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Tell me, what are we doing

Kapitel 5: Tell me, what are we doing
 

Die Sonne blendete unangenehm, selbst durch die geschlossenen Augenlieder schien sie zu dringen. Mit einem leisen Laut der Unmut streckte die Schwarzhaarige sich und öffnete blinzelnd ihre Augen. Verschlafen musterten die beiden grünen Seelenspiegel ihre Umgebung, starrten von der Decke des Schlafraums über die einfachen Wände bis hin zu den beiden Jungs, die seelenruhig neben ihr lagen und noch friedlich schlummerten. Dieser Anblick löste ein leichtes Gähnen bei ihr aus. Warum musste sie auch immer so schrecklich früh aufwachen. Augen reibend richtete sie sich auf, nur um sich gleich darauf wieder in das einfache Bett zurücksinken zu lassen. Sie wollte jetzt noch nicht aufstehen!

Grummelnd zog sie die Decke noch einmal ein Stückchen hoch, drehte sich genüsslich um und wartete auf den herrlichen Dämmerschlaf, der sie umnebeln sollte. Je länger sie jedoch dort lag umso wacher wurde sie und umso klarer wurde es ihr, dass es jetzt völlig sinnlos war liegen zu bleiben. Sie spürte zwar weder Unruhe noch sonst etwas, es war nur so, dass die Vernunft ihr sagte, sie müsse eh gleich aufstehen, da die drei es auch heute eilig hatten. Und wenn sie so und so aufstehen musste konnte sie sich wenigstens im Bad etwas mehr Zeit als sonst lassen. Ohne irgendwelchen Elan rappelte sie sich auf und kletterte lautstark aus dem Bett. Sie war zwar abgehärteter Frühaufsteher, schaffte es dabei aber nie leise zu sein. Kurz huschte ihr Blick zu den anderen beiden, in der Hoffnung, sie würden noch schlafen. Müde, helle Augen zeigten aber das Gegenteil. Etwas verdattert starrte der Schwarzhaarige sie einige Sekunden lang an, drehte sich dann aber wieder um. Mit schief gelegtem Kopf grinste sie den so katzenähnlichen Jungen kurz an. Zu niedlich, wie er erneut in den Kissen vergrub und versuchte, die störenden Geräusche auszublenden. Sich selbst zurechtweisen griff sie nach den sauber zusammengelegten Klamotten und verließ das Zimmer in Richtung Bad. Von Rei hatte sie schön die Finger zu lassen, schließlich meinte sie es ja eh nicht ernst und eines ihrer üblichen Spielchen abzuziehen wäre mehr als unfair, schließlich war der Kleine doch so süß und irgendwie nichts ahnend.

Die fein geschnittenen Lippen ihr gegenüber hatten sich zu einem neckischen Grinsen verzogen. Nachdenklich fuhr sie über die weiche Haut, beobachtete ihr Spiegelbild, dass es ihr gleich tat. Die losen, dunklen Strähnen wurden mit einer geübten Bewegung zurückgestrichen, gaben den Blick auf das gesamte Gesicht frei. Die Entsprechung der Züge war doch so markant, so offensichtlich und dennoch hatte es noch keiner bemerkt. Ließen sich die Leute wirklich so leicht von einem anderen Namen täuschen? Würde jemandem die Ähnlichkeit, wenn sie sich nicht Angel nennen sondern ihren eigentlichen Namen angeben würde?

Seufzend wurde der schwarze Haarschopf geschüttelt und noch ein wenig mehr zerzaust, aus dem duschen würde wohl nichts werden. Erstens hatte sie keine Zeit mehr und zweitens gab es hier noch nicht einmal eine einfache Duschkabine. Musste sie wohl noch ein Weilchen warten. "Na ja", zog ein Gedanke kurz durch ihren Kopf, "wenigstens habe ich gestern am Morgen noch schnell 'nen Ausflug unter die Dusche gemacht!"

Nur davor, wieder in die durchgeschwitzten Klamotten zu müssen graute es ihr jetzt wirklich. Seit mittlerweile ganzen vier Tagen lief sie jetzt schon darin herum und heute würde es nicht anders sein. Aber daran würde sie sich gewöhnen müssen. Erst in Lanzou wieder würden sie neue Kleidung erhalten wenn sie wie per SMS vereinbart auf den Kontaktmann trafen, so hatten sie es für diesen ersten Teil der Strecke ausgemacht. In diesem Kaff hier würden sie ja wohl kaum etwas finden, dass sie nicht noch auffälliger machte. Kai und sie in farbigen Chinadressen, sehr unpassende Vorstellung. Man sah ihnen beiden nun mal irgendwie die Nationalität an. Kai eher weniger, sicherlich, wegen seiner japanischen Mutter eben, aber sie...Sie würde auf keinen Fall als Chinesin durchgehen. Warum also sich lächerlich machen.

Schnell schlüpfte sie in die etwas weitere Jeans und zog das kurze Kleid drüber. Gut, so hergerichtet war sie auch nicht gerade unauffällig aber hey, jedem Freak das seine, wie Kai schon gesagt hatte als er sie wieder sah. Grinsend drückte sie einen richtigen Batzen Zahnpasta aus der Tube auf die feuchte Bürste und putzte schnell die Zähne. Ihr Spiegelbild tat es ihr, wie sollte es auch anders sein, noch immer gleich und die grünen Augen funkelten se dabei belustigt an. Sie sah nicht gerade wie ein Durchschnittstyp aus, eher wie einer dieser Spinner, die immer irgendwie heraus stachen. Wie eine "Angel" eben aussehen sollte.
 

Der dunkelhaarige Junge hatte sich erst wieder geregt als der leichte Geruch von frischem Reis in seine Nase gedrungen war. Die anderen beiden saßen anscheinend schon beim Frühstücken und auch er folgte, nach einem kurzen Besuch im Bad, deren Beispiel und erschien dennoch recht verschlafen in der Wirtsstube des Gasthauses. Der Wirt begrüßte ihn nicht gerade überschwänglich und er sah auch schon bald wieso.

Anstatt von ihrem großzügigen Frühstück zu essen hatten die beiden Russen sich über eine Landkarte von China gebeugt und diskutierten einiges lauter und deutlicher als nötig auf Japanisch, was sie jetzt machen wollten. Die goldenen Augen bedachten den Mann ihm gegenüber mit einem kurzen, entschuldigenden Blick bevor auch er sich an den Tisch mit der Eckbank zu den beiden anscheinend Streitenden gesellte. Diese schenkten ihm keinerlei Beachtung, waren viel zu sehr in ein Gespräch vertieft, welche bei genauerer Betrachtung aus nichts anderem als dem wiederholen zweier verschiedener Wörter bestand. Während sie dies taten tippten beide auf einen anderen Punkt auf der Karte.

"Hierher!"

"Dorthin!"

"Nein, da!"

Er grinste belustigt. Fehlte nur noch, dass sie sich gegenseitig pieksten und sich die Zunge herausstreckten. Schon seltsam, in ihrer Gegenwart war Kai ganz anders, kindlicher. Der Chinese seufzte leise. Er würde doch nicht etwa eifersüchtig werden. Aber irgendwie...wurmte es ihn doch ein wenig, dass Kai sich mehr mit dieser Angel beschäftigte als mit ihm. Nun gut, sonst hatte Kai sich auch nie recht viel mit ihm beschäftigt...wenigstens auch nicht mit jemand anderem! Er räusperte sich vernehmlich und sah die beiden an.

Durch das deutliche Geräusch auf ihn aufmerksam gemacht erwiderten beide Russen beinahe augenblicklich seinen Blickkontakt. Der Streit, wenn man es so nennen mochte, wirkte vergessen. Beide waren wieder ruhig und schweigsam. Um nicht in eine peinliche Stille zu geraten, da er jetzt keine Ahnung hatte, was er sagen sollte, wurde ein leises "Morgen" gemurmelt. Ein kurzes Nicken von beiden Seiten und man fing endlich an zu frühstücken.

Der Schwarzhaarige seufzte erneut. So hatte er sich das ganze nicht vorgestellt. Kaum war er da, redeten sie nicht miteinander, war er mit einem von beiden allein, dann schon. Aber zu dritt? Sie konnten doch schlecht ohne mit einander zu sprechen weiterziehen oder? Also startete er den nächsten Versuch, ein Gespräch anzufangen.

"Worüber hat ihr grade geredet, wenn man fragen darf?"

Und siehe da, es schien zu funktionieren. Trotz Kais schiefen Blicken rutschte die Dunkelhaarige ein Stück weit auf und zeigte Rei die Karte. Dieser musste sich ein erneutes Grinsen verkneifen, da Kai, wie mittlerweile typisch für ihn, sich an die Rückwand der Bank lehnte und scheinbar desinteressiert wie eh und je, die Augen schloss. Sah man aber genauer hin so beobachtete er die beiden verstohlen aus den Augenwinkeln. Die bernsteinfarbenen Augen glitten zurück auf die Landkarte und er hörte der kurzen Ausführung des Mädchens interessiert zu.

"Also, wir laufen heute nach Xinging und nehmen von dort aus den nächsten Zug nach Lanzou. Unser Kontaktmann wird dort mit Papieren und Kleidung auf uns warten. Um die Papiere auszutesten werden wir einen Flug innerhalb der Grenzen Chinas buchen. Die Frage ist nur wohin. Entweder nach Shanghai und von dort aus weiter oder eben Hongkong. Was meinst du?"

Er sah sie einen Moment lang verdutzt an. Papiere? Etwa gefälschte? Sie sollten mit falschen Pässen reisen? Leise wurde geschluckt. Das hätte er sich doch denken müssen. Natürlich ging das nicht, dass Angel und Kai unter normalen Namen mitkamen, schließlich suchte man sie und so wäre es viel zu einfach, sie zu finden. Aber ganz wohl war ihm bei der Sache nicht. Innerlich schelte er sich selbst für diesen Gedanken. Jetzt war es auch schon zu spät. Jetzt konnte er auch nicht einfach wieder umkehren. Aber...er wurde ja nicht gesucht, er konnte ja seinen Pass benutzen! Nur...wovon sollten sie ihren Flug bezahlen beziehungsweise die ganze Reise?! Das musste er sie unbedingt noch fragen aber erstmal wollte sie eine Antwort hören.

"Shanghai", erwiderte er ohne weiter darüber nachzudenken. In Hongkong war er bereits gewesen und wenn dann wollte er auch ein wenig von der Welt sehen. Sie grinste ihn siegesgewiss an, als hätte er nichts Richtigeres sagen können. Etwas verdutzt zog der Chinese die Augenbrauen nach oben. Wenn sie sich freute dann...Langsam drehte er sich zu dem Halbrussen. Dieser verdrehte nur entnervt die Augen und trank einen Schluck Tee. Anschließend wanderten die beiden roten Rubine auf die Dunkelhaarige neben ihm.

"Bist du jetzt zufrieden, wo du deinen Willen bekommen hast?!", wurde vernehmlich gegrummelt. Das breiter werdende Grinsen auf ihrem Gesicht sollte an dieser Stelle als Antwort genügen. Rasch trank auch der Chinese seinen restlichen Tee aus. Irgendwie hatte er das Gefühl, nicht mehr lange Zeit zu haben.

Und tatsächlich sah Angel kurze Zeit später auf ihr Handydisplay und wies sie an, sich zu beeilen, da sie ihren Zug erwischen mussten und ja kaum im Dauerlauf durch die Gegend rennen wollten. Kurz wurde Kai die ehrenvolle Aufgabe zugeteilt zu bezahlen, während die anderen beiden das Gepäck holen gingen. Und Rei, eigenständig und nicht darauf erpicht, Almosen anzunehmen, bestand natürlich darauf, seinen Teil selbst zu zahlen...vorausgesetzt er würde seinen Geldbeutel finden. Leider konnte er ja nicht ahnen, dass eben dieser zusammen mit seinen gesamten Papieren noch in seinem Zimmer in seinem Haus in seinem Dorf einen ganzen Tagesmarsch weit entfernt war.

"Scheiße", murmelte er leise. So hätten sie wenigstens ein wenig Startkapital gehabt und nicht die BBA anbetteln müssen. Angel winkte lachend ab und klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. Sie wären ja nicht auf das bisschen angewiesen wurde ihm schmunzelnd erklärt. Der Schalk stach geradezu aus ihren Augen heraus und dennoch war sich der Chinese einen Moment lang sicher, noch etwas anderes dahinter zu sehen, etwas, was nicht zu ihrem fröhlichen Gesicht passte. Eine gewisse Ernsthaftigkeit und Kühle, eine Art Schutzmechanismus, eine Maske, wie auch Kai sie trug. Mit einem gedanklichen Stirnrunzeln wurde diese Idee ganz schnell in das hinterste Kämmerchen seines Gehirns verdrängt. So ein Schwachsinn. Sie........

Er kam nicht dazu, weiter nachzudenken, da sie ihn bereits wieder nach unten dirigierte mit der Begründung sie hätten wirklich keine Zeit zum dumm herumstehen. Und dort angekommen bot sich ihm eine recht amüsante Szene. Kai, der immer wieder versuchte, den Wirt auf Japanisch nach der Rechnung zu fragen und der völlig verwirrte Mann, der nur verdattert den Kopf schüttelte, da er kein Wort zu verstehen schien. Den Halbrussen trieb das langsam und sogar sichtbar zur Verzweiflung. Er streckte dem Chinesen sogar schon sein Portmonee entgegen in der Hoffnung, er würde es begreifen, was aber eher weniger der Fall war. Hilfe suchend sahen sich die roten Augen um und blieben an Rei hängen.

Dieser nahm ihm lächelnd den Geldbeutel ab und fragte den Wirt höflich in schnellem Chinesisch: "Wir würden gerne abreisen, könnten wir die Rechung für das essen und die Zimmer haben?" Der Wirt wirkte ebenfalls mehr als nur erleichtert, endlich jemanden gefunden zu haben, der ihn verstand. Schnell war ein kleines Büchlein auf den Tresen gelegt und gefragt, wie sie zu Zahlen gedachten. Der Schwarzhaarige öffnete das Portmonee und untersuchte es kurz. Einige hundert Yen flackerten darin herum ebenso wie etliche Kredit und Kontokarten. Auf einen fragenden Blick hin griff Kai nach einer der Kreditkarten und legte sie auf den Tresen. Der Wirt betrachtete sie kurz, nickte dann aber und buchte den Betrag kommentarlos ab. Auch als Kai seine Unterschrift unter die Quittung setzte wurde nichts gesagt. Lediglich zum Abschied ein kurzer Gruß. Irgendwie schien er froh darüber zu sein, dass sie wieder gingen.

Diese drei wirkten wirklich unpassend sowohl vom auftreten her als auch von ihrer Sprache. Wenn man bedachte, wo man sich befand war es ja schon bewundernswert, dass die Menschen mit Kreditkarten bezahlen konnten. Aber solche komischen Vögel, die nicht einmal die Landessprache beherrschten und lieber auf einer Karte herumtippten als endlich zu frühstücken waren schon eine Sensation, die es lieber aus der Ferne zu betrachten galt.
 

"Sag mal", begann der hübsche Chinese seine Frage, "was machen wir eigentlich, wenn wir erst einmal in Shanghai sind?" Er erhielt anfangs keine Antwort, da er vorneweg lief und die beiden seine Stimme wohl nicht gehört hatten. Sie waren seit knapp zwei Stunden unterwegs und hatten noch keine Pause gemacht. Rei taten die Füße mehr als nur weh. Auch wenn er es gewohnt war, meistens zu Fuß unterwegs zu sein, reichte ihm dieses stillschweigende dahinstapfen mittlerweile schon wieder also stellte er Fragen, die ihn beschäftigten, um nicht völlig in Gedanken zu versinken. Würden die beiden nur antworten. Er wollte schon zur nächsten ansetzen als er von Kai ein "Das müssen wir wohl noch auslosen" hörte. Irgendwie beschlich ihn der dumpfe Gedanke, dass die beiden diese Flucht nicht gerade wohl durchdacht hatten. Beunruhigend...

Also wurde sich vorsichtshalber etwas weiter erkundigt.

"Wovon wollen wir unseren Ausflug eigentlich bezahlen? Ich glaube nämlich nicht, dass die BBA und lange unterstützen wird. Ich meine, ihr könntet euch ja auch irgendwo verstecken bis alles vorbei ist, nicht?"

Etwas unsicher blickte er nach hinten. Kai schien kurz zu überlegen, was er sagen sollte, blickte nachdenklich zu Boden und Angel hatte den kopf in die Karte gesteckt. Schlechte Chancen, eine rasche Antwort zu erhalten. Mit Kreditkarten würde das wohl kaum lange gut gehen, da jeder Kredit erstens ein Limit hatte und diese Teile zweitens immer auf eine bestimmte Person ausgestellt wurde. Und da Kai ja bald einen neuen Pass bekommen würde wäre es mehr als auffällig, wenn er weiterhin mit Hiwatari unterzeichnete.

"Wir zapfen das Konto der Biovolt und das seines ach so leiben Großvaters an, schließlich hast du ja mittlerweile eine Vollmacht über beides nicht wahr, Kai?", erklang schlussendlich doch Angels leicht genervte Stimme. Kai nickte nur und sie wand sich zu Rei. "Noch irgendetwas, Kleiner?"

Er schüttelte den Kopf. Ihre Stimmung hatte sich anscheinend drastisch gewendet. Aber wer konnte ihr das verübeln. Vor ihnen lagen Gleise und hinter ihnen ebenso. Und so wie es auf der Karte aussah, würde das wohl noch eine ganze Weile so weitergehen. Und außerdem wollte der Chinese aus diesen Klamotten heraus...
 

Blauer Himmel und nichts weiter als teils grüne, teils felsige Landschaft. Und das schon seit über einer Stunde. Nichts besonderes, was sein Interesse außerhalb des Zugs hätte wecken können und dennoch starrte Kai wie besessen hinaus, ignorierte den lauten Tumult um sich herum völlig. Auch dem kleinen Jungen, der ihn mit großen Augen anstarrte, wurde keinerlei Beachtung geschenkt. Man konnte leicht das Gefühl bekommen, dass der für die Landesbevölkerung unwirklich scheinende Silberhaarige mit offenen Augen schlief, so unbeweglich saß er dort am Fenster und betrachtete seine Umgebung.

Seine beiden Begleiter saßen ein gutes Stück von ihm entfernt, sodass er nichts von ihnen mitbekam in diesem überfüllten Waggon. Sie waren erst in der letzen Station zugestiegen und dennoch scheinbar eine Ewigkeit unterwegs. Ihr Ziel war an sich noch nicht einmal 30 Kilometer entfernt aber etwas Schnelleres als diese Zugverbindung gab es wohl nicht. Also saß er eingezwängt auf einem alten Sitz, der lediglich aus Holz bestand, hier und betrachtete nachdenklich seine Umgebung.

Immer wieder ging er alle Fakten ihrer scheinbar völlig planlosen "Flucht" durch. Das Auftauchen seiner Kleinen, ihre überstürzte Abreise, der Weg zu Rei, das eben dieser sie jetzt begleitete, der "Kontaktmann", ihr planloses Herumfahren irgendwo in China, die Tatsache, dass sie noch keine Ahnung hatten, wohin als nächstes...Egal wie er es drehte und wendete, stets spukte ihm nur ein Wort im Kopf herum: "Schwachsinn". Und wie genau es die ganze Sache hier traf war beinahe bewundernswert.

Seine Finger verkrampften sich ein wenig, jedoch noch nicht stark genug, dass es jemand anderem hätte auffallen können. Scheiße, worauf hatte er sich da nur eingelassen. Das war doch alles kompletter Wahnsinn. Das musste doch geradezu schief gehen. Aber wenn er hier und aussteigen würde, könnte er vielleicht sogar ohne Schaden zu nehmen zurück nach Russland oder besser Japan gehen und sich glatt wie ein Aal aus der Sache herauswinden. Rei würde schon nicht ohne ihn weitermachen...und wenn doch...scheiß drauf. Und Angel, das Weibsbild konnte ihn doch eh mal kr...

Hey Moment, woher plötzlich diese Arschlochgedanken. Er würde garantiert nicht den Schwanz einziehen und weglaufen, nein! Erstens ging ihn das ganze Spektakel hier mehr an als er zugeben wollte und zweitens...er hatte sie schon mal verlassen müssen. Nicht noch mal der gleiche Fehler. Sie war ihm doch wichtig, nicht wahr?

Müde schloss er die Augen, hörte schweigend etwas in sich hinein. Angel. Was war sie für ihn? Warum wollte er sie beschützen? Warum hatte er sogleich zugestimmt als sie zu ihm gekommen war? Ja, warum eigentlich? Die rotzen Augen öffneten sich wieder, schauten das Mädchen auf dem Sitz auf der anderen Seite, gegenüber seiner eigenen Reihe, verwirrt an. Das dunkelblaue Cappie war tief in ihr Gesicht gezogen, verdeckte jedoch nicht einmal alle Fransen des schwarz gefärbten Haars. Ihre Haut wirkte ungesund blass, das Gesicht war heute völlig ungeschminkt und die Arme wurden von langen Stulpen verdeckt. Nichts, aber auch wirklich gar nichts an ihr erinnerte an seine kleine Anna. Und dennoch.

Ihre Augen hatten sich bereits die ganze Zeit auf ihn gerichtet, schafften es jedoch erst jetzt, seinen Blick zu fangen, sahen ihn müde an. Auch wenn man es nicht in ihrem Gesicht sehen konnte war da ein kleines, unnachgiebiges Lächeln in ihrem Blick. Nicht mehr und nicht weniger. Die grünen Seelenspiegel blitzen leicht, selbst in diesem trüben Licht. Sie würde nicht aufgeben, das konnte sie gar nicht. Sie würden das schaffen, ganz sicher. Woher diese Klarheit plötzlich kam wusste er selbst nicht so genau, sie war einfach da. Angel war einfach da.

Anna war weg, aber Angel war da. Und Angel war anders. Positiv anders. Anna hatte er beschützen müssen, um Anna mussten sie beide sich immer kümmern. Aber dieses Mädchen da drüben war stark. Sie war jetzt hier, zusammen mit Rei. Anna war damals in der Abtei für ihn da...mit ihm...

Unwillig schüttelte der Halbrusse den Kopf, die erste größere Regung seit er sich hierhin gesetzt und den Kopf zum Fenster gewandt hatte. Das ganze war bereits Ewigkeiten her. Seine Freundin von damals war gestorben, er war gestorben und auch der kleine, zerbrechliche Kai von früher ruhte schlafend unter der Oberfläche eines tiefen Vulkans, der soeben mit seinem Tun gestoppt hatte und erstarrt war. Sollte allerdings jemand darin herumstochern würde es nicht lange dauern, bis er ausbrach.

Unbemerkt war sein Blick weiter auf den schlafenden Schwarzhaarigen neben Angel gewandert. Der Kopf war auf die Brust gestützt und sowohl Arme als auch Beine ein ganzes Stück mehr angewinkelt als nötig, als wolle er sich zusammenrollen. Die dunkle Mähne wurde wie immer von dem weißen Band gezähmt, an der Stirn zusätzlich von dem roten Stirnband mit dem YinYangzeichen zurückgehalten. Trotz seiner unmöglich bequemen Lage wirkte er mehr als nur zufrieden. Hätte nur noch gefehlt, dass er schnurrte. Wobei, wer sagte denn, dass er eben dies nicht tat?

Mit dieser speziellen, für ihn sonst so untypischen Weise, strich Kai sich durch das Haar, verstrubbelte es selbst noch ein wenig mehr. Er konnte es nicht leugnen, er war froh darüber, dass Rei sie begleitete. Wer weiß, vielleicht wollte er nur deshalb nach China kommen, weil er genau das gehofft hatte. War das nicht schrecklich unwichtig? Wieso immer alles hinterfragen, was den jungen Chinesen anging. Die trüben Gedanken von gestern morgen waren noch immer in seinem Hinterkopf festgefahren, doch mehr als einmal erlaubte sie ein Hiwatari nicht die gleiche Schwäche.

Den Erinnerungen an früher wurde nicht mehr halb soviel Gewicht gegeben wie noch am vorherigen Tag, sie wirkten nebensächlich. Viel mehr beschäftigte ihn etwas anderes: Die Kontaktperson. Er wusste haargenau, wer seine Kleine da angerufen hatte. Aber würden sie Iwan auch treffen. Heute bestimmt noch nicht, dafür war es noch zu früh, da auch er selbst garantiert unter Beobachtung stand. Aber früher oder später musste das passieren, da gab es keinen Zweifel. Das alles hier war nur eine Flucht vor unbeglichenen Rechnungen, ein aussichtsloser Kampf, dessen einziges Ziel aus dem Gewinnen von Zeit bestand.
 

Ich weiß, das Kapitel ist kurz und es ist das erste Mal, dass ich hierzu ein Nachwort schreibe. Aber das hat einen ganz einfachen Grund: Ich suchte hierzu dringend eine Betaleserin, da diese Geschichte vor Rechtsschreibfehlern nur so strotzt, da bin ich mir sicher. Nun gut, die Länge will ich hier gar nicht sonderlich rechtfertigen, da es nur noch wenige Sekunden bis Mitternacht sind. Was sag' ich, es ist so weit ^^' Nun gut, ich wollte hier noch sagen, dass ich mich sehr freuen würde wenn ihr trotz längerer Unterbrechung weiter lest. Diese Geschichte wird nämlich glaube ich meine bisher längste.
 

Blacky



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von: abgemeldet
2006-04-30T13:40:37+00:00 30.04.2006 15:40
*~*
die ff gefällt mir :) hoffe es gibt bald ein neues kapitel das ich verschlingen kann
*hug*
bin schon gespannt wies weitergeht

toshi
Von:  Morathi
2005-01-17T18:36:09+00:00 17.01.2005 19:36
na, die flucht kann ja noch was werden *drop* ^^
aber soooo abgeneigt scheint kai ray gar nich zu sein *fragend guck*
ein schönes kapi udn cih bin echt gfespannt, wies weitergeht ^^
also, schreiben schreiben schreiben XD
cu tsusuki ^^
ps. betaleser/in? hm..... würd ich gerne machen ^^
Von: abgemeldet
2005-01-17T18:03:57+00:00 17.01.2005 19:03
Ah das ging ja schon vor Ewigkeiten weiter >< *sry es nicht mitbekommen hat* Gefällt mir aber immer nocht ^^... auser die Tatsache dass Kais Herz jemand anderem gehört als Ray --
Von: abgemeldet
2005-01-16T17:13:55+00:00 16.01.2005 18:13
Bin dir treu ergeben


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