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霜の花

Comme un cristal de glace
von

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Tag 8 – Freitag: Der Letzte Tag

@ Terra-gamy: Ja, genau richtig: D2 ist eine Oktave höher als D1!
 

@ JaeKang: *lach* Die hide-Szene zu schreiben hat auch unheimlich viel Spaß gemacht! Hmh… Synonyme für super: spitze, hervorragend ^.~
 

@ nawa: Danke, für alles was du in dem Kommmi geschrieben hast – vor allem das „respektvoll“; das bedeutet mir viel!
 

Vielen Dank an alle Leser und Kommischreiber und ich hoffe, dass auch dieses Kapitel seinen Anklang findet! Leider kommt nach diesem nur noch ein einziges… Wahnsinn, wie schnell die Zeit verflogen ist.
 

~*~*~*~*~*
 

I will try to live with love, with dreams and forever with tears

X JAPAN – Tears
 

Der nächste Morgen verlief ähnlich wie die anderen auch, wobei die meiste Zeit einmal wieder mit Krankengymnastik drauf ging. Yoshiki teilte der Therapeutin mit, dass sie am nächsten Tag nicht zu kommen brauchte, da ihm kurzfristig etwas dazwischen gekommen war. Während des Frühstücks hatte er nämlich eine Idee gehabt, wie er Rans letzten Tag mit ihm eine kleine Sahnehaube aufsetzen konnte und das beinhaltete, dass er am Samstag keine Zeit für ein Rendez-vous mit Gymnastikbällen hatte. Seine Nichte hatte bis dato kein Wort über die gestrige Nacht verloren, wofür er ihr äußerst dankbar war. Verglichen mit gestern Abend fühlte er sich jetzt wieder emotional stabiler, sodass er auch keinen Grund sah, noch ewig viel darüber zu reden. Dass er ab und an dermaßen von seinen Gefühlen überwältigt wurde, war inzwischen ein Teil von ihm geworden, mit dem er irgendwie gelernt hatte zu leben.
 

Während der Physiotherapie hatte Ran weiter Kraniche gefaltet und als sie nach dem Mittagessen ein wenig auf Yoshikis Flügel herum spielte, saß er am Boden, zählte die Papiervögel und packte immer 100 in eine Plastiktüte. Obwohl er sich eigentlich auf die korrekte Anzahl der Kraniche konzentrieren sollte, lag seine eigentliche Aufmerksamkeit bei dem Mädchen, das da auf der Klavierbank saß, wahllose Tasten anschlug und ausprobierte. Natürlich hätte er sie wieder Tonleitern spielen lassen können, aber auf die Dauer wurde das auch eintönig und er wollte schließlich nicht, dass sie den Spaß daran verlor. Entsprechend ließ er sie improvisieren, lauschte der Melodie, die sie sich nach und nach zusammen bastelte und klopfte sich gedanklich für seinen Einfall auf die Schulter, da sie so nicht nur beschäftigt war, sondern auch das Instrument besser kennen lernte und wenn er eines wusste, dann, dass man sich etwas besser einprägte, wenn man es selbst in Erfahrung brachte. Ab und an warf er einen kurzen Blick zu ihr hinüber, um ihre Fingerstellung zu begutachten und sie notfalls zu korrigieren, ansonsten ließ er sie jedoch selbst herausfinden, wie sie dem Flügel entsprechende Stimmungen entlocken konnte.
 

So war es nicht verwunderlich, dass er sich immer wieder verzählte und von Neuem anfangen durfte. Schließlich war er sich jedoch sicher, inmitten von 897 Kranichen zu sitzen, die fein säuberlich in Tüten waren, auf die er die jeweilige Anzahl mit Edding geschrieben hatte.

"Wie viele fehlen noch?", fragte Ran, als er ihr die Anzahl mitteilte.

"103…“

"Hilfst du mir? Zusammen schaffen wir die sicherlich noch!"

"Gleich, ich muss erst noch einen Anruf erledigen..."

Damit erhob sich der Schlagzeuger und zog sich in sein Arbeitszimmer zurück, wo er sich in seinem Chefsessel niederließ und das Mobiltelefon nahm, das auf dem Tisch lag. Über Kurzwahl wählte er eine seiner PAs an. Ohne sich zu melden trug er sofort sein Anliegen vor: "Risa, lassen sie für heute Abend um 19:00 Uhr den Hubschrauber für einen Rundflug über Tokyo Abflug bereit machen… Nein, ich fliege nicht selbst. Sagen Sie einem der Piloten Bescheid und der zuständigen Security ebenfalls!... Ja, gut… und kümmern Sie sich bitte darum, dass sämtliche Sachen meiner Nichte aus dem Gästezimmern meiner Villa zurück in das Apartment meines Bruders geschafft werden, ebenso die Tüten mit den Papierkranichen, die im Wohnbereich stehen. Und wenn sie schon dabei sind, dann stellen Sie sicher, dass die Medikamente und so, die auf dem Nachttisch in meinem Schlafzimmer liegen, zusammen mit ein paar meiner Sachen ebenfalls dorthin kommen… okay, ja… nein, erst nach 15:00 Uhr… gut, vielen Dank, Risa!"

Fast fühlte er sich ein wenig schuldig, dass er ihr so viel Arbeit auf einmal aufhalste, nachdem er sie seit dem Konzert eigentlich nicht mehr gebraucht hatte, aber andererseits, er bezahlte sie schließlich dafür und es war nicht so, dass sie seine einzige persönliche Assistentin war. Sie war lediglich diejenige, die im Moment am längsten für ihn arbeitete und die entsprechend sein besonderes Vertrauen genoss. Entsprechend bekam sie erst einmal immer alles ab und musste es dann auf die anderen PAs umdelegieren.
 

Als er aufstand und wieder zurück zu Ran ging, um ihr bei den Kranichen zu helfen, war er der festen Überzeugung, dass seine kleine Überraschung am Abend gut gelingen würde. Eine Weile saßen sie stumm nebeneinander und falteten die Vögel, ehe Yoshiki meinte, dass es Zeit war, dass sie sich fürs Ballett fertig machte, da sie bald abgeholt werden würden. Es dauerte auch nicht lange und er hörte wie die Haustür geöffnet wurde.

"Boss?!", vernahm er Dans vertraute Stimme.

"Coming!", rief der Drummer auf Englisch und ging mit Rans Tasche voraus, während sie ihm folgte. An der Tür des Gästezimmers blieb sie jedoch stehen und starrte hinein. Heute war ihr letzter Tag und auch wenn sie sich darauf freute, bald ihre Eltern wieder zu sehen, so würde sie gerne noch mehr Zeit hier verbringen.

"Ran-tan, kommst du?", fragte Yoshiki und blieb stehen, als er merkte, dass sie nicht mehr direkt bei ihm war.

"Wirst du mich vermissen, wenn ich wieder bei Mama und Papa bin, Yoyo?"

"Wie kommst du darauf?", wollte er etwas überrumpelt wissen und ging zu ihr zurück.

"Wirst du mich vermissen?"

"Natürlich werde ich das, Ran!", antwortete er, nachdem er in die Hocke gegangen war, ihr die Hände auf die Schultern gelegt und ihren Blick eingefangen hatte - seine Antwort war dabei noch nicht einmal gelogen. Zwar freute er sich darauf, wieder spontaner sein zu können, aber es würde spürbar ruhiger im Hause sein, wenn sie zurück bei ihren Eltern war - ein Grund mehr, sich nächste Woche in die Arbeit zu stürzen.

"Darf ich wieder kommen?", hakte sie leise nach und drückte sich an ihn.

"Jederzeit!" Dass es davon abhing, ob er Zeit hatte, verschwieg er, da er es selbst auch ein wenig verdrängte, und umarmte sie stattdessen einfach.

"Und bringst du mir weiterhin das Klavierspielen bei?"

"Wenn du das möchtest…"

Ein Nicken gegen seine Schulter, wo sie ihren Kopf abgelegt hatte, war die einzige Antwort, die er erhielt, und sie genügte, um ein Strahlen auf seine Gesichtszüge zu zaubern, das einem Honigkuchenpferd gleichkam.
 

"Gut, dann haben wir einen Deal. Und jetzt lass uns gehen, ansonsten kommst du noch zu spät zum Ballett." Die Tasche in der einen Hand, hob er Ran mit der anderen hoch, die automatisch die Beine um seine Hüften schlang, und trug sie bis zur Haustür, wo er sie absetzte, damit sie beide ihre Schuhe anziehen konnten. Erst jetzt bemerkte er den traurigen Ausdruck in ihren Augen.

"Hey!", sagt er leise, drückte sie an sich und wuschelte ihr durch die Haare, "deine Eltern sind doch in nicht einmal 24 Stunden wieder da – wenn du da auch noch schaust, als würde die Welt gleich untergehen, dann sind sie sicherlich traurig, weil sie denken, du hättest sie gar nicht vermisst!"

"Ich habe sie vermisst! … nur irgendwann nicht mehr so doll… weil du da warst, um mich zu beschützen...!“ Gegen Ende hin war ihre Stimme leiser geworden und sie hatte ihr Gesicht gegen seine Oberschenkel gedrückt, um den sie ihre Arme geschlungen hatte.

"Ran-tan, ich werde immer auf dich aufpassen, egal wo ich bin", versprach er und hauchte ihr einen Kuss auf den Scheitel, "und jetzt lächel wieder, ich habe später nämlich noch eine Überraschung für dich und die macht garantiert mehr Spaß, wenn du keine Stimmung wie sieben Tage Regenwetter verbreitest!"

Bei dem Wort ‚Überraschung‘ blickte sie augenblicklich erwartungsvoll zu ihm hoch und wollte wissen, was für eine er hatte. Doch da blieb er stur, da es schließlich keine mehr wäre, wenn er sie ihr jetzt schon verraten würde.

"Das wirst du noch früh genug herausfinden!"
 

Kurz darauf saßen beide in dem Van und Yoshiki war froh, dass seine Nichte wieder gut gelaunt war und fröhlich vor sich hinplapperte. An der Ballettschule angekommen ging sie alleine in die Umkleide, um sich umzuziehen, während er sich mit seinen Sicherheitsleuten etwas abseits hielt und sein Gesicht hinter einer großen Sonnenbrille und einer Cappi verbarg. Es war ihm ganz recht, wenn er hier nur als Rans Onkel und nicht als YOSHIKI, Bandleader von X JAPAN, durchging. Er hatte sich auf eine Bank gesetzt und ging ein paar E-Mails durch, die er erhalten hatte. Eine war von Risa, die ihm mitteilte, dass der Hubschrauber wie gewünscht zum Abflug bereit sein würde. Die nächste war von seinem Bruder, der ihm schrieb, dass sie wohl gegen 05:00 Uhr früh am Samstag in ihrem Apartment seien und am Vormittag dann zu ihm kämen, um ihre Tochter abzuholen. Nachricht Nummer drei war von Toshi, der wissen wollte, wie es ihm ginge, während Miyavi, von dem E-Mail Nummer vier stammte, lediglich wissen wollte, wann er denn Zeit für den DVD-Abend hätte und welchen Porno er gerne sehen würde - im Anschluss daran folgte noch eine lange Liste mit Titeln, wobei hinter jedem noch zusätzlich ♀x♀, ♀x♂ oder ♂x♂ vermerkt war und er stark vermutete, dass sich das auf das Geschlecht der Hauptdarsteller bezog. Gedanklich stellte er sich die Frage, seit wann der andere so bewandert in diesem Genre war, entschied sich dann aber, dass es für seine geistige Gesundheit wohl besser war, das Ganze in derselben Kategorie abzuhaken, wie die Frage, ob Gackt nun wirklich acht Stunden am Stück konnte oder ob sich Patas Intimbehaarung von ihrer unterschied, da er schließlich im Gegensatz zu ihnen auch Haare auf der Brust hatte - eben jene letzte Frage hatte Toshi einmal vor gut 20 Jahren bei einer Aftershowparty, bei der er zu tief ins Glas geschaut hatte, in den Raum gestellt.
 

"DVD-Abend… Pornos… what the fuck?!"
 

Dumpf erinnerte er sich, dass die anderen während des Meetings darüber diskutiert hatten, aber er konnte sich nicht entsinnen, dass das schon fest war, geschweige denn, dass er sich mit der Filmauswahl einverstanden erklärt hatte. Kopfschüttelnd antwortete er und wollte wissen, ob es dem Jüngeren sonst noch gut ginge. Nachdem er diese E-Mail abgeschickt hatte, bekam Toshi noch ein ‚Mir geht es gut, Mama!‘ und danach konzentrierte er sich auf den Ballettunterricht. Zwar hatte er davon keine wirkliche Ahnung, aber so wie es aussah, hatte er mit seiner Theorie wirklich Recht gehabt und in Sachen Rhythmusgefühl kam die Kleine nach ihrer Mutter und zum Glück nicht nach ihrem Vater. Das Mobiltelefon in seiner Hand zog vibrierend seine Aufmerksamkeit auf sich, als eine weitere Nachricht von Miyavi ankam: Dieser klagte ihm sein Leid, dass er mit seiner Frau unterwegs war, um Kinderwagen und Babyschale zu kaufen, sie seit einer geschlagenen Stunde von einem Verkäufer, der eher verkaufsverhindernd war, über die Vor- und Nachteile der einzelnen Modelle aufgeklärt wurden und er viel lieber die Gänge mit den Wägen unsicher machen würde. Die E-Mail endete mit der Frage, was er denn gerade mache. Einmal wieder konnte er nur den Kopf über den Solokünstler schütteln und antwortete, dass er gerade beim Ballett war.
 

‚Du machst Ballett??!! So mit Strumpfhose und Tütü?? Wusste ich gar nicht, steht dir aber sicherlich!‘

‚Ich schaue nur zu!‘, schrieb Yoshiki zurück und verdrehte die Augen.

‚Würde dir aber sicherlich stehen…!!!!‘

‚STFU‘, war das Einzige, was der Schlagzeuger daraufhin zurück schrieb und war froh, dass Miyavi so bewandert in englischen Abkürzungen war - nur diese vier Buchstaben zu tippen ging schließlich viel schneller als ‚Shut the fuck up‘. Keine Minute später blinkte eine weitere Nachricht von dem anderen auf dem Display seines Handys auf und als er sie öffnete, streckte ihm lediglich ein Emoticon die Zunge entgegen. Darauf erwiderte der Pianist nichts mehr, steckte das kleine Gerät weg und schaute erneut bei der Ballettstunde zu. Immer wieder bemerkte er die verstohlenen Blicke der Mütter - es waren keine Väter anwesend - auf sich. Vermutlich hätte sich schon die ein oder andere getraut, ihn anzusprechen, wenn er nicht von zwei ‚Schränken‘ flankiert wäre. Punkt 18:00 Uhr war die Stunde schließlich zu Ende und anstatt direkt in die Umkleidekabine zu gehen, kam Ran zu ihm gerannt. Mit offenen Armen empfing er sie und hob sie hoch, während sie wissen wollte, wie sie war.
 

"Ich habe keine Ahnung von Ballett, Ran-tan, aber für mich sah es toll aus!"

Auf diese Antwort kicherte seine Nichte und wandte sich dann aus der Umarmung, da sie schließlich die Überraschung nicht vergessen hatte und wissen wollte, was es damit auf sich hatte. Doch kaum das Yoshiki sie abgesetzt hatte, registrierte er, wie ihre Lehrerin sich ihnen langsam näherte. Seine Security hatte sie ebenfalls bemerkt und stand angespannt in seiner Nähe, auch wenn er selbst nicht glaubte, dass eine große Gefahr von dieser kleinen, zierlichen Frau ausging.

"Yoshiki?", sprach sie ihn zögernd an und wusste nicht so recht wohin mit ihren Händen. Die Nervosität war ihr erst recht anzusehen, als Dan und Takumi direkt neben ihr standen. Mit ihren schwarzen Anzügen und Sonnenbrillen erinnerten sie den Drummer stets ein wenig an Will Smith in Men in Black.

"Ja?" Mit einer leichten Kopfbewegung gab er den beiden zu verstehen, dass sie der armen Frau nicht ganz so sehr auf die Pelle rücken sollten und drückte Rans Hand, die in seiner lag.

"Ich… also die Kinder… wir… ich wollte fragen, ob Sie vielleicht einem Gruppenfoto zustimmen würden", brachte die Lehrerin stotternd heraus und blickte ihn unsicher an, wobei sie seine Augen hinter der dunklen Sonnenbrille nicht sehen konnte.

"Gerne", antwortete er und schenkte ihr ein Lächeln, woraufhin sie rot werdend den Kopf senkte. Immer noch mit Ran an der Hand folgte er ihr schließlich zurück zu den anderen Kindern, blieb jedoch kurz stehen, als sie an den Müttern vorbeikamen.

"Möchten Sie auch mit auf das Foto? Es ist schließlich ein Gruppenbild…", bot er an und erhielt zuerst große Augen, dann zögerliches, immer enthusiastischer werdendes, synchrones Nicken, während sie ansonsten aber stumm wie Fische waren. In seiner langen Zeit im Showbiz hatte er die Menschen in vier Gruppen unterteilt: diejenigen, die quietschten und schrien, dass ihm nur so die Ohren klingelten und er Ohropacks als die beste Erfindung aller Zeiten empfand, dann die, die kaum ein Wort vor lauter Stottern heraus brachten, und schließlich die, denen es die Sprache verschlug, sobald er vor ihnen stand und wo er fürchten musste, dass sie sofort in Ohnmacht fielen, wenn auch nur ein ‚Hi‘ seine Lippen verließe. Die letzte Gruppe, die er am angenehmsten empfand, die leider aber auch am seltensten war, war die, die von Anfang an völlig normal mit ihm redete und umging.
 

Es dauerte ein paar Minuten, bis sich alle auf einen Platz geeinigt hatten, aber schließlich stand Yoshiki in der Mitte, während sich alle anderen um ihn herum drapiert hatten. Seine Cappi und Sonnenbrille hatte er Dan gegeben, während Takumi mit einer Kamera ein Bild schoss. Nachdem das erledigt war, verbarg er sein Gesicht erneut und drängte seine Nichte zur Eile, da die Überraschung nicht ewig warten würde. Gut, eigentlich würde sie das schon tun, aber das wusste Ran schließlich nicht. In Rekordzeit hatte sie sich umgezogen und war wieder in Jeans und T-Shirt bei ihm, sodass sie gehen konnten.

"Wenn Sie das Foto haben, dann geben Sie es doch Rans Mutter, damit sie es an mich weiterleitet, dann signiere ich es Ihnen noch!", verabschiedete er sich von der Ballettlehrerin, die ihn zuerst geschockt ansah, dann jedoch nickte, versprach dies zu tun und sich mehrmals tief verbeugend für die Belästigung entschuldigte.
 

"Ne, Yoyo, warum benehmen sich die Menschen so komisch, sobald du auftauchst?", wollte die Fünfjährige wissen, nachdem sie losgefahren waren und sich in den Abendverkehr eingeordnet hatten.

"Ich schätze, sie sind eingeschüchtert…"

"Warum? Du kannst doch keiner Fliege etwas zu leide tun…"

Auf dem Fahrer- und Beifahrersitz brachen die beiden Bodyguards gleichzeitig in Gehuste aus – Dan und Takumi kannten dafür genügend Gegenbeispiele -, das jedoch ignoriert wurde.

"Wahrscheinlich hat es etwas mit Respekt zu tun... Sie wissen, wer ich bin, was ich erreicht habe und welchen Status ich in der Gesellschaft habe… "

"Also mich würde es nerven, wenn sich mir gegenüber alle so seltsam benehmen würden…!"

"Man lernt mit allem zu leben, Ran", antwortete er mit einem leichten Lächeln und starrte aus dem Fenster. In ihren Augen war er immer nur ihr Onkel, den sie so selten sah, der ihr aber vieles erlaubte und ihr meistens etwas mitbrachte, wenn sie sich einmal wieder sahen und ihr auch zu speziellen Anlässen stets etwas zukommen ließ, sodass ihre Eltern immer befürchteten, dass er sie verzog. Bisher hatte er nie den Eindruck gehabt, dass sie in ihm den Rockstar YOSHIKI sah und er fragte sich, wann sie dies bewusst tun würde. Diese eine Woche bei ihm hatte wahrscheinlich den Grundstein dafür gelegt: stets bewacht, nie in der Lage einen Schritt zu tun, ohne Gefahr zu laufen, dass andere davon Wind bekamen. Er konnte nur hoffen, dass sie weiterhin denselben Menschen in ihm erkennen würde, wenn sie eines Tages das volle Ausmaß dessen, wer er war, begreifen würde.
 

Für Tokyos Verkehr relativ schnell erreichten sie den Heliport, wo die Überraschung auf sie wartete - eine pechschwarze Bell 430, die mit fortschreitender Dämmerung immer mehr mit dem Hintergrund verschmolz. Rans große Augen sorgten für ein Schmunzeln bei Yoshiki.

"Schon einmal die Stadt bei Nacht aus der Luft gesehen?", fragte er grinsend, als er sie abschnallte. Zwei seiner PAs, wobei eine von ihnen seine Chefassistentin war, öffneten die Türen, sodass sie aussteigen konnten, während es seiner Nichte die Sprache verschlagen hatte. Er ging zu ihr, hob sie hoch und näherte sich dann dem eleganten Helikopter mit der spitzen Schnauze und dem Fahrwerk statt der Kufen.

"Alles wurde wie gewünscht erledigt", wurde er von Risa in Kenntnis gesetzt, die sich anschließend mit der anderen Assistentinnen zurückzog.

"Das ist ein Hubschrauber…", fand Ran, die noch nie einen Heli in Echt gesehen hatte, schließlich ihre Sprache wieder und staunte Bauklötze.

"Ja, ist es. Und damit werden wir fliegen, wenn du möchtest."

Ein heftiges Nicken war die einzige Antwort, die er erhielt, doch diese genügte und so hob er das Mädchen in die Kabine. Er folgte ihr und nach ihm kamen noch die beiden Bodyguards. Yoshiki stellte sicher, dass Ran angeschnallt war und das Headset richtig saß, sodass es einerseits den Turbinenlärm dämpfte, sie aber gleichzeitig alle geführten Unterhaltungen mitbekam und durch das Mikrofon selbst sprechen konnte. Als er dann auch so weit war, gab er dem Piloten das OK und dieser startete die Turbinen, die den großen Hauptrotor langsam zum Drehen brachten. Als dieser hochgelaufen war, hoben sie sanft ab und gewannen schnell an Höhe, sodass die Autos auf den Straßen wie kleine Spielzeugautos aussahen.
 

Mit einer scheinbaren Leichtigkeit flog der Hubschrauber über die beleuchtete Weltmetropole und brachte sie zu Sehenswürdigkeiten wie der Rainbow Bridge oder dem Tokyo Tower. Zum Glück hatten sie eine klare Nacht und somit eine hervorragende Sicht.

"Der sieht von hier oben ganz klein aus!", empfand Yoshikis Nichte und drückte sich die Nase an der Scheibe platt.

"Wenn du einmal älter bist, dann nehme ich dich mit nach Paris und zeige dir den Eiffelturm - der ist meiner Meinung nach schöner als der Tokyo Tower…"

"Ist Paris auch hier?"

"Nein, das ist in Frankreich, auf der anderen Seite der Welt", erklärte der Pianist lachend und strich ihr durch die schwarzen Haare.

Der Flug, der über zwei Stunde dauerte, führte sie auch weg von Tokyo nach Yokohama bis hin zu Miura, wo sie anschließend zur Bōsō Halbinsel abschwenkten. Bevor sie wieder nordwärts flogen, machten sie noch einen kurzen Abstecher nach Tateyama.

"Dort unten ist deine Großmutter", machte Yoshiki Ran auf ein Haus unter ihnen aufmerksam, in dem noch sowohl Innen- wie auch Außenbeleuchtung brannte.

"Können wir sie kurz besuchen?"

"Ich fürchte, es gibt nicht genügend Platz, um zu landen…"

Ihm kam jedoch eine Idee, sodass er grinsend das Handy zückte und den Piloten bat, den Außenscheinwerfer einzuschalten, während er auswendig die Festnetznummer seines Elternhauses eintippte. Es dauerte nicht lange und die vertraute Stimme seiner Mutter meldete sich, die ihn bat, etwas lauter zu sprechen, da ganz in der Nähe ein Helikopter war - sie vermutete, dass es ein Rettungshubschrauber war.

"Das sind Ran und ich", erklärte er lachend. Als er nicht direkt eine Antwort erhielt, dafür das Mädchen neben ihm aber wie wild gegen die Scheibe winkte, vermutete er, dass sie in den kleinen Garten hinausgegangen war, was sich bestätigte, als er über die Schulter seiner Nichte spähte und im Lichtkegel ihre winkende Gestalt ausmachte. Ran quietschte kurz erschrocken auf, fand es dann aber toll, als der Hubschrauber plötzlich anfing, vor und zurück zu rollen - er winkte zurück.

"Ich mache einen kleinen Rundflug mit ihr", erklärte Yoshiki seiner Mutter, als er sie wieder am Apparat hatte. "… ihr gefällt es… Nein, keine Probleme!... Ja, mir geht es gut… okay… würde ich auch ohne Ramen und Pudding als Lockmittel machen… ich melde mich dann in den nächsten Tagen… okay… ich dich auch! Baibai“, telefonierte er noch kurz mit ihr und versprach, sich demnächst einmal wieder bei ihr blicken zu lassen, ehe er auflegte und sie den Rückflug nach Tokyo, entlang der erleuchteten Küste der Chiba Präfektur, antraten.
 

Schließlich landeten sie wieder am Heliport und stiegen zurück in das Auto, welches sie jedoch nicht zurück zur Villa brachte, sondern den Weg zum Apartment von Rans Eltern einschlug. Diese saß auf ihrem Kindersitz und kämpfte gegen die aufkommende Müdigkeit an, wobei sie am Ende doch einschlief und erst wieder wach wurde, als ihr Onkel sie abschnallte und auf den Arm nahm.

"Das ist aber nicht bei dir!", stellte sie aus halb geöffneten Augen fest und war schlagartig wieder munter.

"Ich dachte, wir überraschen deine Eltern und veranstalten eine kleine Pyjamaparty", erklärte der Schlagzeuger, betrat die Lobby des Hochhauses, gab an einer verschlossenen Glastür einen Zahlencode ein, damit sich diese öffnete und er zu den Aufzügen kam.

"Mit Matratzenlager und DVDs?", wollte Ran wissen und schlang Arme und Beine um ihn, legte ihren Kopf auf seine Schulter und kuschelte sich an ihn.

"Wenn du willst…", entgegnete er und trat aus dem Lift, als sie im richtigen Stockwerk angekommen waren. Zumindest bedeutete ein Filmabend mit ihr keine Pornos und wahrscheinlich würde sie eh relativ schnell wieder einschlafen.

"Ja!!", bestand sie darauf, wurde von Yoshiki zurück auf ihre eigenen Füße gestellt und warte, dass er aus dem Geldbeutel die richtige Keycard herausgefischt hatte und die Tür öffnete. Sie ging vor ihm hinein, kickte die Schuhe von den Füßen und drehte sich dann zu ihm um.

"Ne, meine ganzen Sachen sind aber noch bei dir!"

"Schau mal in dein Zimmer", forderte er sie auf, während er seine Cowboystiefel und ihre Turnschuhe ordentlich hinstellte. Sofort kam sie dem nach und nur wenige Sekunden später war sie wieder bei ihm und wollte wissen, wie das möglich war.

"Mein Staff", war Yoshikis einfache Erklärung darauf, als er in die Küche ging und nachsah, ob es überhaupt irgendetwas Essbares gab, da er selbst am Verhungern war und er vermutete, dass es seiner Nichte nicht besser ging. Der Blick in den Kühlschrank machte ihn einmal wieder stolz auf seine Assistenten, da er mit den verschiedensten Sorten von kleinen Törtchen gefüllt war - von Schokolade, über Sahne bis hin zu Obst war alles vertreten. Zwar nicht das Gesündeste, aber es schmeckte und machte satt.
 

Während Ran in ihrem Zimmer die ganzen Kraniche aus den Tüten ausleerte und sich daran machte, die verbleibenden zu falten, brühte ihr Onkel Tee auf – nachdem er erst einmal die ganze Küche auf der Suche nach Teebeuteln auf den Kopf gestellt hatte. Er kannte sich schließlich kaum in seiner eigenen aus, wie sollte er da erst wissen, wo alles bei seiner Schwägerin war. Nachdem dieses Problem jedoch erfolgreich gelöst worden war, baute er im Wohnzimmer aus allen Matratzen, die er finden konnte, ein gemütliches Lager, das von Decken und Unmengen an Kissen vervollständigt wurde. Nachdem dann auch zwei große Platten mit einer Vielzahl von Törtchen, sowie das Heißgetränk seinen Weg dorthin gefunden hatte, schluckte er noch schnell seine Schmerztabletten, die er in einer Tasche, die seine Assistenten im Eingangsbereich abgestellt hatten, gefunden hatte und rief dann seine Nichte, die auch postwendend kam - mit viel Origamipapier und um die 30 weitere Papiervögel in der Hand.

"Welchen Film willst du anschauen?"

Sie legte die Sachen auf dem frisch errichteten Lager ab, ging zu der großen DVD- und Videosammlung ihrer Eltern und betrachtete diese eingehend. Schließlich zog sie eine schmale, weiße DVD-Hülle im Hologrammstil heraus und gab sie ihm. Etwas überrascht nahm er sie ihr ab und fragte vorsichtshalber noch einmal nach, ob sie auch wirklich diese anschauen wollte. Als sie nur nickte und es sich auf den Matratzen bequem machte, legte er die Symphonic Concert DVD ein, die sie ihm gereicht hatte. Etwas verwundert war er ja schon von ihrer Auswahl…
 

Kaum saß er neben ihr, bat sie ihn auch schon zu zählen, wie viele Kraniche noch fehlten. Rasch zählte er die Neuen durch und zog sie von den noch fehlenden ab.

„72 brauchen wir noch", teilte er ihr das Ergebnis mit, als gerade Say Anything kam und nahm sich ebenfalls eines der bunten, quadratischen Blätter, um einen der Vögel zu machen.

"Wo bist du da?", fragte Ran zwischen zwei Bissen von einem Törtchen und deutete auf den Flachbildfernseher, der zwar den Dirigenten, das Orchester und das Publikum, aber nicht ihren Onkel zeigte - dessen Platz am Flügel war vakant.

"Hinter der Bühne - ich spiele nicht bei allen Sachen", erklärte er und konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, als nach Amethyst die Lichter im Saal ausgingen und die Zuschauer anfingen seinen Namen zu rufen. Wenn er daran zurück dachte, dann spürte er noch immer das Glücksgefühl, das ihn damals durchströmt hatte, als er nach dem Ende von X JAPAN und seinem kurzen Intermezzo beim Kaiser das erste Mal wieder eine Bühne vor großem Publikum betreten hatte. Es hatte ihn daran erinnert, dass er es nicht nur im Hintergrund aushielt - er musste nach vorne, auf die sprichwörtlichen Bretter, die die Welt bedeuteten. Egal wie sehr ihn die Sachen, die er tat, ausfüllten, nichts machte ihn so glücklich, wie dort oben zu stehen und ein Lächeln auf die Gesichter derjenigen zu zaubern, die ihn stets unterstützten.
 

Als das sanfte Intro von The Last Song erklang bewegten sich seine Finger automatisch auf einer unsichtbaren Klaviatur, die nur er sah und unweigerlich kamen die Bilder zurück, als er in Los Angeles gewesen war und den allerletzten Song für X JAPAN geschrieben hatte. Er war damals so voller Hass auf Toshi gewesen, dass es pure Absicht gewesen war, dass der Sänger nur so wenige Zeilen bekommen und er für sich selbst so viel Sprechgesang geschrieben hatte. Damals hatte er es gewissermaßen als Rache angesehen, nachdem er schon darauf verzichtet hatte, den Streit mit seinem ehemals besten Freund öffentlich in den Musikmagazin und der Klatschpresse auszutragen - einen Lügner wie den anderen, der ihren Fans, denen sie es verdankten, dass sie dort waren, wo sie waren, brauchte er nicht. Dass er sich damit selbst belog, hatte er erst erkannt, als sie sich auf dem Laufsteg gegenübergestanden hatten, sich in die Arme gefallen waren und sich an den jeweils anderen geklammert hatten, als würde es um ihr Leben gehen - was es in gewisser Weise auch getan hatte. Noch heute vermutete er, dass ein Wort von ihm an jenem Abend ausgereicht hätte, dass es die fast 10 Jahre lange Funkstille zwischen ihnen nicht gegeben hätte, doch sein Stolz hatte ihm schon das ein oder andere Mal im Weg gestanden. So hatte er ihn gehen lassen und ein Jahrzehnt lang war The Last Song auch tatsächlich das allerletzte Lied von X JAPAN gewesen.

Erst als sich Ran an ihn schmiegte, wurde er aus den Gedanken an die Vergangenheit gerissen und so machte er sich wieder ans Origami, damit möglichst bald die magische Zahl erreicht wurde.
 

Die Zeit verstrich und bei Seize the Light war kein einziger Krümel mehr von den kleinen Kuchen übrig. Erneut machte sich Yoshiki ans Zählen der Papiervögel, während seine Nichte nur zu deutlich gegen die Müdigkeit ankämpfte, aber nicht nachgeben wollte, da sie das Konzert weiter anschauen wollte. Bisher hatte sie sich noch nie ein komplettes ansehen dürfen, immer nur kurze Ausschnitte…

"Also wenn ich mich nicht verzählt habe, dann fehlt uns noch genau ein Kranich, um die 1000 zu haben."

"Den darfst du machen!", entschied Ran, sodass mit den letzten Tönen des Liedes schließlich auch der allerletzte Vogel fertig war.

"Jetzt können wir uns etwas wünschen!"

"Du - ich habe schließlich kaum etwas dazu beigetragen", widersprach der Pianist und drückte sie an sich.

"Aber du hast mitgeholfen, also darfst du dir auch etwas wünschen!"

Ob dieser Sturheit, obwohl sie offensichtliche Probleme hatte, die Augen offen zuhalten, konnte er nur den Kopf schütteln und gab ihr nach. Er schloss die Augen, wünschte sich etwas und öffnete sie dann wieder.

"Jetzt du."

"Ich wünsche mir…" Den Rest des Satzes sprach sie nicht laut aus, da der Wunsch sonst schließlich nicht in Erfüllung ging. Doch entgegen dem, was sich wohl so viele Kinder an ihrer Stelle gewünscht hätten, bat sie die Götter um etwas, dass sie erst vor wenigen Tagen von Toshi erfahren hatte und es ihr erleichterte, so manches an ihrem Onkel zu verstehen.

"Und was hast du dir gewünscht?", wollte Yoshiki neugierig wissen und legte sich hin, während seine Nichte erneut seine Nähe suchte.

"Das darf man doch nicht verraten!", schallt sie ihn gespielt ernst, was ihn nur zum Schmunzeln brachte und anstatt weiter darauf einzugehen, drückte er sie einfach sanft an sich. Rans Verschmustheit war etwas, das er sehr an ihr mochte.
 

Schließlich kam das letzte Lied auf der DVD – Endless Rain. Es hatte etwas magisches, wie die Melodie der Ballade den Raum füllte und die Discokugel über der Bühne die Konzerthalle in unendlich viele kleine Lichtpunkte tauchte. Noch immer konnte er sich an die Gänsehaut erinnern, die er bekommen hatte, als das Publikum - ohne Aufforderung - die Lyrics mitgesungen hatte und wie sich sein Herz dabei schmerzlich zusammengezogen hatte. So hatte er sich ursprünglich das Last Live vorgestellt, doch hide hatte ihn daran erinnert, für wessen Stimme er all die Lieder geschrieben hatte - und im Endeffekt war er froh, dass er damals auf den Älteren gehört hatte. Hätte er es nicht getan, hätte ihn wohl nicht nur sein Stolz davon abgehalten, mit Toshi zu reden, sondern auch seine Wut und sein Zorn, doch diese hatte er gemeinsam mit der Band an jenem Abend im Tokyo Dome begraben.

‚Let me forget all of the hate, all of the sadness’
 

"Weinst du da?", holte Ran ihn zurück in die Gegenwart und deutete auf den Bildschirm, wo er immer wieder mit der Stirn fast die Tastatur berührte.

"Mehr oder weniger…" Nur zu gut konnte er sich noch daran erinnern, wie er damals gegen die aufkommenden Gefühle und Emotionen angekämpft hatte.

"Warum?"

"Weil es einfach überwältigend war… all die Menschen, die da gesungen haben, ohne dass sie dazu aufgefordert worden waren… das war einfach unglaublich!"

Gerade zeigte der Fernseher, wie er am Ende des Liedes die Brille abnahm und sich über die Augen wischte - er war noch nie sonderlich gut darin gewesen, seine Gefühlswelt nach außen hin zu verbergen. In dieser Hinsicht war es wahrscheinlich äußerst einfach, ihn zu lesen und zu wissen, woran man bei ihm war. Manchmal sah er es als Fluch an, dass er so sensibel war und sein Herz auf der Zunge trug, aber letztendlich war er froh darüber - schließlich war sein Sandkastenfreund das beste Beispiel dafür, was passierte, wenn man Sachen zu lange in sich hineinfraß.

"Darf ich auch einmal mit auf ein Konzert?" Mehrmals gähnend ließ seine Nichte von ihm ab, als die DVD zu Ende war und er aufstand, um sie zurück in ihre Hülle zu tun und die Heimkinoanlage auszuschalten.

"Da musst du deine Eltern fragen, das kann ich nicht einfach entscheiden…", antwortete er ihr und tapste im Dunkeln zurück zu den Matratzen, wo er sich neben sie legte. Augenblicklich kuschelte sich Ran an ihn und vorsichtig zog er erst sie auf seinen Oberkörper und dann eine Decke über sie beide. Seine Arme schlangen sich um ihren zierlichen Körper und strichen sanft über ihren Rücken, während sie bereits halb am wegdämmern war.

"Aber wenn sie einverstanden sind, dann gibt es bei den Konzerten im Mai im Dome jederzeit einen freien Platz für dich", vollendete Yoshiki seinen Satz von vorhin und drückte sie leicht.

"Mhm… hab dich lieb, Yoyo", nuschelte sie schlaftrunken in sein Oberteil und ehe er wirklich etwas darauf antworten konnte, vernahm er auch schon ihre gleichmäßigen Atemzüge, die verrieten, dass sie den Kampf gegen den Schlaf endgültig verloren hatte, was ihn auch nicht weiter überraschte, da es garantiert schon Mitternacht, wenn nicht sogar später sein musste.
 

Seufzend genoss der Pianist die Nähe und wartete darauf, dass auch er in Morpheus Arme entglitt. Gedanklich ließ er die letzte Woche Revue passieren, die definitiv nicht so gelaufen war, wie er es eigentlich geplant hatte. Aber wirklich überraschen tat es ihn nicht, da selten etwas genau so klappte, wie er es sich vorstellte. Er war froh, dass Rans anfängliche Sehnsucht nach ihren Eltern relativ schnell abgeklungen war, da er sonst nicht gewusst hätte, was er hätte tun sollen. Seine Mutter um Rat fragen? Vielleicht hätte sie ihm weiterhelfen können… dann natürlich die ganze Onkelgeschichte - bis dato war ihm nie wirklich bewusst gewesen, dass sie so an ihm interessiert war. Für gewöhnlich sah er sie ein paarmal im Jahr, abhängig davon, wie oft er selbst in Japan war und wieviel Zeit er hatte. All die Fragen, die sie ihm gestellt hatte, hatten gezeigt, dass sie nicht mehr länger das Kleinkind war, vor dem er das teure Equipment in Sicherheit bringen musste, sondern ein kleines Mädchen, das die Welt entdeckte und ein feines Gespür für Menschen hatte. Auch wenn er noch keine Ahnung hatte, wie er es anstellen würde, irgendwie musste in seinen Terminplan mehr Zeit für seine Nichte passen. Einerseits, weil er ihr weiterhin das Klavierspiel beibringen wollte - sie war definitiv begabt und das wollte er fördern. Natürlich könnte das auch seine Mutter machen, schließlich hatte er es auch von ihr gelernt, aber das war etwas, das er selbst tun wollte, da man nur sehr selten die Möglichkeit hatte, ein künstlerisches Talent von klein auf zu formen. Und andererseits hatte er selbst bemerkt, dass es ihm gut tat, wenn er Ran in seiner Nähe hatte. Die Gedanken an hide und seinen Vater, sowie die düsteren Fantasien, von denen kaum jemand etwas wusste, da er sie normalerweise in der Musik auslebte und entsprechend nicht weiter darüber reden musste, traten in den Hintergrund. Wer weiß, wie er die Woche des Nichtstuns überstanden hätte, wenn er keinen kleinen Wirbelwind um sich gehabt hätte. Wahrscheinlich wäre mehr als nur ein Teil des Arbeitszimmers zu Bruch gegangen…
 

Es gab Dinge, bei denen er sich wünschte, dass seine Nichte sie nicht mitbekommen hätte: die Eskalation im Zoo, seinen Kontrollverlust und den Asthmaanfall am Montag, den Ausraster ihr gegenüber, als sie ihn eigentlich nur hatte beschützen wollen - es hatte ihn einiges an Beherrschung gekostet, sie nicht zu ohrfeigen und im Nachhinein war er froh darüber -, dass sie ihn am Mittwoch so hilflos und am Donnerstag so aufgelöst gesehen hatte. Seiner Meinung nach waren das alles Sachen, die nicht für die Augen einer Fünfjährigen bestimmt waren. Andererseits war sie erstaunlich gut mit alldem umgegangen - noch immer verblüfft es ihn, dass sie nicht in Tränen ausgebrochen war, als er sie derart angeschrien hatte. Selbst seine Angestellten suchten das Weite, wenn er auf 360 war und sie hatte ihm einfach trotzig standgehalten. Ob Kouki das damit gemeint hatte, als er sagte, dass sie schwierig sein konnte? Yoshiki rechnete ihr diesen Mut und diese Dickköpfigkeit zwar an, aber er befürchtete auch, dass sie sie früher oder später in Schwierigkeiten bringen würde – er kannte es schließlich von sich selbst nur zu Genüge. Wie oft war seine Mutter in die Schule beordert worden, weil er den Lehrern nicht den nötigen Respekt gezeigt und stur auf seiner Meinung beharrt hatte?
 

"Ich hoffe nur, Kouki und Chika gehen damit so cool um wie Mama…"
 

Grinsend dachte er daran zurück, wie sie beide bei einem seiner Lehrer gewesen waren, der ihn rauchend auf dem Schulgelände erwischt hatte, was natürlich strengstens verboten gewesen war. Dieser hatte seine Mutter aufgefordert, sie möge ihn diesbezüglich doch zurechtweisen und bestrafen. Doch das einzige was sie getan hatte - und nie würde Yoshiki den belämmerten Blick des Lehrers dabei vergessen -, war, dass sie sich zu ihm gewandt und ihn, nicht im geringsten wütend klingend, gefragt hatte, wie oft sie ihm schon gesagt hatte, dass er nicht rauchen sollte. Nach einer kurzen Pause hatte sie noch ein ‚zumindest in der Schule‘ hinterher gesetzt, wobei dem Lehrer der Unterkiefer nach unten geklappt war. Auf dem Nachhauseweg hatte sie noch gemeint, dass er ziemlich blöd war, sich erwischen zu lassen, wenn er sich schon darüber hinwegsetzte. Zum Glück hatte seine Mutter ihm schon sehr früh freie Hand gelassen, sodass der Vorfall - wie so viele andere - kaum Konsequenzen hatte. Andere hätten sicherlich Hausarrest und Unmengen von Strafaufgaben bekommen, er musste lediglich für zwei Wochen Hanonübungen (1) machen und durfte sonst nichts anderes am Klavier spielen - seiner Meinung nach war das sowieso eine viel schlimmere Strafe gewesen, als wenn er zum Beispiel das gesamte Haus hätte putzen müssen, da er Hanon noch nie wirklich hatte ausstehen können.
 

Erneut wanderten seine Gedanken zu dem Kind zurück, das friedlich schlafend auf seiner Brust lag. Nur noch wenige Stunden, dann würde sie wieder bei ihren Eltern sein - irgendwie ein befremdlicher Gedanke, da er sich schnell daran gewöhnt hatte, sie um sich zu haben und ihm in den ersten Tagen sicherlich etwas fehlen würde. Aber er wusste auch, dass es besser war, wenn sie zurück bei seinem Bruder und seiner Schwägerin war, denn bei ihnen hatte sie Freiheiten, die er ihr nicht bieten konnte. Sie hatte so glücklich ausgesehen, als sie ihm erzählt hatte, wie viel Spaß sie mit ihrer Freundin auf dem Spielplatz und beim Eisessen gehabt hatte. Das alles waren Dinge, die er ihr in dieser Form nicht bieten konnte - zumindest nicht in Japan. Bei ihm zu sein bedeutete, in seinem goldenen Käfig zu leben und das war nichts für eine Fünfjährige. Einfach irgendwo draußen mit anderen Kindern zu spielen, müsste immer erst von seiner Sicherheit abgesegnet werden und er konnte es sich beinahe bildlich vorstellen, wie seine Bodyguards einen Spielplatz nach dem anderen in die Kategorie ‚nicht sicher‘ einstuften, weil einmal ein Holzsplitter an einer Bank und das nächste Mal ein zwei Millimeter zu weit herausstehender Nagel ein zu hohes Sicherheitsrisiko darstellten.
 

Stellte sich die Frage, was er am Wochenende tun sollte, nachdem er keinen Wirbelwind mehr um sich hatte, der ihn auf Trab hielt. Vielleicht würde er nach Tateyama fahren, schließlich hatte ihn seine Mutter eingeladen, einmal wieder vorbeizuschauen, wenn er Zeit hatte und ihm versprochen, all seine Lieblingsgerichte zu kochen. Gut, er würde auch ohne den Anreiz kommen, aber Nein sagte er natürlich auch nicht dazu. Zudem vermisste er das Meer… Was er auf jeden Fall machen würde, war, noch einmal mit Gackt zu sprechen. Ihn ließ das Gefühl nicht los, dass der Jüngere ihm etwas verheimlichte und dass hide im Konferenzraum gewesen war, als er ohnmächtig gewesen war. Er wusste selbst, dass es verrückt war, aber manchmal erschien es ihm fast so, als würde er einen Raum betreten und der Gitarrist oder sein Vater wären bei ihm.

Samstag oder Sonntag würde er von Yagehara auch den Plan für die kommende Woche bekommen, sodass er sich darauf vorbereiten konnte. Garantiert würden die Interviews und Shootings, die eigentlich für diese Woche geplant gewesen waren, nachgeholt werden und neue waren inzwischen sicherlich auch dazu gekommen. Dann würden zahllose Meetings wegen der Welttournee und seiner Stiftung anstehen, gleichzeitig musste er noch in die Klinik für den Belastungstest und eigentlich musste die Band für die bevorstehenden Konzerte am 2. und 3. Mai im Tokyo Dome auch noch proben. Ganz zu schweigen davon, dass die Arbeiten am Album weitergehen mussten und die Promotion für die anstehende Veröffentlichung seiner Autobiografie geplant werden musste. Er würde bis zum Kopf in Arbeit stecken, aber darüber war er froh, auch wenn er noch nicht ganz wieder auf der Höhe war. Zumindest würde es ihn ein wenig von dem bevorstehenden 11. Todestag von hide ablenken.
 

Kurzum, er würde das tun, was er vor langer Zeit einmal in einen Song geschrieben und was Toshi ihm erst neulich gesagt hatte: Er würde versuchen sein Leben zu leben, auch wenn er für immer von zwei Narben gebrandmarkt sein würde. Letztendlich würde ihn jedes Hindernis, das sich ihm in den Weg stellte oder ihn umwarf, stärker machen - so war es schon immer gewesen…
 

~*~*~*~*~*
 

Zum Schluss noch eine Anmerkung und ansonsten würde ich mich natürlich über Kommentare und Kritik (sofern sinnvoll angebracht) jederzeit freuen!
 

(1) Charles-Louis Hanon: franz. Pianist und Komponist. Er hat Fingerübungen entwickelt, an denen sich die Geister spalten, da sie von vielen als „zu mechanisch“ angesehen werden. Einem MS-Blogeintrag von Yoshiki nach zu urteilen, spielt er die Übungen, kann sich aber weitaus interessanteres, wie z. B. Bach, vorstellen^^;



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Kaoru
2010-02-19T09:52:06+00:00 19.02.2010 10:52
I've never imagined the pictures of that life
for now I will try to live for you and for me

Du hast einmal zu mir gesagt, dass du den Boom um hide nicht begreifen kannst und es abartig findest, dass sich Fans so aufführen, wenn sie ihn doch gar nicht gekannt haben...
Nun, ich finde es schade, dass ich ihn nicht kennen gelernt und erst nach seinem Tod von ihm erfahren, ihn schätzen gelernt habe- wenn ich ihn auf der Bühne sehe, spielt jedes Mal ein wehmütiges Lächeln um meine Lippen, denn obwohl ich ihn nur auf dem Fernseher sehen und erleben kann, ist er mir iwie ans Herz gewachsen... Und immer frage ich mich, wie Yosh damit klar kommt, dass einer seiner engsten Freunde/ vertraute gestorben ist. Yosh stand ihm so nahe und trotzdem wird er sich sein restliches Leben frage, WARUM das ganze passieren musste, ihm keiner mehr helfen konnte und wahrscheinlich auch, warum er es nicht verhindern konnte... and forever with tears...

Aber nun zum Kapitel (Sadistic Desire läuft gerade^^):
Wenn ich so das Kapitel anfange, frage ich mich, worum es noch einmal ging... ha, jetzt ist es mir eingefallen!*jubelundtriumphier*
Ich finde, Kraniche falten total... ich weiß auch nicht*verlegenlächel*... ‚toll‘ trifft es nicht, eher ‚ergreifend‘. Man wird automatisch an Sadakos Schicksal erinnert und ihr Wunsch zu überleben und wieder gesund zu werden. Das Leben kann grausam sein...
und im Kontrast dazu Rans Lebensfreude und ihre Zuversicht, die letzten 103 nun auch noch zu schaffen... und da soll man ohne Karies aus der Sache rauskommen. Apropos, ich muss noch zum Zahnarzt- Routinekontrolle!
Und dann ab ins Ballettstudio- ein Mann wie Yoshiki bleibt natürlich total anonym... die Sache mit dem Foto fand ich echt niedlich, obwohl ich es verstehen kann. Wann hat man schon einmal die Gelegenheit, Yosh, also DEN YOSH zusammen mit einem selbst auf ein Foto zu bekommen? ich glaub, da wär ich auch über meinen Schatten gesprungen und hätt versucht, ihm eins aus den Rippen zu leiern. Und du? Mal ganz ehrlich (Oh bitte, lass mich jetzt nicht wie einen hibbeligen Fan alleine dastehen m(_“_)m und hibble mit!*lach*)
Ja, ich gebe es zu- auch wenn es idiotisch ist- dass ich wahrscheinlich auch nicht zu Gruppe 4 zähle. In der Theorie sag ich mir, dass er auch nur ein Mensch ist, mit Wasser kocht und genauso aufs Klo geht wie wir (sry, den Vergleich brachte Aka_Tonbo mal), aber iwie... wenn man nie an denjenigen rankommt und auf einmal steht er vor einem- hat schon was, iwie?!^///^ Ach, vergiss es!*sichversteckt*
Und Myv konnte sich mal wieder nicht benehmen- interessante Auswahlmöglichkeit eigentlich: Nemo oder Porno*lach* Und dann entscheiden die sich auch noch für letzteres und Yosh darf auch noch über das Geschlecht bestimmen... wenn ich jetzt fies wäre, würde ich eine Vermutung abgeben, aber ich bin ja gaaaa~nz lieb*Heiligenscheinpolier*
Als würde das nicht reichen, setzt Myv auch noch einen drauf... obwohl ich mir Yosh im Tütü eher vostellen kann, als bspw. Toshi oder Pata*prust* Von daher... und war er nicht auch eine wunderhübsche Cinderella?*Kopfeinzieh*
... die also keiner Fliege etwas zu leide tun kann? Komisch, dass da seine Bodyguards lachen mussten- stimmt das etwa nicht?O.o
*grinsel*
DIVA!!!:-p
Schlagzeugzerstörer!
Memberrumschupser!
Fällt mir noch was ein???
Ok, lassen wir das, sonst werd ich von dir noch auf die Blacklist gesetzt^^
...
Tokyo by night. Boah! Da hat man ja schon beim Lesen angefangen große Augen zu bekommen und sich dahin zu träumen... Klasse! Dass ran aber auch so einen reichen/ berühmten Onkel haben muss, der ihr mal eben den Himmel und die Sterne zeigen kann... Ein schöner Abschluss einer tollen FF, wobei das ja noch nicht alles war, ne?^.~
Es folgen ja noch um die 79 Kraniche und das Symphonic Concert- gute Wahl von Ran, ich liebe das Konzert auch sehr. Und ich finde es jedes Mal aufs Neue lustig, wenn die Lichter ausgehen und das Publikum unruhig wird und du weißt ‚Ahach, jetzt kommt er‘, obwohl du noch gar nichts siehst^^
Ein magischer Moment war es ja schon, als die beiden endlich fertig waren mit dem Falten. Bei Rans ‚den letzten Vogel darfst du machen’ handelt es sich in der Tat um ein großzügiges Angebot, ne?*lächel*
Und, was haben sie sich nun gewünscht?
*.*
Erfährt man das noch iwann????

<<Kurzum, er würde das tun, was er vor langer Zeit einmal in einen Song
geschrieben und was Toshi ihm erst neulich gesagt hatte: Er würde versuchen
sein Leben zu leben, auch wenn er für immer von zwei Narben gebrandmarkt sein würde.>>

Typisch Tei-Maus, dass sie den ersten Gedanken des Kapis noch einmal aufnehmen muss.

Hut ab, dir ist ein kleines Meisterwerk gelungen und- auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wdh- es ist schade, dass es NUR für Mexx ist und nicht wirklich veröffentlicht werden kann. Sag mal, schon mal darüber nachgedacht, die FF ins Englische zu übertragen und als Fanpost nach Tokyo zu senden?

Na jutti, one left, n’est-ce pas?
Von:  Terra-gamy
2010-01-22T18:44:10+00:00 22.01.2010 19:44
Ich wollt schon gestern schreiben, aber irgendwie habe ich mich verzettelt.^^
Der Ausflug war richtig schön und auch die Pyjama party Mal sehen, wie sein Bruder reagiert
Von:  Jaeba
2010-01-22T15:55:07+00:00 22.01.2010 16:55
Tja, was soll ich sagen ... ?

Ich finde Ran immer noch total niedlich und ich liebe die Art, wie du sie schreibst und darstellst. *__*
Kannst du sie nicht mal vorbeischicken? ^.~

Freu mich schon auf das nächste Kapitel!

Gaaanz liebe Grüße
JaeKang


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