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霜の花

Comme un cristal de glace
von

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Tag 9 – Samstag: Denn Das Leben Geht weiter…

@ Terra-gamy: Koukis Reaktion? Dein Wusch ist mir Befehl *nach unten deut* ^.~
 

@ JaeKang: Hmh~ ich seh mal, was sich machen, okay? ^.~
 

Vielen Dank an alle Leser und Kommischreiber und ich hoffe, dass ihr das letzte Kapitel genießen werdet!

~*~*~*~*~*
 

Es ist mir egal, wann ich sterben werde…

YOSHIKI – YOSHIKI/佳樹
 

Koukis und Chikas Flug hatte Verspätung gehabt, sodass sie erst gegen 07:00 Uhr in ihrem Apartment ankamen und nicht wie geplant um 05:00 Uhr. Sichtlich überrascht waren sie, als sie den Wohnbereich betraten, der definitiv anders aussah, als sie ihn in Erinnerung hatten. Die Sofagarnitur und der Couchtisch waren beiseite gerückt und von etlichen Matratzen ersetzt worden. In einem Berg aus Kissen und Decken lag Yoshiki mit Ran und beide schliefen tief und fest, wobei Ersterer den Mund leicht geöffnet hatte und immer wieder leicht im Schlaf schmatzte, während seine Nichte am Daumen lutschte.

"Was haben die hier veranstaltet?", fragte Kouki seine Frau leise, die nur mit den Schultern zuckte und einfach einmal anfing, das Geschirr in die Küche zu räumen. Er machte sich unterdessen daran, eine Antwort zu bekommen, was darin bestand, dass er seinen großen Bruder weckte.

"Yoshiki, wach auf!"

Leicht schüttelte er an der Schulter des Blonden, doch dieser murrte nur und drehte sich weg.

"Aufstehen, alte Schlafmütze", wurde er etwas energischer.

"Ta gueule" (1), bekam Kouki verschlafen zu hören und schüttelte nur den Kopf, als Yoshikis linke Hand tastend nach einem Kissen suchte und sich dieses auf die Ohren drückte, als er eines gefunden hatte.

"Wenn du schon Französisch mit mir redest, dann kannst du gar nicht mehr so tief schlafen", entgegnete er ungerührt und klaute ihm das Kissen.
 

Unterdessen war Chika zurückgekommen und machte sich daran, ihre Tochter zu wecken. Diese war zum Glück kein solcher Morgenmuffel und öffnete verschlafen die Augen, als sie sie leicht an der Schulter gerüttelt hatte. Kaum hatte sie den Schlaf weggeblinzelt und sie erkannt, als sie ihr auch schon vor Freude quietschend um den Hals gefallen. Das alles ließ Yoshiki unbeeindruckt - er wollte einfach weiter schlafen und zurück in den schönen Traum, den er gehabt hatte: Sämtliche Geschwindigkeitsbegrenzung in Amerika waren abgeschafft worden, sodass er endlich offiziell die Pferdestärken seiner Autos ausfahren konnte und die kleinen illegalen Autorennen bei Nacht passé waren. Er litt zwar unter Insomnie und brauchte auch generell nicht allzu viel Schlaf, aber wenn er schon einmal schlief und auch noch so einen tollen Traum hatte, dann konnte er auf einen nervigen Bruder, der ihn mit aller Gewalt wecken wollte, verzichten.

"Casse-toi!" (2), murrte er, als Kouki, der keine Ahnung hatte, was er da zu hören bekam, auch weiterhin nicht von ihm abließ und nur am Rande registrierte, dass Ran bereits wach war.

"Ich kipp dir gleich einen Eimer Eiswürfel über", drohte der Jüngere der beiden.

"Laisse-moi tranquille et fiche le camp" (3), war Yoshikis schläfrige Antwort darauf und zog sich die Decke, die bisher auf seinen Hüften geruht hatte, über den Kopf.

"Je länger deine Sätze auf Französisch werden, desto weniger kauf ich dir ab, dass du noch schläfst", entgegnete Kouki und nahm ihm wie vorhin das Kissen, nun auch die Decke weg. Murrend drehte sich der Schlagzeuger auf den Bauch, vergrub sein Gesicht in den vorhandenen Kopfkissen und nuschelt ein ‚Je suis en train de dormir et de rêver…‘(4)

"Yoshiki!!" Langsam aber sicher verlor der Jüngere die Geduld und zerrte am Arm des Schlagzeuger. Dieser packte jedoch nur kräftig das Handgelenk und zog ihn mit einem Ruck zu sich auf die Matratze. Schneller als er reagieren konnte, hatte sich Yoshiki dann auch schon umgedreht, sich halb auf ihn gelegt und ihn als Kopfkissen und Kuscheltier missbraucht, sodass er mehr oder weniger bewegungsunfähig war.

"Yosh!", schmollte Kouki und zog den verkürzten Namen seines Bruders in die Länge, doch dieser dachte gar nicht daran, auch nur im Entferntesten darauf zu reagieren. Erst Rans Kichern veranlasste ihn ernsthaft, die Augen zu öffnen und sich in ihre Richtung zu drehen. Mehrmals blinzelte er verschlafen und gähnte herzhaft.

"Ran?"

Diese sprang vom Schoß ihrer Mutter auf und sprang auf das Matratzenlager.

"Guten Morgen, Yoyo!", wünschte sie ihm mit einem Kuss und wiederholte das Gleiche bei ihrem Vater, der sie erst einmal kräftig durchknuddelte, da er bisher noch gar nicht dazu gekommen war, sie richtig zu begrüßen. Quietschend drückte sie sich an ihn und freute sich, ihre Eltern wieder zu haben.
 

"Was ist denn aus Onkel Yoshiki geworden?", wollte Kouki wissen und blickte zwischen seiner Tochter und seinem Bruder hin und her.

"Ich habe ihm versprochen, ihn nicht mehr so oft ‚Onkel‘ zu nennen, weil er sich sonst so alt fühlt", war Rans ehrliche Antwort und sorgte damit für ein äußerst breites Grinsen bei ihrem Vater.

"Das dreckige Grinsen kannst du gleich wieder wegpacken!", war Yoshikis mürrischer Kommentar dazu und boxte ihn in die Seite.

"Du fühlst dich alt?! Ich werde dich bei Gelegenheit daran erinnern, wenn du einmal wieder der Meinung bist, dass du immer noch 21 wärst!"

"Idiot!"

Chika schüttelte über die beiden nur den Kopf, schließlich war sie es von ihnen gewöhnt und erhob sich.

"Möchtest du noch mit uns frühstücken, Yoshiki?"

"Im Kühlschrank ist, glaub ich, nicht allzu viel da…"

"Da unser Flug Verspätung hatte, haben wir gleich noch ein Kleinigkeit eingekauft", erklärte sie und verschwand in der Küche, um sich um das Essen zu kümmern, das sehr westlich ausfiel.

"Ihr seid gerade erst gekommen?", wandte sich der Schlagzeuger an seinen Bruder und setzte sich auf, wobei er erneut gähnte und sich dann ein wenig die Haare ordnete, die in alle Richtungen abstanden.

"Ja… sag mal, was habt ihr beide hier eigentlich veranstaltet?", wollte Kouki wissen und richtete sich ebenfalls auf, während Ran von ihm kletterte und sich zwischen sie beide setzte.

"Kraniche gefaltet, DVD geschaut und Unmengen an Törtchen verdrückt…"

"… und uns etwas gewünscht, weil wir 1000 Kraniche gemacht haben", fügte die Fünfjährige noch hinzu.

"Kommt ihr?! Das Essen ist fertig!", rief Chika sie.

"Ich komme gleich nach, ich verschwinde noch schnell im Bad", entschuldigte sich Yoshiki.
 

Wenig später saßen sie zu viert am Frühstückstisch und erzählten sich gegenseitig von ihrer vergangenen Woche. Der Pianist verschwieg jedoch diverse Details und zu seiner Überraschung verlor auch seine Nichte kein Wort darüber. Nach dem Essen und nachdem er Dan angerufen und gebeten hatte, ihn in einer Stunde abzuholen, bat er seinen kleinen Bruder jedoch um ein Gespräch unter vier Augen - sehr zum Missfallen von Ran. Sie zogen sich in Koukis Arbeitszimmer zurück und setzten sich auf das Sofa, das dort stand.

"Was gibt es?"

"Ein paar Sachen, die ich vorhin ausgelassen habe…", antwortete er leise und spielte mit seinen Haaren. Natürlich könnte er seinem Bruder nichts davon sagen, aber es bestand die Möglichkeit, dass Yagehara ihm etwas erzählte und außerdem war er sein engster Vertrauter, sodass er keine Geheimnisse vor ihm haben wollte.

"Ich höre…" Kouki klang skeptisch.

"Als ich mit Ran am Sonntag im Zoo war und ihr angerufen habt… da gab es doch Verbindungsprobleme… in Wahrheit war das ich… Du hast nie mit Dan im Zoo telefoniert, weil Dan nie dabei war… als du ihn direkt auf seinem Handy angerufen hast, da hat er gelogen, um dich und Chika nicht zu beunruhigen… ich bin mit Ran, aber ohne jegliche Security in den Ueno Zoo gegangen… "

"Du bist was?!?!"

"Ich hatte mich verkleidet und eine Zeit lang lief auch alles wie am Schnürchen, aber dann ist sie hingefallen und hat nach mir geschrien… weil es ziemlich warm geworden war, hatte ich einen Teil der Verkleidung ausgezogen… die Leute haben mich erkannt und das totale Chaos ist ausgebrochen… wir hatten Glück, dass uns ein Tierpfleger herausgeholt hat und Dan uns dann am Personaleingang abholen konnte…"

Vorsichtig sah er zu seinem Bruder, der ihn ernst ansah und auf seiner Unterlippe herumkaute. Er stand auf und ging im Raum auf und ab, ehe er schließlich vor ihm stehen blieb.

"Hast du noch alle Tassen im Schrank?!"

Die meisten hätten Yoshiki diese Frage ins Gesicht geschrieen, Koukis Stimme war jedoch so ruhig wie immer, lediglich eine gewisse Schärfe hatte sich eingeschlichen. Dem Pianisten wäre es lieber gewesen, er hätte ihn angeschrien, aber so war er, nicht sein Bruder - dieser wurde selten laut.

"Ich hätte nie zugelassen, dass ihr etwas passiert, Kouki!"

"Du bist ohne Security los!" Er hatte sich wieder zu ihm gesetzt und sah ihn eindringlich an.

"Wenn du mich einen Kopf kürzer machen willst, kannst du dir das sparen, das haben Dan und Yagehara schon getan… und das Management hat auch dafür gesorgt, dass nichts davon in den Medien erschienen ist…"

Als der andere nichts erwiderte, setzte er noch eine Entschuldigung samt Verbeugung hinterher.

"Bist du sauer?", fragte Yoshiki, als er sich wieder aufgerichtet hatte und noch immer keine Reaktion kam - außer sich-seufzend-durch-die-Haare-fahren zählte.

"… entsetzt und schockiert trifft es wohl eher… ich nehme an, Ran hat nichts davon gesagt, weil du sie gebeten hast, kein Wort darüber zu verlieren?"

"Ich wollte euch nicht beunruhigen… tut mir leid!"

"Was passiert ist, ist passiert… was habt ihr beide sonst noch so ausgelassen?"

"Wie? Du willst nicht noch weiter…?"

"Klar würde ich dir am liebsten den Hals umdrehen, aber es ist vorbei, das Management hat sich darum gekümmert und ich weiß, dass diese Schnapsidee nicht böse gemeint war… solange du also nicht noch einmal so etwas Idiotisches mit meiner Tochter machst, sehe ich die Sache als erledigt an."

"Du hast mein Wort darauf!"

"Also, was war sonst noch?"
 

"Yagehara meint, ich solle einmal wieder zum Psychologen…", antwortete Yoshiki und berichtete, seine Finger knetend, von seinem Ausraster gegenüber seinem Manager.

"Ich hatte mich schon gewundert, was du mit deinen Fingerknöcheln angestellt hast…"

Die Stirn runzelnd blickte der Schlagzeuger zu seinem Bruder und wartete darauf, dass dieser fortfuhr.

"Was schaust du so? Wir wissen beide, dass es nichts bringt, dich mit Gewalt zum Seelenklempner zu schleppen… lass es dir durch den Kopf gehen und wenn du glaubst, es würde etwas bringen, dann sag mir Bescheid und ich kümmere mich darum… okay?" Etwas, dass sich Kouki in der Zusammenarbeit mit ihm von seiner Mutter abgeschaut hatte, war der Appell an seinen gesunden Menschenverstand. Meist war man so erfolgreicher, als wenn man ihm stur Vorschriften machte und Befehle gab, da man ihn mit Letzteren scheinbar regelrecht zum Regelbruch provozierte.

"Okay…"

"Was hast du sonst noch ausgelassen?"

Leise folgten die Ausführungen vom Asthmaanfall, der Verwüstung des Arbeitszimmers, dass Ran Toshi gerufen und in welchem Zustand dieser ihn gefunden hatte. Alles in Kouki schrie nach einem ‚Scheiß drauf, dass es Wochenende ist, wir gehen postwendend zu deinem Psychologen‘, aber er sagte nichts dergleichen.

"Wie geht es dir jetzt?"

"Ich hab gute Tage, ich hab schlechte Tage…", antwortete Yoshiki schulterzuckend und lehnte sich gegen die Polsterung, während sein Bruder nur nickte, da es die Standardantwort war. Es gab Phasen, da war alles in Ordnung, aber es gab auch solche, in denen nicht nur eine Gewitterwolke über seinem Kopf schwebte, sondern er in seinem allzu vertrauten, schwarzen Loch war.

"Sonst noch was?"

"Patas Oberschenkel eignen sich nicht dazu, um darauf zu liegen - mein Rücken war am Mittwoch so ziemlich im Eimer und wenn Toshi nicht noch da gewesen wäre, dann würde ich heute wahrscheinlich noch im Jaccuzi festsitzen… und Donnerstag war neben Mittwoch worst day ever."

"Deine Chaoten beim S.K.I.N. Meeting oder immer noch der Rücken?"

Kouki wusste aus Erzählungen seines Bruders nur zu gut wie solche ‚Geschäftstreffen‘ für gewöhnlich abliefen.

"Ersteres - Migräneauslöser pur, sage ich dir! Und als wäre das noch nicht genug, bin ich dann auch noch zusammengeklappt…", berichtete der Pianist von den Ereignissen. Die Augen seines Bruders weiteten sich dabei leicht, aber er ließ ihn ausreden. Als er schließlich geendet hatte, umarmte er ihn einfach, da alles, was ihm im Moment auf der Zunge lag, nur zu einer sinnlosen Diskussionen führen würde und darauf hatte er selbst im Moment keine Lust, da er es vielmehr schätzte und froh darüber war, dass sich der Ältere ihm anvertraut hatte, wo er auch einfach darüber hätte schweigen können.
 

"Und du willst nach alldem wirklich am Montag wieder durchstarten?" Es war nur eine rhetorische Frage, denn die Antwort kannte er schließlich schon.

"Noch eine Woche Nichtstun halte ich beim besten Willen nicht aus…", entgegnete Yoshiki und schlang die Arme um den Größeren.

"Du machst dich noch kaputt…"

"Wir wissen beide, wie es eines Tages enden wird, Kouki…"

"Und ich werde trotzdem nicht aufgeben, diesen Tag so weit wie möglich in die Ferne zu rücken", äußerte er und stupste die Nase seines Bruders an, was diesen zum Lächeln brachte.

"Danke, Großer!"

Der Jüngere wollte gerade etwas darauf erwidern, als es klingelte.

"Ich schätze, es ist Zeit für dich, zu gehen."
 

Die beiden erhoben sich und gingen zur Wohnungstür, die Chika bereits geöffnet und Dan in Empfang genommen hatte.

"Musst du wirklich schon gehen?", fragte Ran, die bei ihrer Mutter war und nicht sonderlich glücklich drein schaute.

"Es ist Zeit", entgegnete Yoshiki und zog sich die Stiefel an. Er hatte den zweiten in der Hand, als sie zu ihm rannte und sich an ihn klammerte. Weil er gerade nur auf einem Fuß stand, brachte sie ihn etwas aus dem Gleichgewicht, sodass er ein paar Schritte nach hinten taumelte.

"Ran…"

"Ich will nicht, dass du gehst!" Ihre kleinen Hände hatten sich in seiner Jeans verkrallte, doch mit etwas Mühe konnte er sie soweit lösen, dass er genügend Platz hatte, um den anderen Schuh anzuziehen und dann vor ihr in die Hocke zu gehen.

"Ich habe die Woche mit dir wirklich sehr genossen, Ran-tan, aber alles geht einmal zu Ende - so ist das Leben…"

Anstatt zu antworten warf sich das Mädchen in seine Arme und er spürte, wie etwas Feuchtes den dünnen Stoff seines Oberteils durchnässte.

"Darf ich wieder kommen?"

"Natürlich, das habe ich dir doch versprochen", erwiderte er lächelnd, löste sie ein wenig von sich und wischte die Tränen von ihren Wangen, "außerdem siehst du mich vielleicht sowieso schon schneller als dir lieb ist - irgendwo zwischen meinen ganzen Terminen nächste Woche werde ich soviel Zeit wie möglich mit dir einplanen. Wir müssen schließlich Klavier üben und vielleicht habe ich dann auch die ein oder andere Überraschung für dich…"

"Was für eine?!", wollte sie sofort wissen und augenblicklich hellte sich ihr Gesicht auf.

"Wenn ich es dir jetzt verrate, dann ist es doch keine mehr", entgegnete Yoshiki grinsend und wuschelte ihr durch die Haare.

"Und du kommst wirklich?", hakte Ran noch einmal nach, die mit ihren fünf Jahren bereits wusste, dass ihr Onkel nicht unbedingt der Beste darin war, Verabredungen einzuhalten.

"Großes Indianerehrenwort!", versprach er und drückte sie noch einmal, ehe er aufstand, um sich von ihren Eltern zu verabschieden. Chika bedankte sich bei ihm für den Urlaub und dafür, das er auf ihre Tochter aufgepasst hatte, während Kouki ihn nur bat, auf sich aufzupassen und wissen wollte, was er nun tun würde, worauf er nur antwortete, dass er nachdenken wolle. Schließlich ging er zu Dan, der die ganze Zeit über stumm an der Tür auf ihn gewartet und sich seine Tasche, die seine Assistenten für ihn zurecht gemacht hatten, über die Schulter geworfen hatte. Anstatt seinem Bodyguard jedoch zu folgen, der zum Aufzug ging, um diesen zu rufen, hielt er noch einmal Inne und drehte sich erneut um.

"Ne, Ran, vergiss nicht, was ich dir über Verabschiedungen gesagt habe!"

"Mach ich, du darfst es aber auch nicht!"

Lächelnd nickte er, setzte die Sonnenbrille auf - die Mütze hatte er gestern Abend bereits in die Tasche gepackt -, winkte seiner Familie zu und folgte Dan dann in den Lift, der sie ins Erdgeschoss brachte. Es wurde Zeit, dass aus Yoshiki wieder YOSHIKI wurde.
 

"Where’d you like to go?", fragte der Bodyguard, als sie im Auto saßen und er den Motor gestartet hatte.

"Just home", war die einfache Antwort des Schlagzeugers, der sein Mobiltelefon hervorzog und einen Eintrag aus seinem Adressbuch heraus suchte.

"Okey-dokey!"

Yoshiki nickte nur, drückte die Wähltaste und legte das Handy dann ans Ohr. Relativ schnell meldete sich die Stimme, die er hatte hören wollen.

"Hey, Heath, ich bin es, Yoshiki."

"Was verschafft mir die Ehre?"

"Wegen der Kaninchen…"

"Bist du noch immer sauer, weil ich dich reingelegt habe?"

"Nein, ich wollte wissen, was du mit ihnen machst?"

"Ich werde sie abgeben müssen… 12 Kaninchen sind einfach zu viel!"

"Kann ich dir vielleicht zwei abkaufen?"

"Seit wann stehst du auf lebendigen Haustiere?", wollte der Bassist wissen und spielte auf die Roboterhunde an.

"Nicht für mich, für Ran – Tiere schulen doch das Verantwortungsbewusstsein, die Selbstständigkeit und so einen Kram…"

"Ich gebe dir die beiden so - komm mit Ran einfach einmal vorbei, dann kann sie sich zwei aussuchen und ich gehe mit den beiden dann noch zum Tierarzt und stell sicher, dass du demnächst nicht noch Großmutter wirst!"

"Haha…!"

"Sonst noch was?"

"Nee, eigentlich nicht. Ich melde mich in den nächsten Tagen bei dir noch einmal wegen Proben und Aufnahmen, okay?!"

"Geht klar und pass auf dich auf… Toshi hat mir erzählt, was am Mittwoch los war! Und von Pata soll ich dir dasselbe ausrichten."

"Altes Klatschweib", murmelte Yoshiki und verdreht die Augen, „was macht Pata bei dir?“

„Wir basteln an nem Song…“

„Krieg ich ihn irgendwann zu hören?“

„Vielleicht… wenn er fertig ist!“

„Für eines eurer Projekte oder X JAPAN?“

„Seit wann gibst du den Stift ab?“, fragte Heath gespielt entsetzt.

„Wenn es was Gutes ist, könnte ich mit mir reden lassen.“

"Abwarten und Tee trinken… wir hören dann von einander, oder?!"

"Ja, ich meld mich und grüß Pata… und Heath, danke!"

"Keine Ursache und mach ich", erwiderte der andere und legte auf, sodass auch der Pianist sein Handy wieder wegsteckte. Damit wäre die eine Überraschung für Ran geklärt, jetzt musste er nur noch ein ordentliches Klavier für sie auftreiben, damit sie zuhause richtig üben konnte. Am besten setzte er sich einmal mit Kawai in Verbindung – zu denen hatte er schließlich einen guten Kontakt -, aber das würde erst am Montag machbar sein.
 

Als Yoshiki zuhause und Dan wieder gefahren war, macht er sich erst einmal frisch und zog sich neue Klamotten an, ehe er die Autoschlüssel für seinen Ferrari holte, noch einen Apfel mitnahm und dann mit dem Sportwagen losfuhr. Zügig, wenn der Verkehr es zuließ auch einmal schneller als die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit, fuhr er in Richtung 409, auf die er dann drauffuhr und mit ihr die Bucht von Tokyo hinüber zur Bōsō-Halbinsel überquerte. Die ersten knappen 10 Kilometer legte er in einem Tunnel, 60 Meter unter der Wasseroberfläche zurück, welcher auf einer künstlich angelegten Insel zu einer Brücke wurde, und die letzten Kilometer über das Meer überbrückte. Seiner Meinung nach war die Tōkyō-wan-Aqua-Line eine deutliche Erleichterung, wenn es darum ging in die Chibapräfektur zukommen, da man nicht wie früher außen herum an der Küste entlang fahren musste, was stets viel Zeit in Anspruch genommen hatte, sondern die Strecke auf gut 15 km verkürzte. So dauerte es nur etwa zwei Stunden, um in seine Geburtsstadt zukommen und nicht das Eineinhalb- bis Zweifache. Nachdem er wieder auf dem Festland war, orientierte er sich südwärts und brauchte eigentlich gar nicht die Straßenschilder, da er die Strecke im Schlaf kannte. Mit gemütlichen 100 km/h zuckelte er über die Autobahn, während es ihn in den Fingern juckte, hoch zu schalten, das Gaspedal durchzudrücken und auf 200-300 zu beschleunigen. Stattdessen machte er sich über den Apfel her und lauschte dem Radio, wobei der Nachrichtensprecher hauptsächlich ein Lieblingsthema hatte: die Auswirkungen der weltweiten Wirtschaftskrise und der steigende Yen-Kurs. Letztendlich konnte Yoshiki nur hoffen, dass die Sponsoren das Ganze gut überstanden und auch weiterhin die Welttournee finanzieren würden…
 

Am Nachmittag kam er in Tateyama an, doch anstatt sofort zu seiner Mutter zu fahren, machte er erst einen Zwischenstopp am Strand, den er seit seiner Kindheit kannte. Er parkte den Wagen und ging dann zum Meer hinunter. Einige Menschen waren dort und sie musterten ihn auch kurz, wandten sich dann aber wieder ihren eigenen Dingen zu. Etwas, dass er sehr zu schätzen wusste und dass es ihm erlaubte, auch ohne Bodyguards hierher zu kommen. Natürlich wurde er ab und an angesprochen und um ein Autogramm oder ein Foto gebeten, aber die meiste Zeit über behandelten sie ihn wie einen der ihren und ließen ihn in Ruhe.
 

Mit einem Seufzen auf den Lippen wagte er sich bis in die Brandungszone vor. Das Wasser war, wenn es hoch kam, einen halben Meter von seinen Füßen entfernt und er genoss die sanfte Brise, die durch seine Haare strich. Es war egal, ob es hier oder in Malibu war, sobald er am Meer war, fühlte er sich frei und spürte, wie sich ein innerer Frieden in ihm ausbreitete, der sonst nicht da war. Hier konnte er den beiden verstorbenen Menschen, die ihm so viel bedeuteten näher sein als sonst wo - in diesem Ozean hatte sein Vater ihm das Schwimmen beigebracht und war mit ihm Angeln gegangen und dies war auch das gleiche Weltmeer, in dem hides Asche ihre letzte Ruhe gefunden hatte.
 

Yoshiki setzte sich in den Sand, zog seine Stiefel und Socken aus und stopfte Letztere in Erstere. Anschließend krempelte er seine Jeans hoch und stand dann wieder auf, um die wenigen Schritte bis zum Wasser zurückzulegen. Knöcheltief ging er in den kühlen Pazifik und ließ seine Füße von den Wellen sanft umspielen. Ruhig atmend schloss er die Augen hinter der dunklen Sonnenbrille und genoss das Gefühl des eins sein, das ihn durchströmte. Einmal wieder hatte er den Eindruck, dass er nicht alleine war und der Wind, der durch seine blonden Haare strich und sie zärtlich liebkoste, fühlte sich fast so an wie die Hand seines Vaters, als dieser sie früher gestreichelt hatte. Gleichzeitig rief es Erinnerungen von vor über 10 Jahren hervor, wenn seine Gefühle einmal wieder mit ihm durchgegangen waren und hide ihn getröstet und mit dem Daumen die Tränen weggewischt hatte. Der Gedanke daran ließ seine Augen feucht werden, doch er hielt das, was die Poeten auch das ‚Blut der Seele‘ nannten, zurück…
 

‘Will you wipe my tears if you are the rain

Will you dry my face if you are the wind

That's swaying roses, spreading the red

Into the sky that'll veil and close my eyes

I still see your smile’ (5)
 

Noch vor nicht allzu langer Zeit hatte er in einer ähnlichen Situation, auf der anderen Seite des Pazifiks, angefangen die Lyrics zu einem Song namens Rosa zu schreiben. Es war an seinem Geburtstag gewesen, an dem er sich einen Tag Auszeit gegönnt hatte, nachdem in den Wochen und Monaten zuvor alles aus dem Ruder gelaufen war und er das Gefühl gehabt hatte, dass alles vor seinen Augen im Sand verliefe. Irgendwann war dann einfach alles zu viel gewesen - er hatte sich von seinem Staff und seinem Management weggeschlichen, hatte absichtlich sein Handy liegen gelassen und die Nacht auf einer Parkbank in Beverly Hills verbracht, weil er nicht gewusst hatte, wo er hingehen sollte und sich wie ein entwurzelter Baum gefühlt hatte, der sich nicht mehr sicher war, wo er hingehörte. Einer seiner Assistenten hatte ihn dann in den frühen Morgenstunden gefunden gehabt und zurück gebracht, wo er anschließend einfach wie ein Roboter seinen Aufgaben nachgekommen war. Erst dieser eine Tag am Meer, den er sich genommen hatte, obwohl sich die Arbeit im Studio nur so gestapelt hatte, hatte ihm die Energie zurückgegeben, die er brauchte, um wieder aufzustehen und seinen Weg weiter zu gehen. Auch damals hatte es sich angefühlt, als würde er nicht alleine auf einem der Felsen sitzen und in die Ferne starren.
 

Irgendwann, als seine Füße bereits anfingen taub vor Kälte zu werden, ging er zurück zu seinen Sachen, setzte sich erneut hin, zog die Knie an, schlagen die Arme um sie und legte sein Kinn auf ihnen ab. Die Menschen, die vorher noch da gewesen waren, waren weg, sodass er nun alleine war. Yoshiki genoss die Ruhe, die nur von dem gleichmäßigen Meeresrauschen und von den vereinzelten Schreien der Möwen unterbrochen wurde. Mit den Füßen grub er eine kleine Mulde in den warmen Sand und bedeckte sie anschließend mit dem beiseitegeschobenen. Erneut schloss er die Augen und ließ seine Gedanken schweifen, sodass er nicht mitbekam, dass er nach einer gewissen Zeit nicht mehr alleine war. Jemand war neben ihn getreten, tippte ihm an die Schulter und ließ sich dann neben ihm nieder.
 

Erschrocken fuhr er zusammen und starrte dann mehr als verwundert in das Gesicht seines Nachbarn. Die Welt war wirklich klein, wenn er hier in Tateyama schon Gackt über den Weg lief.

"Hey!"

"Was machst du hier?"

"Ich wollte mit dir reden, aber bei deinem Handy ging nur die Mobilbox ran, weshalb ich deinen Bruder angerufen habe und der meinte, ich solle hier mal nach dir suchen…", erklärte der Sänger und fixierte einen bestimmten Punkt, nicht unweit von ihnen entfernt im Meer, während Yoshiki sein Handy aus der Tasche fischte und feststellte, dass der Akku leer war.

"Muss ja äußerst wichtig sein, wenn du deswegen extra von Tokyo hierher fährst", äußerte der Schlagzeuger und ließ sich nach hinten auf den weichen Untergrund fallen. Unter seinem Kopf verschränkte er die Arme, um nicht den ganzen Sand in den Haaren zu haben.

"Es ist schön hier…", meinte Gackt und blieb sitzen.

"Ich komme gerne hierher, um die Ruhe zu genießen…"

Eine Zeit lang hingen beide Musiker ihren Gedanken nach und schwiegen, ehe Gackt sich wieder zu Wort meldete: "Ich habe dich am Donnerstag angelogen…"

Interessiert setzte sich Yoshiki wieder auf und blickte ihn abwartend an – sein Instinkt hatte ihn nicht getäuscht.

"Du warst ein paar Minuten ohnmächtig, danach bist du wieder zu dir gekommen… ich wusste bis dato nicht, dass Geister das können, aber ich habe mich etwas umgehört und ziemlich viele scheinen diese Fähigkeit zu besitzen… hide hat dich schlafen geschickt, nachdem du wieder wach geworden warst, damit wir weiterhin reden konnten, ohne dass du das mitbekommst…" Der Sänger blickte stur geradeaus auf einen Punkt im Meer, den nur er sah.

"hide…?!" Unwillkürlich ballte der Pianist die Hände und hinter den getönten Gläsern weiteten sich seine Augen. Also hatte ihn sein Unterbewusstsein nicht getrogen!

"Ich habe lange mit mir gerungen, ob es nicht besser wäre, dich im Dunkeln zu lassen… aber nach dem, was mir hide gesagt hatte, und ich dann noch lange mit You und meinem toten Urgroßvater gesprochen hatte…"

"Was hat hide gesagt?", unterbrach Yoshiki ihn und registrierte nur am Rande, dass er zitterte. Zuviel stürzte gerade auf ihn ein.

"Dass du sie wahrnimmst, wenn sie direkt bei dir sind."

"Manchmal… manchmal, da betrete ich einen Raum und habe das Gefühl, sie wären da… ich kann es nicht erklären, es ist einfach so ein Gefühl! Und je länger es anhält, desto mehr kommen all diese Emotion zurück…" Sich auf die Unterlippe beißend fixierte er seine Füße, die er wieder ausgebuddelt hatte.

"Deshalb halten sie eigentlich immer einen gewissen Abstand zu dir ein, um dir nicht noch mehr weh zu tun… aus dem Grund habe ich sie auch noch nie gesehen, wenn ich mit dir zusammen war…"

"Sie?... das heißt, mein Vater ist wirklich auch…?"

"Du hast zwei Schutzengel", bestätigte Gackt nickend, "anders wäre der Job mit dir ja sowieso nicht zu schaffen", fügte er noch scherzend hinzu, in der Hoffnung, den anderen somit ein wenig zum Lächeln zu bringen, da er ihn immer wieder hatte leise neben sich schniefen hören und er sich nur vage vorstellen konnte, was im Moment in seinem Freund vorgehen mochte. Als er nicht wie gewünscht reagierte, legte er einen Arm um ihn, zog ihn sanft an sich und strich über den Oberarm des anderen.
 

"Hast du nach dem ‚Warum?‘ gefragt?", wollte Yoshiki schließlich wissen und löste sich von ihm, um sich wieder aufrecht hinzusetzen und erneut die Arme um seine Knie zu schlingen.

"Manche Fragen bleiben besser unbeantwortet…"

"Warum?!", brauste der Ältere auf, "du hast selbst gesagt, dass sie immer irgendwo um mich herum sind! Du hast hide im Konferenzraum gesehen, also kannst du ihn auch noch einmal sehen und ihn fragen und mir die Antwort sagen!"

Gackts unkooperative Haltung war für ihn unverständlich, da er einer Antwort auf seine Frage, die ihn schon so viele Jahrzehnte lang quälte, so nahe wie noch nie war.

"Letztendlich würde es dir nichts bringen, Yoshiki…"

"Doch! Ich wäre endlich diese Last los und würde nicht länger ein Phantom jagen!", fiel er dem Jüngeren ins Wort, wobei seine Stimme am Ende brach, und er wischte sich die Tränen, die aufgekommen waren, von seinen Wangen. Ob sie nun aus Wut, Frustration oder Schmerz flossen, konnte er nicht sagen.

"Wärst du nicht - auf eine Antwort würde eine neue Frage folgen und so würde es immer weitergehen… es wäre eine Teufelskreis!"

"Das…", fing er erneut an zu widersprechen, kam aber nicht weiter, da Gackt ihn einfach erneut zu sich gezogen und an sich gedrückt hatte, in der Hoffnung, ihn so davon abzuhalten, sich weiter hinein zu steigern. Zunächst wehrte er sich dagegen und schlug mit den eingearbeiteten Metallschienen der Handgelenksmanschetten gegen die durchtrainierte Brust des anderen, doch schlussendlich gab er nach und sackte einfache in der Umarmung des anderen zusammen.
 

"Wenn du heulen willst, dann heul, und wenn du schreien willst, dann schrei, aber akzeptiere, dass du manche Dinge nie wissen und für immer im Unklaren bleiben wirst. Dein Vater und hide lieben dich und werden immer bei dir sein und über dich wachen - das ist mehr, als die meisten in derselben Situation wissen", sagte der Sänger und hielt den zitternden Pianisten fest. Als die bitteren Tränen den Stoff seines langärmligen Shirts durchnässten, strich er beruhigend über den bebenden Rücken und hoffte, dass die Nähe, die er ihm geben konnte, ein wenig half. Es würde immer darauf hinauslaufen, dass der Schlagzeuger diese Bürde alleine tragen müsse. Gackt und die wenigen anderen, die Yoshiki so nahe an sich gelassen hatte, würden ihm dabei immer nur eine Stütze sein können, wenn er es denn zuließ. Nur zu gut wusste er selbst aus eigener Erfahrung, dass es anfangs schwer war, dies zu akzeptieren, letztendlich aber die Situation ertragbarer machte und dabei half, dass die Narben verblassten, wenn sie auch nie ganz weggehen und sich immer wieder einmal melden würden…
 

"Sorry wegen vorhin", murmelte der Pianist schließlich leise, löste sich von ihm und wischte erneut die Tränen weg.

"Schon okay", entgegnete Gackt und legte ihm eine Hand auf die Schulter, während der andere schniefte und sich die Nase rieb.

"Wenn du… wenn du sie… oder einen von ihnen noch einmal sehen solltest… kannst du… kannst du dann fragen, ob sie stolz auf mich sind?", fragte er mit brüchiger Stimme und blinzelte hinter der dunklen Sonnenbrille mehrmals mit den Lidern und schluckte ein paar Mal schwer. Der Sänger nickte und blickte erneut zu jenem imaginären Punkt auf dem Wasser, den er vorhin schon angestarrt hatte.

"Ich würde sagen, sie sind es…"

Er musste die Augen des Älteren nicht sehen, die Verwirrung war auch so deutlich genug auf dem Rest seines Gesichtes sichtbar.

"Sie sind die ganze Zeit hier gewesen… und auf deine Frage hin haben sie nur genickt…", erklärte Gackt und drückte die Schulter des anderen, auf der noch immer seine Hand gelegen hatte, während sich dieser einmal wieder über die Wangen wischte und mit den langgliedrigen Fingern kurz unter die Sonnenbrille fuhr.

"Du solltest ans Meer", fügte er mit einem Lächeln noch hinzu, was bei Yoshiki aber nur auf Unverständnis stieß.

"Ich bin am Meer!"

"Ganz hin - dort sind sie…"
 

Augenblicklich erhob sich der Pianist, klopfte sich kurz den Sand von der Hose und machte einen Schritt vorwärts, ehe er innehielt und sich umdrehte.

"Wo?", wollte er wissen, da er sie schließlich nicht sehen konnte.

"Geh einfach", antwortete Gackt aufmunternd lächelnd und machte eine entsprechende Bewegung mit der Hand. Zögernd setzte Yoshiki seinen Weg fort, bis er erneut bis zu den Knöchel in der Brandung stand und das kühle Wasser seine Füße umspülte, während die Dämmerung einsetzte. Der Wind hatte leicht zugenommen, aber irgendwie fühlte er sich gar nicht frisch an. Wie vorhin erinnerte es ihn mehr an die zärtlichen Berührungen von seinem Vater und seinem besten Freund und fast automatisch schloss er die Augen.
 

"Der Wind…"
 

Als die Erkenntnis langsam durchsickerte, sank er auf die Knie und ignoriert die Tatsache, dass sich seine Jeans dabei voll Salzwasser sog. Er wollte sowieso noch zu seiner Mutter fahren und dort hatte er immer ein paar Sachen deponiert, sodass er nicht ewig in den nassen Klamotten wäre. Es war definitiv von Vorteil, wenn man sein ganzes Hab und Gut auf dem Globus verteilt hatte, auch wenn es nicht das Geschickteste war, die amerikanische Krankenkassenkarte in Japan zu haben, während die japanische in der Villa in Los Angeles lag.
 

Der Wind… er hatte ihn schon so oft gespürt, wenn er am Meer oder am Grab von hide oder seinem Vater gewesen war und Gackt hatte selbst gesagt, dass sie hier waren - zudem hatte er vorhin den Eindruck gehabt, nicht alleine zu sein. Der Wind war in Wirklichkeit kein Wind… als er ihn an seiner Wange wahrnahm, über die eine einzelne Träne rann, strich er mit der Hand darüber und ihm war, als würde er ganz leise, mit dem sanften Rauschen des Meeres jene Worte hören, die er vor über 15 Jahren geschrieben, erst vor kurzem geringfügig abgeändert hatte und an die er sich noch heute klammerte...
 

‚If you could have told me everything

You would have found what love is

If you could have told me what was on your mind

I would have shown you the way

Now I'm older than you

I've never thought beyond that time

I've never imagined the pictures of that life

For now I will try to live for you and for me

I will try to live with love, with dreams,

and forever with tears’ (6)
 

~*~*~*~*~*
 

Zum Schluss noch einige Anmerkungungen bzw. Übersetzungen von Yoshikis schlaftrunkenem Französisch. Ansonsten würde ich mich natürlich über Kommentare und Kritik (sofern sinnvoll angebracht) jederzeit freuen!
 

(1) ta gueule = halts Maul

(2) casse-toi = verpiss dich

(3) laisse-moi tranquille et fiche le camp = lass mich in Ruhe und hau ab

(4) je suis en train de dormir et de rêver = ich bin grad dabei zu schlafen und zu träumen

(5) Rosa – Violet UK

(6) Tears – X JAPAN

__________________________________________
 

NACHWORT
 

Ehrlich gesagt: Wow, ich kann nicht glauben, wie schnell die Zeit vergeht! Es kommt mir wie gestern vor, dass ich in einer verregneten Januarwoche krankgeschrieben zuhause saß und aus Zeitvertreib anfing, etwas aufzuschreiben, dass mir schon seit geraumer Zeit im Kopf herumgespukt hatte. Witzigerweise war es eine Juniwoche, in der ich, erneut krankgeschrieben, die Story beendet habe.
 

Von allen FFs, die ich bisher geschrieben habe, ist mir Shimo am leichtesten gefallen und auch am meisten ans Herz gewachsen. Jemand sagte einmal, dass ein Autor seine Figuren inn- und auswendig kennen muss - er muss wissen, was sie denken und fühlen und er muss auch wissen, was sie als nächstes tun werden. Bei niemanden ist mir das bisher einfacher gefallen, als bei Yoshiki… vielleicht weil ich alle Krankheiten, die er hat, bzw. die ich ihm angehängt habe (was Realität & was Fiktion ist, dürft ihr selbst herausfinden) von mir selbst oder aber von Personen aus meinem nächsten Umfeld her kenne.
 

In keiner anderen meiner FFs steckt wahrscheinlich auch soviel Recherche wie in Shimo. Wenn ich an all die Stunden zurückdenke, die mit Suchen und Übersetzen zugebracht habe, so ist mir ein Satz noch immer im Gedächtnis: ‚Because life goes on!‘ Ich hatte das Glück, dass Yoshiki Anfang letzten Jahres für seine Stiftung an die Öffentlichkeit trat und erstmals wirklich über den Selbstmord seines Vater sprach (später dann auch noch die Veröffentlichung seiner Autobiographie) und dabei sehr offen war, was Shimo entsprechend beeinflusst hat (ihr werdet vielleicht auch bemerkt haben, dass u.a. zahlreiche Ereignisse aus diesem Zeitraum, wie z.B. die Aufregung um Heath oder die Tatsache, dass Yoshiki ein Chevalier wurde, mit eingeflossen sind). Seit ich vor Jahren auf diesen Künstler aufmerksam wurde, habe ich großen Respekt vor dem, was er geschaffen hat. Durch die Recherchen wurde er nur noch größer (wahrscheinlich habe ich die arme Kaoru irgendwann zu Tode genervt mit ‚Du, wusstest du schon, dass…!‘ und ‚Du, ich hab da neulich so nen Artikel entdeckt…!‘ und ich rechne es ihr hoch an, dass sie mir nie ein entnervtes ‚Halt endlich die Klappe!‘ entgegen geschrien hat) und diese 4 simplen Worte haben sich mir eingebrannt. Hätte jemand anders sie gesagt, ich hätte ihm wohl ins Gesicht gelacht und ihn gefragt, ob er überhaupt weiß, wovon er spricht. Sie Yoshiki jedoch zu glauben ist einfach und sie sind das, was ich aus dieser FF mitnehme. Das Leben mag nicht immer einfach sein, manchmal schmeißt das Schicksal einem Steine in den Weg, die unüberwindbar erscheinen, es letztendlich aber nicht sind. Die Welt dreht sich weiter, auch wenn wir manchmal das Gefühl haben, sie würde still stehen. Das Leben geht weiter… immer… irgendwie!
 

Was ich mit all dem philosophisch sentimentalen Geschwafel sagen will, ist, dass ich euch dankbar dafür bin, dass ihr dieses Monsterwerk gelesen habt – denn nichts anderes ist es - und es nun schwer ist, die letzte Seite umzublättern und das Buch zu schließen, weil das letzte Kapitel geschrieben ist.
 

Vielen Dank euch allen, v.a. aber an meine Betaleserin Kaoru, die sich durch 104 Wordseiten in diversen Sprachen ‚gequält‘ hat.

DANKE!
 

-Tei



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Jaeba
2010-02-19T16:56:35+00:00 19.02.2010 17:56
Was soll ich sagen ...
Ich liebe deine Geschichten! *__*
Aber okay ... hier geht es nur um eine Geschichte - die jetzt zu Ende ist. T____T
Wirklich schade, ich hätte mir sooo gerne noch mehr Tage mit Yoshiki und Ran durchgelesen. ^^
Und auch hier kann ich wieder nur sagen: Ran ist einfach zuuu niedlich! Kann man die irgendwo adoptieren?
*hust*
Wie dem auch sei: Ich fand besonders das Ende toll - die Szene mit Yoshiki und Gackt am Strand ... da sind mir wirklich Tränen in die Augen geschossen - und bei dem eingeschobenen "Now I'm older than you" war's dann vorbei.
Wirklich alles super geschrieben und ich hoffe doch, bald wieder eine ENS von dir zu erhalten, in der dann sowas wie "Fortsetzung" stehen wird. ^.~
Oder zumindest die Ankündigung zu einer neuen Ff aus deiner Feder. :3

Gaaanz liebe Grüße
JaeKang
Von:  Kaoru
2010-02-19T10:23:54+00:00 19.02.2010 11:23
Geiles Kapitel, mach schnell weiter !
...
...
Hach, wie juckte es doch in meinen Fingern, jetzt auf ‚Abschicken‘ zu drücken und fertig ist... da ich aber dein Gesicht nicht sehen kann, wenn du es liest, hab ich es mir gespart und mache es lieber vernünftig:

Das Yoshiki-Wecken war ja soooo herrlich!
<<Wenn du schon Französisch mit mir redest, dann kannst du gar nicht mehr so tief schlafen>>
und wenig später setzt du auch noch einen drauf:
<< Je länger deine Sätze auf Französisch werden, desto weniger kauf ich dir ab,dass du noch schläfst>>
Wie recht doch Kouki hat. Er ist mit im Übrigen auch richtig sympathisch- er ist mir ja schon in ‚Unsichtbarer Schatten‘ ans Herz gewachsen, aber ich find ihn einfach herrlich- iwas zwischen besorgt, verständnisvoll und sich fragend, warum er gerade so einen unvernünftigen, aufbrausenden Bruder haben muss*kicher*
Die Stelle, wo Yosh seine Beichte ablegt, da dachte ich ja ‚Ohoh, das wird haarig‘, aber nö: Kouki blieb erstaunlich gelassen bzw ruhig, denn ein wenig aufgeregt hast es ihn ja schon, dass seine Tochter dieser Gefahr ausgesetzt war- was man ja auch nachvollziehen kann. Auf der anderen Seite hat e sich ja wirklich rührend um sie bemüht und ihr was bieten wollen- wenn das auch mächtig in die Hose gegangen ist!
... und das Ende des Beichtens ist ja mal wieder leicht ironisch, hm? Entschärft aber gut die Situation: Patas Oberschenkel eignen sich nicht zum darauf liegen? Ok, werd ich in meiner FF berücksichtigen. Wie sieht es mit darauf sitzen aus?
Oh du! ich glaub, ich krieg grad ne tolle Idee für ‚Zeit heilt alle Wunden‘*hibbel* Die muss ich mir merken, dann kann ich’s endlich abschließen!*jubel*
*sichumschaut*
*TeisstrengenBlickbemerkt*
Ups, ich komm vom Thema ab, ne?
*sichräuspert*
*FadensuchtundOrgasmmitsummt*
Und nun will Yosh wieder arbeiten- schöne Szene zwischen den Brüdern. Ja, ich denke, wir ahnen alle, was das für ein Ende nehmen wird, aber ich kann Kouki verstehen, dass er das hinauszögern will. Gesundheit geht vor und es ist uns doch allen nicht geholfen, wenn sich Yosh auf die Bühne quält und es vor Schmerzen dann nicht aushält, oder?
Mais, le temps va venir, qu’on se réunira à Paris- j’en suis sure, Tei-chan,

Abschied von Ran: traurig, aber sie sind sich ja jetzt näher, als je zuvor und ich denke mal, dass Yosh trotz engem Terminplan sein Versprechen hält und mit ihr im Kontakt bleibt. das Klavier wartet schließlich, nicht wahr?
Und kaum ist er aus der Wohnung, als er auch schon zwei Hoppel für sie ordert. Niedlich... und schade, dass die nicht noch einmal vorkommen. Hätte ich sehr schön gefunden, aber ist ja nicht zu ändern. Und der Flügel? Ran wird sich freuen und ich bin davon überzeugt, dass sie ihn auch benutzen wird- iwann nimmt sie den Platz von Yosh ein, nur dass sie in Kleidern etwas... weiblicher noch wirken wird. Geht das eigentlich? *sichvorderzweitenFaustduckt*

Beim Treffen mit Gackt dachte ich erst ‚Ach, noch jemand, der gerne Zufälle herbeiwünscht‘, aber ich hab mich ja geirrt, da Gackt ja iwie wusste, wo er Yosh finden kann. Zweites Treffen auf hide und Papa Yosh?! Man hatte ja schon eine leichte Ahnung, als er am Wasser stand und sich der Wind wie Streicheln auf seiner Haut anfühlte, aber dass es dann auch wirklich so war... faszinierend^^ Ist ja dieser Faden auch zu einem guten Ende gekommen- Yosh hat Gewissheit, dass hide wirklich im Studio war, weiß immer noch nicht mehr über das ‚Warum‘, konnte die beiden dafür aber ‚treffen‘.

‘Now I'm older than you’

Wieso nur finde ich die Änderung dieser Zeile am Traurigsten an dem ganzen Lied? In ihr steckt iwie so viel Schmerz und Trauer, dass ich Yosh förmlich vor mir sehe, wie er sich die Lyrics vornimmt, auf die Zeile starrt und sie schließlich durchstreicht und mit dieser ersetzt.

Klasse, Tei-chan... Es hat mich zwar meinen gesamten VM gekostet, aber es war ja für einen guten Zweck, ne?^.~

We are X (kein Scheiß, kommt grad!^^)

Freu mich auf Fortsetzung (ich weiß, liegt in meiner Hand:-P)

Im Übrigen hast du mich nicht an den Rand des Wahnsinns getrieben- ich bin stolz, dass ich deine Betha sein darf, nur Uni spielt eben leider auch ne Rolle in meinem Leben*sfz*

A Plus! C'était tout!
Von:  Terra-gamy
2010-02-17T20:04:40+00:00 17.02.2010 21:04
Einerseits ist es toll, dass es zu ende ist, aber anderseits traurig.

Beim Lesen konnte man sich immer sehr gut in Yoshiki hineinversetzten und obwohl du im Nachwort sagts, dass es ddir noch nie so leicht fiel mit einen Charakter wie mit Yoshiki. Erkennt man doch deutlich, dass du dir sehr viel Mühe mit der Geschchte gegeben hast und dir die Mühe gemacht hast dich in eine solche Situation hineinzuversetzten, die dir hoffentlich nicht persönlich vertraut ist.

Zudem merkt man deutlich, wie viel Liebe deinerseits in der FF steckt.

Ich freue mich schon darauf, wenn ich wieder von dir etwas Neues lesen kann.


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