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Irgendwo in dieser Welt

von

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Die Vereinbarung

Isolde erwartete uns bereits an der Tür, das Telefon in der Hand, aber offenbar ohne Gesprächspartner am anderen Ende. Laut ihren eigenen Worten hatte sie kurz davor gestanden, erst im Krankenhaus und dann bei der Polizei anzurufen. Zetsu entschuldigte sich charmant, worauf Isolde sich wieder ein wenig versöhnlicher zeigte, aber ich merkte noch den Rest des Tages, dass sie äußerst angefressen von seinem Verhalten war. Ich konnte es vollauf nachvollziehen.

Nichtsdestotrotz saß ich in der Nacht dann gemeinsam mit Zetsu auf meinem Bett, den Rücken gegen die Wand gelehnt. Ich wollte sichergehen, dass er nicht wieder heimlich verschwand, ihm zeigen, dass ich ihm beistand – und außerdem wollte ich noch so viel Zeit wie möglich mit ihm verbringen, ehe ich ihn wieder im Krankenhaus abliefern musste.

Leise lachend unterhielten wir uns über Dinge, die wir an diesem Tag gesehen und erlebt hatten. Mich ließ allerdings das Gefühl nicht los, dass wir beide nur versuchten, ein bestimmtes Thema auszublenden und nicht anzutasten – und damit meinte ich nicht das Krankenhaus.

Plötzlich schmunzelte Zetsu und ich wusste genau, woran er wieder dachte.

„Es ist nicht mehr lange, bis ich achtzehn werde...“

„Was hast du vor, wenn du es bist?“

Ich hoffte immer noch, dass er es sich inzwischen anders überlegt hatte, doch wie so oft wurde ich enttäuscht: „Ich werde das Krankenhaus verlassen – und irgendetwas Aufregendes machen. Tauchen gehen, zum Beispiel.“

Er zwinkerte mir zu, wurde jedoch sofort enttäuscht, da ich nicht darauf einging, sondern ihn nur ernst ansah. „Was ist los?“

„Zetsu, ich mache mir Sorgen um dich“, erwiderte ich wahrheitsgemäß und bemerkte dabei, dass ich mich wie eine Mutter anhörte – oder wie Nozomu in der Nacht auf dem Balkon; wir waren uns wohl doch ähnlicher als ich dachte.

„Warum tut ihr das?“, fragte er, mit einer Verständnislosigkeit, die mir das Herz brechen wollte. „Jeder stirbt einmal.“

Das sagte ja genau der Richtige. Allerdings sagte ich ihm das nicht, was hätte das auch an dieser Situation, diesem Moment der Anspannung, geändert?

„Gerade du solltest doch wissen, dass es nicht so leicht ist für die Leute, die du zurücklässt“, kam es stattdessen von mir. „Wir würden dich alle vermissen und um dich trauern.“

„Du klingst wie Nozomu.“

Autsch! Es klang noch viel verletzender, wenn Zetsu das sagte als wenn ich das dachte. Aber ich konnte ihm nicht lange böse sein, denn schon im nächsten Augenblick lächelte er. „Aber bei dir klingt es irgendwie... viel besser.“

Ich glaubte bereits, mich am Ziel – ihn dazu zu bringen, in Behandlung zu bleiben – als er fortfuhr: „Trotzdem werde ich gehen, wenn ich achtzehn bin.“

Ich wollte ihn an den Schultern packen und so lange schütteln, bis seine Gehirnzellen endlich beschlossen, wieder vernünftig zu werden. Nach allem, was er mir erzählt hatte, war seine Krankheit durchaus heilbar, er müsste nur diese verdammte Therapie durchziehen.

„Ich werde nie wieder mit dir reden, wenn du das tust“, brummte ich.

Sein Lächeln erlosch, als er den Kopf neigte. „Du bist eine ziemliche Heuchlerin, weißt du das?“

Die Worte brauchten einen Moment, ehe sie mein Gehirn erreichten, wo ich sie verarbeiten konnte. Doch kaum war das geschehen, schnaubte ich wütend. „Wie kommst du denn darauf?“

„Du bist abgehauen, als du die erste Gelegenheit hattest und hast deine Therapie abgebrochen, obwohl du krank bist. Mir sagst du aber, ich soll das nicht tun.“

Ich wollte ihn darauf hinweisen, dass meine Krankheit nicht tödlich verlaufen würde – sofern ich nicht nachhalf – und es mir weit weg von meinen Eltern schon besser ging und er außerdem gar nicht wissen konnte, ob ich nicht bereits eine ambulante Therapie geplant hatte. Aber stattdessen sah ich ihn nur schweigend an, weil ich zugeben musste, dass er recht hatte.

„Aber ich bin nicht krank.“

Meine Erwiderung sorgte dafür, dass er mir den Kopf tätschelte – etwas, was ich abgrundtief hasste, doch ich sagte nichts dagegen, sondern ließ ihn einfach machen.

Erst als er wieder aufhörte, sagte ich erneut etwas: „Okay, vielleicht hast du recht und ich bin krank. Aber mir geht es bereits ohne meine Eltern viel besser. Ich muss nicht unbedingt eine Therapie machen.“

„Vielleicht wird es mir ohne Therapie auch besser gehen.“

So wie ich ihn bislang kennen gelernt hatte, zweifelte ich daran, aber ich wollte nicht einfach aufgeben. „Gibt es denn absolut nichts, was dich davon überzeugen kann, wieder ins Krankenhaus zu gehen und auch dort zu bleiben, bis du wieder einigermaßen gesund bist?“

Immerhin dachte er offensichtlich darüber nach, nachdenklich runzelte er seine Stirn und blickte zur Decke. Ich hoffte, er würde sich nicht irgendwas total Bescheuertes einfallen lassen, wie zum Beispiel... äh, bei seinen abgefahrenen Gedankengängen fiel mir einfach nichts ein, was ihm in den Sinn kommen könnte. Außer vielleicht, dass er etwas von mir erwartete, wie zum Beispiel einen Kuss oder... argh, warum fiel mir so etwas ein?

So etwas würde er bestimmt nie sagen, immerhin war das eine von meinen seltsamen Fantasien. Aber es ist ja auch meine Gedankenwelt und nicht seine... die wäre aber mit Sicherheit auch einmal interessant gewesen. Irgendwann, so nahm ich mir da vor, würde ich ihn einmal danach fragen, sobald ein wenig Zeit vergangen war natürlich. Da würde er mit Sicherheit auch die Wahrheit sagen – in jenem Moment wäre wohl nur irgendwas dabei herausgekommen, was er lustig fand.

„Ah, ich weiß was.“

Gespannt sah ich ihn an, er lächelte wieder, doch konnte ich einen Hintergedanken spüren. Das flaue Gefühl in meinem Magen bestätigte mir das auch noch einmal.

„Ich will, dass du auch wieder ins Krankenhaus gehst, gemeinsam mit mir.“

Ich musste mich verhört haben. „Was?“

Doch er wiederholte genau das, was ich wirklich gehört hatte.

„Du sagst, du machst dir Sorgen um mich“, erklärte er. „Und ich sorge mich um dich. Auch wenn du keine körperliche Krankheit hast, solltest du deine Depressionen nicht auf die leichte Schulter nehmen. Ich bin schon eine Weile im Krankenhaus, da kommt man mit einigen Depressiven in Kontakt – und der ein oder andere wurde davon regelrecht zerstört. Das soll mit dir nicht passieren.“

Ich stand nah davor, ihn aus Dankbarkeit für diese Worte zu umarmen, riss mich aber wie üblich zusammen. „Zetsu...“

Wieder lächelte er mir zu. „Also, wenn du mitkommst und bleibst, werde ich auch bleiben.“

So kindisch eine solche Vereinbarung mir auch schien, es würde doch uns beiden helfen, nicht?

Und so schlimm war der Aufenthalt dort immerhin auch nicht gewesen, wenn man von Narukana und der Langeweile absah. Solange man mich nicht operieren und ich bei dieser Verrückten vorsichtig sein würde, könnte ich es dort bestimmt auch aushalten.

Außerdem musste ich an Zetsu denken, der unbedingt eine stationäre Behandlung brauchte, ehe er möglicherweise wirklich noch sterben würde.

„Also gut, dann machen wir es so.“

„Hand drauf.“

Ich schüttelte seine Hand, um diese Abmachung zu besiegeln – für einen kurzen Moment hatte ich erneut das Gefühl, dass wir uns eigentlich küssen müssten, doch noch ehe ich dem lange nachhängen konnte, löste er seine Hand wieder aus meiner und begann über etwas anderes zu sprechen.

Heute weiß ich nicht mehr, worüber wir in jener Nacht noch gesprochen haben oder wie lange wir so nebeneinander saßen. Irgendwann hatte die Müdigkeit mich schließlich besiegt, mein Oberkörper war dem von Zetsu immer näher gekommen, bis ich schließlich meinen Kopf auf seine Schulter gelegt hatte, so erschöpft, dass ich kaum noch meine Augen offen halten konnte und diese schließlich tatsächlich schloss.

Bevor ich einschlief, spürte ich, wie Arme sich um meine Schultern legten. Diese lösten ein wunderbar warmes Gefühl in meinem Inneren aus, das mich schließlich sanft mit einem Lächeln einschlafen ließ.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  LeanaCole
2012-07-13T10:38:32+00:00 13.07.2012 12:38
oder wie Nozomu in der Nacht auf dem Balkon; wir waren uns wohl doch ähnlicher als ich dachte.

Ich sage doch schon die ganze Zeit, dass du ihn voll magst und so XDDDDD


Wenn das so weitergeht, haben meine Kommis nur noch einen Satz XD
Aber ich habe mir vorgenommen nur noch eins für heute zu lesen, damit ich noch was fürs Wochenende habe *lach*
Auch dieses Kapitel mag ich sehr, weil sie sich wieder ein Stück näher gekommen sind. Ich kann es bereits riechen, dass es bald etwas richtiges wird... na, ich weiß es ja schon XD
Ich mag es aber, wie die beiden miteinander umgehen und der Vorschlag von Zetsu gefällt mir auch richtig. Ah, ich liebe die beiden einfach... besonders, wenn du etwas über sie schreibst XD


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