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Geister der Vergangenheit

von

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Ein Schwur

„Hey, Meister Hokage“, Genma öffnete die Tür und trat aus dem Flur in das Büro des Hokage, in dem sich nach wie vor der Sechste, Yamato, Sai und Naruto befanden. Sie hatten gerade damit angefangen, zu überlegen, wer ihnen für die Suche nach Sarada überhaupt zur Verfügung stand. Naruto war es ein Gräuel, dabei ständig beachten zu müssen, dass irgendjemand, den sie einen Kamerad nannten, ihnen in Wahrheit vielleicht feindlich gesinnt war.

Alle Anwesenden sahen gespannt zu dem Sonderjonin, der sich zu ihnen gesellt hatte.

„Der kleine Schützling von unserem Lieblingschaoten steht draußen und will unbedingt reinkommen. Er bettelt die ganze Zeit schon und es wirkt, als würde er gleich zu flennen anfangen. Raidou kriegt bereits Panik. Weinende Kinder sind nicht seine Stärke.“

„Häh?“, machte Naruto ahnungslos, als er die Blicke der anderen auf sich spürte und plötzlich durch die geöffnete Tür Juns Jammern vernahm.

„Bitte, bitte, ich muss den Hokage sprechen!“

„Jun?“ Naruto blinzelte in Richtung Tür.

„Okay, lasst ihn rein“, sagte Kakashi und Genma machte sofort kehrt und gab die Erlaubnis draußen weiter, worauf ein sichtlich aufgeregter Genin den Raum betrat. Obwohl er so auf den Einlass gepocht hatte, setzte er nun nur noch zögerlich einen Fuß vor den anderen. Seine Hände und Lippen zitterten und er kämpfte deutlich damit, den Hokage anzusehen. Als er seinen Lehrer im Büro erblickte, machte sich ein Hauch von Erleichterung in seiner Miene breit.

„Was gibt es denn?“, fragte Kakashi ruhig und löste damit bei dem Jungen trotzdem ein Zusammenzucken aus.

„Sind … sind die Ne etwa wieder … wieder aktiv?“, stammelte Jun, ohne den Sechsten direkt anzusehen.

Nun war es an den Erwachsenen zusammenzuschrecken. Sie tauschten untereinander verwirrte Blicke aus.

„Wie kommst du darauf?“, hakte Sai hastig nach.

Der Genin schluckte nervös. „D-die Angriffe auf die Teams und dann diese hohen Sicherheitsmaßnahmen haben mich stutzig gemacht. Aber … heute Morgen habe ich bei meiner täglichen Laufroute durchs Dorf gesehen, wie ein Anbu bei Naruto-sensei war und Naruto-sensei daraufhin ganz verstört war und dann habe ich die vielen Polizisten an der Wohnung von Sakura-sensei gesehen und deswegen fürchte ich, dass irgendwas vorgefallen sein muss. Geht es Sakura-sensei gut?“

Nach seinem aufgeregten Redeschwall war der Junge fast ein bisschen außer Atem – und seine Zuhörer ein bisschen aus der Fassung.

„Moment.“ Kakashi war der Erste, der sich wieder sammeln konnte. „Und von diesen Beobachtungen schließt du auf die Ne?“

„Na ja“, fuhr Jun zaudernd fort, „und m-meine Nachbarin, die oft nach mir sieht, sagte heute Morgen zu mir, sie wüsste nicht so recht, was sie …“ Er stockte und presste seine Lippen zusammen.

„Was hat sie gesagt?“, fragte Kakashi immer noch so ruhig wie möglich nach, auch wenn das ungute Gefühl in seinem Innern sich mal wieder meldete. „Wenn du das, was sie gesagt hat, für so wichtig hältst, dass du deswegen herkommst, dann sag es uns bitte. Wahrscheinlich ist es tatsächlich wichtig“, forderte er den Jüngeren ermutigend auf.

Jun hob seinen Blick endlich hoch genug, um dem Hokage in die Augen zu sehen und atmete durch. „Sie sagte, sie … wüsste nicht so recht, was sie vom Hokage halten sollte.“

Mit einem Schlag steigerte sich die Anspannung der Erwachsenen im Raum, als sie dies hörten.

„Ich habe gleich nachgefragt, wieso sie das denkt, denn sie hat vorher noch nie irgendwas in der Richtung gesagt“, sprach Jun weiter. „Dann meinte sie nur, dass mehrere Eltern von den Mitschülern ihrer Kinder Zweifel am Hokage bekommen hätten und dass man an dem Angriff auf die Genin ja sehen würde, dass der Hokage nicht alles unter Kontrolle hätte.“

Eine nervöse Stille legte sich für einen Augenblick über den Raum.

„Der Überfall auf Sakura“, sagte Yamato todernst in diese Stille hinein, „wird schnell die Runde machen, egal, was wir versuchen werden, um es geheim zu halten. Sie streuen schon wieder Misstrauen in der Bevölkerung, um dich zu diskreditieren.“

„Ja“, entgegnete Kakashi genauso ernst und mit gesenktem Blick, „das habe ich befürchtet.“

„Es-es tut mir leid“, äußerte Jun plötzlich tieftraurig und ließ damit den Blick des Sechsten wieder nach oben schnellen.

„Nichts davon ist deine Schuld“, beschwichtigte Kakashi ihn und zwang sich zu seinem üblichen Lächeln. „Danke, dass du uns das erzählt hast.“

Für einen Moment sah das Gesicht des Genin beinahe erschrocken aus, bevor sich ein hauchzartes Lächeln darauf bildete, das leider nach wie vor von Traurigkeit überschattet war.

„Deine tägliche Laufroute führt an meinem Haus vorbei?“ Trotz aller momentanen Sorgen klang Naruto ein wenig belustigt und wuschelte mit einer Hand durch die Haare seines Schützlings.

„Ist Sakura-sensei in Ordnu-“

Ein eiliges Klopfen an der Tür, die sich, ohne auf eine Reaktion zu warten, umgehend öffnete, unterbrach den Jungen.

„Meister Hokage!“ Raidou stürmte ins Zimmer und hielt in seinen Armen einen erschöpften und keuchenden Pakkun.

Kakashi sprang von seinem Platz auf und blickte wie die anderen alarmiert zu dem Mops. „Pakkun, habt ihr etwas gefunden?“

Der Atem des kleinen Hundes rasselte vor Anstrengung. „Ich wünschte, ich hätte bessere Nachrichten.“

„Habt ihr keine Spur von Sarada?“, fragte Naruto fahrig und biss die Zähne zusammen, als Pakkun den Kopf schüttelte.

„Wir, Kiba und Akamaru sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die Entführer sich mit jemandem getroffen haben, der Gerüche auslöschen kann. Bis in den großen Wald vor Konoha haben wir sie nachverfolgen können und dann verschwand die Spur plötzlich. Weder Saradas Geruch, noch ein anderer waren ab diesem Punkt mehr festzustellen. Die anderen Ninken und Kiba suchen noch weiter, aber ich will ehrlich sein: Es sieht schlecht aus.“

Entmutigt wanderte Kakashis Blick von seinem treuen Gefährten hin zu der Tischplatte seines Schreibtischs. Unbewusst ballten sich seine Hände zu Fäusten. Wie hatte es so weit kommen können? Was sollte er Sakura sagen, wenn sie aufwachte?

Ich bitte dich darum, Sakura und Sarada zu beschützen, wenn ich nicht hier bin.“

Sasukes Bitte von damals hallte wie ein gleichzeitig mahnendes und verhöhnendes Echo in seinem Kopf wider. War es töricht von ihm gewesen, dem jungen Uchiha dies zu versprechen? War es generell töricht von ihm, irgendjemandem irgendetwas zu versprechen? Eine flüchtige Erinnerung an Rin huschte vor seinem inneren Auge vorbei.

„Sarada … wurde entführt?“, sprach Jun verdattert in Kakashis düstere Gedanken hinein und holte ihn so in die Gegenwart zurück. „Ich werde helfen, sie zu suchen!“, rief der Genin plötzlich fest entschlossen aus und als der Hokage ihn anblickte, war er selbst einen Augenblick fassungslos darüber, wie sehr Juns Gesichtsausdruck nun dem von Naruto ähnelte.

Solche Chaoten wie euch wird es immer geben, dachte Kakashi und die Last auf seinen Schultern fühlte sich für einen Moment lang ein wenig leichter an. Ihr wirkt auf Außenstehende so ängstlich, aber wenn es wirklich darauf ankommt, ist niemand tatkräftiger und mutiger als ihr. Ist es nicht so, Obito?

„Die Ne werden damit nicht durchkommen!“ Jun schaute energisch zu Pakkun. „Können Sie mir zeigen, wo sich die Spur verliert? Ich werde-“

„Langsam, langsam“, unterbrach der Sechste den Jungen sacht, aber bestimmt. „Du wirst gar nichts. Keine Genin verlassen das Dorf. Ihr bleibt hier, wo wir ein Auge auf euch haben können.“

Enttäuscht ließ Jun seinen Kopf hängen, doch Kakashi konnte in seinen Augen ein gewisses Blitzen erkennen, das er nur zu gut kannte. Bevor er allerdings irgendwie darauf reagieren konnte, wurde die Tür erneut aufgerissen.

„Wir haben eine Nachricht erhalten!“ Genma rauschte mit einem kleinen, strahlend weißen Vogel, der auf seinem linken Arm saß, ins Zimmer. In der rechten Hand hielt er einen aufgefalteten Brief. „Jemand von der Nachrichtenabteilung kam gerade und berichtete, dass dieser Piepmatz zu ihnen geflogen kam.“ Der Sonderjonin übergab dem Hokage eiligst den Brief.

„Dieser Vogel brachte die Nachricht?“ Yamato warf einen kritischen Blick auf das gefiederte Tier. „Das ist ungewöhnlich.“

„Ist das eine Nachricht von den Entführern?“, fragte Naruto voller Ungeduld und vergaß fast zu atmen, als Kakashi mit dem Lesen fertig war und nickte.

Mit einem Mal wurde die Atmosphäre im Raum noch angespannter. Als hätte man sämtliche Atemluft aus dem Zimmer gesogen, war kaum noch einer der Anwesenden in der Lage, ruhig zu atmen.

„Damit Sarada nichts geschieht“, setzte Kakashi bedrückend an, „sollen wir ihnen Sasuke ausliefern.“

„Was?!“, entfuhr es Naruto und genau wie ihm stand auch Sai und Yamato der Schrecken ins Gesicht geschrieben.

„Sie wollen Sasuke?“, hakte Sai nach. „Tot oder lebendig?“

„Tot“, antwortete Kakashi knapp.

„Natürlich“, äußerte Yamato, als ihm zu dämmern anfing, welche Intention dahinter stecken musste, „wenn sie Konoha übernehmen wollen, müssen sie jeden, der ihnen dabei im Weg stehen könnte, ausschalten.“

„Aber“, warf Raidou ein, „wissen wir denn, wo Sasuke Uchiha sich aufhält?“

„Nicht wirklich, nein“, antwortete der Sechste nachdenklich. „Naruto, was denkst du würde Sasuke machen, wenn er hiervon erfährt?“

Perplex, dass er dies gefragt wurde, zuckte der Angesprochene zusammen. „Äh, er würde versuchen, Sarada zu befreien.“

„Und wenn das nicht ginge?“

„Äh, dann … dann würde er ….“ Schlagartig senkte Naruto seine Stimme. „Er würde tun, was sie verlangen.“

Von neuem nickte Kakashi bedächtig. „Ja. Das sehe ich genauso.“

„Sie schreiben, der Hokage soll ihnen antworten, ob er darauf eingeht“, meldete sich Genma zu Wort. „Dann würden wir weitere Instruktionen erhalten.“

Alle beobachteten gespannt, wie Kakashi sich nun wieder auf seinen Platz setzte, ein Blatt Papier aus der obersten Schublade seines Schreibtisch holte, einen Stift zückte und zu schreiben begann.

„Was antwortest du ihnen?“ Yamato ahnte, dass es ihn beunruhigen sollte, wenn Kakashi peinlichst darauf achtete, dass niemand erkennen konnte, was er da niederschrieb.

„Die Wahrheit“, entgegnete der Hokage. „Dass wir nicht wissen, wo Sasuke ist, ihn erst ausfindig machen müssen und dafür mehr Zeit brauchen.“

Naruto schüttelte den Kopf. „Ich bin verwirrt. Ich dachte, wir wären eben zu dem Ergebnis gekommen, dass wir Sasuke nicht Bescheid sagen.“

„Daran hat sich auch nichts geändert“, warf Sai ein. „Der Hokage versucht sicher, Zeit zu gewinnen, damit wir an einem Plan arbeiten können.“

„Wir könnten den Vogel nachverfolgen.“ Raidou sah zu Yamato. „Du kannst ihm doch einen deiner Samenkörner verabrei-“

„Nein“, erwiderte Genma, „steht im Brief. Wenn wir dem Vogel irgendwas anderes als Papier in den Schnabel oder sonst wohin stecken, würden sie das merken und ihre Geisel töten.“

Sai runzelte grübelnd seine Stirn. „Sie würden es merken?“

„Yamato hat Recht“, antwortete Kakashi, während er seinen gerade geschriebenen Brief faltete, „der Vogel ist ungewöhnlich. Vermutlich ist das kein echtes Tier, sondern ein Jutsu.“ Er hielt den gefalteten Brief hoch und der Vogel flog direkt von Genmas Arm los, landete auf dem Schreibtisch und schnappte sich mit seinem Schnabel das Papier.

„Das ist kein echter Vogel?“ Jun, der es für angemessen gehalten hatte, alles lieber stillschweigend zu beobachten, blinzelte das Tier an, das nun wieder emporflatterte und zum Fenster schwirrte. Kakashi öffnete das Fenster und prompt flog der kleine Botenvogel hinaus – wo er sich im Nu vervielfältigte und ein Dutzend kleiner, identischer Vögel geschwind in alle Richtungen davonflog.

„Schöner Mist“, kommentierte Pakkun, immer noch in Raidous Armen verharrend. „Hab mir gleich gedacht, mit dem Flattermann stimmt was nicht.“

Naruto starrte wie die anderen den Vögeln, die längst auf und davon waren, hinterher. „Sie sind zu schnell. Selbst wenn ich meine Schattendoppelgänger hinterher schicke … ich kann sie nicht einholen.“ Verärgert und enttäuscht über seine Unzulänglichkeit ballte er seine Hände zu Fäusten.

„Sie sind … zu clever“, hauchte Jun niedergeschlagen.

„Einholen können wir sie jetzt nicht“, sagte Kakashi und klang dabei erstaunlich ruhig. „Aber wir bekommen eine Chance, sie zu verfolgen.“

Während Naruto stutzte, ging Sai bereits ein Licht auf.

„Ich verstehe!“, entfuhr es dem Künstler perplex. „Die Antwort! Der Vogel wird wiederkommen und wenn er erneut einen Brief mitnimmt, können wir ihn verfolgen!“

Genma grinste süffisant und ließ sein Senbon dabei klackern. „Die sind vielleicht clever, aber das ist unser Hokage auch.“

„Sai“, ordnete Kakashi an, „halte dich bereit. Wir brauchen dein Gemälde der Bestien, wenn es so weit ist. Yamato, verständige die Leute, die wir zur Verstärkung mitschicken können. Du, Sai und Naruto gehen auf jeden Fall mit.“ Die zwei zuerst Genannten setzten sich sofort in Bewegung.

„Ich möchte auch helfen“, bot Jun ein weiteres Mal an, doch der Hokage schüttelte wie zuvor den Kopf.

„Jun, du hast uns sehr geholfen, aber geh jetzt bitte wieder nach Hause.“

Der Junge kaute auf seiner Unterlippe herum, bevor er zögerlich nickte und mit auffallend großen Schritten den Raum verließ.

„Naruto“, fügte Kakashi an und winkte den Jonin zu sich heran. „Gib ihm einen Grund, im Dorf zu bleiben.“

Verdattert blinzelte dieser ihn an. „Häh?“

„Vertrau mir. Er eifert seinem Idol zu sehr nach und wird sicher nicht die Füße still halten. Du kriegst das hin.“

„O-okay?“ Kein Stück weniger verdattert, beeilte Naruto sich, seinen Schüler einzuholen.

„Genma“, befahl der Sechste weiter, „falls der nächste Brief wieder bei dir landet, öffnest du ihn nicht.“

Der Sonderjonin hob kritisch eine Augenbraue. „Auch auf die Gefahr hin wie der Kleine zu klingen: Häh?“ Er bekam ein komisches Gefühl in der Magengegend, als Kakashi ihm sein typisches Lächeln schenkte.

„Das ist ein Befehl des Hokage.“

Das Senbon klackte unzufrieden.

 

„Du wolltest dich doch nicht einem Befehl des Hokage widersetzen, oder?“ Während Naruto hinter Jun hergelaufen war, hatte es erneut 'klick' bei ihm gemacht. Mit dem strengsten Blick, den er aufsetzen konnte, sah er seinen Schüler, den er draußen vor dem Hokagegebäude eingeholt hatte, eindringlich an.

„N-nein“, stammelte Jun und vermied Augenkontakt mit seinem Lehrer. „N-natürlich nicht. Wie-wie kommen Sie darauf?“

„Haaaah~.“ Naruto seufzte laut. „Weil du ein schlechter Lügner bist, echt jetzt.“

Schuldbewusst biss Jun sich auf seine Unterlippe.

„Das geht doch nicht. Du kannst dich nicht einem Befehl des Hokage widersetzen. Er entscheidet so etwas schließlich in deinem Interesse und wer weiß, in was für Schwierigkeiten du dich bringst, wenn du nicht auf ihn hörst.“ Naruto schüttelte missbilligend den Kopf und wunderte sich innerlich. Ganz oft, wenn er Jun seine Weisheiten präsentierte, hatte er so ein komisches Gefühl. Seltsam, woher das nur kam?

Der Junge ließ geknickt den Kopf hängen. „Entschuldigung, Sensei. Es ist nur ...“ Er sah auf und blickte ganz entschlossen drein. „Ich will auch etwas tun! Ich kann nicht einfach nur abwarten!“

„Hmm ...“ Naruto kratzte sich nachdenklich mit einem Finger an der Wange. „Das verstehe ich ja ...“ Was sollte er ihm sagen? Was würde Kakashi ihm sagen? Er dachte intensiv nach. Als ein guter Lehrer und zukünftiger Hokage musste er viel umsichtiger werden, viel mehr berücksichtigen als er es in seinem Dasein als Überraschungsninja Nummer eins je getan hatte. „Ah!“, machte er da und schlug mit seiner Faust auf seine Handfläche. „Du kannst etwas tun!“, verkündigte er, stolz, dass ihm eine Idee gekommen war.

„Wirklich?“ Jun machte große, hoffnungsvolle Augen. „Was, Sensei, was?“

„Kannst du während meiner Abwesenheit für mich ein Auge auf Hinata und Boruto haben?“

Der Genin salutierte umgehend. „Ich werde sogar beide Augen auf ihnen haben!“

Erfreut über den Eifer seines Schützlings wuschelte Naruto ihm erneut durch die braune Mähne.

 

Kakashi ignorierte es nonchalant, dass Genma ihn die ganze Zeit schief anblickte, während er und seine beiden schwer abzuschüttelnden Bewacher im Büro warteten. Pakkun war unterwegs, um Yamato dabei zu helfen, die anderen zusammenzutrommeln.

„Du planst nicht irgendwas extrem Dummes, oder?“ Der Sonderjonin kaute verärgert auf seinem Senbon herum.

„Glaubst du, man wird Hokage, indem man 'etwas extrem Dummes' tut?“, konterte der Sechste gleichmütig.

„Du schon.“

„Danke für die Blumen.“

Mit zunehmender Nervosität beobachtete Raidou den Schlagabtausch zwischen den beiden – und stöhnte innerlich. War es in Ordnung, so mit dem Hokage zu sprechen? Sollte er etwas sagen? Was war das früher alles einfacher gewesen, mit dem Dritten, den alle als ehrwürdig empfunden hatten und der Fünften, vor der heute noch jeder gehörig Respekt hatte (Respekt, Angst – die Grenzen waren fließend). Oder der Vierte! Eine Seele von Mensch! Wehmütig erinnerte sich Raidou an ihn und an den traurigen Umstand, dass sie ihn damals nicht hatten beschützen können. Er erinnerte sich plötzlich auch daran, dass Minato ihn immer ermutigt hatte, seine Gedanken auszusprechen, statt im Stillen mit sich selbst zu hadern. Er holte Luft.

„Genma, du redest mit dem Hokage. Drück dich angemessener aus.“

Der Getadelte warf ihm einen flüchtigen, fragenden Blick zu, ehe er abwinkte. „Der Hokage ist aber blöderweise Kakashi. Und da ist das angemessen. Hilf nicht ihm, hilf mir.“

Raidou presste seine Lippen wieder fest zusammen. Vielleicht sollte er doch lieber den Mund halten. Er wollte weder Genma in den Rücken fallen, noch den Hokage kritisieren. Letzterer schenkte ihm jetzt ein Lächeln.

„Und deswegen habe ich einen von euch lieber als den anderen“, fügte Kakashi schelmisch hinzu, was Raidou von neuem innerlich seufzen ließ. Wenn er Pech hatte, war Genma nun sauer auf ihn.

Allerdings kam er für den Moment nicht dazu, dies herauszufinden, denn Genma bemerkte plötzlich etwas am Himmel.

„Da kommt etwas!“

Alle drei Männer richteten unverzüglich ihre Aufmerksamkeit auf das Fenster, das Genma geschwind öffnete. Von den vielen kleinen Vögeln, die auf sie zukamen, verschwanden alle bis auf einen und dieser setzte sich mit einem Brief im Schnabel auf den Schreibtisch.

Flugs nahm Kakashi das Schreiben entgegen, öffnete es und las es so, dass keiner der beiden anderen einen Blick darauf werfen konnte – was Genmas Misstrauen nur noch steigerte.

„Und?“, fragte der Sonderjonin.

„Sie gehen darauf ein und wollen wissen, wie lange wir brauchen, um Sasuke ausfindig zu machen.“ Noch während er ihm – betont beiläufig - antwortete, öffnete Kakashi die zweite Schublade an seinem Schreibtisch und entnahm einem sehr kleinen Stapel Papier ein Blatt. „Unnötig zu erwähnen, womit sie drohen, wenn wir uns zu viel Zeit lassen.“ Mit ernster Miene begann er, eine weitere Antwort zu schreiben. „Es geht los.“

Die beiden anderen nickten und folgten ihrem Oberhaupt aus dem Raum hinaus auf das Dach des Gebäudes.

Der Vogel blickte auf den Brief, den Kakashi schnell in eine Tasche seiner Weste geschoben hatte und flog ihnen hinterher.

 

„Haben wir Antwort erhalten?“ Yamato, der mit den anderen Ninja ihres eilig zusammengestellten Rettungstrupps auf dem Dach wartete, sah angespannt zu den Eintreffenden. Kakashi ließ seinen Blick über die wandern, die dort standen: Sai und Naruto, die ihn beide erwartungsvoll und determiniert anschauten, als ob sie ihm sagen wollten, dass sie sofort jedem Befehl, der da kommen mochte, folgen würden. Shino und Kiba (Letzterer war von einem Vogel Sais informiert worden, rasch zurückzukehren und musste für diese Mission auf den erschöpften Akamaru verzichten), Tenten und Lee, sowie Choji, Hanabi und Konohamarus Team, das direkt unisono salutierte, als er vor ihnen stehen blieb. Kakashi wäre lieber drumherum gekommen, die ganz jungen Chunin mitzuschicken, besonders, weil er Ebisu für die Bewachung Konohas im Dorf lassen musste, doch es half nichts. Sie konnten nur auf diejenigen zurückgreifen, die Naruto so nahe standen, dass man von ihnen keinen Verrat fürchten musste.

„Sind alle über die Lage informiert?“, entgegnete Kakashi und Yamato nickte sogleich.

„Alle verfügbaren Shinobi sind anwesend und im Bilde.“

„Uhm, Moment“, wandte Choji ein, „Shikamaru ist nicht da.“

„Das ist wahr“, stutzte Naruto, wie die anderen sichtlich verwundert über die Abwesenheit des Kameraden. „Er ist doch im Dorf, oder?“

„Shikamaru wird nicht an dieser Mission teilnehmen“, erwiderte der Hokage mit einer hörbaren Schwere in der Stimme, welche alle nur noch mehr verwunderte. „Wie dem auch sei, eure Mission startet, sobald der Vogel der Entführer losfliegt. Findet ihr Versteck, informiert die anderen Teams und tretet erst in Aktion, wenn ihr die Situation überblicken könnt und die Verstärkung eingetroffen ist. Sarada Uchihas Rettung hat die oberste Priorität. Wenn ihr sie habt und fliehen könnt, werdet ihr genau das tun. Gebt auf euch Acht. Viel Erfolg.“ Ein Blick des Sechsten auf Sai genügte, damit der Künstler seine Schriftrolle ausbreitete und im Handumdrehen sechs riesige Vögel entstehen ließ, auf welche die Ninja umgehend aufzusteigen begannen. Sechs Weitere ließ er sofort nachfolgen. Auf diese kletterten die Schattendoppelgänger Narutos.

„Wartet auf mich!“, hallte es plötzlich über das Dach und ließ alle, die dort waren, erschrocken innehalten und sich zu der Frau umdrehen, die dort im Türrahmen stand.

„Sakura?“ Naruto schluckte, als er sie sah. Die Kunoichi war besorgniserregend bleich und machte keinen stabilen Eindruck, so wie sich nach dem Aufstieg aufs Dach mit einer Hand am Türrahmen festhielt.

„Nein, Sakura“, sagte Kakashi direkt, in einem Tonfall, der zwischen Mitgefühl und Strenge schwankte und als hätte er ihre Absichten sofort durchschaut. „Es ist schön, dass du wach bist, aber du gehst nicht mit.“

„Woher weiß sie überhaupt ...?“, fragte Raidou perplex, als Genma bereits mit den Augen rollte.

„Shizune ist eine noch miesere Aufpasserin als wir es sind. Ich wette, die Kleine hat alle Infos aus ihr herausgequetscht und sie dann irgendwie überlistet, um abzuhauen.“

Sakuras Miene wurde hart und unnachgiebig, als sie sich sich langsam zu den anderen begab. „Ich komme mit, das steht außer Frage.“

„Wir verstehen deine Gefühle, Sakura“, sagte Yamato, ähnlich wie Kakashi zeitgleich mitfühlend und streng, „doch der Hokage hat Recht: Es ist besser, wenn du hier bleibst.“

„Ihr könnt euch eure Worte sparen“, entgegnete sie resolut. „Nichts und niemand wird mich davon abhalten, meine Tochter zu retten. Wenn du mich nicht mit den anderen gehen lässt“, wandte sie sich an Kakashi, „werde ich alleine gehen. Wenn du mich einsperren lässt, werde ich jedes Gefängnis zerschmettern. Denn ich werde gehen, Kakashi. Komme, was wolle.“

Alle sahen etwas hilflos von Sakura hin zum Sechsten, der ihrem durchdringenden Blick eine kurze Weile stoisch standhielt – bevor er sacht den Kopf schüttelte und Sakura bereits dazu ansetzte, ihre Absichten lautstärker zu verteidigen. Doch Kakashi hob eine Hand, um ihr zu verdeutlichen, dass er etwas sagen wollte:

„Das ist eine heikle Mission, Sakura und absolut niemand der daran Beteiligten darf auch nur daran denken, irgendeinen Alleingang zu versuchen, da dies Saradas Rettung gefährden könnte. Was auch immer du tust, versprich mir, dass du dich an den Plan hältst und keinen Alleingang startest. Du bleibst bei den anderen, du hältst dich an das, was Yamato als Anführer dieser Mission dir befiehlt, du verfolgst keinen Geheimplan, der dich selber in Gefahr bringt. Dann erlaube ich es dir.“

Nun starrten alle verunsichert zu den beiden. Selbst Sakura konnte für einen Moment nichts anderes tun, als ihren alten Lehrer sprachlos und mit großen Augen anzublicken. Ihre Lippen zitterten ein wenig und sie schluckte und blinzelte die Tränen weg, die sich in ihren Augen zu formen drohten. Dann nickte sie entschlossen.

„Ich verspreche es.“

„Ich nehme dich beim Wort.“

Sakura nickte erneut und hauchte „Danke, Kakashi-sensei“, bevor sie sich zu Sai begab, der bereits auf einem der Vögel saß und ihr augenblicklich eine Hand hinhielt, um ihr beim Aufsitzen zu helfen.

„Alles wird gut, Sakura“, sagte er ihr währenddessen. „Ich betrachte dich und Sarada als Teil meiner Familie. Und ich werde meine Familie beschützen.“

Die Kunoichi stutze, ehe sie gerührt erwiderte: „Ich danke dir ebenso, Sai.“

Derweil warf Yamato dem Hokage einen dezent missbilligenden Blick zu. Natürlich hatten sie geahnt, dass Sakura, für den Fall, dass sie Wind davon bekäme, sofort mitkommen wollte, aber eigentlich hatte die Absprache gelautet: „Sakura darf nicht mitkommen. Punkt.“ Yamato seufzte leise. Er konnte Kakashi ja verstehen. Er schloss es nicht einmal aus, dass er an Kakashis Stelle wahrscheinlich auch nachgegeben hätte. Sakura dies auszuschlagen, hätte bedeutet, sie unter Anbu-Bewachung in eine Hochsicherheitszelle werfen zu müssen, um sie von der Verfolgung der Entführer abzubringen. Yamato bezweifelte, dass Kakashi tatsächlich in der Lage wäre, dies seiner Schülerin anzutun. Allerdings musste der Shinobi auch daran denken, wie Sakura damals auf eigene Faust Sasuke hatte erledigen wollen – und in welcher Tragödie dies beinahe geendet hätte. Hoffentlich war das Versprechen, das die Kunoichi nun Kakashi gegeben hatte, ihr genauso heilig wie das, was er und der Sechste sich gegeben hatten.

„Wir holen Sarada zurück. Ihr wird nichts geschehen“, proklamierte Naruto, der hinter Yamato saß, fest entschlossen und bitterernst in Sakuras Richtung. „Das ist anders als bei meinem Versprechen damals. Dieses Mal ist es ein Schwur, Sakura. Und wir alle haben ihn abgelegt.“

Die junge Frau sah zu ihrem blonden Kameraden, der an die Rückholung Sasukes vor so unfassbar vielen Jahren erinnert hatte und unbewusst ihr ins Gedächtnis rief, was sie ihm damals für eine Bürde auferlegt hatte.

„Ja“, antwortete sie ihm mit der gleichen Entschlossenheit, „dieses Mal ist es unser aller Schwur.“

Kakashi ließ noch einmal seinen Blick prüfend über alle wandern, bevor er tief Luft holte.

„Es geht los.“ Er zog den Brief aus seiner Tasche und sofort, als er ihn empor hielt, breitete der kleine Botenvogel seine Flügel aus, schnappte sich das Papier und flog los. Wie zuvor vervielfältigte er sich und die Tintenvögel hoben sogleich zur Verfolgung ab.

Schweren Herzens sah Kakashi ihnen vom Dach des Hokageturms hinterher. Ihm war sichtlich unwohl dabei, die Jüngeren auf eine so undurchsichtige und äußerst gefährliche Mission zu schicken. Er hatte bereits befürchtet, dass Sakura mitkommen würde und so sehr er sich auch gewünscht hätte, sie nicht mitzuschicken … er konnte sie verstehen. Er würde an ihrer Stelle genauso handeln. Wie konnte er sie da aufhalten?

Schnelle Schritte und atemloses Keuchen lenkten die Aufmerksamkeit der drei auf dem Dach verbliebenen Männer zur Treppe. Shizune stürzte diese panisch herauf.

„Sakura … hat mich … ausgetrickst“, schnaufte Shizune, als sie bei ihnen angekommen war. „Sie … hat sich schlafend … gestellt und … mitbekommen, was Ino mir … berichtet hat … und dann ist sie uns … entwischt.“

„Das wissen wir schon“, klagte Raidou.

„Nervt echt total, wenn Jüngere einem auf der Nase herumtanzen, oder?“, warf Genma spöttisch ein, als Kakashi sich an die herbeigeeilte Kunoichi wandte.

„Shizune, holst du bitte Iwashi her?“

Während die Angesprochene verwundert blinzelte und Raidou irritiert stutzte, zuckte Genma erschrocken zusammen. Als wäre das für ihn noch nicht ungewohnt genug gewesen, war seine Mimik zudem mit einem Mal völlig entgeistert. Mit einem beginnenden Wutanfall blickte er zum Sechsten.

„Was hast du getan??“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich habe dieses Mal Genma und (besonders) Raidou mehr Screentime gegeben. Ich mag die beiden einfach und inzwischen gehören sie innerhalb meiner Reihe zur Stammbesetzung. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Charly89
2023-04-21T17:51:39+00:00 21.04.2023 19:51
Ich weiß gerade gar nicht wo ich anfangen soll *-*

Ich bin tatsächlich ganz froh, dass ich die beiden Kapitel direkt zusammen lesen konnte.
Gleichzeitig weiß gerade eben nicht, wo und wie ich anfangen soll.

Da ist zum einen natürlich die ganze Sorge um Sarada. Diese sehr gute Spannung die du aufbaust, diese ganzen kleinen "Um-die-Ecke"-Kniffe die ich so liebe.
Das ist so unfassbar viel Kontent und er greift so großartig und nahtlos ineinander. Es ist rund und logisch und fließt so wunderbar mit der Story *-*

Und dann sind da all diese kleinen typischen Dinge. Naruto, der mal wieder nicht weiß, woher dieses merkwürdige Gefühl kommt, wenn er "seine" Weisheiten zum besten gibt. Kakshi der charmant alle an der Nase herum führt.
Und Genma und Raidou, die mir hier extrem gut gefallen haben *-*

Und ich fühle mich jetzt noch mehr bestätigt, dass Shikamaru keine Randnotiz ist ^-^°

Warte nun ungeduldig auf das nächste Kapitel

LG
Charly ^-^/
Antwort von:  rokugatsu-go
22.04.2023 14:13
Ah~, du hast so ein gutes Gespür. ^^

>>Mich würde interessieren, was bei Gaara los ist XD tut für diese Story natürlich nichts zur Sache, aber trotzdem.<<

Ich bin wieder in diesem Zwiespalt, wie viel ich sagen darf, ohne zu viel zu verraten ... so gesehen, habe ich damit etwas verraten. XD Um dich noch mehr zu verwirren (oder dir einen Hinweis zu geben?): Du hast mit deinem zweiten Satz da nicht ganz Unrecht. ;)

Das freut mich so unfassbar doll, was du sagst! Ich kann ja immer nur hoffen, dass die Leser es spannend finden werden und wenn man dann die Bestätigung kriegt, ist es einfach überwältigend. ^____^
Dann will ich mal hoffen, dass das auch so bleibt!

Es ist auch sehr schön, dass dir diese Naruto-Eigenarten (die kleinen typischen Dinge, wie du sie nennst) hier gefallen. Die machen für mich auch einen großen Teil des Charms der Serie aus und deswegen bin ich glücklich, wenn du der Meinung bist, ich hätte sie gut in die Geschichte eingearbeitet. ^.^

Genma und Raidou bekommen wie gesagt mehr Screentime, weil sie das einfach verdient haben (und ich mich beim Gucken von Boruto gefragt habe, was wohl aus ihnen geworden ist). Wenn man den beiden genug Screentime gibt, zeigen sie auch, dass sie mehr sind als einfache Nebencharas. <3

Vielen Dank für deinen Kommentar! ^__^


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