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Dritter Teil: Das Licht der Welt

Fortsetzung von "Du kennst mich nicht und doch hasst du mich" und "Gift in Körper und Seele"
von

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Müde

Doch Joey verkroch sich weiterhin, verbarg das tränennasse Gesicht zwischen den Armen. Kaiba biss die Zähne zusammen, seine Miene zuckte angespannt und ohne lange nachzudenken, packte er Joey fester und zerrte ihn in die aufrechte Haltung zurück. Sogleich presste der Blonde das Kinn auf die Brust hinab, seine Schultern hoben und senkten sich hastig unter hektischen Atemzügen.

"Joseph!" Kaiba schob sich hinter ihn, rückte nahe an ihn heran und umschloss den zitternden Körper fest mit den Armen. Er presste sich an ihn und sofort fuhr der Blonde in die Höhe. Zu Tode erschrocken riss er das Gesicht nach oben, schnappte nach Luft und versuchte sich gegen die starke Umarmung zu wehren.

"Lass mich los!!" Er schrie völlig aufgelöst, räkelte sich kraftlos und ballte die Hände zu Fäusten. Doch daraufhin hielt Kaiba ihn nur noch sicherer und sorgte dafür, dass ihre Körper fest aneinanderlagen. Genau diese Tatsache schien Joey in Panik zu versetzen. "Lass los!!" Er begann um sich zu schlagen, sich mit allen Mitteln zu wehren und Kaiba drückte nur noch fester zu. Joey spürte die Wärme des anderen Körpers sehr intensiv, fühlte den schmerzhaften Griff, der ihm beinahe die Luft abschnürte. Gehetzt schluckte er die Tränen hinter, zog die Nase hoch und schrie erneut. Er bettelte, ja, flehte, dass Kaiba endlich von ihm abließ, doch dieser schien ihm überhaupt nicht zuzuhören und bald gingen auch die letzten Kräfte des jungen Mannes ihrem Ende entgegen.

"Oh... Gott...", laut schluchzend beugte er sich etwas nach vorn und schloss verkrampft die Augen, "Bitte... bitte... Kaiba..."

"Wenn du Angst hast, dann schrei doch einfach!", antwortete dieser angespannt und drückte zu. Ein starkes Zittern raste durch den jungen Körper, er erschauderte spürbar.

"Kaiba...", Joeys Stimme war nicht mehr als ein heiseres Krächzen, als er sich mit benommenen Bewegungen erneut zu räkeln begann, "... lass los!!"

Kaiba holte tief Luft, ließ den Kopf sinken und biss die Zähne aufeinander. Diese Tränen genügten ihm nicht... er wollte mehr von Joey... mehr als das.

"Kaiba!!!", würgte dieser einen weiteren lauten Schrei hervor und bewegte die Füße in der trockenen Erde. Anschließend ächzte er laut, schüttelte den Kopf und brach in lautes Keuchen aus. Er begann schneller zu atmen, als sammle er für etwas Kraft. Zitternd spreizten sich seine Finger, schnell ballten sich die Hände wieder zu Fäusten und ein letztes Mal schnappte er nach Luft. Kaiba spürte, wie er kurz den Atem anhielt, hörte, wie er leise hustete...

Und dann schrie Joey. Er schrie einfach drauf los, schrie so laut, wie es seine Kehle zuließ. Er tat es mit aller Kraft, mit all der Wut, all der Angst und der Panik, die sich in ihm angestaut hatte. Laut schallte der Schrei über das weite Feld... und doch hörte ihn niemand. Nur Kaiba. Dieser lockerte die Umarmung nicht und hielt die Augen geschlossen, während Joey heftig einatmete und erneut schrie.

Das wollte er hören! Darauf hatte hingearbeitet!

Joeys Stimme besaß plötzlich eine Kraft, die man dem schwachen Körper nicht zugetraut hätte. Sie ertönte in solch einer Lautstärke, brachte so unglaublich viel zum Ausdruck, dass sich eine kalte Gänsehaut über Kaibas Arme zog. Joey riss den Mund weit auf, beugte sich verkrampft nach vorn und schrie weiter.

Und mit der Zeit begann seine Schreie zu zittern. Erschöpft presste Joey sie hervor und schrie weiter, bis seine Stimme brach. Erneut brach er in leises Husten aus und atmete röchelnd ein, um sich auch den Rest der Schmerzen aus der Seele zu schreien. In dieser kurzen Stille wirkten die Flügelschläge, der Vögel, die sich in weiter Entfernung aus den Bäumen erhoben, unnatürlich laut. Ein kraftloser Atem kam über Joeys Lippen, als dieser erneut den Kopf sinken ließ. Lange Strähnen fielen in sein Gesicht und eine weitere Träne säumte den Boden, als er benommen blinzelte, stumm den Mund bewegte und einen letzten Schrei hervorbrachte. Nur leise ertönte er und er verstummte erst, als keine Luft mehr in Joeys Lunge war. Ein kraftloses Ächzen... und dann kehrte die Stille zurück. Geschmeidig zogen die Vögel über die beiden hinweg, der Wind schien völlig zu erliegen.

Langsam und vorsichtig löste Kaiba den Griff, zog die Arme zurück und ließ sich etwas zurückfallen. Er stützte sich ab, ließ den Hinterkopf in den Nacken fallen und öffnete die Augen. Die blauen Augen zeigten eine unbeschreibliche Erleichterung, als sie sich auf die vorüberwandernden Wolken richteten und sie ruhig beobachteten. Joey war nach vorn auf die Ellbogen gekippt, auf denen er sich nun etwas über der Erde hielt. Dennoch berührte die Stirn den Boden, als er den Kopf sinken ließ und so verharrte. Zusammengekauert der eine, entspannt und schweigsam der andere. Kaiba zwinkerte, schluckte und genoss die frische Luft. Er atmete tief ein, schloss die Augen und lauschte dem leisen Keuchen, welches vor ihm ertönte. Dennoch bewegte er sich nicht, hielt eine lange Zeit diese Haltung und rappelte sich erst auf, als auch der Blonde wieder zum Leben zu erwachen schien. Gedrungen zog Joey die Nase hoch, hob etwas den Kopf und starrte um sich. Kaiba hockte hinter ihm, hatte die Arme über die Ellbogen gelegt und sah ihn an. Der Blonde schniefte kurz, fuhr sich mit der zitternden Hand über das Gesicht und richtete sich etwas unbeholfen auf. Erneut rieb er sich die Augen, als er aufrecht kauerte, seine andere Hand tastete sich benommen über den Boden und seine Miene wirkte, als hätte er soeben etwas erlebt, das er noch nicht glauben konnte. Als gäbe es etwas, das er noch realisieren musste. Erneut rann eine Träne über seine Wange und er wischte sie fort, während er sich keuchend umblickte. So verging eine lange Zeit und Kaiba schwieg, wollte die Atmosphäre, die plötzlich und unerwartet eingetreten war, nicht nur Worte zerstören. Und er ließ Joey Zeit, die dieser scheinbar dringend benötigte, um die eigenen Gedanken zu ordnen. Der Blonde leckte sich die Lippen, zog die Nase hoch und blinzelte. Endlich kehrte der Wind zurück und Kaiba schloss genüsslich die Augen, als er seinen Schopf durchstreifte. Und als er sie wieder öffnete, hatte Joey die Hand gehoben, die Innenfläche nach außen gedreht und das Gesicht gesenkt, als wolle er sie anstarren. Die Hand zitterte auffällig und Joey würgte ein schweres Schlucken hinunter, während er sie erhoben hielt. Kaiba beobachtete ihn aufmerksam, nahm kurz darauf ein mattes Kopfschütteln wahr. Somit wurde auch die zweite Hand gehoben und das Gesicht bewegte sich noch immer von einer Seite zur anderen.

"Was...", die Schultern des Blonden hoben sich, die tränenerstickte Stimme drang nur leise zu Kaiba, "... was habe ich getan..."

Kaiba wandte den Blick ab, ließ ihn flüchtig über die weite Flur schweifen und kam dann auf die Beine. Entspannt stand er auf und ging um Joey herum, um sich in sicherer Entfernung, vor ihn zu hocken.

"Was habe ich nur getan...?" Joeys Miene verzog sich und die zitternden Hände ballten sich zu Fäusten, wurden sinken gelassen und stützten sich in die Erde, als sich Joey erneut etwas nach vorn beugte. "Was habe ich getan...?" Ein leises Schluchzen unterbrach ihn und Kaiba rieb sich das Kinn.

"Das was vielleicht jeder getan hätte... Joseph." Er antwortete ihm leise und ruhig und Joey reagierte und sah zu ihm auf. Er starrte an ihm vorbei, schniefte und wandte den Blick zur Seite.

"Ich...", benommen wischte er sich die Tränen von den Wangen, "... ich habe alle belogen... und verletzt..."

Kaiba schwieg und Joey schüttelte erneut den Kopf.

"Ich habe... Daniel... ich habe ihn... und Lee habe ich... verleugnet. Ich habe...", er presste sich die Hand auf das Gesicht, "... alles falsch gemacht."

Kaiba biss sich auf die Unterlippe und faltete die Hände.

"Die Fehler machen uns zu Menschen, Joseph. Und die Einsicht macht uns zu weisen Menschen... zu ehrlichen Menschen." Er sah Joey an und dieser weinte leise. "Und wir lernen aus Fehlern, lernen, es besser zu machen und einige Dinge zu verändern. Fehler sind nützlich, obwohl sie manchmal sehr wehtun."

"Aber...", lautes Schluchzen brach aus Joey heraus und Kaiba verstummte, "... ich... ich hab dich zum weinen gebracht!"

Kaiba wirkte überrascht, als er diese Worte hörte. Er hob die Augenbrauen, legte den Kopf schief und als Joey laut zu weinen begann, zeichnete sich ein mildes Lächeln auf seinen Lippen ab.

"Ja", seufzte er. "Und es hat mir sehr gut getan. Kannst du das nicht bezeugen?"

Wieder verbarg Joey das Gesicht, sein Körper erbebte unter lautem Schluchzen.

"Es tut mir so leid!", rief er dann mit tränenerstickter Stimme. "Es... tut mir leid! Ich wollte das nicht! Ich wollte niemanden verletzen! Daniel nicht... dich nicht! Und ich wollte nicht so über Lee sprechen... obwohl ich so grausame Angst um ihn habe!!"

"Aber er ist frei", beschwichtigte Kaiba ihn ruhig. "Man kümmert sich gut um ihn, auch er muss keine Angst mehr haben."

Doch Joey beruhigte sich nicht. Er schluchzte und begann wieder den Kopf zu schütteln.

"Und...", Kaiba musterte ihn aufmerksam, "... er ist sicher stolz auf dich."

"Wie kann man stolz auf mich sein...? Ich bin ein verdammtes Arschloch."

"Nein, du bist ein Mensch, der zuerst an andere denkt und sich dabei selbst vergisst. Und das ist keine schlechte Eigenschaft."

"Aber sie bringt Unglück", widersprach Joey gedämpft und fuhr sich über die Augen.

"Gute Eigenschaften haben auch Nachteile." Kaiba zuckte lässig mit den Schultern. "So wie alle anderen Dinge auch Nachteile haben. Man muss es nur akzeptieren. Man muss akzeptieren, dass man nicht perfekt ist, auch die Menschen in der Umwelt sind nicht perfekt. Nein, keiner von ihnen."

Somit brach ein kurzes Schweigen aus und trotz all der Worte ließen Joeys Tränen nicht nach. Zusammengesunken blieb der Blonde kauern, während Kaiba die Unterlippe mit den Zähnen bearbeitete und geduldig wartete. Nebenbei erfassten seine Augen ein Auto, welches mit schneller Geschwindigkeit an dem Feld vorbeifuhr. Nur leise konnte er das Motorengeräusch vernehmen und bald darauf, verschwand es auch schon wieder zwischen hohen Bäumen, die sich am Straßenrand aneinanderreihten. In nicht allzu weiter Entfernung, ließen sich einige Raben auf der trockenen Erde nieder und begann herumzuspazieren, hier und dort pickend und nach Nahrung suchend. Und Joey schluchzte.

Erneut umspielte sie der sanfte Wind und als die Sonne hinter einer dichten Wolke auftauchte, erstrahlte die Gegend etwas heller und Kaiba blinzelte unter dem Licht.

"Seto...", nahm er dann eine kraftlos Stimme wahr und wandte sich an Joey. Der junge Mann hatte sich aufgerichtet, die Hand sinken gelassen und starrte ihn nun mit nass schimmernden Augen an, deren Braunen flehend zusammengezogen waren. Wieder zog er die Nase hoch, "... verzeih mir."

Vorerst antwortete Kaiba nicht. Schweigend betrachtete er sich die braunen Pupillen, das tränennasse Gesicht und den verzweifelten Ausdruck, der auf ihm lastete. Kein schöner Anblick, diese hübsche Miene so zu sehen...

Kurz darauf senkte er die Lider, schürzte die Lippen und starrte auf die Erde.

"Joseph?"

"Hm...?" Schniefte Joey.

Aus den Augenwinkeln sah Kaiba ihn wieder an, studierte und musterte und atmete letzten Endes tief durch.

"Darf ich dich umarmen?"

Joey schloss den Mund, rümpfte die Nase und blinzelte mehrmals. Kaiba wartete und nachdem Joey die Nase erneut hochgezogen hatte, erkannte er ein mattes Nicken. Kraftlos hoben sich die Arme des Blonden und Kaiba kam ihm entgegen. Vorsichtig rutschte er an ihn heran und wartete, bis Joey die Arme um seinen Hals gelegt hatte, bevor er die Umarmung zurückhaltend erwiderte. Langsam und doch ohne eine Pause einzulegen, schob er die Hände über Joeys Rücken, schob sie, bis sie sich trafen und faltete sie ineinander. Er spürte, wie Joey sich gegen ihn lehnte, die Stirn auf seiner Schulter bettete und das Gesicht kurz darauf zu seinem Hals schob, gegen den er es presste. Heiß strich der Atem über die Haut, auch von den Tränen wurde sie benetzt und als Kaiba die Augen schloss und die Wange zärtlich an das blonde Haar schmiegte, begann Joey wieder zu weinen. Nun jedoch nicht in vereinsamter Haltung, nein, im Schutz einer liebevollen Umarmung und in sicherer Geborgenheit.
 

Leise knirschte der Kies, als der schwarze Wagen das massive Tor hinter sich ließ und in gemächlichem Tempo die kleine Anhöhe hinauffuhr, auf dem die Villa der kleinen Familie Kaiba stand. Es war in den frühen Mittagsstunden und die Sonne prasselte heiß auf die Gegend hinab.

Langsam drehte Kaiba das Steuerrad und lenkte den Wagen zur Seite, als er den großen Platz vor der Eingangstür erreichte, vor der der gewohnte Pinguin stand und sogleich stramme Haltung annahm. Geschmeidig kam der Wagen zum Stillstand und kurz darauf wurde der Motor ausgeschaltet und die Fahrertür öffnete sich. Bequem stieg Kaiba aus, beschattete die Augen mit der Hand und blickte sich kurz um, während er die Tür hinter sich schloss. Lässig ließ er den Autoschlüssel vom Finger baumeln und gemächlich in der Hosentasche verschwinden. Dann trödelte er los, ging in langsamen Schritten um den Wagen herum und erreichte die Beifahrertür. Auch diese öffnete er. Er öffnete sie weit, beugte sich hinein und schien lange zu tasten. Dann hob er den schlafenden Joey hoch, hielt ihn sicher unter dem Rücken und den Kniekehlen und lehnte sich etwas zurück, damit er an ihm lehnte. Der Blonde gab keine Lebenszeichen von sich. Mit offenem Mund und entspannt geschlossen Augen lag er in Kaibas Armen. Er war wieder in die Decke gehüllt und machte einen friedlichen Eindruck, wären das blasse Gesicht und die geröteten Augen nicht gewesen. Konzentriert hievte Kaiba ihn höher, tastete mit dem Fuß nach der Tür und schloss sie. Dann wandte er sich um, drehte Joeys Gesicht mit der eigenen Schulter etwas zur Seite und ging auf die Tür zu, die von dem Mann sofort geöffnet wurde. So betrat er das kühle Foyer, raffte Joey wieder höher und näherte sich den Treppen.

Irgendwann war Joey einfach eingeschlafen. Von allen Kräften verlassen und restlos erschöpft, hatte er in Kaibas Armen aufgegeben. Lange waren sie dort sitzen geblieben, lange hatte Joey geweint und Kaiba beruhigende Worte in sein Ohr geflüstert. Nun brauchte der Blonde unbedingt ein warmes Bett und viel Ruhe.

Ohne größeren Kraftaufwand erreichte Kaiba die erste Etage, bog in den rechten Gang ein und ging bis an sein Ende, zu dem Gästezimmer, welches Joey oft benutzte. Als er es erreichte, drückte er die Klinke mit dem Ellbogen hinab, schob die Tür mit der Hüfte auf und betrat den Raum, direkten Kurs auf das Bett nehmend. Als er es erreichte, grunzte Joey leise. Er bewegte sich auch kurz, mummelte sich noch tiefer in der Decke ein und fand sogleich zum tiefen Schlaf zurück. Etwas unentschlossen blieb Kaiba vor dem Bett stehen, sah von der Decke auf den Boden und schien kurz zu grübeln. Letztendlich legte er Joey vorsichtig ab, zerrte die Decke unter ihm hervor und zog sie sorgsam über ihn. Und als er sich gerade aufrichtete, um den Anblick noch etwas zu genießen, da nahm er ein leises Geräusch wahr. Er lauschte auf, sah sich um und zog nach einem kurzen Grübeln eine Grimasse.

"Verflucht." Er fuchtelte mit der Hand, drehte sich um und verließ schnell den Raum. Hastig schloss er noch die Tür hinter sich und anschließend eilte er durch den Flur. Durch den Flur, bis er die große Treppe erreichte und von dort aus direkt in den nächsten Gang. Er beeilte sich, erreichte kurz darauf sein Arbeitszimmer und riss die Tür auf. Das aufgeregte und laute Klingeln des Telefons kam ihm entgegen und in zügigen Schritten ließ er die wenigen Meter bis zu dem Schreibtisch hinter sich, lehnte sich über die glänzende Fläche und drückte einen Knopf.

"Ja?", ächzte er.

"Lenzich am Apparat", kam die ruhige Antwort und Kaiba blickte sich flüchtig um und ließ sich letztlich auf der Tischkante nieder. "Gut, dass ich Sie erreiche."

"Was gibt es Neues?", erkundigte sich Kaiba.

"Nun, wie Sie wissen, wird die Gerichtsverhandlung übermorgen beginnen und bisher haben wir nur einen Zeugen, der zwar sehr glaubwürdig ist, aber...", Kaiba biss sich die auf die Unterlippe, "... die Menschen im Dorf haben natürlich von nichts gewusst."

"Ich weiß, worauf Sie aus sind", erwiderte Kaiba etwas nachdenklich. "Es gibt zwei weitere Zeugen, beide hier in Domino. Von dem einen kann ich Ihnen die Telefonnummer geben. Der Freund des Befreiten, er wird Ihnen viele Informationen geben können."

"Wird er denn auch nach Deutschland kommen können?"

"Bezweifle ich nicht." Kaiba sah sich suchend um... in der Leitung herrschte eine kurze Stille.

"Und der zweite Zeuge?"

"Der...", Kaiba antwortete nicht sofort. Er drehte sich auch zur anderen Seiten und tastete seine Hosentaschen ab, "... sein gesundheitlicher Zustand lässt eine solche Reise nicht zu", log er dann den Putz von der Wand. "Eine schriftliche Aussage dürfte jedoch möglich sein."

"Gut, wir können alles gebrauchen."

"Haben Sie einen guten Staatsanwalt?" Endlich wurde Kaiba fündig. Aus der Hintertasche der Hose, zog er einen zerknüllten Zettel und faltete diesen auseinander. "Und haben die Männer schlechte Anwälte?"

Ein leises Lachen war zu hören, das irgendwie richtig perfide klang.

"Bitte machen Sie sich keine Sorgen, Herr Kaiba. Es wurde bereits für alles gesorgt, der Gerechtigkeit steht nichts mehr im Wege. Die Beweislage ist eindeutig, unter fünfzig Jahren sehe ich keine Chance für die drei. Nun darf es jedoch an keinen Vorbereitungen mangeln. Ich werde mich noch heute mit den Zeugen in Verbindung setzen und..."

"Mit dem einen Zeugen", verbesserte Kaiba. "Was den anderen angeht, werden Sie entweder jemanden aus Deutschland herschicken, oder jemanden aus Domino wählen müssen, der die Aussage aufnimmt und an das Gericht weiterleitet. Das dürfte doch kein Problem sein?"

"Nein, das dürfte sich machen lassen."

Damit war Kaiba zufrieden. Er gab noch Daniels Telefonnummer durch und erfuhr, dass sich am morgigen Tag jemand bei ihm einfinden würde, der sich um die Aussage kümmerte. Um Joeys Aussage...

Ansonsten hielt Kaiba das Gespräch kurz. Er schützte sich vor weiteren Danksagungen und interessierte sich auch nicht für den genauen Verlauf der Verhandlung. Das einzige, was er wollte, war Klarheit und Ruhe. Und damit Joey diese Ruhe ebenso genießen und sich erholen konnte, war es unmöglich, dass er eine Reise von Japan nach Deutschland auf sich nahm, um in einem Gerichtssaal, in dem viele Menschen saßen, auf jene Männer zu treffen, die sein Leben für eine kurze Zeit zur blanken Hölle gemacht hatten. Auch, dass er seine Geschichte wieder und wieder erzählte, musste nicht unbedingt sein. So verabschiedeten sie sich kurz darauf voneinander und Kaiba löste ein weiteres Versprechen ein und rief Duke an, der scheinbar völlig aufgelöst und todesnervös neben dem Telefon gelauert hatte. Es klingelte nur einmal, dann wurde abgenommen und es dauerte lange, bis Kaiba all die Geschehnisse erklärt und den aufgebrachten jungen Mann beruhigt hatte. Diesem fiel es natürlich schwer, zu glauben, dass Joey gesprochen,- und alles aus sich herausgelassen hatte. Doch die Erleichterung, dass genau dies der Fall war, beruhigte ihn und so gab es einen nervösen Menschen weniger, als Kaiba auch dieses Telefonat beendete und sich erschöpft in den Sessel fallen ließ. Dort faltete er die Hände auf dem Bauch und schloss die Augen.

Mokuba war in der Schule...

Pikotto kümmerte sich um die Firma...

Joey schlief friedlich...

Duke machte sich keine Sorgen mehr... würde auch die Ärzte im Krankenhaus beruhigen und erklären, dass es sich nicht um eine kaltblütige Entführung mit Lösegeldforderung handelte.

Er räkelte sich kurz, ließ sich tiefer sinken und legte die Füße auf dem Tisch ab. Er wusste nicht, ob er das Geschehen selbst schon realisiert hatte. Er war nervös gewesen, nachdem er Daniels Hotel verlassen hatte. Ja, er hatte sich Gedanken gemacht, nach einem Weg gesucht, Joey zu helfen. Und nun...?

Nun fühlte er sich gut, denn er hatte es geschafft. Er selbst hatte unangenehme Worte auf sich genommen, um den harten Willen seines Freundes zu brechen und war währenddessen zu einer Einsicht gekommen, die sich in beide Richtungen wenden konnte. Ins Positive... ebenso gut jedoch ins Negative.

>Joseph ist zäh geworden<, dachte er sich, als er die Augen öffnete. >Wäre ihm so etwas vor zwei Jahren passiert, wäre er sofort zu mir gekommen, wäre auf mich angewiesen gewesen. Nicht, dass er es nun nicht wahr, doch man benötigt einen unglaublich harten Kern, um so ein Erlebnis überdecken und verdrängen zu können. Und nicht nur einen harten Kern, nein, auch eine harte Schale, die dazu imstande ist, zu grinsen, während die Verzweiflung tief im Inneren schreit. Nicht jeder Mensch ist dazu imstande. All das Durchgemachte muss ihn abgehärtet haben. Katagori, Hirayama, die Entführungen... Verletzungen. Und trotz der Blindheit hielt er durch, ließ sich nichts anmerken und reagierte nicht einmal, als ich ihm unwissend von meinem Fehler erzählte und ihn somit mit der Wahrheit und dem Fehler konfrontierte, den er begangen hat. Er muss zäh sein... denn beinahe wäre es missglückt. Beinahe hätte ich aufgegeben und ich wüsste nicht, was ich weiterhin getan, ob ich durchgehalten hätte. Er hatte mir unglaublich viel entgegenzusetzen, hat sich bis zuletzt gesträubt und versetzte mir somit einen derben Schlag. Doch nun? Ich glaube, es hat ihm geholfen, ich glaube, es wird ihm besser gehen, nun, da er mit mir über alles sprechen kann.< Er stützte den Ellbogen auf die Lehne auf legte das Kinn in die Handfläche. >Ich werde ihm helfen, so gut ich kann. Es ist furchtbar, was geschehen ist und dennoch ändert es nichts an meinen Gefühlen.< Er betrachtete sich den Kamin, presste die Lippen aufeinander und hielt in jeglichen Bewegungen inne. Seine Miene nahm einen ungewohnten Ausdruck an und seine Gedanken schienen sich in eine anderen Richtung zu lenken. Binnen weniger Sekunden wirkte er nicht mehr wie ein Mensch, der etwas großes vollbracht und nun vollends zufrieden war. Nein, plötzlich glich er einem, der auf ein neues Problem erinnert wurde. Er seufzte leise, rieb sich das Kinn und schloss die Augen.

>Aber was ist...<, seine Brauen verzogen sich, >... wenn er wirklich...?<
 

Den Rest des Tages verbrachte er in der Villa, ohne sie ein einziges Mal zu verlassen. Nachdem er lange an Joeys Bett gesessen, und sich diesen betrachtet hatte, zog er sich in sein Arbeitszimmer zurück, um Pikotto etwas unter die Arme zu greifen. Per Computer tat er seinen Job, vertiefte sich in die Arbeit und ließ sich durch nichts stören. Die Arbeit tat ihm gut, sie hatte den tollen Nebeneffekt, alle anderen Gedanken abzutöten und genau das konnte Kaiba nun gebrauchen. Er schrieb ein paar E-Mails, sah seinen Terminkalender durch und gab Pikotto Bescheid, dass die Vollmacht noch weitere Tage allein in seinen Händen liegen würde. Wieder einmal gab es Dinge, die wichtiger waren und hinzukommend glaubte Kaiba, dass er etwas Freizeit ebenso nötig hatte, wie Joey, der friedlich schlummerte. Am Nachmittag kehrte dann Mokuba aus der Schule zurück und Kaiba kümmerte sich um ihn.

"Und...?", fiepste der Junge, als er unten in der Küche saß und unter dem Tisch mit den Beinen baumelte. "Wie war dein Tag?"

Kaiba war damit beschäftigt, in den Regalen nach etwas Essbarem zu suchen und zuckte nur mit den Schultern. Heute hatten die Köche keinen Dienst und so sah er sich für das Essen seines kleinen Bruders verantwortlich.

"Ich habe Joseph aus dem Krankenhaus abgeholt", murmelte er, als er sich bückte und einen der untersten Schränke öffnete. Er kannte sich in seiner eigenen Küche nicht aus.

"Geht´s ihm denn wieder gut?", erkundigte sich Mokuba sofort. "Kann er wieder sehen?"

"Mm-mm." Kaiba schüttelte den Kopf und begann den Schrank auszuräumen. "Wo zur Hölle..."

"Und wann kann er wieder sehen?", fragte Mokuba vergnügt.

"Weiß nicht... ah, da ist´s ja." Er wühlte sich tiefer, griff nach irgend etwas und hob es hoch. "Isst du das?"

Skeptisch legte der Junge den Kopf schief.

"Das ist doch kein Mittagessen."

"Natürlich ist das Mittagessen." Kaiba runzelte die Stirn und drehte sich kurz zu ihm um.

"Seto...", Mokuba stützte seufzend das Kinn auf die Hand, "... das ist ne Bratensoße."

"Keine Suppe?" Kaiba musterte die Verpackung säuerlich, warf sie in den Schrank zurück. Anschließend schloss er diesen, wischte sich über die Hose und sah sich um. Dabei wurde er aufmerksam beobachtet. Wenige Sekunden später stand er vor dem Kühlschrank und beäugte dessen Inhalt. Unglaublich viele Süßigkeiten... und die konnte man ebenso wenig zum Mittag essen wie eine Bratensoße.

"Mach dir noch einen HotDog", murmelte er, während er die grellen Tüten zur Seite schob.

"Wir haben keine Würstchen mehr."

"Dann eben ein Sandwich."

"Salat auch nicht."

"Dann ist du eben ein Sandwich ohne Salat." Kaiba stöhnte und suchte weiter.

"Dann ist es aber kein Sandwich mehr", mäkelte Mokuba und sein Bruder ließ entkräftet den Kopf sinken.

"Kannst du dir keinen Pudding kochen?"

"Dazu hab ich viel zuviel Hunger." Mokuba blähte die Wangen auf.

"Dann ist du eben Brot."

"Wir haben nur noch Brötchen."

"Wer zur Hölle ist hier für den Einkauf zuständig", fluchte Kaiba und schloss den Kühlschrank. "Dann isst du eben Brötchen."

"Ich mag aber keine Roggenbrötchen."

Kaiba atmete tief ein, blähte die Wangen auf und hielt den Atem an. Er grübelte, starrte auf Mokuba und ächzte nach wenigen Sekunden.

Okay, er gab auf.

"Bestell dir ne Pizza..."

"Yippie!" Sofort sprang der Junge vom Stuhl und rannte nach draußen. Sich die Stirn reibend, lehnte sich Kaiba an eine Ablage und schlug die Beine übereinander.

"Ist es zuviel verlangt, dass man den Haushalt für mich übernimmt?", murrte er und pustete sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. "Ich brauche jemanden, der mit der Verantwortung umzugehen weiß... auf den man sich verlassen kann!"
 

~*To be continued*~
 

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Bemerkung einer ganz Gerührten:

Leute... ihr seid super! *snief*

Ihr haltet durch und begleitet mich auf dem Weg der wunden Finger und den Schreibtiefs. Ó_Ò

Und ihr schreibt herrliche Kommentare, die mich immer wieder anspornen!

*die Runde rumgeh*

*alle drück*

Dankesööööön... *schnüff*

*Taschentuch zück*

Bin froh, dass es euch gibt. QQ

*smile*

Eure Mononoke



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Kommentare zu diesem Kapitel (7)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2010-04-20T10:26:22+00:00 20.04.2010 12:26
Oh Gott! Das ist soooooooo genial beschrieben wie Joey zusammenrbicht und alles aus ihm herausbricht! Aber zum Glück ist Kaiba ja da und kümmert sich um ihn! óo
Von: abgemeldet
2005-09-06T10:53:11+00:00 06.09.2005 12:53
*vor Lachen auf Boden roll*
Und da dachte man, Kaiba sei perfekt! Köstlich!
XDDDDD
Als Hausmensch versagt er ja total... armer Junge... so nen Bruder zu ham. Einen, der zwar hyperintelligent ist und viel Geld verdient, jedoch nichts kochen kann. Der würde echt verhungern! Schönes Kappi! ^^
Endlich hat´s Kaiba geschafft - Joey is gebrochen...
fein, fein, dann kanns ja nu wieder ruhiger werden, obwohl Lee wie gesagt, noch auftauchen soll. Und ich glaub nich, dass Joey ne Feier veranstaltet. -_____-
Ma schun.
*gg*
Gut gemacht.
Von:  naboru
2005-09-05T23:42:45+00:00 06.09.2005 01:42
ok, du bekommst jetzt für das letzte und das kapitel ein kommi... mexx hat mal wieder gesponnnen... *argh* grausam
-__-
grausam waren auch die szenen... meine güte, kaiba hatte es echt nicht leicht mit joey... aber GAR nicht... bin richtig froh, dass es jetzt hoffentlich wieder bergauf geht ^__^

genial fand ich die stelle am schuß in der küche *ggg*
"Das ist Bratensoße!" - "Keine Suppe?" *rofl*
Kaiba, der Antikoch *ggg*
Von:  Yukarri
2005-09-02T13:03:43+00:00 02.09.2005 15:03
Ach meine güte es geht ja schon weiter *nix gesehen hab*
Da musste ich natürlich gleich weiter lesen.

Ach einfach süüüüß wie sich Seto um Joey kümmert *ich will auch*. Schön das Joey jetzt endlich wieder klarer
im Kopf ist und auf dem Weg der Besserung.
Ich kanns auch kaum abwarten endlich Teil 4. zu lesen.
Hoffentlich bleibts so spannend. Wie immer war auch das Kapitel wieder genau so wie wirs von dir gewöhnt sind^^.
Bis dahin bleib schön fleißig.
bye
Von:  VegMac
2005-09-02T12:15:15+00:00 02.09.2005 14:15
Ach Gottchen...ich weis gar nicht mehr, was ich dir noch alles an Bewunderung aufbringen könnte... Alles ist wieder einmal toll!!!
Alles schööön *.*...die Tränen kamen, dass Taschentuch lag schon parat und wenn ich den letzten Teil dieser Story gelesen hab, erwartet mich der Seelenfrieden, damit ich mich entspannt an den 4.Teil machen kann... ^___°
Greez Ann-Chan
Von:  Sonna-Eraseus
2005-09-01T17:55:17+00:00 01.09.2005 19:55
Hi ^^

Man bin ich froh, das Joey wieder auf dem Weg der Besserung ist. Aber bei Setos ´Zusätzen´ musste er ja irgendwann nachgeben... egal wie stark er ist.
Sets Gedankengang diesbeüglich war klasse. Gibt n Vorgeschmackt auf Teil 4.

Freu mich schon auf das nächste Kapitel.

by: Sonna

P.S.: Weißt du in etwas, wie lang dieser Teil noch wird? *neugier*
Von:  Nightprincess
2005-09-01T09:43:52+00:00 01.09.2005 11:43
jaaaaaaa so mag ich das! sorry, dass ich heut mal etwas weniger schreibe, aber ich habs ein bissel eilig, wollt nur mal schnell mitteilen, dass es wieder mal ein klasse kapitel war und dass ich froh bin, dass es joey nun ein wenig besser geht *smile* danke ;-)


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