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Radioman

von

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singing like you were born death

Die Junisonne schien schon richtig sommerlich auf das Pflaster und Taichi konnte sich vorstellen, dass ungefähr die Hälfte seiner Zuhörer inzwischen auf dem Weg ins Schwimmbad war.

Er hatte noch eine halbe Stunde mit seiner Regie die morgige Sendung durchsprechen müssen, aber nun hatte er bis einundzwanzig Uhr erst mal frei.

Oder eher gesagt Zeit, um seinem zweiten Beruf nachzugehen.

Fußball.

Die Trainingstasche über die Schulter geschwungen beschloss er die Strecke bis zum Trainingsplatz zu rennen. Dann war er schon warm und musste nicht übermäßig Zeit mit dem Warm up verbringen.

Die Stöpsel seines Mp3-Players fanden ihren Weg in seine Ohren und eine treibende, klagende Basslinie erklang, wurde unterstützt von dem umbarmherzig schnellen Rhythmus des Schlagzeugs.

Man mochte ihn für einen hoffnungslosen Nostalgiker hatten, aber er schätze sie noch immer, die Musik seiner damaligen Schulband. Sie berührte sein Herz in einer Intensität, wie er bei keiner anderen Band verspürt hatte.

Das gellende Weinen einer E-Gitarre gesellte sich zum Bass, indes Taichi das Ende der Straße erreichte.

Im Rhythmus der Musik küssten seine schwarzen Turnschuhe die heißen Steine.

Taichi war schnell, nicht umsonst war er Profisportler geworden.
 

Ein Lächeln breitete sich über die braungebrannten Wangen des jungen Mannes aus, indes die anklagende und doch fesselnde Stimme des damaligen Sängers einsetzte.

Er sang vom Kampf gegen die Konventionen, damals wie heute.

Taichi wusste nicht, wieso er das tat, aber aus irgendeinem Grund nahm dieser Matt immer die Perspektive eines Außenstehenden ein, war nur Betrachter und nie in die Handlung involviert, von denen seine Songs berichteten.

Im Gegensatz zu den heutigen Aufnahmen klang dieser Yamato Ishida aber sehr viel weicher, zerbrechlicher und natürlich kindlicher.
 

Immerhin war der blonde Sänger zu der Zeit, als dieser Song aufgenommen worden war nicht älter als sechzehn oder siebzehn gewesen.

Er stammt noch aus der Zeit bevor die TeenAgeWolves einen Plattenvertrag hatten.

Aus der Zeit, in der sie nicht mehr waren, als eine kleine Schülerband.

Eine Band unter vielen, die für einen Plattenvertrag ihren Namen hatten verkaufen müssen.

Wolveson hießen sie nun, das klang weniger pubertär, hatte die Plattefirma damals argumentiert.

Taichi wusste das, weil der Schlagzeuger der Band einer enger Freund von ihm war.

Ilja war zur Hälfte Russe und ihm war deswegen ein eher ungewöhnliches Aussehen für einen Japaner angeboren.

Es war reine PR, dass man ihn noch in der Band beließ.

Japanische Mädchen hatten eine Schwäche für den kaukasischen Typ.

Ilja passte ansonsten nicht gut in das Image der Band.

Zu fröhlich.
 

Kurz nachdem Wolveson von ihrer letzen Tournee zurückkamen, hatte sich Ilja bei ihm blicken lassen und geklagt, dass die Band langsam keine Band mehr war.

Früher, hatten Ilja, Matt, Touji und Kiyo gemeinsam die Musik und Texte geschrieben. Manchmal waren es zwar auch Einzelarbeiten, aber meistens entstanden sie im Team.

Nun wollte Matt allein arbeiten. Er hatte sich in seiner Wohnung eingeschlossen und ihnen jeglichen Kontakt untersagt.

Ilja machte sich Sorgen um seinen Bandkollegen. Er war verschlossener denn je, schien keiner Interesse an auch nur einem seiner Mitmenschen zuhaben und schien immer mehr den Zugang zur Realität zu verlieren.
 

Taichi erinnerte sich noch als wäre es gestern daran, wie er den blonden Sänger das erste mal gesehen hatte.

Damals als er, stolz wie Oscar, dass erste Mal die Schule betrat.

Ganz hinten am Fenster hatte ein Junge gesessen, blond, ernst und so zierlich, dass er ihn fast für ein Mädchen gehalten hätte, wäre nicht auf dem marineblauen Baumwollhemd der Schuluniform ein Schild geheftet gewesen.

Auf ihm stand ein Jungenname, Yamato Ishida.

Es war, als wäre eine undurchdringliche Wand zwischen ihm und den anderen Menschen die in freudiger Erregung auf das Eintreffen der Lehrerin warteten.

Als erstes war ihm natürlich sein Aussehen aufgefallen.

Yamatos Blondschopf stach zwischen den ganzen asiatischen, schwarzen Kinderköpfen deutlich heraus.

Davon abgesehen war der Junge damals der einzige gewesen, der kein Zeichen von Aufregung zeigte und bei dem nicht ein Elternteil daneben stand.
 

Taichi hatte gerade einen seiner Kindergartenfreunde mit lautem Hallo begrüßt und besprach mit ihm, dass sie zusammen sitzen wollten, da drehte der blonde Junge den Kopf und für einen Augenblick streifte sein Blick Taichis.

Die Augen waren dunkelblau und so ernst, dass sie eher zu einem Erwachsenen passten, denn zu einem kleinen Jungen.

Irgendetwas an diesen kühlen, desinteressiert dreinblickenden Augen schreckte ihn ab, faszinierte ihn aber zu gleich auch.

Es war wie eine offene Wunde aus der das Blut in Strömen heraus floss.

Obwohl er es eigentlich nicht wollte, weil er die Schmerzen anderer Menschen nicht zu sehen ertrug, wanderte der eigene Blick irgendwie immer wieder dorthin.
 

Tais Füße hatten ihn ohne Weiteres zum Tokiodome getragen, dem großen Stadion in dem die japanische Nationalmannschaft trainierte.

Natürlich spielte er auch in der japanischen Liga mit, aber die Trainingseinheiten mit der Nationalelf, zwei Mal die Woche, waren dem braunhaarigem Wuschelkopf ganz besonders wichtig.

Nicht nur, dass es ihm eine nicht unbedeutende Summe an Geld einbrachte, nein es machte ihm einfach Spaß mit den Besten des Landes zu trainieren, sich ihre Tricks abzuschauen. Gerade ein junger Spieler wie er konnte hier noch eine ganze Menge lernen.
 

Während dem Umziehen wanderten Taichis Gedanken wieder zu jenem Stück, dass er heute Mittag im Radio angekündigt hatte.

Ja, er hatte die treibende Basslinie und das ungezügelte, energetische Schlagzeug erkannt, die typisch für die Musik von Wolveson war.

Aber es war anders gewesen als alle Werke der Band, die er bis jetzt gehört hatte.

Diese Fröhlichkeit sah dem blonden Sänger so gar nicht ähnlich und Taichi kam nicht umhin, sich zufragen, ob dieser vielleicht mit Drogen experimentiert hatte und deswegen nicht hatte gestört werden wollen.

Ilja sagte, er wäre eigentlich zufrieden mit diesem Umschwung, auch wenn es nicht ganz einfach gewesen war, sich umzustellen.

Diese sanfte, positive Energie, die von den Songs ausging war mühsam erarbeitet, immerhin hatten sie über Jahre hinweg düstere Klagelieder und Protestsongs gespielt.

Doch es schickte gleichzeitig neue Energie durch die Band, die sich nun nicht mehr dem alten, melancholischen Trott ausgeliefert sah.
 

„Tai? Bist du beim Umziehen einschlafen?! Du bist doch sonst immer einer der ersten!!“ rief Soichiro, einer ihrer Mittelfeldspieler, und steckte den Kopf in die Umkleide..

„N...nein! ich komme schon!“ sagte Tai hastig, zog sein Trikot über den Kopf und machte, dass er auf den Platz kam.

Einige Zeit später dribbelte er im Schweiße seines Angesichts zum achtundzwanzigsten Mal durch einen Parcours aus neongelben Plastikhütchen um dann den Ball schwungvoll gen Tor zu schicken.

Und zum achtundzwanzigsten Mal an diesem Tage hielt ihr erster Keeper den Ball mit Bravour!

Natürlich war ihm klar, dass dieser Tokito einfach ein klasse Spieler war und er nicht erwarten konnte, dass es leicht war, an ihm einen Ball vorbeizumogeln!

Trotzdem war er ein wenig frustriert.

Über dem Ärger nahm seine Konzentration ab, seine Schüsse wurden ungenauer.

Er merkte, wie der Trainer die Arme vor der Brust verschränkte und ihm einen unzufriedenen Blick schenkte.

Schließlich wussten sie beide, dass Taichi eigentlich besser spielte.

Er wusste selber nicht, was heute mit ihm los war!

Es war als wenn irgendwas in seinem Unterbewusstsein an ihm nagte, etwas was er nicht definieren konnte.
 

„Konzentration, Yagami!! Was ist denn heute mit dir los?!“

Brüllte der Trainer über den Platz, das reichte aus, um ihn aus seiner Lethargie zu reißen.

Wenn er sich in diesem Training auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert hatte, so wollte er wenigstens einen furiosen Schluss hinlegen.

Gleich würde das Training beendet sein, bis dahin musste er zumindest EINEN Ball im Netz versenkt haben!!

Ein letztes Mal durchlief er den Parcours, täuschte in die linke Ecke an, peilte die rechte an und....

Und landete tatsächlich einen Treffer ins linke, obere Eck!

Tokito war auf seinen Trick hereingefallen und in die rechte Ecke gesprungen.

Ein erleichtertes Grinsen breitete sich auf Taichis Gesicht aus, er hatte das Toreschießen also doch noch nicht verlernt.

Auch der Trainer schien wieder besänftigt zu sein und entließ sie wenig später in die Umkleidekabinen.
 

Während Taichi sich umzog, klopfte Tokito ihm anerkennend auf die Schulter.

„Der letzte Schuss war echt gut... Aber du musst an deiner Konzentration arbeiten. Das geht nicht, dass du da so rumkurvst! Wir wissen alle, dass du mehr drauf hast! Es kann nicht sein, dass du dich durch vorübergehende Misserfolge derart verunsichern lässt! Wenn du das nicht in den Griff kriegst, gibt’s Stress!“

Tja, so war er halt, sein Teamcaptain! Direkt, ehrlich und streng, aber immer um das Befinden seiner Mannschaftskollegen bemüht.

Taichi nickte und versprach etwas dagegen zutun.

Damit war Tokito vorerst zufrieden gestellt und ging hinaus.
 

Und kaum schloss sich die Tür, drängte sich der klagende Gesang jenes blonden Jungen wieder in sein Bewusstsein, der ihn damals derart bestürzt und fasziniert hatte.

Automatisch zog er seinen Mp3player aus der Seitentasche seiner Trainingstasche und steckte sich eine Moment lang die Stöpsel in die Ohren, während er sich auszog.

Es war ein etwas neueres Lied, doch auch dieses war beherrscht von Einsamkeit und Melancholie und dem Unverständnis des Sängers für das Weltgeschehen.

Es waren keine Songs, die die Welt erklärten!

Sie zeigten dem aufmerksamen Hörer vielmehr einen Blick auf die Welt, als säße man hinter einer rauchig getönten Scheibe.

Getrieben von einer Mischung aus Abscheu und Sehnsucht wird das Leben der anderen betrachtet.

Sein eigenes Leben beschrieb Matt nie.
 

Nackt stand er im inzwischen leeren Umkleideraum.

Viele seiner Kollegen hatte sich nur schnell umgezogen und gingen zuhause duschen. Sie zogen ihre privaten, luxuriösen Duschen ihrer Wohnungen den zugigen Mannschaftsduschen vor.

Die letzten Akkorde verklangen und Taichi schaltete die Musik ab, ehe er den Player wieder zurück in seine Tasche pfefferte und nach Handtuch und Duschzeug griff.

Leise pfiff er die Melodie des Songs, den er eben gehört hatte, indes er den Waschraum betrat.

Die leicht disharmonisch geordneten Töne wurden von den Fliesen zurückgeworfen, hallten gespenstig im Raum wieder und hüllten den sonst so fröhlichen Taichi in eine wohltuende Melancholie.

Er hängte sein Handtuch an einen Haken und fühlte den flauschigen Frotté zwischen den Fingern.

Immer noch pfeifend stellte er sich unter eine der Brausen und stellte das Wasser an.

„Uaaah!!“

Pech nur, dass es eine von den Duschen war, die nur kaltes Wasser spendeten.

Die nächsten Minuten verbrachte er damit unter den zwölf Duschen eine zu finden, die ihn wenigstens mit lauwarmen Nass benetzte, und fragte sich, warum der Japanische Fußballverband nicht in der Lage war, wenigstens der nationalen Elite funktionierende Duschen zur Verfügung zu stellen.

Nachdem er endlich die Dusche mit Warmwasser gefunden hatte, begann er, sich unter dem schmeichelnden Sprühregen der die Brause verließ räkelnd, sich einzuseifen.
 

Als Taichi eine gute halbe Stunde das Stadion verließ, leuchtete ihm der flammendrote Schopf eines gewissen Schlagzeugers entgegen.

„Hi, Ilja! Was machst du denn hier?!“

Gab er ihm die Hand und schenkte ihm ein besonders breites Grinsen.

Der junge Fußballer war eine Art Seismograph für die Stimmungen der Menschen in seiner Umgebung. Er wusste sofort, wenn einer von ihnen Sorgen hatte.

Und das war bei dem kleinen Halbrussen offensichtlich der Fall.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Elliiy
2006-09-09T12:58:46+00:00 09.09.2006 14:58
yay, ein neues kappi...klingt schon ganz nett, mir gefällt es gut ^^
Von:  Momo_
2006-08-29T14:48:12+00:00 29.08.2006 16:48
Muhaarrr.. Ich finds geil *___*


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