Der vergessene Tempel
Hallo ihr Lieben,
nach langer Pause geht endlich ein neues Kapitel online.
Ich hoffe, ihr seid ncoh mit dabei.
Der geheimnisvolle Schlüssel wird eingesetzt und enthüllt ein Geheimnis, das
seit Jahrhunderten verborgen war. Und es wäre auch besser gewesen, wenn es
niemals wieder an das Licht des Tages gekommen wäre...
Viel Spaß beim Lesen...
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Der vergessene Tempel
Der Morgen kam und mit ihm ein strahlendblauer Himmel. Nicht die kleinste
Wolke war zu erkennen. Die Vögel zwitscherten und das Wasser warf glitzernde
Reflexe. Geblendet blinzelte Yanthana mit den Augen. Dann wandte sie sich ab
und ließ ihren Blick über das Lager gleiten.
Beim Vorratszelt saßen Katsushiro und seine beiden Leibwächter.
Sie hörte das laute Lachen von Mas und Koseki, als sie Ben nach der
vergangenen Nacht fragten. Auch sie blieb davon nicht verschont.
"Hey, Süße!", rief Mas. "So wie es scheint hat dieser Jungspund es nicht
gebracht. Lass mich mal und du wirst vor Verzücken schreien."
Er lachte und Koseki stimmte laut mit ein. Ben sah zu ihr herüber und zuckte
entschuldigend mit den Schultern. Yanthana nickte ihm nur kurz zu, reagierte
jedoch nicht auf die noch immer anzüglichen Kommentare von Katsuhiro’s
Handlangern.
Die junge Hanyou verzog nur missmutig die Lippen zu einem schmalen Strich. Es
juckte ihr gewaltig in den Fingern diesen beiden so von sich eingebildeten
Typen gehörig die Meinung zu sagen, doch sie hielt sich zurück.
>Zeige nur soviel von deinem Können, wie es unbedingt nötig ist, deinen Gegner
zu besiegen. Niemals mehr.< Die Worte von ihrer Tante Ayaka fielen ihr wieder
ein. "Schon gut. Ich werde mich daran halten. Wer weiß, vielleicht werde ich
bald alles brauchen, was ihr mir jemals beigebracht habt", murmelte sie leise
und ging zu zurück.
Wie es schien, hatten die anderen ihr Frühstück beendet und Katsushiro drängte
zum Aufbruch.
"Es ist soweit. Wir sollten uns zum Stein begeben", Katsushiro sah auf seine
Uhr. "Bitte nehmen Sie den Schlüssel mit, Ben."
"Schon hier", sagte Ben und hob den Stoffballen hoch, in dem er das Artefakt
eingewickelt hatte. "Also los!"
Mit einem skeptischen Blick sah Katsushiro zu Yanthana. "Wollen Sie es sich
nicht anders überlegen? Es würde keinerlei Mühe machen den Hubschrauber
herzurufen. Es ist sicher nicht sehr interessant für Sie, wenn Archäologen in
Schlamm und Dreck wühlen."
Yanthana schüttelte den Kopf. "Machen Sie sich keine Umstände, Herr Professor.
Bis jetzt war alles sehr interessant für mich. Ich möchte nicht verpassen,
wenn Sie das finden, was Sie gesucht haben." Sie lächelte den Mann leutselig
an. Wusste jedoch, dass sie ihn nicht täuschen konnte, genauso wenig, wie er
sie täuschen konnte.
Ein Gefühl der Spannung baute sich in Yanthana auf, als sie zu viert den nun
schon bekannten Weg zum Stein entlanggingen.
Schon konnte sie zwischen den Bäumen das große Gebilde schimmern sehen.
Schließlich standen sie davor. Grau und für die Ewigkeit gemacht, lag der
gewaltige Felsbrocken am Ufer.
Ein Teil von ihm ragte in den See. Wie groß dieser Teil war, konnte man von
hier aus nicht sagen, dafür hätte man tauchen müssen.
Katsushiro trat an den Felsen und entfernte das Efeu und Gestrüpp. Die
Aufnahme lag nun frei vor ihnen.
Er hielt inne und sah zum Himmel Die Sonne stand als heller strahlender Ball
am Firmament.
"Den Schlüssel", sagte Katsushiro und reckte gebieterisch die Hand danach aus.
Doch im letzten Moment besann er sich anders. "Kommen Sie, Ben. Sie haben den
Schlüssel gefunden und Sie haben die Ehre ihn einzusetzen." Der Professor
trat zurück und überließ Ben seinen Platz.
Misstrauen schoss in Yanthana hoch, wie eine Flamme und ihre Muskeln spannten
sich unwillkürlich an.
Gab es einen Grund, weshalb der Professor so bereitwillig den Vorgang an Ben
abgab? Konnte es sein, das eine Falle hinter dem Einsetzen des Schlüssels sich
verbarg?
Schickte er Ben etwa als Versuchskaninchen voraus?
Der junge Mann machte offenbar das Verhalten überhaupt nicht misstrauisch.
"Vielen Dank", er wickelte das Artefakt aus den Stoffbahnen. Ein paar Mal
drehte er es hin und her, bis die Konturen, dem Einsatz in dem Fels
entsprachen, dann setzte er es langsam und behutsam in die Aufnahme.
Doch der Schlüssel passte nicht ganz hinein. Er ragte noch einige Zentimeter
heraus.
Ben legte die flache Hand auf den fünfzackigen Stern und drückte. Mit einem
Mal setzte der Stern in der Aufnahme auf.
Ein leises Klacken ertönte. Es war so fein, dass es für menschliche Ohren
nicht hörbar war, doch ein Ruck ging durch die Hanyou. Etwas war geschehen.
Durch das Einsetzen musste ein Mechanismus in Gang gebracht worden sein.
"Und jetzt?", fragte Ben. Er starrte auf den Felsen und erwartete eine
Reaktion. Leichte Enttäuschung machte sich auf seinem Gesicht breit, als
nichts passierte.
"Eine Attrappe?", fragte er und sah zu Katsushiro.
"Nein!", sagte Yanthana. In den letzten Sekunden hatte sie bemerkt, was
passierte. Sie hob die Hand und zeigte auf den See hinaus. "Seht doch!"
In der Mitte der glitzernden Fläche hatte sich ein Strudel gebildet. Immer
größer wurde er. Das Rauschen des Wassers, vorher nur ein leises Plätschern,
wurde immer lauter, bis es zu einem gewaltigen ohrenbetäubenden Tosen anschwoll.
Der Strudel wurde immer größer und tiefer. Es schien, als ob sich auf dem Grund
des Sees ein riesiger Abgrund geöffnete hatte, durch den alles Wasser abfloss.
Gischt spritzte in die Höhe.
Schweigend starrten sie auf den See hinaus. Immer weiter sank der Wasserpegel.
Nahe dem Ufer wurde langsam eine große viereckige Steinplattform sichtbar. Sie
war mit Algen und Schlamm teilweise bedeckt, doch konnte man sehen, dass sie
eindeutig künstlichen Ursprungs war. Dicke Steinquader bildeten eine fast
quadratische Erhebung.
"Phantastisch", murmelte Ben ergriffen. Dem konnte Yanthana nur zustimmen,
doch während es für den jungen Archäologen ein außergewöhnliches Schauspiel
war, drehten sich ihre Gedanken um mehr.
Das hier war ein Versteck für etwas ganz bestimmtes. Ein geniales Versteck,
das bestimmt nicht nur mit dem Wasser des Sees gesichert war, sondern, das
auch noch unter Garantie Fallen im Inneren verbarg, um unerwünschte Besucher
zu vertreiben, oder gar gleich auszuschalten.
Ihr Blick glitt zum Professor. Auch er starrte auf den See, doch sein Gesicht
zeigte kein Erstaunen. Sein Gesicht zeigte Triumph. Als ob er damit gerechnet
hatte, und nun alles endlich nach seinem Plan ablief.
In diesem Moment wandte er den Kopf und ihre Blicke bohrten sich ineinander.
~Wer bist du?~, fragte Yanthana sich in Gedanken. ~Was hast du vor?~
Doch darauf gab es keine Antwort nur das Lächeln, das nun seine schmalen
Lippen teilte. Er war es auch, der als erstes den Blick abwandte.
"Seht nur. Ein Weg zum Tempel erscheint!", rief er.
Yanthana wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem See zu. In der Tat war ein Steg
aus breiten Steinquadern erschienen. Nicht weit von ihnen reichte er bis an
das Ufer und führte dann in einer Geraden zum Tempel hinüber.
Es war wohl der merkwürdigste Tempel, den sie je gesehen hatte.
Das Sinken des Wassers war langsamer geworden, bis es nun endlich zum
Stillstand kam. Noch immer war der Grund des Sees vollständig von der nun
trüben Flüssigkeit bedeckt. Nur der Steg sowie der Tempel ragten aus dem
Wasser hervor.
"Dann mal los!", befahl der Professor. Er ging voran, hangelte sich die
Uferböschung herab und betrat vorsichtig den Steinweg. Sie mussten aufpassen,
durch Algen und Schlick waren die Steine mehr als rutschig. Dazu kam, dass sie
nicht gleichmäßig behauen waren und eine unebene Fläche bildeten.
"Das Ganze ist eine architektonische Meisterleistung. Wer mag das wohl gebaut
haben?", fragte Ben, während sie sich dem Tempel näherten.
"Vielleicht werden wir das im Inneren feststellen", antwortete Katsushiro, der
die Gruppe anführte, dahinter kamen Mas und Koseki und danach Ben, gefolgt von
Yanthana, die das Schlusslicht bildete.
Es dauerte fast zehn Minuten, bis sie die Stufen erreichten, die hoch zu
Tempelplattform führten. Im normalen Tempo, wären sie sicher viel schneller
gewesen, doch die Steine hatten sich als mehr als tückisch herausgestellt.
Einmal hatte Mas sogar die Balance verloren und hatte sich unsanft auf die
vier Buchstaben gesetzt.
Auch Ben war gestrauchelt und hatte es nur Yanthana’s schnellen Griff zu
verdanken, dass seine Sachen nicht genauso grün-braun, mit Algen und Schlamm
beschmiert aussahen, wie die Klamotten von Katsushiro's Leibwächter.
Mit größter Vorsicht stiegen sie die Stufen hoch. Oben blieben sie am Rand der
Plattform stehen. Vom Nahen sah sie größer aus, als gedacht.
"Es muss einen Eingang geben", murmelte Ben und ging voran. Den Blick suchend
nach unten gerichtet.
Yanthana folgte ihm auf den Fuß. Ihre Sinne waren auf das äußerste angespannt.
Eine kleine Unebenheit, die unregelmäßig war, erregte ihre Aufmerksamkeit. Sie
kniete sich nieder und wischte den Schlamm mit den Fingerspitzen zur Seite.
Eine Rille erschien.
"Hier ist etwas", sagte sie.
Ein Schatten fiel über sie, als Katsushiro an ihre Seite trat. Er kniete
ebenfalls nieder und untersuchte es. "Sie haben es gefunden. Das ist der
Eingang. Los, legt die Fugen frei."
Alle machen sich daran und schon in kürzester Zeit konnten sie ein großes in
der Mitte geteiltes Rechtreck erkennen. Ebenfalls hatten sie zwei Steine
gefunden, die an der Breitseite des Rechtecks hervorstanden.
Der Professor kniete sich nieder. Ihm war es offenbar völlig gleichgültig, ob
seine Kleidung dadurch dreckig wurde.
Mit beiden Händen drückte er auf die Steine, augenblicklich erfolgte die
Reaktion.
Mit einem Knirschen, das durch jede Körperfaser drang, öffneten sich die beiden
Flügel nach innen. Sie gaben in tiefschwarzes Loch frei. Graue Steinstufen
führten in eine Tiefe, die nicht zu erkennen war.
"Wir haben es geschafft.", murmelte Katsushiro ergriffen.
Auch Ben war aufgeregt. Seine Wagen hatten sich rötlich gefärbt und seine
Augen strahlten. "Was werden wir dort finden?", fragte er gespannt.
"Unendliche Macht", antwortete Katsushiro. Mit einem Ruck richtete er sich auf.
"Koseki, die Lampen."
Der Mann ließ den Rucksack von der Schulter gleiten und öffnete ihn. Jedem
drückte er eine starke Taschenlampe in die Hände. Yanthana schaltete ihre
Lampe ein, wie jeder von ihnen. "Also los!"
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Kies knirschte unter den Rädern, als der schwarze Porsche vor dem Haus zu
stehen kam. Shippou stieg aus und ging den wohl vertrauten Pfad zur Veranda
hoch. Wie immer stand die Schiebetür halb offen.
Er klopfte kurz an. "Inu Yasha, Kagome? Jemand zu Hause?", dann streifte er
die Schuhe ab und trat ein.
"In der Küche!", ertönte die gedämpfte Antwort.
Der Kitsune hätte den Weg auch in vollständiger Dunkelheit gefunden, so
vertraut war ihm jeder Winkel dieses Hauses.
Shippou trat durch die Küchentür und hielt inne. Er lehnte sich an den
Türrahmen und verschränkte die Arme vor der Brust. "Das hätte ich mir ja auch
denken können", sagte er.
Am geöffneten Kühlschrank stand ein Mann mit langem silberfarbenem Haar. Zwei
Hundeohren standen ihm seitlich von Kopf ab. Jetzt wandte er sich halb um und
Shippou konnte sehen, das sich seine Kiefer noch beim Essen bewegten.
"Was ist?", fragte Inu Yasha mit halbvollem Mund.
"Ich wette, dass war das Abendessen. Ich weiß auch genau, was Kagome dazu sagen
wird: OSUWARI!"
Obwohl er schon seit vielen, vielen Jahren die Bannkette nicht mehr trug, war
der Erfolg des einst so gefürchteten Bannwortes nicht verloren gegangen. Der
Hanyou zuckte zusammen, wie unter einem Schlag. Heftiges Husten folgte.
"Bist du irre?", kam es keuchend von Inu Yasha’s Lippen.
Shippou trat neben ihn und klopfte ihm auf den Rücken. "Na, na. Atme tief
durch. Ich verspreche dir auch, es Kagome nicht zu erzählen. Sie wird eh und
je nur dich allein dafür verantwortlich machen. Yanthana ist ja nicht da", sagte
Shippou und man konnte sehen, dass er sich jetzt schon auf die dann folgende
Szene freute.
Ganz im Gegensatz zu Inu Yasha, der sich von dem Hustenanfall erholt hatte und
nun mit einem bedauernden Gesicht die Kühlschranktür schloss.
"Was willst du hier überhaupt? Ich dachte, du würdest die nächsten Tage mit
deinen Krachmacherkumpeln von deiner komischen Band herumhängen", fragte Inu
Yasha.
"Yan hat mich geschickt", antwortete der Kitsune. "Sie hat dauernd versucht
euch auf dem Handy zu erreichen, doch war keiner dran.
Irgendetwas ist faul an dem Job, den sie da übernommen hat.
Sie war in den Eisbergen. Im verlassen Kloster der Mönche.
Dort, wo... Naraku starb.
Sie nimmt an, dass sich etwas zusammenbraut, nur weiß sie nicht was", erzählte
Shippou.
Er sah das Zusammenzucken von Inu Yasha, als er den Namen Naraku ausgesprochen
hatte. Die goldenen Augen waren in ungewöhnlichem Ausdruck auf ihn gerichtet
und die gesamte Haltung hatte sich verändert. Von einem auf den anderen Moment
hatte sich der Hanyou wieder in einen Krieger verwandelt.
"Ist Yan in Gefahr?", fragte er knapp.
Shippou zuckte mit den Schultern. "Ich weiß es nicht, doch sie will nicht
kommen. Anscheinend hat sie beschlossen diesen jungen Mann, mit dem sie in den
Eisbergen war, unter ihre Fittiche zu nehmen.
Sie glaubt, dass er nichts mit dieser Sache zu tun. Doch du weißt selbst,
alles, was mit Naraku zu tun hat oder hatte ist gefährlich, auch wenn es im
ersten Moment nicht den Anschein hat. Da kommt was auf uns zu. Wir sollten
wachsam sein und auch vor allem dem Taishou informieren."
Inu Yasha nickte. "Mach du das. Ich werde im Dorf Bescheid geben und dann in
Außenbezirke gehen, um das Tor kontrollieren. Wenn Kagome zurückkommt, dann
werde ich sie ebenfalls informieren."
"Gut", sagte Shippou und drehte sich um. Schon an der Tür, blieb er noch mal
stehen und drehte den Kopf halb über die Schulter. "Pass auf dich auf Inu
Yasha. Irgendwie würde ich dich vermissen."
"Keine Sorge, so schnell bringt man mich nicht um", antwortete der Hanyou
grimmig.
~Wollen wir es hoffen~, dachte Shippou und verließ das Haus endgültig, um
sich auf das Schloss Inu no Taishou zu begeben, um auch dort seine Warnung
weiterzugeben.
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Dunkelheit hielt sie umfangen. Die Lampen waren nur eine notdürftig Hilfe.
Yanthana hatte jedoch einen unbestreitbaren Vorteil. Durch ihre Youkaisinne,
konnte sie viel besser sehen, als die Menschen. Sicheren Schrittes ging sie
über die Stufen in die Tiefe.
Dabei hielt sie sich immer in der Nähe von Ben.
Der junge Mann musterte mit strahlenden Augen die Wände. Einmal strich er beim
Gehen behutsam über das Gestein. "Unglaublich. Wie konnte man nur diesen
Tempel hier errichten? Einfach phantastisch."
Auf einmal standen sie am Fuß der Treppe. Ihre Stimmen hatten einen hallenden
Klang bekommen, der verriet, dass sie sich in einem größeren Raum befinden
müssen.
Tief sog Yanthana die Luft ein. "Hier richt es nach Pech", sagte sie.
Langsam ging sie in Richtung Wand, wo der Geruch intensiver wurde. Der Schein
der Lampe riss eine große Schale aus der Dunkelheit.
Vorsichtig hielt sie ihre Nase darüber und schnaufte dann. Kein Zweifel, das
war eine Art Pech.
Sie fasste nach dem Feuerzeug in ihrer Tasche und zog es heraus. So groß wie
möglich stellte sie die Flamme ein, dann hielt sie das brennende Feuerzeug an
die Schale.
Es gab eine helle Stichflamme und das Pech fing Feuer. Doch das war nicht
alles, mit einem Fauchen lief eine Feuerschnurr durch den Raum und mit
weiteren hellen Verpuffungen entzündeten sich mehrere Schalen.
Im Nu war der Raum von flackerndem Feuerschein erfüllt, der die Lampen
überflüssig machte.
"WOW", machte Ben ehrfürchtig.
"In der Tat", murmelte Yanthana und sah sich um. Sie standen in einer kleinen
Vorhalle. Links führten die Stufen in die Höhe.
Fahles Tageslicht sickerte in die Tiefe. Die Wände bestanden aus dickem Stein
mit Ausnahme der rechten Wand.
Dort befand sich ein riesiges Tor. Es reichte vom Boden bis zur Decke. Auf der
metallenen Oberfläche waren Figuren eingraviert.
Yanthana erkannte die Darstellung von Dämonen aller Arten. Doch sie konnte
keinerlei Griff oder Riegel erkennen.
Katsushiro hatte seine Lampe ausgeschaltet und sie an seinem Gürtel befestigt.
Nun stand er vor dem Tor und hatte beide Handflächen flach auf das Metall
gelegt. Sie konnte sehen, wie sich seine Muskeln anspannten, doch das Tor
rührte sich nicht im Geringsten.
Er trat mehrere Schritte zurück und musterte das Tor mit zusammengekniffenen
Augenbrauen.
"Es ist gesichert. Ein Mensch kann das nicht öffnen. Nur ein..." Seine Stimme
verstummte, ein Ruck ging durch seine Gestalt, dann drehte er sich um. Seine
dunklen Augen fixierten den Ausgang, dann rief er so laut, dass es in der
Halle schallte. "KOMM! Ich befehle dir: KOMM HER! Ich rufe dich!"
Eine Bewegung schnell, huschend weiß, aus dem Augenwinkel, ließ Yanthana
förmlich explodieren.
Ben erstarrte, in der einen Sekunde stand die junge Frau noch völlig reglos
neben ihm, und in der nächsten verwandelte sie sich in einen huschenden Schatten.
Eine schnelle Bewegung und sie stand vor ihm, mit beiden Händen einem langen
Kampfstab umklammert, den sie wie einen Schutzschild vor sich hielt.
Yanthana starrte die Frau an, die mit einem Mal neben Katsushiro stand. Alles
an ihr war bleich und blass. Angefangen von der Kleidung, die ihr
offensichtlich viel zu klein war, bis zu der bleichen Haut, die im Halbdunklen
der Feuer geisterhaft hell schimmerte.
Langes Haar umgab ein schmales Gesicht mit hochstehenden Wangenknochen.
Nur ihre Augen, die sich nun auf die junge Hanyou richteten, waren dunkel und
schwarz, wie zwei bodenlose Löcher.
Kein Geruch, keine Ausstrahlung, weder menschlich noch dämonisch. Es war, als
ob sie gar nicht vorhanden war. Ein Nichts...
"Youkai!", entfuhr es Yanthana mit einem Zischen.
Katsushiro sah sie an. In diesem Moment traf es ihn wie ein Schlag, woher
diese Frau ihm bekannt vorkam. "Ich wusste es! MAS!"
Im nächsten Moment hielt der massige Leibwächter eine Pistole in der Hand,
deren Mündung direkt auf Yanthana zeigte.
"Keine Bewegung, Süße. Es würde mir echt leidtun dir ein Loch in dein scharfes
Fahrgestell brennen zu müssen."
Yanthana stand völlig ruhig da. Nur in ihrem Innern kochte es vor Wut. Sie
hatte sich überrumpeln lassen. Eine Pattsituation.
Sie konnte nichts machen. Ben stand genau hinter ihr. Wie leicht konnte ein
verirrter Schuss ihn treffen, wenn sie den Mann angriff. Sie musste abwarten.
Auf ihre Chance warten und dieser Augenblick würde kommen...
"Verdammt, was soll das?", rief Ben. Er fühlt das Blut durch seine Adern
rauschen und das Adrenalin, das sein Herz schneller schlagen ließ.
Katsushiro beachtete den jungen Mann nicht. "Öffne die Tür, Kanna", befahl er
und die junge Frau gehorchte sofort.
Sie legte beide Handflächen auf das Metall und drückte. Was dem Mann nicht
gelungen war, passierte jetzt sofort. Mit einem Knirschen öffneten sich die
großen Türflügel nach innen. Knirschend schoben sie den Staub der Zeit zur
Seite.
"Sehr gut", lobte der Professor und wandte den Kopf zu Ben. "Sie müssen sich
entscheiden, Hopkins. Kommen Sie mit oder bleiben Sie hier?"
In Ben tobte es. Alles war aus dem Ruder gelaufen. Einerseits wollte er nur zu
gerne wissen, was sich dort im Inneren des Tempels verbarg, doch anderseits
wollte er Yanthana nicht allein lassen.
Er war sich absolut sicher, dass dieser Mas keinen Spaß machte. Er würde auf
die junge Frau schießen, sollte sie sich auch nur falsch bewegen.
Ben wusste nicht, was er dagegen ausrichten sollte, doch er konnte sie nicht
einfach ihrem Schicksal überlassen. Er wollte sie nicht verlieren.
"Nein", entschlossen schüttelte er den Kopf. "Ich weiß nicht, was das alles
zu bedeuten hat, Professor, doch ich bin überzeugt, das Sie den falschen Weg
gehen und das es nichts auf der Welt gibt, das ein solches Handeln
rechtfertigt."
Yanthana hatte die Worte gehört und obwohl sie keinen Moment ihren Blick von
Mas nahm, wusste sie, dass Ben einen mehr als entschlossnen Gesichtsausruck
hatte. Es wäre ihr zwar lieber gewesen, ihn aus dem Schussfeld zu wissen,
doch es beruhigte sie auf eine merkwürdige Weise, dass er bei ihr blieb.
"Ich weiß nicht, was Sie vorhaben Katsushiro", sagte sie mit rauer Stimme.
"Doch seien Sie gewarnt. Die Dinge, die von IHM hinterlassen wurden bergen
Gefahr."
Für einen Moment sah sie zu ihm rüber. Das Gesicht des Mannes zeigte ein
grausames Lächeln. "Ich weiß. Gerade deshalb", antwortete er mit kalter Stimme.
Nach diesen Worten wandte er sich ab, und winkte Koseki und Kanna zu, ihm zu
folgen. So verschwanden sie durch das Tor und in dem Halbdunklen, das sich
dahinter ausbreitete.
Yanthana konnte das Fauchen von sich entzündenden Fackel hören und die
Schritte hallten noch für Sekunden nach, doch dann senkte sich Stille über den
Vorraum, nur unterbrochen von ihrem und dem Atem der beiden Männer.
"Was nun?", fragte Ben hinter ihr.
"Von meiner Seite her ist der nächste Schritt klar", erwiderte Mas. Die
Pistole bewegte sich nicht einen Millimeter. "Du wirst jetzt diesen Stab zur
Seite legen, Süße, bevor du noch irgendjemanden damit wehtun kannst."
Yanthana überlegte. Jede Möglichkeit ging sie blitzschnell in den Gedanken
durch. Wäre sie allein gewesen, hätte es keine großartige Überlegung gekostet.
Sie hätte diesen Mas schon längst angegriffen, doch in diesem Fall war das
etwas anderes. Ben stand unmittelbar hinter ihr.
Wenn sie ein schnelles Ausweichmanöver machte, dann geriet Ben automatisch in
die Schusslinie.
Das konnte sie nicht riskieren.
Also musste sie, wenn sie Mas anging, den direkten Weg gehen und das bedeutete
in der Schusslinie bleiben. Und Mas würde abdrücken, da hatte sie keinerlei
Zweifel.
Der Kerl war ein Profi durch und durch.
Anderseits hatte sie keinerlei andere Wahl. Katsushiro würde ganz sicher ihren
Tod befehlen. Bei einer Aufgabe hätte sie es nur aufgeschoben, aber nicht
aufgehoben. Was dann aus Ben würde, stand in den Sternen.
Also....
"Ich warte nicht mehr lange, Süße", sagte Mas seine Augenbrauen hatten sich
zusammengezogen. Offensichtlich hatte er nicht damit gerecht, das Yanthana so
lange nicht reagieren würde. Ihr Anblick, wie sie so gelassen dastand und
seiner Waffe trotzte, machte ihn nervös.
Tief sog Yanthana die Luft ein. Ihre Muskeln spannten sich an. Ihre Augenlider
senkten sich um den Ausdruck in ihren Augen zu verbergen. Jeder Dämon wäre in
höchste Alarmbereitschaft geraten, doch Mas schien sich seiner Sache ziemlich
sicher.
Zu sicher....
Mit einem Satz sprang warf sie sich ihm entgegen.
"Verdammt!", schrie Mas und sein Finger krümmte sich um den Abzug.
Ohrenbetäubend hallte der Schuss in dem Tempel wider....
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Ende Kapitel 8
Die Situation hat sich von einem auf den anderen Moment verändert und das
nicht gerade zum Guten hin. Yanthana steht vor dem Lauf einer Pistolenmündung,
während der Professor mit Hilfe von Kanna weiter in den Tempel eindringt.
Das Leben der jungen Hanyou steht auf Messers Schneide.
Und im nächsten Kapitel wird das Schicksal ein Opfer fordern.
Wer so nett ist und mir einen Kommi hinterläßt, bekommt Bescheid, wenn
es weitergeht.
Noch eine Nachricht in eigener Sache. Ich werde in den nächsten Tagen beginnen
eine zweite Geschichte online zu stellen. Es gibt dann im Wochenwechsel jeweils
ein neues Kapitel hier und bei der neuen Story.
Sie spielt elf Jahre nach dem letzten Kampf gegen Naraku.
"Rin's Reise" wird das Leben der nun jungen Frau entscheidend verändern. Eindeutig in Richtung Romantik, mit einem Schuß Abenteuer.
Würde mich echt freuen, wenn ihr mal vorbeischaut.
Liebe Grüße
chaska