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Dunkle Nächte

Wenn das Schicksal zuschlägt...
von

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Ein verlockendes Desaster

Kapitel 44

Ein verlockendes Desaster
 

Es war ein breites Grinsen, welches auf den leicht roten Wangen Joeys lag. Er hatte ebenfalls die Fahrstuhltür gehört und er freute sich sehr darüber, dass nun seine Freundin Yuriko wieder hier sein würde. „Ja, ich bin schon einmalig auf dieser Welt. Es freut mich, dass dir das auch endlich aufgefallen ist.“ Neckte nun der Blonde und sah die elegante Augenbraue wieder in die Höhe wandern. „Ja, ich denke, die ganze Welt setzt darauf, dass du einmalig bist. Sonst müssten wir zwei von deiner Sorte ertragen.“ Gab Seto in einem kühlen Ton von sich, im Augenwinkel die Sekretärin bemerkend, die nun zu ihnen gestoßen war. „Ohayōgozaimasu Kaiba-sama.“ Kam von ihr und sie verbeugte sich zur Begrüßung, bevor sie die Tasche abstellte. „Ohayōgozaimasu .“ Kam mit einem nur leichten Nicken von dem Firmenführer, bevor er sich schließlich seinem Büro zuwandte und ging. Es dauerte nur wenige Herzschläge, bis die Tür hinter ihm ins Schloss fiel.

„Ohayo.“ Begrüßte Yuriko den Blonden und stellte ihre Tasche ab. „Es freut mich, dass du so gute Laune hast. Konntest du endlich besser schlafen?“ Wollte sie wissen und die Dame mittleren Alters zog ihre Jacke langsam aus. Ihre kurzen, braunen Haare waren wie immer ordentlich und schienen den Einfluss des herbstlichen Wetters einfach zu ignorieren. „Ohayo Yuriko. Nein, nicht wirklich. Ich träume immer noch irgendeinen dummen Mist, aber zumindest kommt hier kein zusätzlicher Ärger auf mich zu. Weil Seto und ich gleichermaßen müde sind, wird der Waffenstillstand vorerst aufrechterhalten.“ Kam nun von dem 19-Jährigen und er grinste breit. Yuriko musste lächeln und schüttelte den Kopf. „Manchmal komme ich mir bei euch nicht wie eine Sekretärin vor, sondern wie eine Kindergärtnerin. Ich bin 41 Jahre alt, mein Lieber, und keine jungen 25 mehr.“

Doch außer einem noch immer breiten Grinsen erhielt sie dazu lieber keine Antwort von Joey. Dieser blickte nur mit einem Schmunzeln auf seinen Bildschirm und speicherte die Liste ordentlich ab, damit er sie nicht versehentlich löschte. Wenn er schon das Glück hatte, dass ihm Seto bei seinen Aufgaben half, sollte er sie auf keinen Fall verlieren. Allerdings würde er sich wirklich freuen, wenn die Überstunden ausgezahlt werden würden. Das wäre sicher das einfachste und gleichzeitig für ihn das lukrativste. Ob er wollte oder nicht, Geld war nun doch eine Sache, die das Leben einfacher machte.
 

~~~ooo~~~
 

Seufzend legte Seto sein Mobiltelefon zur Seite und schloss die Augen. Es war gleich 16 Uhr und das letzte, worauf er jetzt Lust hatte, war ein weiterer Streit. Er hatte sich seit 12 Tagen nicht mehr bei seiner Verlobten gemeldet und nun kam der unerwartete Moment, in dem sie die Initiative ergriff. Nicht jedoch, wie es ihm gerade passte. Sie schrieb Nachricht um Nachricht, in denen sie ihm vorwarf, dass er sie ignorierte, sie nicht mehr lieben würde und vor allem ein eiskalter, mieser Mistkerl wäre. Je länger er die Nachrichten ignorierte, sie hatte damit ungefähr vor 5 Stunden begonnen, desto ausfallender wurden diese. Die Vorwürfe verringerten sich, während sie nun aufzuzählen begann, was er denn alles falsch gemacht hätte und Seto gar keinen Grund besaß, so dermaßen sauer auf sie zu sein.

Der Ehrlichkeit halber war es nun nicht nur die Tatsache, dass sie seine Sachen durchsucht hatte. Mittlerweile zweifelte er auch an dieser Beziehung. Er stellte sich die Frage, wie sie reagieren würde, wenn er ihr von all dem erzählte, was aktuell durch seinen Kopf ging. Berichtete er ihr von seinen Selbstzweifeln, dass er sich seiner selbst gerade nicht sicher war, und von seinen Sorgen, dass er seinem Stiefvater zu ähnlich wurde, wie würde sie eine solche Äußerung aufnehmen? Leider kam er immer wieder nur auf eine einzige Antwort: Sie würde ihm vorwerfen, dass er aufhören sollte, so einen Scheiß zu erzählen.

Viktoria war niemand, der Schwächen bei irgendjemandem duldete. Wenn sie wüsste, dass er sich gerade in einem solchen Zustand befand, konnte er nicht genau abschätzen, welche Grausamkeiten sie an ihm ausließe. Vielleicht wäre er dann zum ersten Mal in seinem aktuellen Leben selbst zum Spielball degradiert worden. Diese Frau war wild, herrschsüchtig und grausam. Darum hatte er sie geliebt… oder liebte sie? Hatte er sie jemals geliebt?
 

Vorsichtig fuhr er sich mit den Fingern über die Schläfen und brummte vor sich hin. Es war anstrengend, sehr anstrengend und er empfand seine eigene Position als fragwürdig. Innerlich aufgewühlt und unsicher, ganz gleich, wie sehr er eben in dem Telefonat mit der Firmenführung von „Mirai e no chippu“ dies auch überspielt hatte. So verloren und unsicher hatte er sich noch nie in seinem Leben gefühlt. Selbst damals, als seine Eltern starben und sie ins Waisenhaus kamen, hatte er immer ein Ziel vor Augen gehabt. Rache! Rache an den Familienmitgliedern, die ihn und seinen Bruder so schändlich verraten hatten.

Erschreckenderweise war ein Ziel wie Rache deutlich präziser, als die Frage, ob er ein guter Mensch wäre. Das war wirklich ein Problem und er wusste nicht, wie er dieses angehen sollte. Er hielt sich an die Regeln seines Sensei, aber das war auch nur bedingt hilfreich. Eigentlich war es gar nicht hilfreich. Es brachte ihn nicht weiter. Vielleicht lag es daran, dass er immer klar erkennbare Resultate brauchte.

Die Resultate, welche er in diesem Fall erhielt, waren jedoch von einer solchen Art, dass sie eher Katastrophen glichen. So desaströs, wie sich seine aktuellen Versuche, die Regeln seines Senseis umzusetzen, auf sein Leben auswirkten, war das Resultat eine in jeder Hinsicht grauenhafte Verschlimmerung aller Faktoren. Klar, er aß vernünftig, er schlief jetzt mehr, er trank seit anderthalb Wochen keinen Alkohol mehr und versuchte zu meditieren. Aber gerade letzteres ließ ihn immer wieder verzweifeln. Er empfand all dies, als würde er in einen gewaltigen Strudel Negativität gezogen, der seine Gedanken, seine Gefühle und jeden einzelnen Atemzug bestimmte.
 

Noch immer mit geschlossenen Augen in seinem Bürostuhl sitzend, dachte er über den Albtraum nach, der ihn jede Nacht verfolgte. Er hatte zumindest so viel verstanden, dass es mehr oder weniger immer der gleiche war. Er geisterte als Priester Seth durch den Palast des Pharaos und war auf der Suche nach etwas. Immer wieder wurde er in Gespräche gezwungen, denen er nicht aus dem Weg gehen konnte. Aber sie hielten ihn auf und er wusste, dass er sich beeilen musste. Doch warum? Und wen suchte er? Den Pharao? Schemenhaft erinnerte er sich nur noch an die Bilder des Tempels, in welchem er die Morgenandacht hielt und plötzlich von diesem schrecklichen Gefühl einer bösen Vorahnung übermannt wurde.

Unruhig und nervös brachte er zu Ende, was er angefangen hatte, und eilte so schnell er konnte zum Palast. Er musste jemanden finden. Wen auch immer, aber es war dringend. Unglaublich dringend. Doch wo war er? Sie? Vielleicht eine Frau? Er wusste es nicht. Er konnte sich nur an eines erinnern, er suchte und suchte und suchte jede einzelne verdammte Nacht.

Aber er fand nicht! Egal, wie lange und intensiv er auch suchte, er konnte die Person nicht finden. Er wurde immer wieder in Gespräche verwickelt, die ihn aufhielten und nach außen hin musste er ruhig und gefasst wirken, er war schließlich einer der höchsten und mächtigsten Priester. Doch jedes einzelne Gespräch schien einer inneren Folter zu gleichen und er gierte nur danach, endlich weiterzukommen. Doch es blieb erfolglos. Jedes Mal beim Aufwachen quälte ihn die gleiche Frage: Wen suchte er? Ob er vielleicht Muto…
 

Nein! Er würde niemals zu diesem Kerl gehen! Das waren nur dumme Träume! Hirngespinste, weil dieser Nichtsnutz von einem Pharao immer wieder glaubte, ihm diesen Scheiß erzählen zu müssen. In seiner aktuell angeschlagenen Situation konnte sich sein Unterbewusstsein einfach nicht gegen die Einflüsse dieses Wahnsinnigen wehren und er musste folglich von diesen aufgeschwatzten, altägyptischen Phantasien träumen. Keines dieser Hirngespinste existierte. Er hatte niemals in dieser lange vergangenen Zeit gelebt. Er war nicht die Wiedergeburt eines Priesters. Er glaubte nicht daran und würde es auch niemals. Natürlich betitelte er Muto als Atemu den Pharao, aber nur, weil er ihn damit demütigen und erniedrigen wollte, doch nicht, weil er an diesen Unfug glaubte. Nein, auf keinen Fall! Er würde nicht zu diesem Mann gehen und ihn um Rat fragen! Auf keinen Fall! Das war alles nur ein Traum! Nichts von dem war wirklich geschehen und nichts von dem würde jemals geschehen!

Da war sich der Brünette sicher und er ließ sich nicht von einer anderen Möglichkeit überzeugen. Diese Hirngespinste hatte er dem Pharao zu verdanken und diesem würde er grauenhafterweise morgen wieder begegnen. Er war selbst noch unentschlossen, aber er stimmte zumindest verhalten der Aussage zu, dass ihm eine größere Gruppe weniger Spielraum für eine Eskalation bot. Ganz gleich, wer auch immer sie war, er würde in aller Öffentlichkeit keine skandalöse Szene beginnen. Nur verharrte die Frage geisterhaft im Raum, wer diese Frau war. Warum musste er sich so viele Gedanken darüber machen, dass er seinen eigenen, von ihm doch geliebten Bruder als Verräter ansehen würde, wenn er ihr begegnete? Wen hatte sich Mokuba da ausgesucht?

Verbissen starrte er auf den Rechner und wusste, dass die Firewall der Domino High, auf welche Mokuba mittlerweile ging, nicht sonderliche Herausforderungen bot. Er würde sich leicht in selbige hinein hacken können und dann war es nur noch eine Frage von Minuten, bis er die richtige Frau gefunden hatte. Wie viele Aikos würde es im Jahrgang des Schwarzhaarigen geben? Drei oder vier vielleicht? Eine einfache Suche würde ihm die passenden Damen aufzeigen und wahrscheinlich erkannte er auf den ersten Blick, um welche Schülerin es sich handelte. Mit einem Ruck erhob sich der Brünette und trat an das große Fenster hinter seinem Schreibtisch. Er starrte hinaus auf die Stadt und knurrte leise. Er wollte sich darüber jetzt keine Gedanken machen. Diese Frau spuckte durch seinen Kopf, als wäre sie ein Geist und an diese Verrücktheiten verschwendete er keine Zeit!
 

Doch so sehr er auch wollte, sie war da! Sie und diese Frage, zu wessen Familie Aiko gehörte. Wer war ihr Vater? Warum würde er sie sehen und wissen, dass er diese Beziehung nicht gutheißen konnte? Und wie sollte er eine andere Entscheidung treffen, als jene, die die anderen bereits befürchteten? Wenn diese Frau wirklich eine solche Familie vorweisen konnte, wenn er mit ihr den Feind an den Esstisch bat, dann konnte er dieser Beziehung gegenüber doch nicht zugeneigt sein. Dann musste er Mokuba den Umgang mit dieser Frau verbieten! Aber wenn er das täte...

Seto fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare. Er würde Mokuba gänzlich verlieren, wenn er diese Beziehung verbot. Das wäre dann das Ende aller bisherigen Versuche, sich seinem Bruder wieder zu nähern. Dabei war die Zeit so harmonisch und wirklich angenehm gewesen. Mokuba hatte am Sonntag neben ihm gesessen und nach einer Weile hatte der 17-Jährige sogar den Mut gefunden, sich an ihn zu kuscheln, wie er es früher oft gemacht hatte. Auch unter der Woche hatten sie ein paar Mal abends zusammengesessen und gemeinsam gegessen. Heute würde dies wohl ausfallen, wenn er mit Joseph unterwegs war.

Doch wie sollte er damit umgehen, dass ihm alle sagten, dass er Aiko auf keinen Fall akzeptieren konnte? Nun, das war es eigentlich nicht. Sie sagten ihm nur, dass seine erste Reaktion schlimm wäre. Gingen sie davon aus, dass er eine zweite, bessere hervorbringen würde? Aber wie? Diese Unsicherheit machte ihn wahnsinnig! Wenn er gleich nach seinem Telefon griff, würde er sicher wieder dutzende Nachrichten von Viktoria finden, die ausfallend und übel waren. Er musste sich gegen sie verteidigen, aber dazu fehlte ihm momentan einfach die Kraft. Unkonzentriert und aufgewühlt, verwirrt und überfordert... wie sollte er sich so einem Monster wie ihr stellen?
 

„Seto? Geht es dir gut?“ Die Stimme war unerwartet nah und erschrocken zuckte dieses Mal der Brünette zusammen. Mit geweiteten, eisblauen Augen starrte Seto in das noch immer gut gebräunte Gesicht Joeys, der nun direkt neben ihm stand. „Tut mir leid, aber du hast auf nichts reagiert. Kein Klopfen, kein Rufen und selbst, als ich vor deinem Schreibtisch stand, hast du mich nicht gehört.“ Erklärte nun der Blonde und zog die Augenbrauen zusammen. „Aber du siehst nicht so aus, als wäre alles in Ordnung mit dir.“ Gab er nun nachdenklich an und die eisblauen Augen, in denen so viel Verwirrung lag, schlossen sich wieder. „Schon gut, ich bin nur in Gedanken gewesen.“ Kam von ihm und doch bemerkte Joey, wie die Hände des anderen leicht zitterten. Kurz zögerte dieser noch, bevor der 19-Jährige dann doch fragte. „Worüber denkst du denn nach? Vielleicht kann ich dir behilflich sein.“ Schlug er nun hoffnungsvoll vor.

Ein Seufzen folgte, ebenso wie ein kurzer Augenblick der Stille. „Ich habe an Morgen gedacht. Ich frage mich, wie ich Aiko eine Chance geben soll, wenn mich alle unter den Verdacht stellen, dass ich Mokuba dafür Vorwürfe mache, dass er sie als Freundin ausgesucht hat.“ Erklärte der Brünette nun unerwartet ehrlich und starrte wieder aus dem Fenster, die Arme vor der Brust verschränkt, als wollte er seine Hände verstecken. Nun schien auch der Blonde einen Moment zu benötigen und nickte dann. „Klar, das ist nicht leicht. Ich will dir auch lieber sagen, dass du begeistert von ihr sein wirst und sie mit offenen Armen in der Familie Kaiba begrüßen würdest, aber das ist unwahrscheinlich. Eigentlich hoffen wir alle, dass du dich für deinen Bruder entscheidest. Es geht um ihn, um sein Glück und seine Liebe. Wer weiß schon, ob das für die Ewigkeit hält, aber es hält jetzt schon ein ganzes Jahr lang. Stell dir vor, er würde sich irgendwann entschließen, sie zu heiraten und zu lieben, bis dass der Tod sie scheidet, und du hättest ihm gesagt, dass er erst wieder dein Bruder ist, wenn er sich von ihr getrennt hat. Dann würdest du Mokuba für immer verlieren.“
 

Es dauerte einen Moment, bis Joey den Blick der blauen Augen auf sich spürte und nun verwundert zu diesem blickte. Offensiv starrte Seto ihn mit diesem intensiven, eindringlichen Blick an. „Genau darum geht es doch. Ich kann Mokuba nicht von mir stoßen. Er stellt in meinem Leben gerade die einzige Klarheit dar und für ihn bin ich bereit zu kämpfen. Es bleibt also nicht die Möglichkeit, ihm etwas solches vorzuwerfen, von ihm zu verlangen, dass er sich von ihr trennt. Dies würde er nicht verstehen und nicht akzeptieren. Daher bleibt nur eine einzige Möglichkeit: Ich muss diese Frau akzeptieren, egal, wer sie ist. Im Grunde sagt ihr mir alle, dass ich akzeptieren muss, dass ich den Teufel an meinen Tisch bitte!“ Kam nun von dem 22-Jährigen, während er auffordernd und doch auch innerlich distanziert zu dem Blonden sah.

„Genau darum geht es nicht! Sie ist ja nicht er! So wie du auch nicht dein Bruder bist. Ich bin seit Jahren mit Mokuba befreundet und konnte dich trotzdem nicht ausstehen. Mokuba ist eine eigenständige Person und obwohl er dich lieb hat, konnte ich ihn trotzdem als Freund ansehen. Dass er nun mal dein Bruder ist, daran konnte er nichts ändern und das habe ich akzeptiert. Das eine hat nichts mit dem anderen zu tun.” Versuchte Joey nun an einem Beispiel zu erklären und überlegte, wie er dem Firmenführer die Situation besser darlegen könnte. „Wir hoffen, dass du einfach Aiko kennenlernen wirst und nicht immer an ihren Vater denkst, wenn du sie ansiehst. Du bist ihr noch nie in deinem Leben begegnet und hast noch nie wirklich ein Wort mit ihr gewechselt und doch kennst du sie. Ihr Vater ist berühmt und arbeitet bei der St…“ Joey biss sich auf die Unterlippe und schwieg. „Also weißt du deutlich mehr, als du zugeben willst. ” Kam nun in einem ruhigen, wenn auch extrem kühlen Ton von Seto. Er wirkte plötzlich deutlich distanzierter, als noch zu Beginn ihres Gespräches.
 

Verlegen fuhr sich der Blonde mit der Hand über den Nacken und brummte etwas Unverständliches. Nach einer Weile meinte er dann kleinlaut. „Ja, ein Bisschen, aber nicht sehr viel. Ich weiß, dass du ihn kennst und ihr beide könnt euch nicht ausstehen. Darum weiß bisher weder er noch du von der ganzen Sache. Nun, also, du weißt es ja schon, aber du weißt nicht, dass Aiko seine Tochter ist und…” Er seufzte und sah mit großen Augen zu dem anderen auf. Es lag beinahe etwas Verzweifeltes in dem Blick des Mannes und doch fand er nur diese distanzierte Mauer zwischen ihnen. „Es tut mir leid. Ich weiß nicht, ob ich es dir vernünftig erklären kann. Ich weiß, dass wir dich in eine dumme Situation bringen, aber sie wird niemals leichter oder besser werden. Dein Bruder liebt Aiko und das wird er wohl auch noch eine Weile. Sie weiß, dass ihr Vater ihr ziemliche Probleme bereiten wird, weil du Mokubas Bruder bist. Er würde wahrscheinlich so etwas sagen wie: Wie kannst du dich nur mit so einem einlassen? Wie kannst du mich nur so hintergehen? Du weißt doch, dass alle Kaibas schlecht sind! Für ihn spielt es keine Rolle, ob du oder Mokuba mit Aiko zusammen sind. Er fände beides gleich schlimm. Wir hoffen einfach, dass du im Gegensatz zu ihm Aiko eine Chance geben kannst und versuchst, sie kennenzulernen und nicht behauptest, dass sie zwangsweise wie ihr Vater ist.”
 

Das war viel und mehr, als Seto im ersten Moment erwartet hatte. Seine Gedanken kreisten um eine Aussage, die der Blonde getätigt hatte. Er und Mokuba waren nicht gleich. Auf keinen Fall. Wie konnte jemand auf die Idee kommen, sie beide miteinander zu vergleichen und die gravierenden Unterschiede dabei zu übersehen? Vielleicht war das auch ein Gedanke, der ihm bei dieser berüchtigten Aiko half. Sie war nicht ihr Vater. Wenn er sie sah, konnte er vielleicht an eben diese Tatsache denken. Allerdings beschlich ihn die Ahnung, dass es nicht so leicht werden würde. Wahrscheinlich gab es da einige Hindernisse, die sich diesem Vorhaben in den Weg stellen würden.

Er seufzte und fuhr sich dann mit den Fingern massierend über die Schläfen. „Am liebsten würde ich das alles absagen und einfach so tun, als wüsste ich von nichts.“ Brummte er und im nächsten Moment bekam er eine unerwartet spitzfindige Antwort von dem Blonden neben sich. „Komm schon, das würde eh nicht klappen. Du würdest den ganzen Tag darüber nachdenken, wer sie ist und dir dann die Frage stellen, ob sie eine Gefahr für dein Unternehmen ist. Wie war das noch mit dem Teufel an deinem Tisch?“ Die eisblauen Augen suchten den Blick der honigbraunen und plötzlich war da ein schwaches, zögerliches Lächeln. Irgendwie hatte der Chaot ja Recht, wenn er die Sache nicht klärte, würde es nicht besser werden. Also musste er sich dem annehmen und auf das beste hoffen. Vielleicht schätzten ihn die anderen ja falsch ein und es war gar nicht so dramatisch. Allerdings kamen dabei doch gewaltige Zweifel in ihm auf.

„Na gut, ich werde es ja morgen sehen. Nur noch ein paar Stunden und dann ist klar, ob diese ganze Sache in einer Katastrophe endet oder nicht.“ Brummte der Brünette und drehte sich wieder zu seinem Schreibtisch um. Sein Blick fiel auf das Handy, welches dort lag und mit einem hellen Display einen Anruf verkündete. Mit wenigen Schritten trat er an den Arbeitsplatz heran und streckte die Hand nach dem unliebsamen Gegenstand aus. Genervt zog Seto das Gerät an sich und für einen Moment überlegte er, ob es eine gute Idee war. Mit einem grimmigen Ausdruck nahm er den Anruf an und hob das Telefon ans Ohr.
 

"Oh, you still get in touch with me?" Kam nun angefahren so laut aus dem Telefon, dass sogar Joey es hören konnte. Die Dame auf der anderen Seite war extrem wütend. "Why should I get in touch with you? Your lovely messages were so charming." Gab er in einem kalten, beinahe schneidenden Ton von sich und dem Blonden lief ein Schauer über den Rücken. Das war ja eine nette Unterhaltung. "You're acting childish and ignoring me for days. Of course I'll have to find ways to get your attention back." Beschwerte sich nun die Frauenstimme in einem unglaublich barschen Ton und nun wurde der Ausdruck des F irmenführers noch finsterer. "I'm being childish? That's what the lady who throws insults tells me?" Er stieß ein kaltes Lachen aus und gab dann als nächste Spitze von sich. "I have no interest in this superfluous game, nor will I argue with you about it any longer."

Er schien damit dieses Gespräch beenden zu wollen, doch Viktoria sah das anscheinend anders. "Don't you dare do that shit with me. This conversation isn't over until I say so." Nun schien sie wirklich hysterisch und in einem ungeahnten Maße wütend. Joey zog den Kopf ein, doch diese Aussage sorgte bei dem Brünetten nicht für die geplante Reaktion. Er zog nur ein süffisantes Lächeln über seine Lippen und gab dann mit einem eiskalten Ton von sich. "I don't care what you want. If I feel like ending this conversation, I will. It seems appropriate at this time that we cut off all contact with each other for a while."

Plötzlich war da eine Stille auf der anderen Seite und er wusste nicht, ob seine Worte den gewünschten Effekt erzielt hatten. Er wartete und dann gab es nur noch eine einzige, kurze Antwort. "Fine, if you think so." Im nächsten Moment legte sie einfach auf und das Gespräch war für sie beendet. Nun blickte Joey den Firmenführer verwirrt an. „Was war das denn?“ Wollte er wissen und beobachtete, wie die kalte, starre Maske des Mannes nur bedingt weichen wollte. „Das war Viktoria. Du kennst sie bereits aus unserem letzten Gespräch. Das war die Dame, mit der ich darüber gespottet hatte, dass du die genaue Stundenanzahl wusstest, die du noch hier wärest.“
 

Nun sahen ihn die honigbraunen Augen groß an. „Ähm….“ Kam von ihm und es war ein Ausdruck großer Überforderung auf seinem Gesicht. „Ja… aber, habt ihr euch gerade getrennt?“ Stotterte er noch immer ungläubig. „Nein, das nicht. Wie ich sie kenne, werde ich morgen wieder von ihr hören, sie wird mich anrufen und mir sagen, dass ich ein Idiot bin, weil ich sie ignorieren will.“ Mit einem Seufzten ließ nun auch Seto das Handy wieder auf den Tisch sinken und starrte auf das schwarze Gerät. „Sie gibt nicht auf und ihr auch nur die kleinste Schwäche zu zeigen, bedeutet das Ende.“ Diese Worte verloren so wie auch die eisblauen Augen an Kraft. Er wirkte mit jedem Herzschlag müder und abgekämpfter.

„Das klingt nicht so, als wolltest du wirklich weiter mit ihr Kontakt haben.“ Kam zögerlich von dem 19-Jährigen und er musterte das Gesicht des anderen. „Nein, das nicht. Es ist nur… ich kann sie aktuell nicht ertragen. Sie fordert und fordert und fordert. Jetzt gerade kann ich ihre Forderungen nicht erfüllen und ich will sie auch nicht erfüllen.“ Er zuckte mit den Schultern und Joey lächelte. „Dann sollten wir darüber glücklich sein, dass wir sie für einen Moment losgeworden sind, oder?“ Fragte er beinahe ein wenig frech und trat wieder neben ihn. „Na komm, lass uns losgehen. Pack deine Sachen und wir machen uns auf den Weg.“

Nun war es der Brünette, der etwas verwundert wirkte. „Wir machen uns auf den Weg?“ Wollte er wissen und erinnerte sich an die Abmachung, dass sie gemeinsam Feierabend machen wollten. „Ja, jeder für sich nach Hause und dann treffen wir uns um 19 Uhr wieder in der Stadt oder soll ich dich lieber abholen und überprüfen, ob du auch etwas Passendes angezogen hast?“ Neckte nun der Blonde und erhielt einen fragenden, abschätzenden Blick. „Ich weiß nicht, ob du das wirklich ernst meinst.“ Seine eisblauen Augen musterten das Gesicht des anderen und er schien unsicher. „Ja, das habe ich ernst gemeint. Ok, nicht nur, ich meine, es war schon ein wenig neckend gemeint, aber mal ehrlich, ich weiß nicht, was du da alles in deinem Kleiderschrank hast und vielleicht kommen wir nachher nicht rein.“
 

Diese Aussage ließ die Augenbrauen in die Höhe wandern. „Du kennst meinen Kleiderschrank nicht? Du trägst doch ständig meine alten Sachen. Wie kannst du behaupten, nichts darüber zu wissen?“ Protestierte der Firmenführer und lächelte etwas spitzbübisch, als er den empörten Gesichtsausdruck des Blonden sah. „Ja, aber das sind deine alten Sachen. Die stehen mir hervorragend, aber deine neuen? Die kenne ich ja noch nicht!“ Gab er von sich und verzog den Mund zu einer Schnute.

Ohne noch weiter darauf einzugehen, griff Seto nach dem Stuhl und zog diesen vor. Mit einem Schmunzeln ließ er sich auf diesen fallen und die eisblauen Augen suchten den Bildschirm. Mit einem leichten Stoß gegen die Maus, welche er umgriff, wich der schwarze Bildschirm und ein heller Hintergrund trat an seine Stelle. „Wie? War es das?“ Wollte Joey nun wissen und lehnte sich mit der Hüfte an die Kante des Schreibtisches, sodass er mit dem Hintern fast darauf saß. Die eisblauen Augen suchten den Blick des Blonden und er lächelte herablassend. „Doch, das war der Plan. Es gibt meiner Meinung nach nichts weiter hinzuzufügen.“ Es war etwas Kühles in der Stimme und Joey verschränkte die Arme vor der Brust, sodass das weiße Hemd leichte Falten warf. „Ich sage dir, wenn wir wegen dir nicht rein kommen!“ Brummte er mit einem breiten Grinsen und erhielt nur ein lockeres Necken. „Wenn wir da nicht rein kommen, scheint deine Arbeit ja nicht viel wert zu sein.“

Musternd glitt der Blick über den Körper des 19-Jährigen, der zwar noch immer deutliche Spuren seiner letzten Kämpfe und des Übergriffes aufwies, aber ebenso unerwartet attraktive wirkte. Gedanklich verwarf er diese Überlegung direkt wieder. Es war nicht der richtige Zeitpunkt und nicht der richtige Mann. Er wusste, dass es ihm nur um die Ablenkung ging und Sex war eine sehr gute. Seine Bedürfnisse mithilfe eines anderen zu stillen, war eine leichte Möglichkeit, seine Gedanken zu zügeln.
 

~~~ooo~~~
 

Die Schlange war bereits lang und der Einlass würde eine ganze Weile dauern. Die Diskothek schien erst vor einer Stunde geöffnet zu haben und Seto wartete, mit den Händen in den Manteltaschen. Es war kalt und er wusste nicht, ob es eine gute Idee war. Zwar war er noch nie hier gewesen, doch eine Bar gefüllt mit guten Spirituosen war neben der richtigen Art von Sex ebenfalls eine perfekte Ablenkung. Als sich der Blonde vor ein paar Stunden so an seinen Schreibtisch gelehnt hatte, war ein angenehmer Schauer in die Leibesmitte gewandert. Er wusste, dass dieser Abend nicht gut ausgehen konnte. Er würde ein Desaster werden, aber er wollte auch nicht gehen. Der kalte Wind umgriff ihn und ein Frösteln erfasste ihn. Es war erst 19 Uhr. Normalerweise war er um diese Uhrzeit zu Hause und genoss dort in ausreichendem Maße teuerste Spirituosen, bevor er sich in das Nachtleben Dominos stürzte. Meistens war dieser Alkohol eh hochwertiger, als jener, der in den Drinks landete.

Sein Blick wanderte die Straße entlang. Er stand auf dem Gehweg und hörte schon leise die Musik von innen dröhnen. Frauen in kurzen Röcken und Männer in engen Hosen, von denen einige dem Interesse des Brünetten entsprachen. Seine jetzige Situation war dafür prädestiniert, in die nächste Problematik zu schlittern und eine unbedachte Nacht mit einer solch heißen Frau war perfekt für derlei Dummheiten. Was machte er hier eigentlich? Er sollte am besten in seiner Bibliothek sitzen und weit weg von jedwedem Alkohol und allen Frauen sein.

Plötzlich hörte er ein Räuspern und drehte sich auf dem Absatz um. „Na, vielleicht kommen wir doch rein.“ Neckte der Blonde, der nun vor ihm stand und einen grünen Schal um den Hals trug, Er lächelte schief und musterte das, was er von dem Firmenführer sehen konnte. Es war nicht sehr viel, denn der Mantel verdeckte das meiste. Die enganliegende, schwarze Hose, die eleganten Schuhe, die unter dem Mantel zu erkennen waren, wirkten wie immer edel und kostspielig. Der Mantel war bekannt, ein gut geschnittenes Stück, welches die Silhouette des Brünetten elegant betonte und darüber der blaue Schal. Bei genauer Betrachtung war der Mann wirklich attraktiv. „Etwas anderes habe ich nie erwartet. Wollen wir uns endlich in diese unerträglich lange Schlange anstellen?“ Erwiderte der Firmenführer gelassen und der Blonde schüttelte den Kopf. „Also, so wenig ist meine Arbeit nun auch wieder nicht wert!“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Moin,

Sie sind fast da! Was glaubt ihr, wird es ein guter Abend oder behält Seto Recht und das Desaster tritt ein? Und wie?

Und nein, Viktoria sind wir leider noch nicht los. Wir müssen sie noch eine Weile ertragen.

Ich hoffe, dass ihr auch dieses Mal wieder viel Spaß bei diesem Kapitel hattet.

Bis zum nächten Monat!

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  TaniTardis
2022-11-28T03:46:05+00:00 28.11.2022 04:46
Na da bin ich auch gespannt wo es hinführen wird, ob Desaster oder nicht...dass die beiden Zeit miteinander verbringen ist schon ein wunder....ob Kaiba seine Alpträume los wird, denke es wird erst passieren wenn er mit Atemu spricht. .vielleicht kann er ihm helfen. . Den beiden ist ja ihre gemeinsame Vergangenheit.
Wie immer ein sehr schönes Kapitel..und Viktoria auf den Mond schießen ist keine schlechte idee, ist aber noch zur nah, am besten in eine andere Galaxy verfrachten : )
Bis zum nächsten Kapitel.. Bin sehr gespannt...lg
Von:  TaniTardis
2022-11-09T03:40:20+00:00 09.11.2022 04:40
Kann man Viktoria nicht einfach auf den Mond schießen? Das wehre das beste für alle Beteiligten ;)
Zwei hübsche Kerle die in die Disko gehen..na denke, kann schon brenzlig werden...Bin schon gespannt...egal was kommt.
Das die beiden gleichzeitig Träume von Ägypten haben nuss doch was bedeuten, ob die irgendwann die Verbindung zur einander die schon tausende von Jahren besteht merken? Sehr schönes Kapitel.

Und was mich interessiert, hat Seth Jono gefunden gehabt?

So viele Fragen...schön gemacht

Da kann man sich sehr auf weiter freuen...

Lg

Antwort von:  Traumfaengero_-
13.11.2022 08:51
Liebe TaniTardis,

nein, leider nicht, aber wir arbeiten daran, dass wir Viktoria los werden. Ich mag sie mittlerweile so wenig, dass ich sie aus der Geschichte raus schmeißen will. Geht nur nicht. XD Also, lernen wir sie lieben, bis wir sie los sind.
Tja, zwei hübsche Kerle. Eventuell könnten das die Frauen anziehend finden. Mal sehen, was ihr zum nächsten Kapitel sagt. ^^°
Wenn das Schicksal will, dass man etwas bemerkt, macht es sich schon ausreichend bemerkbar. Unsere Sturköpfe brauchen eben nur etwas länger, denke ich. Hoffe ich zumindest! Bei Seto weiß man nie, was er alles leugnet, nech?

Also, ich denke, ich verrate nicht zu viel, wenn ich dir sage:JA! Natürlich hat er ihn gefunden. Irgendwann musste er ihn finden. Die frage ist nur: Wie hat er reagiert? ;)

Danke für deine lieben Worte und bis zum Dezember! :D

Liebe Grüße
Deine Traumfänger


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