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Dritter Teil: Das Licht der Welt

Fortsetzung von "Du kennst mich nicht und doch hasst du mich" und "Gift in Körper und Seele"
von

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Trügerischer Lichtblick

Eine knappe halbe Stunde später, saß er wieder an seinem Schreibtisch, tippte auf der Tastatur und starrte konzentriert auf den Monitor. Er hatte kurz nach Joey geschaut, ihn noch immer schlafend vorgefunden und sich so vorgenommen, sich noch etwas Zeit für das Wichtigste zu nehmen. Auf dem Sofa, welches nicht weit von ihm entfernt war, kauerte Mokuba. Und vor ihm eine riesige Pappe mit einer herrlichen Pizza. Kaiba hörte ihn oft kichern oder seufzen, dann rieb er sich die Stirn, schüttelte den Kopf und baute die Konzentration von Neuem auf.

"Mmmm...", schwärmend lehnte sich Mokuba zur Seite, kaute genüsslich und wurde dann auf Kaiba aufmerksam, der in dieser Sekunde die Wangen aufblähte und nebenbei nach irgendwelchen Unterlagen tastete. Er beobachtete ihn nur kurz, griff leise kichernd nach einem Stück Pizza und schob sich von dem Sofa. Auf den Fußballen schlich er dann zu seinem großen Bruder, schlich um den Schreibtisch herum und blieb direkt hinter dem gepolsterten Drehstuhl stehen. Er warf einen flüchtigen Blick auf den Bildschirm, kniff unter einem frechen Grinsen die Augen zu und begann das Stück Pizza hinter Kaibas Kopf zu bewegen.

"Mmmm..." Er schwenkte es hin und her, fächelte den Geruch nach vorn. "Schau mal Seto... ist das nicht herrlich?"

Konzentriert verengte Kaiba die Augen, neigte sich etwas nach vorn und musterte die komplizierte Liste, die auf dem Monitor zu sehen war.

"Lecker, lecker...", ertönte wieder die säuselnde Stimme hinter ihm.

>Sind das die Aufzeichnungen des vorherigen Jahres?< Er rieb sich das Kinn, grübelte kurz und begann wieder zu tippen.

"Mm...", erneut drang der Duft in seine Nase, "... Thunfisch... Käse..."

Kaiba rümpfte die Nase und tippte weiter.

"Eine gaaaaanz herrliche Pizza."

"Hast du nichts zu tun?", raunte Kaiba und öffnete eine neue Datei.

"Und hast du gar keinen Hunger?", kam sofort die trotzige Antwort.

"Jedenfalls nicht auf Pizza", murrte Kaiba.

"Warum nicht?" Mokuba ließ das Stück sinken und besah es sich von allen Seiten. "Da ist doch nichts dran?"

"Außer unglaublich viel Fett und andere ungesunde Dinge."

Mokuba runzelte die Stirn.

"Musst du meine Träume so brutal zerstören?" Anschließend stopfte er sich das Stück in den Mund, zuckte mit den Schultern und schlenderte davon. "Dann geh ich eben zu Joey. Der wird durch den Geruch sicher wach."

>Das glaube ich auch.< Kaiba ließ von der Tastatur ab, lehnte sich zurück und schien kurz zu grübeln.

"Moki?"

"Ja?"

Kaiba fuchtelte mit der Hand.

"Lass ihn, okay?"

"Aber er schläft schon den halben Tag", erwiderte Mokuba etwas trotzig, während er sich wieder zu der riesigen Pizza schlich. "Er verpasst doch den schönen Tag."

"Und du suchst nur nach einer Beschäftigung. Spring in den Pool oder lade Micky ein."

Mokuba griff nach der großen Pappe. "Er heißt Bikky!"

"Auch gut", murmelte Kaiba, der sich bereits wieder der Arbeit zu wandte. "Du wirst schon irgend etwas finden, aber lass Joseph schlafen."

Der Junge hatte in der Zwischenzeit schon die Tür erreicht und drehte sich dort zu ihm um.

"Aber warum ist er denn so müde?"

Ein Schulternzucken musste ihm als Antwort genügen. Also zog er ein langes Gesicht und verließ den Arbeitsraum seines Bruders.
 

Joey verschlief nicht nur den halben Tag, nein, er verschlief den ganzen und als Kaiba am späten Abend noch einmal zu ihm kam, hatte sich daran nichts geändert. Kaiba selbst, fühlte sich auch etwas müde und beschloss, diesmal frühzeitig ins Bett zu gehen und es Joey gleichzutun. Er saß eine Weile auf der Bettkante, besah sich seinen schlafenden Freund und strich ihm eine Strähne aus dem Gesicht, bevor er einen kurzen Kuss auf seiner Stirn platzierte und anschließend den Raum verließ.

Er zog sich in sein Privatzimmer zurück und binnen der kürzesten Zeit war er eingeschlafen, erschöpft durch die Anspannung des Tages und die darauffolgende Arbeit. Hinzukommend hatte Mokuba ernst gemacht und so waren die letzten Stunden bis zum Abend die reine Qual gewesen. Obgleich Mokuba mit Bikky die meiste Zeit oben im Schwimmbad gewesen war, hatte er doch ihre Schrei gehört, als sie von dort zurückkehrten und sich in Mokubas Zimmer barrikadierten, welches sich, man beachte, direkt neben dem Arbeitszimmer befand. Eine sehr schlechte Zimmerverteilung, das fiel Kaiba immer wieder auf.

Bikky übernachtete heute sogar und Kaiba hatte strenge erzieherische Maßnahmen ergriffen und die beiden bereits um acht Uhr in ihre Betten verwiesen. Auch, um selbst noch etwas Ruhe zu haben. Nun kehrte im Hause Kaiba die völlige Ruhe ein. Mokuba schnarchte, Bikky grunzte und schmatzte, Kaiba verkroch sich unter der Decke und Joey schlief ruhig. So zog die Nacht an ihm vorbei.
 

Als die ersten Strahlen des neuen Tages durch die großen Fenster in den Raum fielen und sich neckend auf Kaibas Gesicht legten, rollte sich dieser zur anderen Seite, tastete im Halbschlaf nach den Kissen und zog sie sich über den Kopf. Es war noch sehr früh und heute wehrte sich Kaiba gegen die Gewohnheit, zeitig aufzustehen. Er war müde und solange die beiden kleinen Halunken noch nicht auf den Beinen waren, um zur Schule zu gehen, konnte er sich ruhig noch etwas ausruhen. Tollpatschig tastete er nach der Decke, presste sie an sich und räkelte sich kurz, bevor er wieder reglos verblieb. Wärmend legte sich die Sonne auf seinen Rücken. Eine friedliche Atmosphäre herrschte und Kaiba atmete tief durch, gern dazu bereit, wieder vollends einzuschlafen. Nach wenigen Sekunden jedoch, drang ein leises Geräusch an seine Ohren. Es klang wie ein Gepolter, als fiele irgend etwas um.

"Mm." Kaiba brummte, verzog das Gesicht und zog die Decke über. Doch kurz darauf ertönte es wieder und es begann wirklich zu stören.

>Seit wann steht Mokuba so früh auf<, dachte er sich und verharrte reglos. >Und sein wann macht er so einen Krach!<

Er brummte wieder und hörte kurz darauf ein Scheppern, verbunden mit einem leisen Fluchen, was er jedoch nicht genau verstehen konnte.

"Verdammt nochmal." Er schlug die Decke zur Seite und richtete sich grimmig auf. "Wenn das diese blauäugige Rotzgöre ist, dann...", auch er begann zu fluchen, kämpfte sich aus dem Bett und schlenderte zur Tür. Schlaftrunken rieb er sich das Gesicht, gähnte ausgelassen und griff nach der Klinke. Schlürfend trat er in den Flur, seine Augen suchten sofort nach dem Störenfried... und entdeckten ihn.

"Au!" Nachdem Joey mit dem Fuß gegen den Ständer einer teuren Vase gestoßen war, sprang er auf einem Bein zur Seite, stützte sich an der Wand ab und torkelte weiter. Seine Schritte wirkten etwas unsicher, seine Hand tastete sich an der Wand entlang und die Augen schweiften suchend durch die Gegend. Kaiba hob die Augenbrauen und verzog mitfühlend das Gesicht, als Joey gegen den nächsten Ständer lief, von denen viele in dem langen Flur standen.

"Verflucht!" Wieder taumelte er zur Seite, streckte die Händen von sich und schnitt unglaublich viele Grimassen. Währenddessen war Kaiba bereits auf dem Weg zu ihm und hatte die Treppe, die die beiden Gänge voneinander trennte, hinter sich gelassen. Der Blonde stöhnte, rieb sich die Augen und blickte auf. Zielstrebig richteten sich die Pupillen nach vorn... und trafen direkt auf Kaiba. Die Miene des jungen Mannes erhellte sich.

"Seto...?"

Durch diese Reaktion überrascht, verlangsamte dieser die Schritte, näherte sich ihm nur langsam.

"Joseph?", erwiderte er zögerlich.

"Mm-mm." Ein freudiges Grinsen zeichnete sich auf seinen Lippen ab. "Höchstpersönlich."

"Du...", Kaiba erreichte ihn und blieb vor ihm stehen, die braunen Augen verwirrt musternd, "... kannst mich sehen?"

Und wieder nickte Joey.

"Ich dachte, mich trifft der Schlag", begann er dann zu erzählen. "Da öffne ich die Augen und... schon ist alles wieder da!" Er streckte die Hände von sich und Kaiba wusste nicht so recht, was er von diesem Auftritt halten sollte. "Nach so langer Zeit in völliger Dunkelheit...", die Augen richteten sich auf ihn, "... bist du der erste Mensch, den ich sehe. Etwas besseres könnte es nicht geben."

Kaiba fiel es schwer, zu schweigen. Die Freude war größer als das Misstrauen und so erwiderte er das Grinsen zögernd. Er genoss es auch, den Blick des Blonden so intensiv zu spüren, zu lange war er an ihm vorbei geglitten und hatte er sich auf ihn gerichtet, so wirkte er leer. Nun jedoch...

"Und du siehst... richtig scharf?"

"Nein." Joey kratzte sich den Hinterkopf. "Sehr Verschwommen, aber immerhin sehe ich." Er blinzelte und drehte das Gesicht zur Seite, um auf die gefürchteten Vasenständer zu starren. "Gewöhnungsbedürftig."

"Aha." Kaiba nickte, stützte die Hände in die Hüften und konnte die Augen nicht von Joey lösen. Er starrte ihn an und Joey tat es ihm nach einer kurzen Zeit gleich. Sie hielten den Augenkontakt und bald verlor Kaibas Grinsen etwas an Kraft, wodurch es weicher wirkte. Auch die Miene des Blonden entspannte sich, wieder blinzelte er und rieb sich die Augen, bevor er sie konzentriert verengte. Lange standen sie sich so gegenüber, ohne ein Wort zu verlieren. Während Joey immer wieder blinzelte und sich die Augen rieb, schien sich Kaiba in Grübeln zu verheddern. Die schmalen Augenbrauen verzogen sich, die Zähne schnappten nach der Unterlippe und nach einem scheinbar langsam Sinnieren, zeichnete sich ein Lächeln auf seinen Lippen ab, welches Joey kurz darauf erwiderte.

"Hi."

Joey zwinkerte, rümpfte die Nase und zeigte seine Zähnchen.

"Hi."

Kaiba lachte leise, schüttelte den Kopf und hob die Arme.

"Komm her."

Sofort trat Joey näher, lehnte sich regelrecht gegen Kaiba und faltete die Hände auf dessen Steiß. Vorsichtig legten sich Kaibas Arme um seinen Hals und so eng umschlungen, blieben sie wieder eine Weile stehen und begann langsam zu schunkeln. Kaiba hatte die Augen geschlossen und das Kinn auf Joeys Kopf gestützt, der diese Umarmung sehr zu genießen schien, die Wange an seine Brust gelehnt hatte.

"Wie geht es dir?", flüsterte Kaiba beinahe lautlos und begann seine Schultern etwas zu reiben.

"Gut", hauchte Joey zurück, löste seine Hände voneinander und schob sie weiter über Kaibas Rücken. "Gut."

"Und deine Augen?" Kaiba blickte auf und begann mit einer Hand zärtlich durch den blonden Schopf zu fahren.

"Tun weh."

"Das bekommen wir schon wieder hin", beruhigte Kaiba ihn leise, während seine Hand Joeys Nacken erreichte und diesen etwas kraulte.

"Mm." Joeys Augenbrauen verzogen sich etwas und unter einem tiefen Atemzug schmiegte er sich noch fester an Kaiba, der die Umarmung vorsichtig verstärkte.

"Seto...?"

"Mm?"

Joey zögerte, zog die Nase hoch und rümpfte sie. Dann blinzelte er erneut, presste die Lippen aufeinander und schloss kurz die Augen. Kaiba wartete geduldig und spürte, wie sich die Hände auf seinem Rücken erneut zu regen begannen, tiefer wanderten und sich auf seinem Steiß ineinanderfalteten. Joeys Körper erzitterte unter einem leisen Husten.

"Auch wenn es nicht so aussah...", flüsterte er dann leise, als fürchte er sich vor den Worten, "... in der letzten Zeit...", seine Miene entspannte sich und dann atmete er tief ein, "... ich liebe dich wirklich."

Auf Kaibas Lippen zeichnete sich jenes Lächeln ab, als er erneut den Kopf senkte und die Nasenspitze durch das blonde Haar schob.

"Schön, das zu hören", flüsterte er. Joey seufzte leise und drehte das Gesicht zu seiner Brust, suchte zwischen Kaibas Armen nach Geborgenheit und fand sie.
 

Kurz darauf, machten sich die Beiden auf den Weg nach unten. Joey hatte sich eine warme Decke über die Schultern gezogen und tastete sich vorsichtig am Geländer hinab, während Kaiba aufmerksam neben ihm blieb.

"Nach dem Frühstück fahre ich dich in das Krankenhaus", erklärte er, als sie das Foyer erreichten, Joey nickte und rieb sich die Augen. Kaiba warf ihm einen flüchtigen Blick zu, bog um die Ecke und ließ den kleinen Vorraum hinter sich, um die Küche zu erreichen. Er schien kurz nachzudenken, bevor er die Arme vor dem Bauch verschränkte. "Außerdem... steht noch etwas anderes an."

"Was denn?" Joey tastete sich um die Ecke und betrat die Küche, wo er sich gleich auf einem der Stühle niederließ und die Decke um sich zog.

>Was soll ich anderes tun, als es ihm zu sagen?< Kaiba schlenderte zu den Arbeitsflächen und begann an der Kaffeemaschine zu werkeln.

"Es ist so", murmelte er und füllte zwei Tassen, während Joey wieder damit beschäftigt war, sich die Augen zu reiben. "Morgen beginnt die Gerichtsverhandlung."

"Verhandlung?" Joey wurde hellhörig und blickte auf. Er schien jedoch schnell darauf zu kommen und nickte etwas zögerlich. "Ach so... ja."

Mit einem kurzen Blick vergewisserte sich Kaiba, griff nach den beiden Tassen und kehrte zu dem Tisch zurück.

"Ich habe jedoch arrangiert, dass du nicht anwesend sein musst."

"Ja?" Joey wirkte etwas entspannter, als er sich kurz zurechtrückte und nach der Tasse griff. Als seine Hand diese beinahe erreicht hatte, hielt er jedoch in der Bewegung inne und sah Kaiba an. "Das klingt nach dem berüchtigten 'aber'."

Kaiba atmete tief ein.

"Aber", sagte er dann und hob den Zeigefinger, "du wirst nicht drum herum kommen, eine schriftliche Aussage zu machen, die dann bei der Verhandlung verwendet wird."

Joey zog die Tasse zu sich, räusperte sich leise und umschloss sie mit beiden Händen, als würde er frieren.

"Muss Daniel zur Verhandlung?" Schien er dann auszuweichen.

Kaiba war bereits auf dem Weg zum Kühlschrank und drehte sich kurz zu ihm um.

"Er kehrt nach Deutschland zurück, ja."

Wieder nickte Joey und nippte an der Tasse.

>Er wird doch nicht etwa eine Antwort verschmähen?< Kaiba öffnete den Kühlschrank. >Komm schon, tue mir das nicht an. Ich will nicht wieder stochern.<

"Eine schriftliche Aussage ist in Ordnung", meldete sich da Joey zu Wort. "Das werde ich wohl noch hinbekommen."

"Gut." Kaiba lächelte. "Hast du Hunger?"

"Nicht viel."

"Willst du einen Joghurt?"

"Mm-mm." Nickend stellte Joey die Tasse ab und sah sich etwas um. Die Haltung, mit der er auf dem Stuhl saß, wirkte etwas verkrampft und auch sonst erweckte er nicht den Anschein, als wäre er mit sich und der Welt zufrieden. Er sprach leise und zurückhaltend und beließ es bei Worten, ohne sie mit Gestiken zu verstärken. Natürlich war es Kaiba bereits aufgefallen, doch zuviel durfte man nicht erwarten. Von einem Tag zum anderen... und außerdem gab es wirklich noch ein großes Problem, welches nicht gelöst war, an das Kaiba jedes Mal schmerzhaft erinnert wurde, wenn er den Blonden ansah. Auch diesmal.

Also setzte er sich Joey gegenüber an den Tisch und trank seinen Kaffee. Mit allen Mitteln versuchte er zu verhindern, daran zu denken. Doch die Angst war so gewaltig, dass sie stets lauerte und sich sofort meldete und zum Grübeln zwang, wenn man auch nur in ihre Richtung dachte. Es vergingen einige Minuten in Schweigen. Kaiba trank den Kaffee und Joey löffelte den Joghurt, rieb sich immer wieder die Augen und atmete nach einer langen Zeit tief durch. Kaiba wurde aufmerksam und der Blonde stellte den Joghurt auf den Tisch zurück, stemmte sich mit den Händen zwischen den Beinen auf den Stuhl und starrte vor sich hin. Kaiba beobachtete ihn über den Rand der Tasse hinweg, versuchte zu erahnen, was in diesen Sekunden in ihm vorging und nahm noch einen kleinen Schluck.

"Seto...?" Joey knabberte auf der Unterlippe, starrte auf den Boden und lenkte erst nach einem langen Zögern den Blick auf ihn. Und das unsicher.... annähernd ängstlich. "Was machen wir... wenn ich wirklich..."

"Daran darfst du nicht einmal denken", unterbrach Kaiba ihn sofort und verriet somit, dass seine Versuche, sich dagegen zu wehren, missglückt waren. Joey nickte geduckt und ließ den Kopf sinken.

"Und...", flüsterte er gedrungen, "... wenn ich das nicht schaffe...?"

Kaiba atmete tief ein, seufzte leise und stellte die Tasse auf dem Tisch ab.

"Du hast selbst gesagt, dass man so etwas nicht verdrängen darf", lenkte Joey gedämpft ein. "Und wenn es so schlimm ist, erst recht nicht."

"Und ich sagte auch, dass das nicht einfach ist." Kaiba stützte die Stirn in die Handfläche. "Aber wenn du darüber reden möchtest, dann kannst du dich auf mich verlassen."

"Ich wüsste nicht, was es zu reden gäbe." Joey brachte ein kraftloses Lächeln hervor. "Wir müssen wohl abwarten."
 

Kurze Zeit später, waren sie auf dem Weg zum Krankenhaus. Joey trug frische Kleider und hinzukommend eine Sonnenbrille, die auf seiner Nase saß, die Augen vor dem Licht schützte. Doktor Johnson war über die Tatsache, dass Joey die Blindheit hinter sich gelassen hatte, sehr erfreut und bat ihn sogleich in einen der Untersuchungsräume. Es dauerte lange, bis er sich die Augen des jungen Mannes genau angesehen und sich Notizen gemacht hatte. Es wurden auch einige Tests durchgeführt und währenddessen besorgte sich Kaiba ein Getränk. Nach einem kurzen Weg blieb er vor dem Automaten stehen und suchte in seinen Hosentaschen nach dem nötigen Kleingeld, welches er auch fand. Kurz sah er nach beiden Seiten, warf die Münzen ein und wartete, dass sich der Becher mit Kaffee füllte. Währenddessen hielt er die Hände in die Hüften gestemmt und gerade als er nach dem Becher greifen wollte, da meldete sich sein Handy.

"Oh." Er schnitt eine Grimasse, sah sich erneut um und zog es hervor. Unauffällig nahm er den Anruf entgegen und hob den Becher aus dem Fach. "Ja." In trödelnden Schritten entfernte er sich von dem Automaten. "Mm... Lenzich hat mir bereits Bescheid gegeben." Er blieb stehen. "Natürlich, ja, sagen wir in einer halben Stunde? Genau, in meiner Firma. Man wird Ihnen den Weg zeigen." Somit legte er auf, atmete tief durch und steuerte auf den Raum zu, in dem die Untersuchung durchgeführt wurde. Allmählich musste Johnson auch mal fertig werden. Gemächlich hob er den Becher zum Mund, griff nach der Tür und schob sie auf. Doch anstatt einen Schluck zu nehmen, hielt er den Becher zu erhoben und sah auf den Blonden, der entspannt auf einer der Liegen saß und die Beine in der Luft bewegte. Und Johnson werkelte an ihm herum, nun, um genauer zu sein, er werkelte an der dünnen Brille, die auf Joeys Nase saß. Kaiba hob die Augenbrauen, ließ den Becher sinken und trat näher. Der Blonde rümpfte die Nase und besah sich in einem Spiegel, den Johnson ihm vorhielt.

"Sie ist nur zur Schonung der Augen", wandte sich Johnson dann an Kaiba. "Er muss sie nicht länger als eine Woche tragen, damit sich seine Augen entspannen und erholen."

Kaiba blähte die Wangen auf und legte den Kopf schief, während Joey nicht so recht zufrieden zu sein schien. Er rückte an dem dünnen Gestell, drehte das Gesicht von einer Seite zur anderen und rückte wieder.

"Haben Sie keine Kontaktlinsen?"

"Nein." Johnson lächelte entschuldigend. "Warum so griesgrämig, sie steht dir doch."

"Mm..." Wieder drehte Joey das Gesicht nach links und runzelte die Stirn. Und dann drehte er sich zielstrebig zu Kaiba. Ihre Blicke trafen sich, Joey starrte auf die blauen Augen, die ihn musterten und versuchte in ihnen zu lesen. Kurz darauf hob Kaiba die Brauen und der Blonde saugte an seinen Zähnen.

"Seto."

"Hm?"

"Sag was."

"Ach so." Kaiba verzog die Miene und kratzte sich an der Wange. Anschließend neigte er sich etwas nach vorn und besah sich die Brille genau. Und mit jedem musternden Blick entfaltete sich auf seinen Lippen ein Lächeln. Anschließend griff er nach dem dünnen Gestell, zog es etwas tiefer über die Nase und schnalzte mit der Zunge. "Schick."

"Ja?"

Johnson seufzte erleichtert.

"Gut, damit wäre die Behandlung abgeschlossen." Meinte er dann, während Joey sich wieder dem Spiegel zu wandte. "Du kannst wieder nach Hause gehen, aber ich muss dich bitten, in zwei Tagen noch einmal hierher zu kommen. Dann führe ich wieder eine Untersuchung durch."

"In Ordnung." Joey räusperte sich, rutschte von der Liege und sah sich um. "Ich gehe nochmal kurz auf die Toilette."

Johnson nickte und Kaiba nippte an dem Becher. Joey schlenderte davon und sie sahen ihm nach. Nur kurz standen sie schweigend nebeneinander, bevor sich Kaiba an den Doktor wandte.

"Wie lange müssen wir noch warten, bis Sie den HIV-Test durchführen können?"

"Wie bitte?" Johnson wirkte überrascht. "Sie wissen davon?"

Kaiba nickte.

"Wissen Sie...", der Doktor räusperte sich, "... es tut mir leid, aber ich stand unter ärztlicher Schweigepflicht und..."

"Das ist in Ordnung", konnte Kaiba ihn beruhigen. "Ich will nur eine Antwort."

"Nun, seit der möglichen Infizierung ist beinahe ein Monat vergangen und so... naja, ein weiterer Monat wird es wohl noch werden, bis wir deutliche Ergebnisse bekommen können."

"Mm." Kaiba lehnte sich gegen die Liege und kreuzte die Beine. Er verfing sich in kurzem Schweigen und bearbeitete die Unterlippe mit den Zähnen, während er auf den Boden starrte. "Und...", langsam blickte er auf, "... wie steht es mit den Therapiemöglichkeiten?"

Johnson griff nach seinen Unterlagen.

"In dieser Hinsicht sehe ich gute Möglichkeiten", meinte er. "Wir wurden früh informiert und können mit der Therapie beginnen, sobald wir positive Ergebnisse haben. So durfte man die Krankheit unter Kontrolle halten."

Kaiba atmete tief durch. Diese Worte beruhigten ihn nicht gerade.

"Wird er viele Medikamente nehmen müssen?"

Johnson ließ sich auf einem Stuhl nieder und lehnte sich seufzend zurück. "Das steht außer Frage. Aids ist nur mit harten Wirkstoffen zu bekämpfen und es könnte zu Nebenwirkungen kommen, aber immerhin wird er..."

"Welche Nebenwirkungen?", unterbrach Kaiba ihn leise.

Und diesmal zögerte Johnson mit der Antwort. Er bewegte die Unterlagen auf dem Schoss und entfloh Kaibas Blick. Es war ihm unangenehm und da er Joey seit langer Zeit kannte, fiel es ihm auch sehr schwer.

"Zum einen würde seine körperliche Kraft nachlassen, ebenso ist es möglich, dass er unter einer chronischen Influenza leiden könnte, da die Viren am stärksten das Immunsystem angreifen. Fieber, Müdigkeit...", er seufzte leise, "... doch immerhin hätte er keine Schmerzen."

"Tse." Verbissen wandte Kaiba den Blick ab. "Die Auswirkungen auf sein gesamtes Leben nicht zu vergessen."

"Herr Kaiba." Johnson richtete sich etwas auf. "Er könnte ein halbwegs normales Leben führen, nur mit weniger Sport und einer anderen Ernährung."

"Ja, toll." Kaiba schüttelte langsam den Kopf. "Und um wie viele Jahre könnte sich dieses halbwegs normale Leben durch all die Medikamente verkürzen?"

Johnson rieb sich die Stirn. "Höchstens... um fünf Jahre."

Unter einem leisen Stöhnen löste sich Kaiba von der Liege und begann durch den Raum zu spazieren.

"Sie könnten den Aids sowieso nicht heilen, nur aufhalten. Und es wird kein halbwegs normales Leben sein, wenn Joseph es nicht wie gehabt weiterführen kann!"

"Kaiba." Auch Johnson kam auf die Beine. "Wir sollten den Teufel nicht an die Wand malen, denn immerhin ist es nicht sicher, ob er wirklich infiziert ist."

"Und trotzdem sollte man vom schlimmsten Fall ausgehen", warf Kaiba verbittert ein. "Die Medizin ist bis heute so fortgeschritten und wenn man früh genug handelt, muss es doch eine bessere Möglichkeit geben, als diese!"

"Es gibt auch noch andere Möglichkeiten", erwiderte Johnson. "Doch diese sind noch in der Entwicklung und viel zu unsicher, als dass man sich an ihnen bedienen könnte."

Kaiba murmelte nur etwas Verworrenes und nippte an dem Becher.

"Sie verbringen doch viel Zeit mit ihm, oder?"

"Mm."

"Dann möchte ich Sie bitten, auf seinen Gesundheitszustand zu achten, denn die ersten Symptome zeigen sich bereits vor den möglichen Tests. Werfen Sie ein Auge darauf, ob er sich erkältet, Schnupfen, Husten oder gar Fieber bekommt."

"Und wenn das der Fall sein könnte?" Kaiba lugte zu ihm.

"Dann..."

"So." In dieser Sekunde erschien Joey wieder bei ihnen und wischte sich kurz die Hände an der Hose sauber. "Wir können los."

Johnson und Kaiba sahen sich noch einige Sekunden schweigsam an, bevor der Brünette langsam nickte und dem Arzt den Rücken zukehrte. Wortlos zog er auch an Joey vorbei und dieser hob kurz die Hand.

"Dann bis in zwei Tagen." Verabschiedete er sich und Johnson antwortete mit einem unsicheren Lächeln.
 

"Wir müssen in die Firma", erklärte Kaiba, als er neben Joey das Krankenhaus verließ. Der Blonde war wieder mit der Brille beschäftigt gewesen und linste nun zu ihm.

"Ja?" Die Stimme kam noch immer etwas leise und zurückhaltend über seine Lippen.

"Lenzich hat sich mit einem Polizisten in Verbindung gesetzt, der hier in Domino lebt und vertrauenswürdig genug ist, um die Aussage aufzunehmen." Kaiba zog die Autoschlüssel hervor und musterte seinen Freund kurz und besorgt.

"Bist du bereit dafür?"

"Mm." Endlich ließ der Blonde seine Brille in Frieden und seine Hände verschwanden in den Hosentaschen. "Nein, aber bereiter werde ich auch nicht."

Kaiba schenkte ihm ein kurzes ermutigendes Lächeln und öffnete die Türen. Es fiel ihm schwer, Joey Mut zu machen und ihn zu beruhigen, denn in ihm selbst sah es nicht viel ruhiger aus. Johnsons Worte zogen ihm immer wieder durch das Gedächtnis und er zwang sich, sich auf positive Gedanken zu konzentrieren Joey musste nicht infiziert sein... nein, das war reine Hypothese.

Er schwieg, als er den Motor startete und den Wagen sauber aus der Parklücke lenkte. Auch Joey hatte keine Lust, irgend etwas zu erzählen. Er hielt die Hände auf dem Schoß gefaltet, starrte auf seine Hände und bewegte sie langsam.

>Harte Medikamente... Schwäche und Fieber! Das kann doch alles nicht wahr sein! Da will man gegen eine Krankheit ankämpfen und muss den Körper weiterhin zerstören, großen Schaden anrichten! Und das nur, um einen noch etwas größeren Schaden zu bekämpfen! Ihn nicht zu zerstören, nein, nur, um ihn zurückzuhalten!< Seine Zähne bissen aufeinander, die Finger klammerten sich um das Lenkrad. >Dieser verdammte Arzt hat mich völlig aus der Bahn geworfen! Es muss doch eine weniger aggressive Theraphie geben, die dennoch etwas bringt! Wozu arbeiten denn die Mediziner monatelang in ihren Labors?! Um Medikamente herzustellen, die den Kranken noch mehr Schaden zufügen?!< Seine Miene verdunkelte sich, die Finger entspannten sich kurz, drückten jedoch gleich wieder fest zu. >Langsam habe ich keine Lust mehr auf all das! Kaum ist ein Problem gelöst, rutscht das nächste nach! So, als stünden sie in einer endlosen Schlange und warteten nur darauf, endlich zum Einsatz kommen! Wenn es nur kleine Probleme wären... aber nein! Entführung, Augenkrankheit, Vergewaltigung, Aids! Das ist nicht normal! Das ist...<

"Hatschi!", ertönte es da plötzlich neben ihm.

Augenblicklich wurde Kaiba aus seinen Gedanken gerissen. Ein schmerzhaftes Zucken ging durch seinen gesamten Leib und ohne auch nur einen weiteren Gedanken zu verlieren, rammte sich sein Fuß gegen das Bremspedal. Quietschend stoppten die Räder des Maybach, leichter weißer Rauch stieg auf und der Wagen geriet kurz ins Schlingern, bevor er mitten auf der Straße zum Stillstand kam. Sofort ertönte weiteres Quietschen und hinter ihm schaffte es eine wahre Wagenkolonne gerade noch, anzuhalten, bevor sie ineinander rasten. Die Autos schlitterten umher, erschrockene Schreie der Passanten ertönten und nach einigen Sekunden trat Stille ein. Langsam stieg der Rauch der heißen Räder auf, die Fahrer blickten sich verwirrt um. Erschrocken hatte sich Joey in den Sitz gepresst. Mit angehaltener Luft starrte er vor sich auf die Straße und Kaiba fuhr zu ihm herum.

"Warum hast du genießt!", stieß er atemlos aus, nicht auf das Chaos hinter sich achtend.

"W... was?" Irritiert begann sich Joey zu regen und erwiderte seinen Blick zögerlich.

"Bist du erkältet?!" Kaiba wirkte überaus entsetzt, als er die Hand hob und hastig die Stirn des Blonden betastete.

"Ich..."

"Fieber scheinst du nicht zu haben!" Keuchte Kaiba, als er die Hand auch kurz auf den Wangen des jungen Mannes ablegte.

"N-nein...", stotterte Joey völlig perplex, "... meine Nase... hat gekitzelt."

"Du bist nicht erkältet?" Kaiba starrte ihn an und in dieser Sekunde ertönte hinter ihnen das Hupen vieler Autos. Doch nur Joey drehte sich kurz um besah sich das Dilemma mit fassungsloser Miene. Jedoch nicht lange.

"Joseph!" Kaiba war es bitterernst. "Bist du erkältet!"

"Nein." Endlich lieferte Joey die beruhigende Antwort. Er zog auch eine kurze Grimasse. "Was... was ist denn mit dir los?"

"Du bist nicht erkältet." Japste Kaiba.

"Nein."

Unter einem erschöpften Stöhnen ließ der Brünette den Kopf hängen und schüttelte ihn in leiser Verzweiflung. Er atmete tief durch, richtete sich wieder auf und rieb sich die Stirn mit beiden Händen. Joey starrte ihn verwirrt an.

"Okay." Kaiba zog die Nase hoch, keuchte erneut und griff nach dem Gangschalter. Und ohne ein weiteres Wort setzte er den Wagen wieder in Bewegung. Es schien, als habe er die anderen Autos überhaupt nicht bemerkt und wieder war es nur Joey, der einen langen Blick in den Rückspiegel warf und sah, wie auch sie langsam anfuhren. Dann schluckte er, lehnte sich zurück und linste kurz darauf zu Kaiba, der mit verbitterter Miene auf die Straße starrte.
 

Der Rest der Fahrt verlief ruhig und schweigsam. Keiner der beiden sagte etwas und Kaiba stöhnte nur, als der Maybach auf dem Parkplatz der Kaiba-Corp. hielt und sie ausstiegen. Immer wieder warf Joey ihm verwirrte Blicke zu, stellte jedoch keine Fragen. In gemächlichen Schritten betraten sie dann das Gebäude und steuerten zielstrebig auf die Fahrstühle zu. Schnell traf dieser ein und kurz darauf standen sie in der Kabine. Kaiba rieb kurz die Hände aneinander und räusperte sich kurz, um endlich wieder das Wort zu ergreifen.

"Ich werde bei dem protokollieren der Aussage nicht dabei sein dürfen." Er lugte zu Joey. "Kommst du klar?"

Der Blonde rümpfte die Nase, kratzte sich an ihr starrte auf den Boden. Er antwortete nicht sofort, schien er nachdenken zu müssen und murmelte letztendlich etwas Verworrenes.

"Das geht alles ziemlich schnell, findest du nicht?" Murmelte er und Kaiba wusste genau, was er meinte.

"Es ist ungewöhnlich, dass eine Verhandlung so schnell beginnt, doch das ist besser, als wochenlang warten zu müssen." Er legte die Hand auf seiner Schulter ab und lehnte sich etwas zu ihm. "Wenn die Verhandlung nur einen Tag dauert, haben wir morgen schon Gewissheit."

Joey hatte seinen Blick nicht erwidert, nein, er war noch immer nach unten gerichtet und Kaiba spürte durch die Hand, wie er tief einatmete.

"Lee..."

Kaiba hob die Augenbrauen und die Kabine hielt. Als sich auch die Türen öffneten, ballte Joey langsam die Hände und biss sich auf die Unterlippe.

"Diese Gerichtsverhandlung war wohl die letzte Gelegenheit, ihn zu sehen."

Somit schüttelte er den Kopf und trat in den großen Arbeitsraum hinaus. Kaiba hielt kurz inne, bevor er es ihm gleich tat.

Ja, das mochte wohl stimmen...

Er verstand Joeys Sehnsucht aus einer Aussprache oder einem letzten Wiedersehen, doch in diesem Fall war es das beste, den Gerichtssaal zu meiden, auch wenn das seine negativen Seiten hatte. Kaiba dachte daran, bis er einen Mann erspähte, der auf einem der Sofas im Wartezimmer saß und einen säuberlichen grauen Anzug trug. Dieser wurde auch auf ihn aufmerksam, erhob sich und streckte Kaiba die Hand entgegen.

"Wir haben telefoniert. Ich bin Komissar Hanoto, Herr Lenzich betraute mich mit dieser Aufgabe."

Kaiba nickte, schüttelte seine Hand und hielt nach Joey Ausschau. Dieser war ebenfalls stehen geblieben und sah den Fremden mit einer Miene an, die nichts verriet. All das war ihm unangenehm.

"Joseph?" Kaiba nickte ihn näher und wandte sich an den Komissar. "Das ist Ihr Zeuge."

Der ältere Mann musterte den Blonden durchgehend und dieser behielt die Hände in den Taschen und starrte auf den Boden. Und somit schob sich diese Angelegenheit aus Kaibas Zuständigkeitsbereich. Der Komissar griff nach seinem Koffer, den er neben dem Sofa abgestellt hatte und trat an den Blonden heran.

"In meinem Büro haben Sie ihre Ruhe." Kaiba wies auf die säuberliche Glastür und der Komissar nickte.

"Bitte folgen Sie mir."

Joey saugte an seinen Zähnen, zog mit dem Fuß Kreise auf dem Boden und blickte auf. Seine Augen richteten sich auf Kaiba, der näher an ihn herangetreten war.

"Alles in Ordnung?"

"Mm." Joey rollte mit dem Kopf, wusste jedoch nicht so recht, was er daraufhin sagen sollte.

"Hey." Kaiba legte den Zeigefinger unter sein Kinn, hob das Gesicht des Blonden etwas höher und baute den Blickkontakt wieder auf. Ein ermutigendes Lächeln verlieh seinen Lippen Ausdruck, bevor er flüchtig eine Strähne aus Joeys Stirn fischte, dabei streifte sein Daumen die blasse Stirn und der Blonde blinzelte. Der Komissar war an der Tür des Büros stehen geblieben und wartete geduldig. Erneut senkte Joey den Kopf. Nebenbei hob sich seine Hand. Seine Finger hakten sich in das dünne Hemd des Brünetten und mit einem wankenden Schritt trat er vor und lehnte sich gegen diesen.

"Joseph." Kaiba schloss ihn in eine vorsichtige Umarmung, spürte, wie dieser das Gesicht an seinen Hals legte und einen tiefen Atemzug ausstieß. Kurz hielt Kaiba ihn fest, flüchtig kraulte seine Hand seinen Nacken, bevor sie weiterwanderte und sich, wie die andere auch, unter das Ohr legte. Zärtlich zwang er Joey zurückzutreten. Dieser legte die Hände um seine Oberarme, hielt den Kopf gesenkt und schnappte wieder nach der eigenen Unterlippe.

"Du schaffst das." Erneut streifte Kaiba das blonde Haar zurück und nahm ein leichtes Nicken wahr. Zögerlich löste Joey die Hand aus dem dünnen Hemd, Kaiba ließ die Arme sinken und somit wandte sich Joey ab. Kaiba sah ihm nach, wie er in langsamen Schritten zu dem Komissar ging... er hatte es nicht eilig. Dann wurde hinter ihm die Tür geschlossen und Kaiba stemmte die Hände in die Hüften.

>Gut...< Angespannt die Augen verdrehend, steuerte er dann auf den Kaffeeautomaten zu, griff beiläufig nach einer Tasse und schob sie in das kleine Fach, bevor er sich seitlich gegen den Automaten lehnte und eine Taste betätigte.

Sofort gluckerte das Getränk in die Tasse und er kam nicht drumherum, einen flüchtigen Blick durch die Glastür zu werfen. Joey und der Komissar hatten sich auf den ledernen Stühlen vor dem großen Schreibtisch niedergelassen und während der Blonde mit gesenktem Kopf dort saß, wühlte der Mann in seinem Koffer.

Kurz darauf drehte sich Kaiba wieder um und streckte die Hand nach der Tasse aus.

>Ich muss mir unbedingt etwas einfallen lassen, um Joseph und mir die Wartezeit leichter zu machen.<

Abwesend umfasste er den Henkel und wollte die Tasse gerade herausheben, da ertönten schnelle Schritte und er hielt inne. Wer rannte denn da?

>Mokuba wollte doch heute gar nicht kommen?<

Doch es war nicht Mokuba, der plötzlich um die Ecke des Arbeitsraumes gerannt kam. Nein, es war ein anderer Junge. Etwa vier Jahre und doch unglaublich flink auf den kleinen Beinchen, kam er angeflitzt. Er trug eine kurze blaue Hose, ein weißes Hemdchen und eine süße Matrosenmütze auf dem schwarzen Haar. Und er schien sein Ziel vor Augen zu haben. Lachend streckte er die Ärmchen nach vorn.

"Hallo hallo hallo!" Rief er aufbrausend.

"Heeey." Ein Grinsen zeichnete sich auf Kaibas Lippen ab, als er leicht in die Knie ging und beinahe umgeschmissen wurde. Stürmisch warf sich der Junge gegen ihn, klammerte sich in das Hemd und hüpfte lachend. Unterdessen griff Kaiba ihn vorsichtig unter den Achseln, kam auf die Beine und nahm ihn auf den Arm. Sofort schlang der kleine Junge die Ärmchen um seinen Hals und schmuste mit ihm.

"Ich komm dich besuchen!" Verkündete er unterdessen lautstark und Kaiba verzog kurz die Miene, da ihm der Junge genau ins Ohr brüllte.

>Genau so temperamentvoll wie der Vater.<

"Und groß bist du geworden." Als sich der Junge etwas zurücklehnte, wurde er staunend gemustert.

"Ja ne?" Der Junge gluckste und presste die Augen zu. Kurz darauf ertönte ein leises Grunzen und dann wurde Kaiba wieder umklammert. "Du aber auch!"

"Danke." Kaiba runzelte die Stirn.

"Schau mal!" Plötzlich riss sich der Junge wieder los und ruderte mit den Beinchen, worauf Kaiba ihn fester halten musste, damit er nicht hinunterfiel. Hastig griff sich der Junge in den weit geöffneten Mund und streckte diesen Kaiba entgegen. "Der Fahn iff fon locker!"

Daraufhin wackelte er an einem dieser und Kaiba streckte das Gesicht etwas zurück.

"Toll."

Wieder grunzte der Junge und zog die Hand aus dem Mund. Und kurz darauf... warf er sich wieder um den Hals des Älteren. "Mein Papa sagt, wenn mir die Zähne raus fallen, dann werde ich erwachsen!"

Kaiba rang nach Luft. "Oder du wirst alt und klapprig."

"Echt??" Der Junge starrte ihn erschüttert an.

"Matthew!" Ertönte in dieser Sekunde eine weitere Stimme und Pikotto bog um die Ecke. Auf seinem Arm hielt er einen Jungen, der dem, der Kaiba umarmte, wie aus dem Gesicht geschnitten war. Auch er trug eine Matrosenmütze, schien jedoch andere Probleme zu haben.

"Buähähäh!!" Heulend klammerte er sich um den Hals seines Vaters. "Matty hat mich gezwickt!"

Als Pikotto den Jungen auf Kaibas Arm entdeckte, atmete er erleichtert durch und trat näher.

"Da bist du ja." Er raffte den Jungen höher. "Tut mir Leid, Kaiba. Sobald er sich unbeobachtet fühlt, ist er weg."

Kaiba antwortete mit einem knappen Grinsen, ging erneut in die Knie und stellte den Kleinen wieder auf dem Boden ab.

"Matty ist doof!" Flennte der Junge auf Pikottos Arm weiter und dieser schien sich dadurch kein bisschen stören zu lassen. Als hätte er Nerven aus Drahtseilen, blieb er völlig ruhig und fasste den kleinen Schelm an der Hand, der sich sofort etwas hängen ließ und spielerisch mit dem anderen Arm ruderte. Kaiba verfolgte das Szenario nur flüchtig, stemmte die Hände in die Hüften und nickte seinem Stellvertreter zu.

"Mach dir einen schönen Tag."

"Werde ich... Davis, hör auf zu schreien."

"Aber Matty hat..."

"Ich bin morgen früh pünktlich wieder da." Pikotto ließ sich nicht stören. "Und du? Ich dachte, du hast dir zwei Tage freigenommen?"

"Ja, ich..", Kaiba lugte flüchtig zu seinem Büro, "... ich hatte noch etwas kurzes zu erledigen, dann gehe ich auch."

"Gut, dann werden wir wohl die Verantwortung in Jonathans Hände legen."

"Kein Problem." Kaiba winkte ab und griff endlich nach seiner Tasse.

"Lawrence!" Plötzlich erschien auch eine junge Frau bei ihnen. Mit unzufriedener Miene trat sie näher. Sie war von schlanker Statur, trug das schwarze Haar säuberlich hoch gebunden und war als wahre Schönheit zu bezeichnen. "Wir müssen los." Neben Pikotto blieb sie stehen. "Guten Tag, Herr Kaiba."

Sie verbeugte sich kurz, Kaiba grüßte mit einem Nicken zurück und somit nahm Pikottos Frau den kleinen Rabauken hoch.

"Jetzt aber ab!"

"Also." Kaiba Pikotto grinste und Kaiba nippte an der Tasse. "Wir sehen uns."

"Auf Wiedersehen, Herr Kaiba."

"Wiedersehen."

"Tschüss Onkel!" Matty schob sich über die Schulter seiner Mutter und winkte stürmisch. Der Brünette hob nur die Hand.

"Papa! Ich bin alt und klapprig." Wandte sich Matty sofort jammernd an seinen Vater.

"Ach ja?"

Somit verschwand die Familie Pikotto und Kaiba lehnte sich erneut gegen den Automaten.
 

~*To be continued*~



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Von: abgemeldet
2010-04-20T10:27:38+00:00 20.04.2010 12:27
Was jetzt auf Joey zukommt ist schlimm und ich kann mir nur vorstellen wie es Joey damit geht. Immerhin hat er das alles ja begraben und verdrängt und jetzt muss er Aussagen machen und dazu stehen. Echt eine schwere Position.
Von: abgemeldet
2005-09-06T10:57:33+00:00 06.09.2005 12:57
Hach ja, da wird man doch gleich wieder glücklicher. Waldspaziergänge, leckere Pizzas... und Moki wird wieder eingebaut. Das ist schön. *seufz*
Das mit dem beinahen Crash... wolltest du, dass das ulkig wirkt? Wenn nicht, dann haste was falsch gemacht. ><
War jedenfalls ne tolle Mischung. Was zum Lachen und dennoch nen Beweis, dass sich Kaiba Sorgen macht. Und die Sache mit Aids... mein Gott, das sin ja nich gerade dolle Aussichten, hm? Das wäre doch furchtbar! ÒÓ
Aber so ne Greueltat trau ich dir nich zu, aber...
tjam, ma gucken.
Schön, dassde mal Pikottos family vorgestellt hast... sympatische Leute. Aber der Mann muss irgend nen Problem mit der DNA ham, wenn seine Kinder bereits alt und klapperig sind. ^o^
*lach*
Bis denne.

Dat Nase
Von:  naboru
2005-09-06T00:19:54+00:00 06.09.2005 02:19
oh man, das war mal ein erfrischendes kapitel, nach all dem streß ^^
ok, abgesehen von der sache mit dem aids... obwohl die szene im auot schon irgendwie lustig war *lol*
ich kann mir joeys verwirrtes gesicht richtig vorstellen *gggg*
oh man *lol* ein königreich für dieses bild *lol*
und auch die szene, als joey andauernd gegen irgendwas läuft... *lol* ^__^
das mit der brille... ich hab joey auch mal ne brille in ner ff verpasst... is allerdings nur nen oneshot ^^° irgendwie cool... er jetzt mit brille *ggg* wenn auch nicht für lange ^^

richtig lachen musste ich aber nochmal bei dem "alt und klapprig" *lol* das war so süß *g* richtig cute ^__^

so, noch ein kapitel und dann geh ich ins bett... *hundemüde ist*
nabo ^^
Von:  Yukarri
2005-09-05T09:25:09+00:00 05.09.2005 11:25
So jetzt hab ich auch den Teil gelesen.
Du hast es doch geschafft...
an einer schönen Stelle aufzuhören *applaus* *g*.

Boah das war einfach...
oooh gott mir fehlen schon wieder die Worte.
Ich fins einfach nur super das Joey jetzt auf dem Weg der Besserung ist.
Als die beiden im Krankenhaus waren und Seto den Arzt über Aids ausgefragt hat, das fand ich irgendwie ne schlimme Stelle. Denn schließlich wirds für Beide jetzt noch mal ernst. Und dann Joeys "Hatschi" im Auto, da hab ich mich genauso wie Seto an die Worte des Arztes erinnert.
Na ja bleibt nur zu hoffen das du Beide damit nicht weiter quälst.
Aber es ist wirklich süß wie Seto sich sorgen macht.

Die ganze Zeit hab ich mich gefragt ob Pikotto verheiratet ist oder wie alt der überhaupt ist. Denn von den anderen Charakteren weißt man nen bissel was, aber bei Pikotto hatte ich keine Ahnung. Ich schätze in mal auf 35-40 Jahre oder? Oder doch junger? Ach egal.
Jedenfalls seine Kinder sind auch soooo süß.

So jetzt bin ich wieder fertig und fang gleich mit dem nächsten Kapitel an *muhaha*.
bye
Von:  Sonna-Eraseus
2005-09-04T17:27:02+00:00 04.09.2005 19:27
Hi ^^

*nur zweite ist*
Das ist mal ne schöne Stelle zum aufhören. *g*
Joey mit Brille. *g* Sieht bestimmt süß aus. Kann er die nicht für immer behalten?
Als Seto mitten auf der Straße genießt hat, hab ich so n Lachanfall bekommen *g*... nur weil Joey EINMAl genießt hat... Seto muss sich ja Sorgen bis zum geht nicht mehr machen, wenn er so reagiert.
Mal sehen, wie Joey das `Verhör´ verkraftet...
Pikottos Kinder sind einfach nur süß. Besonders Matty: Ich bin alt und klapprig. XD

by: Sonna
Von:  Silent-Tears
2005-09-04T17:03:09+00:00 04.09.2005 19:03
Endlich bin ich zum lesen gekommen... XD

Und gleich zu Anfang *heuuuuuuuuuul*
Als sich Joey endlich alles aus dem Leibe schrie, musste ich beinahe heulen. Dieser Moment war so fesselnd, so traurig, schlicht und ergreifend einfach zum losheulen...
Doch endlich hat er es überwunden. Das ist sooo toll...
Doch die Sache mit dem Aids ist so heftig, ich hoff ja so auf ein gutes Ende was dann die Ergebnisse angeht....
Kaiba ist ja auch nervlich sehr angekratzt, du beschreibst das es super...
Und jetzt muss Joey noch das nem wildfremden Typ erzählen, der Arme... Ist bestimmt verdammt schwer :(

Freu mich schon wenn es weiter geht.. das die beste FF von Yu-Gi-Oh die ich je gelesen habe bzw. lese...

LG
Navarababy


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