Zum Inhalt der Seite

Schutzengel wider Willen

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Patronus

Harry war verärgert gewesen, als ihm einer der Slytherin-Schüler einen ganzen Topf Schneckensirup über den Umhang gegossen hatte, besonders, da das nun schon das zweite Mal war, das er sich hätte umziehen müssen, wenn er denn noch einen Umhang gehabt hätte.

Viel erstaunter war er allerdings gewesen, als der braunhaarige Junge angeboten hatte, ihm nach der Stunde mit seiner Putzarbeit zu helfen, denn natürlich ließ Snape Harry die ganze Sache ausbaden. Sobald jedoch die Tür hinter dem letzten Schüler ins Schloss gefallen war, hatte der andere seine Maske fallen lassen und ihm ziemlich deutlich gemacht, dass Malfoy ihn an dem Abend erwartete und dass er pünktlich zu sein hatte. Danach hatte er Harry zwar geholfen, die Schweinerei wieder zu entfernen, dabei jedoch mit giftigen Blicken nur so um sich geschossen, was Harry in dieser Form doch recht verwunderlich fand.
 

Als er den Raum verlassen hatte, kam Harry ins Grübeln. War Malfoy während dieser Stunde eigentlich an seinem Platz gewesen? Wenn er es sich recht überlegte, wohl nicht. Allerdings hatte er nicht so genau darauf geachtet, weil Ron ihn immer noch damit abgelenkt hatte, dass auch er an diesem Tag zum ersten Mal einen Patronus zustande gebracht hatte. Zu Ron Entsetzen war es ein Kaninchen gewesen, auch wenn Harry ihm immer wieder versicherte, dass es ein wirklich großes Kaninchen gewesen sei. Auf den charismatischen Anführer der Slytherins hatte er dabei jedoch nicht geachtet.
 

Moment, hatte er ihn so eben als charismatisch bezeichnet, fragte er sich selbst erstaunt, doch es stellte fest, dass es zutraf und man Malfoy durchaus so nennen konnte, auch wenn ihre Ansichten weit auseinander gingen. Der Blonde hatte mehr Tiefgang, als er selbst zugeben wollte und verdeckte diese Ansätze gerne mit höhnischen Bemerkungen und eiskaltem Spott. Doch der Gryffindor war sich sicher, dass mehr dahinter steckte; sogar sehr viel mehr, als seit ihrem allerersten Zusammentreffen jemals vermutet hatte.
 

Wie konnte ein so junger Mensch schon zu so leidenschaftlichem Hass und so gefühlloser Kälte bereit sein, fragte sich Harry, als er eine der Treppen zu dem Klassenzimmer im Dritten Stock hinauf stieg. Er hatte sich unter einem Vorwand aus dem Gryffindor-Turm geschlichen und nach ihrem Streit, ließen seine Freunde ihn meist in Ruhe, weil sie sahen, dass es ihm dadurch besser ging. Dass er sich mit Malfoy traf, hatte er ihnen wohlweislich nicht erzählt, denn dieses Geheimnis ging die beiden nichts an.
 

Es war nicht so, dass sie noch böse aufeinander waren und er selber konnte inzwischen ein bisschen besser verstehen, warum die zwei nicht mit ihm klar gekommen waren. Sie standen ihm einfach zu nahe, als dass sie seine Gefühlsausbrüche hätten ertragen können, ohne selber Schaden daran zu nehmen. Irgendwann würde es wieder so sein wie früher, doch dazu brauchten beide Seiten Zeit.
 

Die Treppe, auf der er sich gerade befand, schien heute jedoch launisch zu sein und drehte sich, kurz bevor er oben ankam, in eine völlig andere Richtung, so dass er seufzend noch eine längeren Umweg in Kauf nehmen musste, um endlich zum Ziel zu gelangen.
 

Während er einen der vielen Gänge entlanglief, dachte er weiter über Malfoy nach. Wenn man so viel Zeit miteinander verbrachte, blieb das wohl nicht aus. Was der Slytherin wohl noch für Geheimnisse und Probleme hatte? Wie er wohl jetzt mit seinen Eltern klarkam, seit sein Vater offiziell vom Ministerium gesucht wurde? Ob der andere sich inzwischen an die Flügel gewöhnt hatte?
 

Dann musste der Gryffindor plötzlich lachen. Das war mal wieder typisch für ihn. Er sollte sich ernsthaft Gedanken machen, dass Voldemort sich mehr und mehr regte, denn genau das hatte Dumbledore ihm bei einem Gespräch heute Mittag deutlich zu verstehen gegeben. Was aber tat Harry? Er sorgte sich nicht um sich, sondern wieder nur um das Wohl seiner Freunde oder in dem Fall um Malfoys Wohl. Als wenn er es gar nicht erwarten konnte, wieder einmal für andere ins Feld zu ziehen, obwohl er selber alles andere als fit war. Selbst Ron war neben seiner Begeisterung für seinen Patronus aufgefallen, dass Harrys Schutzzauber längst nicht so kraftvoll gewesen war wie sonst.

Der Schwarzhaarige war sich wirklich nicht sicher, ob er ihn vor einem Dementor oder gar mehreren zustande gebracht hätte. Hoffentlich hatte es noch Zeit bis er das ausprobieren musste.
 

Doch er merkte auch, dass er lange nicht so erschöpft war, wie er es noch vor ein paar Wochen gewesen wäre. Malfoy war unerbittlich gewesen, wenn es darum gegangen war, Harry bis an die Grenzen seiner Belastbarkeit zu bringen. Immer und immer wieder hatte er den Gryffindor dazu gebracht sich zu öffnen, hatte seine Wutausbrüche mit jener so typischen, stoischen Ruhe über sich ergehen lassen, um dann hinterher erneut die Theorien des Gryffindors gnadenlos zu zerpflücken.
 

Der Slytherin hatte sein Selbstmitleid verhöhnt, hatte ihm seine Denkfehler unerbittlich unter die Nase gerieben und wenn Harry dann weinend am Boden gelegen hatte, weil einfach keine Kraft mehr zu etwas anderem mehr da gewesen war, hatte der blonde Junge ihm aufgehoben und sanft in die Arme genommen, bis sich Harry wieder beruhigte.
 

Das Überraschendste war jedoch gewesen, das er den Gryffindor trotz allem nie in dem Glauben gelassen hatte, er wäre sein Freund. Er ließ nicht locker, die Distanz zwischen ihnen zu betonen, wobei Harry sich da inzwischen nicht mehr so sicher war, ob das wirklich stimmte. Auch er kannte den anderen jetzt zu gut, um die kleinen Zeichen zu übersehen, die etwas anderes behaupteten.
 

Doch wer wusste schon, was im Kopf von Draco Malfoy vorging? Wahrscheinlich hatte es ihm sogar Spaß gemacht, seinen Feind am Boden zu sehen, doch sein Ehrgeiz hatte von dem Blonden wohl verlangt, ihn nicht völlig zu vernichten. Das und natürlich die herrlichen, weißen Engelsflügel, von denen der schwarzhaarige Junge jetzt manchmal schon träumte, anstatt immer nur einen Alptraum nach dem anderen zu durchleben.
 

Wenn man es recht betrachtete, waren die weißen Schwingen immer noch das einzig Liebenswerte an dem Slytherin, und gerade das machte es Harry möglich, dem Jungen immer noch in die Augen gesehen, auch wenn er ihm bestimmt ein gutes Dutzend Mal die eine oder andere nicht ganz unehrlich gemeinte Morddrohung an den Kopf geworfen hatte.
 

Doch auch darüber hatte der Blonde nur gelächelt und gesagt: "Na endlich benimmt sich Harry Potter mal wie ein normaler Mensch. Ist ja zum Kotzen, wenn du immer so nett bist." Wobei er es vortrefflich verstanden hatte, das Wort "nett" wie etwas sehr Ekliges und Unanständiges klingen zu lassen.
 

Als Harry schließlich vor dem Klassenraum stand, strich er sich den alten Pullover glatt und richtete sich auf. Malfoy war nach ihrem Zusammentreffen heute mittag mit Garantie auf Krawall aus, und er hatte keine Lust, ihm sofort wieder eine Angriffsfläche zu bieten, auch wenn es albern war, das an solchen Äußerlichkeiten festzumachen. Doch schließlich war nicht er derjenige, der auf so was achtete. Aber nachdem nun schon der zweite Umhang in der Wäsche war -der Kürbissaft hatte sich jeglichen seiner Reinigungszauber widersetzt- musste er wohl auf seine normale Garderobe zurückgreifen.
 

Aber er war nicht der Einzige, der in Zivilkleidung erschien, denn auch Malfoy trug keine Uniform. Er saß auf einem umgedrehten Stuhl, die Flügel hingen locker hinter der eigentlichen Sitzfläche des Stuhls hinunter, seinen Kopf hatte er auf seine Arme gelegt, die auf der Lehnen des Stuhles ruhten und er saß genau vor einem Fenster, durch das der Mond ihn in silbernem Licht beleuchtete.
 

Obwohl Harry wusste, dass sich der Slytherin höchstwahrscheinlich mit Absicht so in Szene gesetzt hatte, konnte er die innere Ästhetik dieses Bildes nicht leugnen. Er machte ein unbeteiligtes Gesicht und ging gleich zum Angriff über. "Malfoy, was soll das? Meinst du, du kannst mich jeder Zeit bestellen, wie es dir passt? Das lasse ich mir nicht bieten"
 

Die Antwort war entwaffnend kurz. "Du bist hier, Potter, oder nicht?"
 

Harry ließ sich jedoch nicht so leicht entmutigen. "Ich könnte aber sofort wieder gehen."
 

"Aber dann würdest du dich die ganze Zeit fragen, was ich von dir wollte.", konterte Malfoy lächelnd, als wäre er eine Katze, der die Maus schon lange nicht mehr entkommen konnte.
 

"Ich geb's auf.", murrte Harry, nahm sich ebenfalls einen Stuhl, stellte ihm dem Slytherin gegenüber auf und setzte sich. Minutenlang starrten sie sich nur an.
 

Dann brach Malfoy das Schweigen. "Ich will es lernen."
 

"Was lernen?", fragte Harry, der immer noch nicht begriff, was der ganze Zirkus sollte.
 

"Klingelt bei dem Wort Patronus was bei dir?", grinste der Slytherin und hob eine Augebraue.
 

"Ich denke du kannst es?", schoss Harry eine Frage ab. Malfoy sollte nicht versuchen ihn für dumm zu verkaufen.
 

"War gelogen.", antwortete der Blonde ruhig. "Deshalb wirst du es mir beibringen, Potter."
 

"Hast du mich gerade um etwas gebeten, Malfoy?", feixte Harry und beschloss auf das Spiel einzugehen.
 

"Nein!", kam es umgehend zurück. "Ich habe eine Feststellung getroffen, Potter. Das ist etwas anderes."
 

"Mir scheint, dass du dich dafür aber ziemlich rausgeputzt hast, Malfoy.", bemerkte Harry belustigt. Wenn der Blonde nun schon so einen Aufwand trieb, sollte er auch eine kleine Belohnung bekommen, denn Harry amüsierte sich eigentlich köstlich.
 

"Das ist nicht für dich, Potter. Außerdem geht es mir auf die Nerven immer halbnackt durch die Gegend zu laufen, wenn wir alleine sind." Irgendwie klang der Slytherin jetzt doch etwas verschnupft. "Aber nun lass uns endlich anfangen, obwohl ich bei deinen Klamotten ja verstehen kann, wenn man sich nach etwas andrem umguckt."
 

"Ach Schnauze, Malfoy. Als wenn das wichtig wäre. Was willst du nun wissen?"
 

"Ich kenne den Spruch, ich kenne die Bewegung mit dem Zauberstab, aber es funktioniert nicht, Potter. Warum nicht?"
 

"Vielleicht ist der Gedanke an deinen glücklichen Moment nicht stark genug, oder du konzentrierst dich nicht genug darauf.", vermutete Harry, doch der Blonde guckte nur zweifelnd.
 

"Dann zeig es mir.", verlangte er und deutete im selben Atemzug auf eine Kiste, die in einer dunkeln Ecke des Raumes stand. Harry hatte sie noch gar nicht bemerkt, aber sie kam ihm seltsam bekannt vor. Fragend sah er Malfoy an.
 

Der antwortete mit einem geheimnisvollen Grinsen."Hab ich von Lupin. Er meinte, das wäre nützlich zum Üben."
 

"DU hast mit Professor Lupin gesprochen?" echote Harry und kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. "Wenn das keine neue Seite an dir ist, weiß ich nicht, was noch kommen sollte."
 

"Der Werwolf war eigentlich ganz nett. Ich hab ihm gesagt, du hättest mich geschickt.", lächelte Malfoy und sah sehr zufrieden mit sich aus.
 

"Ach und du hättest dich von mir schicken lassen?". Harry konnte ich diese kleine Stichelei einfach nicht verkneifen. Es war zu komisch, wie der Slytherin um jeden Preis versuchte zu verhindern, dass er sein Gesicht verlor.
 

Doch er sah, dass er den Bogen fast überspannt hatte, deshalb stand er auf und begutachtete die Kiste. "Das ist die mit dem Irrwicht, hab ich Recht?"
 

"Schließlich bin ich kein Anfänger. Wenn ich etwas mache, dann richtig. Lupin hat erzählt, dass sich der Irrwicht bei dir immer in einen Dementor verwandelt, weil du so einen Schiss vor ihnen hast.", gab Malfoy selbstgefällig zur Antwort. "Dann zeig mal, was du kannst, Potter."
 

Mit diesen Worten war er seitlich an die Kiste herangetreten und hatte sie mit einer schnellen Bewegung geöffnet. Harry war im ersten Moment überrascht, wunderte sich jedoch nicht allzu sehr darüber. Schließlich war das immer noch Malfoy.
 

Der Irrwicht, der nun langsam aus der Kiste entschwebte, hatte tatsächlich immer noch die Form dessen, was er auf dieser Welt am meisten fürchtete: ein Dementor. Es hätte ja auch Voldemort persönlich sein können, doch dann berichtigte Harry seine Gedanken.

Voldemort war sein Todfeind und er würde sich ihm irgendwann stellen müssen. Aber der HErr der Todesser trug nicht diesen ungreifbaren Schrecken an sich wie die Dementoren, sondern war ein recht reale Bedrohung, der Harry irgendwie würde begegnen müssen. Jetzt jedoch galt es eine Patronus zu beschwören.
 

"Expecto Patronum!", sprach Harry deutlich, bevor der Irrwicht seine Wirkung komplett entfalten konnte. Der bekannte silberweiße Nebel stieg aus seinem Zauberstab und formte die Gestallt eines großen Hirsches. Doch Harry spürte, die Wirkung der großen Kälte, die von dem Wesen ausging trotzdem. Er verstärkte den Gedanken an seine Eltern und ihre Liebe, die ihn Zeit seines Lebens begleitet hatte und sein Patronus wurde greifbarer.
 

Der Irrwicht wich wieder in Richtung der Kiste zurück, doch plötzlich wurde ihm offensichtlich bewusst, dass er eben kein normaler Dementor war. Er drehte sich um und stürzte sich auf sein anderes Opfer, das ihm wesentlich näher stand und nicht geschützt war:
 

Draco Malfoy



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2005-05-04T17:52:50+00:00 04.05.2005 19:52
wie war das noch mal? Mehr Tiefgang als man glaubt...
Genau wie ein Eisberg. Man sieht eben nur die Spitze. Hui, wie treffend!
Jetzt nuss ich aber sofort schauen wovor Dra Am meisten Angst hat! *total gespannt ist*
ciao *staubwölkchen zurücklässt*
Von: abgemeldet
2004-11-14T13:15:37+00:00 14.11.2004 14:15
Ou, spannend. Ich kann mich an das "Expecto Patronum" aus dem Filmtrailer erinnern, so langsam kapiere ich auch, was das soll.
Tja, so langsam gehen mit die Lobpreisungen aus...
Ich bin ja eh schon sehr gutes von dir gewohnt, insofern wurde ich auch hier bestätigt.
Von: abgemeldet
2004-10-14T22:23:57+00:00 15.10.2004 00:23
Oh armer Draco, wovor hat er Angst, dass Harry stirbt oder vor was sonst?


Zurück