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Irgendwo in dieser Welt

von

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Alles auf Anfang?

Schon früher war es recht schwer für mich gewesen, die Station mit Zetsu zu teilen – aber nun da wir seit einer Woche ein heimliches Paar waren, schien es mir regelrecht unmöglich. Mir fehlten unsere ungestörten Momente zu Zweit, unsere absolut sinnlosen Gespräche und die Tatsache, dass ich mich nicht dauernd beobachtet fühlte. Zu Hause hatte ich alles getan, wonach mir war, selbst Zetsu entzückt zu beobachten – aber auf dieser Station achtete ich ständig darauf, was ich tat, damit niemand auf den falschen (oder eher richtigen) Gedanken kommen könnte.

Worauf ich aber immer noch keine Antwort hatte, war die Frage, weswegen Zetsu nicht gewollt hatte, dass ich den anderen etwas verriet. Aber es dauerte, bis ich allein mit ihm sprechen konnte. Mir war vorher nie aufgefallen, wie sehr Nozomu geradezu an Zetsu klebte, es schien mir fast als wären die beiden siamesische Zwillinge. Obwohl nein, ich würde Nozomu lieber mit einem Hund vergleichen, einem, der seinem Herrchen auf Schritt und Tritt verfolgt. Das passte um einiges besser.

Wobei mir da auffiel, dass ich auch Zetsu bereits mit einem Hund verglichen hatte... vielleicht tauschten sie ja manchmal die Rollen, damit es nicht zu eintönig wurde?

Aber was auch immer, jedenfalls dauerte es drei Tage, bis ich Zetsu dann tatsächlich einmal allein erwischte – und das auch nur, weil er gerade telefonierte.

Die Beine lässig über eine der Lehnen geschwungen, lümmelte er auf dem Sessel unterhalb des an der Wand befestigten Telefons. Er lächelte gezwungen, während er der Stimme am anderen Ende lauschte. Ich hätte zu gern gewusst, mit wem er telefonierte, während ich ihn von meinem Platz schräg gegenüber beobachtete und er mich nicht einmal zu bemerken oder zu beachten schien.

Mir schienen Stunden zu vergehen, in denen er einfach so dasaß, hin und wieder nickte als ob sein Gesprächspartner das sehen könnte, dabei ein zustimmendes Geräusch von sich gab und in Wahrheit immer mal wieder mit den Augen rollte.

Selbst bei diesem Anblick konnte ich nicht anders als vollkommen entzückt und hingerissen von ihm zu sein. Egal, was er tat, alles war von einem unsichtbaren Zauber umgeben.

Leider rannen die Sekunden dahin, ohne dass ich etwas dagegen tun konnte. Ich fürchtete schon, dass einer der anderen auftauchen würde – die waren glücklicherweise alle draußen, um das schöne Wetter zu genießen, sogar Narukana – und meine Chance mir so aus den Fingern gleiten würde.

Doch gerade als ich schon nicht mehr daran glaubte, schwang Zetsu die Beine von der Lehne und setzte sich aufrecht hin, was mir unwillkürlich das Gefühl gab, dass er das Gespräch nun beenden würde, was offenbar auch stimmte, als ich seine nächsten Worte hörte: „Tut mir ja Leid, dass ich dich jetzt abwürge, aber einer der anderen will auch mal telefonieren. Ja, genau, die ist auch hier. Ja, ich werde hier einen Gruß sagen. Ja, natürlich freue ich mich auf euren Besuch. Bis dann.“

Zwischen jedem einzelnen Satz machte er eine lange Pause, offenbar war die andere Person äußerst gesprächig und er traute sich nicht, sie zu unterbrechen.

Mit einem erleichterten Seufzen legte er schließlich den Hörer auf, ehe er sich wieder in den Sessel sinken ließ. „Ich hab das Gefühl, meine Tante hört sich gern selbst reden.“

Wenn es dieselbe Frau war wie jene im Supermarkt, die dort mit sich selbst gesprochen hatte, dann würde ich ihm da unumwunden zustimmen. Seltsamerweise wusste ich in dem Moment gar nicht, ob er nicht vielleicht doch noch andere Tanten hatte.

„Ich soll dir viele Grüße von ihr sagen.“

Zumindest die am Telefon war also dieselbe wie im Supermarkt gewesen, doch die nächsten Worte ließen meine Ohren heiß werden: „Sie sagt, du bist süß.“

„Lass den Unsinn!“, erwiderte ich knurrend, doch er beharrte darauf, dass es genau ihre Worte waren.

„Wie auch immer“, lenkte er selbst ein, ehe ich noch etwas erwidern konnte. „Am Wochenende kommt meine ganze Familie vorbei, dann kannst du auch meine Mutter und meinen Onkel kennenlernen.“

Sofort liefen mir unangenehme Schauer über den Rücken, mein Innerstes zog sich zusammen. Mich überkam das Gefühl, dass alles viel zu schnell ablief. Hatte das nicht einen Hauch von Begegnung mit den Schwiegereltern?

... Super, wir waren ein paar Tage zusammen und schon dachte ich von seiner Familie als zukünftige Schwiegereltern. Was war nur aus mir geworden?

Ich musste äußerst blass ausgesehen haben, denn plötzlich lächelte er zuversichtlich. „Nur keine Sorge, die beiden werden dich nicht auffressen.“

Was für ein bescheuerter Satz! Als ob irgendjemand jemals befürchtet hätte, von einem anderen aufgefressen zu werden – selbst die Opfer von Hannibal Lector rechneten mit Sicherheit nie mit so etwas... gut, das waren ohnehin nur Filmcharaktere, die rechneten aus Prinzip nie mit etwas. Aber den Gedanken nun weiter auszuführen, würde nur zu einer ellenlangen Liste über Horrorfilmklischees führen, deswegen wandte ich meinen Gedanken wieder etwas anderem zu.

„Ich mache mir keine Gedanken deswegen“, erwiderte ich. „Ich lasse es einfach auf mich zukommen. Mich kümmert eher was anderes.“

Er musste ja nicht wissen, dass ich wirklich ein wenig Furcht verspürte, außerdem musste ich diese Zeit nutzen, in der wir allein waren. „Warum wolltest du nicht, dass ich den anderen von uns erzähle?“

Einen kurzen Moment, in dem er nichts sagte, fürchtete ich, dass er sich gar nicht mehr daran erinnern oder ich sein Zeichen fehlinterpretiert hatte, aber schließlich holte er tief Luft. „Oh ja, genau.“

Dennoch antwortete er nicht sofort, sondern ließ sich wieder Zeit. Ich sah seiner gerunzelten Stirn an, dass er darüber nachdachte, wie er das am besten formulieren sollte. Seine Mimik war in einem solchen Moment ein klein wenig anders als wenn er über etwas anderes nachdachte, eigentlich war der Unterschied kaum zu sehen – und möglicherweise bildete ich mir das sogar nur ein, weil ich unbedingt wollte, dass ich ihn besser verstand als alle anderen und deswegen selbst in so kleine Dinge zu viel hineininterpretierte.

Im Nachhinein betrachtet schäme ich mich fast für dieses fürchterlich verliebte Verhalten – aber nur fast.

Schließlich lachte er nervös. „Nun, wie erkläre ich das am besten? Ich fand den Gedanken, dass alle anderen wissen, dass wir zusammen sind, solange wir hier sind. Das würde nur zu dummen Sprüchen und allerlei Gerüchten führen.“

Da musste ich ihm Recht geben. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, was allein Sorluska dauernd sagen würde, wenn er das wüsste. Oder Subarus überaus erfreutes Lächeln, das zwar nett gemeint, aber für mich dennoch irgendwie nervig war. Über die Reaktionen der anderen wollte ich erst gar nicht nachdenken, vor allem von Seiten des Personals. Allein beim Gedanken, dass Jatzieta irgendetwas dazu sagen könnte schauderte es mir.

Meine Gedanken und Befürchtungen zeigten sich offenbar derart deutlich auf meinem Gesicht, dass Zetsu zustimmend nickte, ohne dass ich etwas sagen musste. „Genau, das ist nämlich auch mein Problem. Ich kenne alle hier seit einiger Zeit, ich konnte mir schon denken, wie sie reagieren würden. Außerdem geht das doch niemanden was an außer uns, oder?“

Ich lächelte. „Genau mein Gedanke.“

„Schön, dass wir uns einig sind.“

Er wirkte sichtlich erfreut, was mich wiederum auch sehr freute. Ja, so unterschiedlich wir sonst auch waren, manchmal waren wir uns auch überaus ähnlich und in solchen Momenten liebte ich ihn fast noch mehr als sonst.

Da das nun geklärt war, konnte ich das Thema erneut wechseln, wieder zurück zu seiner Familie: „Glaubst du wirklich, dass deine Mutter mich mögen wird?“

„Ja, aber sicher. Warum sollte sie denn nicht?“

Erfahrungsgemäß – zugegeben, nur aus Büchern und Filmen – waren Väter immer gegen die Freunde ihrer Töchter und Mütter gegen die Freundinnen ihrer Söhne. Ich war eigentlich nicht erpicht darauf, ebenfalls in einer durchschnittlichen, romantischen Komödie zu enden.

„Also mach dir keine Sorgen“, fuhr er fort, als ich auf seine Worte nur schwieg. „Alles wird mit Sicherheit gut werden.“

So zuversichtlich wie es mir möglich war, nickte ich ihm zu, während ich bereits hörte, wie unten die Tür geöffnet wurde und die anderen wieder hereinkamen, offenbar in eine handfeste Diskussion vertieft, die sich um Narukana und Hexen drehte.

Zetsu setzte wieder dieses charmante und dennoch kalte Lächeln auf, das er immer nutzte, sobald wir nicht mehr allein waren, also genau wie ganz am Anfang. Ich freute mich allerdings bereits wieder auf den Moment, an dem ich erneut sein ehrliches Lächeln sehen würde, ganz allein für mich.

In diesem Augenblick konnte ich noch nicht ahnen, dass unser Glück an einem seidenen Faden hing – und der Grund dafür war nicht nur seine Mutter.



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