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Nur ein Spiel

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Ein vergessenes Schicksal… Teil 5

Über leuchtende, saftige Gräser, Böschungen hinab, durch verwinkelte Wälder mit knorrigen, sturen Bäumen, über alte Straßen aus Stein bis hin zu reißenden Fluten und glitzernden, salzigen Seen wehten erfrischende Winde durch die Provinzen des majestätischen Landes. Drei Reiter folgten den rufenden Winden, die sie zu neuen Aufgaben und Taten führen sollten. Klänge aus einer anderen Zeit. Rufe magischer Stimmen, die verheißungsvoll den vor ihnen liegenden Weg beschrieben.

Sie waren unterwegs nicht weit entfernt von Hyrules blühender Nordstadt, waren sehr früh aufgebrochen um den Ort ihrer Bestimmung zu erreichen. Denn dort, wenige hylianische Meilen weiter, ruhte, so alt und andächtig wie das Leben selbst, auf heiligem, moosigen Grund eine vergessene Stätte, die an Herrlichkeit und Beschaulichkeit den schönsten Geschöpfen Hyrules in Nichts nachstand.

Die drei Gestalten, jeder auf einem prachtvollen Ross reitend, blickten mit wachen Augen umher, entdeckten inmitten von uralten, hochgewachsenen Bäumen mit dünnen Stämmen und riesigem, regenschirmartigem Blätterdächern ein Gebäude, was vielleicht von göttlicher Hand erschaffen Jahrhunderte überstanden hatte. Über eine tiefe Schlucht führte eine steinerne Brücke zu jenem Palast, der Klein-Links himmelblaue Augen zum Leuchten brachte. An die steinerne Brücke schlossen sich hohe, schmale Säulen an, die teilweise mit Glas geschmückt waren. Selbst das Pflastergestein war mit festem, pastellfarbenem Kristall durchwachsen. Und wenn man weiterblickte, neugierige Augen die Verzauberung von jenem Ort noch weiter einfingen, so entdeckte man ein rundes Gebäude aus farbigem, dunklem, aber auch durchsichtigen Glas, das von den eigenartigen, dünnstämmigen Bäumen und ihren gewaltigen Blätterdächern geschützt und beinah verborgen wurde. Das Licht spiegelte sich in dem Gestein. Licht und Schatten tanzten auf geheimnisvollen Wegen über das in vielen Farben erstrahlende, robuste Glasbauwerk. Der gläserne Tempel, nicht besonders groß, lud die Reisenden ein und würde den Zielort des jungen Heroen in die Welt der Unsterblichen und Götter darstellen. Seine saphirblauen Augen funkelten, als er sich diesen magischen Ort in sein Gedächtnis einprägte…
 

„Wo sind wir?“, murmelte der Junge erstaunt und ritt geschwind über die tiefe Schlucht.

„Das ist der Glaspalast, ein Ort, an dem Auserwählte einen Zugang zu dem Volk der vergessenen Götter Hyrules finden können“, erklärte Zeruda, die dicht hinter Klein-Link mit ihrem treuen Ross anschloss. Sie trug eine dunkle Rüstung mit schwarz bemaltem Stahl. Ein rostroter Lederrock bedeckte ihre mit metallenen Beinschonern geschützten Beine bis zu den Knien. Und ein weißer Umhang fiel elegant an ihrem Rücken hinab. Durch das Kämpferkostüm, ihre langen pechschwarzen Haare und die leuchtend grünen Augen war die Prinzessin einmal mehr nicht wiederzuerkennen. Sie schien ihren dritten Mitstreiter, den verborgenen Rinku, mit keinem Blick zu würdigen. Der scheinbare Monarch Harkenia ritt schweigsam hinter ihnen her und schien ohnehin eher widerwillig mitgekommen zu sein. Seine dunkelblauen Augen waren ständig zu Boden gerichtet. Seine Mimik eiskalt und niedergeschlagen. Teilnahmslos galoppierte er auf einem königlichen Schimmel an den anderen beiden vorbei, sprang von seinem Pferd und band jenes an einem der uralten Bäume fest. Seufzend nahm er auf einem Baumstamm Platz und schien Zeruda und das Götterkind nicht weiter begleiten zu wollen.
 

„Es gibt eine Pforte am Glaspalast. Hier kann ich den Zugang zu den Unsterblichen für dich öffnen. Mehr kann ich nicht für dich tun“, erklärte die Prinzessin streng. Sie sprang ebenfalls von ihrem Pferd. Ihr dunkles, gewelltes Haar flatterte im Wind und der weiße Umhang fiel geschwind zurück. Sie wischte sich einige Strähnen ihres dunklen Haares aus dem Gesicht. „Harkenia… nein Rinku, wird gemeinsam mit mir hier draußen auf dich warten“, murmelte sie ungerührt vor sich hin. Sie scheute sich ihrem einstigen Heroen ins Gesicht zu blicken.

„Geh‘ und blicke nicht zurück!“ Und einmal mehr erteilte diese Adlige ihre Befehle. Anmutig schritt sie vorwärts. Die Waffen an ihrem Körper klapperten. Graziös baute sie sich vor der milchig glasigen Eingangspforte auf. Das alte Wappen von Hyrules Königsfamilie war auf dem Glas eingraviert. Es leuchtete in einem blendenden, strahlenden Weiß auf, als Zeruda näher trat. Und das sonst so robuste, verzauberte Glas wich wie von Geisterhand und zurückblieb ein dünner Schleier, durch den man leicht hindurch treten konnte.

„Durchquerst du diese Pforte, bist du völlig auf dich alleine gestellt. Erfülle die Prüfungen mit Bedacht, erst dann wird sich dir ein neuer Weg öffnen. Und sei tapfer, auch wenn dir einer der Unsterblichen begegnen sollte…“
 

Klein-Link blickte tatsächlich nicht zurück und trat mutig und mit gezücktem Schwert vorwärts. Bei all den offenen Fragen seiner Existenz und bei all den verwirrenden Ereignissen der letzten Tage, stand eine Sache für ihn immer mehr fest. Er musste diese Mission irgendwie bewältigen und die Aufgaben lösen, die daran geknüpft waren. Ohne diese Aufgaben und die vielleicht auch düsteren Gefühle in deren Verlauf, würde er niemals ein vollwertiger Hylianer werden und wäre ohne dies alles vielleicht nicht würdig, der Sohn von Link und Zelda zu sein…
 

Als er die Pforte durchquert hatte, konnte man sein Antlitz von außerhalb nicht entdecken, und das, obwohl der Tempel doch aus Glas bestand, und neugierige Augen versuchen könnten in den Innenraum zu blicken. Zeruda vermutete, dass der Tempel diese und eine andere Realität bereits am Eingang trennte. Und sie wusste, dass es Realitäten gab, die Klein-Link nicht so einfach durchqueren konnte. Es würde Welten geben, die er mit seinem mutigen Herzen erst retten und aufbauen musste, ehe er dort seine Mission vervollständigen konnte…
 

Nostalgisch blickte die erste Prinzessin der Hylianer von den Lichtspielen und dem Funkeln der Kristalle jenes Bauwerkes hinauf an das Himmelszelt. Die weißen Strähnen Wolkensubstanz, durchzogen von blauen Farbbändern, wurden aufgewirbelt von den rufenden Winden jenes Zeitalters… und der nächste Sturm, der Hyrule erreichen würde, ließ nicht lange auf sich warten.
 

Gerade da trat der verschleierte Rinku sachte durch das Gras und über die mit Kristallen gepflasterte Straße zu Zeruda hinüber. Sie neigte ihren Kopf seitwärts, spürend, dass er sich näherte. Sie strich sich durch das lange dunkle Haar und schloss ihre Augen, als er seine Hände auf ihre Schultern legte.

„Habt Ihr es dem Weltenwanderer bereits berichtet?“, fragte er leise, bemüht sein Gesicht vor der Prinzessin zu wahren, und nicht danach zu fragen, wie es ihr im Augenblick ging. Er wusste doch, dass sie litt, er wollte sie nicht noch mehr belasten als bisher.

„Nein“, sprach sie leise, legte eine Hand ebenfalls auf ihre Schulter, sodass sie seine linke Hand streicheln konnte. Dann wand sie sich zu ihm, verschränkte die Arme und blickte an ihm vorüber.

„Alles zu seiner Zeit… Ich habe ihm bereits genügend grausame Dinge berichtet, mehr kann sein Herz jetzt nicht aufnehmen. Und vielleicht können wir ihm Harm und Unsicherheit ersparen, wenn wir ihm gewisse Dinge nicht erklären“, entgegnete sie.

Doch Rinku widersprach: „Zeruda, wir müssen ihn darauf vorbereiten. Es wird ihn zerbrechen, wenn er sich nicht vorher damit auseinandersetzen kann. Er muss sich für seine Zukunft opfern!“

„Denkt Ihr, das macht irgendetwas für ihn einfacher?“, murrte sie stur und trat zu ihrem Pferd und streichelte dessen silbern schillernde Mähne. Sie war etwas aufgebracht, dass Rinku danach fragte. Er sollte sich lieber seiner Selbst schämen, anstatt zu entscheiden, was dem Götterkind gut tat und was nicht.

„Lasst nicht andere für meine Fehler büßen, Zeruda…“, murmelte er schließlich, worauf die Prinzessin von ihrem Pferd abließ, die Augen schloss und die Fäuste ballte. Dieser Satz sagte wahrlich genug. Sie lachte gekünstelt, als sie sich umdrehte, und schüttelte ihren hübschen Schädel. „Ihr seid wahrlich nicht mehr der Heroe, den ich kannte. Rinku hätte niemals gemutmaßt in derartigen wichtigen Entscheidungen diese Rolle einzunehmen. Ihr glaubt tatsächlich, ich wäre verblendet vor Liebeskummer und Herzschmerz und würde mit meiner Verbitterung verwirrte Vorhersagen machen…“

Er seufzte schwach und blickte betreten zu Boden. „Ist dem so?“, meinte er.

Zerudas wahre Gestalt kam für wenige Augenblicke zum Vorschein, vielleicht weil sie ihre Gefühle nicht unter Kontrolle hatte. Und Rinku hatte damit etwas herausgefordert.

„Wenn Ihr Eure Magie nicht kontrollieren könnt, Ihr Eure Gefühle nicht im Griff habt, wie wollt Ihr entscheiden, was für den Jungen am besten ist“, sprach der Heroe klar und entschieden. Mit einem ernsten Blick trat er näher, etwas einschüchternd und ohne jeglichen Hauch von Zweifel. Er kannte Zeruda nun mal… und er wusste, was mit ihr los war.

„Ihr seid ebenfalls nicht mehr dieselbe. Gönnt Eurem Herzen die Ruhe und die Gefühle, die es braucht. Bitte, Zeruda, ich nehme die Schuld für das, was geschehen ist auf mich, aber bitte, lasst nicht Unbeteiligte dafür büßen.“

Sie schloss ihre Augen um sich die salzigen, brennenden Tränen auf diese Worte zu verkneifen. Und sie zitterte bei dem Versuch ihre Kriegerinnenmaskerade wieder aufzubauen.

„Geht“, war das letzte Wort aus ihrem Mund. Und es war das einzige, was sie von ihm verlangen konnte. Er nickte fahl, aber wissend, dass sie die Auseinandersetzung mit ihm nicht länger ertrug. Er wusste nicht, welche Entscheidungen gefällt werden mussten. Er wusste nicht, welchen Weg das Schicksal für das Götterkind geplant hatte. Vielleicht, so hoffte er, wendete sich für den Jungen, auch wenn Zeruda seinen Pfad noch entscheidend beeinflussen würde, alles zum Guten. Trübsinnig sprang Rinku auf sein Ross, entfernte sich und ritt so geschwind, dass Zeruda nicht die Gelegenheit hatte ihm nachzublicken…
 

Währenddessen öffnete der Junge, der keinem Gedanken an eine vielleicht grausame Zukunft verschwendete, seine himmelblauen, glänzenden Augen. Er stand auf seinen schmalen, untrainierten Beinen in einer Finsternis, die jegliches Licht verschluckte. Er hielt noch immer tapfer und sich verteidigend das Schwert in der Linken. Seine Atmung ging ein wenig schneller. Auf seiner braungebrannten Stirn tanzten Schweißperlen. Er wusste nur, dass er durch die Pforte des Glaspalastes getreten war, aber dann hatte sich sein Bewusstsein aus irgendeinem Grund abgeschaltet. Bemüht ruhig zu bleiben, versuchte er sich zu orientieren, etwas zu sehen, aber seine Augen brannten bitterlich bei dem Versuch. War dies seine erste Prüfung?
 

Etwas unsicher, aber hoffnungsvoll, trat er einen Schritt vorwärts, spürte sogleich, dass nach dem Plateau, auf dem er stand, kein fester Boden mehr folgte. Er brüllte und kreischte bei dem Vorhaben sein Gleichgewicht wieder zu fangen, hing dann in jener Finsternis an der Kante und zog sich mit Leibeskräften und einem ersten Schockgefühl zurück auf festen Boden. Keuchend saß er nun da, hatte Angst vor jeder Bewegung, die er machte. Er wusste ja schließlich nicht, wie tief der Abgrund vor ihm war.

,Wie unsinnig‘, dachte er. Vor wenigen Wochen hätte so ein Abgrund ihm keinerlei Probleme bereitet. Er hätte sich einfach tragen lassen, hätte mit den Fähigkeiten gespielt, die er damals von den Göttern bekommen hatte. Es nervte ihn etwas, dass er diese Fähigkeiten verloren hatte oder vielleicht erst wieder lernen musste.

,Okay‘, dachte er sich. Er musste sich irgendetwas einfallen lassen und versuchte zunächst in der gebückten Haltung mit seinen Händen seine Umgebung zu ertasten. Bemüht ruhig zu bleiben, wanderten seine Hände von dem scharfkantigen Gestein weiter über den Abgrund, griffen soweit in den scheinbar luftleeren Raum wie es nur ging, bis sie an etwas stießen. Es fühlte sich irgendwie weich an, fast wie Stoff und irgendwie… lebendig. Klein-Link grunzte etwas, fühlte dann so etwas wie Stahl, eine beinah glatte Oberfläche mit leichten Einbuchtungen.
 

„Bist du endlich fertig damit?“, raunte dann eine beherrschte, erschreckend tiefe, beinah hohl klingende Stimme, die den Jungen so sehr aus dem Konzept brachte, dass er hintenüber fiel. Er wich tölpelhaft weiter und purzelte dann ein weiteres Mal über die Kante, wurde aber im selben Augenblick von einer unglaublich starken und kalten Hand an seinem Oberarm gepackt und saß wieder auf dem Plateau.
 

Gerade da wurde der geheimnisvolle Raum von mehreren Fackeln an den Wänden erhellt und der Junge staunte nicht schlecht, dass er vor sich ein paar muskelbepackte Beine in einer schwarzen Strumpfhose hatte und Beinschoner aus mit hellblauer Farbe bemaltem Stahl. Mit aufgerissenen Augen schielte er nach oben, bewunderte eine helle, fast weiße Tunika und eine sicherlich schwere, blankpolierte Rüstung an einem erwachsenen Mann. Ein goldener Mond und ein goldenes Dreieck waren auf je einer Brusthälfte der silbergrauen Stahlrüstung aufgemalt. Das Götterkind zwinkerte aufgeregt, als er sich das Gesicht seines Gegenübers betrachtete und hatte das Gefühl, sein Herz wollte dabei stehen bleiben. In einem blassen, fast weißen, mit roten und blauen Narben übersätem Gesicht mit scharfen Zügen, hohen Wangenknochen hingen helle, dünne Haarsträhnen. Ein gefasster, eisiger Blick aus Augen, weiß wie Schnee, in denen kein Leben stand, prallte ihm entgegen. Und das, was ihn an jenem Mann noch mehr erschreckte, war eine lange hellblaue, fast weiße Zipfelmütze auf dem Kopf und dass jener Mann mit Leichtigkeit in der Luft schwebte.
 

„Eindringling, der es wagt, den Weg in unser Reich zu passieren. Was willst du hier?“, ertönte es von Seiten der Gestalt, die ihre weißen Augen mitleidlos und bedrohlich auf den Jungen hinab sinken ließ. Klein-Link hatte noch nie eine so tiefe Stimme gehört und irgendwie beschlich ihn das Gefühl, das jede Antwort, die er über seine Lippen brachte, die falsche wäre. Nervös blickte er sich um und realisierte, dass er bei einem unbedachten Schritt tatsächlich in eine unendlich scheinende Tiefe gestürzt wäre. Das riesige teilweise gläserne Höhlengewölbe vor seinen himmelblauen Augen konnte er nur über Pfähle mit kleiner Fläche, wo gerade mal ein Fuß Platz fand, überqueren. Und zum Passieren des Abgrundes würde der Junge an die dreißig Stück der Holzpfeiler überwinden müssen, ehe er auf einem weiteren, sicheren Plateau einen Ausgang fand.
 

„Was willst du hier?“, grunzte es markerschütternd. Es reichte der einfrierende Klang jener Stimme, dass Herzen bluteten. Allein diese Stimme wirkte auf den blonden Jungen so einschüchternd, dass ihm die Worte in der Kehle stecken blieben.

„Antworte!“, raunte es noch einmal mit genau dem gleichen grausamen Ton.

Aber einmal mehr schluckte das Götterkind und spürte seine Kehle sich zuschnüren.
 

Sein Gegenüber missbilligte jenes Verhalten und empfand es als mager und töricht. Denn ohne Barmherzigkeit packte er den Jungen am Kragen und hob ihn in die Luft als wäre er eine leichte Stoffpuppe. Klein-Link brüllte nun endlich und zappelte wie wildgeworden. Der Zugriff dieses scheinbaren Untoten schmerzte höllisch. Gerade da bemerkte die Gestalt das heilige Medaillon um den Hals des Jünglings, worauf er ihn wieder los ließ.

„Soso… du forderst Eintritt in unser Reich der Unsterblichen als einer der Helden Hyrules“, sprach der Mann, grunzte mittlerweile gehässig, stützte sich auf ein riesiges Schwert, welches zwei ineinander verschlungene Klingen besaß. Er lachte mit seiner tiefen Stimme so laut, dass Gestein bröselte. Das Gelächter mit jener wahnsinnigen, kalten Stimme war noch schlimmer als der Blick in jene nebulösen, verachtenden Augen.
 

Das Götterkind hockte nur verängstigt auf dem Plateau und hatte den Wunsch weinen zu wollen. Was immer dieser Kerl von ihm wollte, er war ihm vielleicht nicht wohlgesonnen. Er konnte zwar einen riesigen Wurm niederringen, aber wie sollte er gegen einen Unsterblichen im Kampf bestehen. Einen Kämpfer, der sicherlich mehr Macht besaß, als viele Heroen zusammen? Und vielleicht war das, was Klein-Link gleich tun würde noch törichter als seine Unfähigkeit sich gegenüber diesem Mann mit Worten zu behaupten. Zitternd zog der Jüngling sein Schwert und hielt es bemüht tapfer zu sein vor sich. Doch diese Handlung animierte den Unsterblichen sich noch mehr zu amüsieren. Er steckte sein Schwert zurück in dessen riesig wirkende Schwertscheide und lachte kollernd.

„Du bescherst mir damit den besten Brüller seit Jahrhunderten“, scherzte der Unsterbliche. „Ich kenne keinen, der es wagt, sich mir entgegenzustellen.“ Und der Mann wischte sich etwas eitel und narzisstisch sein weißes Haar aus dem Gesicht. Nicht eine Miene verzog sich in seinem blassen Gesicht.

„Das ist kein Scherz, wenn es sein muss, trete ich gegen dich an!“, murrte das Götterkind und umfasste das Schwert noch energischer, sodass das Lederheft knirschte.

„Du bist so lächerlich übermütig, dass ich dich kaum ernst nehmen kann“, murrte die Gestalt und ließ die Schultern kurbeln. „Wie lange glaubst du, würdest du durchhalten, bis ich dir die Kehle durchgeschnitten, deine Glieder von deinem restlichen Körper getrennt und deine Seele gefoltert hätte?“

Klein-Link schluckte und kniff verzweifelt seine himmelblauen Augen zusammen. Wie sollte er aus dieser Situation denn noch entkommen? Dieser Mann ihm gegenüber schien es ernst zu meinen, oder nicht?
 

Der Junge hatte seine Augen nur für Sekunden geschlossen und doch war der Fremdling in diesen wenigen Augenblicken aus seinem Gesichtsfeld verschwunden. Klein-Link wollte seinen Schädel gerade nach hinten drehen, als er eine feste Hand auf seiner Schulter spürte. Er wusste nicht, was diese Hand bewirkte, aber er konnte sich nicht einmal mehr rühren.

„Es wären keine drei Sekunden, und nicht einmal ein Hieb deines Schwertes, bevor ich dich mit einer einzigen Berührung getötet hätte“, zischte diese tiefe Stimme hinter ihm. „Du bist erbärmlich schwach, so wie Menschen immer sind. Was erlaubst du dir hier einzutreten und es zu wagen mich herauszufordern?“

Klein-Link trat der Schweiß auf die Stirn bei dem Versuch sich ein paar Millimeter zu bewegen, aber der Bann dieses Unsterblichen war einfach zu stark.

„Oh ja… es ist unglaublich erheiternd für einen wie mich zu sehen, dass sich ein Held Hyrules wagt diese Gefilde zu betreten. Wenn du einer der Heroen bist, was suchst du hier!?“ Er fauchte und es wirkte, als verlor jene Gestalt endgültig die Lust sich mit einem für seine Begriffe unreifen Menschenkind zu unterhalten.

„Antworte, Bengel!“
 

Klein-Link kniff verzweifelt seine Augen zusammen, biss sich auf die Lippe und kämpfte mit kleineren Bewegungen immer weiter gegen den Bann jenes Dämons, der mit ihm spielte. Und es war dann, dass er zur Überraschung seines Angreifers die Fäuste ballen konnte. Als Klein-Link endlich brüllte, so laut brüllte wie noch nie in seinem Leben, riss der Faden, das Medaillon glühte in grünen Farben auf und teleportierte ihn über die Schlucht auf das weit entfernte weitere Plateau.
 

„Sieh‘ einer an. Es scheint, als könntest du nur mit einer ordentlichen Portion Druck und Todesangst göttliche Fähigkeiten nutzen. Du bist ein erbärmlicher Wurm, der für den Wunsch nach Menschlichkeit die göttlichen Essenzen in sich verdrängt hat.“
 

Der Junge sackte auf seine Knie und staunte nicht schlecht. Was, bei Farore, hatte er gerade getan? Das Gefasel dieses Unsterblichen interessierte ihn im Augenblick weniger. Wirklich wichtig war die Tatsache, dass er durchaus in der Lage war irgendwelche Fähigkeiten einzusetzen. Wenn dem so war, dann würde er vor diesem Monster auch fliehen können!
 

„Soso, du glaubst, du solltest vor mir weglaufen?“, sprach der Mann frostig. „Weglaufen kannst du gut, was?“ Herausgefordert drehte Klein-Link seinen Schädel in die Richtung seines Angreifers, und musterte diesen fahl.

„Was soll das heißen?“, rief er. „Du kennst mich nicht, das einzige, was du kannst, ist mir drohen und mich beleidigen!“ Unbeeindruckt schwebte die Gestalt näher und trat zu dem Götterkind auf das Plateau. „Es hat ja lange gebraucht, ehe du deinen Mann stehst und dich teleportierst. Ich frage mich, ob sich einige der Unsterblichen in dir getäuscht haben. Ich sehe keinen Helden vor mir, ich sehe ein ängstliches, dummes Kind.“ Irritiert blickte Klein-Link auf. „Einige Unsterbliche beobachten mich?“

„Tja... sieh‘ es wie du willst.“ Und dann packte der Mann ihn mit einer sehr unsanften Art und Weise an seinem linken Arm. Klein-Link brüllte unter dem Zugriff und begann um sich zu schlagen. Aber das beeindruckte den Unsterblichen nicht im Geringsten. Hastig rupfte er den weißen Ärmel nach oben und schien die kindliche Haut seines Unterarmes zu mustern. Das Götterkind blinzelte, sah von der verstörten Miene des scheinbaren Dämons zu seinem linken Arm und erschrak ein wenig. Sein gesamter Arm war übersät mit nagelkopfgroßen, blauen Flecken. Erst als der Mann mit seinen Fingerspitzen darüber fuhr, spürte der Junge einen fiesen Schmerz.
 

„Was ist das?“, brüllte er angewidert, riss sich aus dem Zugriff und ekelte sich vor seiner eigenen Haut. Aber der Dämon verzog nicht eine Miene in seinem blassen Gesicht. Auch seine weißen Augen zeigten keine Regung. Kühl entgegnete er: „Du solltest besser aufpassen, mit wem du tanzt.“

„Mit wem ich tanze?“

„Mein Name ist Itrey Defice“, entgegnete der Mann abtuend, packte den Jungen an seinem anderen Arm und schleifte ihn hinter sich her. „Der Glaspalast ist der Zugang zum Reich im Nebel. Du hast jenen passiert, aber das Ufer der Gefallenen wirst du ohne mich nicht erreichen können. Ich werde dich über das Nebelgewand bringen, dass du deine Freundin finden kannst. Das bedeutet nicht, dass ich dich an diesem Ort dulde. Du wirst drei Aufgaben lösen müssen!“ Klein-Link war angesichts der letzten Ereignisse ein wenig durcheinander, fragte sich, ob er diesem Mann tatsächlich trauen sollte. Aber hatte er denn eine Wahl?
 

Es dauerte nicht lange und sie saßen beide in einem einfachen Boot, das sich von selbst durch eine dicke Suppe Nebel steuerte. Mehr konnte der Junge von hier aus nicht erblicken. Er fragte sich, ob der Nebel etwas vor seinen Augen versteckte, oder ob in diesem Nebellabyrinth tatsächlich nichts vorhanden war. Dann begutachtete er seinen Arm und wusste nicht, was er von diesen Flecken halten sollte. Sie waren ihm doch gestern noch nicht aufgefallen…
 

„Bist du endlich fertig, deine schwächliche Menschenhaut zu bewundern?“, riss der Mann ihn aus den Gedanken. Beinah gelassen, aber mit weiterhin bleicher, todernster Miene saß der Unsterbliche dem Jungen gegenüber. Allmählich machte ihn die Art und Weise, wie dieser Kerl ihn zurechtstutzte ärgerlich. Es war ja schön und gut, dass dieser Narzisst ihn über diese Nebelsuppe bringen würde, aber musste er sich deshalb mit ihm unterhalten?

„Ich habe keine schwächliche Menschenhaut, meine sieht wenigstens noch wie Haut aus nicht wie deine verkalkte“, murrte Klein-Link und versuchte seine Feigheit vor diesem Kerl zu verbergen. Daraufhin entspannten sich die Gesichtsmuskeln des Mannes, ihn kümmerte Klein-Links Gehässigkeit nicht und er knackte einmal mehr mit seinen Schultern. Er zog sein Schwert und streichelte dieses. Etwas dümmlich dreinblickend und äußerst irritiert sah der Junge dem komischen Verhalten des Mannes zu. Es würde ihn nicht wundern, wenn er sein Schwert schärfte, oder damit kämpfte, aber dass er jenes so innig liebte, dass er es streichelte, fand der Junge verrückt.
 

„Kannst du mir sagen, woher ich diese Punkte auf der Haut habe?“

Und der Mann knackte wieder mit seinen Schultern, als er diese kurbelte. „Das könnte ich“, erwiderte er tonlos. „Aber erstens habe ich keine Lust dir das zu erklären, und zweitens wirst du es ohnehin irgendwann herausfinden.“

„Was ich überhaupt gefragt habe“, grummelte der Junge und blickte verstört zu, wie aus den abgenutzten Fingerkuppen des Unsterblichen ein weißes Licht sprudelte und in den lilafarbenen Stahl des Schwertes überging.

„Ich sage dir nur das eine. Diese Flecken sind keine harmlose Geschichte. Und du kannst froh sein, dass etwas in dir verborgen ist, das dich schützt. Es gibt meines Wissens nach drei Leute, die ein reges Interesse an dir haben. Und nur eine von diesen dreien ist dir wohl gesonnen. “
 

Klein-Link wäre auf diese Aussage beinah aus dem Boot geplumpst. „Drei Leute? Meinst du damit einerseits Mineranth, den riesigen Kerl, der Lia in der vorigen Mission beinah getötet hätte?“

Der Mann streichelte wieder seine Klinge und nickte wortlos. Das Götterkind aber versuchte aus dem Ganzen schlau zu werden. Drei Leute? Er war nur Mineranth begegnet, der etwas von ihm verlangt hatte, der ihn sogar auf seine Seite ziehen wollte. Wer war da denn noch? War Navi eine von den dreien?

„Was ist mit Navi?“

„Navi ist nur eine alte Fee in einem kindlichen Körper, die sich allmählich mit ihrer letzten Aufgabe auseinandersetzen muss. Sie führt ein Leben, das ihr die Götter nicht erlaubt haben. Und die Götter dulden ihre Anwesenheit in diesen Gefilden nicht. Sie hat nichts mit den dreien zu tun, die dich auf ihre Seite ziehen wollen.“ Klein-Link zwinkerte mit seinen himmelblauen Augen und fragte sich, was dies bedeuten mochte.

„Bei Farore, warum ist das alles so kompliziert…“, murmelte der Junge und lehnte sich etwas zurück.

„Es wird noch wesentlich komplizierter“, erklärte Itrey Defice. Genervt legte das Götterkind sein Gesicht auf die Arme und schielte müde zu seinem Gegenüber.

„Es gibt einige Ereignisse während deiner bisherigen Weltenreisen, die dich veränderten. Es steckt noch ein Gift in dir, was erst in einer anderen Welt neutralisiert werden kann. Und es wird Welten geben, in denen du alleine bist. Deine Fähigkeiten sind weg, weil du mit dieser Mission Menschlichkeit gewählt hast, aber auch weil du ängstlich und unsicher geworden ist…“, sprach der Unsterbliche mit seiner tiefen Stimme und wischte sich sein dürres Haar von der Stirn. Diese Worte machten den jungen Kämpfer nachdenklich. Er hatte seine Fähigkeiten verloren, weil er unsicher und ängstlich geworden war? Hieß das, dass er viele Dinge nicht beherrschte, weil er ein Feigling war, oder er sein Selbstvertrauen verloren hatte?
 

Seine schweren Gedanken führten ihn zurück zu seinen Anfängen, zu jenen Tagen, als er seine Augen geöffnet hatte, als er sein Bewusstsein entdeckte. Und es war vielleicht das erste Mal, dass der Junge darüber so gebannt nachdachte. Er erzählte, als sich seine Augen schlossen: „Früher, als ich noch nicht diesen Wunsch nach einem Heim oder nach Eltern in mir trug, damals genoss ich es einfach nur zu spielen, zu schweben, ich habe alles intuitiv angepackt und vieles ist deswegen ganz gelassen abgelaufen. Es war fast so, als würde mir alles zufliegen, als besaß ich Wissen und Tapferkeit, als wäre alles ganz berechenbar gewesen. Das war bis zu dem Zeitpunkt, dass ich die beiden schönsten Seelen Hyrules kennenlernte.“ Er hatte Zelda und Link auf der Erde oft beobachtet, manchmal hatte er der liebreizenden Prinzessin eine weiße Blume geschenkt. Und er konnte auch Link zuschauen und beeinflussen. Als sich die Fäden des Schicksals zusammenzogen, spürte er, dass sich auch in seinem Innenleben etwas veränderte oder verschwand. Er wollte damals alles austesten, um sich menschlich zu fühlen. Er hatte sogar Ganondorf in der alten Kirche besucht. Nun aber, seit er diese Mission gewählt hatte und ihm seine Fähigkeiten verlustig gegangen waren, hatte er das Gefühl, diese Mission wurde ihm zu viel. Manchmal wusste er nicht mehr, wer er war. Manchmal fragte er sich, ob er schwächlich und feige war. Und manchmal dachte er, etwas stimmte nicht mit ihm. Er fühlte sich oftmals wie ein dummes Kind, andererseits hatte er das Gefühl, dass er nichts mit anderen Kindern gemein hatte…
 

„Ich will mich nicht beschweren, aber es ist einfach verdammt hart…“, sprach er mit seiner hohen Kinderstimme. Es war hart, wenn man kein Gott mehr war, und sich alles erarbeiten und erkämpfen musste und auf die Hilfe anderer angewiesen war… Seine Gelassenheit, seine frechen Züge und sein großes Mundwerk, das er hatte, schienen mit seinem Selbstbewusstsein untergegangen zu sein.

„Alle erwarten so viel von mir… Manchmal weiß ich einfach nicht mehr, wer ich bin. Ich bin mir ja nicht einmal sicher, ob ich das überhaupt jemals wusste.“ Etwas erschrocken sah der Junge dann auf und biss sich auf die Lippe. Warum hatte er diesem unsympathischen Mann jetzt eigentlich seine ganze Lebensgeschichte erzählt?
 

Itrey Defice schien von den Worten des Bengels unbeeindruckt und erhob sich lediglich. Er führte seine schwere Klinge zurück in dessen Umhüllung, als plötzlich das Boot mit einem Knacken auf festen Grund stieß. „Wir sind am Ufer der Vergessenen. Ab hier wirst du alleine gehen. Drei Prüfungen erwarten dich und dann sollst du deine Freundin finden“, sprach der Kerl frostig, aber kniete nieder, sodass er dem einstigen Kind der Götter genau in seine himmelblauen Augen schauen konnte. Und dort in den tiefen, weißen Seelenspiegeln, erhob sich ein kleines Flackern, vielleicht ein beruhigendes und tröstendes Licht eines Mannes, der sehr wohl wusste, was es hieß ein Held zu sein.

„Vielleicht bist du noch ein ängstliches, dummes Kind. Aber du hast keine Wahl, als dich deinen Schwächen zu stellen und der Held zu werden, den andere in dir sehen. Lass‘ Zweifel nicht siegen“, meinte der Mann und seine Stimme klang nach wie vor ruppig und gefühllos.

„Ich weiß nicht, wie ich gegen diese Zweifel ankämpfen soll…“, murmelte er.

„Dabei wird dir jemand helfen… du brauchst nur noch etwas Geduld…“ Damit erhob er sich und deutete auf den noch in Nebel gehüllten Pfad, der vor dem Jungen lag. „Blicke auf den Boden. Eine Markierung wird dir durch die Nebelschwaden helfen. Dann erwarten dich deine Prüfungen.“

„Werde ich Euch wiedersehen?“, sprach Klein-Link und versuchte vor diesem muskelbepackten, starken Mann nicht einzuknicken. Er haderte damit, diesen Kerl, so unfreundlich er auch gewesen sein mag, darum zu bitten, ihn ein weiteres Stück zu begleiten. Hinter dieser eisigen Maskerade schien ein rechtschaffener, guter Mann zu stecken.

„Hier nicht, da dein Rückweg ein Leichterer sein wird. Aber ich warte auf dich in einer anderen Welt“, entgegnete er. Er schnipste mit den Fingern und löste sich vor den Augen des Jungen im Nichts auf. Klein-Link seufzte. ,Na prima‘, dachte er. Diese Mission wurde immer verrückter und seine scheinbaren Mitstreiter immer unheimlicher…



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