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Der Musiker und der Pirat

der Schatz des John Silver
von

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neuer und alter Kurs "zum fliedenden Piraten"

Neuer und alter Kurs “zum fliegenden Piraten”
 

Völlig Aufgelöst saß Dorothee auf einem Fass in der Speisekammer, wo nur spärliches Licht den Raum erhellte. Sie hatte den ganzen Tag versucht Jack auszuweichen, doch er war immer in ihrer Nähe gewesen, in all ihrer Verzweiflung war sie dann hier her geflohen. Fahrig fuhr sie sich mit zittrigen Fingern durch das Haar und zog mit einem tiefen Seufzer das Haarband daraus. Matt fielen ihr ein paar blonde Strähnen ins Gesicht - die nicht von Ruß geschwärzt waren -, seit jenem Moment am Morgen versuchte sie zu begreifen was sie dazu gebracht hatte Jack zu schlagen - und er hatte noch nicht mal etwas abfälliges gesagt! Stöhnend schlug sie die Hände über dem Kopf zusammen. So schnell wollte sie sich keine Feinde hier auf dem Schiff machen! Und jetzt, dachte sie, habe ich den Hass des Captains auf mich gezogen! Was machst du nur für Sachen Dorothee!

Sie sah auf den Boden, wo vor ihren Augen eine gefüllte Flasche vorbei rollte. Mit den Augen verfolgte sie die Flasche, bis diese in eine, im Schatten gelegene, Ecke rollte und dort blieb. Eigentlich wollte sie gar nicht vor Jack weglaufen, doch traute sie sich nicht ihm in die Augen zu sehen. Über ihr hörte sie das geschäftige Trampeln der Crew an Deck und dumpf drangen einzelne Befehle - von Jack oder Gibbs - an ihr Ohr. Man hatte ihr ausdrücklich verboten zu Arbeiten, hätte sie gedurft hätte sie eine Möglichkeit gehabt sich von dem dauertrunkenen Piraten abzulenken, aber nein, sie durfte nur noch auf der Reling sitzen und den anderen zusehen.

Langsam glitt sie vom Fass herunter und blieb kurz im Raum unschlüssig stehen, was sollte sie tun? Sie wollte nicht mehr nichts tun! Sie kam sich dabei so unnütz vor! Wieder rollte eine Flasche vor ihren Füßen in eine Ecke, verschwand in der Dunkelheit und stieß auf einen hohlen Gegenstand, doch davon bekam Dorothee bereits nichts mehr mit, seufzend hatte sie die Kammer verlassen. Ein blasser Lichtstrahl fiel auf die Flasche und ließ den Inhalt golden aufleuchten, dahinter waren undeutlich die Konturen eines Gitarrenbauchs zu erkennen.

Obwohl Dorothees kleiner Ausbruch schon eine Weile her war kribbelte Jacks Wange immer noch leicht. Genervt fuhr er darüber. Warum tut meine Backe immer noch kribbeln? Selbst bei Scarlett oder Giselle hatte es nie so lange nachgewirkt! Nachdenklich starrte er auf das Meer, das wohlvertraute Steuerrad in seiner Hand. Langsam schweifte sein Blick auf das Deck, wo seine Leute arbeiteten oder faul herumlungerten. Plötzlich sah er im Augenwinkel eine Bewegung, er verengte die Augen und sah wie Dorothee von unten hinauf aufs Deck lief. Fragend hob er die Brauen und lehnte sich nach hinten. Sie sah wirklich blass aus - wie Gibbs es ihm seit Stunden auf die Nase band -, geht ihr, ihr kleiner Ausrutscher etwa nahe? belustigt grinste er, das ist ja mal was neues!

Die Tage vergingen, in denen weder Jack noch Dorothee auf den jeweils anderen zugingen, beide wichen sich stehts aus und falls sie doch aufeinander stießen schwiegen sie sich an. Kopfschüttelnd musterte die Crew das Verhalten der beiden, doch keiner sagte etwas, es war nicht ihr Problem, sondern dass der Zwei. Eine unangenehme Spannung herrschte auf der Pearl.

Das Geschrei von Möwen ließ Dorothee aufblicken, als sie wieder einmal tatenlos auf der Treppe zum Achterdeck saß um Löcher in die Luft zu starren. Es herrschte an diesem Tag eine unerträgliche Hitze, bei der sogar die Piraten schlaff machten. Über das ganze Deck verteilt lagen schlafende Crewmitglieder, einige wenige hatten sich ein Fass aus der Speisekammer geholt um darauf Karten zu spielen. Hin und wieder kam es zu hitzigen Diskussionen, in denen der eine den anderen beschuldigte gemogelt zu haben, ihrer Meinung nach mogelten alle und jedes mal bei einen der lauthalsigen Beschuldigungen - die jede absurder war als die andere - konnte sie ein leises Kichern nicht verkneifen.

Sehnsuchtsvoll starrte sie auf die weißen Vögel mit den gierigen gelben Augen, wie sie über das Meer ihre Kreise zogen. Hinter ihr hörte sie, wie das Holz knarrte, jedoch umdrehen wollte sie sich nicht, ihr Hirn - so dachte sie - war vollkommen unter der Hitze geschmolzen und existierte nur noch als wabernde Masse, die zu keinem Befehl an den Körper fähig war. Ein sanfter Windhauch strich ihr übers Gesicht und ein leichter Fischgeruch kroch ihr in die Nase.

“In ein paar Stunden sind wir in Tortuga angekommen.” sprach es rechts von ihr. Sie spürte wie sich das Holz leicht unter einem neuen Gewicht senkte.

“Hm.” erwiderte sie, ihre Zunge fühlte sich unglaublich schwer und trocken an, unwillkürlich musste sie schlucken - sie brauchte dringend was zu trinken. Ein glucksendes Geräusch brachte sie dazu nach rechts zu sehen, dort saß, mit geöffnetem Hemd - ohne Mantel und Hut - mit einer Rumflasche an den Lippen, Jack. Seine braungebrannte Haut schimmerte unter dem dreckigen, weißen Hemd hervor, dieses hatte er so weit offen, dass es Dorothee vorkam als würde es jeden Moment von seinen Schultern rutschen. Die braunen Hosenbeine waren hochgekrempelt und seine Stiefel - waren anscheinend irgendwo anders, nur nicht an seinen Füßen. Als Dorothee auf den Boden sah, streifte ihr Blick zufällig sein linkes Bein. Sie stockte, an der freigelegenen Seite verlief eine lange Narbe. Wie ist er wohl an die gekommen, schoss es ihr durch den Kopf. Ein zufriedenes Seufzen, gefolgt von einem Rülpser, erinnerte sie wieder daran, dass sie unglaublichen Durst hatte. Sie sah auf und erblickte eine wedelnde Flasche vor ihrem Gesicht.

“Ah!“ erschrocken wich sie ein Stück von der, sich verselbständigten, Flasche, deren Inhalt golden leuchtete. Lachend nahm Jack die Flasche weg und blitzte sie belustigt an.

“Hier, ich seh doch dass du Durst hast.” er grinste breit, so dass sie das Gold zwischen seinen Zähnen sah. Seit wann spricht er wieder mit mir? Als sie die Flasche nur misstrauisch beäugte, stöhnte er innerlich auf, dachte sie wirklich er würde sie wegen eine Backpfeife vergiften wollen oder sonst dergleichen? Er war zwar ein Pirat aber ein sehr ehrenvoller!

“Wenn du nicht willst dann trink ichs -” genussvoll legte er erneut seine Lippen an die Flasche und hob diese ganz gemächlich an, langsam trank er einen Schluck nach dem anderen und sah Dorothee dabei frech an. Diese starrte ungläubig auf die sich immer schneller leerende Flasche. Schnell wollte sie danach greifen, doch Jack wich ihr aus. Er nahm die Flasche vom Mund und hielt sie provokativ vor Dorothees Gesicht.

“Na, na, na! Wie heißt das Zauberwort?” neckte er sie. Erneut startete sie den Versuch ihm den Rum zu entreißen, wurde aber von einer Hand auf Abstand gehalten. Wie ein kleines Kind grapschte sie nach dem Rum, bis sie beleidigt zum Meer hinaus starrte.

“Krieg ich was zu trinken, bitte.” murmelte sie geschlagen gegen den Wind. Zufrieden grinste Jack und reichte ihr die Flasche rüber. Gierig trank sie einen großen Schluck, dann einen zweiten und einen dritten. Als sie die Flasche vom Mund nahm spürte sie ein Brennen in ihrer Kehle, das sie Husten ließ. Neben sich nahm sie wahr, wie Jack wieder anfing zu Lachen.

“Nicht so gierig, Schätzchen! Das ist Rum, kein gewöhnliches Wasser!”

Genießerisch lehnte er sich auf der Treppe zurück und streckte die Füße aus. Er schloss die Augen und genoss es, wie die warmen Strahlen seine Haut berührten. Ja, bald waren sie in Tortuga und dort konnte er ihr zeigen was es wirklich hieß ein Pirat zu sein, und außerdem, wollte er endlich etwas über sie herausfinden! Er konnte ein aufseufzen neben sich wahrnehmen, er öffnete ein Auge um zu sehen was Dorothee nun wieder trieb, ließ das andere aber geschlossen. Sie hatte sich an die Reling gelehnt und saß mit - ebenfalls wie er - ausgestreckten Beinen auf der Treppe, zwischen ihnen hatte sie die Rumflasche abgestellt, an der sie mit ihren Fingern entlang strich. Ihre Haut war blass und er konnte erkennen dass sie sich an manchen Stellen rot färbte. Er stützte sich auf seinen rechten Arm ab und tippte sie mit dem anderen an. Fragend drehte sie sich zu ihm um.

“Du solltest auf deine Haut aufpassen, Liebes, es passiert öfters auf See, dass man selbst bei nicht so heißem Wetter einen ordentlichen Sonnenbrannt bekommen kann. Und jemand mit so weißer Haut, wie deiner sollte noch mehr aufpassen, ich zu meinem Teil brauch nicht aufzupassen da meine Haut, wie du siehst, schön gebrannt ist, im Gegensatz zu deiner, die anscheinend immer so weiß bleibt oder sich, bis jetzt kaum verändert hat.”

Um seinen Worten Eindruck zu verleihen, hielt er einen seiner Arme an ihren. Nacht und Tag gleich sahen ihre beide Arme nebeneinander aus, während ihre langsam einen ordentlichen Rotstich bekamen. Mit hochgezogenen Brauen sah sie auf den Vergleich, der Gegensätzlicher kaum sein konnte.

“Und was soll ich, nach deiner Meinung, nach dagegen tun?” fragte sie.

“Keine Ahnung.” er zuckte mit den Schulter, wobei sein Hemd sich weiter öffnete. Demonstrativ sah Dorothee woanders hin, als auf die gutgebaute Brust des Captains. Ein lautes Poltern brachte beide dazu wieder aufs Deck zu sehen, wo das ehemalige Spielfass umgeworfen wurde, bei einer - ziemlich aus dem Ruder gelaufene - Diskussion, die nicht gerade friedvoll gelöst wurde. Zwei Piraten - Dorothee glaubte dass es sich um Jamie, ein schlaksiger kleiner Kerl, und Theodor, einem breit gebauten jungen Burschen handelte - fingen an sich zu Prügeln. Dadurch, dass es endlich etwas los war auf dem Schiff, kamen einige Crewmitglieder und feuerten die Zwei prügelnden lautstark an. Neben ihr konnte sie ein genervtes Schnauben hören. Fragend sah sie zu Jack, der grimmig die Auseinandersetzung beobachtete. Er hatte heute keine Lust auf Kinderspielchen! Er wollte einzig und allein hier in Ruhe sitzen und die Sonne genießen, schließlich musste er nicht aufpassen von irgendwem umgebracht, gefoltert oder in den Kerker gesperrt zu werden, er hatte heute Ruhe und beim Neptun, diese wollte er ausnutzen! Bevor er jedoch seine Stimme erheben musste schrie Marty vom Krähennest die erlösende Wörter:

“Tortuga! Wir sind wieder da!”

Jamie und Theodor hielten beim Schlagen inne, sahen sich an und fingen laut an zu lachen. Na endlich! Schoss es jedem einzelnen an Bord durch den Kopf, Tortuga wir kommen! Nur Dorothee hatte keinen blassen Schimmer was an dieser Insel so besonders war.

“Was ist eigentlich an Tortuga so besonders?” fragte sie sich selbst.

Jack hatte ihre Worte vernommen und sah sie entgeistert an, konnte es wirklich sein das diese Frau keine Ahnung von der göttlichen Insel Tortuga hatte? Nach ihrem grübelnden Gesichtsausdruck zu folgen, dachte er sich, wohl eher nicht.

“Tortuga ist keine normale Insel, sie ist eine ganz besondere Insel -” belehrend hob er die Hand - “- sie ist eine göttliche Insel, nur für Piraten, Halunken und andere Verbrecher! Mit den wohl schönsten Frauen in der ganzen Karibik.” breit grinste er sie an.

Unter Frauen schien er eine ganz besondere Schicht Frau zu sehen, Männer! innerlich verdrehte sie die Augen. Was hatte sie sich denn vorgestellt? Auf einer Insel, worauf sich die Piraten so sehr freuten, gab es bestimmt Rum, Frauen und irgendwelche Spiele, in denen nie einer gewann.

Erst gegen Abend ankerte die Pearl am, nach Fisch stinkenden Hafen an. Beschwingt verließen alle, bis auf Theodor und Pintel - sie wurden zur Wache verdonnert - das Schiff. Etwas unschlüssig sah Dorothee sich auf dem Kai um, hier und da konnte sie schon die ersten Betrunkenen erkennen, auch so manch eine dunkle Gestalt huschte durch die Gässchen, die ins Innere der Insel führten. Ein flaues Gefühl machte sich in ihrer Magengegend breit, vielleicht sollte sie lieber -

“Na komm schon, Liebes! Heute zeig ich dir das wahre Leben von uns Piraten!” bevor sie sich zum Rückzug aufs Schiff machen konnte, hatte sich ein wohlvertrauter Arm um ihre Schultern gelegt und Jack zog sie gnadenlos - schien es ihr - ins Zentrum von Tortuga. Schweigend wurde sie mitgezogen. Um sie herum herrschte ein betrunkenes Chaos, Männer prügelten sich, vergnügten sich mit aufreizend gekleideten Damen, machten Trinkspiele, bis einer umkippte - und eventuell nicht mehr aufstand. Es roch nach Rum, Schweiß, Schießpulver und wenige Nuancen von Parfüm - Dorothee wettete das es von den Frauen kam, die Jack kichernd zu winkten. Anscheinend hat der werte Captain ziemlich viele Frauen gehabt, dachte Dorothee als eine vollbusige Rothaarige mit wunderschönen Locken - um die Dorothee sie beneidete- auf Jack und sie zukam. Das Kleid der Rothaarigen hatte einen weiten Ausschnitt, der jedem einen tiefen Einblick auf ihre Brust gab, im Gegensatz zu den anderen Frauen war ihr Gesicht dezent geschminkt, nur ihre dicken Backen hatte sie mit Rouge betont.

“Wen haben wir denn da? Wie gehts denn dem berühmten Captain Jack Sparrow?” sie stemmte die Hände in die, durch ein enggeschnürtes Korsett, betonte Hüfte. Anzüglich grinste Jack sie an, nahm seine Hand von Dorothees Schulter, mit geöffneten Armen ging er auf die Frau zu, diese lächelte ihn nichtssagend an.

“Maxime, meine Schöne! Wie laufen die Geschäfte?” er umarmte sie.

Dorothee starrte ihn verwundert an, bis jetzt hatte sie nie erlebt wie Jack jemanden umarmt hatte, diese Maxime war anscheinend mehr als nur eine einfache Frau in seinem Leben. Etwas an diesem Bild störte sie, nur was wusste sie nicht. Maxime löste sich von Jack und erblickte Dorothee, diese sah sie schweigend an.

“Und wer bist du, wenn ich fragen darf?” sie ging auf sie zu und legte ihren Kopf schief.

“Dorothee Silver und sie?”

Abwertend wedelte Maxime mit der Hand. “Nenn mich Maxime und ich will kein Sie oder Ihr hören! Ich fühl mich dann immer so alt.” sie lachte auf.

Jack trat nah an sie heran und fuhr ihr sanft mit einer Hand über den Hintern. “Du warst noch nie alt, meine Liebe!”

Kichernd aber bestimmt schlug sie ihm seine Hand fort und wendete sich erneut an Dorothee. Von oben bis unten musterte sie die junge Frau, ein durchschnittliches Mädchen, dachte sie.

“Und was machst du so?” fragte sie.

“Ich bin - wohl eher war Musiker.” die versteckte Traurigkeit in Dorothees Stimme hatte sie deutlich gehört. Unsanft schlug sie erneut auf Jacks Hand, die sich wieder auf ihrem Gesäß befand, zornig funkelte sie in die fragenden Augen des attraktiven Piraten. Unschuldig sah er sie an. “Falls ich glaube zu wissen was du denkst und du zufälliger weiße genau das denkst, was ich vermute dass du es denkst, denkst, muss ich zu meiner eigenen Sicherheit sagen - ich habe nichts damit zu tun.”

“Ja, ja und ich bin keine Hure!” fuhr sie ihn an, wendete sich dann wieder Dorothee zu, die irritiert über Maxims schnellen Gefühlswechsel zu ihr sah. Ohne ein weiteres Wort an Jack zu verlieren, schnappte sie sich Dorothee und rauschte mit ihr an ihm vorbei.

Was zum...? Das konnte ja nicht wahr sein! Was hatte er denn nun wieder falsch gemacht? Beleidigt folgte er den zwei Frauen. Bald verschwanden sie im Gemenge Tortugas, nur ein Rotschopf blitzte hier und da auf. Er musste unweigerlich an sein erstes Treffen mit Maxime denken, sie war einer der wenigen Huren, die für ihn mehr waren als ein nächtliches Vergnügen, sie war so etwas, wie eine Art enge Freundin, die ihm oft geholfen hatte. Nachdenklich ging er auf ein Gasthaus zu, lange war es her dass er Maxime gesehen hatte. Völlig in Gedanken erreichte er sein Ziel, die etwas feinere Gaststube “zum fliegenden Piraten”. Besoffene stolperten an ihm vorbei aus der Tür und fielen grunzend in den Dreck, wo sie direkt einschliefen. Er rümpfte die Nase, wendete sich von ihnen ab und trat durch die Tür ein. Er betrat einen mit Menschen überfüllten Raum, die Luft war dick und Kerzenlicht erleuchtete die Gaststube. Auf einer leicht erhöhten Erhebung saßen ein paar verlauste Musiker, die beschwingte Musik machten. Suchend sah er über die Köpfe der tanzenden Menge hinweg um einen vertrauten Rotschopf und einen ebenso bekannten Blondschopf zu finden. Ich bin mir sicher, dass Maxime sie hierher gebracht hat! Leicht stellte er sich auf die Zehen und konnte in der hintersten Ecke einen Tisch ausmachen, an dem ein Teil seiner Crew saß und sogar sein erster Maat Gibbs befand sich dort. Flink drängelte sich Jack durch die Menschenmasse und klaute nebenbei einem Gast einen Humpen Rum. Breit grinsend ließ er sich neben Gibbs auf einen Stuhl fallen.

“Na, Captain?” gutgelaunt sah dieser ihn an.

“Wo ist denn unsere Neue?” fragte Marty, der mit am Tisch saß und nach Dorothee Ausschau hielt. Gibbs gute Laune verschwand schlagartig und drohend blickte er Jack an. Wehe ihm Gott, wenn er sie einfach so durch Tortugas dunkle Straßen streifen lässt! dachte er.

“Sie ist von Maxime entführt worden, dabei habe ich sie aus den Augen verloren, da sie beide durch eine Masse von Betrunkenen gelaufen sind. Ich habe mir gedacht, dass Maxime, mit Sicherheit hier bei ihrer Stammkneipe ist, wo sie auch die meisten ihrer Stammkunden hat.” verteidigte sich Jack.

“Verdammt Jack -” fing Gibbs an wurde aber durch einen Tumult in der Menge unterbrochen. Auf die improvisierte Bühne - die Erhebung - war Maxime getreten und schrie lauthals um Ruhe, neben ihr stand eine ziemlich nervös aussehende Dorothee, die sich vollkommen fehl am Platz vorkam.

“Hört mal her! Meine Freundin hier fordert den besten Musiker auf ein kleines Duell zu bestreiten, Wetten sind erwünscht, der Gewinner bekommt den ganzen Einsatz! Na, wer von euch lausigen, besoffenen Schweinen wagt es gegen Dorothee Silver anzutreten?!” angriffslustig sah sie in die Runde. Stille herrschte nun, die Musiker hatten aufgehört ihre Instrumente zu vergewaltigen und starrten auf Dorothee, die sich langsam unwohl in ihrer Haut fühlte. Was hatte sich Maxime nur dabei gedacht? Verzweifelt sah sie sich um und entdeckte in einer Ecke Jack sitzen, seine braunen Augen sahen sie wachsam und ... aufmunternd an. Er lächelte ihr sogar zu. Dieses erste ehrliche Lächeln, was er ihr schenkte, brachte ihr Herz dazu freudig in ihrer Brust zu hüpfen.

“Mal sehen was das halbe Hemd so drauf hat!” brummte ein Mann aus der Menge und kam auf die Bühne. Maxime grinste ihn an. Endlich traute sich einer!

Ist das nicht Martin Solder? schoss es Jack durch den Kopf als er Dorothees Herausforderer sah.

“Jack ist das nicht Martin?” Gibbs beugte sich zu ihm herüber.

“Oh, nicht gut, gar nicht gut!” war Jacks antwort.

Ohne das Dorothee es wusste hatte sie sich mit dem besten Musiker - und Piraten - angelegt, der auf Tortuga hauste, dieser sah sie grimmig an, er war groß und hatte einen dunklen zotteligen Bart, der seine einzige Behaarung in seinem Gesicht war, denn außer dem Bart war er kahl auf dem Kopf. Kalt ohne jegliches Gefühl waren seine blassgrünen Augen, die Dorothee abfällig musterten. In einer harschen Bewegung entriss er einem der hageren Musiker die Gitarre und setzte sich auf einen klapprigen Hocker, auf dem vorher einer der musizierenden Männer gesessen hatte. Geduldig fing er an die Gitarre zu stimmen, in Dorothees Ohren hörte es sich an als würden die Saiten laut aufschreien, sobald einer der dürren Finger Martins über sie strich. Mitleidig verzog sie das Gesicht, wenn er so spielte, wie er stimmte würde die Gitarre bald auseinanderbrechen. In der Gaststube herrschte gespannte Stille. Erst langsam, dann im schneller werdenden Takt fing er an über die Saiten zu streichen. Flink in abgehakten Bewegungen brachte er die Gitarre zum singen. Es war ein bekanntes Piratenlied, was jeder - außer Dorothee - kannte. Im Takt klatschend grölte die Menge mit, als Martin die ersten Töne gespielt hatte war ihr Herz in die Hose gerutscht. Ach du meine Güte! Der ist verdammt gut!

Nach einer Weile erhob ihr Gegner die Stimme:
 

“Verflucht, verdammt, verhasst,

Ja, dass sind wir,

Gemeine, heimtückische Plünderer,

Doch tief in unseren Herzen,

Schlägt der Sinn zur Freiheit.

Die Liebe zur See erhält uns am Leben,

Gleichwie der golden Rum!
 

Wir sind Piraten,

Gehören hier her,

Wie die Luft,

Brauchen wir zum atmen

das Meer!”
 

Dorothee bekam bei der grimmigen Stimme des Mannes eine Gänsehaut, wie sollte sie ihn nur schlagen ohne sich zu blamieren? Doch die vertrauten Töne der Gitarre erfüllten sie mit einer starken Sehnsucht, ihr fehlte die Musik so sehr! Tief in ihrem Herzen entflammte ihre alte Leidenschaft von neuem, brannte sich in jede Zelle ihres Körpers, erfüllte ihren Körper und ihre Seele, das war sie, eine leidenschaftliche Musikerin, die zwar all ihre Lieder vergessen hatte doch in diesem Moment - der ihr so vorkam als würde ein Teil von ihr aus einem tiefen Schlaf erwachen - wollte sie diesem miesen Kerl zeigen was es hieß, richtige Musik zu machen! Entschlossen sah sie Martin in die Augen, dieser wollte sie eigentlich einschüchtern mit seiner grimmigen Haltung, doch das kämpferische Aufblitzen in ihren blauen Seen machte ihn stutzig. Kann es sein das dieses Mädchen -, er stoppte in Gedanken und spielte die letzten Takte des Lieds. Wollen wir doch mal sehen was du spielen wirst, Dorothee Silver!

Die Menge pfiff und johlte, das konnte dieses kleine Fräulein nicht übertreffen, ging es vielen durch den Kopf. Schweigend überreichte Martin Dorothee die Gitarre, wortlos ließ sie sich auch auf den Hocker nieder, schlug die Beine übereinander und fuhr zuerst sanft über die Saiten, ohne ihnen einen Ton zu entlocken. Wie lange ist es wohl her, als ich ein letztes mal mit einer Gitarre gespielt habe, die nicht mal meine eigene ist? Sie musste aufseufzen. Was spiel ich nur?

Erinnerungen an Melodien sickerten durch ihre Seele, doch keine wollte sich verfestigen. Eine Weile saß sie so da, ohne etwas gespielt zu haben, die Menschen fingen an sie auszulachen, langsam machte sich Jack richtige Sorgen um sie, auch Maxime sah zu ihr hin. Ob das so gut war? dachte sie.

Die ersten wollten schon etwas auf die Bühne werfen, Martin fühlte sich bereits siegessicher, als Dorothee schließlich anfing. Langsam in einem angenehmen Takt spielte sie, ihr Blick hob sich über die Menge hinweg, auf einen Punkt im Nichts, wo die tanzende Schönheit auftauchte und sie lächelnd ansah. Zum ersten mal hörte Jack sie richtig singen, im Einklang der sanften Gitarrenklänge. Sie konnte sich endlich an alle Zeilen des Lieds erinnern, freudig sah sie in die gespannten Gesichter der versammelten Menschen, sie fing an zu grinsen als sie ihre Stimme erhob und sang:
 

“Tanze, Gerda, tanze,

tanz die ganze Nacht,

brauchst sie nicht zu fürchten,

wir geben schon drauf acht,

dass nicht die Alten kommen,

tanze, Gerda, tanz.
 

Im Einhorn fängt die Nacht erst an,

da sitzen Melker neben manchen andern,

da steigt die Lotti, wenn sie voll ist, auf den Tisch,

da krachen Stühle,

wenn die Männer viel vom schweren Wein getrunken haben

und klatschen brüllend mit

wenn Lotti sich vergisst.

Da steht der Buckel auf

und sagt, ist Zeit,

die anderen gehen automatisch mit,

sie ziehen geschlossen Arm in Arm

nach draußen auf den Platz,

atmen gierig Wind und ihren Fusel ein

und die Lotti säuselt immer kräftig mit

und sehn auf Gerda.
 

Tanze, Gerda, tanze,

tanz die ganze Nacht,

brauchst sie nicht zu fürchten,

wir geben schon drauf acht,

dass nicht die Alten kommen,

tanze, Gerda, tanz.”
 

Die dunkelhaarige Schönheit drehte sich passend zum Lied immer schneller und schneller, Dorothee sah wie sie sich tänzelnd in Luft auflöste, doch war das Lied noch lange nicht zu Ende! Dorothee spielte schneller.
 

“Jetzt ist Nacht, erst richtig Nacht

und der Marktplatz tobt und kracht

und die Gören an den Fenstern brüllen mit.

Der Buckel sitzt au feinem Fass,

die Lotti hängt an seinem Arm

und beide starren auf die Mitte von dem Platz

wo der Sohn des Melkers tanzt,

in seinen Haaren krallt sich Gerda

und beide jagen aus der Menge jetzt heraus,

sie verschwinden im Dunkel der Nacht

und die Menge singt und lacht

und will wie Gerda.
 

Tanze, Gerda, tanze,

tanz die ganze Nacht,

brauchst sie nicht zu fürchten,

wir geben schon drauf acht,

dass nicht die Alten kommen,

tanze, Gerda, tanz.”
 

Noch ein letztes mal fuhr sie über die rauen Saiten, dann verstummte sie. Es war still im Saal, niemand sagte etwas, alle starrte fassungslos die junge Frau auf der Bühne an, der der Schweiß am Rücken herunter lief. Unsicher sah sie sich um, war sie etwa so schlecht gewesen? Dann, von einer der hintersten Ecken ertönte ein Klatschen und plötzlich als hätte man einen Schalter umgelegt jubelte, pfiff und klatschte jeder im “fliegenden Piraten”. Mit glühenden Wangen strich sie sich verlegen über die Stirn. Sie sah zu der Ecke, wo Jack vorhin noch gesessen hatte, doch war dieser nicht mehr dort. Etwas in ihr fühlte sich verletzt und im stich gelassen.

“Zugabe! Zugabe!” schrieen ein paar Männer. “Genau, meine Liebe!” Maxime kam auf sie zugerannt, begeistert schlug sie ihr auf die Schulter. “Genau eine Zugabe, los Dorothee, bereichere uns mit einer Zugabe!” sie grinste breit als sie das sagte.

“Nun ja, ich weiß nicht -” druckste Dorothee herum. Mit einer Handbewegung wischte Maxime ihren Einspruch fort. “Ach was! Nur ein Lied komm schon!”

Sie gab sich geschlagen und dachte nach, aber erinnern wollte sich ihr Hirn irgendwie nicht. Verzweifelt sah sie in die Menge und erblickte Jack, wie er sich langsam nach Vorne drängelte, dabei wurde seine Pistole entblößt. Der Anblick der Pistole erinnerte sie an eine von Gibbs Gesichten, hatte Jack nicht mit einem einzigen Schuss seinen meuternden ersten Maat Barbossa umgebracht? In ihrem Kopf regte sich endlich ihr Gedächtnis und sie erinnerte sich an ein weiteres Lied. Ihre linke Hand umgriff den Gitarrenhals erneut und ein zweites mal fing sie an zu spielen.

Derzeit hatte sich Jack endlich nach vorne gemogelt und stand nun neben Maxime, die sich wieder von Dorothee entfernt hatte. Sie sah ihn von der Seite her an und erblickte einen seltsamen Ausdruck in seinen Augen, den sie nicht definieren konnte. Jack bekam eine leichte Gänsehaut als Dorothee erneut anfing zu singen, das Lied erinnerte ihn an etwas, nur an was?

Aus Dorothees Mund sprudelten die Wörter heraus und verbanden sich mit den Klängen der Gitarre:
 

“Tell me how you feel

Did the heartache ever heel

Is it leaving you behind

You must remember this

There is nothing left to miss

if you keep it locked inside

Walk in the sunlight tonight,

Pretend that it�s all right tonight

Walk in the sunlight

yeah!

It feels like the shot of a gun

You got knocked down but you

You walk away from it

It feels like the shot of a gun

Remember long ago “
 

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Hallo ihr Lieben, ich möchte hier noch mal erwähnen, dass alle die “der Musiker und der Pirat” lesen mir ruhig ein paar Liedtexte schicken können (mit Link wäre sehr nett), ich werde versuchen die Lieder in die Gesichte einzubauen. Das erste Lied ist von mir erfunden, also nicht wundern wenn es schlecht klingt.
 

Eure Sengo.



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