschlafen war und die Hand in seiner dies auch deutlich machte, ließ er sie kurz los, zog sich bis auf seine Boxershorts und Shirt aus und legte sich dann ebenfalls hin. Als er lag, griff er vorsichtig wieder hinüber und nahm Uruhas Hand wieder in seine. Er sollte nicht denken, dass er sein Versprechen einfach so brechen würde. Nichts da. Wenn Kai eines gab, dann hielt er es, bis er es erfüllt hatte.

Auch wenn die Lage zum Schlafen recht unbequem war, es war ihm alle Male lieber, als ihn zu enttäuschen. Und das würde er ganz sicher nicht tun.

"Schlaf gut, Uruha...", wisperte er noch, bevor auch er in einen tiefen Schlaf sank.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2009-09-26T12:00:41+00:00 26.09.2009 14:00
Schönes Kapi ^^
Uruha tut mir total Leid und er hatte echt Glück, dass Kai ihm geholfen hat.
Ich will mir garnicht ausdenken was passiert wäre wenn Kai nicht auch dagewesen wäre *schauder*
Aber Kai ist echt ein toller Mensch, ich mein er hat sein Leben riskiert für einen Menschen den er noch gar nicht so lange kannte.
Das ist einfach nur bemerkenswert.
Ich hoffe Uruha geht es blad wieder besser, aber Kai bleibt ja bei ihm ^^
Das ist wohl die beste Medizien für Uruha ^^
Also dann bis zum nächsten Kapi ^^

LG Tsunade28


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