Warnungen und Vorahnungen
Mit einer Woche Verspätung geht dieses Kapitel nun online.
Doch in diesem Kapitel wird nun auch das Geheimnis um den Professor gelüftet.
Für einige vielleicht keine Überraschung mehr.
Viel Spaß beim Lesen...
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Warnungen und Vorahnungen
"Jetzt müssen wir nur noch das passende Schloss finden", beendete gerade Ben
seinen Bericht.
"Das haben wir schon, Ben", Katsushiro wandte den Kopf und unterbrach den
Augenkontakt zu Yanthana.
"WO?", war alles, was der junge Archäologe hervorbrachte. Deutlich schwang
Aufregung mit in seiner Stimme.
"Kommen Sie. Ich zeige es Ihnen", sagte der Professor und winkte auffordernd,
dass sie ihm folgten.
Er verließ das Lager und ging in Richtung Osten um den See. Yanthana und die
anderen Männer schlossen sich ihnen sofort an.
Sie mussten nicht weit gehen.
Nahe dem Ufer lag ein großer Felsen. Zwei drittel ragten ins Wasser und der
Teil, der dem Land zugewandt war, war auf diese Seite mit dichtem Efeu
überwuchert.
Katsushiro stoppte bei dem Felsen. Seine langgliedrigen Finger schoben den
wilden Pflanzenwuchs zur Seite. "Hier!"
Neugierig trat Ben näher. Sein Gesicht zeigte das Erstaunen, dass ihn befallen
hatte.
In dem Felsen war eine Vertiefung zu erkennen, die genau den Abmessungen des
metallenen Sterns entsprach. In der Mitte des Sterns war ein schmales langes
Loch zu erkennen, das offensichtlich tief in den Felsen hineinführte. Genau,
wo auf dem Schlüssel der daumenbreite Stab in die Höhe ragte.
"Das ist es", murmelte Ben und hob dann den Kopf. "Warum haben wir den Schlüssel
nicht gleich mitgenommen? Wir könnten ihn einsetzen und sehen, was passiert."
Katsushiro schüttelte den Kopf. "Nein. Es muss zu einem bestimmten Zeitpunkt
geschehen. Ich hatte Ihnen ja nicht zum Spaß den heutigen Tag als Endtermin
gesetzt. Heute Nacht ist die Nacht des ersten Monds im Monat. Neumond. Nur
nach einer solchen Nacht, kann der Schlüssel benutzt werden. Nur dann werden
wir Zugang zum verborgenen Tempel erlangen."
Ein Stirnrunzeln glitt über Bens Gesicht. "Ein verborgenen Tempel, in dieser
Gegend? Davon habe ich noch nie etwas gehört."
"Es handelt sich dabei um eine sehr, sehr alte Legende. Sie ist kaum bekannt
und nur mündlich überliefert worden", winkte Katsushiro ab. "Wir werden es
morgen sehen."
Er wandte sich an Yanthana. "Da ich dachte, dass die Agentur mir einen männlichen
Mitarbeiter schicken würde, hatte ich nur noch ein Zelt besorgt. Es tut mir
leid. Außerdem werde ich morgen früh sofort veranlassen, dass Sie abgeholt
werden. Ihr Auftrag ist beendet."
Yanthana schüttelte den Kopf. Genau das hatte sie erwartet, doch sie würde
sich nicht so einfach abschieben lassen. Sie würde bleiben. "Machen Sie sich
keine Umstände, Professor. Ich finde schon einen Platz. Außerdem möchte ich
unbedingt sehen, was dieses Artefakt alles bewirken kann. Ich werde also
morgen noch bleiben."
"Eine wunderbare Idee. Ich bin sicher, dass Professor Katsushiro nichts dagegen
hat. Ist doch so Professor? Wir können uns das Zelt teilen. Ich habe nichts
dagegen", grinste Ben übermütig. Seine Augen funkelten.
Katsushiro nickte zögernd. "Ich kann Sie wohl nicht daran hindern. Bleiben Sie
also."
~Stimmt genau~, dachte Yanthana. "Ich werde dein Angebot überdenken, Ben", antwortete
sie unbestimmt.
Ihr Blick glitt über den See. "Bis zum Abend ist es noch einige Zeit."
"Das stimmt. Lassen Sie uns zurückkehren", sagte der Professor. Seine Stimme
klang etwas angespannt. Offenbar gefiel ihm Yanthana’s Entschluss überhaupt
nicht.
Die Männer wandten sich zum Gehen, nur Yanthana blieb stehen.
"Kommst du nicht?", fragte Ben.
Die Hanyou schüttelte den Kopf. "Ich komme später nach. Keine Angst, ich bin
schon ein großes Mädchen und finde das Lager sicherlich auch allein."
"Okay, bis denn", verabschiedete sich Ben.
Es dauerte nur wenige Minuten und dann konnte Yanthana keinen der anderen mehr
sehen. Vorsichtig lauschte sie, ihre Nasenflügel bebten, als sie tief die Luft
einsog.
Sie war wirklich allein.
Es war, als ob sie sich verwandelte.
Ein Ruck ging durch ihre Gestalt. Mit drei langen Sätzen war sie im Wald
verschwunden. Der Wind strich über ihr Gesicht, als sie sich mit traumwandlerischer
Sicherheit zwischen den Bäumen ihren Weg suchte.
Yanthana entfernte sich vom Lager. Immer blieb der See auf ihrer rechten Seite
Schließlich stoppte sie.
Ihr Atem ging nicht um eine Nuance schneller. Mit sicherem Griff holte sie ihr
Handy heraus und gab die Nummer ein. Diesmal fand das Gerät sofort Netz und
nur Sekunden später ertönten die Klingelsignale.
Yanthana ließ es fast eine Minute lang klingeln, doch nahm keiner ab. Leise
fluchte sie, als sie die Taste >Auflegen< drückte.
Dann wählte sie kurz entschlossen Shippou’s Nummer. Es klingelt gerade einmal,
da hörte sie schon die Stimme ihres Freundes. "Ja?"
"Shippou, ich bin’s, Yan."
"Hey, mein Schatz, wo treibst du dich..."
"Shippou, hör mit einfach zu."
Die Stimme des Kitsunen wurde sofort ernst. Er spürte, dass etwas nicht in
Ordnung war. "Was ist los?", fragte er knapp.
"Irgendwas ist faul an diesem Job, den ich übernommen habe. Ich war in den
Eisbergen. Diese Ausgrabung fand in dem alten verlassenen Kloster statt. Du
weißt, welches Kloster ich meine..."
Dumpfes Schweigen herrschte am anderen Ende. "Ich werde diesen Ort niemals
vergessen", sagte dann Shippou düster.
"Irgendetwas braut sich zusammen. Ich traue diesem Professor Katsushiro nicht über den Weg.
Leider erreiche ich Mam und Paps nicht. Du musst sie warnen. Sie müssen
aufmerksam sein. Sag auch dem Taishou Bescheid."
"Mach, dass du da wegkommst. Begib dich nicht unnötig in Gefahr", sagte Shippou besorgt.
"Nein", antwortete Yanthana bestimmt. "Ich kann hier nicht weg."
Ein tiefes Aufseufzen Shippou’s war die Antwort. "Also... wer ist es diesmal,
den du unbedingt retten willst? Ganz bestimmt kein wuschliges Hündchen oder
niedliches Kätzchen,"
Unwillkürlich entfuhr Yanthana ein leises Lachen. "Nein. Er heißt Ben und hat
die Ausgrabung in den Eisbergen geleitet. Wir hatten uns schon auf dem Flug
von New York nach Tokio kennengelernt. Ich glaube nicht, dass er weiß, was
hier ablaufen soll."
"Hau ihm eins über den Schädel und bring ihn einfach mit, wenn du ihn nicht
dalassen willst. Doch hör einmal in deinem Leben auf mich. Du hast das
einmalige Talent immer zielstrebig in das einzige Hornissennest der ganzen
Umgebung zu stechen. Darin bist du wesentlich besser, als es dein Vater jemals
war", versuchte Shippou es erneut.
"Ich werde aufpassen. Kümmere du dich bitte darum, dass Mam und Paps vorsichtig sind."
"Werd es weitergeben. Pass auf dich auf, Yan."
"Mach ich, Shippou-chan. Bye."
"Bye!"
Ein leises Tuten verkündete, das Shippou die Verbindung unterbrochen hatte.
Yanthana drückte den Knopf >Auflegen< und starrte das kleine metallene Handy
gedankenverloren an. Sie hatte getan, was möglich war.
Jetzt lag es an ihr herauszufinden, was hier genau ablief. Sie hob den Kopf.
Etwas beruhigt, dass Shippou ihre Warnungen weitergeben würde, steckte Yanthana
das Handy wieder weg.
Die Sorge von Shippou war ihr nicht verborgen geblieben. Der Kitsune war damals
noch sehr klein gewesen, als ihre Eltern und der Taishou gegen Naraku gekämpft
hatten. Die Ereignisse hatten bei dem Kleinen damals tiefe Spuren hinterlassen.
Kein Wunder, das alles jetzt wieder an die Oberfläche kam.
Tief seufzte die junge Hanyou auf.
Ein leises Rascheln im Unterholz ließ sie zusammenzucken. Ihre Nasenflügel
weiteten sich, als sie die Luft prüfend einsog, doch nichts als der Geruch des
Waldes war aufzunehmen.
Wieder ein Rascheln und diesmal ein wenig entfernter.
Mit einem Ruck setzte sie sich in Bewegung. Doch als sie an die besagte Stelle
kam, war sie leer. Sie ging in die Hocke und betrachtet den Waldboden genauer.
An der Stelle war er teilweise mit einer dichten Matte aus Moosen bewachsen.
Am Rand der Fläche fand sie einen Fußabdruck.
Vorsichtig strich sie die Konturen mit dem Finger nach. Es war ein Abdruck eines
nackten Fußes. Eines Menschenfuß.
Doch wieder war keinerlei Geruch festzustellen und das obwohl bestimmt nur
wenige Sekunden vergangen waren, dass hier jemand entlanggegangen bzw. gerannt war.
Yanthana hob den Kopf. Ihre dunklen Augen musterten die Umgebung aufmerksam.
Sie wusste, dass sie nicht mehr allein war. Sie spürte förmlich, wie ein
verborgenes Augenpaar auf ihr ruhte.
Und mit einem Mal wurde ihr bewusst, das sie genau dasselbe Gefühl schon dort
oben in den Eisbergen gehabt hatte. Dort, wo sie dieses seltsame Wesen verfolgt
hatte, das keinerlei Ausstrahlung und Witterung besaß.
Genau wie jetzt... Wie jetzt.
~Kann das wirklich sein? Ist es ein und dasselbe? Doch wie konnte es so
schnell hier sein?~, überlegte Yanthana und stand wieder auf.
Sie hatte Recht behalten. Irgendetwas war an diesem Auftrag oberfaul.
Sie musste zurück. Ben war allein im Lager. Sie machte sich auf den Weg. Mit
großen Sprüngen hastete Yanthana zurück. Erst kurz bevor sie das Lager erreichte,
fiel sie in eine normale Menschengeschwindigkeit zurück.
Wie eine harmlose, menschliche Frau trat sie zwischen die Zelte.
"Auch wieder da, Süße? Haste die Gegend genossen, oder haste den Weg nicht
zurückgefunden, das es so lange gedauert hat?", fragte mit einem dreckigen
Grinsen, der Mann, der Mas hieß. Sein Kumpel lachte laut auf und hieb sich vor
Vergnügen auf den Oberschenkel.
Die beiden Männer saßen unter dem Zeltvordach am Tisch.
Yanthana sah, dass nun auch ihre Reisetasche sich neben der von Ben auf dem Tisch
befand.
Sie brauchte nicht nachzufragen, um zu wissen, dass Mas und Koseki ihre Sachen
durchsucht hatten. Also konnte sie sich wohl von ihrem Ersatzmagazin für ihre
Beretta verabschieden, entweder war die Munition weg, oder das Magazin war
unbrauchbar.
Es blieben ihr nur die Sachen, die sie am Leib trug, auf die sie sich
ungesehen verlassen konnte.
Ihre Waffe steckte sicher in ihrem Gürtelhalfter und der Kampfstab unter ihrer
linken Achsel in einem Spezialhalfter. Ihre Ausweispapiere, Portemonnaie und
ihr Handy in den geräumigen Taschen ihrer Jacke.
Yanthana suchte Ben, doch konnte sie ihn nirgends sehen.
"Wo ist Mr. Hopkins?", fragte sie.
"Er wollte sich frisch machen", Katsushiro trat gerade in Freie. Er zeigte mit
dem Finger in Richtung Ufer, doch diesmal in die andere Richtung, als sie
vorhin gemeinsam gegangen waren. "Dort hinten befindet sich eine Bucht. Ideal
für ein erfischendes Bad."
Yanthana nickte kurz und ging in die angegeben Richtung. Die bissigen
Kommentare, die ihr folgten, überhörte sie geflissentlich.
Sie machte sich im Stillen Vorwürfe. Ihr Job war es Ben zu beschützen. Zumindest
hatte sie sich das zur Aufgabe gemacht.
Ben hatte nichts mit den Machenschaften zu tun. Er war ein junger engagierter
Archäologe, den Katsushiro für seine Zwecke benutzte. Sie hoffte zumindest,
dass sie mit dieser Annahme auch richtig lag.
Doch leider war ihr Verhalten mehr als unprofessionell gewesen. Ein
Personenschützer hatte nicht einfach seinen Schützling allein zu lassen. Zumal
wenn man sich fast hundertprozentig sicher war, das irgendeine Gefahr sich
zusammen braute.
Yanthana fand ohne Mühe, die Stelle, die Katsushiro beschrieben hatte. Der See
hatte hier eine kleine Ausbuchtung gebildete. Das kristallklare Wasser war
nicht sehr tief und man konnte bis auf den Grund sehen.
Wie silberne Schatten huschte ein Schwarm Fische vorbei.
Ben’s Kleidung befand sich in einem unordentlichen Haufen nahe dem Ufer auf
einem flachen Stein. Daneben ein dickes Handtuch. Von dem jungen Mann war
keine Spur zu sehen.
Das Aufspritzen von Wasser lenkte Yanthana’s Aufmerksamkeit auf den See. Laut
prustend tauchte Ben in diesem Moment auf. Er strich sich das nasse Haar mit
einer Hand aus dem Gesicht.
Als er Yanthana am Ufer stehen sah, hob er winkend die Hand.
"Das Wasser ist herrlich. Komm doch rein", rief Ben und machte sich daran mit
langen Zügen auf sie zuzuschwimmen.
Yanthana lehnte sich mit verschränkten Armen gegen einen nahen Baumstamm.
"Tut mir leid. Ich habe keine Badesachen mit", schüttelte sie den Kopf.
Ben war näher gekommen und trieb nun Wassertretend nur wenige Meter vor ihr im
Wasser. "Ich auch nicht. Das ist also kein Argument. Bist du etwa schüchtern?"
"Keh", machte Yanthana. "Provozier mich nicht. Du würdest es bereuen."
Der junge Mann lachte auf. "Zumindest lehnst du nicht völlig ab. Das ist doch
schon mal ein Fortschritt. Manchmal kommst du mir so unnahbar vor. Als ob du mit
deinen Gedanken in weiten Fernen weilst, wo dich niemand erreichen kann. Ich
würde gern wissen, was du denkst."
"In diesem Moment? Das kann ich dir gerne beantworten. Was weißt du über
Katsushiro?", fragte Yanthana direkt.
Sie sah, wie Ben die Stirn runzelte und zum Ufer schwamm. Schnell fanden seine
Füße Grund und er stieg aus dem Wasser.
Gerade noch rechtzeitig drehte sich Yanthana um, bis ihre empfindlichen Ohren
ihr sagten, dass er sich abtrocknete und das Handtuch um die Hüften schlang.
Erst dann drehte sie sich wieder um.
Ben stand nur zwei Schritte von ihr entfernt. Nachdenklich sah er sie an.
"Er war mein Professor für Archäologie, als ich auf der Uni in San Fransisco
studiert habe. Er hat mir sehr geholfen. Alles, was ich weiß, habe ich ihm zu
verdanken. Auch den ersten Ausgrabungsjob. Deshalb war es für mich eine große
Ehre und auch eine Verständlichkeit ihm zu helfen, als er mich um
Unterstützung bat.
Warum fragst du?
Fast scheint es mir, als ob du etwas gegen ihn hast."
~Gut beobachtet~, dachte Yanthana, doch laut sagte sie nur. "Es hat mich
interessiert. Denn es kommt nicht sehr oft vor, dass man telefonisch für einen
solchen Job angeheuert wird. Einen Job bei einer Ausgrabung.
Wobei mir noch nicht klar ist, was er hier exakt hofft zu finden, denn darüber
hat er nichts gesagt."
"Er war schon immer etwas seltsam. Hat sich mit Vermutungen und Äußerungen
stets zurückgehalten. Und das er einen Leibwächter engagiert hat, liegt
vielleicht daran, das er Angst hatte, dass zum Beispiel dieser Schlüssel
gestohlen würde und das vielleicht hier jemand versucht etwas für sich zu
beanspruchen, das ihm nicht zusteht", mutmaßte Ben.
"Auf jeden Fall wird uns morgen ein mit Sicherheit großartiger Fund erwarten.
Etwas, was unsere Vorstellungskraft übersteigt. Denn ich weiß, dass es hier in
der näheren Umgebung keine alte Tempelanlage gibt. Doch kann ich mir nicht
vorstellen, das Katsushiro gelogen hat."
"Ich bin mir absolut sicher, dass uns wirklich eine Überraschung erwarten wird,
doch ob sie so ausfällt, wie du es dir denkst, wage ich ernsthaft zu
bezweifeln", erwiderte Yanthana trocken.
Ben lachte und kam langsam auf sie zu. "Ich liebe Überraschungen", sagte er
leise.
Yanthana spürte seinen warmen Atem über ihre Haut streichen, als er vor ihr
stehen blieb. Sein Geruch rang vehement in ihre Nase. Sie fühlte ein Kribbeln,
das in ihrem Magen begann und sich auf ihren gesamten Körper ausbreitete.
Vorsichtshalber wollte sie einen Schritt zurückweichen, um mehr Abstand
zwischen sich und Ben zu bringen. Dabei vergaß sie, dass schon an dem Baum
lehnte.
Bevor sie seitlich ausweichen konnte, hatte er seine Arme gehoben und sie
seitlich rechts und links von ihr an die raue Rinde gestemmt.
"Hey", murmelte Ben leise. "Fast scheint es mir, dass du Angst vor mir hast.
Dabei bin ich es doch, der von dir beschützt werden sollte."
"Du weißt nicht, auf was du dich da einlässt", warnte Yanthana, doch ihre
Stimme erzitterte leicht. Sie konnte nicht verleugnen, dass er ihr sympathisch
war. Und vor allem roch er so gut.
"Wie gesagt, ich liebe Überraschungen", sagte er und kam mit seinem Gesicht
immer näher.
Blitzschnell ließ sich Yanthana in die Knie sinken und tauchte unter seinen
Armen seitlich weg.
"Das war nah genug", sagte Yanthana und lächelte.
"Ich war offensichtlich nicht schnell genug", sagte Ben mit einem enttäuschten
Gesicht und verschränkte die Arme vor der Brust. "Das nächste Mal werde ich
dir keine Chance geben mir auszuweichen."
"Na denn, viel Glück dabei", erwiderte Yanthana mit einem hellen Lachen. "Doch
bevor du einen zweiten Versuch startest, solltest du dir mal etwas anziehen.
Es wird nachts schon „so“ kalt", warnte sie mit zeigte mit Daumen und
Zeigefinger eine bestimmte Größe eines bestimmten männlichen Körperteil an.
Ben legte die Hand auf seine Brust, wo sein Herz schlug und zog ein scheinbar
erschrockenes Gesicht. "Hoppla. Ich bin mehr als dankbar für deinen Rat. Es
wäre ein herber Schlag für mein männliches Ego gewesen, wenn ich mich dir nicht
in absoluter Bestform präsentieren könnte."
"HMPF!", machte Yanthana und spürte, wie ihre Wangen sich leicht röteten.
"Zieh dich endlich an.", stieß sie nur noch hervor und wandte sich zum Gehen.
Mit schnellen Schritten brachte sie Abstand zwischen sich und Ben und
verschwand außer Sichtweite, wobei ihr sein warmes Lachen folgte.
Dann tat sie etwas, was sie schon seit vielen, vielen Jahren nicht mehr getan
hatte. Mit einem gewaltigen Satz aus dem Stand sprang sie auf den nächsten
tief hängenden Ast von dem Baum vor ihr.
Geschickt hangelte sie sich höher, bis sie vom Boden aus nicht mehr zu sehen
war. Dann setzte sie sich auf einen Ast und lehnte sich an den Stamm.
Tief atmete Yanthana durch. Ihr Herz klopfte schnell und sie fühlte noch immer
die Wärme in ihrem Körper, die durch seiner Nähe und seinen Geruch entstanden
war.
Sie strich sich mit beiden Händen übers Gesicht und dann über die langen Haare.
"Bei allen Göttern. Yan, reiß dich zusammen. Er ist ein Mensch. Das gibt nur
Schwierigkeiten."
Schritte unter dem Baum lenkten ihre Aufmerksamkeit ab.
Durch das Astwerk, sah sie Ben vorbeilaufen. Er ahnte nicht im mindestens, dass
sie ihn beobachtete.
Ein leichtes Lächeln huschte über ihr Gesicht.
"Es bleibt schwierig, nicht wahr, Hanyou? Also gut. Mal sehen, wo uns das
hinführt. Es hat wohl wenig Zweck gegen sich selbst zu kämpfen, wenn man einen
solchen Gegner hat, der sehr zielsicher den Finger in die Wunde legt,
oder?", murmelte sie zu sich selbst.
Ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Lautlos ließ sie sich hinter
ihm zu Boden gleiten. Nicht ein einziges Geräusch verriet ihre Bewegungen.
Ben hatte sie nicht bemerkt. Er ahnte nicht im Geringsten, das Yanthana in der
Nähe war.
Mit einigen Schritten hatte sie ihn erreicht und legte ihm von hinten die Hand
auf die Schulter.
"Na, endlich fertig?", fragte sie.
Ben zuckte zusammen. Er wirbelte herum und starrte sie ungläubig an. "Wo
kommst du denn so plötzlich her? Ich habe dich nicht bemerkt", stieß er
erstaunt hervor.
Yanthana zuckte nur mit den Schultern. "Ich bin die Beste in meinem Job.
Außerdem muss jede Frau auch ihr kleines Geheimnis haben."
"Kleine vielleicht, doch du bist ein einziges großes Geheimnis für mich. Ich
werde aus dir nicht schlau", sagte Ben und warf ihr einen Blick von der Seite
zu. "Eines Tages wirst du mir Rede und Antwort stehen müssen."
Einträchtig gingen sie nebeneinander sie in Richtung Lager.
"Manche Sachen sollten besser nicht ausgesprochen werden", sagte Yanthana und
ihr Gesicht wurde ernst und dann fuhr sie mit einem leichten Lächeln fort.
"Außerdem bleibt es doch schließlich so spannend für dich, oder?"
Ben grummelte leise vor sich hin. Offensichtlich war er nicht sehr zufrieden
mit ihren Erklärungen.
Der Abend verlief ohne weitere Vorkommnisse, als es dann schließlich Zeit
wurde zu Bett zugehen, wurden Ben und Yanthana von anzüglichen Kommentaren und
wissenden Blicken zu dem Zelt verfolgt.
Yanthana kroch in voller Montur in ihren Schlafsack. Nur die Schuhe zog sie
aus.
Ben tat es ihr gleich.
Schließlich lagen sie nebeneinander, die Lampe war ausgelöscht und ein
Halbdunkel lag über ihnen. Yanthana lag auf dem Rücken und hatte die Augen
geschlossen. Ihr Atem ging in ruhigen, gleichmäßige Züge.
Ben hatte sich auf die Seite gedreht und beobachtete sie. Offenbar schlief sie
schon.
Wer war sie?
Sie hatte etwas an sich, das er nicht einordnen konnte, etwas fremdes, etwas
wildes, etwas, ja Raubtierhaftes. Anderseits war sie jedoch eine wunderschöne
Frau und das sie offenbar ein Geheimnis umgab macht sie noch interessanter.
Er stemmte sich auf die Ellenbogen und beugte sich vorsichtig zu ihr hinüber.
Aufmerksam musterte ihr Gesicht. Die langen Wimpern, die vollen roten Lippen.
Ob sich ihre Haut so weich anfühlte, wie sie aussah?
Der Drang sie zu berühren wurde fast übermächtig. Behutsam hob er eine Hand.
Yanthana fühlte seine Bewegungen und spürte seinen warmen Atem. Ihr Herzschlag
beschleunigte sich. Äußerlich sah man ihr jedoch nichts an.
Er gefiel ihr, das konnte sie nicht leugnen, doch er war ein Mensch. Und sie
eine Hanyou. Ein Mischling.
Es war besser, wenn Ben jemanden lieben lernte, der so war wie er. Nicht so
anders, wie sie.
Seine Finger waren nur noch wenige Zentimeter von ihrer Wange entfernt. "Was
hast du vor?", fragte Yanthana und öffnete schlagartig die Augen.
Ben zuckte zusammen. So rasch wie möglich zog er seine Hand zurück und
versteckte sie an seinem Körper. "Ni... nichts. Ich wollte nur sehen, ob du gut
zugedeckt bist. Sicher ist dir schon aufgefallen, dass es nachts kühler ist,
als am Tag." Ben ärgerte sich über seine ungeschickten Worte.
Yanthana zog eine Augenbraue in die Höhe. "Soooo?!? Ich hatte mir schon
Gedanken gemacht. Schlaf, Ben. Wenn der morgige Tag wirklich die Überraschung
bereithält, die du vermutest, dann musst du ausgeschlafen sein."
Mit einem abgrundtiefen Seufzer drehte sich Ben um und zog den Schlafsack bis
zu den Ohren hoch.
Yanthana lag noch lange wach. Ihre Gedanken glitten wieder zu ihrer Familie.
Heute war die Nacht des Neumonds. In dieser Nacht verlor ihr Vater seine
dämonischen Kräfte.
Hoffentlich hatte Shippou Bescheid gegeben, dass sich hier irgendetwas
zusammenbraute.
Yanthana schloss die Augen und versuchte Schlaf zu finden. Trotz aller Sorgen
gelang es ihr.
Sie ahnte nicht, dass sich inzwischen jemand dem Lager näherte. Doch selbst,
wenn sie wach geblieben wäre, wäre es ihr nicht möglich gewesen, den
geheimnisvollen Besucher zu bemerken, denn das Nichts ist weder zu spüren,
noch zu wittern.
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Die Zeltplane wurde langsam zu Seite geschoben.
Aus dem dunklen Inneren des Zeltes drang eine Stimme. "Komm nur herein. Ich
habe dich schon erwartet", klang es dumpf dem heimlichen Besucher entgegen.
Eine schlanke Gestalt huschte hinein und die Zeltplane schloss sich wieder
hinter ihr.
Ein Geräusch durchbrach die Stille und eine kleine Flamme züngelte auf. Wie
durch Geisterhand bewegte sie sich durch die Luft und wurde auf einmal größer,
als das brennende Streichholz an den Docht der Petroleumlampe gehalten wurde.
Der flackernde Schein riss eine kleine Insel der Helligkeit in das Dunkel.
"Komm näher!", forderte die Stimme. Sie war eindeutig männlich. Ein Stuhl
stand neben dem Tisch auf dem die Lampe stand.
Schwach konnte man die Arme und Beine desjenigen erkennen, der auf dem Stuhl
saß. Das Gesicht lag jedoch in den tiefen Schatten verborgen.
Zögernd näherte sich der heimliche Besucher. Schließlich trat er in den
Lichtkreis und man erkannte, dass es eine Frau war.
Einst musste ihre Kleidung weiß gewesen sein, doch jetzt war sie zu einem
dunklen Grau verkommen. Rissig und eindeutig zu klein für die Frau, entblößte
sie blasse, fast weiße Haut.
In einem schmalen Gesicht lagen die dunklen Augen. Augen, die einem schwarzen
Spiegel glichen.
Einem Spiegel, der keine eigenen Gefühle oder Gedanken zeigte.
Das lange Haar in einem dicken Zopf gebändigt, der ihr über die Schultern fiel,
glänzte in weiß.
Bewegungslos wartete sie. Der Mann beugte sich leicht vor und hob eine Hand.
Er legte sie mit einer zärtlich anmutenden Geste an die Wange der jungen Frau.
"Ja... es ist lange her. Nicht wahr.... Kanna."
Augenblicklich fiel sie in den Kniesitz und verbeugte sich tief.
"Mein Herr..... Naraku!"
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Ende Kapitel 7
HUH. Was sicher allgemein schon vermutet wurde, wird in dieser dunklen,
sternenlosen Nacht Wirklichkeit. Er ist wieder da!
Der Kreis schließt sich. Erneut werden sich unsere Freunde mit ihrem alten
Feind auseinandersetzen müssen. Doch eines ist diesmal anders. Ihr Gegner
trägt ein unbekanntes Gesicht.
Ist es wirklich Naraku oder ist es doch eher die Seele von Onigumo dem
Banditen der die Reise durch die Zeiten gelang? Wiedergeboren in einem neuen
Körper?
Eines kann ich euch jedoch versprechen, ab jetzt ist das ruhige Leben vorbei.
„Der vergessene Tempel“ ist das eigentliche Zeil des Professors. Und Ben hat in
einem wirklich Recht: Es wird eine Überraschung geben, die den Rahmen seiner
Vorstellung sprengen wird und die nächsten Tage werden das Weltbild des den
jungen Archäologen ziemlich ins Wanken bringen.
Bis bald eure
chaska